Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Oben: Brassaï, Môme Bijou. In der Bar de la Lune in<br />
Montmartre. „Diese siebzigjährige Prostituierte, die<br />
auf den Namen ‚Bijou‘ [Schmuck; d.Ü.] hörte und<br />
einem Albtraum Baudelaires entsprungen scheint,<br />
ist in den Kneipen von Montmartre eine echte<br />
Berühmtheit.“ […] (Brassaï, Paris de Nuit, 1934).<br />
„Von ihrem Hals baumelte eine Menge unglaublicher<br />
Schmuckstücke: Broschen, Medaillons,<br />
Colliers, Schließen, lange Halsketten – ein wahrer<br />
Christbaum mit Girlanden, übersäht mit funkelnden<br />
Sternen und Ringen! Mehr als ein Dutzend […] Wie<br />
ein Naturforscher, der ein seltenes, monströs<br />
schönes Insekt entdeckt, war ich ergriffen von<br />
dieser fantastischen, aus dem nächtlichen Dunkel<br />
hervorgekommenen Erscheinung: Das Wesen, das<br />
ich da aufgestöbert hatte, war sicherlich die<br />
Königin des nächtlichen Faune von Montmartre.“<br />
(Brassaï, Paris secret des années 30, 1976), 1932.<br />
Rechts: André Zucca, Boulevard de Clichy (18.<br />
Arrondissement), Rue Puget Ecke Rue Lepic. Man<br />
beachte den Mann mit dem Sandwich-Plakat für<br />
den Film La Ville dorée (Die goldene Stadt), dem<br />
ersten deutschen Farbfilm, der in Frankreich 1942<br />
zu sehen war, ein Jahr vor dem berühmten<br />
Münchhausen, 1942.<br />
Gegenüber: Lee Miller, Das verschneite Paris,<br />
Januar 1945.<br />
— 20 —<br />
Wenn man in den legendären<br />
Cafés und Brasserien des linken<br />
Seine-Ufers saß, Le Flore, Les<br />
Deux Magots, La Coupole, hat<br />
man sich die Leute angeschaut und<br />
mit ihnen geredet – so wie bis vor<br />
einigen Jahren noch in New York.<br />
Inzwischen geht man einfach aneinander<br />
vorbei. Viele Jahrhunderte<br />
lang war die Großstadt ein Ort, um<br />
Menschen zu treffen, und als ich in<br />
Paris fotografierte, war es immer<br />
noch so. Wenn TASCHEN jetzt<br />
ein Buch über Paris oder Berlin<br />
veröffentlicht – und ich bewundere<br />
diese Bücher, weil sie sehr gut<br />
gemacht sind –, dann liegt das<br />
daran, dass die Leute immer noch<br />
diese Legende vor Augen haben.<br />
Dass eine großartige Stadt ein Ort<br />
ist, um faszinierende Menschen zu<br />
treffen. Und deshalb kaufen sie<br />
natürlich das Buch: Sie wollen<br />
wenigstens das Buch haben, wenn<br />
sie die wirkliche Erfahrung nicht<br />
mehr haben können.<br />
—Frank Horvat