05 Maßgeschneiderte Frühmobilisation
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Zusammenfassung · Abstract<br />
Trainingslehre in der<br />
Intensivmedizin<br />
Med Klin Intensivmed Notfmed 2017 · 112:308–313<br />
© Springer Medizin Verlag GmbH 2017<br />
DOI 10.1007/s00063-017-0280-2<br />
Ein weiterer wichtiger Punkt im Zusammenhang<br />
mit der praktischen Durchführung<br />
der Frühmobilisierung sowie der<br />
PhysiotherapieistdasAbschätzenderBelastbarkeit<br />
des Intensivpatienten im RahmendermöglichenInterventionen.Dazu<br />
wird ein Grundwissen aus der Trainingslehre<br />
benötigt.<br />
Das Trainingsmodell der SuperkompensationbeschreibtdenAblaufvonTrainingsreiz,körperlicherErmüdung,ErholungundAnpassungmitderdarausresultierenden<br />
Steigerung der Funktionalität.<br />
Dabei müssen die allostatischen Systeme<br />
(Immun-, Hormon- oder Stresssystem)<br />
trainingsbedingte Veränderungen<br />
von homöostatischen Gleichgewichten,<br />
wiez.B.Blutdruck,pH-WertoderMineralhaushalt,<br />
regulieren können. Durch<br />
die schwere Grunderkrankung und die<br />
intensivmedizinischen Maßnahmen reagiert<br />
der Intensivpatient auf einen Trainingsreiz<br />
mitunter verzögert oder paradox,<br />
da die metabolische und immunologische<br />
Anpassung gestört sein kann.<br />
Dennoch lassen sich einige Prinzipien<br />
der Trainingslehre bei Intensivpatienten<br />
anwenden und in den Prozess der Frührehabilitation<br />
integrieren.<br />
Kardiopulmonales Training<br />
Das kardiopulmonale Training (Ausdauertraining)<br />
erfolgt frühestmöglich durch<br />
passive bzw. assistive Bewegungstherapie<br />
im Bett sowie durch Lagerung und<br />
Positionierung des Intensivpatienten in<br />
Anlehnung an die bereits erwähnte S2e-<br />
Leitlinie, wobei gerade in der Frühphase<br />
auf eine Überlastung geachtet werden<br />
muss. Die notwendigen Parameter sind<br />
am Monitor bzw. am Respirator ersichtlich<br />
und werden noch erläutert.<br />
S. Nessizius<br />
<strong>Maßgeschneiderte</strong> <strong>Frühmobilisation</strong>. Darf’s ein bisschen mehr<br />
sein?<br />
Zusammenfassung<br />
Die <strong>Frühmobilisation</strong> des Intensivpatienten<br />
im interprofessionellen Team beginnt<br />
mit passiven Techniken und führt über<br />
unterstützende Maßnahmen weiter bis zu<br />
aktivem Training, inklusive Mobilisation zum<br />
Sitzen, Stehen und Gehen. Diesbezügliche<br />
positive Effekte konnten in zahlreichen<br />
Studien nachgewiesen werden und finden<br />
sich auch in der Revision der S2e-Leitlinien<br />
„Lagerungstherapie und <strong>Frühmobilisation</strong> zur<br />
Prophylaxe oder Therapie von pulmonalen<br />
Funktionsstörungen“ wieder. Um hinsichtlich<br />
des Intensivpatienten, des interprofessionellen<br />
Personals, der stationsspezifischen<br />
Strukturen und des eingesetzten Equipments<br />
ressourcenorientiert arbeiten zu können,<br />
ist es notwendig, ein maßgeschneidertes<br />
Mobilisationskonzept zu verwenden. Hierbei<br />
kommt es zu einer Personalisierung der<br />
Intensivmedizin, indem auf die genauen<br />
Bedürfnisse des Intensivpatienten eingegangen<br />
und somit auch auf die jeweilige<br />
momentane Belastbarkeit bezüglich<br />
unterschiedlicher pflegerischer bzw.<br />
therapeutischer Maßnahmen reagiert werden<br />
kann. Einige Grundsätze der Trainingslehre<br />
lassen sich beim Intensivpatientenumsetzen,<br />
wenn anhand spezifischer Assessments der<br />
momentane Zustand des Intensivpatienten<br />
eingeschätzt wird und daraus die adäquaten<br />
Therapiemaßnahmen und Trainingsreize<br />
abgeleitet werden. Durch ein geschlossenes<br />
System von Evaluierung und Reevaluierung<br />
wird ein kontinuierlicher <strong>Frühmobilisation</strong>sprozess<br />
mit bestmöglichem Outcome<br />
angestrebt.<br />
Schlüsselwörter<br />
Intensivmedizin · Bewegungstherapie ·<br />
Physiotherapie · Krafttraining · Rehabilitation<br />
Customised early mobilisation. How about a little bit more?<br />
Abstract<br />
Early mobilisation of patients in intensive<br />
care starts in a multiprofessional team with<br />
passive techniques continuing with assistive<br />
measures and finally going on to active<br />
training including mobilisation leading to<br />
sitting and standing positions as well as<br />
walking. Positive effects regarding these<br />
procedures have been proved in numerous<br />
studies and can also be found in the revision<br />
of the S2e guideline “Positioning and early<br />
mobilisation in prophylaxis or therapy of<br />
pulmonary disorders”. In order to work with<br />
regard to the resources of the patient in<br />
intensive care, of the multiprofessional team,<br />
of the ward-specific structures and of the used<br />
equipment it is vital to apply a customised<br />
mobilisation concept. Consequently, intensive<br />
care medicine is personalised which means<br />
that the patient’s needs are determined and<br />
precisely met. This and the patient’s present<br />
physical capacity lead to the adaptation<br />
of nursing and therapeutic measures<br />
respectively. Some treatment methods and<br />
principles of training theory can be applied<br />
to the intensive care patient if beforehand<br />
the patient’s current condition is evaluated<br />
by means of specific assessment methods. As<br />
a result, appropriate forms of therapy and<br />
adequate stimuli of training can be derived.<br />
The aim is a continuous process of early<br />
mobilisation with the best possible outcome<br />
guaranteed by a closed system of evaluation<br />
and re-evaluation.<br />
Keywords<br />
Intensive care · Exercise therapy · Physical<br />
therapy · Resistance training · Rehabilitation<br />
Krafttraining<br />
Für das Krafttraining der Extremitäten-<br />
und der Atemmuskulatur eignen<br />
sich im intensivmedizinischen Setting<br />
v. a. Trainingsmethoden, die die Rekrutierung<br />
möglichst vieler Muskelfasern<br />
innerhalb eines Muskelbündels ermöglichen<br />
(intramuskuläre Koordination).<br />
Durch eine intensive Anspannung des<br />
jeweiligen Muskels kommt es zu einer<br />
schnellen Aktivierung der α-Motoneuronen<br />
und es wird eine möglichst hohe<br />
Kraftentfaltung ermöglicht.<br />
Im klinischen Alltag erfolgt die Umsetzung<br />
dieses Modells beim Intensivpatienten<br />
im Rahmen des medizinischen<br />
Krafttrainings, indem möglichst starke<br />
Reize gesetzt werden, um eine Förderung<br />
der muskulären Leistung zu erreichen.<br />
Dieser Teil der Therapie wird exzentrisch<br />
mit sehr hohem sowie konzentrisch mit<br />
hohem Widerstand und wenigen Wiederholungen<br />
zusätzlich zur Bewegungstherapie<br />
umgesetzt.<br />
310 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 4 · 2017