Ergänzend wurde uns vom Fagottisten der Bläservereinigung Berlin, Dieter Hähnchen, ein Mitschnitt dieser Bearbeitungen alter Musik für moderne Instrumente zur Verfügung gestellt. Es erübrigt sich zu sagen, dass die vier Berliner Musiker meisterlich, hoch virtuos und mit größer Delikatesse musizieren. Es entsteht ein homogenes, ausgewogenes Klangbild, die Musik kommt leichtfüßig daher. Nur fehlt es dieser geglätteten Wiedergabe an der gewissen Ruppigkeit, die dieser Musik eignet, wenn sie auf originalen „period“-Instrumenten gespielt wird. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Villem Kapp (1913-1964) Dietrich und Brigitte Hilkenbach Zwei Stücke für <strong>Oboe</strong> und Klavier (1957): Herbst (Oktober) Largo Eres 3245, € 8,20 Etude für <strong>Oboe</strong> Eres 3246, € 4,10 Herausgeber: Eres Edition Musikverlag In der Eres Estonia Edition ist Musik aus Estland zu finden, darunter Stücke von Jaan Koha und Villem Kapp. Letzterer wurde 1913 im estnischen Suure-Jaani in eine musikalische Familie geboren. Sein Großvater und sein Vater waren Musiker und sein Onkel, ein Schüler Rimski-Korsakows, ein bekannter Komponist. Von seinem Vater erlernte Villem Kapp das Orgelspiel und während seiner Schulzeit beschäftigte er sich mit Musiktheorie und dem Klavier. Ab 1933 studierte er am Konservatorium zu Tallin, wo er im Fach Orgel 1938 und in Komposition 1944 absolvierte. Obzwar er schon während seiner Studienzeit kompositorisch tätig war, begann seine hauptsächliche Schaffensperiode in der Nachkriegszeit. Neben seiner musikalischen Tätigkeit engagierte er sich im künstlerischen und sozialen Leben des Landes. Ab 1944 lehrte Kapp an seiner ehemaligen Studienstätte die Fächer Komposition und Musiktheorie. Sein Interesse galt der zeitgenössischen Musik, der westlichen Musiktradition und vornehmlich der russischen Musik; ebenso verwendete er gerne traditionelle estnische Themen. Herbst ist das erste der beiden Stücke überschrieben. Über Viertelbewegungen im Klavier legt die <strong>Oboe</strong> eine elegische, gleichsam der Jahreszeit nachspürende Melodie. Baltische Weite, stille Wälder und Seen erscheinen dem Hörer. Am Schluss des insgesamt kurzen (ca. 1 ½ min.) Stückes hält die <strong>Oboe</strong> ein zweigestrichenes C aus, während das Klavier die Folge Cm-F-Cm unterlegt. Das ebenfalls kurze Largo zeigt anfangs schwermütigen Charakter, gestaltet in einer schlicht wirkenden Melodie über Vierteln, später Sechzehntelbewegungen im Klavier. Nach dem Wechsel von Moll zu Dur erklingt eine mehr tänzerische Weise; der Mollteil wird anschließend wiederholt. In frischem 6/8-Takt auf dorischem Modus, später in Dur, kommt die Etude für <strong>Oboe</strong>, die Kapp ebenfalls 1957 geschrieben hat. Die Achtelketten erfordern durchgehend staccato und alternieren mit weit ausschwingenden gebundenen Melodien. Das Stück geht gut in die Finger, zeigt keine großen Intervallsprünge und hat lediglich zwei Oktaven Umfang. Neben dem Genießen für den Hörer (und die Interpreten) sollten die nicht übermäßig schwierigen Texte zur Aufführung anregen. Die Titel sind durchaus von Studenten oder engagierten Amateuren zu bewältigen. Eine faszinierende Musik, wie sie hierzulande nicht sehr bekannt ist (obgleich eine Änderung durchaus zu erwünschen wäre). Lob an den Verlag für die Betreuung der Werke estnischer Komponisten. Druck und Verarbeitung sind vorbildlich. Claus Raumberger 34 <strong>Oboe</strong>-Fagott Nr. 126 <strong>Oboe</strong>_<strong>01</strong>_2<strong>01</strong>7.indd 34 20.03.2<strong>01</strong>7 16:49:13
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