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naturgucker Nr. 30

DAS MAGAZIN ZUR VOGEL- UND NATURBEOBACHTUNG Wir zeigen Ihnen die Natur von ihrer schönsten Seite! Blättern Sie durch unser aktuelles Heft, und werfen Sie einen Blick auf die Vielfalt, die Sie umgibt. Alle zwei Monate finden Sie bei uns packende Fotos, Reportagen und Berichte über Vögel, seltene Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Säugetiere oder Insekten wie Libellen und Schmetterlinge.

DAS MAGAZIN ZUR VOGEL- UND NATURBEOBACHTUNG
Wir zeigen Ihnen die Natur von ihrer schönsten Seite! Blättern Sie durch unser aktuelles Heft, und werfen Sie einen Blick auf die Vielfalt, die Sie umgibt. Alle zwei Monate finden Sie bei uns packende Fotos, Reportagen und Berichte über Vögel, seltene Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Säugetiere oder Insekten wie Libellen und Schmetterlinge.

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NATURGUCKER <strong>30</strong><br />

Ausgabe <strong>30</strong> Mai / Juni Deutschland 3,80 € | Österreich 4,<strong>30</strong> € | Schweiz 5,00 CHF | Italien 5,00 €<br />

Das Magazin zur Vogel- und Naturbeobachtung<br />

STREUOBSTWIESEN<br />

MÜSSEN BLEIBEN<br />

Die bunte Heimat<br />

des Wiedehopfs<br />

VON BÄREN<br />

UND BEEREN<br />

Der wilde<br />

Varangerfjord


EDITORIAL<br />

Liebe Leserinnen<br />

und liebe Leser!<br />

Begegnungen mit<br />

der Seele der Vögel<br />

In den USA regiert ein Präsident, der<br />

Umweltauflagen am liebsten ganz<br />

abschaffen würde und auf Kohle und<br />

Erdöl setzt. Ganz so schlimm ist es bei<br />

uns (noch) nicht. In einer Umfrage Anfang<br />

2013 gaben 35 Prozent der Befragten<br />

an, Umwelt- und Klimaschutz sei das<br />

wichtigste Problem der Gegenwart. Auch<br />

2017 sind 94 Prozent der Deutschen<br />

überzeugt, dass Umweltschutz ihre Lebensqualität<br />

entscheidend verbessert<br />

– soweit die Theorie. In wiederum anderen<br />

Umfragen sagt eine breite Mehrheit,<br />

dass sie Fleisch von artgerecht gehaltenen<br />

Tieren kaufen möchte – aber sie tut<br />

es nicht. Tatsächlich findet es mehr als<br />

ein Drittel (38 Prozent) der Befragten zu<br />

aufwendig, beim Einkauf auch noch darauf<br />

zu achten, ob ein Produkt ein Umweltsiegel<br />

trägt und biologisch abbaubar ist.<br />

Fast jeder Zweite (46 Prozent) kauft<br />

einfach aus Gewohnheit das, was er schon<br />

immer gewählt hat. Umwelt schützen<br />

ja, aber machen sollen es bitte andere.<br />

Ist den meisten die Natur egal, in Zeiten<br />

von Terror, Syrien-Krieg und Flüchtlingskrise,<br />

Brexit und Grexit? Von SPD-Schulz<br />

und CDU-Merkel hört man in diesem<br />

Wahljahr viel, aber kaum etwas zur Umwelt.<br />

Einzig die Grünen scheinen sich<br />

wieder auf ihre Wurzeln besinnen zu<br />

wollen und fordern eine Wirtschaft, die<br />

die Umwelt schont: »Öko made in Germany«.<br />

Aber jeder Hund und jede Katze<br />

in Deutschland hat es noch immer besser<br />

als Mastschweine, Turbomast-Puten<br />

und Wildtiere wie Uferschnepfe, Kiebitz,<br />

Feldlerche und Mehlschwalbe. Wenn die<br />

breite Masse überhaupt noch Notiz von<br />

Wildtieren nimmt, sind es Wildschweine,<br />

die als »Plage« gelten. In Baden-Württemberg<br />

hat sich die Zahl der erlegten Wildschweine<br />

innerhalb der letzten 60 Jahre<br />

etwa verhundertfacht. Oder die für Aufregung<br />

sorgenden Wölfe, denen noch immer<br />

vorurteilsbehaftet und ängstlich begegnet<br />

wird. Wie gut, dass der Wolf so heimlich<br />

lebt und menschenscheu ist – sonst dürfte<br />

er sicher wieder abgeknallt werden.<br />

Der Natur-, Arten- und Umweltschutz<br />

darf heute nur noch so weit<br />

gehen, bis dessen Ausführung niemandes<br />

Geldbeutel belastet, alle weiterhin<br />

überall hindürfen, selbst mitten in<br />

Schutzgebiete, das Jagd- und Angelrecht<br />

uneingeschränkt bleibt und man Geld verdienen<br />

kann – und sei es auch umwelt-,<br />

artenschutz- oder naturschutz-feindlich.<br />

Dann ist plötzlich alles legal und egal.<br />

Glücklicherweise gibt es aber immer<br />

noch viele Menschen, die sich nicht<br />

nur sorgen, sondern aktiv etwas tun. Sie<br />

befreien wertvolle Magerwiesen vorm<br />

Zuwachsen mit Büschen, erhalten alte<br />

Streuobstwiesen als Heimat vieler gefährdeter<br />

Arten (lesen Sie mehr dazu ab<br />

Seite <strong>30</strong>), bauen Krötenzäune, protestieren<br />

gegen Massenviehhaltung und sorgen<br />

sich um tierische und pflanzliche Raritäten<br />

ebenso wie um die Kohlmeisen im<br />

Nistkasten auf dem eigenen Balkon. Jede<br />

und jeder kann etwas tun. Auf geht’s!<br />

Viel Spaß in der Natur<br />

und bei der Lektüre wünscht Ihnen<br />

Ihr<br />

Robert Lücke<br />

Herausgeber<br />

In Heft 29 hat sich durch einen Fehler der<br />

Redaktion eine falsche Bildbezeichnung<br />

eingeschlichen: Das Bild der fliegenden<br />

Limikolen auf Seite 58 zeigt keine Alpenstrandläufer,<br />

sondern Sanderlinge.<br />

Uwe Westphal:<br />

Schräge Vögel<br />

Begegnungen mit<br />

Rohrdommel, Ziegenmelker,<br />

Wiedehopf und anderen<br />

heimischen Vogelarten<br />

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Mehr Platz für den Spatz!<br />

Spatzen erleben,<br />

verstehen, schützen<br />

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192 Seiten, Hardcover, 19,90 R<br />

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pala-verlag gmbh<br />

Postfach 111122 • 64226 Darmstadt<br />

Tel. 06151 / 2<strong>30</strong>28 • Fax 06151 / 292713<br />

www.pala-verlag.de<br />

E-Mail: info@pala-verlag.de


INHALT<br />

INHALT<br />

06 NATUR-SPAZIERGANG<br />

06 Im Reich der Smaragdeidechse<br />

08 NATUR-SAISON<br />

08 Von Hoden-Pflanzen und Insektentäuschern<br />

12 Der Schwalbenschwanz<br />

14 Roter Einwanderer aus dem Osten<br />

16 NATURWISSEN<br />

16 Unbeliebter Neubürger<br />

18 Wenn es gelb regnet<br />

19 Kleiner weißer Vogel<br />

20 Die uralte Heilpflanze<br />

21 LESERSEITE<br />

21 Briefe, Fragen & Mails<br />

22 NATURSCHUTZ<br />

22 Naturgucken grenzenlos<br />

26 Vom Strand aufs Dach<br />

<strong>30</strong> Mehr als nur Äpfel und Birnen<br />

34 Punkiger Erzstinker<br />

36 Lauter schöne Kehlchen<br />

40 Nisthilfen statt »Misthilfen«<br />

42 NATURREISE<br />

42 Norwegens schönstes Ende<br />

48 The very best of NRW-Natur<br />

04<br />

52 NATUR-FOTO<br />

52 Die Makro-Saison ist da!<br />

54 NATURGUCKER-RÄTSEL<br />

55 AUSRÜSTUNG<br />

55 Fernglasgefühl am Spektiv<br />

57 NATURGUCKER.DE<br />

57 Die Mär von den »schlechten« Daten<br />

58 NATUR-BESTIMMUNG<br />

58 Wer piept denn da? Ein Pieper!<br />

62 ALLMERS KABINETT<br />

62 Die Köttelgrenzen der Wildkaninchen<br />

63 Für Hoden ist kein Platz im Motorraum<br />

64 NATUR-KIND<br />

64 Auf in die Beeren!<br />

65 KLEINANZEIGEN / VORSCHAU<br />

Wiedehopf mit Grille / Foto: Bence Mate, agami.nl


IMPRESSUM<br />

VERLAG<br />

Bachstelzen Verlag GbR<br />

Frankenplatz 23<br />

42107 Wuppertal<br />

www.<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

HERAUSGEBER<br />

Robert Lücke ( V.i.S.d.P.)<br />

robert.luecke@<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

REDAKTION<br />

Roy Fabian, Nicole Lücke,<br />

Robert Lücke, Dieter Schneider, Sebastian Teichmann<br />

redaktion@<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />

Frank Allmer, Friedrich Böhringer, Stefan Bosch,<br />

Elke Dilzer, Andres M. Dominguez, Patrick Donini,<br />

Christopher Engelhardt, Rolf Engstrand, Stefan<br />

Fockenberg, Florian Fraaß, Bob Gibbons, Jan<br />

Goedelt, Ursula Gönner, Dieter Gschwend, Torsten<br />

Haag, Thomas Halboom, Roger Herrmann, Dieter Hopf,<br />

Torsten Hunger, Rolf Jantz, Günther Kainz, Monika<br />

Kainz, Klemens Karkow, Margit Kissel, Martin Kraft,<br />

Wolfgang Kühn, Hans Lang, Stefan Leimer, Bence Mate,<br />

Daniele Occhiato, Walter Ollenik, Jari Peltomäki, Jan<br />

Piecha, Roland Prinzinger, H. Reinhard, Christopher<br />

Schmidt, Andreas Scholz, Richard Schöne, Gaby<br />

Schulemann-Maier, Regine Schulz, Hans Schwarting,<br />

Walter Soestbergen, Markus Varesvuo, Jean-Jacques<br />

Weimerskirch, Thea Wittmann, H. Zell, Antje<br />

Zimmermann<br />

GRAFIKDESIGN<br />

Christiane Püschel | pueschels.com<br />

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T +49 (0) 211 - 61 08 95 45<br />

Di und Fr 9-12 Uhr<br />

abo@<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

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Bachstelzen Verlag GbR<br />

Sybelstraße 3<br />

40239 Düsseldorf<br />

T +49 (0) 21- 61 08 95 45<br />

anzeigen@bachstelzen-verlag.de<br />

PARTNER<br />

www.<strong>naturgucker</strong>.de<br />

www.birdnet.de<br />

www.birdingtours.de<br />

www.duma-naturreisen.de<br />

Es gelten die Anzeigenkonditionen 2017. Alle Rechte vorbehalten.<br />

Das Magazin und alle enthaltenen Beiträge sind<br />

urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich<br />

zugelassenen Fälle ist eine Verwertung, auch auszugsweise,<br />

ohne Einwilligung des Hausgebers nicht gestattet. Für<br />

unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird keine<br />

Haftung übernommen.<br />

FACHBEIRAT<br />

Feld-Ornithologie | Prof. Dr. Martin Kraft<br />

Vogelzug | Prof. Dr. Peter Berthold<br />

Physiologie der Vögel | Prof. Dr. Roland Prinzinger<br />

Feld-Entomologie | Horst Schlüter<br />

Libellen | Hartwig Stobbe<br />

Allgemeine Botanik, Falter | Dieter Schneider<br />

Orchideen | Dr. Manfred Hennecke<br />

Ökologie, Naturschutz | Dr. Jochen Tamm<br />

Naturschutzverbände | Maik Sommerhage<br />

Botanik, Pflanzenkunde, Pilze | Dr. Rita Lüder<br />

Fotografie | Bruno Dittrich<br />

ISSN 2195-5646<br />

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NATUR-SPAZIERGANG<br />

Westliche<br />

Smaragdeidechse,<br />

Männchen<br />

Im Reich der<br />

SMARAGD-<br />

EIDECHSE<br />

Christopher Schmidt ging auf die Pirsch<br />

nach Eidechsen – und entdeckte drei Wiedehopfe.<br />

06<br />

Westliche<br />

Smaragdeidechse,<br />

Weibchen<br />

Es ist nur ein unscheinbarer Stapel<br />

aufgeschichteter Kiefernzweige<br />

inmitten der weiten, ungestörten,<br />

halboffenen Heidelandschaft: In den feinen,<br />

gelblichen Sand davor zeichnen die<br />

Schatten der Kiefernäste an diesem Junivormittag<br />

verschwommene Muster<br />

auf den Boden. Das Wetter ist für das,<br />

was ich hier beobachten möchte, ideal:<br />

Die Sonne scheint nur verhalten hinter<br />

einem leichten Dunstschleier. Es ist<br />

windstill, die Temperaturen bewegen<br />

sich zwischen 15 und 20 Grad Celsius.<br />

Und es ist spannend, hier zu stehen.<br />

Die akustische Kulisse zu diesem Stilleben<br />

skurriler Astgestalten wird gebildet<br />

durch die immer wiederkehrenden<br />

dumpfen Balzrufe der Wiedehopfe. Sie<br />

halten ihr Revier in einem der verlassenen<br />

und verfallenden Gebäude, die<br />

langsam von kleinen Birken in Besitz<br />

genommen werden.<br />

GROSSE LARVEN<br />

Immer wieder flattern diese einzigartigen<br />

Vögel von hier aus über die offenen<br />

Flächen, um auf dem Boden zwischen<br />

den vereinzelt stehenden, türkisgrauen<br />

Silbergrasbulten zu landen und mit<br />

ihrem pinzettenförmigen Schnabel<br />

nach Nahrung zu suchen. Nahrung<br />

werden die Vögel hier genug<br />

finden. Das Gelände ist nicht<br />

so dicht zugewachsen, zu übermäßig<br />

gedüngt, als dass Großinsekten nicht<br />

sichtbar wären. In dem umherliegenden<br />

Totholz haben Larven ausreichend Substrat,<br />

um sich zu ernähren. Große Laufkäfer<br />

hinterlassen ihre Fußspuren in<br />

dem Sand, Feld-Sandlaufkäfer krabbeln<br />

über unbewachsene Flächen und Maulwurfsgrillen<br />

rufen nicht sichtbar<br />

aus den Heidebeständen.<br />

Aber ich bin in erster Linie nicht<br />

wegen des Wiedehopfes hierhergekommen.<br />

Das, wonach ich suche, befindet<br />

sich hier in diesem Stapel aus Kiefernästen.<br />

Und ich bin mir sicher, dass das<br />

Tier nur wenige Dutzend Zentimeter<br />

von mir entfernt auf einem der Kiefernäste<br />

liegt, ganz still, ganz ruhig, die<br />

Wärme der Sonnenstrahlen genießend<br />

und mich dabei vorsichtig beobachtend.<br />

Aber in dem Mosaik aus brauner<br />

und roter Rinde, dem Wechselspiel aus


NATUR-SPAZIERGANG<br />

Licht und Schatten ist für mich unsichtbar,<br />

was mich sicher längst entdeckt hat.<br />

Mein Auge muss erst geschult werden<br />

für die Gestalt. Es bleibt die Hoffnung<br />

auf die kurze, verräterische Bewegung –<br />

und da ist sie! Auf dem Sandboden unterhalb<br />

des Holzstapels bewegt sich das<br />

Tier so unglaublich schnell, nur aus dem<br />

Augenwinkel nehme etwas wahr – doch<br />

dann zeigt sie sich: eine junge Smaragdeidechse!<br />

LEBENDER HOLZSTAPEL<br />

Ihre schwarzen, wachen Augen in meine<br />

Richtung weisend, den Kopf etwas angehoben,<br />

zeichnet sich ihre lange, schmale<br />

Gestalt für einen kurzen Moment gegen<br />

den hellen Untergrund ab, um in der<br />

nächsten Sekunde schon wieder in dem<br />

schützenden Dickicht zu verschwinden.<br />

Doch dieser Moment reicht aus, um die<br />

smaragdgrüne Oberseite zu erkennen,<br />

die von dunklen Flecken durchsetzt und<br />

marmoriert erschien. Und dann erwacht<br />

der unscheinbare Holzstapel zum Leben:<br />

Immer wieder sehe ich einzelne Eidechsen<br />

durch das Geäst huschen, zunächst<br />

nur schemenhaft. Aber ich bekomme<br />

ein Gefühl für die Bereiche, in denen sie<br />

sich gerne aufhalten, nämlich vor allem<br />

in den schwach besonnten Zonen am<br />

Rande des Stapels. Hier sehe ich nach<br />

langer Suche auch endlich ein unglaublich<br />

schön gefärbtes und körperlich imposantes<br />

Männchen: Um die 40 Zentimeter<br />

lang mit einem smaragdgrünen Körper,<br />

einem breiten Kopf und einer leuchtend<br />

gefärbten Kehle, deren Färbung irgendwo<br />

zwischen einem Türkiston und einem<br />

reinen Kobaltblau liegt, ruht es in<br />

der Morgensonne flach auf einem breiten<br />

Kiefernast. Es sieht so unwirklich aus,<br />

fast wie eine Skulptur aus Kunststoff, so<br />

glänzen Kopf und Kehle. Eine Gestalt<br />

wie aus einer anderen Welt! Und was für<br />

ein besonderes Glück ist es, die Eidechse<br />

hier in dem allerletzten ostdeutschen<br />

Lebensraum beobachten zu dürfen, nur<br />

zehn Zentimeter entfernt! Mein Fernglas<br />

wird überflüssig. In dem Gewirr aus alter<br />

Rinde und feinen Ästen jagen sich<br />

die Partner. Das Männchen rennt dem<br />

Weibchen hinterher, packt es lange mit<br />

seinem Maul an den Flanken, und in dieser<br />

Position verharren sie minutenlang.<br />

Dann geht die Jagd weiter, für<br />

mich unsichtbar, aber hörbar, inmitten<br />

des Stapels. Immer wieder wechseln<br />

einzelne Eidechsen die 20 Meter von<br />

einem Stapel zum nächsten. Vor allem<br />

männliche Tiere zeigen dieses Verhalten.<br />

Es dient wohl der Partnersuche,<br />

dem Verteidigen eines Reviers. Was für<br />

ein Glück ist es heute, die Eidechsen so<br />

nahe zu sehen: die kontrastreichen Jungtiere<br />

aus dem letzten Jahr, etwas ältere<br />

Weibchen, alte Weibchen, die den Männchen<br />

farblich immer ähnlicher werden.<br />

Und dann die unglaublich schönen, alten<br />

Männchen. Mit den ansteigenden<br />

Temperaturen nimmt die Aktivität<br />

der Eidechsen ab. Die Luft beginnt zu<br />

flimmern, der Zauber des Vormittages<br />

weicht der Lethargie der Mittagswärme.<br />

Unter den Sternstunden von Naturbeobachtungen<br />

gibt es hin und wieder eine<br />

Supernova. Dies war eine von ihnen.<br />

Alle Rechte an Text und Bildern<br />

bei Christopher Schmidt.<br />

07<br />

Wiedehopf<br />

Westliche<br />

Smaragdeidechse,<br />

Männchen


NATUR-SAISON<br />

Von Hoden-Pflanzen und<br />

INSEKTENTÄUSCHERN<br />

Frauenschuh, Fingerwurz, Knabenkraut, Ragwurz: Die etwa 60 heimischen Orchideenarten<br />

gehören zu den faszinierendsten Pflanzen unserer Flora. Von Christopher Engelhardt<br />

08<br />

Das manchmal nur wenige Zentimeter<br />

kleine Brand-Knabenkraut ist trotz seiner<br />

Zierlichkeit ein echter Augenschmaus.<br />

Insgesamt sehr selten geworden, wächst<br />

es an geeigneten Standorten wie hier im<br />

Bliesgau. / Foto: Robert Lücke


NATUR-SAISON<br />

Der prachtvolle Frauenschuh ist die spektakulärste heimische<br />

Orchidee. Seine Wuchsorte werden oft geheim gehalten.<br />

Die Kleine Spinnen-Ragwurz blüht bereits im April.<br />

Fotos: Monika und Günther Kainz, Robert Lücke<br />

Ihre biologisch-systematische Zuordnung<br />

klingt wenig aufregend: Sie<br />

sind Bedecktsamer, gehören zu den<br />

einkeimblättrigen Pflanzen und hier<br />

zur Ordnung der Spargelartigen (Asparagales).<br />

Auch die Bedeutung ihres Familiennamens<br />

erscheint wenig attraktiv.<br />

Sie sind benannt nach den männlichen<br />

Hoden, weil sie hoden-ähnlich geformte<br />

Wurzelknollen ausbilden. Und doch sind<br />

sie für viele Pflanzenfreunde die Königsklasse<br />

der Botanik: Orchideen, die durch<br />

ihre Schönheit verzaubern und deren<br />

biologische Strategien und Anpassungen<br />

zum Staunen anregen. Das Frühjahr<br />

ist die beste Zeit, viele von ihnen in voller<br />

Blüte zu erleben.<br />

IM HALBSCHATTEN<br />

Als die Schönste gilt wohl den meisten<br />

Pflanzenfreunden der Gelbe Frauenschuh<br />

(Cypripedium calceolus). Diese<br />

Orchidee wächst zu stattlichen Exemplaren<br />

von bis zu 60 Zentimetern Höhe<br />

heran. Ihre Blüten werden bis zu 65 Millimeter<br />

groß. Sepalen und Petalen sind<br />

schokoladenbraun gefärbt, die bauchige<br />

Lippe ist im Kontrast dazu zitronengelb.<br />

Der Frauenschuh ist hinsichtlich<br />

der Bodenbeschaffenheit äußerst anspruchsvoll<br />

und gedeiht nur auf kalkhaltigen<br />

Böden, wo er sich am besten<br />

im Halbschatten von Waldlichtungen<br />

entfalten kann. Schon der Name deutet<br />

etwas Besonderes an. Der Legende nach<br />

hat die Jungfrau Maria auf ihrer Flucht<br />

durch einen dunklen und unheimlichen<br />

Wald einen ihrer Schuhe verloren. An<br />

eben jener Stelle spross dann diese Blume<br />

auf, die daraufhin den Namen<br />

Frauenschuh bekam. Um diese<br />

spektakulärste aller heimischen<br />

Orchideen selbst<br />

sehen und bewundern zu<br />

können, sind wir einmal<br />

bis nach Estland gereist.<br />

Mit Hilfe eines<br />

kompetenten<br />

einheimischen<br />

Botanikers haben<br />

wir nach längerer<br />

Suche tatsächlich an<br />

einer halbschattigen,<br />

offenen Stelle<br />

in einem Wald<br />

auf Kalkplateau<br />

in Mittel-Estland<br />

einen sehr<br />

schönen blühenden<br />

Bestand gefunden. Es hatte etwas<br />

emotional Ergreifendes, zum ersten<br />

Mal bewusst diesem herrlichen Lebewesen<br />

gegenüberzustehen. So wie mir<br />

geht es vielen. Ganz aktuell hat der Naturfotograf<br />

Radomir Jakubowski ein<br />

Bekenntnis dazu abgelegt, wie er<br />

dem Charme dieser faszinierenden<br />

Pflanze erlegen ist und immer<br />

neue Ideen entwickelt, den Frauenschuh<br />

»fotografisch zu inszenieren<br />

und zu interpretieren«. Von ihm<br />

stammt auch das Titelbild der <strong>naturgucker</strong>-Ausgabe<br />

18, in der Sie mehr<br />

über diese besondere Pflanze erfahren<br />

können (Bestellung: abo@<strong>naturgucker</strong>-magazin.<br />

de). Denn um<br />

den Frauenschuh<br />

zu finden,<br />

muss<br />

man nicht<br />

unbedingt<br />

09


NATUR-SAISON<br />

Negenborn und Lobach (NI) sowie das<br />

NSG Schopfeln-Rehletal bei Immendingen-Hattingen<br />

(BW) und das NSG Leutratal-Cospoth<br />

zwischen Ammerbach<br />

und Nennsdorf bei Jena (TH). Einen<br />

groben Überblick, wo in Deutschland<br />

der Frauenschuh zu finden ist, kann man<br />

zum Beispiel dem Büchlein von Horst<br />

Kretzschmar entnehmen: »Die Orchideen<br />

Deutschlands und angrenzender Länder«.<br />

Dort gibt es allerdings nur sehr<br />

ungefähre Hinweise. Lokale Führer wie<br />

Marco Klübers »Orchideen in der Rhön«<br />

sind mit den Ortsangaben schon sehr<br />

viel genauer. Alternativen sind Orchideen-Führungen<br />

vom NABU oder vom<br />

Arbeitskreis Heimische Orchideen, den<br />

es in jedem Bundesland gibt. Man muss<br />

sich allerdings vorher sehr genau nach<br />

der Blütezeit erkundigen, die von Jahr zu<br />

Jahr deutlich variieren kann. Besonders<br />

reichhaltig ist der Bestand des Gelben<br />

Frauenschuhs in der Region zum Beispiel<br />

im Jenaer Forst oder im nahe gelegenen<br />

Pennickental.<br />

10<br />

weit reisen. Obwohl er in Mitteleuropa<br />

selten geworden ist, gibt es doch auch<br />

hierzulande immer noch gute Chancen,<br />

ihn zu sehen. Wenn ich eine bestimmte<br />

Art suche, schaue ich normalerweise immer<br />

zuerst auf <strong>naturgucker</strong>.de nach, wo<br />

diese Art zuletzt oder besonders häufig<br />

gemeldet worden ist. Damit kann ich<br />

dann schon ein vielversprechendes Exkursionsziel<br />

festlegen. Beim Frauenschuh<br />

– wie auch bei einigen anderen Arten – ist<br />

das jedoch nicht möglich: Hier wird die<br />

Gebietsangabe grundsätzlich gesperrt,<br />

sie bleibt nur dem Melder selbst sichtbar.<br />

Grund ist, dass es leider bis heute<br />

Das Helm-Knabenkraut (ganz oben) besiedelt<br />

Magerwiesen und lichte Wälder vorzugsweise<br />

auf kalkreichen Böden. Die Blütenblätter<br />

bilden einen Helm. Fliegen- und Bienenragwurz<br />

(oben rechts und links) locken Insekten an. Die<br />

Juni-Langhornbiene bestäubt die Hummel-<br />

Ragwurz. / Fotos: Hans Schwarting, Dieter<br />

Gschwend, Ursula Gönner.<br />

völlig verantwortungslose Zeitgenossen<br />

gibt, die aus vermeintlicher »Orchideenliebe«<br />

diese Pflanzen pflücken oder gar<br />

ausgraben. Was zudem dämlich ist, weil<br />

der Frauenschuh eine sehr anspruchsvolle<br />

Pflanze ist, die in einem fremden Boden<br />

oder einer ungewohnten Umgebung<br />

sofort zugrunde geht.<br />

FRAUENSCHUH SEHEN<br />

Auch rücksichtslose Fotografen können<br />

zum Rückgang der Art beitragen, weil<br />

durch ständiges Betreten der unmittelbaren<br />

Pflanzenumgebung der Boden<br />

verdichtet wird, was in der Folge die<br />

Ausbreitung der Pflanze behindert. Einige<br />

große Frauenschuh-Vorkommen sind<br />

mit Lehrpfaden erschlossen und werden<br />

zur Blütezeit bewacht. Empfehlenswert<br />

sind das NSG Deggenreuschen bei Hüfingen<br />

in der Nähe von Donaueschingen<br />

(BW), das NSG Burgberg zwischen<br />

BUNT UND SELTEN<br />

Fast gleichauf mit dem Frauenschuh<br />

rangiert in meiner Favoritenliste die<br />

Gattung der Ragwurze (Ophrys). So<br />

erblüht zum Beispiel in Nordhessen auf<br />

dem Dörnberg fast jedes Jahr die Fliegen-Ragwurz<br />

(Ophrys insectifera) in<br />

mehreren Tausend Exemplaren. Sie lässt<br />

sich vom Wanderweg aus sehr schön beobachten<br />

und auch fotografieren. Auffälliger<br />

und bunter ist die Bienen-Ragwurz<br />

(Ophrys apifera), die zum Beispiel im<br />

Kaiserstuhl weit verbreitet ist, oder die<br />

Hummel-Ragwurz (Ophrys fuciflora),<br />

deren Lippenzeichnung sehr variabel ist.<br />

Trotz der auffälligen Zeichnung gestaltet<br />

sich die Bestimmung daher oft schwierig.<br />

Alle fünf heimischen Ragwurzarten<br />

wachsen im NSG Taubergießen am<br />

Oberrhein. Und sie alle sind sogenannte<br />

Sexualtäuschblumen. Sie erwecken<br />

durch ihr Aussehen, durch ihren Duft<br />

und auch durch Berührungsreize für<br />

umherstreifende Insektenmännchen<br />

den Anschein, es handele sich um Weibchen<br />

ihrer Art. Dass sie meist schon<br />

früh im Mai blühen, wenn noch keine<br />

oder erst wenige Weibchen geschlüpft<br />

sind, erhöht ihre Erfolgsrate. So werden<br />

sie von den Männchen wie wild<br />

angeflogen – allein, die begehrte Paarung<br />

bleibt erfolglos. Die Tiere verlassen<br />

die Täuschblüte im wahrsten Sinn<br />

des Wortes als »gehörnte Männer« – die<br />

Ragwurz hat ihnen nämlich derweil<br />

Pollenpakete wie »Hörner« an die Stirn


NATUR-SAISON<br />

geklebt. Die so getäuschten Männchen<br />

versuchen nach der frustrierenden<br />

Pseudokopulation ihr Glück bei der<br />

nächsten vermeintlichen Dame – und<br />

transportieren so unfreiwillig die Pollen<br />

zum Ziel. Im Erfolgsfall können daraus<br />

mehr als 10.000 Ragwurz-Samen<br />

entstehen und die nächste Generation<br />

sichern helfen. Dabei sind verschiedene<br />

Ragwurz-Arten entsprechend auf<br />

verschiedene Insekten-Männchen spezialisiert.<br />

Die Fliegen-Ragwurz zum Beispiel<br />

lockt zur Bestäubung Männchen<br />

der Ragwurz-Zikadenwespe (Argogorytes<br />

mystaceus an), eine gelb-schwarz<br />

gezeichnete, bis 14 Millimeter große<br />

Grabwespenart. Die Hummel-Ragwurz<br />

dagegen betrügt die Männchen<br />

der Langhornbiene (Eucera longicornis),<br />

die Kleine Spinnenragwurz und<br />

die Spinnen-Ragwurz (Ophrys araneola<br />

und O. sphegodes) haben sich auf jeweils<br />

eine Sandbienen-Art spezialisiert.<br />

Aus Sicht der Ragwurze ist diese<br />

Zusammenarbeit mit den Insekten<br />

äußerst effizient. Sie garantiert<br />

ihnen eine hohe Bestäubungssicherheit<br />

zu minimalen »Energiekosten« –<br />

sie sparen sich durch den Betrug die<br />

Produktion von Nektar, den andere<br />

Arten als Gegenleistung für den Pollentransport<br />

bereitstellen müssen.<br />

HINTERLISTIGE BLUMEN !<br />

Genauso hinterlistig verfahren die Knabenkräuter<br />

und Fingerwurze aus den<br />

Gattungen Orchis, Anacamptis und<br />

Dactylorhiza, die freilich ganz anders<br />

aussehen und auch kräftiger sind als die<br />

kleinen Ragwurze. Zu den größten Vertretern<br />

dieser Gattungen gehören das<br />

Purpur-Knabenkraut (Orchis purpurea),<br />

das gelegentlich bis zu einem Meter<br />

hoch werden kann, das Helm-Knabenkraut<br />

(Orchis militaris), das 60 Zentimeter<br />

erreicht oder das Stattliche<br />

Knabenkraut (Orchis mascula), das<br />

immerhin 50 Zentimeter Wuchshöhe<br />

schafft. Die dichten Blütenstände dieser<br />

Arten sind durch rote, violette und<br />

weiße Farben gekennzeichnet. Um die<br />

einzelnen Arten richtig zu bestimmen,<br />

muss man sich ihre Blätter und die einzelnen<br />

Teile der Blüte genau anschauen,<br />

zumal es gerade bei den Orchideen auch<br />

zahlreiche etablierte Hybriden gibt.<br />

Auch in dieser Gruppe habe ich einen<br />

Favoriten: Das Brandknabenkraut<br />

(Orchis/Neotinea ustulata) wird zwar<br />

kaum mehr als <strong>30</strong> Zentimeter hoch, ist<br />

aber farblich besonders attraktiv. Es besitzt<br />

zahlreiche sehr kleine Blüten, deren<br />

obere Blätter dunkel-purpur gefärbt<br />

sind. Die noch darüber an der Spitze sitzenden<br />

Knospen sind dunkel und wirken<br />

so, als ob die Blume oben verbrannt<br />

sei. Das Brandknabenkraut kommt auf<br />

Sandmagerrasen und Bergwiesen vor<br />

und lässt sich von Fliegen, Hummeln,<br />

Solitärbienen und Bockkäfern bestäuben.<br />

So, genug geschrieben und gelesen!<br />

Der Frühling ist in vollem Gange,<br />

da heißt es: Raus in die Natur!


NATUR-SAISON<br />

DER SCHWALBEN-<br />

SCHWANZ<br />

Hübscher Riese: Zeichnung, Größe<br />

sowie die namensgebenden Fortsätze an den<br />

Hinterflügeln machen den Schwalbenschwanz<br />

unverwechselbar. Seine Spannweite beträgt<br />

bis zu knapp neun Zentimetern.<br />

12<br />

Einer unserer schönsten Tagfalter<br />

trägt Schmetterlingsparfum, trifft sich<br />

beim Hilltopping zum Flirten und<br />

riecht mit den Fühlern.<br />

Text und Fotos von Florian Fraaß<br />

Der Schwalbenschwanz gehört<br />

zu den auffälligsten und größten<br />

Tagfaltern Deutschlands. Er<br />

kommt bei uns normalerweise in zwei<br />

Generationen vor und zählt zur Familie<br />

der Ritterfalter. Seinen Namen verdankt<br />

Papilio machaon seinen verlängerten<br />

Hinterflügeln, die an den Schwanz einer<br />

Schwalbe erinnern. Die Flügel sind<br />

hellgelb und besitzen zahlreiche Flecken<br />

und Adern. Besonders auffällig sind die<br />

sechs blauen Felder auf den Hinterflügeln.<br />

Verantwortlich für die zauberhaften<br />

Farben und Muster unserer Falter<br />

sind unzählige kleine Schuppen, welche<br />

wie ein Mosaik angeordnet sind. Diese<br />

beinhalten entweder Farbstoffe (Pigmente)<br />

oder arbeiten physikalisch mit<br />

Lichtbrechung in den Strukturen. Neben<br />

farbigen Deckschuppen besitzen Falter<br />

übrigens auch Duftschuppen, welche<br />

mit Duftdrüsen in Verbindung stehen,<br />

um eine Art »Schmetterlingsparfüm« zu<br />

produzieren. Dieses wirkt unterstützend<br />

bei der Partnerfindung.<br />

FALTER-HOCHZEIT<br />

Der Schwalbenschwanz riecht mit seinen<br />

Fühlern, schmeckt mit seinen Beinen<br />

(Sensilien) und nimmt ultraviolettes<br />

Licht wahr – alles wichtige Eigenschaften,<br />

um Nektarquellen ausfindig zu<br />

machen oder geeignete Raupenfutterpflanzen<br />

zu entdecken. Mit bis zu neun<br />

Zentimetern Flügelspannweite kann der<br />

Schwalbenschwanz weite Strecken zurücklegen.<br />

Für die Partnersuche betreibt<br />

der Falter Hilltopping, eine Art Heiratsmarkt<br />

für Schmetterlinge – die Falter<br />

versammeln sich an erhöhten Punkten,<br />

etwa an Bergkuppen. Dort schaffen sich<br />

die Männchen Reviere und begatten die<br />

Weibchen. Danach entfernen sich die<br />

Weibchen rasch wieder und beginnen<br />

sogleich mit der Eiablage. Diese werden<br />

einzeln meist in Bodennähe an die Raupenfutterpflanze<br />

wie etwa Wilde Möhre,<br />

Fenchel, Pastinake oder Dill angeheftet.<br />

Nach etwa acht bis zehn Tagen schlüpfen<br />

die kleinen Raupen. Innerhalb der<br />

nächsten Wochen wird sich die Raupe<br />

nun mehrfach häuten und deutlich an<br />

Größe zunehmen. Die erwachsene Raupe<br />

besitzt neben ihrem auffälligen Aussehen<br />

eine Nackengabel, welche sie bei<br />

Gefahr ausfährt, um ein übelriechendes<br />

Sekret abzusondern.


NATUR-SAISON<br />

EHER SELTEN<br />

Nach fünf Wochen verpuppt sich die<br />

Raupe. Die Puppe gibt es sowohl in grüner<br />

als auch in brauner Ausprägung. Im<br />

Mai, manchmal in warmen Gegenden<br />

nach mildem Frühjahr schon im April,<br />

schlüpft die erste Generation und legt<br />

dann kurz darauf ihre Eier einzeln ab.<br />

Die Entwicklung zum fertigen Falter dauert<br />

bis Juli, sodass nun die zweite Generation<br />

schlüpfen kann. Die Nachkommen<br />

dieser Sommergeneration überwintern<br />

dann als Puppe. Der Schwalbenschwanz<br />

ist in Deutschland weit verbreitet, wenn<br />

auch in vielen Gegenden nicht besonders<br />

häufig. Daher ist er geschützt und<br />

steht bereits auf der Vorwarnliste (V).<br />

Er kommt im offenen Gelände vor und<br />

liebt trockenwarme Biotope wie Magerrasen,<br />

extensive Wiesen oder auch<br />

blütenreiche Brachflächen und Gärten.<br />

Beobachtungstipp<br />

Wer die auffälligen Raupen im<br />

eigenen Garten zu Gesicht bekommen<br />

möchte, sollte deren<br />

Futterpflanzen wie Möhren, Dill,<br />

Pastinake oder Fenchel an sonnigen<br />

Stellen anpflanzen. Da die<br />

Raupen nie in Massen auftreten,<br />

braucht man auch keine Angst<br />

vor Kahlfraß haben. Für die Falter<br />

selber sollten geeignete Nektarpflanzen<br />

wie Sommerflieder,<br />

Phlox, Rotklee, Flockenblumen,<br />

Skabiosen oder Disteln vorhanden<br />

sein. Dann hat man gute Chancen,<br />

diesen herrlichen Falter oder zumindest<br />

seine Raupen im eigenen<br />

Garten beobachten zu können.<br />

FOTOS AM MORGEN<br />

Einen Schwalbenschwanz zu sehen und<br />

zu fotografieren, ist leider ein gewaltiger<br />

Unterschied. Tagsüber sind die Falter unruhig<br />

und extrem flink unterwegs, sodass<br />

man schon sehr viel Glück braucht, um<br />

ein ansprechendes Foto hinzubekommen.<br />

Anders sieht die Situation ganz früh am<br />

Morgen aus: Findet man nämlich bei<br />

nicht allzu warmen Temparaturen einen<br />

Falter an seinem Übernachtungsplatz,<br />

dann hat man sehr gute Chancen, dass<br />

der Falter bei vorsichtigem Nähern auch<br />

sitzenbleibt. Und zur Freude des Fotografen<br />

kann es vorkommen, dass der Falter<br />

seine Flügel vollkommen auseinanderspreizt,<br />

um damit noch größer für einen<br />

potenziellen Angreifer zu wirken. Dieser<br />

Schutzreflex zeigt ihn in ganzer Pracht,<br />

hält jedoch meist nur wenige Sekunden<br />

an. Vorraussetzung für gute Fotos sind<br />

also ein frühes Aufstehen, ein wenig<br />

Kenntnisse über Vorkommen und vor<br />

allem viel Geduld und Durchhaltevermögen.<br />

Denn bis man seinen "Sechser<br />

im Lotto" auf der Wiese entdeckt, sind<br />

meist unzählige Versuche notwendig.<br />

<strong>naturgucker</strong>.de/?art=schwalbenschwanz<br />

13<br />

Die erste<br />

Faltergeneration<br />

schlüpft meist<br />

im Mai aus der<br />

Puppenhülle.<br />

Distelnektar gehört zur<br />

bevorzugten Nahrung der Tiere.


NATURSCHUTZ<br />

Nisthilfen statt<br />

»MISTHILFEN«<br />

Nisthilfen für Insekten bieten Naturspektakel vor der eigenen<br />

Haustür. Wenn man zwei grundlegende Dinge beachtet, sagt<br />

Stefan Fockenberg.<br />

40<br />

War ich enttäuscht! Mein Insektenhotel<br />

– ein Geschenk<br />

Marke Baumarkt – auch in<br />

der zweiten Saison besucht von nur einer<br />

einsamen Spinne. Eine echte »Misthilfe«!<br />

Ich muss es so deutlich sagen, sonst<br />

gehen Sie hin, kaufen ein »Hotel« mit<br />

Lochziegel, Kiefernzapfen, Schmetterlingsschlitz<br />

und fransigem Schilf – und<br />

werden genauso enttäuscht. Denn ein Insektenhotel<br />

macht vor allem Sinn, wenn<br />

man es als Wildbienenhaus betrachtet.<br />

Dann ist so eine Nisthilfe ein Naturgucker-Traum:<br />

keine Anfahrt, rückenschonend<br />

auf Augenhöhe, ohne Ausrüstung<br />

aus nächster Nähe ein Naturspektakel.<br />

NATUR KOPIEREN<br />

Mit Kamera und Kaffee in der Hand lässt<br />

sich hier der Lebenszyklus von zehn, 20<br />

oder gar mehr der 750 in Mitteleuropa<br />

heimischen Wildbienen von März bis<br />

September begeistert betrachten. Damit<br />

das gelingt, zwei wichtige Tipps: 1.<br />

Richtig informieren. 2. Richtig kopieren.<br />

Kopieren Sie keine »Misthilfen«, sondern<br />

die Natur. Hier sehen Sie Beispiele:<br />

Sie können ein modulares Wildbienenhaus<br />

mit austauschbaren Elementen<br />

bauen, Niströhren als »Outdoor-Brot«<br />

gestalten oder in der Dose anbieten.<br />

Entscheidend ist: Wer Naturgucken<br />

will, muss Natur kopieren. Niströhren<br />

als Kopien von Käfer-Fraßgängen brauchen<br />

unbedingt glatte Wände und Eingänge.<br />

Sie sollten rundum und hinten<br />

verschlossen sein. Risse sowie Spalten<br />

laden Parasiten und Schimmelpilze<br />

ein. Ideale Durchmesser sind zwei<br />

bis neun Millimeter (Schwerpunkt auf<br />

drei bis sechs Millimeter). Nehmen Sie<br />

Bambus, Naturstrohhalme oder Schilf,<br />

säubern und glätten das Material mit<br />

Düsenbürsten, Schrauben und Schleifpapier.<br />

Denn Späne bedeuten für Wildbienenflügel<br />

höchste Verletzungsgefahr.<br />

Sie können Gänge auch in mehrjährig<br />

abgelagertes Laubholz bohren – immer<br />

ins Längsholz (»Rindenseite«) statt<br />

in die Baumringe, sonst drohen Risse.<br />

NAHRUNG IST WICHTIG<br />

Die fertigen Elemente richten Sie am<br />

besten nach Süd-Ost aus, wettergeschützt,<br />

mit freiem Anflug und nicht<br />

pendelnd. Und bedenken Sie: Nisthilfen<br />

helfen nur, wenn es das passende<br />

Nahrungsangebot in der Nähe gibt,<br />

wie artenreiche Wildblumen oder Balkonkästen<br />

voller Wildstauden. Dann<br />

klappt’s mit Mauer-, Masken-, Scherenbiene<br />

& Co. Richtig informieren können<br />

Sie sich unter den angegebenen Links.<br />

Es gäbe noch so viel mehr zu sagen. Aber<br />

ich muss los. Wildbienengucken macht<br />

süchtig. Sie werden sehen ...<br />

Im Internet wird allerlei Unsinn verbreitet<br />

und Untaugliches empfohlen.<br />

Nützliche Infos finden Sie hier:<br />

www.naturgartenfreude.de/wildbienen/nisthilfen<br />

(Bezugsquellen und<br />

klasse Sonderausgabe der Zeitschrift<br />

Natur&Garten zum Thema).<br />

www.wildbienen.info (empfehlenswert<br />

auch das Buch des Autors)<br />

www.wildbienen.de (umfassend)<br />

Nistkästen können im Grunde überall<br />

aufgestellt werden, denn Insekten gibt es<br />

selbst mitten in der Großstadt. Besonders<br />

sinnvoll sind sie aber in naturnahen Gärten<br />

oder in der Nähe von halbwegs intakten<br />

Habitaten wie ungedüngten Wiesen, Gewässern<br />

oder Wäldern. Die selbst gebauten<br />

Nisthilfen werden besser angenommen<br />

als fertig Gekaufte. Vor allem Wildbienen<br />

und Hummeln kann man damit gut anlocken<br />

– Insekten, die keine Staatenbildung<br />

betreiben und auch Käfer finden hier ein<br />

Zuhause. Der Standort sollte möglichst<br />

sonnig sein. / Fotos: Claude Müller Salafia,<br />

Sylke Schacht, Stefan Fockenberg.


NATURSCHUTZ<br />

Dr. Stefan Fockenberg<br />

unternahm<br />

seine ersten Naturgucker-Entdeckungsreisen<br />

zu<br />

Hause im Garten,<br />

der ihn als besonderer Lebensraum<br />

noch heute begeistert. Es ist ihm ein<br />

Anliegen, Menschen in Texten, Bildern<br />

und Führungen für die Natur zu<br />

begeistern. Er arbeitet als freiberuflicher<br />

Texter und Autor.<br />

& beobachten<br />

Erkennen<br />

41<br />

— Vogelstimmen hören mit der TING-Funktion<br />

— 100 Arten erkennen und beobachten<br />

— Sicheres Bestimmen durch präzise Angaben<br />

und Merkmale<br />

192 Seiten, €/D 12,99<br />

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NATURREISE<br />

Der Varangerfjord lockt mit über<br />

250 Vogelarten und einer archaischen Landschaft<br />

Besucher nach ganz weit oben. Von Stefan Leimer<br />

42<br />

Geröllmassen markieren<br />

nördlich des Varangerfjords<br />

den Übergang vom Land zur<br />

Barentssee. Seevögel wie die<br />

Dreizehenmöwe (oben, Jungvogel)<br />

finden hier dennoch<br />

reichlich Nahrung – zum Beispiel<br />

in Form von Sandaalen.<br />

Alle Fotos: Stefan Leimer<br />

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NATURREISE<br />

In Grense Jakobselv, einem winzigen<br />

Weiler in der arktischen<br />

Finnmark, ist das Ende der Welt<br />

erreicht. Zumindest mit unserem<br />

VW-Bus geht es hier nicht mehr weiter.<br />

Links erheben sich abweisende<br />

Berghänge, auf deren Gipfel sich<br />

das norwegische Militär eingenistet<br />

hat. Vor uns aufgewühltes, bleifarbenes<br />

Meer, in dem sich ab und<br />

zu ein paar Schweinswale zeigen,<br />

und rechts, am anderen Ufer des<br />

Grenzflusses Jakobselv, befindet<br />

sich Russland. Bis nach Murmansk<br />

sind es nur noch 150 Kilometer. Die<br />

beiden norwegischen Soldaten, die<br />

am Rand der Schotterstraße gemütlich<br />

am Lagerfeuer sitzen, erklären<br />

uns freimütig, dass ihr Auftrag darin<br />

besteht, naive Touristen davon<br />

abzuhalten, den Fluss zu durchwaten,<br />

um auf russischem Staatsgebiet<br />

ein Erinnerungsfoto zu knipsen.<br />

Die nächstgelegene norwegische<br />

Stadt ist Kirkenes am Varangerfjord,<br />

die nördlichste und somit letzte Anlaufstelle<br />

der Hurtigruten-Schiffe.<br />

Der Varangerfjord, nahe der russischen<br />

Grenze im nordöstlichen Teil<br />

der norwegischen Finnmark gelegen,<br />

ist nicht nur bekannt für seine reichen<br />

Fischgründe, sondern auch ein Paradies<br />

für viele Vögel. In dieser äußerst<br />

dünn besiedelten Gegend wechseln<br />

sich Feuchtgebiete und Birkenwälder<br />

mit kargen Mondlandschaften ab.<br />

DIE KÖNIGSKRABBEN<br />

Bereits im Jahre 1869 ließ König<br />

Oscar II. hier eine Kapelle aus Stein<br />

errichten, um dem Nachbarn im<br />

Osten norwegische Hoheitsgewalt<br />

zu demonstrieren. Heute stehen<br />

in Sichtweite russische Grenztürme,<br />

die an die vergangenen Zeiten<br />

des eisernen Vorhangs erinnern. Im<br />

Zweiten Weltkrieg versuchten die<br />

deutschen Truppen von Kirkenes<br />

aus, den eisfreien russischen Hafen<br />

in Murmansk unter ihre Kontrolle<br />

zu bekommen. Aber die Rote Armee<br />

schlug immer wieder zurück,<br />

flog über <strong>30</strong>0 Bomberangriffe und<br />

machte Kirkenes so zur meistbombardierten<br />

Stadt Norwegens. Und<br />

die letzten Reste, die diesem Inferno<br />

wider Erwarten standhielten, verbrannten<br />

die Deutschen bei ihrem<br />

Rückzug. Entsprechend trost- und<br />

charmelos präsentiert sich leider die<br />

Stadt heute. Im Hafen verkauft ein<br />

Fischer frisch gefangene Krevetten<br />

direkt von seinem Kutter an die wartende<br />

Kundschaft. Während wir das<br />

Treiben, eingepackt in Fleece und<br />

Windjacke, beobachten, trotzen die<br />

vorbildlich in Einerkolonne wartenden<br />

Einheimischen in T-Shirt und<br />

Zehenschlappen dem bissigen Wind.<br />

Schließlich haben wir Mitte<br />

August und die Temperatur ist mit<br />

14 Grad, zumindest für die lokale<br />

Bevölkerung, angenehm warm.<br />

Am Quai nebenan wird ein russischer<br />

Trawler, dessen ursprüngliche Farbe<br />

sich unter der dicken Rostschicht nur<br />

noch vage erahnen lässt, kistenweise<br />

mit Nahrungsmitteln beladen. Die<br />

Matrosen winken uns spontan an<br />

Bord und erklären uns in brüchigem<br />

Englisch, dass die Jagd-Saison auf<br />

die eindrücklichen Königskrabben<br />

vor der Tür steht. Diese Krustentiere<br />

sind ursprünglich im nördlichen Pazifik<br />

beheimatet, wurden aber in den<br />

1960er Jahren von russischen Forschern<br />

in der Barentssee ausgesetzt.<br />

Ein Weibchen legt bis zu 500.000 Eier,<br />

und etwa zwei Prozent, also 1.000<br />

Nachkommen, erreichen das adulte<br />

Alter. Dank der hier herrschenden<br />

guten Lebensbedingungen und weil<br />

natürliche Fressfeinde fehlen, haben<br />

sich diese Monsterkrabben in der<br />

Zwischenzeit entlang der Küste bis<br />

zu den Lofoten ausgebreitet. Und<br />

es gibt bereits erste Unkenrufe, die<br />

davor warnen, dass die Krabben<br />

in naher Zukunft auch die Badenden<br />

auf Sylt erschrecken werden.<br />

JAKOBSLEITER<br />

In Bugoynes, einem malerischen Dorf<br />

westlich von Kirkenes, erwartet uns<br />

eine kleine biologische Sensation.<br />

Hier, auf dem fußballfeldgroßen<br />

Friedhof, ist der einzig bekannt Ort,<br />

an dem die nordische Jakobsleiter<br />

(Polemonium boreale), auch Himmelsleiter<br />

oder Sperrkraut genannt,<br />

wächst. Zwar gibt es auch im Norden<br />

andere Vertreter aus der Pflanzenfamilie<br />

der Jakobsleiter, wie beispielsweise<br />

Polemonium coeruleum und<br />

Polemonium acutiflorum. Aber Polemonium<br />

boreale unterscheidet sich<br />

von ihren Verwandten durch einen<br />

kleineren Wuchs und ihre helleren<br />

Blüten. Ein kleines Schild beim Eingang<br />

weist auf Norwegisch, Finnisch<br />

und Englisch auf diese Besonderheit<br />

hin. Die Blumen wurden 1868 hier<br />

entdeckt und sind seit 1919 geschützt.<br />

So ist es verboten, sie zu pflücken<br />

oder zu zerstören. Damit die zarten<br />

Pflanzen in diesem rauen Klima genug<br />

Zeit zum Aussamen und wachsen<br />

haben, wird das Gras im Friedhof<br />

nicht vor dem 15. August geschnitten.<br />

Nicht nur wegen der Königskrabben<br />

und den enorm reichen Fischgründen<br />

ist die Gegend um den<br />

Varangerfjord bekannt. Das Vogelleben<br />

in diesem Gebiet steht in krassem<br />

Gegensatz zu der für uns auf<br />

43<br />

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NATURREISE<br />

44<br />

den ersten Blick kargen Landschaft.<br />

Das Meer, die Flussdeltas, die flachen<br />

Strände aber auch verschiedene<br />

Feuchtgebiete und Moore sowie Birkenwälder<br />

dienen unzähligen Vögeln<br />

während des Vogelzugs, beim Nisten<br />

oder dem Überwintern als reichhaltige<br />

Nahrungsquelle.<br />

EISFREIER FJORD<br />

Kleinvögel finden vor allem im Unterholz<br />

entlang der Küste und in den<br />

Birkenwäldern der Täler reichlich<br />

Nahrung. So lassen sich unter anderem<br />

Rotsternige Blaukehlchen, Polarbirkenzeisige,<br />

Trauerschnäpper,<br />

Wasserpieper, Rotkehlpieper und verschiedene<br />

Ammern beobachten. Kein<br />

Wunder, dass der Varangerfjord im<br />

Buch »Top 100 Birding Sites of the<br />

World« auch als eines der reichhaltigsten<br />

Vogelgebiete Europas aufgeführt<br />

wird. Viele Vögel sehen Varanger<br />

nicht nur als Sommerdestination.<br />

Der Varangerfjord kann in der kalten<br />

Jahreszeit zwar recht unwirtlich<br />

sein, aber einige Arten aus der Arktis<br />

empfinden den Winter in Varanger<br />

als geradezu mild, da der Fjord eisfrei<br />

bleibt und in der Folge vielen Vögeln<br />

eine geeignete Bleibe bietet. Da ist<br />

zum Beispiel die Scheckente, die in<br />

Ostsibirien und Alaska nistet. 8.000<br />

bis 15.000 Tiere überwintern am<br />

Varangerfjord. Sie ist häufig im Meer<br />

bei Vardø und Vadsø anzutreffen, oft<br />

in Gesellschaft der prächtigen Prachteiderente,<br />

die wie die Eisente und die<br />

Eiderente auf Winterbesuch hier ist.<br />

In Nesseby, gleich hinter der strahlend<br />

weißen Kirche, die die kleine<br />

Halbinsel überragt, lassen sich im<br />

Spätsommer noch verschiedene<br />

Vögel bei der Futtersuche beobachten.<br />

Während sich auf dem Wasser<br />

diverse Möwenarten bei der<br />

Jagd nach Sandaalen gegenseitig<br />

Konkurrenz machen, suchen Austernfischer,<br />

Flussregenpfeifer und<br />

Alpenstrandläufer in Eintracht bei<br />

Ebbe den Strand nach Fressbarem ab.<br />

Das Varangergebiet ist für Vögel<br />

nicht nur ein ideales Jagdgebiet, sondern<br />

auch ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt.<br />

Im hohen Norden sind die<br />

Distanzen zwischen den Kontinenten<br />

kürzer als weiter südlich. So umfasst<br />

die Liste der in Varanger zu beobachtenden<br />

Arten nicht nur Vögel aus<br />

Gebieten der nördlichen Arktis, sondern<br />

auch aus Nordamerika, Sibirien<br />

und dem restlichen Europa, die im<br />

restlichen Norwegen nur selten oder<br />

nie zu sehen sind. Über 250 Arten<br />

wurde bisher nachgewiesen, darunter<br />

nordamerikanische Spezies wie Kleiner<br />

Schlammläufer oder Amerikanischer<br />

Sandregenpfeifer, aber auch<br />

Kuhreiher, Kragenente, Schmutzgeier,<br />

Schelladler, Zwergtrappe, Sibirischer<br />

Brachvogel, Rosenmöwe,<br />

Blauracke, Pazifischer Wasserpieper<br />

und Weißflügellerche. Am nördlichsten<br />

Ende des Varangergfjordes<br />

liegt auf einer Insel die Stadt Vardo,<br />

die seit 1983 mit einem Tunnel<br />

unter dem Meer mit dem Festland<br />

verbunden ist. Von hier aus werden<br />

Überfahrten zu dem in der Barentssee<br />

liegenden Vogelfelsen Harnoya<br />

angeboten. Auf der Insel brüten große<br />

Kolonien von Papageitauchern,<br />

Tordalken, Trottellummen, Dickschnabellummen<br />

und Kormoranen<br />

sowie verschiedene Möwenarten.<br />

Nach zehn Minuten Überfahrt<br />

legt das Boot direkt unterhalb der<br />

Felswand an, in der die Vögel nisten.<br />

Auch wenn im Spätsommer<br />

das Brutgeschäft weitgehend beendet<br />

ist, ist das Geschrei von Tausenden<br />

von Vögeln unbeschreiblich.<br />

DRUNTER UND DRÜBER<br />

Den ersten Abschnitt direkt am Wasser<br />

haben die Krähenscharben in<br />

Anspruch genommen. In den Felsen<br />

darüber streiten sich vor allem Möwen<br />

um die besten Plätze. Die Papageitaucher,<br />

die für ihre Bruthöhlen<br />

auf eine weiche Erdschicht angewiesen<br />

sind, belegen die obersten Etagen.<br />

Kolkraben profitieren vom Drunter<br />

und Drüber und machen Jagd auf<br />

die letzten Jungvögel, die ihnen in<br />

den Felswänden ungeschützt ausgesetzt<br />

sind. Der Spaziergang vorbei an<br />

dem anarchistisch wirkenden Gewirr<br />

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NATURREISE<br />

Von links nach rechts: Im<br />

Küstenort Bugoynes wächst<br />

die extrem seltene Nordische<br />

Jakobsleiter. Das Dreiländereck<br />

Norwegen-Finnland-Russland<br />

beherbergt zudem eine<br />

Braunbären-Population. Recht<br />

häufig sind die Alpenstrandläufer,<br />

die an den Fjordufern nach<br />

Fressbarem stöbern. Folgt man<br />

der Straße weiter Richtung<br />

Norden, kommt man in eine<br />

karge Mondlandschaft.<br />

45<br />

Berghänfling<br />

am Varangerfjord<br />

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NATURREISE<br />

46<br />

von Tausenden Vögeln hinauf zum<br />

Leuchtturm führt teilweise durch<br />

unwegsames Gelände. Aber der<br />

Pfad wurde an den sumpfigen Stellen<br />

durch Trittbretter abgedeckt, Steigungen<br />

mit einfachen Holzstiegen ergänzt,<br />

und an besonders steil abfallen<br />

Stellen wurden behelfsmäßige Geländer<br />

aus Schiffstauen angebracht.<br />

KRIECHENDE KRÜPPEL<br />

Rentiere an der Barentssee Drei<br />

Stunden und unzählige Fotos später<br />

werden wir wieder pünktlich von der<br />

Fähre abgeholt. Bei unserer Ankunft<br />

im Hafen wird gerade die Ladung<br />

eines Fischkutters gelöscht. Bis zu<br />

zehn Tonnen Fisch können an guten<br />

Tagen von einem solchen Fischerboot<br />

gefangen werden. Die toten, in<br />

der Sonne metallisch glänzenden Fische<br />

werden in großen Plastikbecken<br />

mit dem Gabelstapler in die Halle zur<br />

Verarbeitung gebracht und dort maschinell<br />

ausgenommen, gewaschen<br />

und anschließend von Hand sortiert.<br />

Nach der Verpackung mit viel<br />

Eis geht es noch am gleichen Tag per<br />

Lastwagen in drei Tagen nach London.<br />

Als wir uns für die improvisierte<br />

Führung bedanken, drückt man uns<br />

als Abschiedsgeschenk kurzerhand<br />

einen fetten Fisch in die Hand.<br />

Verlässt man den Varangerfjord<br />

und fährt auf der kleinen Straße dem<br />

Eismeer entlang nord-westwärts<br />

Richtung Hamningberg, zeigt sich<br />

die Landschaft zuerst noch lieblich.<br />

In den offenen Ebenen, durchzogen<br />

von Sumpfgebieten und kleineren<br />

Mooren, suchen vereinzelt Menschen<br />

nach den begehrten Moltebeeren.<br />

Aber das Bild ändert sich schlagartig,<br />

als sich die schmale, einspurige<br />

Straße nach einer Kuppe dem<br />

Meer entlang schlängelt. Als wäre<br />

man unversehens auf dem Mond<br />

gelandet, findet man sich in einer<br />

grauen Steinwüste wieder. Scharfkantige<br />

Felsenformationen, vier bis<br />

fünf Meter hoch, türmen sich zu beiden<br />

Seiten der Straße, dazwischen<br />

Steine in allen Formen und Größen,<br />

begrünt allenfalls von verschiedenen<br />

Flechten und etwas Wollgras, die der<br />

kargen Landschaft wenigstens etwas<br />

Farbe verleihen. Selbst die Krüppelbirken<br />

kriechen nur noch dem Boden<br />

entlang, um sich vor Wind und<br />

Wetter zu schützen. Wo sich aber<br />

die Flüsse aus dem Hinterland ihren<br />

Weg ans Meer gebahnt haben,<br />

entstanden in ihren Deltas traumhafte<br />

Sandstrände, die das unwirtliche<br />

Erscheinungsbild auflockern.<br />

Die Vielfalt der Vogelarten des Varangerfjordes<br />

nimmt hier schlagartig<br />

ab. Dafür können wir Seeadler<br />

beobachten, die wilden Rentiere,<br />

die wiederkäuend zwischen den Gesteinsformationen<br />

liegen, entdecken<br />

wir hingegen erst auf den zweiten<br />

Blick. Ihr anthrazitfarbenes, äußerst<br />

dichtes Fell lässt sie mit der vom arktischen<br />

Klima geprägten Landschaft<br />

verschmelzen. Das heile Bild der unberührten<br />

Natur bekommt allerdings<br />

erste Kratzer, hält man unterwegs an<br />

und geht ein paar Schritte zu Fuß der<br />

Küste entlang.<br />

WELT ZU ENDE<br />

Zerfetze Fischernetze, verschiedene<br />

Behälter, diverse Schuhe vom Gummistiefel<br />

bis zur Sandale, abgerissene<br />

Bojen und unzählige Plastikscherben,<br />

deren ursprüngliche Herkunft<br />

nicht mehr erkennbar ist, liegen vom<br />

Meer an Land geworfen auf den weißen<br />

Sandstränden und zwischen<br />

den scharfkantigen Felsen. Hier in<br />

Hamningberg, dem verlassenen Fischerdorf,<br />

ist die Welt für Reisende<br />

im Auto zu Ende. Die Straße ist eine<br />

Sackgasse, Barentssee im Norden<br />

und das Fjell im Süden bilden die<br />

von der Natur vorgegebenen Grenzen.<br />

Tief beeindruckt von der für uns<br />

so fremdartigen Landschaft, führt<br />

uns der Weg nach einer Übernachtung<br />

unter klarem Sternenhimmel<br />

wieder zurück an den Varangerfjord.<br />

jijWrenZjijrenZjijWrenZjijWrenZjijWre


Der Norden Skandinaviens zählt zu den<br />

Brutgebieten der Pfuhlschnepfe. Den<br />

Winter verbringen die europäischen<br />

Vertreter der Art an der Atlantikküste<br />

Frankreichs, Spaniens und Afrikas – und<br />

machen auf ihrem Weg zu Zehntausenden<br />

Rast am Wattenmeer.<br />

Jetzt mit offener<br />

Brücke:<br />

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Anreise mit dem Flugzeug: Ein sehr gut ausgebautes Streckennetz bietet<br />

die norwegische Fluglinie Norwegian (www.norwegian.com). Von mehreren<br />

deutschen Städten (beispielsweise Berlin, Hamburg, Köln und München)<br />

geht es direkt nach Oslo. Bergen und Stavanger werden direkt von Berlin<br />

und Salzburg aus angeflogen. Mit Umsteigen in Oslo (mehrere Flüge pro<br />

Tag) erreicht man anschließend Kirkenes. Von dort gibt es Anschlussflüge<br />

in viele kleinere Gemeinden der Region wie Vadsø und Vardø. Fernbusse ab<br />

Kirkenes verbinden die Region mit verschiedenen Orten. Außerdem fahren<br />

von Kirkenes täglich Busse ins russische Murmansk und – etwas sporadischer<br />

– nach Rovaniemi in Finnland. Hierfür sind aber Voranmeldungen und<br />

Visa (Russland) erforderlich. Oder Flug von deutschen Flughäfen mit Finnair<br />

nach Ivalo (Finnland), dann weiter mit dem Mietwagen. Alternativ Flug nach<br />

Kirkenes mit SAS und von dort weiter mit dem Auto.<br />

Anreise mit dem Schiff: Etwas langwierig, aber wunderschön ist eine Anreise<br />

mit den Hurtigruten-Schiffen. Kirkenes ist die nördliche Hafenstation der<br />

norwegischen Küstenlinie Hurtigruten, die auf ihrem Weg in auch in Vardø<br />

und Vadsø festmacht.<br />

Anreise mit dem Auto: Die Entfernung von München nach Vadsø beträgt etwa<br />

3.<strong>30</strong>0 Kilometer. Die Anreise nach Varanger ist schon ein kleines Abenteuer.<br />

Wir sind durch Schweden und Finnland gefahren, um die abwechslungsreiche<br />

Landschaft, Elche und Rentiere in der Natur zu erleben. Die Straßen sind<br />

in einem sehr guten Zustand und die meiste Zeit des Jahres geöffnet. Eine<br />

Ausnahme sind Bergpässe, die im Winter normalerweise gesperrt werden.<br />

Robustes,<br />

schlagfestes<br />

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NATURREISE<br />

The very best of<br />

NRW-NATUR<br />

Im dicht besiedelten und bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen<br />

leben viele Wildtiere – sie haben frühere Truppenübungsplätze und stillgelegte Zechen<br />

besiedelt. Antje Zimmermann ist durch Wälder, Auen und Industriebrachen gestreift.<br />

Leben unter Industriedenkmälern:<br />

Zu Füßen<br />

der ehemaligen Fördertürme<br />

sind inzwischen<br />

Lurche wie die Kreuzkröten<br />

zu bewundern.<br />

Fotos: Walter Ollenik<br />

(links, großes Bild), Antje<br />

Zimmermann (rechts)<br />

48<br />

AMPHIBIEN AUF<br />

ZECHE ZOLLVEREIN<br />

Frösche, Molche und Kröten – sie<br />

alle leben in den Feuchtbiotopen<br />

des riesigen Zechengeländes Zollverein<br />

in Essen. Sie dürfen bei Amphibien-Führungen<br />

auf Zollverein<br />

bewundert werden, die der NABU<br />

Ruhrgebiet zusammen mit dem Ruhr<br />

Museum anbietet. Die Touren bieten<br />

tiefe Einblicke in die eigentümliche<br />

Schönheit des Ortes und in die<br />

enorme Kraft der Natur, die sich das<br />

ehemalige Industriegelände wieder<br />

zurückerobert. Besonders häufig ist<br />

auf dem Areal eine Kröte anzutreffen,<br />

die anderenorts auf der Roten Liste<br />

der gefährdeten Arten steht: die<br />

Kreuzkröte. Zu erkennen ist sie an<br />

einer gelblichen Linie, die längs über<br />

ihren Rücken verläuft. Während der<br />

Führungen hält Umweltwissenschaftler<br />

Bernhard Demel ein Exemplar im<br />

sogenannten »Krötengriff«. Der Griff<br />

umschließt den Unterkörper der erstaunlich<br />

kräftigen Tiere und ermöglicht<br />

den Teilnehmern so besondere<br />

Anblicke: Sie erkennen den namensgebenden<br />

Rückenstreifen und unzählige<br />

Warzen auf der Haut der Kröte.<br />

Wird der Griff gelockert und das Tier<br />

wieder auf den Boden gesetzt, fallen<br />

auch die Beine ins Auge. Die schmalen<br />

Krötenbeine unterscheiden sich<br />

deutlich von kräftigen Froschschenkeln<br />

und sind der Grund, warum Kröten<br />

gehen, während Frösche springen.<br />

Noch spannender wird es, wenn<br />

der Ökologe das Tier zurück an die<br />

Fundstelle bringt: ein großes Stück<br />

Totholz, unter dem es schön feucht ist.<br />

Kaum umgedreht, kommt eine ganze<br />

Krötenfamilie zum Vorschein. Große<br />

und kleine Kröten flitzen wild durch<br />

die Gegend und versuchen, sich vor<br />

den menschlichen Beobachtern in Sicherheit<br />

zu bringen. Von denen geht<br />

allerdings keine Gefahr aus, und nachdem<br />

die Tiere ausgiebig bewundert<br />

wurden, wird das Holzstück wieder in<br />

seine ursprüngliche Position gebracht.<br />

Weiter geht die Führung zum »Krötenknast«<br />

– so nennen die NABU-Mitarbeiter<br />

zwei Tümpel, die eigentlich<br />

viel zu idyllisch sind, um als Gefängnis<br />

zu gelten. Der Name rührt auch eher<br />

von dem Umstand her, dass sämtliche<br />

Kreuzkröten, die irgendwelchen Baumaßnahmen<br />

auf der Zeche im Wege<br />

waren, letztlich in dem umzäunten<br />

Gelände gelandet sind. In der Dämmerung,<br />

wenn die Sonne über den Schlöten<br />

und Schächten der Zeche versinkt,<br />

wirkt der Knast geradezu märchenhaft:<br />

Breitblättrige Rohrkolben und üppige<br />

Sauergräser wachsen am Ufer, und<br />

ein altes Förderband umspannt das<br />

Gewässer wie ein Rahmen. Dazu erklingt<br />

ein allabendliches Konzert aus<br />

Dutzenden Krötenkehlen, das die Besucher<br />

von einer eigens an dieser Stelle<br />

erbauten Aussichtsplattform genießen.<br />

Auf Krötenpirsch in Essen<br />

Foto: Antje Zimmermann


NATURREISE<br />

Auf zu den Bibern: Anfang<br />

der Achtziger wurden russische<br />

Zuchtexemplare im<br />

Hürtgenwald freigelassen.<br />

Inzwischen hat sich die<br />

Population auf 400 Nager<br />

erhöht – und begonnen, die<br />

Landschaft umzugestalten.<br />

Fotos: Antje Zimmermann<br />

(links und großes Bild),<br />

Klemens Karkow (rechts)<br />

BIBER IM<br />

HÜRTGENWALD<br />

Wer auf Biber-Exkursion geht, muss<br />

mit Skepsis rechnen. »Da sieht man<br />

doch eh nichts«, lautet das Standard-Vorurteil.<br />

Denn die Tiere<br />

sind scheu, lärmempfindlich und<br />

nachtaktiv. Wenn eine laute Gruppe<br />

tagsüber durch Biber-Gebiet spaziert,<br />

wird sich das Vorurteil daher<br />

auch bestätigen. Bei den seltenen<br />

Abendführungen im Hürtgenwald<br />

sind die Chancen auf Sichtkontakt<br />

hingegen sehr groß. Denn die Touren<br />

finden in Begleitung der erfahrenen<br />

Biologin Uta Splettstößer<br />

statt, die weiß, wo die Tiere leben<br />

und zugleich auf ein rücksichtsvolles<br />

Verhalten der Teilnehmer achtet.<br />

Die Region in der Rureifel ist bei<br />

Bibern aufgrund der vielen Bäche<br />

besonders beliebt. Und so hat sich<br />

hier mittlerweile wieder eine größere<br />

Population etabliert.<br />

Die Eifel war schon vor Jahrtausenden<br />

ein bevorzugter Lebensraum<br />

der Biber. Doch ihr weiches<br />

Fell, das Fleisch und das sogenannte<br />

»Bibergeil« – das Drüsensekret der<br />

Tiere – waren so beliebt, dass die<br />

Biber intensiv bejagt wurden. Auch<br />

ihr Fleisch wurde sehr geschätzt,<br />

insbesondere am Freitag. Um es als<br />

guter Christ an diesem Tag essen<br />

zu dürfen, erklärten frühere Generationen<br />

die Säugetiere einfach<br />

zu Fischen, denn Biber leben ja im<br />

Wasser und haben einen schuppigen<br />

Schwanz. Bereits im 19. Jahrhundert<br />

waren Biber so weltweit<br />

nahezu ausgerottet. Nur in abgelegenen<br />

Randregionen konnten einige<br />

wenige Individuen überleben.<br />

Die heutigen Eifel-Biber stammen<br />

alle aus einer Zuchtstation in Russland.<br />

1981 wurden die ersten drei<br />

Paare im Hürtgenwald freigelassen.<br />

Heute schätzen Experten, dass wieder<br />

400 Tiere in der Nordeifel heimisch<br />

sind. Uta Splettstößer führt<br />

ihre Gruppe zum Weberbach. Dort<br />

angekommen, wird die aufgestaute<br />

Erwartung aber erst einmal enttäuscht:<br />

Denn weit und breit ist kein<br />

Biber in Sicht. Lediglich Fraßspuren<br />

und umgestürzte Bäume zeugen<br />

von der Präsenz der Tiere.<br />

Doch die Biologin rät zu Geduld<br />

und dem Aufstieg zur Biber-Aussichtsplattform.<br />

Sie wurde<br />

vor Kurzem mitten im Wald errichtet<br />

und bietet perfekte Sicht. Kaum<br />

hat es sich die Gruppe im Hochsitz<br />

bequem gemacht, suchen die Teilnehmer<br />

mit Hilfe von Fernrohren<br />

und Kameraobjektiven das Areal<br />

ab. Jede noch so kleine Bewegung<br />

lässt hoffen. Und Wellen im Wasser<br />

werden euphorisch als Biber-Bewegungen<br />

interpretiert. Letztlich<br />

entpuppen sich aber zwei Enten als<br />

Verursacher der Aufregung. Doch<br />

dann zahlt sich die Geduld aus: Ein<br />

Biber gleitet langsam vom Ufer ins<br />

Wasser und taucht gut sichtbar unter<br />

der Oberfläche. Kameras klicken<br />

und Kinder jauchzen. Kurz darauf<br />

taucht ein zweites Tier an Land<br />

auf, das sich gemächlich bewegt<br />

und perfekt beobachten lässt. Zufrieden<br />

treten die Teilnehmer den<br />

Rückweg an, beglückt darüber, das<br />

größte Nagetier Europas live gesehen<br />

zu haben.<br />

49


NATURREISE<br />

50<br />

GROSSES FLATTERN<br />

IM URFTTAL<br />

Schmetterlingen geht es wie den<br />

meisten Menschen: Sie mögen<br />

Licht und Wärme. Bei Temperaturen<br />

um die 27 Grad schwärmen<br />

die Schönheiten aus und bevölkern<br />

das schöne Urfttal in der<br />

Rureifel. Das Tal liegt südlich von<br />

Nettersheim und ist für sein großes<br />

Falter-Vorkommen bekannt.<br />

Nirgendwo sonst in NRW gibt es<br />

so viele Arten und Individuen. Wer<br />

sich einer Schmetterlings-Exkursionen<br />

vom Naturzentrum Eifel<br />

anschließt, wird schnell begeistert<br />

sein: Gilt es doch, den braunorangefarbenen<br />

Kaisermantel an<br />

Brombeerblüten oder Wasserdost<br />

zu entdecken. Oder den kleinen<br />

Perlmuttfalter auf duftendem Thymian.<br />

Farbenpracht, urwüchsige<br />

Natur und fachkundige Begleitung<br />

machen die Touren zum Erlebnis.<br />

Viermal pro Jahr startet Hartmut<br />

Voßwinkel zur Schmetterlingsexkursion.<br />

Der Autodidakt<br />

hat die Welt bereist und überall<br />

spektakuläre Naturbeobachtungen<br />

gemacht. Doch sein Herz gehört<br />

den heimischen Faltern in der<br />

Eifel. Und das mit gutem Grund.<br />

Sowohl die Landschaft, als auch<br />

die Artenvielfalt im Urfttal sind<br />

außergewöhnlich. Bei den Schmetterlingen<br />

ist es die Metamorphose,<br />

die besonders begeistert: Wie aus<br />

unscheinbaren Raupen und Puppen<br />

filigrane Falter entstehen, hat<br />

die Menschen seit jeher fasziniert.<br />

Schmetterling, Butterfly, Papillon<br />

– in vielen Sprachen tragen die<br />

Tiere besonders schöne Namen<br />

und finden sich in Literatur und<br />

Poesie wieder. Wer Inspiration für<br />

die eigene Fantasie sucht, braucht<br />

nur das Urfttal zu besuchen. Zwischen<br />

Frühjahr und Herbst sind in<br />

der Region etwa 60 Tagschmetterlingsarten<br />

anzutreffen. Allerdings<br />

fliegen die einzelnen Arten nur für<br />

kurze Zeit, denn wenige Wochen<br />

nach ihrem Hochzeitstanz sterben<br />

die meisten Schmetterlinge bereits<br />

wieder. Viele Weibchen sind<br />

von der Eiablage derart erschöpft,<br />

dass sie nur sieben bis 21 Tage leben.<br />

Die besten Monate, um sich<br />

an den fragilen Faltern zu erfreuen,<br />

sind zwischen Juni und August.<br />

An sonnigen Tagen ist die etwa<br />

vierstündige Führung ein besonderes<br />

Vergnügen, denn je weiter die<br />

Gruppe ins Tal kommt und je mehr<br />

Sonnenstrahlen auf den Boden treffen,<br />

desto mehr Schmetterlinge setzen<br />

sich in Bewegung. Erst sind es<br />

nur vereinzelte Exemplare, dann<br />

umschwirren Dutzende Arten die<br />

Ausflügler. Einige sind sehr flüchtig<br />

und bereits in der Luft, bevor die<br />

Teilnehmer sie fotografieren können.<br />

Andere scheinen das Posieren<br />

zu genießen und verweilen so lange<br />

auf einer Blüte, bis auch das letzte<br />

Bild gemacht ist.<br />

Das Urfttal ist auch deshalb<br />

so bedeutsam, weil hier der Graubindige<br />

Mohrenfalter lebt, besser<br />

bekannt als »Waldteufel«. Zum<br />

Zeitpunkt seiner Wiederentdeckung<br />

im Tal galt der Schmetterling<br />

in NRW bereits als ausgestorben.<br />

Dass die vier Zentimeter kleinen<br />

Falter bundesweit auf der Roten<br />

Liste der gefährdeten Arten stehen,<br />

hängt mit den hohen Ansprüchen<br />

zusammen, die sie an ihren Lebensraum<br />

stellen. Die Kombination von<br />

Kalkmagerrasen in Höhenlagen<br />

mit lichtdurchfluteten Kiefernwäldern<br />

finden die Tiere heute in<br />

Nordrhein-Westfalen nur noch bei<br />

Nettersheim. Umso wichtiger ist es,<br />

diesen einmaligen Lebensraum zu<br />

bewahren.<br />

Von oben nach unten: Die<br />

Falterwelt der Eifel ist Hartmut<br />

Voßwinkels Leidenschaft. Im<br />

idyllischen Urfttal finden sich<br />

etwa der Kaisermantel, Erebia<br />

ligea sowie ein Scheckenfalter.<br />

Fotos: Antje Zimmermann (2);<br />

Bob Gibbons, Arco Images;<br />

Fotolia (2)


NATURREISE<br />

WILDBIENEN IN DER<br />

WAHNER HEIDE<br />

Blühende Heidelandschaften wechseln<br />

sich mit dunklen Eichenwäldern ab,<br />

weiß schimmernde Wanderdünen liegen<br />

neben schwarz glitzernden Mooren,<br />

und plätschernde Bäche durchziehen<br />

alte Auenwälder. Nirgendwo sonst in<br />

NRW gibt es auf so kleinem Raum so<br />

viele unterschiedliche Landschaften wie<br />

in der Wahner Heide, dem artenreichsten<br />

Naturschutzgebiet, darunter seltene<br />

Bienenvölker wie die Seidenbienen. Sie<br />

hat die Zoologin Inge Bischoff zum<br />

Gegenstand ihrer Führungen gemacht.<br />

Hier leben an die hundert Wildbienenarten<br />

– bevorzugt allein. Denn wo es<br />

keinen Staat zu verteidigen gibt, ziehen<br />

Bienen ein individuelles Leben vor. Und<br />

wer bisher glaubte, dass wilde Bienen aggressiver<br />

als domestizierte Honigbienen<br />

sind, wird von der Expertin schnell eines<br />

Besseren belehrt. Denn die wildlebenden<br />

Verwandten sind äußerst friedfertig<br />

und stechen nur in höchster Not zu.<br />

Aufgrund ihrer Spezialisierung<br />

auf eine bestimmte Pflanzengruppe<br />

sind viele wildlebende<br />

Bienenarten allerdings<br />

in ihrem<br />

Bestand gefährdet – ernähren sie sich<br />

doch ausschließlich von den Pollen und<br />

dem Nektar ebendieser speziellen Pflanzen.<br />

Und wenn dann diese Pflanzen mit<br />

Pestiziden belastet sind, kommt es zu einem<br />

großen Bienensterben. Neben diesen<br />

Fakten bietet die Führung auch viele<br />

amüsante Aspekte, etwa das turbulente<br />

Paarungsverhalten der Seidenbienen.<br />

Deren Weibchen paaren sich nur ein einziges<br />

Mal und wehren danach alle Kopulationsversuche<br />

ab. Entsprechend wild<br />

geht es zu, wenn sich mehrere Männchen<br />

um ein noch jungfräuliches Weibchen<br />

bemühen. Nicht selten stürzen sich<br />

<strong>30</strong> männliche Tiere auf das Objekt ihrer<br />

Begierde. So entstehen ganze Knäule, die<br />

über den Boden rollen. Das kluge Weibchen<br />

hat sich dann aber in aller Regel<br />

schon längst davon gemacht.<br />

www.zollverein.de/angebote/<br />

natur-auf-zollverein-amphibien<br />

www.naturzentrum-eifel.de<br />

www.wahnerheide.net<br />

www.rureifel-tourismus.de/obiber-abendbeobachtung<br />

Antje Zimmermann (44) ist Reisejournalistin<br />

aus Leidenschaft und<br />

lebt in Köln. Mit den Jahren hat sie<br />

ein ganz besonderes Reiseziel schätzen<br />

gelernt: ihre Heimat. »Deutschland<br />

bietet einmalige Landschaften,<br />

Nationalparks und Naturschutzgebiete<br />

von Weltrang mit einer faszinierenden<br />

Flora und Fauna, die mich<br />

immer wieder begeistert«, sagt sie.<br />

51<br />

Lesetipp:<br />

Die beschriebenen<br />

Tier-Führungen<br />

stammen aus dem<br />

Reiseführer »Die<br />

schönsten Wiltier-<br />

Beobachtungen<br />

in Nordrhein-Westfalen«<br />

von Antje<br />

Zimmermann<br />

(Klartext Verlag,<br />

13,95 Euro).<br />

Mosaik der Lebensräume:<br />

Die Wahner Heide vereint zahlreiche<br />

Landschaftstypen. Davon profitieren<br />

auch die Wildbienen. / Foto: Fotolia


NATURFOTO<br />

DIE MAKRO-<br />

SAISON IST DA!<br />

In Frühjahr und Sommer rücken Naturfotografen<br />

gerne Pflanzen, Insekten, Amphibien und Reptilien ganz<br />

nahe auf die Pelle. Aber Makrofotografie besteht aus<br />

weit mehr als nur maximaler Annäherung,<br />

weiß Jan Piecha.<br />

52<br />

Bei einer Zauneidechse bietet sich eine<br />

höhere Brennweite an, weil sie eine relativ<br />

große Fluchtdistanz hat.


NATURFOTO<br />

Bei den für die Makrofotografie<br />

beliebten Tierarten handelt es<br />

sich größtenteils um wechselarme<br />

Arten, die während der wärmeren<br />

Tagesstunden ihre Aktivitätsphase<br />

haben. Schmetterlinge, Libellen und<br />

andere Insekten fliegen tagsüber in ihrem<br />

Habitat umher, sodass leicht herausgefunden<br />

werden kann, ob an einem<br />

Gewässer oder in einem<br />

Trockenrasen spannende<br />

Motive zu<br />

finden sind. Obwohl<br />

sich die<br />

Anwesenheit<br />

bei vielen Arten<br />

am besten tagsüber<br />

feststellen<br />

lässt, sollte man sie<br />

dennoch früh morgens<br />

fotografieren, da<br />

die Tiere tagsüber aufgewärmt<br />

sind und dann oft<br />

hohe Fluchtdistanzen haben.<br />

Nach einer kühlen Nacht zeigen<br />

sie sich jedoch sehr träge und lassen<br />

sich in aller Ruhe fotografieren.<br />

DER FRÜHE VOGEL<br />

Wo am Vortag viele Falter geflogen sind,<br />

sitzen sie morgens auch versteckt in der<br />

Vegetation. Der schwierigste Part ist<br />

dabei die Suche nach den regungslosen<br />

Tieren. Hat man sie gefunden, lassen<br />

sie sich nach kühlen Nächten sogar mit<br />

ein paar Tautröpfchen auf dem Körper<br />

fotografieren. Auch Reptilien kommen<br />

frühmorgens aus ihren Verstecken, um<br />

sich in der Sonne aufzuwärmen. Dabei<br />

kann man sich ihnen mit langsamen Bewegungen<br />

gut nähern.<br />

WENIG WIND<br />

Für die Makrofotografie gibt es von allen<br />

Herstellern eine Vielzahl an Objektiven<br />

für Spiegelreflexkameras. Natürlich<br />

lassen sich auch mit preisgünstigen<br />

Kompakt- und Bridgekameras Makrobilder<br />

machen, doch diese Kameras<br />

erlauben technikbedingt oft nicht allzu<br />

viele gestalterische Varianten. Die speziellen<br />

Makroobjektive haben eine geringere<br />

Naheinstellgrenze als gewöhnliche<br />

Objektive, wodurch ein größerer Abbildungsmaßstab<br />

erzielt werden kann.<br />

Bei Pflanzen und am Morgen noch<br />

trägen Insekten spielt die Brennweite<br />

keine allzu große Rolle, weshalb sich<br />

auch Objektive mit geringeren Brennweiten<br />

anbieten, wie etwa das Tamron<br />

SP 90mm f2.8 Di VC USD Macro (ab<br />

640 Euro). Reptilien sind hingegen<br />

etwas scheuer, weshalb bei diesen etwas<br />

größere Brennweiten ab 150mm<br />

empfehlenswert sind, wie das Sigma<br />

150mm f2.8 EX DG Makro OS HSM<br />

(ab 900 Euro). Um den Motiven noch<br />

etwas näher zu kommen, lassen sich<br />

Zwischenringe zwischen Objektiv und<br />

Kameragehäuse setzen. Dadurch wird<br />

der Abstand zwischen dem Objektiv<br />

und dem Kamerasensor verlängert,<br />

wodurch näher an das Motiv herangegangen<br />

werden kann und sich der Abbildungsmaßstab<br />

noch einmal vergrößert.<br />

Für gelungene Makroaufnahmen sind<br />

windstille Tage am besten geeignet.<br />

Denn bei starkem Wind bewegen sich<br />

Tiere anders, und Pflanzen schwanken<br />

hin und her.<br />

VIELE TRICKS<br />

Wenngleich man an Makroobjekte wie<br />

Pflanzen sehr nah herangehen kann,<br />

bietet es sich in einigen Situationen an,<br />

sie mit einem Teleobjektiv zu fotografieren.<br />

Durch die große Brennweite ergibt<br />

sich eine saubere Freistellung, wodurch<br />

sich etwa Pflanzen auch in einer dichten<br />

Wiese vom Hintergrund abheben.<br />

Gleiches lässt sich auch mit einer Bridge-Kamera<br />

umsetzen, indem man aus<br />

einer größeren Entfernung wie drei<br />

Metern heraus das Motiv mit dem Tele<br />

heranzoomt. Sollte die Sonne bereits<br />

aufgegangen sein, ergeben sich schnell<br />

harte Schlagschatten auf dem Motiv. In<br />

solchen Fällen bedient man sich eines<br />

einfachen Tricks – dem Abschatten.<br />

Indem das Tier mit einem Diffusor<br />

(hier eignet sich Butterbrotpapier<br />

hervorragend) oder auch der Hand abgeschattet<br />

wird, zeigt es sich wieder im<br />

sanften Licht, und der Hintergrund erstrahlt<br />

in den Farben der aufgehenden<br />

Sonne, wodurch insgesamt ein erfrischendes<br />

und harmonisches Gesamtbild<br />

entsteht.<br />

53<br />

Diese Schlüsselblume wurde mit einem<br />

500mm-Tele fotografiert, damit sie sich<br />

besser vom Umfeld abhebt.


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Unsere Preise werden unter den richtigen<br />

Antworten verlost, die bis zum<br />

25. Mai 2017 eingegangen sind. Der<br />

Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Das können Sie gewinnen:<br />

Ein Naturgucker-Fernglas von Minox<br />

Die Minox-Ferngläser der BF-Linie sind<br />

echte Allround-Begleiter für jeden Naturbeobachter.<br />

Ob Rohrdommeln im<br />

Dreiländereck, Biber im Hürtgenwald<br />

oder Rotkehlchen im Stadtpark – die<br />

MINOX-Gläser nehmen sie detailgetreu<br />

und kontrastreich in den Blick.<br />

www.minox.de<br />

bis Trottellumme. Wir<br />

verlosen zwei Exemplare.<br />

www.tierstimmen.de<br />

DVDs von Tierfilmer<br />

H.-J. Zimmermann<br />

»Birds & People – Ganz<br />

verrückt auf Vögel«<br />

– mit seinem Kinofilm<br />

hat Naturfilmer<br />

Hans-Jürgen Zimmermann<br />

einmal nicht die<br />

Tiere in den Vordergrund<br />

gestellt, sondern<br />

Menschen, die sich mit<br />

ihnen beschäftigen. Er<br />

erzählt von Freundschaften,<br />

beruflichem<br />

Engagement, viel Leidenschaft für die<br />

Natur – und einer guten Portion Verrücktheit.<br />

Wir verlosen zwei DVDs.<br />

www.naturundtierfilm.de<br />

54<br />

Sachbücher aus dem Haupt Verlag<br />

Florian Fraaß widmet sich in diesem<br />

Heft dem Schwalbenschwanz. Wer<br />

tiefer in die Welt der Falter eintauchen<br />

möchte, ist mit dem Band »Schmetterlinge<br />

entdecken, beobachten, bestimmen«<br />

aus dem Haupt Verlag gut beraten: Auf<br />

knapp 380 Seiten werden darin 160 Tagund<br />

Nachtfalter Mitteleuropas beschrieben<br />

sowie reich bebildert. Viele dieser<br />

Arten findet man auch auf Streuobstwiesen,<br />

wie Andreas Scholz in dieser<br />

Ausgabe beschreibt. Das Buch »Kulturlandschaften<br />

lesen« stellt weitere Biotope<br />

vor, die vom Menschen maßgeblich<br />

gestaltet wurden, sowie deren Flora und<br />

Fauna. Wir verlosen je ein Exemplar.<br />

www.haupt.ch<br />

Tierstimmen-CDs der Edition Ample<br />

Der Varangerfjord in Norwegen zählt zu<br />

den besten Birding-Spots weltweit, wie<br />

Stefan Leimer in diesem Heft eindrucksvoll<br />

belegt. Mithilfe der CD »Meeresrauschen:<br />

Seevögel im Wind« lassen sich<br />

seine Schilderungen klanglich unterlegen:<br />

Satte 74 Minuten lang sind darauf<br />

die Stimmen 40 verschiedener Seevogelarten<br />

zu hören – von Alpenstrandläufer<br />

RÄTSEL-AUFLÖSUNG AUS DEM NOVEMBER-HEFT<br />

In der vergangenen Ausgabe wollten<br />

wir von Ihnen wissen: Was versteht<br />

man unter Kauliflorie? Die richtige<br />

Antwort lautet: Kauliflorie liegt<br />

vor, wenn sich die Blüten einer Gehölzpflanze<br />

direkt am Stamm oder<br />

dicken Ästen befinden. Man spricht<br />

daher auch von Stammblütigkeit. Dadurch<br />

können auch kleinere Säuger<br />

die Blüten sowie die späteren Früchte<br />

erreichen, wodurch die Pflanze<br />

die Chancen für Bestäubung und<br />

Vermehrung erhöht. Kauliflorie tritt<br />

fast ausschließlich in den Tropen<br />

auf. Ausnahme ist die Gattung Seidelbast,<br />

deren Vertreter auch in hiesigen<br />

Gefilden gedeihen.<br />

Gewonnen haben: Günter Andreas<br />

aus Langgöns kann sich über ein<br />

Fernglas von Minox freuen. Dr. Olaf<br />

Fritsche aus Mühlhausen hat den<br />

Band »Pflanzen einfach bestimmen«<br />

gewonnen. Das Sachbuch »Stadtfauna«<br />

geht an Susanne Dreisbach aus<br />

Siegen. Die Tierstimmen-CDs gehen<br />

an Bernward Rusche aus Lingen und<br />

Verena Hradilek aus Bad Gögging. Je<br />

eine DVD Birds & People bekommen<br />

Dirk Lehmann aus Berlin und Uschi<br />

Ammermann aus Edewecht.


AUSRÜSTUNG<br />

Fernglasgefühl<br />

AM SPEKTIV<br />

Ein Spektiv für beide Augen? Swarovskis neues<br />

BTX vereint Komfort und Vergrößerung.<br />

Von Gaby Schulemann-Maier<br />

Gegenüber Ferngläsern haben<br />

Spektive bei der Vergrößerung<br />

die Nase ganz weit vorn. Beim<br />

Blick durchs Spektiv erscheinen Objekte<br />

20-, <strong>30</strong>-, 50- oder 70-Mal größer. Das<br />

Beobachten per Fernglas ist allerdings<br />

viel komfortabler, und das Zukneifen<br />

eines Auges am Spektiv kann bei längerer<br />

Nutzung unangenehm sein. Mit<br />

dem neuen BTX-Okularmodul ist es<br />

Swarovski gelungen, den Komfort und<br />

die Vorteile des binokularen Sehens mit<br />

der Leistungsstärke des Spektivs zu verbinden.<br />

Anfang Februar 2017 wurde die<br />

Neuentwicklung der Fachpresse vorgestellt<br />

– Schnappatmung im Publikum<br />

inklusive. Das <strong>naturgucker</strong>-Magazin<br />

konnte das BTX zwei Tage im Feld testen.<br />

EIN SCHWERGEWICHT ?<br />

Am Bodensee mit seinen gewaltigen<br />

Wasservogeltrupps gab es jede Menge<br />

zu sehen. Aber vorher kam das Schleppen<br />

zum Beobachtungsort. Mit seinem<br />

Gewicht von 1.420 Gramm ist das BTX<br />

deutlich schwerer als das ATX-Okularmodul<br />

(810 Gramm). Aber der Zugewinn<br />

beim Beobachtungskomfort<br />

ist jedes zusätzliche Gramm wert. Wie<br />

gewohnt bei Swarovski überzeugten<br />

Schärfe und Farbtreue ebenso wie die<br />

Lichtstärke. Bei trübem Spätwinterwetter<br />

ließen sich selbst weit entfernte<br />

Zwergschwäne, Schwarzhalstaucher<br />

und ein Zwergsäger bestens beobachten.<br />

Dabei wurde eindrucksvoll belegt, dass<br />

beide Augen kombiniert sehr viel feinere<br />

Details auflösen können als nur eines.<br />

VOLL KOMPATIBEL<br />

Diese Möglichkeit zu bieten, ist eine der<br />

großen Stärken des BTX. Es erreicht je<br />

nach Ausführung eine <strong>30</strong>- oder 35-fache<br />

Vergrößerung, die dank des binokularen<br />

Sehens besonders detailreich ist. Die<br />

Vergrößerung lässt sich mit dem neu<br />

entwickelten ME 1,7x Extender noch<br />

zusätzlich steigern. Per Bajonettverschluss<br />

wird der Extender einfach zwischen<br />

das Okular- und Objektivmodul<br />

aus der ATX/STX/BTX-Familie montiert.<br />

Wie bei einem Fernglas lassen sich<br />

am BTX Augenabstand, Dioptrienausgleich,<br />

Bildschärfe und<br />

die Drehaugenmuschel<br />

für Brillenträger bequem<br />

einstellen. Wer<br />

mit dem iPhone digiskopieren<br />

möchte,<br />

kann dafür wie bisher<br />

den PA i6 Adapter<br />

nutzen, der mit<br />

dem BTX voll kompatibel<br />

ist. Beim Test<br />

gefiel auch die ergonomische<br />

und höhenverstellbare Stirnstütze<br />

des Okularmoduls. Dank ihr kann<br />

man den Kopf beim Beobachten ohne<br />

Anstrengungen sehr ruhig halten. Die<br />

seitlich am Okularmodul angebrachte<br />

Visierhilfe ist ein weiteres Detail, das die<br />

Bedienung vereinfacht. Das BTX-Okularmodul<br />

wird je nach Händler zwischen<br />

2.200 und 2.500 Euro kosten, der ME<br />

1,7x Extender um die <strong>30</strong>0 Euro. Beide<br />

sollen ab Anfang Mai lieferbar sein,<br />

ebenso der neue PTH Profi-Stativkopf.<br />

55


NATURGUCKER.DE<br />

DIE MÄR VON DEN<br />

»SCHLECHTEN« DATEN<br />

In Deutschland erkunden zahlreiche Naturliebhaber nicht nur die Tiere, Pflanzen<br />

und Pilze, sondern melden ihre Funde bei Beobachtungsplattformen. Die Qualität dieser<br />

Beobachtungsdaten wird von etlichen Experten pauschal als schlecht eingestuft –<br />

oft zu Unrecht. Von Gaby Schulemann-Maier<br />

56<br />

»Mit von Laien gewonnenen Daten<br />

kann man nichts anfangen, weil<br />

garantiert falsche Beobachtungen<br />

dabei sind« – dieser Satz wird von einer<br />

Reihe hauptberuflicher Forscher ebenso<br />

wie von manch anderweitigem Experten<br />

für bestimmte Artengruppen bei jeder<br />

sich bietenden Gelegenheit vorgetragen.<br />

Hinterfragt man diese Aussage kritisch,<br />

zeigen sich allerdings diverse Fallstricke<br />

rund um das Thema Beobachtungen<br />

und Datenqualität, die jeden betreffen –<br />

vom engagierten Laienbeobachter bis<br />

hin zum renommierten Experten. Aber<br />

gerade Experten verfolgen selbst einen<br />

methodischen Bewertungsansatz, der<br />

seinerseits einer wissenschaftlichen<br />

und objektiven Qualitätsprüfung nicht<br />

immer standhält und bei dem inhaltlich<br />

zudem häufig falsch argumentiert wird.<br />

Das Wichtigste: Falsche oder richtige<br />

Naturbeobachtungen gibt es nicht. Meldet<br />

jemand einen Fischadler im Januar<br />

an einer deutschen Talsperre, wird die<br />

zuständige »Seltenheitskommission«<br />

(Avifaunistische Landeskommissionen<br />

in den Bundesländern) diese Meldung<br />

nicht anerkennen. Dabei könnte es sich<br />

nur um einen Gefangenschaftsflüchtling<br />

halten – oder gar einen Wildvogel, auch<br />

wenn dies extrem unwahrscheinlich ist,<br />

weil Fischadler strenge Zugvögel sind.<br />

Unmöglich ist es aber nicht.<br />

FEHLER ODER NICHT?<br />

Jede Beobachtung in der Natur ist subjektiv<br />

und nicht wie Laborexperimente<br />

mit all ihren Rahmenbedingungen objektiv<br />

wiederhol- und nachvollziehbar.<br />

Obendrein besteht bei jeder Naturbeobachtung<br />

die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

etwas übersehen oder vom Beobachter<br />

falsch gedeutet beziehungsweise in der<br />

Nachbetrachtung falsch eingeschätzt<br />

wurde. Manches davon geschieht unbewusst,<br />

denn das Gehirn verarbeitet<br />

visuelle und akustische Reize auf besondere<br />

Weise: Es analysiert automatisch<br />

die eintreffenden Reize in Sekundenbruchteilen<br />

und vervollständigt sie unbewusst<br />

zu einem Gesamtbild, dem es<br />

gegebenenfalls Details hinzufügt, die<br />

es bereits zuvor einmal gelernt hat. Diese<br />

sogenannte Autovervollständigung<br />

kann zu Fehleinschätzungen führen,<br />

wenn beispielsweise ein Vogel nur kurz<br />

aus dem Augenwinkel gesehen wird. Ist<br />

in dem Gebiet mehrmals eine bestimm-


NATURGUCKER.DE<br />

te Art gesehen worden und »kennt« das<br />

Gehirn diese Situation, wird die Sichtung<br />

meist schnell entsprechend »bewertet«.<br />

Das kann besonders langjährigen<br />

Beobachtern geschehen. Ihr Gehirn<br />

»kennt« viele Beobachtungssituationen<br />

und ist deshalb für Fehler durch Autovervollständigung<br />

besonders anfällig,<br />

wohingegen ein Einsteiger mit wenig<br />

Beobachtungserfahrung meist mit einem<br />

anderen Problem zu kämpfen hat,<br />

das »menschbedingt« ist.<br />

ÄUSSERE EINFLÜSSE<br />

Er hat etwas nur teilweise gesehen und<br />

versucht, sich daran zu erinnern, um<br />

später mit einem Bestimmungsbuch<br />

herauszufinden, mit welcher Art er es<br />

zu tun hatte. Dieses Rekonstruieren<br />

ist schwierig, weil Erinnerungen im<br />

menschlichen Gehirn veränderbar sind.<br />

Das Hirn ist kein Festplattenrekorder,<br />

und Erinnerungen werden nur allzu<br />

leicht durch äußere Einflüsse umgeschrieben<br />

– zum Beispiel durch Diskussionen<br />

mit anderen Beobachtern oder<br />

das Lesen von Bestimmungsbüchern.<br />

Auch etwas aktiv in Erinnerung zu rufen,<br />

ist ein Lese- und Schreibvorgang im<br />

Gehirn, der immer zu Veränderungen<br />

führt. Von diesen Erinnerungsverfälschungen<br />

sind alle Menschen betroffen.<br />

Das bedeutet: Grundsätzlich alle Beobachtungsdaten<br />

von jedermann können<br />

Fehler enthalten.<br />

Die vielen potenziellen Fehlerquellen<br />

machen es schwierig, Beobachtungsdaten<br />

zu begründen und nachzuweisen.<br />

Hinzu kommt, dass ungewöhnliche Beobachtungen<br />

oft reflexhaft mit »Das ist<br />

unmöglich!« abqualifiziert werden. Auf<br />

www.<strong>naturgucker</strong>.de gibt es eine ganze<br />

Reihe von Beispielen dafür, dass sich die<br />

Natur nicht immer an von Menschen erarbeitete<br />

– und oft veraltete oder schlicht<br />

lückenhafte – Verbreitungskarten sowie<br />

Rote Listen hält. Arten tauchen an Stellen<br />

auf, wo ihr Auftreten unwahrscheinlich<br />

ist – aber objektiv nicht unmöglich.<br />

Solche Beobachtungen pauschal aus<br />

einer Analyse von Datensätzen auszuklammern,<br />

ist sicherlich ein legitimes<br />

Vorgehen eines Autors. Sie aber deshalb<br />

aus einer Datensammlung zu löschen,<br />

wäre fatal, denn sie sagen durchaus etwas<br />

darüber aus, welche Dynamik in der<br />

Natur vorherrscht, und können manchmal<br />

erst nach Jahren entsprechend<br />

eingeschätzt werden. Somit können<br />

Datensätze nicht generell, sondern nur<br />

vor dem Hintergrund einer konkreten<br />

Fragestellung verständlich gemacht werden.<br />

Um etwas begreiflich zu machen,<br />

ist als Basis immer das aktuelle Wissen<br />

nötig. Deshalb sind die Ergebnisse stets<br />

personen- und zeitabhängig. Ein allgemeingültiges,<br />

dauerhaftes Ergebnis kann<br />

es nicht geben.<br />

SOLIDE DATEN<br />

Auf <strong>naturgucker</strong>.de wurden im Herbst<br />

2016 Datenkenngrößen eingeführt, die<br />

eine objektive Einschätzung ermöglichen<br />

und die auf mathematisch-statistischen<br />

Berechnungsgrundlagen beruhen.<br />

Sie beziehen sich auf Datensätze zu Arten<br />

und nicht auf Einzelbeobachtungen.<br />

Bewertet wird, wie häufig eine Art beobachtet<br />

wurde (Häufigkeits-Index, mAI)<br />

und wie belastbar der vorhandene Datensatz<br />

aus statistischer Sicht ist (Indikator<br />

Daten-Belastbarkeit, IDB). Beide<br />

Kenngrößen sollen Interessierten helfen,<br />

die Qualität der vorliegenden Beobachtungen<br />

zu einer Art einzuschätzen.<br />

Auffällig ist: Zu sehr vielen Arten liegen<br />

bereits solide Datensätze vor, die rein<br />

objektiv und statistisch betrachtet eine<br />

hohe bis sehr hohe Qualität haben und<br />

somit dem gängigen Vorurteil über die<br />

mangelnde Qualität von Bürgerwissenschafts-Daten<br />

widersprechen.<br />

57<br />

Wie sehen Sie das?<br />

Ein gutes Beispiel für die Autovervollständigung<br />

des Gehirns ist<br />

das Kanizsa-Dreieck. betrachten<br />

Sie das Bild und teilen Sie uns mit,<br />

wie viele Dreiecke Sie wahrnehmen.<br />

Schreiben Sie uns an info@<br />

<strong>naturgucker</strong>.de, und lesen Sie hier<br />

mehr über das Thema: www.naturwerke.net/?beitrag=965.


NATUR-BESTIMMUNG<br />

58<br />

Wiesenpieper / Foto:<br />

Mark Schuurmann, Arco Images<br />

Wer piept denn da?<br />

EIN PIEPER!<br />

Sie sind unscheinbar und werden oft übersehen,<br />

die Pieper. Martin Kraft erklärt, wie man sie unterscheidet.<br />

Obwohl unsere Pieper interessante<br />

Vögel sind, werden sie leicht<br />

übersehen, und leider nehmen<br />

einige Arten im Brutbestand dramatisch<br />

ab. Pieper wuseln zur Zugzeit oft<br />

wie kleine Mäuse am Boden herum, wobei<br />

man sie an Straßen- und Wegrändern<br />

ebenso findet wie auf Äckern und<br />

Wiesen, oft auch auf freien Hochflächen.<br />

Eine der bekanntesten der sechs regelmäßig<br />

in Deutschland vorkommenden Arten<br />

ist der Baumpieper (Anthus trivialis),<br />

der zumeist schon Mitte April aus den<br />

afrikanischen Winterquartieren heimgekehrt<br />

ist. Typisch ist die bräunliche<br />

Grundfarbe, der schwach dunkel längsgestreifte<br />

Rücken, die zur hellen Kehle<br />

kontrastierende, beigefarbene Brust mit<br />

kräftiger, dunkler Strichelung und die<br />

schwach dunkel gestrichelten Flanken.<br />

Charakteristisch sind ebenso die rosafarbenen<br />

Beine mit sichtbar gekrümmter<br />

Hinterkralle und eine rosa Schnabelbasis.<br />

Im Vergleich zum sehr ähnlichen<br />

Wiesenpieper ist der Schnabel etwas<br />

kräftiger. Hinzu kommen ein in der Regel<br />

auffälliger heller Überaugen-, ein<br />

schwacher dunkler Augenstreif sowie<br />

ein recht breiter heller Bartstreif. Die<br />

Schwanzkanten sind weißlich. Der<br />

gleichmäßige Bogenflug erinnert an den<br />

des Buchfinken und ist damit weit weniger<br />

»zuckend« als beim Wiesenpieper.<br />

Typischer Zugruf ist ein etwas rau klingendes<br />

»Pssie«. Schlicht- und Prachtkleid<br />

unterscheiden sich nicht.<br />

DER WIESENPIEPER<br />

Auch der weit verbreitete Wiesenpieper<br />

(Anthus pratensis) sieht das ganze Jahr<br />

über gleich aus. Er ist leider im mitteldeutschen<br />

Binnenland als Brutvogel<br />

sehr selten geworden. Auf dem Zug Ende<br />

Februar bis Mitte/Ende April und im<br />

Oktober/November ist er aber ziemlich<br />

häufig in der offenen Kulturlandschaft<br />

und auf freien Hochflächen der Mittelgebirge<br />

anzutreffen. Typischer Zugruf ist<br />

ein hektisches, zumeist gereiht vorgetragenes<br />

»ist-ist-ist«. Im aktiven Flug zeigen<br />

Wiesenpieper ziemlich kurze und hastige<br />

»Sprünge«, wobei sie einzeln, in kleinen<br />

Gruppen, aber auch in Trupps von<br />

vielen Hundert Vögeln, ziehen können.<br />

Wiesenpieper wirken zierlicher als die<br />

anderen Pieper. Kennzeichnend ist das<br />

braungraue Federkleid mit deutlichem<br />

Olivton, der kräftig dunkel längsgestreifte<br />

Mantel, die helle Unterseite mit<br />

dunkler Strichelung, die auf der Brust zu<br />

einem markanten Fleck zusammenläuft,<br />

und eine kräftig dunkle Flankenstriche-


NATUR-BESTIMMUNG<br />

Berg- und Wiesenpieper, und manchmal<br />

kann man die grauen Schwanzaußenkanten<br />

gut erkennen. Berg- und<br />

Strandpieper kommen bei uns regelmäßig<br />

im Winter vor, aber auch der Wiesenpieper<br />

bleibt in milden Wintern in<br />

geringer Zahl in Deutschland, vorwiegend<br />

küstennah oder in Feuchtgebieten<br />

mit reichlichem Nahrungsangebot des<br />

Binnenlandes.<br />

lung. Die Flanken zeigen oft eine gelbliche<br />

Farbe. Ebenso fallen der recht<br />

dünne, dunkle und an der Basis gelbliche<br />

Schnabel sowie die gelblichen Beine mit<br />

ziemlich langer und wenig gekrümmter<br />

Kralle der Hinterzehe auf. Die Schwanzaußenkanten<br />

sind weiß und fallen vor<br />

allem beim Auffliegen sehr auf. Wie<br />

beim Baumpieper finden wir auch beim<br />

Wiesenpieper sehr lange Schirmfedern<br />

mit dunklen Zentren und schmalen, hellen<br />

Rändern. Beide Arten zeigen keine<br />

Handschwingenprojektion.<br />

DER BERGPIEPER<br />

Der kräftigere und insgesamt dunklere<br />

Bergpieper (Anthus spinoletta) brütet in<br />

den Gebirgen Mittel- sowie Südeuropas<br />

und Mittelasiens bis hin zur Baikalregion.<br />

Im deutschen Binnenland findet man<br />

ihn deshalb nur außerhalb der Brutzeit.<br />

An manchen Stellen, etwa in Kiesgruben<br />

und an Baggerseen, ist er im Winter der<br />

häufigste Pieper. Als auffällige Unterscheidung<br />

zu Wiesen- und Baumpieper<br />

kann man die zumeist schwärzlich bis<br />

dunkel rot-bräunlich gefärbten Beine,<br />

den grau-braunen und im Schlichtkleid<br />

nur schwach gestreiften Mantel, den<br />

hellen Überaugenstreif, eine reinweiße<br />

Unterseite mit kräftig dunkler Längsstrichelung<br />

sowie auffälligeren hellen Flügelbinden<br />

heranziehen. Der Schnabel<br />

ist recht lang, im Schlichtkleid mit hell<br />

gelblicher Basis, im Prachtkleid meist<br />

schwarz. Insgesamt ist der Bergpieper<br />

im Schlichtkleid düsterer gefärbt als die<br />

beiden vorherigen Arten. Während der<br />

Zugzeit von Ende September bis etwa<br />

Mitte November treten Bergpieper nur<br />

unregelmäßig bei der Erfassung des<br />

sichtbaren Tageszuges auf. Da sie oft<br />

auch nachts ziehen, sieht man sie viel<br />

häufiger bei der Rast in feuchtem Gelände,<br />

sehr oft in aufgelassenen Kies-, Sand<br />

– und Tongruben sowie an den Rändern<br />

von Baggerseen und natürlichen Gewässern.<br />

Der aktive Flug ist ebenfalls<br />

zuckend wie beim Wiesenpieper, doch<br />

die Silhouette ist kräftiger. Die weißen<br />

Schwanzaußenkanten fallen beim<br />

Starten und Landen immer ins Auge.<br />

Im Gegensatz zu dem hastig vorgetragenen<br />

»ist-ist«-Ruf des Wiesenpiepers<br />

rufen Bergpieper zumeist nur einsilbig<br />

und weich »wsst«, »wist« oder auch wie<br />

»fist« klingend. Bei aufgescheuchten<br />

Vögeln kann dieser Ruf auch gereiht<br />

vorgetragen werden. Im Prachtkleid<br />

ist der Bergpieper unverkennbar mit<br />

seinem grauen Kopf, deutlich weißem<br />

Überaugen- und Bartstreif, dem fast ungestreiften<br />

braun-grauen Mantel und einer<br />

schön rosa getönten Brust. Vögel im<br />

Prachtkleid sieht man bei uns ab etwa<br />

Anfang April. Bereits Mitte April sind<br />

die meisten Bergpieper im deutschen<br />

Binnenland verschwunden.<br />

DER STRANDPIEPER<br />

Ausgesprochen ähnlich sieht der Strandpieper<br />

(Anthus petrosus) aus, der in<br />

Deutschland vor allem an der Nordsee<br />

regelmäßiger, an der Ostsee jedoch ein<br />

ziemlich seltener Wintergast ist. Im Binnenland<br />

erscheint er nur ausnahmsweise.<br />

In allen Kleidern wirkt er stets düster<br />

grau-braun mit markanter dunkler, aber<br />

oft diffus wirkender Längsstrichelung<br />

von Brust und Flanken. Der grau-braune<br />

Mantel ist im Schlichtkleid mehr<br />

oder weniger längs gestreift oder auch<br />

gefleckt und die Schwanzaußenkanten<br />

sind nicht weiß wie beim Bergpieper,<br />

sondern heller grau und damit deutlich<br />

verschieden. Der Überaugenstreif<br />

ist weniger auffällig als beim<br />

Bergpieper, und im Prachtkleid<br />

ist die Brust nicht so schön<br />

rosa. Der Ruf ist dem des<br />

Bergpiepers sehr ähnlich,<br />

klingt aber in der Regel<br />

etwas gezogener<br />

und rauer. Der<br />

zuckende Flug<br />

erinnert etwas<br />

an<br />

den<br />

DER ROTKEHLPIEPER<br />

Wesentlich seltener ist der in Afrika<br />

und im Nahen Osten überwinternde<br />

Rotkehlpieper (Anthus cervinus), der<br />

ab etwa Mitte April bis etwa Anfang Juni<br />

und von Mitte September bis Mitte/<br />

Ende Oktober in geringer Zahl bei uns<br />

durchzieht. Rastende Vögel findet man<br />

oft in den Auen auf Grünland, Äckern,<br />

Brachflächen und in Abbaugebieten.<br />

Dem Wiesenpieper sehr ähnlich, zeigt<br />

der Rotkehlpieper aber in allen Kleidern<br />

keinen Olivton im Gefieder, ist auf dem<br />

Rücken kräftig schwarz-weiß längsgestreift<br />

und zeigt eine dunkle Strichelung<br />

des Bürzels und eine recht kräftige,<br />

dunkle Brust- und Flankenstrichelung.<br />

Altvögel haben im Prachtkleid eine<br />

rostrote Kehle und obere Brust sowie<br />

viele Männchen auch einen rostroten<br />

Überaugenstreif und eine ebenso gefärbte<br />

Stirn. Vögel im Prachtkleid sieht<br />

man bei uns in einigen<br />

Jahren regelmäßig<br />

und<br />

manchmal<br />

auch häufig, in<br />

anderen Jahren<br />

kaum oder<br />

gar nicht.<br />

Junge<br />

59


NATUR-BESTIMMUNG<br />

Vögel und manche Altvögel erscheinen<br />

im Herbst regelmäßiger, wobei Vögel im<br />

ersten Winter eine weiße statt rostrote<br />

Kehle, Altvögel aber immer noch eine<br />

etwas rötliche Kehle zeigen. Vögel im<br />

ersten Winter wirken insgesamt sehr<br />

stark gestreift und zeigen auffallend helle<br />

Schirmfederränder sowie einen hellen<br />

Zügel. Die zumeist rosa gefärbten Beine<br />

haben eine recht lange Hinterzehenkralle.<br />

Der scharfe und etwas lang gezogene<br />

Flugruf ist unverkennbar und klingt wie<br />

»pssiiiih«. Der Flugstil ist dem des Baumpiepers<br />

ähnlich, mit größeren Wellen als<br />

beim Wiesenpieper.<br />

DER BRACHPIEPER<br />

Von allen beschriebenen Arten ist der<br />

Brachpieper (Anthus campestris) mit<br />

bis zu 18 Zentimetern Länge der größte.<br />

Er ist das ganze Jahr über ziemlich<br />

einfarbig beige-braun gefärbt und zeigt<br />

Bergpieper<br />

Foto: Daniele Occhiato, Agami.nl<br />

weißer<br />

Überaugenstreif<br />

Rotkehlpieper<br />

Foto: Markus Varesvuo, Agami.nl<br />

weiße<br />

Flügelbinden<br />

grau-brauner<br />

Mantel im<br />

Schlichtkleid<br />

langer Schnabel<br />

mit hellgelber<br />

Basis<br />

weiße<br />

Unterseite mit<br />

dunkler<br />

Srichelung<br />

Kehle auch im<br />

Schlichtkleid leicht<br />

rötlich<br />

kräftige<br />

Strichelung an Brust<br />

und Flanken<br />

60<br />

schwarz bis<br />

rot-braun<br />

gefärbte Beine<br />

Baumpieper<br />

Foto: Daniele Occhiato, Agami.nl<br />

heller<br />

Überaugenstreif<br />

Schnabel mit<br />

rosafarbener<br />

Basis<br />

Brachpieper<br />

Foto: Daniele Occhiato, Agami.nl<br />

heller<br />

Überaugenstreif<br />

dunkel-längsgestreifter<br />

Rücken<br />

dunkler<br />

Augenstreif<br />

schwarzer Zügel<br />

beige-braune<br />

Grundfarbe<br />

rosafarbene<br />

Beine<br />

helle Beine<br />

gekrümmte<br />

Hinterzehenkralle<br />

beigefarbene Brust<br />

mit dunkler<br />

Längsstrichelung


ein auffälliges Kopfmuster mit hellem<br />

Überaugenstreif, dunklem Zügel, Augen-<br />

und Wangenstreif, hellem Bart- und<br />

schmalem, dunklem Kinnstreif. Rücken<br />

und Mantel sind kaum gemustert. Auch<br />

auf der Brust tragen Altvögel in der Regel<br />

keine Strichelung, und wenn und nur<br />

manchmal eine schwache Strichelung auf<br />

den oberen Brustseiten. Auffällig sind die<br />

dunklen Zentren der Mittleren Armdecken<br />

und die hellen Beine mit recht kurzer<br />

Kralle der Hinterzehe. Jungvögel sind<br />

auf Rücken und Mantel und Brust mehr<br />

oder weniger stark dunkel gestrichelt und<br />

können daher mit dem noch etwas größeren<br />

Spornpieper verwechselt werden,<br />

doch ist der Zügel zumeist dunkel. Als<br />

Brutvögel sind Brachpieper auf sandige<br />

Flächen und Ödland angewiesen und<br />

insgesamt selten, treten aber zu beiden<br />

Zugzeiten regelmäßig und mitunter auch<br />

recht häufig auf. Auf dem Zug von Mitte/<br />

NATUR-BESTIMMUNG<br />

Ende April bis Anfang Juni und von Mitte<br />

August bis etwa Mitte September ziehen<br />

sie regelmäßig auch durchs Binnenland<br />

und rasten auf Feldern und Brachflächen<br />

der offenen Kulturlandschaft. Sie fliegen<br />

mit noch etwas größeren Bögen als<br />

Baumpieper und mit recht großer Individualdistanz,<br />

einzeln oder in kleinen bis<br />

mittelgroßen Trupps. Der tschilpende Flugruf<br />

erinnert an den Haussperling, ähnliche<br />

Rufe auch an die Kurzzehenlerche.<br />

Wiesenpieper<br />

Foto: Jari Peltomäki, Agami.nl<br />

dünner dunkler Schnabel<br />

mit gelblicher Basis<br />

kräftig schwarz-weiß<br />

längsgestreifter Rücken<br />

helle<br />

Unterseite mit<br />

dunkler<br />

Strichelung<br />

braungraues<br />

Gefieder mit<br />

Olivton<br />

Strandpieper<br />

Foto: Daniele Occhiato, Agami.nl<br />

lange<br />

Hinterzehenkralle<br />

gelblich-helle<br />

Beine<br />

61<br />

rosafarbene<br />

Beine<br />

Im Schlichtkleid<br />

insgesamt sehr düster<br />

gefärbt<br />

lange<br />

Hinterzehenkralle<br />

dunkle Strichelung in<br />

Längsrichtung<br />

dunkelbraune Beine<br />

im Schlichtkleid


ALLMERS KABINETT<br />

Die Köttelgrenzen<br />

DER WILDKANINCHEN<br />

Warum benutzen Stadt-Kaninchen andere Toiletten als ihre Verwandten auf dem Land?<br />

Von Frank Allmer<br />

62<br />

Wenn Kaninchen aufs Klo gehen,<br />

kötteln sie nicht wild im<br />

Gras herum. Sie benutzen in<br />

ihrem Revier immer wieder ganz bestimmte<br />

Plätze. Und Wildkaninchen in<br />

der Stadt gestalten ihren Toilettengang<br />

ganz anders als ihre Artgenossen auf<br />

dem Land. Das stellte eine Forschergruppe<br />

der Goethe-Universität Frankfurt<br />

am Main fest. Weil Kaninchen in<br />

der Dämmerung besonders aktiv sind,<br />

lag das Team um die Biologin Madlen<br />

Ziege frühmorgens und in den Abendstunden<br />

wochenlang auf der Lauer.<br />

WIE FACEBOOK<br />

An 191 Bauen in der Innenstadt von<br />

Frankfurt, in Vororten und auf dem<br />

Land erfassten die Kaninchengucker die<br />

kleinen Hoppler. Wildkaninchen verständigen<br />

sich untereinander über Duftstoffe<br />

aus ihrem Urin und Kot. Beim<br />

Schnuppern am Kaninchenklo erfahren<br />

sie alles über das Alter, Geschlecht oder<br />

den sozialen Status anderer Benutzer.<br />

Es ist wie Facebook – eine Tratsch- und<br />

Klatschstelle mit Nachbarn und Freunden.<br />

Ein Ergebnis der Kaninchenforscher:<br />

Die Tiere auf dem Land nutzen<br />

viele Köttelplätze in unmittelbarer Nähe<br />

zu ihrem Bau, die Stadtkaninchen dagegen<br />

gehen für ihr Geschäft häufiger<br />

an die Grenzen des Reviers. Der Grund<br />

dafür könnte sein, dass die Kaninchen<br />

in Frankfurts Innenstadt<br />

meisten als<br />

Singles oder einzelne Pärchen in einem<br />

kleinen Bau leben, also in einer Einzimmerwohnung.<br />

Es gibt in der Stadt nicht<br />

so viel Platz wie auf dem Land, und der<br />

vorhandene Raum ist umkämpft. Da ist<br />

es wichtig, sich mit einem Duftzaun von<br />

den Nachbarn abzugrenzen. Im ländlichen<br />

Umland hingegen bewohnen die<br />

Kaninchen als Großfamilien weitläufige<br />

Bausysteme. Oft leben über <strong>30</strong> Tiere<br />

in Bauen mit 70 bis 80 Eingängen. Da<br />

kommt es auf eine Geruchsverständigung<br />

innerhalb der Gruppe an. So<br />

sind hier die Köttelplätze in der Nähe<br />

der Baue wichtiger als an der Reviergrenze<br />

zum Nachbarn. Zugleich zieht<br />

aus wirtschaft-<br />

vom Land<br />

es die Kaninchen<br />

lichen Gründen<br />

in die Stadt.<br />

In der Stadt finden<br />

die Tiere<br />

nämlich immer<br />

ausreichend Futter,<br />

und hier und<br />

da füttern die Menschen<br />

noch zusätzlich.<br />

Zudem gibt es<br />

weniger Feinde, und<br />

im Winter ist es in<br />

den Städten immer<br />

einige Grad<br />

wärmer als<br />

auf dem offenen Land. Landflucht ist<br />

also ein Trend, der nicht nur bei uns<br />

Zweibeinern deutlich vorherrscht.<br />

DIE DUFTMARKE<br />

Auch bei vielen anderen Tieren ist Kot<br />

als Duftmarke zur Revierabgrenzung<br />

üblich. So setzen zum Beispiel Füchse<br />

und Marder ihre Losung gerne auf<br />

Grenzsteine. Und genauso machen das<br />

die Wombats in Australien. Diese entfernten<br />

Verwandten von Kängurus und<br />

Koalas hinterlassen Exkremente,<br />

die im Tierreich einzigartig<br />

sind. Wombats produzieren<br />

keine runden Köttel<br />

wie Kaninchen, Rehe<br />

oder Schafe, sondern<br />

Würfel. Für die Formgebung<br />

ist jedoch nicht<br />

das Po-Loch verantwortlich,<br />

denn das ist rund wie bei<br />

jedem anderen Tier. Die kleinen<br />

Würfel entstehen bereits in speziellen<br />

Kammern in den Darmwänden,<br />

deren Sinn folgender ist: In Würfelform<br />

können die Reviermarkierungen<br />

nicht so leicht von runden<br />

Felsbrocken oder Baumstämmen<br />

herunterkullern.<br />

Stadtkaninchen oder Landkaninchen?<br />

Der Unterschied macht sich spätestens beim<br />

Kötteln bemerkbar. / Foto: Regine Schulz


ALLMERS KABINETT<br />

FÜR 2 HODEN IST KEIN<br />

PLATZ IM MOTORRAUM<br />

Foto: Soebe<br />

Sportwagen, Verdauung außerhalb des Körpers und Riesenhunger: Laufkäfer sind sehr speziell.<br />

Von Frank Allmer<br />

Wenn ich einen Goldlaufkäfer<br />

über einen trockenen Feldweg<br />

hasten sehe, erinnert<br />

er mich an einen stromlinienförmigen<br />

Sportwagen. Mit Modellautos in dieser<br />

sportlichen Form habe ich als Junge gespielt.<br />

Laufkäfer sind schnittig gebaute<br />

Räuber. Sie sind hinter Schnecken, Würmern<br />

und anderen Insekten her. Da ist<br />

Geschwindigkeit gefragt. So ist der Körper<br />

schlank gebaut, eben wie ein Sportwagen.<br />

Der Käferforscher Kipling Will<br />

von der University of California nahm<br />

gemeinsam mit seinen Kollegen David<br />

Maddison von der University of Arizona<br />

und José Galián aus dem spanischen<br />

Murcia 820 Laufkäferarten unter die Lupe<br />

– bei 174 davon stellten sie zu ihrem<br />

Erstaunen nur einen Hoden fest.<br />

KLEINER MAGEN<br />

Die Gründe für dieses Phänomen sind<br />

noch rätselhaft. Die Forscher vermuten,<br />

dass sich die Käfer aus Platzgründen mit<br />

einer geringeren Spermienzahl zufrieden<br />

geben müssen. Es wird offenbar eng für<br />

den zweiten Hoden unter der »Motorhaube«,<br />

zumal die Muskeln für die kräftigen<br />

Beine verhältnismäßig groß sind und<br />

Platz brauchen. Laufkäfer sind schier unersättliche<br />

Jäger, die an einem Tag bis zu<br />

zehn Schmetterlingsraupen fressen können,<br />

und manchmal verzehren sie sogar<br />

dicke Regenwürmer und Nacktschnecken,<br />

die größer als die Käfer selbst sind.<br />

Wie in der Tierwelt bei Fleischfressern<br />

üblich, ist der Magen-Darm-Trakt<br />

der Laufkäfer verhältnismäßig klein.<br />

Auch das spart Platz im Hinterleib.<br />

Wohl deshalb entwickelten sie im Lauf<br />

der Evolution auch eine besondere Verdauungstechnik.<br />

Sie verdauen ihre Beute<br />

nicht im Körper, sondern außerhalb.<br />

Anders als zum Beispiel Maikäfer, deren<br />

Oberkiefer zu kräftigen Mahl- und<br />

Schneidezähnen ausgebildet sind, haben<br />

Laufkäfer nur Fangzähne. Damit können<br />

sie ihre Beute zwar festhalten und<br />

töten, aber nicht in schluckgerechte Bissen<br />

zerkleinern. Gleich nach dem Fang<br />

erbrechen die meisten Laufkäferarten<br />

einen Verdauungssaft in die Bisswunde<br />

des Opfers und saugen dann die vorverdaute<br />

Nahrung auf. Was heutzutage in der<br />

Wirtschaft zu beobachten ist, das betreiben<br />

Laufkäfer schon lange: Den Betrieb<br />

verschlanken durch Einsparen von Fortpflanzungspersonal<br />

und Outsourcen<br />

der Vorverdauung. Der fehlende Hoden<br />

stellt offenbar kein Manko dar. Die Käfer<br />

paaren sich völlig normal und machen<br />

auch sonst alles, was ein Laufkäfer so tut.<br />

NUR ZWEI ARTEN<br />

Von den großen, metallisch schimmernden<br />

Laufkäferarten kommen bei uns nur<br />

zwei vor: der wärmeliebende Goldlaufkäfer<br />

(Carabus auratus), der tagsüber<br />

auf Feldern, an Trockenhängen und Waldrändern<br />

unterwegs ist, und der hauptsächlich<br />

nachts aktive Goldglänzende<br />

Laufkäfer (Carabus auronitens), der in<br />

feuchten und kühlen Laub- und Mischwäldern<br />

im Bergland zu Hause ist und<br />

dessen Verbreitung sich mehr auf Süddeutschland<br />

konzentriert. Das zeigen<br />

schön die Verbreitungskarten mit den Beobachtungsmeldungen<br />

bei www.<strong>naturgucker</strong>.de<br />

sie sind schnell zu finden: Unter<br />

»suche:art/artgruppe« den Artnamen<br />

eingeben und dann auf »karte« klicken.<br />

63


NATUR-KIND<br />

AUF IN DIE<br />

BEEREN!<br />

64<br />

Von Thea Wittmann<br />

Beeren sind so richtige<br />

Sommerboten: Im Mai leuchten<br />

die ersten reifen Erdbeeren.<br />

Dann schließen sich im Juni<br />

die Johannisbeeren an. Im Juli und<br />

August werden Himbeeren, Brombeeren,<br />

Heidelbeeren, Preiselbeeren<br />

und Stachelbeeren reif. Bei einem<br />

Ausflug im Wald findest Du den einen<br />

oder anderen Vertreter –<br />

vielleicht sogar in<br />

Mengen.<br />

Aber pflück’ immer nur<br />

die Früchte, die Du ganz sicher<br />

bestimmen kannst! Auf dem Feld,<br />

im Garten oder im Wald kannst<br />

du zum Beispiel Erdbeeren finden,<br />

die im Mai und Juni reif sind.<br />

GELBE NUSSE<br />

Eigentlich ist die Erdbeere gar<br />

keine Beere – sie ist genau genommen<br />

eine Sammelnussfrucht.<br />

Wenn Du sie genau betrachtest,<br />

erkennst Du die vielen kleinen<br />

gelben »Nüsse«, die oben auf<br />

der roten Beere sitzen. Die<br />

wilde Form und damit auch der<br />

Vorgänger unserer Gartenerdbeere<br />

ist die Walderdbeere. Sie<br />

ist viel kleiner, dafür aber umso<br />

intensiver im Geschmack. Du<br />

triffst sie auf Waldlichtungen<br />

oder am Wegrand, und sie hat<br />

einen Doppelgänger: Die<br />

Scheinerdbeere (Potentilla indica),<br />

auch Erdbeer-Fingerkraut<br />

oder Falsche Erdbeere genannt,<br />

sieht der Walderdbeere täuschend<br />

ähnlich. Unterscheiden<br />

kannst Du sie aber trotzdem:<br />

Die Walderdbeere blüht weiß,<br />

ihre Früchte hängen herunter.<br />

Die Scheinerdbeere blüht gelb,<br />

und die Beeren sitzen oben<br />

an einem aufrecht stehenden<br />

Stängel. Giftig sind sie nicht,<br />

sie schmecken aber nach nichts.<br />

STARK GIFTIG<br />

Im Wald gibt es aber nicht nur<br />

süße, sondern auch richtig gefährliche<br />

Früchtchen: Wenn im<br />

Juni die Maiglöckchen verblüht<br />

sind, bilden sich aus ihren<br />

Blüten kleine rote Beerchen.<br />

Vorsicht – die sehen zwar<br />

schön aus, sind aber stark giftig,<br />

genauso wie Blätter und<br />

Ungiftig aber geschmacklos: Scheinerdbeere / Foto: Friedrich Böhringer


Erdbeermilch:<br />

1 Glas Milch<br />

1 Handvoll Walderdbeeren<br />

1 TL Vanillezucker<br />

Keine Walderdbeeren gefunden?<br />

Dann schmeckt die Erdbeermilch<br />

auch mit Erdbeeren aus dem Garten.<br />

Püriere die Zutaten mit dem<br />

Pürierstab oder Mixer –<br />

fertig ist der Milkshake!<br />

Wenn du magst, kannst du<br />

noch zwei Blätter frische<br />

Minze dazugeben.<br />

NATUR-KIND<br />

Blüten dieser Blume!<br />

Blauschwarz<br />

schimmert die Einbeere<br />

– eine einzelne<br />

Kugel sitzt am<br />

Ende des Stängels, direkt darunter<br />

sind vier grüne Blätter angeordnet.<br />

Finger weg! Auch hier ist die ganze<br />

Pflanze giftig, aber die Beere ganz<br />

besonders.<br />

AUFGESPASST!<br />

In feuchtem Gebüsch und in Laubwäldern<br />

wächst der Gefleckte Aronstab. Seine hellgrünen<br />

Blütenblätter erinnern im Frühjahr an<br />

Pfeilspitzen, der dunkelbraune Stängel wird<br />

bis zu 25 Zentimeter hoch. Im Frühsommer<br />

bilden sich daran erst grüne, dann rot glänzende<br />

Beeren. Hochgiftig sind alle Teile der<br />

Pflanze, und bereits beim Pflücken kann der<br />

Pflanzensaft auf der Haut richtige Entzündungen<br />

hervorrufen.<br />

Sehr giftig !!!<br />

Aronstab / Foto:<br />

Cornelia Buchta<br />

Wenn du den Text aufmerksam gelesen<br />

hast, dann fällt die die Antwort auf unsere<br />

Rätselfrage bestimmt leicht:<br />

Die Erdbeere ist eigentlich gar<br />

keine Beere. Sie ist nämlich eine …<br />

Schick das Lösungswort an:<br />

Bachstelzen Verlag, Sybelstraße 3,<br />

40239 Düsseldorf<br />

oder per E-Mail an:<br />

kontakt@bachstelzen-verlag.de<br />

Und das kannst du gewinnen:<br />

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»Beeren finden!«<br />

65<br />

Für Beerensucher<br />

Mehr über süße Früchtchen, wo<br />

Du sie findest und wie Du sie am<br />

besten erntest, erfährst du im<br />

Buch »Beeren finden«.<br />

Zu jeder essbaren Beere<br />

gibt’s ein leckeres Blitzrezept.<br />

Christine Schneider,<br />

Beeren finden!, Ulmer Verlag,<br />

96 Seiten, 9,90 Euro<br />

Sehr giftig!!!<br />

Früchte des<br />

Maiglöckchens / Foto:<br />

Wolfgang Katz


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Leider kommt er bei uns nur noch in<br />

den Alpen vor – allerdings häufen sich<br />

Sichtungen aus anderen Regionen.<br />

Hat der einst weit verbreitete Greifvogel<br />

wieder ein Chance?<br />

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Von der Lechquelle bis zum Lechfall<br />

bei Füssen: 125 Kilometer entlang<br />

einer der schönsten Wildfluss-Landschaften<br />

Mitteleuropas. Kreuzkröten,<br />

Wasseramseln, Flussuferläufer, Steinböcke<br />

und mehr hat Thomas Brandt<br />

auf seinen Wanderungen entdeckt.<br />

DIE MÄNNERMÖRDERIN<br />

Die Gottesanbeterin liebt die Wärme,<br />

verspeist schon mal ihre Gatten und<br />

vertilgt zahlreiche andere Insekten. In<br />

den letzten Jahren hat sie sich weiter<br />

nach Norden ausgebreitet. Ute Schimmelpfennig<br />

stellt das »Insekt des Jahres«<br />

vor.<br />

67


Tierbeobachtung und Safari<br />

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