Pflegedienstleitung (w/m) - Katharina Resch
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fAchBeitrAG<br />
Folgen von tschernobyl<br />
Als Folge der Reaktorkatastrophe von<br />
Tschernobyl 1986 wurden weite Teile des<br />
Landes radioaktiv verseucht. Die Langzeitfolgen<br />
für Weißrussland – im Konkreten<br />
der Anstieg von Krebserkrankungen in der<br />
Bevölkerung seit der Verseuchung – gelten<br />
immer noch als heiß umstrittenes Thema.<br />
Forschungen belegen, dass Schilddrüsenkrebs<br />
bei Kindern unter 18 Jahren seit 1990<br />
dramatisch angestiegen ist. Die gesundheitsschädlichste<br />
Langzeitfolge der Tschernobylkatastrophe<br />
liegt jedoch im Anstieg psychischer<br />
Erkrankungen bei jenen Männern<br />
und Frauen, die die Katastrophe miterlebt<br />
haben (Richardson et al., 2008. S 8). Das Gesundheitssystem<br />
steht seitdem vor etlichen<br />
Herausforderungen, vor allem für die Zielgruppe<br />
der Kinder unter 18 Jahren mit einer<br />
Behinderung.<br />
Neues projekt des Österreichischen<br />
roten Kreuzes<br />
Die Region Grodno wurde als Pilotregion für<br />
das Projekt „Gemeinwesenorientierte Pflege<br />
von Kindern mit Behinderungen in Grodno“<br />
(2009 bis 2011) gewählt. Das Projekt wird<br />
von der Austrian Development Agency und<br />
vom Österreichischen Roten Kreuz finanziert<br />
und vom Forschungsinstitut des Roten Kreuzes<br />
evaluiert. Vor dem bereits beschriebenen<br />
Hintergrund hat das ÖRK gemeinsam mit<br />
dem Weißrussischen und Slowakischen Roten<br />
Kreuz ein Projekt ins Leben gerufen, das es<br />
sich u.a. zum Ziel gemacht hat, mobile und<br />
teilstationäre Unterstützungsstrukturen zur<br />
Entlastung der oben genannten Bevölkerungsgruppe<br />
(Familien mit Kindern mit Behinderungen)<br />
aufzubauen, ein Tageszentrum zu renovieren<br />
und zu eröffnen und multidisziplinäre<br />
Pflege- und Betreuungsteams aufzubauen.<br />
Zu Beginn des Projekts am 1.1.2009 wurde<br />
eine standardisierte Bedarfserhebung mit 93<br />
Familien mit behinderten Kindern im Oblast<br />
Grodno durchgeführt, um auf die dringendsten<br />
Bedürfnisse in der dort ansässigen Bevölkerungsgruppe<br />
adäquat reagieren zu können<br />
(<strong>Resch</strong>, 2009).<br />
Alle 93 Befragungen wurden persönlich von<br />
einem Team aus drei InterviewerInnen in<br />
weißrussischer Sprache durchgeführt. Es wurde<br />
eine erwachsene Person aus der Familie<br />
stellvertretend für die Familie befragt. Diese<br />
stammten alle aus Grodno. Die Interviews<br />
dauerten jeweils durchschnittlich 25 Minuten.<br />
erste ergebnisse<br />
Die Ergebnisse der Bedarfserhebung seien<br />
im Folgenden mit Hilfe einiger grundlegender<br />
Zahlen dargestellt: Mit 45,8 Prozent ist<br />
die Mutter die zentrale Bezugsperson für die<br />
Kinder in den 93 befragten Familien. Bei 25<br />
Prozent ist es der Vater und in weiteren 18,9<br />
Prozent der Familien ist die Großmutter erste<br />
Bezugsperson in Sachen Pflege und Betreuung.<br />
Ein Drittel aller Kinder hat lediglich<br />
eine Bezugsperson (v.a. Mutter), während<br />
sich in 43 Prozent der Familien zwei Bezugspersonen<br />
für die Kinder verantwortlich<br />
zeichnen (entweder Vater und Mutter oder<br />
Mutter und Großmutter). Im Falle von zwei<br />
Bezugspersonen wird die Pflege- und Betreuungszeit<br />
relativ gleichmäßig (41 Prozent)<br />
zwischen Vater und Mutter oder Mutter und<br />
Großmutter geteilt, oder im Verhältnis 80:20<br />
abgehalten (18 Prozent) und in seltenen<br />
Fällen (15 Prozent) im Verhältnis 90:10.<br />
58 Prozent der Kinder unter 18 Jahren mit<br />
Behindertenstatus in der Befragtengruppe<br />
gaben an, nicht behindertengerechte Schulen<br />
zu besuchen, währenddessen 37 Prozent der<br />
Familien ihre Kinder in Sonderschulen geben<br />
und 5 Prozent zu Hause unterrichtet werden.<br />
Fast 60 Prozent der Kinder sind von Geburt<br />
an behindert. Ca. 40 Prozent haben im Laufe<br />
der ersten Lebensjahre von ihrer körperlichen<br />
bzw. geistigen Behinderung erfahren. Der<br />
größte Teil der Kinder aus den befragten<br />
Familien (27 Prozent) ist zwischen 11 und 14<br />
Jahren alt. Die zweitgrößte Gruppe ist die der<br />
Kleinkinder bis zum 4. Lebensjahr mit einer<br />
Behinderung, die von ihren Angehörigen<br />
betreut und gepflegt werden (25 Prozent). 82<br />
Prozent der befragten Familien meinten, ihre<br />
Wohnsituation sei nicht barrierefrei.<br />
Formale Hilfsstrukturen in Grodno<br />
Mehr als die Hälfte der befragten Familien<br />
gaben an, eine professionell ausgebildete<br />
Person aus dem Gesundheitssystem außerhalb<br />
der Familie zur Verfügung zu haben, die<br />
Hilfestellung in der Pflege- und Betreuungssituation<br />
bietet. Zwei professionelle Unterstützungspersonen<br />
außerhalb der Familie<br />
haben lediglich 34 Prozent der Befragten und<br />
immerhin 14 Prozent äußerten Unterstützung<br />
von drei oder mehr Personen von außerhalb<br />
des Familiensystems. Wie die untenstehende<br />
Tabelle zeigt, beziehen sich die meisten<br />
Angaben hier auf den praktischen Arzt/ die<br />
praktische ärztin.<br />
Hilfestellung, die von außerhalb der Familie<br />
kommt und von professionellem Personal aus<br />
dem Gesundheitsbereich geleistet wird, wird<br />
im Durchschnitt einmal pro Monat in Anspruch<br />
genommen bzw. steht lediglich einmal<br />
pro Monat zur Verfügung. Für den Rest des<br />
Monats sind die Familienangehörigen völlig<br />
auf sich allein gestellt. 35Prozent der Familien<br />
haben keine formale Unterstützung zum Zeitpunkt<br />
der Befragung und wünschen sich eine<br />
solche. Zusammenfassend sind formale Hilfeangebote<br />
zwar vorhanden, jedoch lückenhaft.<br />
Eine gebietsweite Ausweitung der formalen<br />
Hilfsstrukturen wäre wünschenswert, denn<br />
die meisten Familien erhalten lediglich einmal<br />
pro Monat Hilfe durch eine praktische<br />
ärztin/einen praktischen Arzt. Drei Viertel<br />
der befragten Personen gaben an, dass sie<br />
sich die Pflege- und Betreuungstechniken für<br />
ihr Kind selbst ohne fremde Hilfe angeeignet<br />
hätten. Das deutet darauf hin, dass soziale<br />
Unterstützungssysteme generell schwach ausgeprägt<br />
sind und Familien kaum Hilfestellung<br />
bei der täglichen Arbeit mit dem Kind geboten<br />
wird. Zwei Fünftel berichteten, beim Erlernen<br />
von Pflege und Betreuungsmaßnahmen<br />
durch eineN VertreterIn eines medizinischen<br />
Berufs unterstützt worden zu sein und bloß<br />
ein Prozent sagte aus, durch eine/n Vertreter/<br />
in eines sozialen Berufs unterstützt worden<br />
zu sein. Hilfsangebote anderer Berufsgruppen<br />
– vor allem aus dem Sozialbereich – werden<br />
noch kaum angeboten ???? und in Anspruch<br />
genommen???, wie beispielsweise von SozialarbeiterInnen,<br />
HeimhelferInnen oder Besuchsdiensten.<br />
An solchen sozialen, formalen<br />
Hilfsstrukturen mangelt es hauptsächlich und<br />
daher sollten diese m.E. in naher Zukunft ausgebaut<br />
werden.<br />
bedarf an humanitärer Hilfe ist groß<br />
Die Hälfte der Befragten erhält keine Unterstützung<br />
auf informellem Wege, d.h. durch<br />
freiwillige HelferInnen, FreundInnen oder<br />
NachbarInnen. Zumindest wird ein Drittel<br />
der Familien (35 Prozent) von ihren Verwandten<br />
in der Kindesbetreuung und –pflege<br />
unterstützt und weitere 10 Prozent von<br />
FreundInnen. Soziale Beziehungen und soziale<br />
Netze wirken schlecht ausgeprägt. Auf<br />
Österreichische PfleGeZeitschrift 12/09 www.oegkv.at