Pictorial 3-17
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sierte Welt, in der wir uns bewegen, begibt<br />
der Betrachter sich in der Ausstellung<br />
auf die Spurensuche in sehr viel ursprünglichere<br />
Gebiete der Fotograie- und Mediengeschichte.<br />
PICTORIAL: Gezeigt werden also die<br />
Original-Fotograien, wie sie im physischen<br />
Archiv konserviert lagen. Also<br />
wirklich „Vintage“? Noch nicht einmal<br />
neue Abzüge oder Vergrößerungen?<br />
Kein Photoshop?<br />
Karin Bomhoff: Deinitiv kein Photoshop,<br />
doch: Retusche. Die Originalfotograien<br />
aus der Zeit von 1894 bis 1945 wurden<br />
für die Verlagsarbeit bzw. im Auftrag des<br />
Verlages produziert. Im Mittelpunkt dieses<br />
Ausstellungsprojekts stehen die veröffentlichten<br />
Aufnahmen und in Teilen auch die<br />
dazugehörigen, oft sehr aufschlussreichen<br />
Publikationen. Dafür greifen wir zurück auf<br />
einen Foto-Bestand, der gleichzeitig die<br />
Grundlage für die redaktionelle Arbeit war.<br />
Wir haben Beispiele von beherzter Retusche<br />
am Material bis hin zu unverkennbarer<br />
Manipulation.<br />
PICTORIAL: Der Ausstellungstitel<br />
spricht davon, Ullstein habe „die<br />
Pressefotograie erfunden“. Ist das<br />
nicht etwas vollmundig? Wie ist die<br />
These zu verstehen?<br />
Karin Bomhoff: Der Berliner Zeitungsund<br />
Zeitschriftenverlag Ullstein nimmt eine<br />
Schlüsselrolle in der Entwicklung der Pressefotograie<br />
und damit auch innerhalb der<br />
Geschichte der Fotograie ein.<br />
Zum einen waren es technische Rahmenbedingungen<br />
mit Konsequenzen für den<br />
Zeitungsdruck, die Ullstein vorantrieb.<br />
Diese Voraussetzungen ebenso wie der<br />
wirtschaftliche Aufschwung zur Jahrhundertwende<br />
kamen auch konkurrierenden<br />
Berliner Zeitungsverlagen zugute. Doch<br />
Ullstein prägte über Jahrzehnte hinweg<br />
nicht nur die publizistische Vielfalt, sondern<br />
auch das innovative, verlegerische<br />
und redaktionelle Denken, abzulesen an<br />
einem Ideenaustausch mit den renommiertesten<br />
Fotografen seiner Zeit.<br />
Diese Wechselwirkungen können wir<br />
selbst in einer so großzügig angelegten<br />
Ausstellung wie der im Deutschen Historischen<br />
Museum nur exemplarisch zeigen.<br />
Doch die Beispiele sollen deutlich<br />
machen, dass es nicht um simples Name<br />
dropping aus dem Vorrat der Fotograiegeschichte<br />
geht, sondern um entscheidende<br />
Weichenstellungen mit Auswirkungen<br />
bis in die heutige Zeit.<br />
PICTORIAL: Es gibt Stimmen, die gerne<br />
betonen, die Geschichte der Pressefotograie<br />
sei „gut erforscht“.<br />
Stimmt das in Ihren Augen? Oder wo<br />
gibt es Lücken und Deizite, künftiger<br />
Handlungsbedarf?<br />
Karin Bomhoff: Wir haben schon zahlreiche,<br />
im besten Sinne weiterführende<br />
Ausstellungen zur Geschichte der Pressefotograie<br />
sehen und erleben dürfen,<br />
darunter große Retrospektiven. Immer<br />
wieder auch mit entscheidenden, bereichernden<br />
Leihgaben aus der fotograischen<br />
Sammlung Ullstein.<br />
Und dennoch gibt es erstaunliche Lücken<br />
in der wissenschaftlichen Erschließung<br />
verschiedenster Monographien und<br />
Themengebiete. Das mag zum einen an<br />
der teilweise alles andere als dankbaren<br />
Quellenlage liegen. Zum anderen geht es<br />
schlicht darum, jenseits der gut ausgebauten<br />
Wege und auch jenseits der bekannten<br />
Namen des Bildjournalismus<br />
nach neuen, bislang unentdeckt gebliebenen<br />
Fotografen und fotograischen Werken<br />
zu suchen.<br />
deshalb sind diese Stücke eine Besonderheit<br />
der Ausstellung.<br />
Und ausgerechnet weil z.B. das Bildmotiv<br />
des Reichstagsabgeordneten neben<br />
einem erlegten Krokodil in Deutsch-<br />
Ostafrika 1906 in jeder Hinsicht gelungen<br />
ist, vermittelt es einen Eindruck von der<br />
Hybris zu kolonialen Zeiten: ein Stück<br />
Natur wird vorgeführt und demonstriert<br />
selbst in dieser Rolle seine Überlegenheit.<br />
Den Haeckel-Bestand insgesamt zeichnet<br />
eine große Fülle fotograisch und kulturhistorisch<br />
herausragender Bildmotive aus<br />
allen Erdteilen aus. Stoff genug für eine<br />
neue Ausstellung.<br />
PICTORIAL: Vielen Dank für das Gespräch<br />
Dr. Katrin Bomhoff<br />
Asset & Exhibition,<br />
Axel Springer<br />
Syndication GmbH /<br />
ullstein bild<br />
Fotograie-Ausstellungen<br />
u.a. in Berlin,<br />
München, Bern<br />
Mode-Renntag in<br />
Berlin: Modelle von<br />
Becker.<br />
Foto: Zander &<br />
Labisch<br />
PICTORIAL: Zum Abschluss eine Frage<br />
fürs „Herz“: Haben Sie ein ausgesprochenes<br />
Lieblingsbild in der<br />
Ausstellung? Was spricht Sie daran<br />
besonders an?<br />
Karin Bomhoff: Da ich ein bekennender<br />
Fan der Fotograie von Georg (1873-<br />
1942) und Otto (1872-1945) Haeckel bin<br />
und mit diesem Bestand gearbeitet habe,<br />
geht der Blick immer auch auf ihre Bilder.<br />
Der Nachlass der beiden Fotografen<br />
mit über 10.000 Bildmotiven ist Teil der<br />
Sammlung von ullstein bild, wir zeigen<br />
ausgewählte Fotograien und erstmalig<br />
auch einige der Glasnegativplatten. Schon<br />
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