Balance - Steffen Prey
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16<br />
streit<br />
Sie sind beide Interessenvertreter in Sachen Umwelt und stehen<br />
auf verschiedenen Seiten. Wer von Ihnen hat es eigentlich<br />
leichter?<br />
Jeff Gazzard: Wir Umweltorganisationen sind reich an Informationen,<br />
aber arm an Ressourcen. Und wir repräsentieren ein ziemlich<br />
breites Spektrum an Meinungen. Genau wie die Industrieverbände<br />
sind wir ziemlich gut darin, Fakten zusammenzutragen,<br />
die unsere Position stützen.<br />
Wir haben den kleinen Vorteil, dass unsere Agenda leichter<br />
zu verstehen ist. Die Stärke der Industrieverbände liegt aber<br />
darin, dass sie länger im Geschäft sind, die besseren Kontakte<br />
und die größeren Mittel haben. Deshalb dauert es für uns länger,<br />
ein Ergebnis zu erzielen.<br />
Le Thi Mai: Oh Jeff, stellen Sie sich das nicht so einfach vor. Die<br />
Existenzberechtigung eines Verbandes liegt darin, die Interessen<br />
der Mitglieder zu vertreten. Und unsere Mitglieder sind Airlines.<br />
Sie haben das Ziel, die Nachfrage der Kunden zu bedienen und<br />
Gewinn zu machen. Noch vor fünf Jahren wurden die gesellschaftlichen<br />
und politischen Dimensionen der Umwelt-Diskussion<br />
von vielen gar nicht wahrgenommen. Damals hatten nur vier<br />
unserer Mitglieder einen Umweltbericht, allen voran die Lufthansa.<br />
Heute sind es zehn.<br />
Jeden Morgen, wenn ich ins Büro komme, frage ich mich,<br />
was ich tun kann, damit meinen Airlines die Bedeutung des<br />
Themas Umwelt bewusster wird. Das ist ein langer, schwieriger<br />
Prozess. Ich bin keine Grüne, aber ich bin überzeugt, dass diese<br />
Dimension Teil der unternehmerischen und gesellschaftlichen<br />
Strategie einer Airline sein sollte.<br />
Jeff Gazzard: Ja, die Öffentlichkeit muss sehen, dass die Airlines<br />
etwas tun. Es muss real sein und messbar. Die lokalen Auswirkungen<br />
des Luftverkehrs sind sehr offensichtlich. Und da ist<br />
die Frage, wie man sie verringern oder in ihren Auswirkungen<br />
abmildern kann.<br />
Viel wichtiger ist aber, was wir gegen den Klimawandel tun,<br />
und der Beitrag des Luftverkehrs dazu. Um ganz offen zu sein:<br />
Da gibt es nichts zu vermeiden oder zu mildern. Da gibt es nur<br />
eines: weniger fliegen. Vereinfacht gesagt stehen wir doch vor<br />
der Wahl, ob wir genug Öl haben, um entweder unsere Häuser<br />
zu heizen oder um dreimal im Jahr für 70 Euro auf die Kanaren<br />
zu fliegen.<br />
Natürlich erkennen wir an, was die Airlines bisher geleistet<br />
haben. Ich finde es lobenswert, dass Lufthansa eine Umweltabteilung<br />
hat. Aber die große Frage ist doch: Wohin führt uns<br />
<strong>Balance</strong> 2003<br />
Le Thi Mai<br />
Association of European Airlines<br />
Jeff Gazzard<br />
Aviation Environment Federation<br />
Die Umwelt liegt Le Thi Mai und Jeff<br />
Gazzard gleichermaßen am Herzen.<br />
Was beide trennt, ist der berufliche<br />
Standort und damit die Sicht der Dinge.<br />
gespräch<br />
das alles und was tut eine Lufthansa, nachdem sie auf dieser<br />
taktischen Ebene das Bestmögliche getan hat?<br />
Le Thi Mai: Ob der Luftverkehr wachsen soll oder nicht, ist doch<br />
keine Entscheidung der Airlines, sondern eine gesellschaftliche<br />
Entscheidung. Darüber muss die Gesellschaft als Ganzes diskutieren.<br />
Und wenn wir über Wachstum reden, dann muss natürlich<br />
klar sein, dass dazu auch die Infrastruktur in Form von Flughäfen,<br />
Startbahnen und Terminals gehört. Lasst den Markt entscheiden,<br />
lasst uns die Abstimmung über die Nachfrage führen. Die Airlines<br />
haben getan, was sie können. Da sind wir doch einer Meinung.<br />
Aber nun sagt man uns Airlines: Jetzt hört bitteschön auf zu<br />
wachsen. Eine Verbesserung pro Passagierkilometer ist uns nicht<br />
genug. Wenn Politiker der Ansicht sind, dass wir es uns nicht leisten<br />
können, dreimal im Jahr auf die Kanaren zu fliegen, dann<br />
sollen sie das der Öffentlichkeit sagen. Ich wette: Nicht ein einziger<br />
Politiker wird sich vor die Fernsehkameras stellen und sagen:<br />
Ab morgen bekommt jeder Bürger nur noch einen Flug pro Jahr.<br />
Jeff Gazzard: Wir hatten solche Leute …<br />
Le Thi Mai: Und wurden sie wiedergewählt? Das ist es, was ich<br />
mit Entscheidung der Gesellschaft meine.<br />
Ist nachhaltiger Luftverkehr möglich und wie würde er aussehen?<br />
Jeff Gazzard: Die Umweltauswirkungen des Verkehrs sind Lärm,<br />
Luftverschmutzung, Landverbrauch sowie auf der globalen Ebene<br />
der Klimawandel und der Verbrauch von Ressourcen. Nachhaltigkeit<br />
bedeutet: Wir müssen all das verringern. Nicht nur den Anstieg<br />
mildern, nicht nur unter Kontrolle haben. Wir müssen versuchen,<br />
Wirtschaftswachstum und Verkehr zu entkoppeln. Aber das ist ein<br />
Dilemma, denn Wirtschaft hängt natürlich vom Verkehr ab.<br />
Le Thi Mai: Und umgekehrt!<br />
Jeff Gazzard: Wie geht man aber damit um? Ich erwarte von<br />
keiner Industrie, die auf fossilen Brennstoffen beruht, einzulenken.<br />
Das geht gar nicht. Ihre Umweltaktivitäten dienen im Kern nicht<br />
der Umwelt und dem Klimaschutz, sondern ausschließlich den<br />
Zielen des Unternehmens.<br />
Le Thi Mai: Damit stimme ich vollkommen überein.<br />
Jeff Gazzard: Die Verantwortung eines Unternehmens ist es,<br />
sich in diesem Sinne um taktische Verbesserungen zu bemühen,