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[t]akte<br />
1I20<strong>17</strong><br />
Drama in Oratorienform<br />
Händels „Esther“ in der Hallischen Händel-Ausgabe<br />
Die spannende alttestamentliche Geschichte der<br />
Königin Esther haben Händel und sein Librettist Samuel<br />
Humphreys zu einem nicht minder spannenden,<br />
an Höhepunkten reichen Oratorium geformt.<br />
„Esther“ ist nun im Urtext der HHA erhältlich.<br />
In neuem Licht<br />
Antonín Dvořáks Violinkonzert op. 53 und seine<br />
drei „Slawischen Rhapsodien“ op. 45<br />
Bärenreiter Praha bringt mit dem a-Moll-<br />
Violinkonzert und den „Slawischen Rhapsodien“<br />
zwei Werke heraus, die dringend einer Neuedition<br />
bedurften.<br />
<strong>17</strong>18 begann Händel mit der Komposition seines ersten<br />
englischen Oratoriums Esther HWV 50a. Er hatte die<br />
biblische Gestalt Esther aus dem gleichnamigen Buch<br />
des Alten Testaments zum Gegenstand gewählt. Das<br />
Libretto in sechs Szenen basiert auf Esther, or Faith Triumphant.<br />
A sacred tragedy von Thomas Brereton (Oxford<br />
<strong>17</strong>15), das wiederum auf die Tragödie Esther von Jean<br />
Racine (<strong>17</strong>18) zurückgeht. Spätestens <strong>17</strong>20 wurde das<br />
Werk im privaten Kreis in Cannons aufgeführt, danach<br />
erst wieder Anfang <strong>17</strong>32 unter Bernard Gates. Vielleicht<br />
war es diese Aufführung, die Händel inspirierte, Esther<br />
zu überarbeiten (HWV 50b).<br />
Esther ist die Gemahlin des persischen Königs<br />
Assuerus. Sie ist sehr schön, und sie hat ihre jüdische<br />
Herkunft auf Geheiß ihres Pflegevaters Mordecai<br />
verschwiegen. Mordecai wird Zeuge, wie zwei Türhüter<br />
ein Mordkomplott gegen Assuerus schmieden<br />
und lässt ihn durch Esther warnen. Assuerus erhebt<br />
Haman zum mächtigsten Mann nach dem König, und<br />
alle Fürsten müssen vor ihm niederknien. Weil er ein<br />
Jude ist, weigert sich Mordecai, diesem Befehl zu folgen.<br />
Daraufhin erwirkt Haman ein Gesetz zur Vernichtung<br />
aller Juden. Diese klagen, und Mordecai gebietet Esther,<br />
beim König für ihr Volk einzutreten. Wer jedoch<br />
ungerufen zum König geht, muss laut Gesetz sterben,<br />
es sei denn, der König streckt das goldene Zepter gegen<br />
ihn aus. Mordecai antwortet auf Esthers Einwand, sie<br />
solle nicht glauben, als einzige aller Juden ihr Leben<br />
retten zu können. Darauf entschließt sie sich, zum<br />
König zu gehen. Sie findet Gnade und lädt Assuerus<br />
und Haman zum Mahl ein. Esther bittet für ihr Leben<br />
und das ihres Volkes. Haman wird entlarvt und fleht<br />
Esther vergeblich um sein Leben an. Er wird gehängt,<br />
Mordecai hingegen für sein Verdienst geehrt und an<br />
Hamans Stelle gesetzt. Am Schluss preisen alle Gott<br />
für ihre Rettung.<br />
Samuel Humphreys fertigte ein neues Libretto an.<br />
Er übernahm einen großen Teil des Textes, stellte eine<br />
in die Handlung einführende Szene voran und formte<br />
daraus drei Akte, die dem Handlungsschema einer<br />
Oper entsprachen.<br />
Händel komponierte neue Musik, doch eine Überarbeitung<br />
wäre ohnehin nötig gewesen, weil er in London<br />
ein anderes Ensemble zur Verfügung hatte. Außerdem<br />
sah er eine Möglichkeit, die Coronation Anthems von<br />
<strong>17</strong>27 wiederzuverwenden. Er schrieb die meisten neu<br />
komponierten Sätze an das Ende des Autographs, hinzu<br />
kamen Anweisungen für den Kopisten, was in die<br />
Direktionspartitur eingefügt werden soll.<br />
In Esther findet man u. a. musikalisches Material aus<br />
dem Oratorium La Resurrezione, der Motette Silete venti,<br />
der Ode Eternal source of light divine und besonders aus<br />
der Brockes-Passion. Letztere lieferte Musik für dramatische<br />
Höhepunkte wie das Duett zwischen Esther und<br />
Assuerus „Who calls my parting soul from death“ und<br />
Hamans Arie „Turn not, O Queen, thy face away“. Esther<br />
ist eines der vier Oratorien, in denen Händel eine Harfe<br />
besetzte. Im Chorus „He comes“ spielen zwei Hörner<br />
mit. Der Schlusschor „The Lord our enemy has slain“<br />
knüpft an die Art von Purcells Verse Anthems an. Voll<br />
besetzte Chor- und Orchesterabschnitte mit Pauken<br />
und Trompeten (und gelegentlich hervortretender<br />
Solo-Trompete) wechseln sich hier mit langen vom<br />
Continuo begleiteten Sopran-Soli ab.<br />
Knapp zwei Wochen vor der Aufführung wurde am<br />
19. April <strong>17</strong>32 angezeigt, dass es keine Bühnenaktion<br />
geben würde, das Haus werde jedoch für das Publikum<br />
dekoriert, und die Musiker würden wie beim Krönungsgottesdienst<br />
angeordnet.<br />
Händel führte Esther in verschiedenen Spielzeiten<br />
auf. Deshalb wurde die Direktionspartitur ständig<br />
angepasst, viele Blätter ersetzt, und große Teile des<br />
Urbestandes fehlen heute. Die noch erhaltenen Teile der<br />
Ur-Direktionspartitur enthalten zahlreiche Einträge für<br />
die verschiedenen Aufführungen, und so bietet sich<br />
dem Herausgeber ein kompliziertes Puzzle. Chrysander<br />
fand es zu Recht sehr schwer, eine ordentliche Werkfassung<br />
zu erstellen. Es ist ihm nicht gelungen, die Form<br />
der ersten Aufführung zu erschließen.<br />
In der Hallischen-Händel-Ausgabe liegt jetzt als Vorabpartitur<br />
die Fassung der Uraufführung vom 2. Mai<br />
<strong>17</strong>32 im King’s Theatre am Haymarket vor, erstellt auf<br />
der Grundlage eines umfassenden Quellenstudiums.<br />
Der vollständige HHA-Band, mit sämtlichen Anhängen<br />
und ausführlichen Textteilen, befindet sich in Vorbereitung.<br />
Annette Landgraf<br />
Georg Friedrich Händel<br />
Esther, Zweite Fassung <strong>17</strong>32, HWV 50b. Hrsg. von<br />
Annette Landgraf. Hallische Händel-Ausgabe I/10<br />
Erstaufführung nach der Edition: 3.6.20<strong>17</strong> Halle<br />
(Händel-Festspiele): Solisten, Chor der Capella Cracoviensis,<br />
La Risonanza, Leitung: Fabio Bonizzoni<br />
Personen: Assuerus (Mezzosopran/Alt), Esther<br />
(Sopran), Israelite Woman (Soprano), Mordecai<br />
(Contralto), Haman (Bass), 1st Israelite (Soprano),<br />
2nd Israelite/Harbonah/Offizier (Tenor), Chor<br />
Orchester: Flauto dolce I‒II, Flauto traverso I‒II,<br />
Oboe I‒II, Fagotto I‒II; Corno I‒II, Tromba I‒III,<br />
Timpani; Violino I‒V, Viola; Bassi (Violoncello,<br />
Contrabbasso, Fagotto, Cembalo, Tiorba, Arpa,<br />
Organo)<br />
Dauer: ca. 160 Minuten<br />
Verlag: Bärenreiter, Aufführungsmaterial leihweise,<br />
Klavierauszug käuflich (März 2018)<br />
Antonín Dvořák, Violinkonzert in a-Moll op. 53 (B 108)<br />
Die neue Edition von Dvořáks Violinkonzert op. 53, die<br />
Iacopo Cividini, Experte für Dvořáks Instrumentalkonzerte<br />
und Mitarbeiter des Salzburger Mozarteums,<br />
vorbereitet hat, spiegelt detailliert den komplizierten<br />
Textprozess von den ersten Skizzen im Jahre 1879 bis zur<br />
letzten Revision, die in die Druckausgabe bei Simrock<br />
im Frühjahr 1883 mündete.<br />
Die Geschichte des Konzerts ist im Grunde eine<br />
Geschichte der Verhandlungen mit dem Geiger Joseph<br />
Joachim, dessen Verdienste als Berater im Laufe der Entstehung<br />
des Werkes außer Zweifel stehen, wenngleich<br />
er selbst das Werk nie öffentlich aufführte. Cividini<br />
unterscheidet in der autographen Partitur des Konzerts<br />
insgesamt sieben unterschiedliche Kompositions- und<br />
Revisionsphasen und vier Phasen einer redaktionellen<br />
Bearbeitung des Manuskripts, die der Druckausgabe<br />
vorausgingen. Diese detaillierte Analyse deckt so die<br />
Entwicklung von Dvořáks Absicht auf und ermöglicht<br />
es, besser nachzuverfolgen, in welchem Maße sie im<br />
Erstdruck verwirklicht wurde. Neben der gedruckten<br />
Partitur finden auch die gedruckten Orchesterstimmen,<br />
der Solopart und der Klavierauszug Berücksichtigung,<br />
zu denen Dvořák – so die Vermutung Cividinis<br />
– eigenhändige Vorlagen lieferte. Diese Vorlagen durchliefen<br />
jedoch offensichtlich nicht alle Revisionsphasen,<br />
und so spiegeln die gedruckten Orchesterstimmen<br />
und der Klavierauszug nicht den endgültigen Stand<br />
des Textes wider. Der Klavierauszug, wahrscheinlich<br />
Dvořáks eigener, musste in der Edition so angepasst<br />
werden, dass er nach mehr als 130 Jahren die nicht vorgenommenen<br />
Revisionen nachvollzieht und so wieder<br />
mit der Partitur übereinstimmt.<br />
Dvořáks eigener Fingersatz für die Sologeige wird<br />
in der Partitur und in der Solostimme abgedruckt,<br />
während Joachims weitere zahlreiche Fingersätze<br />
zu dokumentarischen Zwecken im Klavierauszug zu<br />
finden sind. Einige Stellen im Solopart, die Joachim<br />
mit Dvořáks Wissen technisch vereinfachte, bietet die<br />
Edition in beiden Varianten an, der ursprünglichen<br />
anhand des Autographs und der vereinfachten nach<br />
der Simrock-Ausgabe als Ossia-Version. Eine weitere<br />
interessante Besonderheit der neuen kritischen Edition<br />
ist die sorgfältige Unterscheidung der Artikulation und<br />
Länge der dynamischen Zeichen anhand des Autographs.<br />
Auf der Basis genauer Kenntnisse von Dvořáks<br />
Notation und der spezifischen Editionsproblematik<br />
verbessert Iacopo Cividini unser Wissen von Dvořáks<br />
Werk wesentlich.<br />
Jonáš Hájek<br />
Antonín Dvořák, Slawische Rhapsodien op. 45 (B 86)<br />
Die Slawischen Rhapsodien für großes Orchester<br />
komponierte Antonín Dvořák im Jahre 1878, und<br />
wenngleich sie unter einer gemeinsamen Opusnummer<br />
notiert und anschließend herausgegeben wurden,<br />
handelt es sich um drei eigenständige Kompositionen,<br />
die in Skizzen, Partituren und vierhändigen Klavierbearbeitungen<br />
das ganze Jahr über erschienen, in dem<br />
sich der Komponist übrigens auch mit weiteren Werken<br />
von „slawischer Thematik“ befasste (Slawische Tänze<br />
op. 46, Streichquartett op. 51, „Slawisches“). Die drei<br />
Rhapsodien D-Dur, g-Moll und As-Dur stellen in ihrer<br />
folkloreartigen Nuancierung eine Art Orchesterpendant<br />
zu den Mährischen Duetten op. 20, 29, 32 und 38 dar,<br />
an deren Erfolg Dvořák anzuknüpfen versuchte, wozu<br />
er auch vom Verleger Fritz Simrock ermahnt wurde.<br />
Die ersten beiden Slawischen Rhapsodien dirigierte<br />
Dvořák bei der Uraufführung im Herbst 1878 selbst, und<br />
zwar bei seinem ersten eigenständigen Konzert, mit<br />
dem er sich dem Prager Publikum als Komponist und<br />
Dirigent vorstellte; zahlreiche weitere Aufführungen<br />
folgten. In den allermeisten Fällen wurden die Stücke<br />
einzeln aufgeführt, also nicht als Zyklus. Obwohl zu<br />
Dvořáks Lebzeiten die Slawischen Rhapsodien zu seinen<br />
am häufigsten aufgeführten Werken zählten, die<br />
darüber hinaus in einem hohen Maße zu seinen ersten<br />
Erfolgen im Ausland beitrugen, sind sie derzeit in den<br />
Konzertsälen eher selten zu hören.<br />
Das Werk erschien erstmals im Jahre 1879 im Verlag<br />
Simrock in Berlin, die einzige weitere Edition ist die<br />
Ausgabe im Rahmen der Kritischen Gesamtausgabe<br />
des Werkes von Antonín Dvořák im Jahre 1959, die<br />
nicht mehr in all ihren Parametern den modernen<br />
Anforderungen entspricht. Die neue Edition des amerikanischen<br />
Musikwissenschaftlers Robert Simon<br />
geht vom Erstdruck aus, den er mit dem Autograph<br />
konfrontiert und trägt damit zu einer komplexen Sicht<br />
auf den Komponisten bei, dessen „slawische“ Periode<br />
nicht nur über die notorisch bekannten Slawischen<br />
Tänze wahrgenommen werden kann. Eva Velická<br />
Antonín Dvořák<br />
Violinkonzert in a-Moll op. 53 (B 108). Hrsg. von<br />
Iacopo Cividini. Bärenreiter Praha. BA 10422. Partitur,<br />
Klavierauszug und Aufführungsmaterial<br />
käuflich (April 20<strong>17</strong>)<br />
Slawische Rhapsodien op. 45, Nr. 1–3 (B 86).<br />
Hrsg. von Robert Simon. Bärenreiter Praha.<br />
BA 10401–10403 (Juni 20<strong>17</strong>–2018). Partitur, Klavierauszug<br />
und Aufführungsmaterial käuflich.<br />
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