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www.alpsommer-viehscheid.de<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
Magazin für Allgäuer Lebensart,<br />
Tradition und Freizeit<br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
Hundert Tage Höhenluft<br />
Urlaub auf der Bergweide<br />
4,– Euro
Editorial<br />
Foto: Oberstaufen Tourismus<br />
Von Viechern<br />
und Menschen<br />
In ganz Deutschland ist das Allgäu wegen seiner<br />
einmaligen und vielseitigen Landschaft bekannt<br />
und als Urlaubsgegend beliebt. Doch idyllische<br />
Berggipfel, malerische Seenlandschaften und Städte<br />
mit jahrhundertealter Geschichte sind bei Weitem<br />
nicht die einzigen Pluspunkte für die Region. Vor<br />
allem die Menschen, die hier leben, verleihen dem Allgäu<br />
seinen unverwechselbaren Charakter – sie sind<br />
eben vielfältig und oft ungewöhnlich.<br />
Dies zeigt sich nicht nur in den vielen Originalen, die<br />
entweder lange überlieferten oder fast vergessenen<br />
Handwerken nachgehen. Vor allem Brauchtum und<br />
Tradition der Bewohner haben im Allgäu einen hohen<br />
Stellenwert, der in vielen Bereichen des Alltags fest<br />
verwurzelt ist. Jedes Jahr markiert der Beginn des <strong>Alpsommer</strong>s<br />
im Juni einen Zeitraum, in dem die Menschen<br />
der Region mit viel Engagement und Enthusiasmus<br />
die Allgäuer Identität pflegen. Das Vieh während<br />
der Sommermonate auf den Alpweiden zu versorgen,<br />
ist nicht nur ein wichtiger Bestandteil der<br />
Berglandwirtschaft, der Allgäuer <strong>Alpsommer</strong> zeigt ein<br />
Konzept ohne industrielle Viehhaltung und Rinderfabriken<br />
im großen Stil.<br />
Mit dem <strong>Viehscheid</strong> als großem Fest zum Ende dieses<br />
Jahresabschnitts wird die Rückkehr der Tiere an zahlreichen<br />
Orten groß gefeiert. Wir haben uns beim Alpabtrieb<br />
in Oberstaufen, der live ins Internet übertragen<br />
wird, an die Fersen der Kameracrews geheftet. Wir<br />
stellen einen der größten <strong>Viehscheid</strong>e im Allgäu in<br />
Obermaiselstein vor sowie den längsten der Region in<br />
Maierhöfen, wo die Jungtiere rund 30 Kilometer ins<br />
Tal zurücklegen. Bevor die Hirten diese auf die Alpen<br />
bringen, erhalten Mensch und Tier himmlischen<br />
Schutz bei der »Alp-Benediktion«, der wir im<br />
Ostrachtal beigewohnt haben.<br />
Ein Besuch bei »Kuh-Fitterin« Nicole Nägele enthüllt,<br />
wo Kühe in den »Schönheitssalon« gehen. Die Schuhmacherfamilie<br />
Keller und ihre Fell-Holzschuhe sind<br />
mit dem fahrenden Marktstand auf den <strong>Viehscheid</strong>en<br />
im Allgäu anzutreffen – wir sind ihnen am Scheidplatz<br />
begegnet und haben in ihrer Werkstatt hinter die Kulissen<br />
geblickt. Der <strong>Alpsommer</strong>-Fotograf Wolfgang B.<br />
Kleiner erzählt von seiner Foto-Leidenschaft im Interview,<br />
und auf unseren Serviceseiten gibt es die Anleitung<br />
für eine traditionelle Trachtenfrisur zum Selberflechten.<br />
Wir laden Sie ein, die Vielfalt des <strong>Alpsommer</strong>s sowie<br />
mehr als nur die Landschaften des Allgäu kennenzulernen<br />
und auf den Seiten dieses Magazins zu erkunden.<br />
Begegnen Sie hier einem besonderen Menschenschlag,<br />
der vor allem nicht alltäglich ist. Marius Lechler<br />
Marius Lechler,<br />
Chefredakteur<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
3
Impressum<br />
Inhalt<br />
Verlag und Herstellung:<br />
Verlag HEPHAISTOS<br />
EDITION ALLGÄU<br />
Lachener Weg 2<br />
87509 Immenstadt-<br />
Werdenstein<br />
Tel. 08379/728616<br />
Fax 08379/728018<br />
info@heimat-allgaeu.info<br />
www.heimat-allgaeu.info<br />
Redaktion:<br />
Marius Lechler (v.i.S.d.P.),<br />
Viola Elgaß,<br />
Thomas Niehörster<br />
Tel. 08379/728616, E-Mail:<br />
info@heimat-allgaeu.info<br />
Gekennzeichnete Beiträge<br />
stellen die Meinung des<br />
Ver fassers, nicht aber des<br />
Verlages dar.<br />
Layout:<br />
Bianca Elgaß, Ramona Klein,<br />
Dominik Ultes<br />
Anzeigen:<br />
Sven Abend (Ltg.),<br />
Tel. 08379/728616; gültige<br />
Anzeigenpreisliste: 1/<strong>2015</strong><br />
Bankverbindung Verlag:<br />
Raiffeisenbank Oberallgäu-<br />
Süd eG, IBAN:<br />
DE97733699200007126999,<br />
BIC: GENODEF1SFO<br />
Druckerei:<br />
Druckhaus Weppert<br />
Schweinfurt GmbH<br />
Silbersteinstraße 7<br />
97424 Schweinfurt<br />
Folgen Sie uns<br />
auf Facebook:<br />
www.facebook.com/<br />
allgaeu.braunvieh<br />
Fotos: Wolfgang B. Kleiner; Marius Lechler; Dominik Ultes, Schuh-Keller/Marco Keller; Tourismus Hörnerdörfer GmbH; Titelfotos: Archiv EDITION ALLGÄU; Dominik Ultes; Volker Wille<br />
44 34<br />
Vorwort Seite 3<br />
Buntes Allgäu<br />
Moostouren und Weiherwege Seite 6<br />
Sommerliches Schlemmen Seite 6<br />
Wenn der Bergsommer zu Ende geht Seite 7<br />
Auf dem »Allgäuer Eisenbähnle« Seite 7<br />
Nützliche Adressen rund um den <strong>Alpsommer</strong> Seite 7<br />
Großer TV-Auftritt für Hirten und Hornvieh<br />
Der <strong>Viehscheid</strong> Oberstaufen live im Internet Seite 8<br />
Im Schönheitssalon für vierbeinige Diven<br />
Zu Besuch bei »Kuh-Fitterin« Nicole Nägele Seite 12<br />
Vierbeiner-Treffen im Tal mit Tradition<br />
Die Historie des <strong>Viehscheid</strong>s Seite 16<br />
Tourismusvisionär mit Sinn für Allgäuer Werte<br />
Interview: Tourismusdirektor Jan Schubert Seite 20<br />
Konferenz der Tiere mit weit über 1000 Rindern<br />
<strong>Viehscheid</strong> in Obermaiselstein Seite 24<br />
Der Herr der Riemen für klingenden Schmuck<br />
»Kuhgürtel«-Macher Herbert Vogler Seite 26<br />
Der längste Marsch<br />
Ein weiter Weg zum <strong>Viehscheid</strong> Maierhöfen Seite 30<br />
Scharfer Blick auf das wahre Allgäu<br />
Interview: Fotograf Wolfgang B. Kleiner Seite 34<br />
Das goldene Handwerk<br />
Alpsennereimuseum Hittisau Seite 38<br />
Als Volkshelden verehrt, als Verbrecher bestraft<br />
Als Wilderer das Allgäu unsicher machten Seite 40<br />
Pantoffelhelden – Handarbeit für warme Füße<br />
Familie Keller schustert Fell-Holzschuhe Seite 44<br />
Mit himmlischem Segen hinauf zu den Alpen<br />
Bei der »Alp-Benediktion« im Ostrachtal Seite 48<br />
Panoramakarte<br />
<strong>Viehscheid</strong>orte und Termine im Überblick Seite 50<br />
<strong>Viehscheid</strong>termine im Allgäu und Umgebung<br />
Große Übersicht der Alpabtriebe Seite 52<br />
Das grüne Klassenzimmer<br />
Pauken mit Lupe, Molch und Blümchen Seite 56<br />
Titelmotiv: <strong>Viehscheid</strong> in Bad<br />
Hindelang, fotografiert von<br />
Wolfgang B. Kleiner<br />
12<br />
4 <strong>Alpsommer</strong><br />
&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
8<br />
Mit feinem Strich zum bunt verzierten Möbel<br />
Bauernmaler Georg Larsch Seite 60<br />
Haarspielereien für die Traditions-Tracht<br />
Anleitung: Flechtfrisur zum Nachmachen Seite 62<br />
Die Preziosen-Schöpfer aus der Silberwerkstatt<br />
Miederhaken aus dem Hause Schwarz Seite 66<br />
Vielstimmige Klänge ohne Klischees<br />
Loni Kuisles Jodelkurse auf der Alpe Seite 68<br />
Freizeit<br />
Hohe Töne Seite 70<br />
Zeitreise durch die Wunderkammer Seite 70<br />
Mit Tuba und Flügelhorn ins Bettchen Seite 71<br />
Lagerfeuermärchen mit Fledermauskonzert Seite 71<br />
Käse-Kräuter-Sommer im Gunzesrieder Tal Seite 72<br />
Der Heugäuer ist ein echter Allgäuer Seite 72<br />
Rasant rodeln, hoch klettern Seite 74<br />
Immer wieder samstags Seite 74<br />
Meisterkurse und Konzerte Seite 74<br />
Der Tanz der wilden Männer Seite 75<br />
Auflösung zum Kinderrätsel Seite 75<br />
Vergessenes ins Licht gerückt Seite 76<br />
Von Hänsel und Gretel gegründet Seite 76<br />
Mit langen Löffeln und lautem »I-aah« Seite 77<br />
Des Ritters neue Kleider Seite 78<br />
Die Polizei machts vor Seite 78<br />
Maja spielt die Hauptrolle Seite 79<br />
So viele Gäste wie noch nie Seite 79<br />
Scharf nôchdenkt über Urlaub im Allgäu<br />
Kolumne von Buchautor Max Adolf Seite 73<br />
Ein Ort himmlischer Schönheit<br />
Mundartgedicht »Himlsbuind« Seite 80<br />
Für Sie vorausgelesen – Allgäu-Bücher Seite 82<br />
Kinderspiele aus Großmutters Zeit<br />
Zeitvertreib ohne iPhone und Computer Seite 84<br />
Kinderseiten<br />
Ausflugstipps für den Nachwuchs und Rätsel Seite 88<br />
Das <strong>Viehscheid</strong>-Preisrätsel<br />
Genuss-Gutscheine zu gewinnen Seite 90<br />
24 62<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
5
Buntes Allgäu<br />
Moostouren und Weiherwege<br />
Isny: Beim »Isnyer NaturSommer«<br />
können Bürger, Ausflugsgäste und<br />
Urlauber fachkompetent geführt<br />
alle charakteristischen Naturräume<br />
im Voralpenland um Isny entde -<br />
cken. Fast 70 Prozent der Gesamtfläche<br />
der Stadt Isny stehen unter<br />
Natur- und Landschaftsschutz. So<br />
viel geschützte Natur um eine Stadt<br />
gibt es fast nirgendwo anders:<br />
Moore, Flüsse und natürlich die<br />
Adelegg. Die Wanderungen führen<br />
durch flache und ebene Moore, an<br />
unzähligen Weihern entlang, es<br />
gibt Touren am Argen-Fluss und<br />
um den Gottrazhofer Stausee, dazu<br />
Entdeckungen im Allgäuer Hügelland<br />
und auf dem Höhenzug der<br />
Adel egg. Insgesamt hat der »Isnyer<br />
NaturSommer« 20 geführte Wanderungen<br />
und Themenführungen<br />
inklusive dreier Rundgänge im mittelalterlichen<br />
Oval und zwei kulinarische<br />
Führungen im Programm.<br />
Wiesen, Wälder und Tobel können in der<br />
Adelegg bei Isny entdeckt werden, links<br />
der »Schwarze Grat Erlebnisweg«<br />
Das Informationsheft zum<br />
»Isnyer Natursommer <strong>2015</strong>«<br />
stellt das Angebot und die<br />
geführten Wanderungen vor<br />
Foto: Isny Marketing GmbH/Ernst Fesseler<br />
Kurz und wichtig<br />
Eine Broschüre zum<br />
»Isnyer NaturSommer <strong>2015</strong>«<br />
informiert über alle<br />
Termine und Treffpunkte.<br />
Erhältlich bei der<br />
Isny Marketing GmbH<br />
Unterer Grabenweg 18<br />
88316 Isny im Allgäu<br />
Tel. 07562/97563-50<br />
Fax 07562/97563-14<br />
E-Mail: info@isny-tourismus.de<br />
www.isny.de<br />
Sommerliches Schlemmen<br />
Kleinwalsertal: Den traditionellen<br />
Köstlichkeiten für den Teller hat<br />
Kurz und wichtig<br />
Kleinwalsertal Tourismus eGen<br />
Walserstraße 264<br />
A-6992 Hirschegg<br />
Tel. +43 (0)5517/5114-0<br />
Fax +43 (0)5517/5114-419<br />
E-Mail: info@kleinwalsertal.com<br />
www.kleinwalsertal.com<br />
sich ein Verbund von Wirten zwischen<br />
Riezlern und Mittelberg verschrieben.<br />
Die »GenussRegion<br />
Kleinwalsertal« vereint genussvolle<br />
Lebenskunst und kulinarische Vielfalt<br />
in Einklang mit der Natur. Dabei<br />
stehen Regionalität, Saisonalität<br />
und die enge Zusammenarbeit von<br />
Landwirten, Jägern, Produzenten<br />
und Gastronomen im Mittelpunkt.<br />
Vor allem zwei Leitprodukte stehen<br />
im Vordergrund: Kleinwalsertaler<br />
Wild und Rind. Insgesamt 13 »Genusswirte«<br />
und fünf »Genusshütten«<br />
haben sich den strengen Anforderungen<br />
an Produktherkunft<br />
und -qualität verschrieben. Sie<br />
wurden bereits durch die »Genuss-<br />
Region Österreich« ausgezeichnet.<br />
Wer erleben will, wie und wo die<br />
kulinarischen Kreationen entstehen,<br />
kann zum Beispiel am »Streifzug<br />
durch die GenussRegion Klein-<br />
Der Vielfalt regionaler Produkte und<br />
überlieferter Rezepte widmen sich die<br />
Wirte der »GenussRegion Kleinwalsertal«<br />
walsertal« teilnehmen oder bei einer<br />
Wanderung eine traditionelle<br />
Alpwirtschaft besuchen.<br />
Foto: Kleinwalsertal Tourismus eGen/Christoffer Leitner<br />
6<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Buntes Allgäu<br />
Wenn der Bergsommer zu Ende geht<br />
Grän/Tirol: »Älplerletze« wird der<br />
letzte Tag der Hirten auf der Alp<br />
genannt. Das Vieh ist schon im Tal,<br />
Älpler und Senner machen die<br />
Alpe winterfest. Dieser letzte Tag<br />
des Bergsommers wird heuer im<br />
Tannheimer Tal ausgiebig gefeiert:<br />
Zum Abschluss des diesjährigen<br />
Bergsommers findet am 27. September<br />
die 16. Internationale Älplerletze<br />
in Grän auf dem Füssener<br />
Jöchle rund um die Bergstation der<br />
Achter-Gondelbahn statt. Das traditionelle<br />
Fest beginnt mit einem<br />
feierlichen Berggottesdienst, musikalisch<br />
umrahmt von rund 50 Alphornbläsern<br />
und dem Schellnerclub<br />
»5 Dörfer« aus der Schweiz.<br />
Höhepunkt wird um 15 Uhr das<br />
große Gemeinschaftskonzert mit<br />
allen Alphornbläsern und traditioneller<br />
Schellenverlosung sein. Die<br />
Veranstaltung findet bei jeder Witterung<br />
statt.<br />
Bei der 16. Internationalen Älplerletze<br />
in Grän wird das Gemeinschafts -<br />
konzert von Alphornbläserklängen<br />
untermalt<br />
Foto: TVB Tannheimer Tal<br />
Auf dem »Allgäuer Eisenbähnle«<br />
Immenstadt: Rund um den Kleinen<br />
und Großen Alpsee verkehrt ab<br />
12. Juni eine neue Attraktion. An<br />
Bord des »Alpseebähnle«, das bis<br />
zum 13. September immer freitags,<br />
samstags und sonntags ab dem Immenstädter<br />
Marienplatz rund um<br />
die Gewässer tuckert, können die<br />
Passagiere in gemütlichem Tempo<br />
die Landschaft genießen. Das »Alpseebähnle«<br />
bietet Raum für 45 Personen<br />
und bei Bedarf auch einen<br />
Rollstuhlplatz. Vom Marienplatz aus<br />
zuckelt der kleine »Zug« mit einer<br />
Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern<br />
in Richtung Bühl am Alpsee,<br />
vorbei am Naturparkzentrum<br />
»AlpSeeHaus« und bis zum »Alpsee-Coaster«<br />
in Ratholz. Abfahrtszeiten<br />
sind mehrmals am Tag, Ti -<br />
ckets kosten je nach Anzahl der Haltestellen<br />
für Erwachsene zwischen<br />
2,50 Euro und 5,50 Euro, für Kinder<br />
bis zwölf Jahre zwischen 1,50 Euro<br />
und 3,50 Euro. Ausführliche Informationen<br />
zum Fahrplan gibt es in<br />
der Tourist-Information im »Alp-<br />
SeeHaus«.<br />
Kurz und wichtig<br />
Tourist-Information im AlpSeeHaus<br />
Seestraße 10<br />
Bühl am Alpsee<br />
87509 Immenstadt<br />
Tel. 08323/9988717<br />
www.alpseehaus.de<br />
Foto: Stadt Immenstadt<br />
Das »Alpseebähnle« fährt vom<br />
12. Juni bis 13. September am<br />
Großen Alpsee bei Immenstadt<br />
entlang<br />
Nützliche Adressen rund um den <strong>Alpsommer</strong><br />
Allgäu GmbH<br />
Service-Tel. 08323/8025931<br />
E-Mail: info@allgaeu.de<br />
www.allgaeu.de<br />
(Offizielle Tourismus-Dachorganisation im Allgäu)<br />
Mir Allgäuer e.V.<br />
Tel. 0831/960661-22<br />
E-Mail: info@mir-allgaeuer.de<br />
www.allgaeu-urlaubaufdembauernhof.de<br />
(Gastgeberverbund zum Thema »Urlaub auf dem<br />
Bauernhof« mit rund 500 Mitgliedsbetrieben)<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
&<br />
<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
Alpwirtschaftlicher Verein<br />
im Allgäu e.V. (AVA)<br />
Tel. 08323/4833<br />
www.alpwirtschaft.de<br />
(Vereinigung zur Förderung<br />
der Allgäuer Alpwirtschaft)<br />
Allgäuer Alpgenuss e.V.<br />
E-Mail: info@allgaeuer-alpgenuss.de<br />
www.allgaeuer-alpgenuss.de<br />
(Zusammenschluss zahlreicher<br />
Allgäuer Sennalpen)<br />
Foto: Dominik Ultes
Reportage<br />
Großer TV-Auftritt<br />
für Hirten und Hornvieh<br />
Um originelle Ideen, was technische Neuheiten angeht, ist man in<br />
Oberstaufen nicht verlegen. So zeigte sich der Ort vor einigen Jahren<br />
als erste deutsche Gemeinde freiwillig beim Internet-Kartendienst<br />
»Google Street View«. Auch zum <strong>Viehscheid</strong> findet man hier einen<br />
besonderen Dreh – der Alpabtrieb wird mit großem Aufwand live<br />
im Internet gesendet<br />
8<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
»Wir wollen den Menschen<br />
das <strong>Viehscheid</strong>-Gefühl ins<br />
Wohnzimmer bringen«<br />
Moderator Bernhard Lingg<br />
der Kamera nah<br />
dran an den Herden<br />
Der Livestream vom Oberstaufener <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
kann am Freitag, 11. September, ab etwa 8 Uhr auf der<br />
Internetseite www.oberstaufen.de angesehen werden.<br />
Hergestellt wird die Live-Sendung auch in diesem Jahr von<br />
silberstern GmbH Filmproduktion, Albert-Einstein-Straße 6,<br />
87437 Kempten, www.silberstern.tv<br />
»Viele Staufner haben die<br />
Übertragung richtig<br />
genossen«<br />
Kurdirektorin Bianca Keybach<br />
Fotos: Dominik Ultes<br />
Wenn es an seine Traditionen geht, lässt der<br />
Allgäuer ja bekanntlich nicht mit sich spaßen.<br />
Haferlschuhe und Hightech, Kranzrinder<br />
und Kameras, Alphirte und Ansteckmikrofon<br />
– wie passt das zusammen? Kann der <strong>Viehscheid</strong> mit<br />
seinen gewachsenen Traditionen zu einem multimedialen<br />
Ereignis werden, und zwar, ohne dass dabei<br />
Abläufe und Riten beeinträchtigt werden? Dass es<br />
funktionieren kann, Menschen weltweit am Geschehen<br />
eines Alpabtriebes hautnah teilhaben zu lassen,<br />
das bewies im vergangenen Herbst die Gemeinde<br />
Oberstaufen: Der Staufner <strong>Viehscheid</strong> wurde weltweit<br />
live im Internet übertragen.<br />
Kameramänner putzen ihre Linsen, im Übertragungswagen<br />
werden die Zuspielungen getestet, die Regisseurin<br />
gibt über Funk bekannt: »Achtung an alle:<br />
Mit<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
Noch 30 Minuten bis zur Sendung!« Alles wie bei einer<br />
großen TV-Sendung, und im Grunde genommen<br />
ist es auch genau das, was an diesem Tag in Oberstaufen<br />
produziert wird: eine echte Fernsehsendung über<br />
einen der traditionsreichsten Tage in der Marktgemeinde.<br />
»Wir wollen den Menschen zu Hause das <strong>Viehscheid</strong>-<br />
Gefühl ins Wohnzimmer bringen, gleichzeitig aber<br />
auch dem Ereignis gerecht werden und keinesfalls irgendwelchen<br />
Klamauk veranstalten«, sagt Bernhard<br />
Lingg, der die Live-Sendung vorbereitet hat und sie<br />
auch moderieren wird. Lingg wird heute die »Stimme<br />
aus dem Off« sein, also derjenige, der die Bilder kommentiert,<br />
selbst aber nicht vor der Kamera zu sehen<br />
ist. Tagelang hat er sich darauf vorbereitet, recherchiert,<br />
Fakten und Wissenswertes über den Vieh- <br />
Oben links: Nicht nur im Bierzelt<br />
waren die Kameras mitten im<br />
Geschehen, auch die einziehen -<br />
den Hirten mit ihren Herden<br />
machte das TV-Team auf dem<br />
<strong>Viehscheid</strong> in Oberstaufen zum<br />
Ereignis (ganz oben). Oben:<br />
Gäste und Einheimische lockte<br />
Kurdirektorin Bianca Keybach<br />
während der Live-Sendung vor<br />
ihr Mikrofon<br />
9
Die Hirten der Waltners-Alpe in Steibis bei Oberstaufen mit ihren tierischen<br />
Schützlingen auf den letzten Metern vor Erreichen des Scheidplatzes<br />
»The show must go on«,<br />
auch bei Regen und vor<br />
allem, wenn die Über -<br />
tra gung live statt findet.<br />
Doch das Team von<br />
»silberstern« ist darauf<br />
natürlich eingerichtet<br />
scheid zusammengetragen. »Dabei habe ich einiges<br />
dazugelernt«, schmunzelt Lingg. »Obwohl ich selbst<br />
Oberstaufner bin und dachte, alles über den <strong>Viehscheid</strong><br />
zu wissen.«<br />
Noch zwanzig Minuten bis zum Sendestart. Im Regiewagen<br />
wird noch Filmmaterial eingespielt, das heute<br />
bereits frühmorgens gedreht wurde. Ein Kameramann<br />
durfte auf der Alpe Oberbergmoos bei Hirte<br />
Alexander Meisburger die letzten Vorbereitungen der<br />
Hirten filmisch begleiten, vom Füttern der Tiere über<br />
das Schmücken des Kranzrindes bis zum Anlegen der<br />
Zugschellen. Die Bilder werden später im Lauf der<br />
Übertragung zugespielt. »Das sind Mehrwerte für die<br />
Internetzuschauer, die der Besucher vor Ort nicht bekommt«,<br />
sagt Regisseurin Doris Schmid, wie Moderator<br />
Bernhard Lingg von der Produktionsfirma »silberstern«.<br />
Ihre Aufgabe wird es heute sein, den gesamten<br />
Sendeablauf zu koordinieren, Moderatoren und<br />
Kameraleute zu instruieren und ganz nebenbei dem<br />
Bildregisseur die richtigen Motive zur richtigen Zeit<br />
anzubieten. Insgesamt besteht das »silberstern«-Team<br />
heute aus sieben Personen.<br />
Bernhard Lingg spricht<br />
seinen Kommentar zum<br />
Live stream direkt zu den<br />
Bildern, die die Kameras<br />
liefern, ein. Unten: Die<br />
Film beiträge werden im<br />
Regiewagen zugespielt<br />
Erfahrung hinter den Kulissen<br />
Nach zwei eher durchwachsenen Versuchen in den<br />
Vorjahren, die Übertragung selbst zu produzieren,<br />
holte sich die Oberstaufen Tourismus Marketing<br />
GmbH (OTM) diesmal mit dem Film- und TV-Produktionsteam<br />
professionelle Hilfe ins Haus. Denn die<br />
Ansprüche an die Produktion waren durchaus hoch:<br />
Es sollte eben ein echtes Erlebnis werden für die Zuseher,<br />
weg von verwackelten Bildern, die mit<br />
Smartphone oder Tablet gedreht werden, hin zu einer<br />
echten Sendung mit mehreren Kameras, Live-Moderation,<br />
Hintergrund-Informationen und mit Interviewpartnern,<br />
die das Geschehen vor Ort einzuordnen<br />
wissen. Nur auf diese Weise, da war sich die OTM<br />
schnell klar, kann ein »digitaler <strong>Viehscheid</strong>« dem Original<br />
zumindest ansatzweise gerecht werden.<br />
Mit der silberstern GmbH aus Kempten wurde dafür<br />
ein verlässlicher Partner gefunden, der jahrelange Erfahrung<br />
im Bereich Livestreaming mitbringt. Die Fir-<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
ma produziert bereits seit mehreren Jahren sämtliches<br />
Filmmaterial für die OTM und geht hier mit einer besonderen<br />
Technik an den Start, die es ermöglicht,<br />
während der Livesendung zu »spulen« und so Verpasstes<br />
unmittelbar wieder aufzurufen.<br />
Es geht los, der Countdown läuft. Jeder ist auf seinem<br />
Platz, die drei Kameramänner stehen parat, der Bildregisseur<br />
spielt das Intro zu. Jetzt steigt der Puls, unweigerlich.<br />
Auch bei Bianca Keybach, der Chefin der<br />
OTM, der Auftraggeberin der Produktion. Heute ist<br />
sie gleichzeitig die Moderatorin vor der Kamera, eine<br />
ungewohnte Rolle für sie. Ihre Aufgabe wird es sein,<br />
Interviews zu führen und mit Charme und Insiderwissen<br />
kurzweilige Gespräche ins Rollen zu bringen.<br />
»Es ist immer wieder schön, dass die Staufner aufgeschlossen<br />
für solche innovativen Aktionen sind und<br />
gerne mitwirken«, zeigt sie sich begeistert.<br />
Wo sie die Idee im Vorfeld anbrachte, sie stieß auf offene<br />
Ohren. Zusammen mit Benjamin Buhl, der als<br />
strategischer Berater mit seiner Firma »netzvitamine«<br />
schon viele Jahre für die Oberstaufen Tourismus Marketing<br />
arbeitet, hat Keybach in der Vergangenheit immer<br />
wieder mit innovativen Ideen Oberstaufen nach<br />
vorne gebracht, Oberstaufen wird heute oft als »digitalster<br />
Kurort Deutschlands« bezeichnet. Buhl ist heute<br />
ebenfalls Teil des Teams – und musste schon sehr<br />
früh aufstehen: Er hat den Kameramann auf die Alpe<br />
Oberbergmoos begleitet und ist jetzt, während der<br />
Übertragung, mindestens genau so angespannt wie<br />
alle vor und hinter der Kamera.<br />
Drei Stunden volles Programm<br />
Die Blasmusik spielt, Bianca Keybach begrüßt die Zuseher,<br />
die ersten professionellen Bilder vom Oberstaufener<br />
<strong>Viehscheid</strong> gehen in die Welt. Live und in Echtzeit.<br />
Die Leitung ist stabil, die Bildqualität perfekt.<br />
Kurz darauf trifft die erste Alpe ein, angekündigt vom<br />
gänsehautverursachenden Geläut der Zugschellen.<br />
Drei Kameras sind unterwegs, um die bes ten Bilder<br />
einzufangen, sie sind hautnah dran. Der Moderator<br />
indes sitzt in seinem improvisierten Studio im Fond<br />
eines Autos von »silberstern« und kommentiert die<br />
Oben<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
Bilder, neben ihm Maria Heim von der OTM. Sie bearbeitet<br />
sofort eingehende Fragen der Internetzuseher,<br />
Kommentare und Anmerkungen werden in die Übertragung<br />
eingearbeitet. Nebenan im Regiewagen wird<br />
entschieden, welches Bild zu welcher Zeit auf Sendung<br />
geht und wann vorproduzierte Beiträge wie die Aufnahmen<br />
von heute morgen zugespielt werden. Erste<br />
Interviewpartner treffen bei Bianca Keybach ein, sie<br />
befragt Bürgermeister und Geschäftsleute, Urlauber<br />
und Alphirten. Jetzt erst wird klar, was gemeint war<br />
mit dem Anspruch, eine kurzweilige und ehrliche Produktion<br />
auf die Beine zu stellen. »Es hat große Freude<br />
gemacht, den Oberstaufen-Fans ein bisschen <strong>Viehscheid</strong>-Atmosphäre<br />
nach Hause zu transportieren –<br />
auch wenn das natürlich das Erlebnis live vor Ort nicht<br />
ersetzen kann«, wird Bianca Keybach später sagen.<br />
Über drei Stunden dauert die Live-Sendung, Kameracrew<br />
wie Zuschauer trotzen zwischenzeitlich heftigem<br />
Regen, Bilder von eintreffenden Herden wechseln mit<br />
Impressionen aus dem Bierzelt. Hinzu kommen interessante<br />
Hintergrundinformationen über Entstehung<br />
und Entwicklung des <strong>Viehscheid</strong>es, kleine Anekdoten,<br />
witzige Sprüche und Small-Talk.<br />
Das kommt auch bei den Zusehern an: Bereits am<br />
<strong>Viehscheid</strong>-Freitag sahen den Stream, der seit Ende<br />
der Live-Sendung auf der Website der Gemeinde<br />
Oberstaufen verfügbar ist, fast 4000 Besucher. Viele<br />
klicken die Aufzeichnung an, bis heute waren es über<br />
15.000 Zuseher. Über Facebook wurden allein zum<br />
Thema <strong>Viehscheid</strong> fast 74.000 Nutzer erreicht, es gab<br />
über 400 Kommentare, im September 2014 gewann<br />
Oberstaufen 400 neue Facebook-Fans dazu – ein überproportionaler<br />
Wert. Viel Lob gab es auch und gerade<br />
von den Einheimischen: »Viele Staufner, die zum Beispiel<br />
beruflich verhindert waren, haben die Übertragung<br />
richtig genossen«, sagt Bianca Keybach. »Und sogar<br />
viele Hirten, die tagsüber Teil des Scheids waren,<br />
haben sich im Nachhinein die Sendung angesehen.«<br />
Jetzt gibt es kein Zurück mehr für eine Übertragung<br />
in diesem Jahr, ist Bianca Keybach klar. »Kein Problem<br />
– die ‚silbersterne’ sind gebucht, und wir haben schon<br />
wieder ein paar neue Ideen«, so die Kurdirektorin. Der<br />
»digitale <strong>Viehscheid</strong> von Oberstaufen« geht am<br />
11. September auf Sendung. • Thomas Richter<br />
l. und o.: Die Internet-<br />
Übertra gung vermittelt, was<br />
beim <strong>Viehscheid</strong> los ist. Unten:<br />
Neben zwei Kameraleuten auf<br />
dem Platz sorgt ein weiterer<br />
für Bilder mit Überblick<br />
Auch Allgäuer Scheidbesucher<br />
lassen sich von Bianca<br />
Keybach zum Interview für die<br />
<strong>Viehscheid</strong>-Sendung motivieren
Portrait<br />
Im Schönheitssalon<br />
für vierbeinige Diven<br />
Um »Pirelli«, ihre heutige »Kundin«, wettbewerbstauglich zu machen, braucht<br />
Nicole Nägele eine Menge Zubehör. Schermaschine, Bürsten, Spezial-Haarspray,<br />
Shampoo, Föhn und Puder hat sie bereitgelegt, um den Paarhufer aufzuhübschen.<br />
Sie ist eine sogenannte Kuh-Fitterin, die die schönsten Kühe des<br />
elterlichen Hofes für Tierschauen herausputzt<br />
Ganz oben: »Kuh-Fitterin« Nicole<br />
Nägele mit »Pirelli«. Unten. Auch<br />
das Fell in und um die Ohren der<br />
Kuh wird bei der ausführlichen<br />
Behandlung sorgfältig entfernt.<br />
Besonders vorsichtig ist sie beim<br />
Rasieren des Euters. Die Milch -<br />
adern werden so hervorgehoben<br />
Nicole Nägeles Model mit der Nummer 918 aus<br />
dem heimischen Stall hat bereits die Vorbehandlung<br />
im »Friseursalon« hinter sich – wie<br />
es beim Haarkünstler um die Ecke auch passiert. Die<br />
»Eine schön hergerichtete<br />
Kuh hebt das<br />
Image für den Hof«<br />
21-Jährige hat den Wiederkäuer mit<br />
einem Spezialshampoo für Tiere aus<br />
dem Fachhandel von oben bis unten<br />
gewaschen. Doch nun geht es an die<br />
eigentliche Schönheitsbehandlung:<br />
Stück für Stück wird das dichte Fell der Kuh dank Nägeles<br />
gekonnten Bewegungen mit der Schermaschine<br />
weniger, bis nur noch ein rund 10 Zentimeter breiter<br />
Streifen am Rücken an der sogenannten Oberlinie stehen<br />
bleibt – »dieses Stück wird Topline genannt«, erklärt<br />
sie. Bei der Behandlung, die das Tier zwischenzeitlich<br />
richtiggehend zu genießen scheint, geht bei<br />
»Pirelli« rundum ziemlich viel Haarwuchs drauf, die<br />
»Frisur« am Kopf, die Büschel an ihren Ohren sowie<br />
die feineren Haare an Bauch und<br />
Euter müssen dran glauben.<br />
Wie die 21-Jährige aus Hollen bei<br />
Seeg im Ostallgäu erzählt, habe sie<br />
bereits als kleines Mädchen an zahlreichen<br />
Tierschauen, bei denen die schönsten Kühe eines<br />
Hofes präsentiert werden, teilgenommen und<br />
schon damals zunächst Kälber, später dann Jungrinder<br />
aus dem Familienbetrieb der Nägeles vorgeführt. Einen<br />
»Kuh-Fitter« oder auch »Kuh-Stylisten« benöti-<br />
12<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Fotos: Dominik Ultes<br />
Links: das Arbeitszeug einer »Kuh-Fitterin« – inklusive Spezial-<br />
Haarspray und Schermaschine. Oben: An einer Kuh ist ganz<br />
schön viel Fell dran, rund zwei Stunden benötigt das Rasieren<br />
Unten und rechts: Nicole Nägele beim Föhnen und<br />
Bürsten des »Irokesenschnitts«<br />
gen die Landwirte im Vorfeld, um ihre Tiere, die dort<br />
teilnehmen, besonders schön »stylen« zu lassen. Damit<br />
sie bei den Preisrichtern den besten Eindruck hinterlassen,<br />
wird vor einer solchen Schau das Fell rasiert.<br />
Durch dieses professionelle Zurechtmachen<br />
der Kuh werden die<br />
Körperlinien hervorgeho ben, markante<br />
Milchadern am Euter akzentuiert<br />
und Unebenheiten des Knochenbaus kaschiert.<br />
»Irgendwann habe ich dann gesagt, jetzt will ich das<br />
auch selber machen«, meint Nicole Nägele, die hauptberuflich<br />
in einem Elektrogeschäft arbeitet und sich<br />
für das Aufbrezeln der Kuhstall-Bewohner immer mal<br />
wieder freinehmen muss. »Danach habe ich fleißig da-<br />
»Ich spreche mit dem<br />
Tier, um es zu beruhigen«<br />
heim geübt, und irgendwann habe ich es selber auch<br />
gekonnt.«<br />
Die Ostallgäuerin ist eine der wenigen Frauen, die sich<br />
als »Kuh-Fitterin« betätigen, wie sie auch selbst bestätigt.<br />
Wie viele weitere weibliche<br />
Vertreter es gibt, weiß sie aber<br />
auch nicht. Ihr geht es beim »Stylen«<br />
der hofeigenen Vierbeiner vor<br />
allem um den Spaß, sie für die Tierschauen so gut wie<br />
möglich aussehen zu lassen und dann die Befriedigung<br />
erleben zu können, »wenn die eigene Kuh, die man<br />
selbst vorbereitet hat, möglichst weit kommt. Eine<br />
schön hergerichtete Kuh hebt schließlich auf einer Tierschau<br />
das Image für den eigenen Hof«.<br />
<br />
Unten links: »Pirelli« nach Ende<br />
der Verschönerungsaktion. Unten:<br />
Bevor der Föhn auf dem Haar -<br />
streifen am Rücken zum Einsatz<br />
kommt, wird dieser erst mal<br />
kräftig gepudert<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
13
Oben: Gutes Augenmaß ist<br />
wichtig für den Schnitt<br />
einer ästhetischen und vor<br />
allem wettbewerbs tauglichen<br />
Linie, der Topline<br />
Unten: Wenn die Kuh nicht<br />
zum Fitter kommt... – aber<br />
man weiß sich ja zu helfen<br />
Für die richtige Schönheitspflege benötigt »Kuh-Fitterin«<br />
Nicole Nägele natürlich ihr »Friseur-Werkzeug«,<br />
die Schermaschine mit unterschiedlichen Messeraufsätzen,<br />
das Spezialshampoo, das sie im Internet bestellt,<br />
Bürsten für die dicken Tierhaare und vor allem einen<br />
starken Haarföhn mit enger Stylingdüse.<br />
Nachdem »Pirelli« mittlerweile schon geschoren auf<br />
dem Hof der Nägeles steht und sich die »Kuh-Fitterin«<br />
mit einem sehr kurzen Messer das<br />
Euter vorgenommen hat, um es<br />
beim Rasieren nicht zu verletzen,<br />
steht jetzt noch der rund zehn Zentimeter<br />
lange Haarbüschel entlang<br />
der Rückenlinie an.<br />
Vor allem sei nicht jedes Tier auf dem familieneigenen<br />
Hof geeignet, um »frisiert« zu werden: »Bei den 70 bis<br />
80 Kühen, die wir im Stall haben, muss man eben<br />
schauen, wie schreckhaft das Exemplar ist, das man gerade<br />
vor sich hat.« So gebe es zum Beispiel auch eher<br />
nervöse Kühe. Man müsse beachten, dass sich die Kuh<br />
nicht erschreckt, erläutert Nägele.<br />
Das persönliche Rezept der »Kuh-Fitterin«: »Ich spreche<br />
mit dem Tier, um es zu beruhigen.« Es sei wichtig,<br />
auf die Nutztiere einzugehen: »Ich habe die linke Hand<br />
immer an der Kuh und in der rechten die Schermaschine,<br />
damit ich sofort merke, wenn sie sich bewegt«, er-<br />
gänzt sie – »sonst hebt sie halt schnell den Fuß und es<br />
kann sein, dass man den abbekommt.«<br />
Für die wichtigsten Schritte, um den Grasfresser richtig<br />
schön zu machen, holt Nicole Nägele den Föhn zu Hilfe:<br />
Der Haarstreifen am Rücken wird zum Irokesenschnitt<br />
geföhnt. Dann wird geschert, bis nur noch ein schmaler,<br />
ganz gerader Streifen, die »Topline«, steht. Jetzt geht es<br />
noch ans Fixieren mit speziellem Kuh-Haarspray. Die<br />
besonderen Details kommen noch,<br />
»Dank Glanzspray<br />
weiß Nicole Nägele: »Ganz am Ende<br />
bekommt das Tier noch wird der Kuh noch Glanzspray auf<br />
das Euter und das komplette Fell gesprüht,<br />
damit sie richtig schön aus-<br />
schwarze Lackschuhe«<br />
sieht. Außerdem bekommt das Tier dank Glanzspray<br />
auf den Klauen noch schwarze Lackschuhe.«<br />
Auch, wenn es beim Herrichten der heimischen Vierbeiner<br />
aus dem Stall Herausforderungen gibt, wie bei<br />
ihrer Arbeit keine Stellen zu übersehen (»Wenn die<br />
Kuh erst mal bei der Tierschau im Ring steht und ich<br />
entdecke Fehler, ist es zu spät«), Nicole Nägele macht<br />
die Tätigkeit als »Kuh-Fitterin« immer wieder Spaß –<br />
zum Beispiel besonders, wenn sie die »Topline« mit<br />
Haarspray bearbeiten dürfe, bis alles perfekt sitzt, und<br />
dann hinterher ihr selbst gestaltetes Ergebnis an ihrem<br />
muhenden »Laufsteg-Model« auf einer Tierschau bewundern<br />
könne. • Marius Lechler<br />
Das schwarze Glanzspray für die<br />
Klauen ist das Tüpfelchen auf<br />
dem »i« und zieht der Kuh<br />
sozusagen hübsche Schuhe an
Historie<br />
Vierbeiner-Treffen<br />
im Tal mit Tradition<br />
Es gehört zum festen Bestandteil des bäuerlichen Jahreslaufs im Allgäu,<br />
dass die Landwirte ihr Weidevieh während des <strong>Alpsommer</strong>s aus dem Tal auf<br />
die Alpen der Region bringen. Im Herbst beenden die zahlreichen Alpabtriebe<br />
im Ober-, Ost- und Westallgäu die »Rinder-Sommerfrische«. Für einige<br />
Orte wie beispielsweise Bad Hindelang kann belegt werden, dass die<br />
<strong>Viehscheid</strong>-Tradition dort schon seit Jahrhunderten besteht<br />
Fotos: Archiv Alois Fink; Archiv Franz Scholl/Heimatdienst Hindelang e.V.; Lala-Aufsberg-Archiv des Heimatbundes Allgäu e.V.<br />
16
Als Alpaufzug, je nach Wetterlage Anfang bis<br />
Mitte Juni, und Alpfahrt im Juli nach der Vorweide<br />
wird der Auftrieb von Weidevieh auf die<br />
Bergweiden, im Allgäu Alpen genannt, bezeichnet. Im<br />
Verlauf des Weidewuchses werden die Tiere auf das sogenannte<br />
Vorsäß, danach auf das Mittelsäß und zuletzt<br />
auf das Hochsäß getrieben, die Alpe wird »beschlagen«.<br />
Die Vorweide (Vorsäß) beginnt mit Vegetationsbeginn,<br />
oftmals schon Anfang März. Bei der Vorweide ist noch<br />
sehr wenig Futter vorhanden. Dieser Weideabschnitt<br />
wird also auch für die langsame Futterumstellung vom<br />
Stall ins Freie genutzt. Nach der Vorweide folgen die<br />
Frühlings- und die Sommerweide.<br />
Im Gegensatz zum Alpabtrieb (<strong>Viehscheid</strong>) werden<br />
die Tiere beim Alpauftrieb nicht festlich geschmückt.<br />
Heutzutage wird von den einzelnen Bauern das Weidevieh<br />
immer mehr mit Traktor und Hänger auf die<br />
Alp verbracht, weil das Vieh oftmals aus dem Unterland<br />
kommt. Früher, als das Vieh auch aus der weiteren<br />
Umgebung kam, wurde beispielsweise beim Auftrieb<br />
in Bad Hindelang regelmäßig in Hinterstein Rast<br />
gemacht und am nächsten Tag auf die Alpen getrieben.<br />
Das einheimische Vieh aus dem Ostrachtal wird<br />
dort immer noch meistens sehr zeitig in der Früh auf<br />
die Alp verbracht.<br />
Reise bis auf über 2000 Meter<br />
Im Allgäu ist es vielerorts noch üblich, das Vieh, vor<br />
allem das Jungvieh, also die Rinder vor der ersten Kalbung,<br />
den Sommer über auf der Alpe weiden zu lassen.<br />
In Österreich und Oberbayern werden diese<br />
Bergweiden als »Alm« bezeichnet.<br />
Die Bauern aus dem Voralpenland geben ihre Tiere ab<br />
Juni in die Obhut eines Alphirten, der sie auf den saftigen<br />
Hochweiden für etwa 100 Tage sommern (auch<br />
sömmern) lässt. Dabei unterscheidet man zwischen<br />
den Galtalpen, auf denen Jungvieh weidet, und den<br />
Sennalpen, auf denen Milchkühe sömmern. Auf den<br />
Sennalpen wird die Milch vor Ort nach traditioneller<br />
Art zu Butter und Käse verarbeitet. Es gibt auch<br />
Misch alpen mit Milchkühen und Jungvieh.<br />
Im Oberallgäu existieren rund 670 Alpen, davon<br />
54 auf Bad Hindelanger Gebiet, auf die im Sommer<br />
etwa 27.000 Stück Jungvieh und 3000 Kühe bis auf<br />
2000 Meter getrieben werden. Zehn Alpen in Bad<br />
Hindelang liegen sogar deutlich über 2000 Meter.<br />
»Königsalpe« Laufbichl<br />
So weist zum Beispiel die Alpe Laufbichl Höhenlagen<br />
von 1250 bis 2000 Meter aus. 1424 wurde sie erstmals<br />
urkundlich erwähnt. Seit 1850 wird sie als Sennal- <br />
Oben links: großes Gedränge auf<br />
dem Scheidplatz von Hindelang<br />
im Jahr 1950. Oben: Der Älpler-<br />
Nachwuchs zeigt nach erfolgrei -<br />
chem <strong>Alpsommer</strong> ohne Unfälle<br />
stolz seine Kranzkühe<br />
S. 16: letzte Korrekturen am<br />
Kopfschmuck, 1949 fotografiert<br />
von Lala Aufsberg. Unten links:<br />
Schellen-Stand auf dem Markt<br />
beim Hindelanger <strong>Viehscheid</strong>.<br />
Unten: Die Tiere warten während<br />
der Alpabtriebe im Allgäu heute<br />
noch genauso auf den Transport<br />
wie in den 1950er-Jahren<br />
17
Oben: Adolf Fink (ganz links im<br />
Bild) auf dem »Allgäuer Alpab -<br />
trieb« mit Vieh und Hirten aus<br />
dem Ostrachtal beim Oktober -<br />
festumzug von 1912 in München<br />
auf einer historischen Aufnahme.<br />
Oben Mitte: Das Vieh wird auf<br />
dem Scheid platz an die jeweiligen<br />
Besitzer zurückgegeben<br />
pe betrieben. Wegen ihrer Größe von 380 Hektar und<br />
der schönen Lage im Naturschutzgebiet wird sie auch<br />
»Königsalpe« genannt. Sie umfasst das höchstgelegene<br />
Weidegebiet, das bis zum Gipfel des »Daumen« (2280<br />
Meter) führt, und ist flächenmäßig die größte Alpe<br />
Deutschlands. Die Genossenschaftsalpe wird mit Kühen<br />
von Ostrachtaler Bauern beschlagen, die im Verein<br />
»Natur und Kultur« zusammengeschlossen sind.<br />
Anfang Juni werden 55 bis 60 Kühe und 40 Rinder aufgetrieben.<br />
Außerdem sömmern hier 30 bis 35 Schweine,<br />
die im Freilauf gehalten werden. Über den Sommer<br />
hinweg werden rund 1000 Laib Sennalp-Bergkäse im<br />
»Rucksackformat« von vier bis fünf Kilogramm sowie<br />
Hirtenkäse und Bergbutter hergestellt.<br />
Rückkehr nach rund 100 Tagen<br />
Jedes Jahr wird bis heute in Bad Hindelang am<br />
11. September als eine der bekanntesten Allgäuer<br />
Traditionen der große <strong>Viehscheid</strong> abgehalten. Nur<br />
wenn dieser Tag auf einen Sonntag fällt, dann ist »der<br />
Scheid« am Samstag davor. Auf der Alpe gesömmertes<br />
Vieh gilt als besonders gesund und widerstandsfähig.<br />
Nach etwa 100 Tagen in den Bergen kehrt das<br />
Vieh zusammen mit den Hirten wieder ins Tal zurück<br />
und wird dort »geschieden«, das heißt, seinem<br />
jeweiligen Besitzer wieder zurückgegeben.<br />
Doch bereits einen Tag vorher beginnt ein emsiges<br />
Treiben: Die Tiere werden herausgeputzt, die großen<br />
Schellen (Zugschellen) angelegt und beim Galtvieh<br />
die drei Rinder, die am besten gewachsen sind, mit<br />
einem prächtigen Kranz geschmückt. Bei den Milchkühen<br />
bekommen die zwei mit der besten Milchleistung<br />
sowie die schönste Kuh einen Kranz. Die Rinder<br />
sollten selbstverständlich Hörner tragen, was heute<br />
leider manchmal in Vergessenheit gerät.<br />
Den Kranzschmuck gibt es allerdings nur dann,<br />
wenn während des Sommers kein tödlicher Unfall,<br />
zum Beispiel durch Steinschlag, Blitzschlag, Pflanzenvergiftung<br />
oder Absturz eines Tieres, geschehen<br />
ist. Der Kranz wird mit viel Liebe aus Zweigen, Blumen,<br />
Gräsern und Bändern in Form einer Krone<br />
oder Haube geflochten. Meist enthält er ein Kreuz,<br />
womit um den Schutz des Himmels gebeten wird.<br />
Auch ein Spiegel zur Abwehr böser Geister gehört in<br />
den Kranz. Wenn ein Hirte tödlich verunglückt ist,<br />
wird in den Kranz ein Trauerflor gewunden.<br />
Beim Hindelanger Scheid kommt nur Braunvieh zum<br />
Abtrieb. Vereinzelt sind auch Esel dabei. Wenn die<br />
Herde den Scheidplatz auf der Ach im Ostrachtal erreicht<br />
hat, durchläuft sie einen Verhau (dieser wird<br />
Siche genannt), an dessen Mitte die Tiere einzeln beim<br />
jeweiligen Hirten der Alpe durchkommen. Laut ruft<br />
dieser den Namen des Besitzers, der sein Vieh dann<br />
in Empfang nimmt. In Bad Hindelang werden an diesem<br />
Tag ca. 1000 Stück Vieh der sogenannten »Scheidberge«<br />
Haseneck, Erzberg, Kühbach, Stierbach und<br />
Platten, die im Abstand von einer Stunde eintreffen,<br />
von den Hirten wieder in die Hände ihrer Besitzer zurückgegeben.<br />
Das ist jedoch noch nicht die komplette Anzahl: Je<br />
nach Weide und Witterung kommen rund weitere<br />
1000 Tiere in den folgenden Tagen »aus dem Tal«, zuletzt<br />
die Nachweide der Hintersteiner Galtalpen. Verbunden<br />
mit dem <strong>Viehscheid</strong> ist auch immer ein großer<br />
Krämermarkt mit Festzelt, Verkaufsständen, Fahrgeschäften<br />
und vielem mehr. In Bad Hindelang gilt der<br />
Tag des <strong>Viehscheid</strong>s als Feiertag, auch die Schulen geben<br />
frei.<br />
Einer der ältesten Alpabtriebe<br />
Der Hindelanger <strong>Viehscheid</strong> ist seit 1794 schriftlich<br />
belegt und gilt somit als einer der ältesten im Allgäu.<br />
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in den Hintersteiner<br />
Tälern nur Galtalpen. Die Sennalpen hingegen<br />
lagen alle im Bereich Ober- und Unterjoch.<br />
In jener Zeit stand das Vieh von 17 Galtalpen an der<br />
Aach im Ostrachtal zwischen »Nordpol« (der Ortsteil<br />
wird wegen seiner schattigen Lage so genannt; Anm.<br />
d. Red.) und der sogenannten »Hennenmühle«. Die<br />
Tiere wurden noch ohne den Einsatz der heute ver-<br />
18 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
wendeten Siche aus der Herde von den Bauern selbst<br />
herausgesucht.<br />
Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde auf dem »Hasenhof«<br />
hinter dem Bad Hindelanger Rathaus jährlich am<br />
2. Februar, dem Kirchenfest Mariä Lichtmess, ein<br />
Markt abgehalten, auf dem sich die Bürger mit Haushaltswaren,<br />
Stoffen und anderen Gebrauchsgütern<br />
versorgen konnten. Da das Wetter zu diesem Zeitpunkt<br />
oft sehr unwirtlich war, wurde der Markt in den<br />
1930er-Jahren auf den 11. September – zeitgleich mit<br />
dem <strong>Viehscheid</strong> – auf die Ach verlegt, die heutigen<br />
Wiesen in der Ostrach-Aue. Das Markttreiben blieb<br />
mit Verkaufsbuden und Fahrgeschäften, die später<br />
hinzukamen, bis heute erhalten. Ab 1956 kam ein großes<br />
Bierzelt hinzu.<br />
Im Jahr 1912 gab es einen »Allgäuer Alpabtrieb« beim<br />
Oktoberfestumzug in München. Das Vieh und die<br />
Hirten kamen aus dem Ostrachtal und wurden mit der<br />
Eisenbahn nach München gefahren. Nach dem Umzug<br />
trugen Josef Gurschler aus Vorderhindelang und<br />
Adolf Fink aus Groß dem Prinzregenten Luitpold einen<br />
Ostrachtaler Jodler vor.<br />
Kleine <strong>Viehscheid</strong>e<br />
Zwei bis drei Wochen nach dem »großen Scheid«<br />
kommen Zug um Zug die einzelnen Senn- und Galt -<br />
alpen zurück ins Tal und werden geschieden – u.a.<br />
Wengen, Plättele, Engeratsgund, Hirschalpe, Buchelalpe<br />
(Unterjoch), die häufig weit weniger Zuschauer<br />
finden als die großen <strong>Viehscheid</strong>e. Beim »kleinen<br />
Scheid« – zumeist am letzten Samstag im September<br />
– kommen schließlich die Höfle-Alpe, die Alpe Eck<br />
und Älpe, die Willersalpe und die Zipfelsalpe zum<br />
Scheidplatz. Auf den <strong>Viehscheid</strong> in Bad Hindelang<br />
folgt im Ostrachtal schließlich noch der in Unterjoch<br />
mit etwa 50 Tieren. • Thomas Niehörster<br />
Oben: Die Verkäufer auf dem<br />
Krämermarkt hatten nützliche<br />
Waren des täglichen Gebrauchs<br />
im Gepäck – die Belastbarkeit<br />
dieser Unterwäsche demonstriert<br />
der fahrende Händler vor<br />
staunendem Publikum<br />
Quelle: »<strong>Viehscheid</strong>«, »Historie des<br />
<strong>Viehscheid</strong>s I & II« sowie »Kleine <strong>Viehscheid</strong>e«<br />
von Wolfgang Keßler, in: »Was<br />
nicht jeder über Hindelang weiß«, Thomas<br />
Niehörster (Hrsg.), Ursus Verlag,<br />
Bad Hindelang 2014<br />
Anzeige<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
19
Interview<br />
Tourismusvisionär<br />
mit Sinn für Allgäuer Werte<br />
Jan Schubert kann mittlerweile mit viel Erfahrung auf dem Stuhl des Tourismusdirektors<br />
in einer der beliebtesten Feriengemeinden des Ostallgäus aufwarten: Im Jahr 2000 stellte<br />
er sich den Bürgern in Pfronten erstmals vor. Schuberts Leitgedanke ist bis heute, die<br />
Authentizität des Urlaubsortes zu bewahren. Wir haben mit ihm gesprochen<br />
<strong>Alpsommer</strong> & <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>: Herr Schubert, Sie<br />
sind in diesem Jahr seit 15 Jahren Tourismusdirektor<br />
in Pfronten. Wie ist das für Sie, ein solches Jubiläum<br />
feiern zu können?<br />
Jan Schubert: Für mich ist das natürlich ein Innehalten<br />
auf einer Wegstrecke, die Rückschau, aber noch<br />
viel mehr die Vorausschau. Pfronten hat über die Jahre<br />
hinweg eine Profilierung erreicht, bei der ich mitwirken<br />
durfte. Wir haben noch so viel vor, das ist vielleicht die<br />
Gelegenheit, nun mal kurz zurückzuschauen.<br />
Ein großes Thema in Pfronten ist bereits seit Jahren<br />
das Thema »Heu«. Was bedeutet der Begriff »Heuvital«,<br />
der ja mehr sein soll als nur eine einfache<br />
Wellness-Kur?<br />
Die kommunale Ausprägung als »Bergwiesenort«,<br />
wie wir sagen, ist viel, viel mehr als nur Wellness-<br />
Produkt oder eine Marke »Heuvital«. Das Thema<br />
»Bergwiese« ist ein Aufhänger für den Ort, der die<br />
Verdienste der Landwirtschaft in den Vordergrund<br />
stellt. Die Bergwiese selbst ist Kulisse für den Gast,<br />
der in die Berge kommt und sagt: »Ich will wandern,<br />
ich will radeln, ich will die Natur genießen.« Der<br />
»Bergwiesenort« ist viel mehr als eine Heukur, es ist<br />
tatsächlich natürlich-alpine Wellness, da es ein Heilmittel<br />
ist, das aus den Bergen kommt. Für mich ist<br />
das eine Spielwiese, wo wir in Zukunft noch viel<br />
mehr erarbeiten können.<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Im Herbst werden in der Gemeinde die »<strong>Viehscheid</strong>-Däg«, die sich gleich zwei Wochen lang rund um die Alpabtriebe in Pfronten<br />
und im Ortsteil Röfleuten der Alpwirtschaft widmen, groß gefeiert. In diesem Jahr finden sie vom 5. bis 19. September statt<br />
Was sucht der Urlauber, der nach Pfronten kommt,<br />
hier am ehesten?<br />
Hauptmotiv ist nicht der große Event, nicht das große<br />
Einkaufs- oder Kulturerlebnis, sondern: einfach mal<br />
durchatmen, ausschnaufen. Das ist banal, aber das ist<br />
so. Und es ist auch die Chance des Allgäus, dieses Auffrischen<br />
zu bieten. Die Region ist ideal erreichbar, viele<br />
sagen daher, lieber komme ich öfter drei oder vier<br />
Nächte und baue mich auf. Hierbei bin ich mir sicher,<br />
dass das Allgäu zu den Gewinnerregionen in Deutschland<br />
zählt.<br />
Wie gehen Sie hier damit um, dass in Zukunft auch<br />
das Alter der Gäste, die den Ort besuchen, steigen<br />
wird?<br />
Wenn wir die Altersstruktur unserer Gäste anschauen,<br />
stellen wir fest: Wir haben viele Jüngere. Unser Ziel ist,<br />
Familien an den Ort zu binden – zum Beispiel auch<br />
über das Thema Mountainbike. Wir sind nicht positioniert<br />
als Mountainbike-Ort, der technisch höchste<br />
Herausforderungen bietet, bei uns kann man, wo erlaubt,<br />
mit dem Mountainbike zu Hütten und Panoramaplätzen<br />
fahren. Wir wissen, wenn das ein 30- bis 40-<br />
Jähriger macht, dann macht der das auch noch in zehn<br />
Jahren. Die Überlegung ist: Wie können wir diese<br />
Gruppe an den Ort binden? Möglicherweise auch mit<br />
unseren Gesundheits- und Entspannungsangeboten.<br />
Wir haben keine spezielle Ausrichtung, die eine Art<br />
von<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
Seniorentourismus fördert. Auch sind die sogenannten<br />
»Alten« heute oft aktiver als die Jungen, die<br />
kaputt sind vom Arbeitsstress und sagen: »Ich will nur<br />
noch Ruhe«, während der, der früher als »alt« im Sinne<br />
von »immobil« galt, heute mit dem Mountainbike auf<br />
den Bergen unterwegs ist und einkehrt.<br />
Sehen Sie Schwerpunkte, bei denen Pfronten gegenüber<br />
anderen Gemeinden im Allgäu vielleicht sogar<br />
einmalig ist oder sich hervorhebt?<br />
Definitiv zu nennen ist, wie bei uns die Berglandwirtschaft<br />
berücksichtigt und die Alpwirtschaft gefördert<br />
wird. Das machen wir mit den »Pfronter <strong>Viehscheid</strong>-<br />
Däg« ganz besonders. Hervorheben muss man aber<br />
auch die Profilierung als »Bergwiesenort«. Das Thema<br />
gibt es zwar auch in anderen Orten, wir nützen hier<br />
ein landschaftliches Phänomen, das andere Gemeinden<br />
ebenfalls haben. Aber dass wir bis zur eigenen<br />
Heulimonade ein Ort sind, der sich um dieses Thema<br />
kümmert, ist schon ein Alleinstellungsmerkmal. <br />
Links: Jan Schubert mitten im<br />
Geschehen beim »Genuss-Rad -<br />
wandertag« im Jahr 2013 von<br />
Pfronten zur Naturparkregion<br />
Lechtal-Reutte<br />
21
Der Tourismusdirektor<br />
präsentiert bei der Tourismusmesse<br />
CMT in Stuttgart <strong>2015</strong><br />
gemein sam mit der »Bergwiesen -<br />
königin Sinja I« die Vorzüge<br />
des Urlaubsortes Pfronten<br />
Fotos: Marius Lechler; kompan.de; Pfronten Tourismus<br />
Recht ausgefallen ist der Planetenspielplatz der Gemeinde,<br />
auf dem sich die Kinder bei computergesteuerten<br />
Spielen in Teams messen können. Wie<br />
kam es zu dieser Idee?<br />
Wir haben uns zusammen mit einem Landschaftsarchitekten<br />
überlegt: Wie können wir die Spielplätze in<br />
Pfronten künftig gestalten? Die Idee war, ein Themenspielplatz-Konzept<br />
zu entwickeln, realisiert wurden<br />
bisher 13 Spielplätze, davon vier in Kooperation mit<br />
den örtlichen Hotelbetrieben. Die Themen reichen<br />
von der Schatzinsel über Burgen-, Märchen-, Zirkusbis<br />
zum Planetenspielplatz. Dort wird die Spielwelt des<br />
Kindes, die es daheim hat, auf den Spielplatz gebracht.<br />
Die vertraute Spieloberfläche ist nicht auf dem PC,<br />
sondern auf dem großen Schirm am Spielplatz. Ziel ist<br />
das Abklatschen verschiedener Punkte, die Sound-<br />
Module und Leucht-Dioden haben. Das Ganze ist tatsächlich<br />
bei uns in dieser Art in Deutschland zum ersten<br />
Mal gemacht worden. Die Kinder interagieren,<br />
weil sie in der Gruppe spielen. Und es ist eine tolle Erfahrung<br />
für sie, da die Anlage Farben hat und man<br />
Teams bildet. Es gibt auch einige Kommunen, die sich<br />
das anschauen, weil es ungewöhnlich ist. Ich kenne<br />
keinen anderen Ort, der ein ähnliches Themenspielplatz-Konzept<br />
hat. In diesem Jahr eröffnen wir mit einem<br />
neuen Indianerspielplatz den letzten Spielplatz<br />
unserer Konzeption.<br />
Wo würden Sie Pfronten, was die Zahl der Gäste angeht,<br />
in etwa platzieren?<br />
Wir wissen, wo wir mit unseren knapp 600.000 Übernachtungen<br />
im Jahr stehen. Es gibt ein paar sogenannte<br />
»Übernachtungsmillionäre«. Dazu zählen im Allgäu<br />
Füssen, Bad Hindelang, Oberstaufen und mit den<br />
meis ten Übernachtungen Oberstdorf. Da befinden wir<br />
uns in der zweiten Liga. Wir sind nicht groß und nicht<br />
klein. Wobei knapp 600.000 Übernachtungen pro Jahr<br />
im deutschlandweiten Vergleich viel sind – nur im<br />
Allgäu mit seinen vielen »starken« Orten sind wir in<br />
zweiter Reihe.<br />
Tipps für Kids und Nostalgietage<br />
Pfronter <strong>Viehscheid</strong>-Däg:<br />
»Alles rund um Kuh und Hirten« ist das Motto des<br />
Erlebnisprogramms. Zwei Wochen lang finden Aktio -<br />
nen zum Ende des <strong>Alpsommer</strong>s statt. Der Rathaus-<br />
Pavillon zeigt eine Ausstellung über tradi tio nelle<br />
Handwerkskunst im Allgäu (5. bis 19. September)<br />
Kinderortsplan und 13 Themenspielplätze:<br />
In die Welt der Ritter, Märchen, Planeten, Piraten<br />
oder in den Zirkus werden kleine Gäste auf den<br />
bunt gestalteten 13 Themenspielplätzen entführt.<br />
Ein eigener Kinderortsplan mit Tipps weist den Weg<br />
1. Pfrontener Nostalgietage:<br />
Zum ersten Mal findet vom 6. bis 12. Juli die<br />
Pfrontener Nostalgiewoche statt. Veranstaltungen,<br />
Aktionen und eine Ausstellung erinnern an die<br />
»gute alte Zeit«. Höhepunkt ist das traditionelle<br />
Oldtimerrennen »Gamsbartrallye« vom 10. bis 12.<br />
Juli (in diesem Jahr zum 25. Mal)<br />
Kinderhüttenpass:<br />
Kleine Wanderer erhalten nach erfolgreicher<br />
Tour auf den Alphütten vom Hüttenwirt einen<br />
Stempel in den Pass. Je nach Anzahl der Stempel<br />
gibt es als Auszeichnung Wandernadeln in Silber,<br />
Gold und »Supergold« für »Superwanderer«<br />
9. Pfrontener Trachtenmarkt:<br />
Der Markt am 8. und 9. August gilt als einer der<br />
schönsten in Bayern mit allem rund um Allgäuer<br />
Tracht, kostenloser Trachtenberatung, Volksmusikund<br />
Tanzvorführungen<br />
Pfronten Tourismus, Vilstalstraße 2, 87459<br />
Pfronten, Tel. 08363/698-88, www.pfronten.de<br />
22<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Wie sieht eigentlich Ihr persönlicher Hintergrund<br />
in der Touristik aus?<br />
Ich bin geboren in der Nähe von Hannover, meine Jugend<br />
habe ich in Donauwörth verbracht und in Berlin<br />
Tourismus und Landschaftsplanung studiert. Während<br />
meines Diplom-Ingeneursstudiums habe ich erkannt,<br />
dass mir die Arbeit mit Landschaft und Menschen<br />
sehr liegt. In die Region bin ich gekommen, da<br />
ich damals in Berlin eine Allgäuerin kannte. Ich bin<br />
hier geblieben, weil ich glaube, dass das Allgäu eine<br />
der Top-Regionen in Deutschland ist, es ist ein Privileg,<br />
wenn man hier leben darf. Vor 15 Jahren gab es<br />
dann eine Ausschreibung um den Posten des Tourismusdirektors,<br />
auf die ich mich beworben habe.<br />
Bierzelt und ein Haufen Kühe, die durch den Ort kommen.<br />
Das Wichtige dabei soll sein, dass wir alle von<br />
der Alpwirtschaft profitieren, dass es sich um lokale<br />
Identität handelt und dass hier nicht nur etwas für den<br />
Tourismus inszeniert ist. Wir sehen auch den Auftrag,<br />
dem Gast zu vermitteln, was es heißt, Alpwirtschaft zu<br />
betreiben. Die Wertschätzung demgegenüber ist für<br />
mich auch hier ein wichtiges Stichwort.<br />
Das Gespräch führte Marius Lechler<br />
Was ist Ihnen besonders wichtig beim Repräsentieren<br />
der örtlichen Brauchtums-Themen, wie sie zum<br />
Beispiel bei den »Pfronter <strong>Viehscheid</strong>-Däg« praktiziert<br />
werden?<br />
Was mich hier antreibt, ist der Qualitätsanspruch. Die<br />
Wertschätzung dem Handwerk gegenüber ist uns gelungen<br />
mit dem Pfrontener Trachtenmarkt. Dieser<br />
zählt zu den besten in Bayern. Dagegen wollten wir<br />
beim <strong>Viehscheid</strong> zeigen, dass er mehr ist als ein volles<br />
Die Gemeinde im Ostallgäu hatte mit dem computerge steue r -<br />
ten »Planetenspielplatz« eine Vorreiterrolle in Deutschland inne<br />
Anzeige<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
23
<strong>Viehscheid</strong><br />
Konferenz der Tiere<br />
mit weit über 1000 Rindern<br />
Wenn nach Ende des <strong>Alpsommer</strong>s das Vieh wieder in die Täler geführt wird,<br />
begehen dies Hirten, Einheimische und Gäste mit einem großen Fest:<br />
Während der <strong>Viehscheid</strong>e begegnen sich oft wahre Massen an Tieren auf dem<br />
Scheidplatz. In Obermaiselstein umfasst der Alpabtrieb rund 1400 Stück Vieh.<br />
Damit gehört er zu den größten im gesamten Allgäu<br />
Verlief der <strong>Alpsommer</strong> für die<br />
Tiere auf der Alpe unfallfrei,<br />
geht ein prächtig geschmücktes<br />
Kranzrind der Herde voran<br />
Auf zwölf Alpen rund um Obermaiselstein im<br />
Oberallgäu werden jedes Jahr Kühe und Jungvieh,<br />
manchmal auch Esel und Pferde gebracht,<br />
um dort 100 Tage lang den Sommer zu<br />
verbringen. Der Hirte, der die ihm anvertrauten Tiere<br />
in Empfang nimmt, prägt sich ihre besonderen Merkmale<br />
ein. In der Regel kennt er seine Tiere ohne Zuhilfenahme<br />
von Haarmalen oder Ohrmarken. Diese<br />
Gabe zeichnet den Älpler aus. Nach einer erfolgreichen<br />
Sömmerung geht es auf den Alpen rund um<br />
Obermaiselstein an die Vorbereitungen für den <strong>Viehscheid</strong>,<br />
die mit vielen verschiedenen und wichtigen<br />
Aufgaben verbunden sind.<br />
Die letzten Tage vor dem Alpabtrieb, der in Obermaiselstein<br />
in diesem Jahr am 19. September stattfindet,<br />
sind für die Älpler besonders arbeitsintensiv. Die großen<br />
Zugschellen, der Stolz eines jedes Hirten, müssen<br />
auf Hochglanz poliert und deren Fransen gebürstet<br />
werden. Für die Herde werden kleine Sträuße als<br />
Kopfschmuck gebunden.<br />
Ein Kranz für die Schönste<br />
Fotos: Dominik Ultes, Tourismus Hörnerdörfer<br />
Eine Herde wird am <strong>Viehscheid</strong>-Tag nur von einem<br />
Hirten mit einer Kranzkuh geführt, wenn der rund<br />
dreimonatige <strong>Alpsommer</strong> ohne Unfall oder Verlust eines<br />
Tieres verlaufen ist. Da der Älpler natürlich jedes<br />
Tier einzeln kennt, wählt er zum Ende des Sommers<br />
das schönste Rind aus der Herde zum Kranzrind.<br />
Dieses besonders schmucke Prachtstück erhält einen<br />
handgearbeiteten Kranz, der im Oberallgäu aus natürlichen<br />
Materialien gebunden wird: Zweige von Tannen<br />
und Ebereschen, Silberdisteln und andere bunte Bergblumen<br />
bilden die Krone. Sie enthält meist ein Kreuz,<br />
mit dem der Schutz Gottes erfleht wird. Von alters her<br />
24 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> r
Wo die Herden aufeinandertreffen<br />
<strong>Viehscheid</strong> Obermaiselstein: 19. September, ab ca. 9 Uhr<br />
Eingeschränkte Parkmöglichkeiten; Pendelbus vom Busbahnhof Fischen<br />
zum <strong>Viehscheid</strong> Obermaiselstein, Fahrbetrieb von 8 bis 18 Uhr<br />
Auf dem Weg zum Scheidplatz, wo sich die Tiere versammeln, zieht das Vieh einiger Herden durch das Dorf.<br />
Das große Treffen in Obermaiselstein mit Rückgabe der Tiere an ihre Besitzer ist ein wahres Spektakel, das viele Zuschauer anzieht<br />
gehört auch ein Spiegel in den Kranz – er soll die bösen<br />
Geister abwehren.<br />
Zum Alpauszug selbst kommen dann viele fleißige<br />
Helfer zur Unterstützung auf die Alpe. Die Tiere werden<br />
in den Stall getrieben und angebunden. Dort tauschen<br />
die Helfer die Weidschellen gegen die geputzten<br />
Zugschellen aus. Jede Herde bekommt ihr eigenes<br />
Klangbild. Natürlich hilft hier jeder mit, kann doch so<br />
manche stolze Kuh ganz schön störrisch sein, wenn<br />
man ihr den klingenden Halsschmuck anlegen will.<br />
Vieh-Zuteilung auf Zuruf<br />
Je nach Entfernung vom Scheidplatz setzt sich die<br />
Herde am Tag des Alpabtriebes zu bestimmter Zeit in<br />
Bewegung. Die erste Herde aus Richtung Riedbergpass<br />
kommt dort gegen 9 Uhr an. Über den Vormittag verteilt<br />
erreichen die Tiere von den weiteren elf Alpen entweder<br />
gleich den Scheidplatz, oder sie ziehen durch das<br />
Dorf. Die letzte Herde komplettiert schließlich gegen<br />
12.45 Uhr diese rund 1400 Exemplare zählende Konferenz<br />
der Tiere.<br />
Auf dem Platz werden die Vierbeiner schließlich an ihre<br />
Bauern zurückgegeben. Dazu werden die Tiere in einen<br />
großen, trichterförmigen Einschlag getrieben. Aus diesem<br />
kann jeweils immer nur ein Tier durch einen Gang<br />
am Trichterende hinausgelangen. Dort steht der Älpler<br />
und ruft die jeweiligen Besitzer auf dem Platz auf, ihr<br />
Vieh abzuholen. So sehr sich die Tiere für Unkundige<br />
auch ähneln mögen, nach einem Sommer auf der Alpe<br />
erkennt der Hirte jedes einzelne an winzigen Unterschieden,<br />
als käme es aus dem eigenen Stall.<br />
Ist die Arbeit dann getan, geht es zum Essen im Festzelt<br />
und dann zum Scheidball zu Ehren der Alphirten und<br />
Alpmeister bei zünftiger Musik. • Marius Lechler<br />
Dank musikalischer Untermalung haben die Älpler nach Abschluss ihrer Arbeit die richtige<br />
Unterhaltung auf dem Weg ins Festzelt<br />
<strong>Viehscheid</strong>-Vorbereitungen live erleben<br />
Am Vortag des <strong>Viehscheid</strong>s, am 18. September, findet eine »<strong>Viehscheid</strong>-Info-Tour« für Gäste<br />
statt. Nach einer Wanderung auf die Alpen Schattwald und Dinjörgen beobachtet man die<br />
Älpler beim Kranzbinden (falls vorhanden) und Anlegen der Zugschellen. Informationen gibt<br />
es bei Obermaiselstein Tourismus, Am Scheid 18, 87538 Obermaiselstein, Tel. 08326/277,<br />
Fax 08326/9408, E-Mail: info@obermaiselstein.de, www.obermaiselstein.de<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
25
Handwerk<br />
Der Herr der Riemen<br />
für klingenden Schmuck<br />
Im Reich von Herbert Vogler stampft die Nietmaschine, und hin und<br />
wieder hört man das charakteristische Geräusch der allgegenwärtigen<br />
Kuhschellen. Der Gürtelmacher hat in Bolsterlang eine besondere<br />
Geschäftsidee verwirklicht – für Urlaubsgäste stellt er verzierte »Kuhgürtel«<br />
her, außerdem produziert er Zierriemen für Glocken und Schellen<br />
Ganz oben: Herbert Vogler<br />
vernietet die Ornamente für<br />
einen Kuhgürtel mithilfe<br />
seiner Nietmaschine (siehe<br />
auch Detailfoto oben)<br />
Eine Kuh mit Zugschelle weist den Weg zu Herbert<br />
Vogler, dem Gürtelmacher in Bolsterlang.<br />
Seine Werkstatt hat der 49-Jährige im Souterrain<br />
seines Hauses untergebracht, um hier die begehrten<br />
»Chüeli-Gürtel« zu produzieren. Der Begriff weist<br />
auf eine enge Koproduktion mit Schweizer Freunden<br />
hin. Ob großer oder kleiner Bauchumfang, ist kein<br />
Problem – der gelernte Raumausstatter fertigt seine<br />
»Original Allgäuer Kuhgürtel« nach Maß. Durch viele<br />
Aufenthalte auf Alpen kam der Bolsterlanger zu seinem<br />
Nebenberuf rund um Sattlerarbeiten. Denn<br />
außer Gürteln stellt Vogler auch Zierriemen für Kuhglocken<br />
und Kuhschellen her.<br />
Kühe haben es ihm angetan. Daher die Idee, Gürtel mit<br />
silber- oder goldfarbenen Motiven zu verzieren. Die Ornamente<br />
wie Kühe, Pferde, Rosetten, Sonnen oder Edelweiß<br />
kommen aus dem Appenzeller Land. Viele Motive<br />
sind farbig unterlegt und von Hand ziseliert.<br />
Sonderwünsche sind kein Problem<br />
Die handgearbeiteten Metallteile werden auf dem Gürtel<br />
mit Stiften fixiert und durch eine mit Druckluft betriebene<br />
Maschine angenietet. So halten sie dauerhaft<br />
fest. Das Motiv »Herr mit Hund« steht für eine weitere<br />
26 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Fotos: Thomas Niehörster<br />
der Fertigkeiten Voglers: die Herstellung von Hundehalsbändern.<br />
Diese gestaltet er gern nach den Wünschen<br />
des Besitzers und versieht sie etwa mit dem<br />
Namen des Vierbeiners. Begehrt sind auch Gürtel aus<br />
echtem Kuhfell. Alle Gürtel und Hundehalsbänder werden<br />
aus Kern-Leder-Croupon, dem besten Teil des Rü -<br />
ckenleders, geschnitten. Vogler bezieht sein Leder von<br />
außerhalb, da im Allgäu aus Umweltschutzgründen<br />
nicht mehr gegerbt wird.<br />
Seine Kunden sind meist Menschen, die in der Region<br />
Urlaub machen. Sind diese wieder daheim, kommen oft<br />
viele Folgeaufträge aus ganz Deutschland und aller<br />
Welt. Einen echten »Allgäuer Kuhgürtel« bekommt<br />
man eben nicht »um die Ecke«.<br />
w<br />
Zu Besuch im Reich der Schellen<br />
Ganz oben: diverse Glocken<br />
und Schellen aus der Sammlung<br />
des Gürtelmachers für<br />
Kuh, Pferd und Ziege. Oben:<br />
Vielfalt der Ornamente, mit<br />
denen Vogler seine »Kuhgür -<br />
tel« verziert.<br />
Herbert Vogler lässt interessierte Besucher gern einen Blick in seine Werkstatt werfen und<br />
erklärt alles zu Schellen, Riemen und Kuhgürteln. Dort gibt es auch Wissenswertes zum<br />
Sattlerei- und Sennenhandwerk zu erfahren. Bitte zuvor auf jeden Fall einen individuellen<br />
Termin vereinbaren: Herbert Vogler, Stuibenstraße 2, 87538 Bolsterlang,<br />
Tel. 08326/381566, Mobil: 0171/3857656, E-Mail: info@allgaeuer-kuhguertel.de,<br />
www.allgaeuer-kuhguertel.de<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Schellensammlung mit unterschiedlichsten<br />
Exemplaren<br />
und kunstvollen Riemen<br />
Geschenkidee Kuhschelle<br />
Ganz oben: Neben vielen Beispie -<br />
len für unterschiedlichste Klang -<br />
körper hat Voglers Kollektion<br />
auch verchromte Exemplare, die<br />
aber aus der Mode gekommen<br />
sind, zu bieten. Oben: Der tie -<br />
rische Halsschmuck, um den sich<br />
bei ihm alles dreht, ziert sogar<br />
die Außenwand seiner Werkstatt<br />
28<br />
Das »zweite Standbein« des Allgäuer Kunsthandwerkers<br />
ist sein Faible für Kuhglocken und Kuhschellen.<br />
Er verfügt über eine einzigartige Sammlung der verschiedensten<br />
Stücke. Die prachtvollen Glocken und<br />
Schellen eignen sich als Präsent bei unterschiedlichs -<br />
ten Anlässen. Vogler versieht sie mit Zierriemen aus<br />
robustem, langlebigem Rindsleder.<br />
Die Riemen sind durch Applikationen aus farbigen<br />
Wollfransen, mit Dachshaar, Ziernägeln oder Stickereien<br />
jeder für sich ein Unikat. Neben Produkten, die<br />
als Geschenk mitgebracht oder zur Erinnerung an das<br />
Allgäu daheim übers Buffet gehängt werden, lassen<br />
sich in Ecken seiner Werkstatt Raritäten entde cken,<br />
die dem Außenstehenden eher als »Gerümpel« erscheinen.<br />
Dabei sind das wahre Raritäten, die zwar<br />
eher weniger glänzen, aber durch ihr Alter und ihre<br />
ehrwürdige Patina Einzelstücke, die vielleicht sogar<br />
mit eigener Historie behaftet sind, darstellen.<br />
Ein Sammler voller Enthusiasmus<br />
In Herbert Voglers Werkstatt können Kunden auf der<br />
Suche nach einem besonderen Stück Schellen jeder<br />
Machart und für jede Funktion bis hin zu Trachtenund<br />
Brauchtumsschellen finden. Wer hier stöbert und<br />
den Blick schweifen lässt, findet neben Schellen für die<br />
Kuhweide auch Glöckchen und Schellen für Esel,<br />
Schafe und Ziegen.<br />
Auch Schellen für Arbeitspferde, »Pariser Glocken«<br />
und Pferdeglocken für festliche Ausfahrten finden sich<br />
unter den zahlreichen, oft sehr alten Schätzen bei<br />
Vogler. Der unermüdliche Sammler stöbert sie bei Betriebsauflösungen,<br />
in aufgegebenen Liebhabersammlungen<br />
oder bei Bauern im Tauschgeschäft gegen neue<br />
Exemplare auf. • Thomas Niehörster<br />
Zum 18. Geburtstag stellt Herbert Vogler auch mal einen ganz<br />
individuellen Schellenriemen mit persönlicher Prägung her<br />
Glocke oder Schelle?<br />
Eine Kuhglocke besteht aus einer gegossenen<br />
Messing-Legierung (auch mit Bronze- oder Silber -<br />
anteil, letzterer wegen des hellen Klangs) und ist wie<br />
eine Glocke geformt. Die Schelle ist hingegen aus<br />
einem Stück Blech gehämmert oder gestanzt, das<br />
gebogen und früher zusammengenietet, heute ge -<br />
schweißt wird. Innen erhält sie – wie auch die Kuh -<br />
glocke – eine Öse für den Klöppel (»Kalle« bei<br />
Schellen) und oben einen Steg für den Lederriemen.<br />
Man unterscheidet zwei Arten von Schellen: die<br />
»Klöpfar«, die rechteckig geformten, und die<br />
»Bumbla«, die rund geformten. Glocken und Schellen<br />
gibt es in verschiedenen Größen. Manchmal werden<br />
die Glocken einer Herde auf die Töne einer Tonleiter<br />
abgestimmt. Auf der Weide tragen die Rinder in der<br />
Regel die kleinen Weid-Schellen, die (Milch-)Kühe<br />
Glocken.<br />
Auch für Ziegen, Schafe und Pferde gibt es unter -<br />
schiedlich große und verschieden geformte Schellen<br />
und Glocken. Beim Alpauszug werden den Rindern<br />
die großen Zugschellen angelegt, damit das Vieh<br />
besser zieht (läuft). Auch Pferde tragen auf der<br />
Weide Schellen, Arbeitspferde das »Gröll«, ge -<br />
schmiedete Hohlkugeln mit Schlitzen – und vor<br />
Freizeit- und Festschlitten gespannt, das »Glitt«,<br />
verschieden große, rund oder oval geformte soge -<br />
nannte »Pariser Glocken« an einem Lederriemen.<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Anzeigen
<strong>Viehscheid</strong><br />
Der große Augenblick ist<br />
gekommen: Aus dem<br />
Morgennebel tauchen Rinder<br />
und Treiber auf<br />
Der längste Marsch<br />
30 Kilometer bis in den heimischen Stall<br />
<strong>Viehscheid</strong> ist die fünfte Jahreszeit im Allgäu. Im Frühherbst, wenn das Jungvieh<br />
wieder von den Bergweiden getrieben wird, sind die Gästebetten in den Fremden -<br />
verkehrsorten noch einmal weitgehend ausgebucht. Wenn es noch einen kleinen<br />
Geheimtipp für Besucher gibt, dann ist das die Gemeinde Maierhöfen. Im dortigen<br />
Ferienclub gibt es 115 Bungalows und 26 Hotelzimmer nur wenige hundert Meter<br />
vom Scheidplatz – dem Ort des Geschehens – entfernt<br />
Der <strong>Viehscheid</strong> gehört für<br />
ihn zu den Pflicht-Terminen<br />
im Jahreskalender:<br />
»Do derf ma it fehle!«<br />
Hat man sich in einem der familientauglichen<br />
Bungalows einquartiert, sollte man den kurzen<br />
Fußmarsch ins 1600-Einwohner-Dorf im<br />
Landkreis Lindau nicht scheuen. Es kann nicht schaden,<br />
sich in Ruhe zu orientieren, von wo aus man das<br />
kommende Spektakel »Alpabtrieb« beobachten will.<br />
Denn am Tag, an dem die Tiere eintreffen, ist auch in<br />
Maierhöfen wie an allen anderen Allgäuer <strong>Viehscheid</strong> -<br />
orten das Gedränge groß.<br />
Allerdings kann man sich in diesem Westallgäuer<br />
<strong>Viehscheid</strong> einen Vorteil verschaffen. Der Viehtrieb ist<br />
nämlich der längste von allen in der Region, die sechs<br />
Bergweiden der Maierhöfer Bauern liegen im Gebiet<br />
des Hochgrats bei Oberstaufen. Rund 30 Kilometer<br />
müssen die Jungtiere mit ihren Hirten zurücklegen,<br />
um in heimatliche Gefilde zu kommen. Wer das Gedränge<br />
der Zuschauer im Ort und am Ortseingang<br />
vermeiden will, geht einfach dem Viehtrieb auf der<br />
Staatsstraße 1318 ein Stück entgegen. Ein langsam anschwellender<br />
gleichmäßiger Ton hunderter Schellen<br />
kündigt den Zug an, lange, bevor er zu sehen ist. Man<br />
marschiert dann einfach hinter dem Alpzug von rund<br />
250 Tieren ins Dorf zurück. Das Spektakel rund um<br />
das Festzelt in Maierhöfen versäumt man deswegen<br />
nicht. Denn am Scheidplatz angekommen, ruhen sich<br />
die Tiere und die Hirten erst mal aus. Zum Schauen<br />
ist genug Zeit.<br />
Während die Bauern sich langsam daran machen, ihre<br />
Jungtiere zu sammeln und in Richtung Stall zu treiben<br />
oder auf Viehanhänger zu verladen, werden im Festzelt<br />
Ehrungen vorgenommen, die Musikkapelle Maierhöfen<br />
spielt auf und deftige Brotzeit und Allgäuer Bier<br />
werde angeboten. Den ganzen Tag ist im Festzelt und<br />
auf dem Platz darum herum etwas los. Für Kinder gibt<br />
30<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
es Schiffschaukeln und ein Karussell, für die Besucher<br />
allerlei Buden auf dem Krämermarkt mit Haushaltswaren,<br />
lokalen Spezialitäten, Obstbränden, Waffeln,<br />
Spielwaren, Fellprodukten, Schellen und Glocken und<br />
vielem mehr. Wer genug Ausdauer hat, der bleibt nach<br />
dem Abtransport des Viehs bis zum Abend. Dann beginnt<br />
ein abwechslungsreicher Heimatabend im Festzelt.<br />
Trachtengruppen, Alphornbläser und die<br />
Blaskapelle sorgen für Stimmung.<br />
Wer es gerne etwas fetziger haben möchte, der sucht<br />
bereits am Vorabend des Alpabtriebes das Festzelt auf.<br />
Dieser Abend gehört der Jugend und den Junggebliebenen.<br />
Auch dieses Jahr werden wieder die elf Mitglieder<br />
der Gruppe »Lederrebellen« das Festzelt<br />
aufmischen. Die Party-Band wartet mit Blasrock,<br />
Volxmusik und Partykrachern auf. Auf der Bühne und<br />
auf der Tanzfläche davor wird deutlich, dass Party,<br />
Rockmusik und Discobeleuchtung, gepaart mit Lederhose<br />
und Dirndl, keine Gegensätze sein müssen.<br />
Wer sich dem Gedränge im Festzelt an den Abenden<br />
nicht aussetzen will, hat als Gast im Ferienclub Maierhöfen<br />
viele Möglichkeiten, es ruhiger angehen zu<br />
lassen. Die letzten warmen Tage kann man auf der<br />
Terrasse vor dem Ferienbungalow bei einer guten Flasche<br />
Wein ausklingen lassen. Oder man besucht zusammen<br />
mit den Kindern das clubeigene<br />
Schwimmbad »Aquarosa«. Während sich die Eltern in<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
der Sauna oder im Dampfbad entspannen, können die<br />
Kinder Rutsche und Wildwasserkreisel ausprobieren.<br />
Danach erlaubt man sich einen Blick über den Zaun<br />
auf die Ziegenweide oder sieht dem Nachwuchs zu,<br />
wie er sich im Gewolino vergnügt. Denn dieses Jahr<br />
ganz neu ist dieser Spielbereich für Kinder: Abenteuer<br />
im Schlangenwald, die Mutprobe auf der Dschungelbrücke,<br />
ab durch die Dornenquetsche, über eine tiefe<br />
Schlucht auf einem Balken balancieren, schwungvoll<br />
durch die lange Spiralrutsche ins Bällebad, danach auf<br />
dem Trampolin hoch hinaus, toben im Piratenschiff<br />
und auf der Torte…das alles und noch mehr bietet das<br />
neue Spieleparadies.<br />
Klassischer geht es im Freigelände bei einer Minigolfpartie,<br />
beim Bogenschießen, in der Kegelbahn und<br />
beim Ponyreiten in der Westernstadt zu.<br />
Verköstigt werden die Gäste im Club-Restaurant. Bodenständige<br />
Landhausküche und internationale Spezialitäten<br />
wechseln sich ab mit Themenbuffets. Mal<br />
mediterran, mal typisch Allgäu. Zum <strong>Viehscheid</strong> gibt<br />
es sogar ein dazu passendes »Scheidbuffet«.<br />
Gäste, die es gerne etwas individuell haben wollen, erfahren<br />
bei der Tourist-Info in Maierhöfen, welche<br />
Gastbetriebe oder Ferienhöfe im Ort oder in der Umgebung<br />
noch Zimmer oder Appartements frei haben.<br />
Das kleine Büro mitten im Ort ist auch Anlaufstation<br />
für Gäste, die gerne Wander- oder Radtouren-Tipps<br />
Entspannung, Ruhe und<br />
Abwechslung für die ganze<br />
Familie bietet der Ferienclub<br />
Maierhöfen, nur wenige<br />
Gehminuten vom Ortszentrum<br />
Maierhöfen entfernt (Fotos oben)<br />
Gästeamt<br />
Maierhöfen<br />
Brunnenweg 2<br />
88167 Maierhöfen<br />
Tel. 08383/98040<br />
Fax: 08383/98042<br />
E-Mail: info@maierhoefen.de<br />
Gastgeberverzeichnis:<br />
www.tourismus-maierhoefen.de<br />
31
<strong>Viehscheid</strong><br />
haben möchten. Mannigfaltige Wandermöglichkeiten<br />
in herrlicher Natur und kulturelle Highlights wie der<br />
Eistobel, der Skulpturen- oder Glasmacherweg warten<br />
auf den Wanderfreudigen. Bekannt ist das Naturschutzgebiet<br />
Eistobel ganz in der Nähe, das zu Bayerns<br />
schönsten Geotopen zählt. Auf einer beeindruckenden<br />
Wanderung kann man es erleben und sich von den<br />
Naturschauspielen bezaubern lassen.<br />
Auf 25 neu ausgewiesenen Wanderrouten lässt sich im<br />
Westallgäu die ganze Vielfalt des Elementes Wasser<br />
entdecken. Die »Westallgäuer Wasserwege« führen zu<br />
idyllischen Weihern und geheimnisvollen Quellen, zu<br />
historischen Mühlen, zu alten Sägen, zu verwunschenen<br />
Mooren und schattigen Schluchten, zu rauschenden<br />
Bächen und tobenden Wasserfällen. Vom<br />
Maierhöfer Hausberg, der 1069 Meter hohen Kugel,<br />
hat man einen sensationellen Blick auf die Nagelfluhkette<br />
bis zu den Schweizer Alpen. Viele Gäste des<br />
Westallgäuer Ortes Maierhöfen nutzen den Aufenthalt<br />
dort zu einem Ausflug an den nahen Bodensee. •<br />
Fotos: Peter Elgaß<br />
Partylaune holt man sich am Vorabend des <strong>Viehscheid</strong>s im Festzelt mit den »Lederrebellen«<br />
(Foto ganz oben). Bis auf den letzten Platz besetzt ist das Festzelt, wenn diese Truppe aufspielt.<br />
Dirndl und Disco – für die jungen Damen aus Maierhöfen ist das kein Gegensatz (Fotos in der<br />
Mitte). Die Kleinen finden allerdings die Stände und das Angebot auf dem Festplatz<br />
interessanter (Fotos oben)<br />
32 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
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Interview<br />
Paradies unterhalb der<br />
Schwarzenberghütte im<br />
Hintersteiner Tal<br />
Scharfer Blick<br />
auf das wahre Allgäu<br />
Der 54-jährige Fotojournalist Wolfgang B. Kleiner (l.) liefert unter<br />
anderem seit zehn Jahren die Tourismus-Werbebilder von Bad<br />
Hindelang. Kürzlich ist sein Bildband »Kulturerbe Alpwirtschaft«<br />
erschienen. Themengebiete wie Bergwelt, Alpwirtschaft, aber<br />
auch Kühe gehören dabei zu den wichtigen Motiven. Wir haben<br />
den Bildkünstler getroffen<br />
<strong>Alpsommer</strong> & <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>: Herr Kleiner, Sie<br />
sind seit 37 Jahren als Fotograf aktiv. Wie hat Ihre<br />
Karriere begonnen?<br />
Wolfgang B. Kleiner: Noch während meiner Schulzeit<br />
habe ich im Alter von 17 Jahren als freier Mitarbeiter<br />
bei Lokalzeitungen in Augsburg angefangen.<br />
Das Wissen hatte ich mir selbst beigebracht – durch<br />
Probieren, durch Lesen von Artikeln in Fotozeitschriften<br />
und Fotofachbüchern, durch Analyse interessanter<br />
Presse- und Zeitschriftenbilder.<br />
Warum sind Sie Fotograf geworden?<br />
Die Verbindung aus Geografie und Fotografie hat<br />
mich interessiert.<br />
In Ihrer Kurzbiografie im Bildband »Kulturerbe<br />
Alpwirtschaft in Bad Hindelang im Naturschutzgebiet<br />
Allgäuer Hochalpen« steht, dass Sie »die halbe<br />
Welt« als Fotograf bereist haben. Wie kam es dazu?<br />
Fotografie für Lokalzeitungen war für mich eine Sackgasse,<br />
weil ich weltweit unterwegs sein wollte. Über<br />
Abenteuerreise-Vorträge lernte ich die Referenten der<br />
Vorträge kennen und arbeitete dann auf deren Fahrten<br />
durch die Sahara und Afrika für ihre Vortrags- und<br />
Buchprojekte. Als Nordafrika zu unsicher wurde, habe<br />
ich mir die Südsee als Fotojournalismus-Thema ausgesucht.<br />
Zeitungsthemen und Abenteuerreise-Vortragsfotografie<br />
führten mich später auch nach Mittelamerika<br />
und in die USA. Parallel begann ich, für die<br />
Branche der Firmenzeitschriften zu arbeiten.<br />
34<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Ihre Fotoreisen führten Sie in sozial sehr unterschiedliche<br />
Regionen. Was nahmen Sie aus diesen<br />
Erlebnissen im Besonderen mit?<br />
In Afrika sieht man erschreckende Armut und Krankheit<br />
offen auf der Straße. In Nicaragua haben sich die<br />
Leute vorgedrängt, um fotografiert zu werden. Es<br />
machte sie stolz, Motiv zu sein. In die Südsee hatten<br />
mich Kulturfestivals gezogen. Die Südseekultur ist<br />
durchaus mit der Allgäuer Kultur vergleichbar, was die<br />
identitätsstiftende Wirkung für die Gemeinschaft angeht.<br />
Gerade das Allgäu erscheint als heile Welt mit<br />
Puppenstuben-Charakter, wenn man Elend und Armut<br />
in anderen Weltgegenden gesehen hat.<br />
Vermissen Sie heute die Fernreisen?<br />
Im Laufe der Jahre habe ich zu viel Zeit in Flugzeugen<br />
verbracht, auch nerven mich heute die Schikanen an<br />
den Flughäfen und die Reisestrapazen. Durch meine<br />
aktuellen Fotoprojekte zwischen Augsburg und Bad<br />
Hindelang habe ich entdeckt, dass auch unsere Region<br />
touristisch wie fotografisch interessant sein kann.<br />
Was hat Sie nach Bad Hindelang geführt?<br />
können. Dadurch kann die Imagebroschüre jedes<br />
Jahr neu gestaltet werden, auch ergeben sich nun zahlreiche<br />
werbewirksame Veröffentlichungen über den<br />
Ort in namhaften Medien wie im Bergsteiger-Magazin,<br />
im Alpin-Magazin, in Spiegel Online, beim Bayerischen<br />
Rundfunk. Von Bad Hindelang bin ich in geografischer,<br />
kultureller und touristischer Hinsicht überzeugt,<br />
sonst wäre ich nicht seit zehn Jahren für den Ort<br />
tätig. Ich finde dort viele fotografisch interessante Themen,<br />
die ich mir oft selbst suche. Letztlich sind fast<br />
alle Themen für Tourismuswerbung verwendbar.<br />
Zentral wichtig ist für mich die positive Unterstützung<br />
meiner Tätigkeit durch Tourismusdirektor Max Hillmeier<br />
und Bürgermeister Adalbert Martin. Für die Tätigkeit<br />
in Bad Hindelang kommt mir mein Werdegang<br />
als Lokalzeitungsfotograf, Reisefotograf und Mitarbeiter<br />
von Firmenzeitschriften entgegen, weil genau diese<br />
Kombination vor Ort gebraucht wird.<br />
<br />
Die Kranzkuh beim <strong>Viehscheid</strong><br />
der Plättele-Alpe<br />
hat ihren eigenen Kopf<br />
Hirten der Willersalpe im<br />
Gespräch nach dem Alpabtrieb<br />
Für einen Augsburger Verlag hatte ich ursprünglich<br />
Bilder für die Tourismuswerbung von Bad Hindelang<br />
geliefert. Bad Hindelang Tourismus hat mich daraufhin<br />
direkt engagiert. Viele Tourismusorte sparen an<br />
der Fotografie, verwenden oft veraltete und langweilige<br />
Bilder für die Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Bad Hindelang sieht einen Wettbewerbsvorteil darin,<br />
aktuelles und ständig neues Bildmaterial präsentieren<br />
zu<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
35
Hirten der Älpen- und Eckalpe schieben die<br />
Tiere ihrer Herde beim <strong>Viehscheid</strong> in Bad<br />
Hindelang durch die Sieche, um das Vieh<br />
Stück für Stück den Besitzern zurückzugeben<br />
Welche Bücher gibt es von Ihnen?<br />
Aktuelle Bildbände unter meinem Namen gibt es zu<br />
Augsburg, Regensburg und Bad Hindelang. Bilder für<br />
Reiseführer über Augsburg, Donauwörth, Aschaffenburg,<br />
Regensburg und Bayerisch-Schwaben habe ich<br />
ebenso geliefert.<br />
Sind Sie als Fotograf gerne in den Bergen?<br />
Städte sind für mich wie Ameisenhaufen – ein unübersichtliches<br />
Durcheinander. Um Städte mache ich<br />
mittlerweile persönlich und fotografisch einen großen<br />
Bogen. Die Ruhe und Übersichtlichkeit in den Bergen<br />
ist mir da viel lieber. Ich schätze aber auch Inseln als<br />
Fotothemen.<br />
Der Hindelanger Klettersteig<br />
in Nähe des Nebelhorns<br />
Jungbauer Meinrad Huber hilft im<br />
elterlichen Kuhstall in Unterjoch<br />
Fotos: Wolfgang B. Kleiner<br />
Für Ihre Fototätigkeit für Bad Hindelang müssen<br />
Sie nicht nur körperlich fit sein und bergsteigen<br />
können – Sie müssen sich darüber hinaus mit »den<br />
Allgäuern« verstehen. Wie schaffen Sie das?<br />
Erst die Bildbände haben mich in Bad Hindelang allgemein<br />
bekannt gemacht. Das ebnet nun manche<br />
Wege, zumal immer mehr Einheimische verstehen,<br />
dass meine Fotografie zu ihrem wirtschaftlichen und<br />
ideellen Vorteil ist. Doch mit dem einen oder anderen<br />
Bergler gerate ich auch heute noch aus heiterem Himmel<br />
aneinander. Meist sind es »kulturelle Unterschiede«,<br />
die zu Konflikten führen. Ernsthaft klettern muss<br />
ich nie, es ist eher Bergwandern. Die Alphirten sind<br />
topfit und springen auf den steilen Weiden wie die<br />
Gämsen herum, ohne zu ermüden. Wie man das über<br />
Jahrzehnte aushalten kann, ist mir unbegreiflich. Da<br />
kann ich körperlich überhaupt nicht mithalten.<br />
36<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Wie viel Geduld müssen Sie für ein perfektes Foto<br />
aufbringen?<br />
Meine Herangehensweise ist anders: Ich bin möglichst<br />
oft vor Ort, mache ähnliche Situationen öfter mit und<br />
hoffe auf den spontanen Zufall. Das »perfekte Bild«<br />
strebe ich aber nicht an, denn die Bilder sollen noch<br />
realistisch und glaubwürdig sein.<br />
Auch gibt es bei mir keine Fotomontagen oder Computerbasteleien<br />
an den Bildern. Geduld erfordert eher<br />
die reine Tourismusfotografie, weil das Wetter, im<br />
Winter zusätzlich die Schneesituation, einheimische<br />
Models und der geeignete Fotohintergrund nicht immer<br />
gleichzeitig zur Verfügung stehen.<br />
Welche Rolle spielt das Wetter für Ihre Fotografie?<br />
Für Tourismusfotografie wird möglichst gutes Wetter<br />
verwendet. Ich sehe mich aber parallel als Fotojournalist,<br />
der das echte, ungeschönte Leben der Menschen<br />
in den Bergen und im Tal zeigen will. Da kann<br />
schlechtes Wetter sehr viel ausdrucksstärker als Sonnenschein<br />
sein. Meine besten <strong>Viehscheid</strong>-Bilder habe<br />
ich bei einem Wolkenbruch gemacht. Bei festgelegten<br />
Terminen wie Alp-Abtrieb oder <strong>Viehscheid</strong> muss ich<br />
das Wetter hinnehmen, wie es ist. Aber ich ziehe meinen<br />
Hut vor der Leistung der Alphirten, die bei jedem<br />
Sauwetter auf ihre Herden aufpassen müssen.<br />
Tourismusbilder sind oft arrangiert. Wie viel Freiheit<br />
bleibt Ihnen dabei?<br />
Die meisten Personenbilder in Lokalzeitungen sind arrangiert.<br />
Da ich aus der Pressefoto-Szene komme, bin<br />
ich mit dem Nachstellen von Situationen vertraut. Die<br />
nachgestellten Tourismussituationen wie Wandern,<br />
Radfahren, Bergsteigen, Relaxen sollen Musterbeispiele<br />
für Urlaubssituationen sein.<br />
Mit Bad Hindelang Tourismus bespreche ich Themen<br />
grob, habe aber in der Umsetzung große Freiheiten. Die<br />
Organisation der Fotoaktionen erledige ich meistens<br />
selbst, weil dann alle Fäden bei mir zusammenlaufen.<br />
»Kulturerbe Alpwirtschaft« begleitet Bad Hindelangs<br />
Antrag auf Aufnahme ins UNESCO-Verzeichnis für<br />
das immaterielle Kulturerbe. Wann hatten Sie die<br />
rund 160 Aufnahmen hierfür »im Kasten«?<br />
Im Sommer 2013 und 2014 war ich drei Monate meist<br />
zu Fuß unterwegs, um die etwa 15 aktiven Alpen im<br />
Hintersteiner Tal und Retterschwangertal der Reihe<br />
nach zu besuchen und zu dokumentieren. In den Bildband<br />
sind auch Bilder der letzten zehn Jahre eingeflossen,<br />
die zum Thema passen. Das selbstgestellte Fotoprojekt<br />
»Bad Hindelanger Alpwirtschaft« ist noch nicht<br />
abgeschlossen und könnte ein Dauerprojekt werden.<br />
Das Gespräch führte Thomas Niehörster<br />
Alpwirtschaft als<br />
»Immaterielles Kulturerbe«<br />
Mit dem Übereinkommen zur Sicherung des immateriellen<br />
Kulturerbes will die UNESCO weltweit vorhandenes<br />
traditionelles Wissen, Können und<br />
Brauchtum erhalten. Damit können erstmals über<br />
viele Generationen gepflegte deutsche Kulturgüter,<br />
Traditionen und Bräuche in eine Sammlung, die die<br />
kulturellen Schätze eines Landes bewahren will, aufgenommen<br />
werden.<br />
Mit dem Ökomodell »Kultur und Natur« und 19 Alpen<br />
auf seinem Gemeindegebiet bewarb sich Bad<br />
Hindelang 2014 darum, in das Verzeichnis »Immaterielles<br />
Kulturerbe« der Deutschen UNESCO-Kommission<br />
aufgenommen zu werden. Nur zwei Projekte<br />
pro Bundesland werden pro Jahr bei der Aufnahme<br />
berücksichtigt. Im vergangenen Jahr wurde die Bewerbung<br />
Bad Hindelangs zugunsten der Oberammergauer<br />
Passionsspiele und der »Limmersdorfer<br />
Lindenkirchweih« zurückgestellt. Doch hat die Hindelanger<br />
Bewerbung beste Chancen, beim nächsten<br />
Auswahlgang berücksichtigt zu werden, da die »Tradition<br />
der hochalpinen Alpwirtschaft im Allgäu«<br />
vom bayerischen Bildungsminister Dr. Ludwig<br />
Spaenle bereits in das Bayerische Landesverzeichnis<br />
des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.<br />
Außerdem hat das Bad Hindelanger Projekt in<br />
Staatsminister Dr. Marcel Huber und Staatsminister<br />
a.D. Josef Miller zwei starke bayerische Fürsprecher.<br />
Der reich illustrierte Bildband »Kulturerbe Alpwirtschaft«<br />
mit Fotos von Wolfgang B. Kleiner zeigt die<br />
ganze Vielfalt dieser über Generationen gepflegten<br />
und im Allgäu fest etablierten Tradition, die einen<br />
wichtigen Beitrag zum Leben der Menschen leistet<br />
und die Region prägt.<br />
Neun Autoren, vom Staatsminister bis zum Studenten<br />
der Kulturgeografie, vom Biolandwirt bis zum<br />
Filmproduzenten, werfen in ihren Beiträgen ein<br />
Licht auf die Facetten der Alpwirtschaft aus unterschiedlichen,<br />
oft überraschenden Perspektiven. Das<br />
Buch beschreibt eindrucksvoll die bayernweit einzigartige<br />
Hindelanger Alpwirtschaft.<br />
Die herausragenden Fotos von Wolfgang B. Kleiner<br />
zeigen neben der faszinierenden Berglandschaft im<br />
Naturschutzgebiet »Allgäuer Hochalpen« Porträts<br />
von Älplern, Bergblumen, vom Vieh und vom<br />
Brauchtum.<br />
Thomas Niehörster<br />
Kulturerbe Alpwirtschaft in Bad<br />
Hindelang im Naturschutzgebiet<br />
Allgäuer Hochalpen, von Wolfgang<br />
B. Kleiner (Fotos) und mit Beiträgen<br />
von Werner Bätzing, Wolfgang Birk,<br />
Leo Hiemer, Marcel Huber, Martin<br />
Kluger, Adalbert Martin, Josef Miller,<br />
Alfred Ringler, Matthias Schmid,<br />
120 Seiten, 143 Farbfotos, Preis:<br />
19,80 Euro, ISBN 978-3-939645-80-1,<br />
Context Verlag, Augsburg 2014<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
37
Handwerk<br />
Der Tierarzt Anton Stöckler sammelte während seiner Besuche auf den Almen<br />
allerhand Käsereiwerkzeuge. Heute ermöglichen sie eine handwerkliche Zeitreise<br />
Das goldene Handwerk<br />
im Alpsennereimuseum Hittisau<br />
Hittisau ist mit rund 120 Alpen beziehungsweise Almen die alpenreichste<br />
Gemeinde im benachbarten Österreich. Sie birgt außerdem eine historisch<br />
wertvolle »Schatzkiste«: eine voll funktionsfähig eingerichtete Alpsennereiküche,<br />
die Arbeitsweise und Gerätschaften der Käseherstellung und Milchverarbeitung<br />
aus den letzten 300 Jahren im Bregenzerwald zeigt<br />
Mit der Milchzentrifuge<br />
schlug man Sahne, Butter<br />
und Magermilch<br />
Dem früheren Tierarzt Anton Stöckler aus Hittisau,<br />
der 92-jährig im Jahr 2011 verstarb, ist<br />
es zu verdanken, dass im Ort eine original<br />
Alpsennerei zu besichtigen ist. Von seinen Besuchen<br />
bei krankem Vieh auf den Alpen – früher per Pferd,<br />
später mit dem Motorrad – brachte der rührige Heimatkundler<br />
Gerätschaften mit, die er erst in der Gemeindebücherei,<br />
später im Untergeschoss des Rittervon-Bergmann-Saales<br />
unterbrachte, um sie als Alpsennerei<br />
mit angeschlossener Stube wieder aufzubauen.<br />
In dem Raum, original mit Holz vertäfelt, wie auf<br />
Alpen üblich, sieht der Besucher alles, was früher zum<br />
Sennen verwendet wurde. Neben einzelnen Gerätschaften<br />
wie einer Milchtrage oder einer handbetriebenen<br />
Zentrifuge fällt besonders die einfache, aber wirkungsvolle<br />
Käsepresse ins Auge, die aus einem runden Holzrahmen<br />
und einem Druckstempel besteht. Der fertig<br />
»gedeckte« Tisch in der Stube, deren Einrichtung ebenfalls<br />
aus einer Alpe stammt, lädt zu »Käsknöpfle« ein.<br />
Die liebevollen Details – wie etwa die Löffel in den Tellern<br />
oder die rotweiß-karierten Kissen auf der Eckbank<br />
– erwecken einen lebendigen Eindruck. Man kann sich<br />
vorstellen, dass hier in zwei Minuten die Pfister und der<br />
Senn zum Essen hereinstürmen.<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Eine Holztafel stellt den Zusammenschluss der örtlichen<br />
Sennereien zur Sennerei Hittisau von 1977 anschaulich dar<br />
Ein Tierarzt wird Schatzhüter<br />
Mit der Einrichtung des Museums wollte Stöckler die<br />
Erinnerung, wie auf Alpen ohne technische Hilfsmittel<br />
gesennt wurde, bewahren. Denn nur auf ein paar wenigen<br />
der vielen Alpen rund um Hittisau wird heute<br />
noch gesennt. In den 1980er und 1990er-Jahren wurden<br />
viele Alpen durch Wege und Seilbahnen erschlossen,<br />
sodass die Milch abtransportiert und anderswo<br />
verarbeitet werden konnte. Personalmangel und strengere<br />
Hygienebestimmungen durch die EU führten<br />
ebenfalls dazu, dass die Alpsennereien geschlossen<br />
wurden. Der Tierarzt erkannte diese Entwicklung früh<br />
und begann, die ersten Ausstellungsstücke für das<br />
Alpsennereimuseum zu sammeln.<br />
Träger des Hauses und des Museums ist die Gemeinde<br />
Hittisau. Die Ausstellung ist mittwochs ab 10 Uhr geöffnet,<br />
wobei auch ein Film gezeigt wird.<br />
Die Sennerei Hittisau heute<br />
Die Sennerei Hittisau wurde 1977 als Genossenschaft<br />
gegründet, in die die ehemaligen Betriebe der Orte<br />
Rain, Reute, Ach, Schönbühl, Windern und Platz integriert<br />
wurden. Sie verarbeitet zwischenzeitlich rund<br />
5,6 Millionen Kilogramm Milch pro Jahr (davon etwa<br />
1,6 Millionen Kilogramm Alpmilch), die von 51 Talbetrieben<br />
und 49 Alpen übernommen wird. Daraus<br />
produzierte die Sennerei Hittisau 2014 rund 26.000<br />
Kilogramm Butter, ca. 22.600 Kilogramm Emmentaler<br />
und etwa 545.000 Kilogramm Bergkäse. Die Produkte<br />
werden neben dem Geschäft im Ortszentrum von Hittisau<br />
sowohl in Österreich als auch im Allgäu verkauft.<br />
Sämtliche verarbeitete Milch ist silo- wie gentechnikfrei<br />
und unterliegt strengen Kontrollen, die bei Verstößen<br />
finanzielle Kürzungen bei den Lieferanten nach sich ziehen.<br />
Die Alpen verteilen sich auf Hittisau (41 Betriebe),<br />
Balderschwang (7) und Oberstaufen (1). Hittisau hat<br />
die größte Alpdichte in ganz Österreich. Der Bergkäse<br />
und der Emmentaler aus der sogenannten »Heumilch«<br />
wurden vielfach mit Gold- und Silbermedaillen prämiert,<br />
unter anderem auf der »Käseolympiade« in<br />
Oberstdorf. • Thomas Niehörster<br />
Das Alpsennereimuseum<br />
Hittisau<br />
Platz 187, A-6952 Hittisau<br />
Führungen<br />
Jeden Mittwoch um 10 Uhr<br />
(mit Anmeldung), auf Anfrage<br />
können jederzeit andere<br />
Termine ausgemacht werden.<br />
Die Führungen dauern etwa<br />
eine Stunde.<br />
Eintrittspreis: 4 Euro pro<br />
Person inkl. Käseverkostung<br />
Information und Anmeldung<br />
Hittisau Tourismus<br />
Tel. +43 (0)5513 6209-50<br />
E-Mail: tourismus@hittisau.at<br />
Unten von links nach rechts:<br />
Herrgottswinkel in der<br />
Alpsennerei, in der auch die<br />
gemeinsamen Mahlzeiten<br />
eingenommen wurden.<br />
Die Sennerei Hittisau heute.<br />
Siebe und Kraxe für den<br />
Milchtransport<br />
Anzeige<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
39
Historie<br />
Als Volkshelden verehrt,<br />
als Verbrecher hart bestraft<br />
Sie führten nicht nur im Allgäu vergangener<br />
Jahrhunderte ein Leben auf der Flucht vor<br />
der Obrigkeit und wurden zum Teil von der<br />
Bevöl kerung zu Freiheitshelden stilisiert. Mit<br />
ihrer illegalen Jagd begaben sich Wilderer, die<br />
oft aus Notlagen heraus zu ihren Taten getrieben<br />
wurden, in große Gefahr für Leib und Leben<br />
Fotos: Archiv Heimatmuseum Oberstdorf, Thomas Niehörster<br />
Ganz o.: »Wilderer bei Mond -<br />
schein« (1833) von Carl<br />
Altmann (1800-1861). Oben:<br />
Mit »Abschrau bern«, zerleg -<br />
baren Ge wehren, gin gen<br />
All gäuer Wilderer ans Werk<br />
Eine Volkssage aus Österreich charakterisiert die<br />
im Verborgenen operierenden Jagdgesellen<br />
folgendermaßen: »Der Wilderer habe eine<br />
Fliege, wissend wer es sei, verschluckt, ohne sie zu zerbeißen;<br />
von da an sei er mit dem Teufel im Bunde gestanden.«<br />
Verbunden ist damit die Beobachtung, dass<br />
Wilderer, auch Schwarzgeher genannt, heimlich taten<br />
und selten von einem Jäger gestellt wurden.<br />
Für die Bauern waren Wald und Wild frei. Eine Auffassung,<br />
die aus frühesten Zeiten bäuerlicher Ansiedlungen<br />
stammt. Nicht nur, dass Bauern sich auch<br />
durch Wild ernährten, sie mussten ihre Äcker gegen<br />
das Wild verteidigen, um nicht zu hungern. In Volksliedern<br />
wird der Wilderer als kräftiger, großer Mensch<br />
verklärt, der nicht nur die eigene Familie, sondern auch<br />
arme Menschen in seinem Dorf mit Wildbret versorgt.<br />
Kerker und Galeerenhaft für Wilderer<br />
Die Wilderei wird erst seit dem 15. Jahrhundert verfolgt,<br />
als die bayerischen Herzöge das Jagdrecht zum<br />
Regal, dem alleinigen Anspruch auf die Jagd, erhoben.<br />
Sie galt ab dem Mittelalter als edelster Zeitvertreib des<br />
Adels und kirchlicher Würdenträger. Mit Einführung<br />
des Jagdregals war es nun der nicht adeligen Bevölkerung<br />
verboten, zu jagen. Über diesen Affront hinaus<br />
waren die Bauern gezwungen, mit ihren Hunden den<br />
Herrschaften als Treiber zu dienen. Für die vielen Jagden<br />
wurde ein hoher Wildbestand vorgehalten. Er suchte<br />
seine Nahrung auf den Feldern und verursachte Hunger.<br />
Durch die Herrschaft legitimierte Jagdaufseher<br />
übernahmen Schutz und Pflege des Jagdreviers. Alle il-<br />
40<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
legalen Jäger wurden fortan als »Wilderer« bezeichnet.<br />
Obwohl die Wilderei mit Kerker- oder Galeerenhaft,<br />
Blendung und sogar Hinrichtungen hart bestraft wurde,<br />
gingen viele der heimlichen Jagd nach. »Der im<br />
Gefängnis der Burg Wolkenstein gefangengehaltene<br />
Wilderer Hans Mörk von Unterthingau sollte 1582 als<br />
Galeerensklave nach Italien verkauft werden, es sei<br />
denn, dass seine Verwandtschaft die Unterhaltskosten<br />
für lebenslängliches Gefängnis aufbringt. Im Januar<br />
1727 transportiert der stiftkemptische Eisenmeister<br />
Hans Georg Klingensteiner 4 zur Galeerenstrafe verurteilte<br />
Wilderer unter militärischer Bedeckung von<br />
acht stiftkemptischen Soldaten über Reutte und Innsbruck<br />
nach Venedig.« (Quelle: Alfred Weitnauer, Allgäuer<br />
Chronik)<br />
Es war nicht nur die Nahrungsknappheit, die Menschen<br />
zur Wilderei trieb, sondern die Begrenzung von Schäden<br />
auf den Feldern, die durch das Haarwild und Wildschweine<br />
verursacht wurden. Manche Wilderer wie der<br />
»Bayerische Hiasl« Matthias (eigentlich Matthäus)<br />
Klostermayr und Georg Jennerwein wurden deshalb zu<br />
Volkshelden stilisiert und in Volksliedern besungen.<br />
Der Bergsteiger und Buchautor Willi Wechs schrieb in<br />
seinem Text »Rivalen über Kimme und Korn« dazu:<br />
»Männer, die es nicht einsehen wollten und konnten,<br />
daß das Jagen nur eine Sache der Herrn sein sollte. Die<br />
Jagdleidenschaft saß ihnen genauso im Blut wie den<br />
Herren und Jägern«.<br />
Bei aller Wildererromantik darf nicht vergessen werden,<br />
dass viele Wilderer nichts auf ein Menschenleben gaben<br />
und etliche Jagdaufseher bei der Ausübung ihrer Pflicht<br />
von Wilderern erschossen wurden. Die Bevölkerung<br />
hat jedoch die Jagdhoheit des Adels oder der Landesherren<br />
nie wirklich akzeptiert. So war eine der Forderungen<br />
der Bürgerrevolution von 1848/49 die der Jagdfreiheit.<br />
Das Jagdrecht erhielt der Grundeigentümer.<br />
Oben: Wil derer-Szene<br />
im Heimat museum<br />
Hindelang. Links: Anton<br />
Desinger, genannt<br />
»Bums«, aus dem<br />
Birgsautal, stellte dem<br />
Wild ebenfalls illegal<br />
nach. Sein Foto und<br />
weitere Zeugnisse der<br />
Wilderei im obersten<br />
Allgäu können im Hei -<br />
matmuseum Oberstdorf<br />
besichtigt werden<br />
<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
41
Idealbild in Literatur und Film<br />
»Der königliche Oberjäger und sogenannte Adlerkönig<br />
Leo Dorn war nicht nur ein fanatischer Adlerjäger,<br />
ein verwegener und furchtloser Alpinist, sondern auch<br />
ein grobschlächtiger, gefürchteter Wildererbekämpfer,<br />
der nachweislich 41 Wilderer bei ihrem Unwesen stellte<br />
und manche sogar bis ins Tirol hinein verfolgte, wobei<br />
es des Öfteren zu gefährlichen Schusswechseln<br />
(leider auch mit tödlichem Ausgang!) kam.« (Quelle:<br />
www.kienles.de/blog)<br />
Da das Jagen und damit auch das Wildern in den Alpen<br />
nicht nur besonders gute Orts- und Witterungskenntnisse<br />
verlangte, sondern auch ein gerütteltes<br />
Maß an Kühnheit, entstand im 19. Jahrhundert, als das<br />
Bergsteigen noch völlig fremd war, eine ganz eigene<br />
Verklärung der »Gebirgsschützen«. Besonders in den<br />
Romanen des Kaufbeurer Schriftstellers Ludwig<br />
Ganghofer, Sohn eines Försters, fand sie ihren Niederschlag.<br />
Noch in den Heimatfilmen der 1950er-Jahre<br />
wurde der Wildschütze als Held dargestellt und verehrt.<br />
Heute findet man sie auf Bierkrügen, Votivtafeln,<br />
auf Ölschinken und sogar als »Playmobil«-Bausatz<br />
verewigt.<br />
Aus dem Allgäu und dem benachbarten Tirol wird<br />
von »manch harten Duellen« zwischen Wilderern und<br />
Jägern erzählt. So berichtet Konrad Berktold aus Bad<br />
Oberdorf vom Jäger Michl Besler, der in bischöflich-<br />
Hinrichtung des »Bayerischen Hiasl« Matthias Klostermayr in<br />
Dillingen im Jahr 1771. Kupferstich von J.G. Will, Augsburg<br />
augsburgischen Diensten stand und einen Wilderer in<br />
Notwehr erschoss, dass die Kameraden des Wilderers<br />
»den Jäger vollständig entkleideten, an einer Tanne<br />
mit dem Kopf nach unten aufhängten, und zwar<br />
so, dass der Kopf in einem Ameisenhaufen steckte.<br />
Den Mund hatten sie ihm mit einem Stück Holz<br />
aufgesperrt«.<br />
Im Grenzraum zwischen Bayern und Österreich waren<br />
die Wilderer gleichzeitig Schmuggler, die es neben<br />
den Forstbeamten nun auch mit der Grenzpolizei zu<br />
tun bekamen. Dabei bewegten sie sich auf Wildererpfaden,<br />
die den Wildwechseln durchs Unterholz und<br />
über Berggrate folgten. Im Heimatmuseum Hindelang<br />
in der »Oberen Mühle« nimmt eine nachgestellte Szene,<br />
bei der ein Förster einen Wilderer in flagranti ertappt,<br />
das Thema »Wilderei« auf.<br />
Leo Dorn aus Oberstdorf,<br />
Leibjäger des Prinzregenten<br />
Luitpold von Bayern, verwal -<br />
tete nicht nur dessen Jagd -<br />
revier, sondern tat sich auch<br />
besonders als gnadenloser<br />
Wildererbekämpfer hervor<br />
Illustrationen: Christian Wilhelm Allers, Carl Altmann, J.G. Will<br />
Schattenseiten bis in die Gegenwart<br />
Wilderer, die mit der Büchse die »Schwarzgeherei«<br />
ausüben, sind nur die Spitze des Wildfrevels. Bis heute<br />
wurde und wird das Wild überwiegend nicht waidgerecht<br />
erlegt. Und angeschossenem Wild wird nicht<br />
nachgegangen, sodass es elendig verreckt. Die Wilderer<br />
benützen ein kleineres Kaliber als die Jäger, das<br />
nicht so viel Schusslärm erzeugt. Weitaus mehr Wild<br />
jedoch wird von Schlingenstellern erbeutet. Sie scheren<br />
sich nicht um das Leid der Tiere, die oft tagelang<br />
in der Schlinge leiden müssen.<br />
Hatten die Wilderer früherer Tage noch aus Not gehandelt,<br />
ist die Wilderei aus heutiger Sicht eine unverzeihliche<br />
Straftat. Mag man noch nachsehen, wenn es<br />
Wilderern des 21. Jahrhunderts »nur« um die Trophäen<br />
geht, so schockieren Pressemeldungen wie in der<br />
»Augsburger Allgemeinen«, dass im Juni 2011 zwei<br />
Bergsteiger im Bereich der Oberen Niggenalpe im<br />
Hintersteiner Tal Drahtschlingen gefunden haben, die<br />
an den Eingängen von Murmeltier-Bauen ausgelegt<br />
und mit einem Holzpfahl befestigt waren. Um zehn<br />
Prozent habe die Wilderei in den letzten drei Jahren<br />
zugelegt, berichtete das Bayerische Fernsehen in der<br />
»Abendschau« vom 24. September 2014. Wilderei war<br />
auch Thema bei einem Jägerstammtisch 2013 in Fischen:<br />
Es wurde sogar ein ehemaliger Schwarzjäger<br />
eingeladen. Er bekannte, dass es ihm nicht um das<br />
Fleisch, das er verschenke, sondern lediglich um die<br />
Trophäen gegangen sei, die er in seinem Hausgang<br />
aufgehängt habe. • Thomas Niehörster<br />
42<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
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Handwerk<br />
Fotos: Archiv EDITION ALLGÄU, Marius Lechler, Schuh-Keller/Marco Keller<br />
Pantoffelhelden<br />
– Handarbeit für warme Füße<br />
Holzschuhe sind seit Jahrzehnten Leidenschaft und Markenzeichen<br />
der Familie Keller in Kierwang bei Bolsterlang im Oberallgäu.<br />
Die Schuhmacher-Dynastie stellt schon in dritter Generation<br />
die fell be setzte Fußbekleidung her. Besonders gefragt ist sie vor<br />
allem auf den Märkten im Allgäu und zum Ende des<br />
<strong>Alpsommer</strong>s auf den <strong>Viehscheid</strong>en der Region<br />
Die Frage nach der Schuhgröße hat Marco<br />
Keller heute bestimmt schon unzählige Male<br />
gestellt. Bereits seit dem frühen Morgen sind<br />
er und sein Vater Alfred an ihrem fahrenden Marktstand<br />
auf dem <strong>Viehscheid</strong> in Maierhöfen.<br />
»Spätestens um sieben Uhr muss man auf dem Platz<br />
sein«, erklärt Marco Keller. Das Beladen des grünen<br />
Verkaufshängers erfolgte bereits am<br />
Vorabend, heute heißt es zwischen<br />
halb acht und acht Uhr aufbauen, hölzerne<br />
Pantoffeln, Clogs und Hausschuhe<br />
mit Fellkleid in Reih und Glied<br />
stellen und danach auf die Kunden<br />
warten. »Wer uns kennt, kommt schon früh«, sagt der<br />
37-jährige Marco. Auf dem großen Festtag zum Ende<br />
des <strong>Alpsommer</strong>s stehen die beiden von acht Uhr früh<br />
bis fünf oder sechs Uhr abends hinter ihrem Hänger<br />
mit der großen Auswahl an Fell-Fußwärmern. Der<br />
»Wir verkaufen<br />
zu 95 Prozent auf<br />
den <strong>Viehscheid</strong>en«<br />
Schuhmacher, der den Familienbetrieb leitet, weiß,<br />
dass sowohl Einheimische als auch Gäste im Allgäu<br />
weite Wege zum »Schuh-Keller« auf sich nehmen –<br />
schließlich gehören sie zu den letzten Holzschuhmachern<br />
in Deutschland.<br />
Auf zahlreichen Märkten und <strong>Viehscheid</strong>en im Allgäu<br />
machen dieselben Kunden einen Abstecher an ihren<br />
Schuhstand, die auch das Ladengeschäft<br />
der Kellers in Kierwang besuchen,<br />
doch zu den <strong>Viehscheid</strong>en<br />
wissen die Leute einfach, dass die<br />
Schuhmacher vor Ort sind. Die Einheimischen<br />
gehören auf jeden Fall zu<br />
den Abnehmern der Schuhe, doch es gibt auch Gäste,<br />
die dieses Schuhwerk bei ihren Vermietern sehen. Viel<br />
wird auch durch Werbung von »Mund zu Mund« erreicht.<br />
So sind die Kellers an den <strong>Viehscheid</strong>-Tagen<br />
selbst dann nicht mehr mit Stöberern und Unent-<br />
4444<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
schlossenen auf dem Scheidplatz konfrontiert: »Die<br />
Kunden schauen bei uns am Stand vorbei und wissen,<br />
was sie wollen.« Ein derartiges Angebot komme weit<br />
und breit schließlich nur aus ihrer Werkstatt. »Holzschuhe<br />
verkaufen wir zu 95 Prozent auf den <strong>Viehscheid</strong>en«,<br />
sagt Marco Keller. Doch zwischen Viehherden<br />
und Bierzelt kann die Auswahl auch manchmal nicht<br />
ganz so groß sein: »Man bekommt halt das, was da ist,<br />
und entweder passt der Schuh oder er passt nicht.«<br />
Wer nun denkt, ein Paar Fell-Holzschuhe, für das man<br />
zwischen 70 und 100 Euro anlegen muss, würde nur<br />
von Gästen als Andenken gekauft oder gehöre zur<br />
Ausstattung auf dem Bauernhof, wird<br />
vom Oberallgäuer Meister eines Besseren<br />
belehrt. »Der Fell-Holzschuh war<br />
schon immer ein bequemer Haus- und<br />
Hofschuh und vor allem ein warmes,<br />
tro ckenes Fußkleid.« Der Kundenstamm,<br />
der sich mit ihm eindeckt, reicht von Jung bis<br />
Alt, wobei Jüngere die Schuhe viel zu Lederhosen tragen,<br />
wohingegen die älteren Träger sie mehr als Hausschuhe<br />
nutzen. Bereits sein Vater Alfred Keller sei seit<br />
»Unsere Kunden<br />
wissen, was sie<br />
wollen«<br />
den 1950er-Jahren mit den unverwechselbaren Holz-<br />
Tretern auf den Allgäuer <strong>Viehscheid</strong>en unterwegs gewesen,<br />
weiß Marco Keller.<br />
In der Familienwerkstatt in Kierwang verraten Vater<br />
und Sohn, wie die haltbaren und vor allem bequemen<br />
Schuhe entstehen. Seniorchef Alfred Keller gibt an, er<br />
habe nach 1979 zuerst »gaudihalber« ausprobiert, die<br />
Holzschuhe herzustellen. Bereits damals habe man<br />
das Fell der braungescheckten Normandie-Rinder aus<br />
Frankreich benutzt – was bis heute beibehalten wurde.<br />
Ein befreundeter Schreiner liefert den Kellers die notwendigen<br />
Holzrohlinge. Sohn Marco führt aus, wie<br />
aus diesen Rohlingen computergesteuert<br />
das Fußbett herausgefräst wird. Die<br />
benötigten Fellstücke für ein Paar Schuhe<br />
und das Schnallenband zum Verstellen<br />
werden mit einer Schablone unter<br />
der Stanzmaschine aus der großen Haut<br />
gearbeitet. Nach den diversen Arbeitsschritten, bei denen<br />
Oberfell und Futter verklebt und vernäht werden,<br />
dem Leimen und Tackern sowie dem Anbringen der<br />
Sohle halten die Schuhe je nach Pflege zwischen w<br />
S. 44: Marco Keller vor den gut<br />
gefüllten Regalen des Ladenge -<br />
schäftes in Bolsterlang-Kierwang<br />
mit Fell-Holzschuhen in allen<br />
Größen. Oben links: Der Schuh -<br />
machermeister stanzt das<br />
Oberfell für ein neues Paar aus.<br />
Oben: Die beiden Burschen<br />
suchen sich beim <strong>Viehscheid</strong> in<br />
Maierhöfen gerade das passende<br />
Fußkleid aus<br />
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<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
45
Links: Alfred Keller vernietet<br />
Schuhschnallen. Oben:<br />
Damenclogs, filzgefütter ter<br />
Fellpantoffel oder klassischer<br />
Holzschuh – jedes Exemplar<br />
ist ein Unikat<br />
Oben: Das ausgefräste<br />
Fußbett wird abgeschliffen.<br />
Rechts: ein Fußbett mit<br />
bereits angebrachter<br />
Gummisohle<br />
Oben: Schuhparade in Kierwang.<br />
Rechts unten: Marco Keller am<br />
Marktstand beim <strong>Viehscheid</strong><br />
vier und fünf Jahren. Alles in allem investieren die Allgäuer<br />
Handwerksmeister rund zwei Stunden Arbeitszeit<br />
in ein Paar der Fell-Holzschuhe.<br />
»Unser Handwerk<br />
ist immer noch wie<br />
früher«<br />
Alfred Keller ist wichtig, dass die Familie,<br />
die sich dem Schuhmacherberuf<br />
verschrieben hat, in ihrer Werkstatt<br />
immer noch nach althergebrachter<br />
Tradition herstellt. »Unser Handwerk<br />
ist immer noch dasselbe wie früher«, sagt er. Zwar<br />
könne man natürlich heute nicht mehr alles von Hand<br />
selber machen – wäre dies der der Fall, würde ein Paar<br />
Schuhe sehr schnell unerschwinglich. Bei einigen Dingen<br />
sei man auf maschinelle Hilfe angewiesen. »Dennoch<br />
ist das, was wir herstellen, keine Industrieware«,<br />
unterstreicht der Schuhmachermeister. Alfred Keller,<br />
der im Januar 2014 die Verantwortung<br />
an seinen Sohn Marco übergeben hat,<br />
arbeitet immer noch mit in der Werkstatt<br />
und im Ladengeschäft und steht<br />
auch bei den <strong>Viehscheid</strong>en gemeinsam<br />
mit Sohn Marco am Marktstand. Der Grund ist einfach:<br />
»Mir wär’s ja langweilig, wenn ich nichts zu tun<br />
hätte«, sagt der 66-Jährige lakonisch. •<br />
Marius Lechler<br />
Der Holzschuh-Stand auf Allgäu-Tour<br />
- 6. September: Missner Kirbe, Missen-Wilhams<br />
- 11. September: <strong>Viehscheid</strong> Oberstaufen (Steibis)<br />
- 12. September: <strong>Viehscheid</strong> Maierhöfen<br />
- 18. September: <strong>Viehscheid</strong> Wertach<br />
- 10. Oktober: Gallusmarkt Oberstdorf<br />
- 23. bis 31. Oktober: Kathreinemarkt Kempten<br />
- 16. November: Martinimarkt Wangen<br />
- 29. November: Weihnachtsmarkt Simmerberg<br />
Ladengeschäft und Werkstatt: Schuh-Keller, Ortsstraße 21,<br />
87538 Bolsterlang/Kierwang, Tel. 08326/7550,<br />
Fax: 08326/7305, E-Mail: kontakt@keller-schuh.de,<br />
www.keller-schuh.de<br />
46 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
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Glaube<br />
Andächtig vereint in freier Natur<br />
Die Hirtenmesse mit Alp-Benediktion an der Hubertuskapelle<br />
zwischen Hinterstein und Giebelhaus findet in<br />
diesem Jahr am 12. Juli um 10.30 Uhr statt.<br />
Informationen zur Busverbindung ab Hinterstein unter<br />
www.badhindelang.de<br />
Mit himmlischem Segen<br />
hinauf zu den Alpen<br />
Ein alter Brauch vor Beginn des <strong>Alpsommer</strong>s, durch den die Hirten Gottes<br />
Segen vor ihrem Aufbruch auf die Alpen erbitten, ist die sogenannte<br />
Alp-Benediktion. Dieser Segen wird im Oberallgäu beispielsweise noch im<br />
Ostrachtal jedes Jahr am zweiten Sonntag im Juli bei der Hirtenmesse an der<br />
hölzernen Hubertuskapelle aus dem Jahr 1928 gespendet<br />
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48<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Rekonstruktion des Altarbildes in dem Gotteshaus nach<br />
einem Foto (Original von Adelheid von Chlingensperg)<br />
Fotos: Daniela Fink, Johann Schubert, Volker Wille<br />
Oben links: Pfarrer Karl-Bert<br />
Matthias (r.) bei der Messe mit<br />
einem Hirten. Oben: die Hubertus -<br />
kapelle bei Hinterstein. Links:<br />
musikalische Untermalung von<br />
den Ostrachtaler Büebe<br />
An der Mautstraße, die vom Bad Hindelanger<br />
Ortsteil Hinterstein zum Berggasthof Giebelhaus<br />
führt, steht im hinteren Ostrachtal im Gebiet<br />
der Erzbergalpe die kleine Hubertuskapelle. Sie<br />
wurde 1928 nach den Plänen des Allgäuer Kunstmalers<br />
Richard Mahn ganz aus Holz gebaut.<br />
Der damalige Bau erfolgte durch Spenden, die vom<br />
seinerzeitigen Oberforstverwalter Söldner, einem tief<br />
religiösen Mann, gesammelt wurden. Am 15. August<br />
1929 wurde die Kirche durch Pfarrer Martin Müller<br />
geweiht. Am selben Tag fanden auch Eröffnung und<br />
Einweihung des Giebelhauses statt.<br />
Altarbild nur noch in Kopie vorhanden<br />
Die hölzerne Hubertuskapelle steht unter dem Patronat<br />
des Heiligen Hubertus von Lüttich. Das steile Satteldach<br />
krönt ein pyramidenförmig überdachter<br />
Dachreiter. Der Vorbau besitzt Fenster aus verschieden<br />
geformten Gläsern, der eigentliche Innenraum hat<br />
ovale Fenster.<br />
Das Altarbild des Gotteshauses zeigt die Hubertuslegende.<br />
In seiner ursprünglichen Fassung stammte es<br />
von der Malerin Adelheid von Chlingensperg, die der<br />
Künstlergilde Salzkammergut angehörte und 1944 im<br />
Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde.<br />
1988 fiel das Altarbild, wie bereits einige Jahre zuvor<br />
zwei Heiligenfiguren der Künstlerin, Vandalen zum<br />
Opfer. Inzwischen befindet sich in der Hubertuskapelle<br />
eine Rekonstruktion nach einer Fotografie des Bildes.<br />
Schutz von oben für Hirt und Tier<br />
Der Alpauftrieb zu Beginn des <strong>Alpsommer</strong>s markiert<br />
im Allgäu einen wichtigen Einschnitt für die zahlreichen<br />
Hirten, die nun einen Sommer lang das Vieh der<br />
Bauern aus dem Tal in ihrer Obhut haben werden. Dabei<br />
vertrauen sie schon seit Langem nicht nur auf sich<br />
selbst: Die Alp-Benediktion gehört zu den altüberlieferten<br />
Traditionen, die ihnen, aber auch dem Vieh<br />
oben in den Bergen himmlischen Schutz vermitteln<br />
soll. So segnet zum Beispiel an der Hubertuskapelle<br />
der Bad Hindelanger Pfarrer Prodekan Karl-Bert<br />
Matthias jährlich am zweiten Sonntag im Juli im Rahmen<br />
einer Messe die Hirten, bevor sie mit ihren Tieren<br />
auf die Alpen ziehen. Mit diesem Segen wird der Alpwirtschaft<br />
mit allem, was dazugehört, von Gott her Heil<br />
und Segen zugesprochen. • Thomas Niehörster<br />
Oben: Prodekan Pfarrer Karl-Bert<br />
Matthias spendet einmal im Jahr<br />
im Juli speziell der Alpwirtschaft<br />
sowie den Hirten Gottes Segen<br />
Anzeige<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
49
7<br />
25<br />
5<br />
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23<br />
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20 31<br />
2<br />
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9<br />
8<br />
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13<br />
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18<br />
34<br />
11<br />
33
Panoramakarte<br />
27<br />
<strong>Viehscheid</strong>orte<br />
und Termine<br />
1 Reutte – Höfen 5. September<br />
2 Bad Hindelang 11. September<br />
3<br />
3 Balderschwang 11. September<br />
4 Oberstaufen 11. September<br />
5 Schöllang 11. September<br />
6 Maierhöfen 12. September<br />
15<br />
22<br />
16<br />
4<br />
7 Oberstdorf 12. September<br />
8 Pfronten 12. September<br />
9 Schwangau 12. September<br />
10 Jungholz in Tirol 12. September<br />
11 Seeg 12. September<br />
24<br />
12 Kranzegg 15. September<br />
13 Nesselwang 16. September<br />
14 Unterjoch 16. September<br />
6<br />
15 Gunzesried 17. September<br />
16 Thalkirchdorf 18. September<br />
29<br />
17 Wertach 18. September<br />
18 Buching 19. September<br />
19 Eisenberg – Zell 19. September<br />
20 Grän-Haldensee 19. September<br />
21 Haslach am Grüntensee 19. September<br />
22 Immenstadt 19. September<br />
23 Reutte – Lechaschau 19. September<br />
24 Missen-Wilhams 19. September<br />
25 Obermaiselstein 19. September<br />
26 Pfronten – Röfleuten 19. September<br />
27 Riezlern im Kleinwalsertal 19. September<br />
28 Schattwald im Tannheimer Tal 19. September<br />
29 Weitnau-Wengen 19. September<br />
30 Nesselwängle im Tannheimer Tal 20. September<br />
31 Tannheim im Tannheimer Tal 21. September<br />
32 Bolsterlang 21. September<br />
33 Haldenwang 26. September<br />
34 Waltenhofen – Memhölz 3. Oktober<br />
Änderungen möglich, alle Angaben ohne Gewähr<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Termine<br />
<strong>Viehscheid</strong>termine<br />
im Allgäu und Umgebung<br />
Kranzkühe, bimmelnde Zugschellen, kühles Bier und zünftig<br />
aufspielende Musikkapelle: Wenn das Jungvieh von den<br />
Alpen zurück ins Tal getrieben wird, ist das im Allgäu ein<br />
traditioneller Anlass zum Feiern. Ob beim kleinen, ursprünglichen<br />
Dorfviehscheid, beim größten Alpabtrieb<br />
im Allgäu mit über 1600 Tieren oder zum »Schafscheid«<br />
nach Tirol, wo gemäht statt gemuht wird... Jeder Ort<br />
handhabt »seinen« Scheid etwas anders. Hier finden<br />
Sie eine Übersicht der <strong>Viehscheid</strong>e und Alpabtriebe<br />
im Allgäu und in der unmittelbaren Umgebung<br />
5. September<br />
Reutte – Höfen<br />
13 Uhr, Schollenwiesenlift in Höfen, ca. 40 Tiere<br />
- Wird bei Schlechtwetter auf<br />
den 13. September verschoben<br />
- Auskunft beim Tourismusverband Reutte:<br />
Tel. +43 (0)5672/62336<br />
11. September<br />
Bad Hindelang<br />
8.30 Uhr, Auf der Aach (Nähe der Hornbahn),<br />
ca. 800 Tiere<br />
- Fünf Rinderherden von den Alpen Hasenegg,<br />
Stierbach, Kühbach, Erzberg und Platte<br />
- Frühwanderungs-Angebot: mit dem Vieh von der<br />
Erzbergalpe ins Tal wandern. Beginn 4.30 Uhr<br />
- Großer Krämermarkt<br />
- 19.30 Uhr Oberallgäu Musikanten<br />
Balderschwang<br />
10 Uhr, Ortsmitte am Feuerwehrhaus, ca. 200 Tiere<br />
- Kleiner und urtümlicher <strong>Viehscheid</strong> zur Rückkehr<br />
des Alpviehs<br />
- Vier Rinderherden von den Alpen Gelbhansekopf,<br />
Wilhelmine, Schwarzenberg, Oberbalderschwang<br />
Oberstaufen<br />
8.30 Uhr, Höfen (Abzweigung nach Steibis),<br />
ca. 1000 Tiere<br />
- Mehr als 160 Alpen bilden um Oberstaufen das<br />
größte zusammenhängende Alpgebiet Bayerns<br />
- Pendelbusse zwischen Bahnhof Oberstaufen und<br />
Scheidplatz<br />
- Ab 14 Uhr Schellenverlosung<br />
- Ab 20 Uhr Stimmung im Festzelt mit »Hindervier«<br />
Schöllang, Ortsteil Oberstdorf<br />
9 Uhr, südlicher Ortseingang von Schöllang,<br />
ca. 700 Tiere<br />
- Über 700 Tiere von Entschenalpe, Hintere Seealpe,<br />
Gutenalpe und Käseralpe<br />
- Festzeltunterhaltung mit Musikkapelle Schöllang<br />
und Rubihorn Musikanten<br />
- Pendelbusse von Fischen nach Schöllang<br />
12. September<br />
Maierhöfen<br />
11.30 Uhr, Festgelände Maierhöfen, ca. 200 Tiere<br />
- Mit 30 Kilometern von den Bergweiden nach<br />
Maierhöfen legt der Viehzug die weiteste Strecke<br />
im Allgäu zurück<br />
- <strong>Viehscheid</strong>tage vom 11. bis 13. September mit<br />
buntem Rahmenprogramm<br />
Oberstdorf<br />
9 Uhr, im Ried (Renksteg), ca. 1000 Tiere<br />
- Pferdekutschenfahrt vom Megèver Platz zum<br />
Renksteg<br />
- <strong>Viehscheid</strong> mit Vieh von den Alpen Bierenwang,<br />
Traufberg, Haldenwang, Rappenalpe, Biberalpe<br />
und der Taufersbergalpe<br />
- Pendelbus vom Busbahnhof Oberstdorf zum<br />
Scheidplatz ab 8 Uhr<br />
52 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Pfronten<br />
9 Uhr, beim Schulzentrum in Pfronten-Heitlern,<br />
ca. 400 Tiere<br />
- Jungvieh von 7 Alpen<br />
- Ab 8 Uhr Krämermarkt und Festzeltbetrieb<br />
- Großer Festumzug mit Heimat- und<br />
Brauchtumsabend am 11. September<br />
- Traditionelle »Pfrontar <strong>Viehscheid</strong>-Däg«<br />
vom 7. bis 19. September mit Ausflügen zu Alpen<br />
oder Brauerei, Jodel-Kursen, Kranzkronen selber<br />
binden, Dirndlschürzen nähen, Besuch beim<br />
Schellenschmied<br />
Jungholz in Tirol<br />
10 Uhr, Dorfplatz beim Feuerwehrhaus Jungholz,<br />
ca. 100 Tiere<br />
Schwangau<br />
12.30 Uhr, Kreuzung in Hohenschwangau,<br />
ca. 200 Tiere<br />
- Jungvieh von der Alpe Jägerhütte und der<br />
Altenberger Alm<br />
- Gemütlicher Ausklang im Schwanseepark<br />
Seeg<br />
13 Uhr, Festzeltplatz gegenüber der Feuerwehr,<br />
ca. 80 Tiere<br />
- Ab 11 Uhr Bewirtung durch<br />
den Schützenverein Seeg<br />
- 13 Uhr Eintreffen der Schumpen<br />
von der Alpe Beichelstein<br />
- Festzeltmusik am Vorabend ab 19 Uhr<br />
- Es spielt die Harmoniemusik Seeg<br />
15. September<br />
Kranzegg<br />
9 Uhr, Kranzegg, Ortsausgang Richtung Vorderburg,<br />
ca. 400 Tiere<br />
- Einziger <strong>Viehscheid</strong> im Oberallgäu mit sechs<br />
reinen Kuhherden und drei Jungviehherden<br />
- Krämermarkt ab 9 Uhr<br />
- Festliche Umrahmung durch die »Kranzegger<br />
Herbstfesttage«<br />
16. September<br />
Nesselwang<br />
10 Uhr, Parkplatz Alpspitzbahn, ca. 100 Tiere<br />
- Umrahmung durch Nesselwanger Herbstfest<br />
(Beginn 15. September)<br />
- Abends <strong>Viehscheid</strong>-Hoigarte mit den »Allgäuer<br />
Bergvagabunden« im Festzelt<br />
Unterjoch<br />
10.30 Uhr, Unterjoch Ortseingang/Busparkplatz,<br />
ca. 50 Tiere<br />
- <strong>Viehscheid</strong> der Buchelalpe<br />
- Kleiner, dörflicher Rahmen<br />
17. September<br />
Gunzesried<br />
8.30 Uhr, Ortseingang Gunzesried, ca. 1600 Tiere<br />
- Größter <strong>Viehscheid</strong> im Allgäu<br />
- 15 Viehherden von 19 Alpen<br />
- Begleitet von der Blaskapelle Bihlerdorf-<br />
Ofterschwang<br />
- Ab 11 Uhr Festzelt und Krämermarkt<br />
- Pendelbusse von 7.30 Uhr bis 16 Uhr<br />
18. September<br />
Thalkirchdorf<br />
9.15 Uhr, Talstation des Schwandliftes, ca. 700 Tiere<br />
- Ab 10 Uhr Unterhaltung mit der Musikkapelle<br />
Thalkirchdorf<br />
- Bustransfer ab 19 Uhr vom Festplatz zum<br />
Oberstaufener Bahnhof<br />
- Thaler <strong>Viehscheid</strong>-Zeltfest am 19. September,<br />
ab 19 Uhr<br />
Wertach<br />
9 Uhr, Industriestraße zwischen Getränkemarkt<br />
Fleischmann und Wertstoffhof, ca. 700 Tiere<br />
- Gilt als einer der ältesten und größten<br />
<strong>Viehscheid</strong>e im Allgäu<br />
- Rinder von den Alpen Sorg I und II, Untere<br />
Reuterwanne, Untere Bichleralp, Schnitzlertalalp,<br />
Vordere Köllealp<br />
- Umrahmung durch Wertacher Herbstfest mit<br />
Krämermarkt, Alphornblasen,<br />
Maibaumversteigerung<br />
- 14. bis 19. September: Ausstellung<br />
»Landwirtschaft/Wertacher Alpen«<br />
in der Tourist-Info Wertach<br />
19. September<br />
Buching<br />
9.30 Uhr, Festplatz neben dem Maibaum,<br />
ca. 30 Tiere<br />
- Traditioneller Viehmarkt auf<br />
dem Festplatz<br />
(kein <strong>Viehscheid</strong>!)<br />
- Krämermarkt und<br />
Festzeltbetrieb mit Blasmusik<br />
- Einzug des geschmückten Viehs<br />
um 9.30 Uhr<br />
- Buchinger Herbstfest vom 19. bis 21.<br />
September<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
53
Riezlern im Kleinwalsertal<br />
8 Uhr, Riezlern, unterster Parkplatz nach der<br />
Kanzelwandbahn rechts (Breitachbrücke),<br />
ca. 650 Tiere<br />
- Kleiner Bauernmarkt mit landwirtschaftlichen<br />
Artikeln<br />
- Rahmenprogramm mit Live-Musik<br />
Schattwald im Tannheimer Tal<br />
11 Uhr, Feuerwehrhalle, Dorfmitte,<br />
ca. 80 bis 100 Tiere<br />
Eisenberg – Zell<br />
10.15 Uhr, Ortsteil Zell,<br />
ca. 80 Tiere<br />
Grän-Haldensee im Tannheimer Tal<br />
11 Uhr, Dorfmitte, ca. 190 Tiere<br />
Haslach am Grüntensee<br />
11 Uhr, am Feuerwehrhaus Haslach,<br />
ca. 100 Tiere<br />
- Viehzug mitten durchs Festzelt<br />
Immenstadt<br />
9 Uhr, Viehmarktplatz Immenstadt, ca. 800 Tiere<br />
- Einziger städtischer <strong>Viehscheid</strong> im Allgäu<br />
- Festzelt mit Musik und Krämermarkt<br />
- Ab 15.30 Uhr Scheidschellenwürfeln<br />
Weitnau-Wengen<br />
12.30 Uhr, An der Dorfhalle in Wengen,<br />
ca. 130 Tiere<br />
- Bauernmarkt ab 10 Uhr<br />
- Ab 17 Uhr Tanz und Unterhaltung<br />
- Vieh von der Alpe Wenger Egg<br />
Reutte – Lechaschau<br />
9 Uhr, Lechtaler Straße, ca. 800 Schafe<br />
- Almabtrieb mit Schafen aus dem Schwarzwassertal<br />
- Scheid mit anschließendem Schafscheren<br />
- Einzug der geschmückten Kühe und Ziegen um<br />
14 Uhr<br />
Missen-Wilhams<br />
9.30 Uhr, Am Freibad 5e, Missen, ca. 400 Tiere<br />
Obermaiselstein<br />
9 Uhr, Festplatz, Dorfmitte, ca. 1400 Tiere<br />
- Einer der größten <strong>Viehscheid</strong>e<br />
im Allgäu<br />
- Eintreffen des Alpviehs<br />
von 12 Alpen zwischen<br />
9 Uhr und 13 Uhr<br />
- Pendelbus vom<br />
Busbahnhof<br />
Fischen zum<br />
<strong>Viehscheid</strong><br />
Obermaiselstein<br />
- 20 Uhr Scheidball mit Live-<br />
Musik und<br />
Schellenverlosung<br />
Pfronten – Röfleuten<br />
10 Uhr, Forsthaus an der<br />
Peter-Heel-Straße, Pfronten-<br />
Röfleuten, ca. 50 bis 80 Tiere<br />
20. September<br />
Nesselwängle<br />
11 Uhr, Feuerwehrhalle beim Gemeindehaus,<br />
ca. 100 Tiere<br />
21. September<br />
Tannheim im Tannheimer Tal<br />
11 Uhr, Parkplatz der Tannheimer Lifte,<br />
ca. 650 Tiere<br />
- Vieh von 6 Alpen<br />
- 20 Uhr Ehrung der Älpler mit Schellenübergabe<br />
Bolsterlang<br />
10 Uhr, südlicher Ortseingang, ca. 650 Tiere<br />
26. September<br />
Haldenwang<br />
10 Uhr, südlicher Ortseingang Haldenwang,<br />
ca. 110 Tiere von der Alpe Berg<br />
3. Oktober<br />
Waltenhofen – Memhölz<br />
10 Uhr, Hupprechts,<br />
ca. 40 Tiere von der Wachters Alpe<br />
Änderungen möglich, alle Angaben ohne Gewähr<br />
Fotos: Marius Lechler, Ramona Klein, Dominik Ultes, Tourismusbüro Weitnau; Zeichnungen: Ramona Klein<br />
54<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
<strong>Viehscheid</strong> Maierhöfen<br />
mit der längsten Alpabtriebsstrecke im Allgäu<br />
11.09. – 13.09.<strong>2015</strong><br />
Am Freitag, 11.09.15 ab 20.00 Uhr Auftakt zum <strong>Viehscheid</strong><br />
mit der bekannten Wasenband „Lederrebellen”<br />
Am Samstag, 12.09.15<br />
- um ca. 11.30 - 12.00 Uhr Eintreffen des Alpzuges<br />
(ca. 200 Tiere) auf dem Scheidplatz, musikalische Untermalung<br />
- ab 9.30 Uhr regionaler Markt rund um das Festgelände<br />
- ab 10.00 Uhr Festzeltbetrieb mit der Musikkapelle Maierhöfen<br />
- um 20.00 Uhr Allgäuer Heimatabend mit dem Trachtenverein,<br />
„Goißenschnalzern“ und den Alphornbläsern aus Maierhöfen,<br />
danach Tanz- und Stimmungsmusik mit den „Allgäu-Feagern“<br />
Am Sonntag, 13.09.15<br />
- ab 9.00 Uhr Zeltgottesdienst mit den „Vorderburger Jodlern“,<br />
anschließend Frühschoppen mit der Musikkapelle Maierhöfen<br />
- 12.30 Uhr: Kinderfest mit Wettspielen auf dem Festplatz<br />
- 14.00 Uhr: Unterhaltung und Stimmung mit „D’Holzschuah“<br />
Ferienclub Maierhöfen<br />
Erleben Sie „gelebtes Brauchtum“ im Allgäu und feiern Sie<br />
mit der einheimischen Bevölkerung und zahlreichen Gästen<br />
das alljährliche <strong>Viehscheid</strong>fest in Maierhöfen.<br />
<strong>Viehscheid</strong>tage im Allgäu <strong>2015</strong><br />
11.09. – 13.09.<strong>2015</strong><br />
Enthaltene Leistungen:<br />
2 x Übernachtung im Komfort-Bungalow<br />
2 x reichhaltiges Frühstück vom Büffet<br />
1 x Allgäuer <strong>Viehscheid</strong>-Büffet am Freitagabend mit<br />
regionalen Gerichten und einem „Heuschnaps“<br />
Freie Nutzung von Schwimmbad und Sauna<br />
Halbpension ist auf Anfrage zubuchbar<br />
Preis für das Kurz-Arrangement pro Person ab 60,00 €<br />
Ferienclub Maierhöfen<br />
Stockach 1 | 88167 Maierhöfen<br />
Tel. 08383/9 22 00 | Fax 08383/9 22 0307<br />
www.ferienclub-maierhoefen.de<br />
info@ferienclub-maierhoefen.de
Reportage<br />
Grünes Klassenzimmer<br />
Pauken mit Lupe, Molch und Blümchen<br />
Wir Menschen können gar nicht früh genug beginnen, uns für die Natur<br />
einzusetzen: Seit dem vergangenen Schuljahr sind in den Alpen junge Forscher<br />
aus der Klasse 3a der Grundschule Fischen unterwegs, um die Artenvielfalt<br />
auf Berg- und Talwiesen im Wandel der Jahreszeiten zu dokumentieren.<br />
Auf ihrer letzten Expedition durften wir die Schüler begleiten<br />
Die Untersuchungsergebnisse<br />
werden ins Forscherprotokoll<br />
eingetragen und später<br />
gemeinsam ausgewertet<br />
Schon auf dem Weg zum Forschungsgebiet erfolgt<br />
die erste Entdeckung am Wegesrand: »Ist<br />
die riesig!« Eine ziemlich große Weinbergschnecke<br />
bahnt sich gemütlich ihren Weg durch das<br />
hohe Gras. Tanja König ist gleich zur Stelle. Die Naturkundlerin<br />
erklärt den Schülern, dass sich Schnekken<br />
auf einem muskulösen Kriechfuß fortbewegen.<br />
Und dass Weinbergschnecken unter Naturschutz<br />
stehen: »Wenn ihr also in Zukunft eine Schnecke auf<br />
dem Gehweg seht, – tut ihr den Gefallen und setzt sie<br />
an den Wegesrand. Auf Wegen werden Schnecken<br />
nämlich oft unabsichtlich zertrampelt.«<br />
Tanja König ist eine von mehreren Betreuerinnen, die<br />
mit Allgäuer Schülern das Projekt »Klassenzimmer<br />
Alpen« durchführen. Es ist eines von zehn laufenden<br />
schwäbischen Biodiversitätsprojekten, die vom Bayerischen<br />
Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit<br />
gefördert und von der Regierung von Schwaben<br />
finanziell unterstützt und fachlich begleitet werden.<br />
Projektträger ist der Landesbund für Vogelschutz in<br />
56 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Bayern (LBV), dem auch Tanja König angehört. Neben<br />
den kleinen Forschern der Grundschule Fischen untersuchen<br />
seit dem vergangenen Schuljahr Drittklässler<br />
aus Rettenberg und Bad Hindelang regelmäßig die Artenvielfalt<br />
unserer heimischen Wiesen im Jahresverlauf.<br />
»Mit acht ganztägigen Terminen ist das Projekt<br />
recht zeitintensiv. Da es sich dabei jedoch durchweg<br />
um aktive Lernzeit in der Natur handelt, haben die<br />
Eltern der Kinder den Vorschlag, beim Klassen -<br />
zimmer Alpen mitzumachen, von Anfang an positiv<br />
aufgenommen«, erklärt Anna-Lena Grob. Als Heimatund<br />
Sachkundelehrerin begleitet sie die Klasse 3a auf<br />
die Termine.<br />
Wissensdurst und Ökonieten<br />
Mittlerweile haben die Schüler ihr Projektgebiet unweit<br />
des Immenstädter Alpsees erreicht. Die jungen<br />
Forscher machen sich sogleich daran, ihre quadratische<br />
Probefläche abzustecken. »Bei den vergangenen<br />
Terminen hatten wir mehrere Flächen, die je von einer<br />
Vierergruppe untersucht wurden«, erklärt König. Innerhalb<br />
dieser Bereiche fingen die Kinder Insekten<br />
w<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
und andere Kleintiere ein, zeichneten und bestimmten<br />
die dort wachsenden Pflanzen und verglichen ihre Ergebnisse<br />
in Forscherprotokollen. Dabei stellten sie erhebliche<br />
Unterschiede zwischen den Talwiesen bei<br />
Immenstadt und den Bergwiesen am Ofterschwanger<br />
Horn fest, an dem ebenfalls geforscht wurde.<br />
Heute, beim Schlusstermin, arbeiten alle zusammen<br />
an einer großen Probefläche. Die junge Zoe führt Protokoll.<br />
Gemeinsam zählen Tanja König und die Kinder<br />
die blühenden Blumen und bestimmen, wie sie heißen<br />
und ob sie für den Menschen nützlich sind. Rot- und<br />
Weißklee, Hahnenfuß und Augentrost erkennen die<br />
Schüler innerhalb von Sekunden. Auch die »ökologische<br />
Niete«, den schmarotzenden Klappertopf, erkennen<br />
die Schüler aus früheren Terminen wieder. Er<br />
bildet kleine Saugnäpfe an fremden Wurzeln und<br />
»klaut den Nachbarn das Wasser«.<br />
Hin und wieder bringen die Antworten die begleitenden<br />
Erwachsenen zum Staunen. »Wer hätte gedacht,<br />
dass es in der 3a so viele junge Naturkundler gibt?«<br />
Anna-Lena Grob ist beeindruckt vom bereits vorhandenen<br />
Wissen ihrer Schüler.<br />
»Interessanterweise kennen die meisten Erwachsenen<br />
heutzutage auch nicht viel mehr Pflanzen oder<br />
Ein kleiner »Sensationsfund«<br />
am Ofterschwanger Horn:<br />
Den Bergmolch durften sich die<br />
Kinder genauer ansehen. Die<br />
Amphibie blieb angesichts ihrer<br />
vielen Fans relativ gelassen<br />
57
Nicht nur am Alpsee, auch<br />
am Ofterschwanger Horn<br />
wurde eifrig geforscht:<br />
Welche Pflanzen wachsen im<br />
Tal, welche am Berg? Und<br />
wie wirkt sich die<br />
Bewirtschaftung durch den<br />
Menschen auf Flora und<br />
Fauna aus?<br />
Weichkäfer, Kurzfühlerschrecken,<br />
Zikaden – Tanja König vom LBV erkennt<br />
jedes noch so kleine Fundtier und gibt<br />
ihr Wissen geduldig an die jungen<br />
Forscher weiter<br />
Eine Grille wagte sich kurz aus ihrer Erdhöhle, um nach dem Rechten<br />
zu sehen – und wurde prompt von den Schülern studiert. Doch<br />
Vorsicht: »Die kann ganz schön zwicken«, erklärt Tanja<br />
Tiere und ökologische Zusammenhänge als die Kinder«,<br />
meint Tanja König. Die Diplom-Biologin führt<br />
auch regelmäßig Führungen für Erwachsene durch.<br />
»Dabei laufe ich zwar größere Strecken, spiele weniger<br />
Spiele und erkläre manches etwas vielschichtiger, die<br />
Kernaussagen sind meist aber dieselben. Meine Idealvorstellung<br />
wäre es, die Kinder zu naturkundlich<br />
kenntnisreichen Erwachsenen auszubilden.«<br />
Grashüpferjagd am Alpsee<br />
Nach dem Auswerten der Pflanzen ist der tierische Bestand<br />
an der Reihe. Die ganze Wiese darf heute nach<br />
sechs- oder achtbeinigen Bewohnern abgesucht werden.<br />
Vorher darf Mehmet nochmal zeigen, wie man<br />
mit der Becherlupe Insekten aufnimmt, ohne sie zu<br />
verletzen. Schmetterlingsraupen und Ameisen werden<br />
grundsätzlich nicht eingefangen. Sie orientieren sich<br />
an einer Duftspur und sind überfordert, wenn sie dieser<br />
nicht mehr folgen können. Auch Schnecken und<br />
Regenwürmer werden nicht gezählt. Das hat praktischere<br />
Gründe: »Damit die Becherlupen nicht eingesaut<br />
werden«, erklärt einer der Buben.<br />
Nach der Einweisung schwärmen die Schüler aus –<br />
nur, um Minuten später in regelmäßigen Abständen<br />
zu Tanja König zurückzuflitzen und ihren Fang bestimmen<br />
zu lassen. Zoes Bleistift fliegt geradezu über<br />
das Forscherprotokoll: sechs Weichkäfer, acht Kurzfühlerschrecken,<br />
zwei Schwebfliegen und Zikaden,<br />
eine Bremse, sechs männliche und sieben weibliche<br />
Langfühlerschrecken, eine Fleischfliege – das ist nur<br />
ein Teil der »Beute«, die heute gemacht wird. Mit Engelsgeduld<br />
weist Tanja König auf besonders lange Fühler<br />
hin und lobt besonders seltene Funde. Sie erkennt<br />
jeden noch so kleinen Käfer. Zwischen bunten Anoraks<br />
und Becherlupen ist die LBV-Betreuerin fast<br />
nicht mehr zu sehen.<br />
Die Begeisterung, mit denen die Schüler auf Insektensuche<br />
gehen, ist richtig ansteckend. Und kein bisschen<br />
außergewöhnlich, wie König betont. »Naturkundliches<br />
Interesse steckt grundsätzlich in jedem Kind. Es<br />
wird heutzutage nur durch viel Ablenkung, zum Beispiel<br />
durch Fernsehen und Spielekonsolen, aber auch<br />
durch Lerndruck in den Schulen überdeckt.« Naturbildung<br />
gehört ihrer Meinung nach zur gesunden<br />
Kindheitsentwicklung dazu, denn Natur sei überall<br />
und man brauche nur offene Augen und Sinne, um sie<br />
wahrzunehmen: »Diese besondere Wahrnehmung<br />
macht die Umwelt selbst spannender. Ein ‚langweiliger‘<br />
Familienspaziergang wird so zur Expedition.«<br />
Naturbildungsprojekte sollten daher fest in den Schulunterricht<br />
integriert und wieder Teil der Allgemeinbildung<br />
werden, findet König: »Wir benötigen<br />
noch mehr Projekte dieser Art, um jedem Schüler die<br />
Chance zu geben, eine naturkundliche Ausbildung<br />
zu bekommen.«<br />
Dem kann Anna-Lena Grob nur zustimmen. Zwischen<br />
dem Pauken im Klassenzimmer und dem Forschen<br />
draußen sieht die Lehrerin wesentliche Unterschiede:<br />
»Hier draußen lernen die Kinder vor allem durch eigenes<br />
Tun. Die Natur muss nicht ins Klassenzimmer geholt<br />
werden, sondern die Kinder haben die Möglichkeit,<br />
am Original zu lernen.« Das Experimentieren in freier<br />
58<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Natur könne mit allen Sinnen wesentlich umfangreicher<br />
stattfinden. »Ich denke, Interesse und Lernbereitschaft<br />
bei den Kindern zu wecken, ist beim Forschen<br />
draußen einfacher und viele Lerninhalte stehen schlussendlich<br />
auch nachhaltiger zur Verfügung«, fährt sie fort.<br />
Ob man als Lehrerin selbst wohl noch das eine oder andere<br />
dazulernt? Anna-Lena Grob grinst. »Der Entwicklung<br />
des Thymian-Ameisenbläulings habe ich genauso<br />
gespannt gelauscht wie die Kinder.«<br />
Viel mehr als Wissen<br />
Die Schüler selbst sehen den unschlagbaren Vorteil des<br />
Projektes dagegen in den kleinen Abenteuern, die man<br />
ganz nebenbei erlebt: »Auf dem Ofterschwanger Horn<br />
haben wir einen Wanderfalken gesehen. Zweimal! Beim<br />
Abstieg ist er direkt über unsere Köpfe geflogen.« Für<br />
den neunjährigen Marian aus Fischen war das ohne<br />
Frage der absolute Höhepunkt der Ausflüge. Hugo aus<br />
Bolsterlang entdeckte im Herbst einen Blutegel. »Sie sehen<br />
zwar eklig aus, aber es sind ziemlich nützliche Tiere«,<br />
weiß der Neunjährige. Da hat der Forscherdrang<br />
den Ekel überwunden.<br />
Für die junge Zahide waren es die vielen Spiele, die am<br />
meisten Spaß gemacht haben: »Das Spiel ‚Eulen und<br />
Mäuse‘ hat mir am besten gefallen.« Dabei werden die<br />
Schüler in Eulen und Mäuse eingeteilt und anschließend<br />
»Fakten« vorgelesen. Stimmt die Aussage wie<br />
zum Beispiel »Im Naturpark Nagelfluhkette gibt es<br />
Steinadler«, fangen die Eulen die Mäuse. Ist die Behauptung<br />
falsch wie »Der Spitzwegerich ist eine sehr giftige<br />
Pflanze«, dürfen die Mäuse die Eulen jagen.<br />
Durch Spiele wie dieses werden im »Klassenzimmer Alpen«<br />
angenehme Aspekte wie Spaß und Bewegung in<br />
freier Natur ganz zwanglos mit dem Lerneffekt verknüpft.<br />
Noch auf dem Heimweg finden angeregte<br />
»fachkundige« Diskussionen statt: »Spitzwegerich<br />
schreibt man doch nicht mit zwei R! Also, ich hab bis<br />
jetzt immer… Tanjaaa?«<br />
So geht es – nach dem Freilassen der gefundenen Insekten<br />
und einem weiteren Ratespiel zum Schluss – auf<br />
dem Wanderweg lustig und lautstark zurück zum Bus,<br />
der die Schüler zum vorerst letzten Mal wieder nach Fischen<br />
und Bolsterlang bringen wird. Lehrerin Anna-<br />
Lena Grob zieht nach dem heutigen Termin ein Fazit:<br />
»Das Projekt war für die Kinder und mich eine spannende<br />
Zeit, in der wir alle viel mehr gelernt haben, als<br />
Pflanzen- oder Tierarten zu bestimmen.« »Vieeeeel<br />
mehr als in Mathe!«, flüstert daraufhin leise eine Schülerin,<br />
der lieber anonym bleiben möchte.<br />
So bleibt zum Schluss nur noch zu behaupten, dass die<br />
Fischinger Schüler aus dem Unterricht in der freien Natur<br />
wesentlich mehr mitgenommen haben als Fakten<br />
über heimische Flora und Fauna. Mehmet fühlt sich<br />
nach dem »Klassenzimmer Alpen« schon gut gerüstet<br />
für seinen Traumberuf: »Ich möchte Tierforscher werden!«,<br />
erklärt er. Dann bückt er sich ganz nebenbei, hebt<br />
vorsichtig eine Weinbergschnecke vom Wanderweg auf<br />
und setzt sie in die Wiese. •<br />
Viola Elgaß<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
Welche Antwort ist richtig? Bei »1, 2 oder 3« schnitten die jungen Fischinger richtig gut ab. Im<br />
Kasten unten können Sie nachprüfen, wie oft Sie richtig gelegen hätten...<br />
Hätten Sie’s gewusst?<br />
Folgende Fragen mussten die Schüler auf ihrem Ausflug<br />
spielerisch beantworten. Die Klasse 3a lag mit ihren<br />
Antworten zu neunzig Prozent richtig. Hätten Sie mit den<br />
Schülern mithalten können?<br />
1. Welche dieser Pflanzen ist geschützt?<br />
a) Arnika<br />
b) Augentrost<br />
c) Klappertopf<br />
2. Welche dieser Pflanzen ist giftig?<br />
a) Fieberklee<br />
b) Sumpfgreiskraut<br />
c) Teufelsabbiss<br />
3. Was ist ein Schusternägle?<br />
a) Ein Nagel, den der Schuster verwendet<br />
b) Eine Schrittfolge beim Schuhplatteln<br />
c) Ein Enzian<br />
4. Welche Zapfen findet man niemals auf dem Boden,<br />
weil sie vorher auseinanderfallen?<br />
a) Tannenzapfen<br />
b) Fichtenzapfen<br />
c) Kiefernzapfen<br />
5. Warum wird die Raupe des Thymian-Ameisenbläulings<br />
nicht von den Ameisen getötet, wenn sie in deren Bau<br />
überwintert?<br />
a) Weil sie ein süßes Sekret absondert<br />
b) Weil sie nicht bemerkt wird<br />
c) Weil sie sich mit kräftigen Zangen zur Wehr setzen kann<br />
6. Wo sitzt bei Insekten die Nase?<br />
a) Im Gesicht<br />
b) In den Antennen<br />
c) In den Mundwerkzeugen<br />
7. Was macht eine Ringelnatter, wenn sie sich bedroht<br />
fühlt?<br />
a) Sie beißt zu<br />
b) Sie wirft den Schwanz ab<br />
c) Sie fängt an zu stinken<br />
8. Welches ist das größte Lebewesen der Erde?<br />
a) Ein Pilz<br />
b) Ein Mammutbaum<br />
c) Ein Blauwal<br />
Lösungen: 1a, 2b, 3c, 4a, 5a, 6b, 7c, 8a<br />
Fotos: Viola Elgaß, Katharina Beck<br />
Was ist das für ein<br />
Grashüpfer? Mit Lupe<br />
untersuchen Carisma und<br />
Zoe (unten) das Insekt.<br />
Anschließend werden die<br />
grünen Winzlinge wieder<br />
freigelassen<br />
59
Bauermalerei<br />
Mit feinem Strich<br />
zum bunt verzierten Möbel<br />
Eine zitternde Hand kann sich Georg Larsch nicht leisten,<br />
denn seine Arbeiten auf Möbeln, Wänden und Schildern<br />
entstehen alle ohne Schablonen und teils mit feinsten Pinseln.<br />
Sein Handwerk, die Bauernmalerei, gerät heute in Zeiten<br />
industrieller Fertigung langsam immer mehr in Vergessenheit<br />
Von Georg Larsch bearbeiteter<br />
Bauernschrank mit landwirtschaftlichen<br />
Motiven<br />
Die Linienführung auf dem Holz soll laut<br />
dem Bauernmaler einen naturalistischen<br />
Effekt erwecken<br />
Fingerspitzengefühl für Farben führt der 67-jährige<br />
Oberallgäuer als einen der wichtigsten Instinkte<br />
für einen Bauernmaler an. Wie er<br />
erklärt, habe es erste Ausprägungen dieser speziellen<br />
Maltechnik bereits im frühen Mittelalter gegeben, die<br />
Hauptepoche sei jedoch in der Zeit vom 17. bis zum<br />
19. Jahrhundert anzusiedeln. »Bauernmalerei ist die<br />
Malerei des kleinen Mannes«, sagt Georg Larsch. Dies<br />
zeige sich in den Möbeln, die die Menschen in früheren<br />
Zeiten nutzten: Auch in den einfachsten, kleinsten<br />
Bauernhäusern habe es im Haushalt meist eine Bauernmalerei<br />
gegeben. Hierbei hätten wohl religiöse<br />
Aspekte eine Rolle gespielt – so tragen viele der verzierten<br />
Möbelstücke religiöse Motive.<br />
Der Pinselstrich muss sitzen<br />
Fotos: Georg Larsch, Thomas Niehörster<br />
Georg Larsch, der seit rund 45 Jahren in dem Bereich<br />
tätig ist und die Maltechnik mit seiner Ausbildung<br />
zum Dekorateur erlernte, fasziniert die freie Arbeitsweise,<br />
bei der sämtliche Motive ohne Zuhilfenahme<br />
von Schablonen entstehen. Auch das freihändige Beschriften<br />
von Urkunden oder Schildern sowie das Marmorieren<br />
gehören zu den Feldern der Bauernmalerei.<br />
Larsch ist sich bewusst, dass vor allem das Restaurieren<br />
eines historischen Gegenstandes eine große Herausforderung<br />
darstellt. »Ich muss darauf achten, dass<br />
die Farbgebung stimmt, dass ich eine Technik anwende,<br />
die auch ursprünglich angewendet wurde, und dass die<br />
Farben so gemischt sind, wie sie auf dem Objekt aufgebracht<br />
waren.« Er selbst habe in seinem Atelier bereits<br />
Stücke restauriert oder »aufgefrischt«. Das Wesentliche:<br />
Sie müssten schließlich so aussehen, dass es nicht auffalle,<br />
dass bestimmte Teile erneuert wurden.<br />
Das Bemalen eines Schrankes erfolgt in mehreren<br />
Schritten, erklärt der Bauernmaler. Auf die geschliffene<br />
Grundfläche wird eine weiße Grundierung aufgetragen<br />
und im Regelfall das Gesims an Ober- und<br />
Unterseite mit einer Marmorierung versehen. Dabei<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Links: Vorlage für eine freihändige Beschriftung eines Ausstellungsplakates zur Werkschau von<br />
Georg Larschs Gemälden. Oben: der Allgäuer mit einer bemalten Milchkanne<br />
kommt eine Nass-in-Nass-Technik zur Anwendung,<br />
bei der die Farbe strukturiert wird. In die Farbe setzt<br />
der Maler mit sehr dünnen Pinseln Haarrisse. Die Motive<br />
in den Türfüllungen bestehen meist aus Blumen,<br />
die Seitenteile tragen oft Ornamente – ebenso in Nassin-Nass-Technik.<br />
»Ich male dies mit einer Farbe und<br />
muss dann sehr schnell mit der zweiten Farbe durch<br />
die erste Farbe gehen, damit ein lebendiger und transparenter<br />
Effekt entsteht«, sagt Georg Larsch. »Das fertige<br />
Motiv muss den Eindruck erwecken, als ob es aus<br />
der Natur heraus gewachsen ist.« Schwierig ist der finale<br />
Schritt, das freihändige Umranden der Füllung,<br />
um sie zu akzentuieren, Linieren genannt. »Das sollte<br />
in einem Versuch klappen.«<br />
Spezialwissen noch gefagt<br />
Man finde heute nicht mehr viele Maler, die diese spezielle<br />
Maltechnik noch beherrschen, sagt Georg Larsch.<br />
Die Kunstform werde im Grafikbereich und in der Malerei<br />
nicht mehr gelehrt. Nach einem Boom in den<br />
1970er- und 1980er-Jahren sei dieser zum Ende dieser<br />
Periode abgeebt. Es gebe aber noch viele Malerbetriebe<br />
im Allgäu, die zum Beispiel Aufträge für Beschriftungen<br />
und Marmorierungen bekämen. »Diese wenden sich<br />
dann an mich als Spezialisten.«<br />
Auch habe er erst vor Kurzem Beschriftungen, die er<br />
für ein Hotel in Bad Hindelang angefertigt hatte, neu<br />
ergänzt. Doch die Blütezeit der Bauernmalerei im Allgäu<br />
scheint vorüber, sagt Georg Larsch: »Einen kompletten<br />
Schrank habe ich vor etwa 20 Jahren zum letzten<br />
Mal neu bemalt.« • Marius Lechler<br />
Der Führungsstab dient als Orientierungshilfe und Ablage für die Hand beim Malen.<br />
Unten: Vorlage für ein Ornament, das die Wand über einem Fensterstock ziert<br />
Zwischen Staffelei und Bauernmöbel<br />
Das Atelier von Georg Larsch bietet Besuchern, die sich<br />
für die Technik der Bauernmalerei und seine anderen<br />
Kunstprojekte interessieren, einen tiefen Einblick in seine<br />
Arbeitsweise. Kontakt unter: Atelier Georg Larsch, Am<br />
Burgstall 3, 87538 Fischen-Au, Tel. 08326/239<br />
Oben:<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Service<br />
Haarspielereien<br />
für die Traditions-Tracht<br />
Ein wichtiges Element des überlieferten Gewandes, das integraler<br />
Bestandteil der Allgäuer Kultur ist, sind die passenden Frisuren.<br />
Patricia (rechts) und Alicia Vachenauer, Mitglieder der Historischen<br />
Trachtengruppe im Gebirgstrachten- und Heimatverein Oberstdorf,<br />
zeigen in einfachen Schritten zum Nachmachen, wie ein seitlich<br />
geflochtener »Französischer Zopf« mit Dutt entsteht<br />
62 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Einen Seitenscheitel frisieren, drei Strähnen<br />
abteilen. Einen Zopf flechten: eine Strähne<br />
von oben nehmen, über die mittlere Strähne<br />
legen und unter der unteren Strähne durchführen.<br />
Von unten eine Strähne über die<br />
mittlere Strähne legen, unter der oberen<br />
durchführen.<br />
Immer wieder Haare dazunehmen, von<br />
oben und unten. Beim Flechten des Zopfes<br />
nicht zu locker werden und mit der Hand<br />
fest am Kopf bleiben, damit die Frisur straff<br />
sitzt. Mit dem Flechten fortfahren, bis man<br />
den Nacken erreicht hat. Den Zopf im Na -<br />
cken mit einer Haarklammer fixieren.<br />
Die Arbeitsschritte auf der anderen Kopfseite<br />
wiederholen. Dabei weiterhin darauf achten,<br />
dass die Haare beim Flechten des Zopfes<br />
eng am Kopf anliegen. Fortfahren, bis auch<br />
der Zopf auf der gegenüberliegenden Kopfseite<br />
bis ganz nach hinten zum Nacken führt.<br />
Haarnadeln und -gummis schon vorher bereitlegen.<br />
Fotos: Marius Lechler<br />
Aus den Haaren im Nacken mit einem Haargummi einen Pferdeschwanz<br />
binden. Im Pferdeschwanz drei Strähnen abteilen, zu einem<br />
kleinen Zopf flechten. Die Haare im Zopf aufzupfen, das heißt, einige<br />
Strähnchen leicht aus dem Zopf herausziehen, um ihn lockerer wirken<br />
zu lassen. Den Zopf mit einer Haarnadel fixieren und so einen<br />
Dutt hochstecken.<br />
Die übrigen Haare im Pferdeschwanz ebenso zu Zöpfen flechten, diese<br />
leicht aufzupfen (siehe oben), um dem Dutt Volumen zu verleihen<br />
und ihn weniger streng erscheinen zu lassen, danach zum Dutt hochund<br />
mit Haarnadeln feststecken.<br />
<br />
Trachtenbewahrer mit 1000 Mitgliedern<br />
Der Gebirgstrachten- und Heimatschutzverein Oberstdorf<br />
e.V. ist der größte Trachtenverein Deutschlands und besteht<br />
seit mehr als 110 Jahren. Er organisiert auch den alle fünf<br />
Jahre stattfindenden Wilde-Männle-Tanz, der in diesem Jahr<br />
wieder veranstaltet wird. Mehr Informationen unter:<br />
Gebirgstrachten- und Heimatschutzverein Oberstdorf,<br />
1. Vorsitzender Werner Griesche, Frohmarkt 3,<br />
87561 Oberstdorf, Tel. 08322/6673,<br />
E-Mail: info@oberstdorfer-trachtenverein.de,<br />
www.trachtenverein-oberstdorf.de<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
63
Mit den restlichen Strähnen ebenso fortfahren, bis alle Haare im<br />
Pferdeschwanz geflochten und verarbeitet sind.<br />
Herausstehende Strähnen in die Frisur stecken, mit dem Kamm letzte<br />
Unebenheiten glätten.<br />
Wenn Haarspray zum Fixieren der Frisur<br />
in Flechtrichtung aufgesprüht wird, legen<br />
sich feine, abstehende Härchen an.<br />
Zum Abschluss noch eine repräsentative Haarklammer als Halt und<br />
zur Verzierung anbringen.<br />
Und fertig ist die Trachtenfrisur. So kann es zum Volkstanz, Heimatabend<br />
oder zur Plattlerprobe gehen.<br />
Frisuren-Tipps<br />
für Daheim<br />
Wer auf der Suche nach der passenden<br />
Trachtenfrisur ist, findet nicht<br />
unbedingt allgäuspezifische, aber<br />
interessante Ideen in Sabine Sziedats<br />
Anleitungsbuch. Hig’flecht, Herg’flecht<br />
& Aufeg’steckt, Ein bayrisches<br />
Flechtfrisurenbuch, 67 Seiten, viele<br />
Farb fotos, Preis: 34,- Euro, Selbst -<br />
verlag, Benediktbeuren 2014, erhältlich<br />
beim Bayerischen Trachtenverband e.V.,<br />
Ambrosius-Mößmer-Weg 4, 82409 Wildsteig,<br />
Tel. 08741/94977-0, Fax<br />
08741/94977-119, E-Mail:<br />
info@trachtenverband.bayern,<br />
www.trachtenverband-bayern.de<br />
64<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Anzeigen
Manufaktur<br />
Ganz vorne: Heidelind<br />
Schwarz, im Hintergrund<br />
Magdalena, Gottfried und<br />
Anselm Schwarz bei der<br />
Arbeit in ihrer Familien-<br />
Schmuckwerk statt<br />
Die Preziosen-Schöpfer<br />
aus der Silberwerkstatt<br />
Ohne ihn wären Dirndl und Mieder zwar immer noch schöne<br />
Kleidungsstücke, doch der gewisse Glanz des Wertvollen ginge verloren:<br />
Kostbarer Trachtenschmuck wie Miederhaken oder Hutnadeln aus Silber<br />
vervollständigen das Gesamtbild beim Gewand. Die Unterallgäuer Familie<br />
Schwarz fertigt heute noch die zierenden Unikate aus dem Edelmetall<br />
Mit viel Feingefühl<br />
muss ein silberner Mieder -<br />
haken geschliffen werden<br />
Die Werkstatt der Silberschmiede im Weiler<br />
Klein-Siebnach bei Ettringen ist mit den vier<br />
Familienmitgliedern, die hier konzentriert an<br />
wertvollen Schmuckstücken arbeiten, voll besetzt. Der<br />
Betrieb von Gottfried und Irmingard Schwarz ist eine<br />
der ganz wenigen Allgäuer Manufakturen, in denen<br />
traditioneller Trachtenschmuck noch von Hand hergestellt<br />
wird.<br />
Silberne Miederhaken sind die Spezialität im Hause<br />
Schwarz. Dabei beschränken sich Gottfried Schwarz,<br />
Sohn Anselm und dessen Schwester Heidelind sowie<br />
Enkelin und Auszubildende Magdalena nicht auf die<br />
Produktion von neuen Stücken, sondern nehmen sich<br />
auch historische Vorlagen vor, nach denen dieser alte<br />
Schmuck reproduziert wird.<br />
Dass die gesamte Familie mittlerweile dieses Handwerk<br />
ausübt, habe sich im Lauf der Zeit entwickelt, erzählt<br />
Gottfried Schwarz. Schließlich sei es bei der<br />
Werkstatt im eigenen Haus ganz klar, dass die Kinder<br />
schon früh Interesse daran gezeigt hätten, was hier<br />
passiert. Sein Sohn Anselm ergänzt: »Auf diese Weise<br />
wächst man von klein auf hinein in diesen Beruf.«<br />
Der Schwerpunkt bei der Herstellung von Miederhaken<br />
habe dagegen seinen Ursprung in einem alten<br />
Mädchenmieder seiner Großmutter aus Dillingen von<br />
1880 oder 1890 gehabt, meint sein Vater. Von dem<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Schatzkiste voll<br />
wertvoller Objekte<br />
Die Miederhaken der<br />
Silberschmiede Schwarz,<br />
weiterer Trachtenschmuck,<br />
Colliers sowie andere Arbeiten<br />
können bei »Das Kleinod«<br />
in Bad Wörishofen entdeckt<br />
werden. Die Familie berät<br />
auch gern bei Wünschen zu<br />
individuellen Schmuckstücken.<br />
»Das Kleinod«, Gottfried<br />
Schwarz, Hauptstraße 15,<br />
86825 Bad Wörishofen,<br />
Tel. 08247/334700<br />
(Mittwochs geschlossen)<br />
Mieder habe er die Haken gerettet und gesammelt,<br />
später seien weitere bis zur Biedermeierzeit hinzugekommen.<br />
Die Stücke wurden dank der Trachtenkulturberatung<br />
des Bezirks Schwaben in Krumbach, mit<br />
der die Silberschmiede zusammenarbeiten, durch<br />
Exemplare aus dem Rokoko ergänzt.<br />
Ein Gewand soll kostbar sein<br />
Die Motivation für viele Trachtenträger, sich mit handgearbeiteten<br />
Schmuckstücken aus der Fertigung der<br />
Kunsthandwerker-Familie auszustatten, weiß Anselm<br />
Schwarz einfach zu beschreiben: »Ein solches Gewand<br />
soll kostbar sein, und es verstärkt schlicht den Wert,<br />
wenn die Miederhaken an einem derartigen Kleidungsstück<br />
aus Silber sind und nicht aus Blech.« Er betont,<br />
der Betrieb habe in der Region durchaus ein Defizit<br />
ausgefüllt, das vorhanden war. »Doch Trachtenschmuck<br />
herzustellen, ist eine Liebhaberei.«<br />
Auch, wenn es nur noch wenige Gold- und Silberschmiede<br />
gebe, die in diesem ganz speziellen Bereich<br />
tätig sind, gelte doch, dass sich mittlerweile – seit rund<br />
20 Jahren – wieder mehr Menschen der Tracht zuwenden.<br />
Der Formenschatz der Schmuckstücke für das traditionelle<br />
Gewand, das von der Silberschmied-Familie<br />
hergestellt wird, sei sehr groß: »Wir stellen zum Bei-<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
spiel Miederstecker, Hutnadeln und Schurzhaken her.<br />
Auch eine breite Palette von Knöpfen für Jacken oder<br />
eventuell eine Einfassung für ein damasziertes Messerbesteck<br />
gehört dazu.«<br />
Jedes Stück wird fünfmal umgedreht<br />
Was den 46-jährigen Anselm Schwarz an der Tätigkeit<br />
des Silberschmiedes für Trachtenschmuck besonders<br />
reizt, bringt er so auf den Punkt: »Man fühlt sich auch<br />
als Kulturträger durch diese Arbeit.« Er skizziert, wie<br />
ein Schmuckstück in der Werkstatt entsteht: »Zu Beginn<br />
wird ein Modell in Schiefer geschnitten, aus dem<br />
ein erstes Wachsmodell hergestellt wird.« Dieses werde<br />
daraufhin gegossen – wenn man dies mehrmals<br />
wiederholen wolle, werde eine Kautschukform angefertigt.<br />
Diese könne man dazu verwenden, das Wachs<br />
mehrmals hineinzugießen.<br />
Laut Gottfried Schwarz ist der größte Unterschied<br />
zwischen handgearbeitetem Trachtenschmuck und<br />
billigeren Objekten, dass bei Massenproduktion möglichst<br />
preisbewusst gearbeitet wird. »Wir drehen dagegen<br />
jedes Schmuckstück fünfmal um, und wenn<br />
man es nochmal schleifen muss, damit es unserem<br />
Qualitätsbewusstsein entspricht, dann tun wir das«,<br />
sagt Magdalena Schwarz dazu. • Marius Lechler<br />
Ganz oben links: Gottfried<br />
Schwarz zeigt die Miederhaken<br />
aus der Herstellung der<br />
Silberschmiede. Ganz oben:<br />
Heidelind Schwarz beim<br />
Einfädeln einer Miederkette.<br />
Ganz links: Enkelin Magdalena<br />
feilt einen Haken ab, um<br />
Unebenheiten oder Grate zu<br />
glätten. Oben: Anselm Schwarz<br />
mit Wachsmodellen für die Silber-<br />
Schmuckstücke<br />
67
Musik<br />
Juchzger unter freiem Himmel<br />
Zum Kurs »Jodeln & Wandern in den Allgäuer<br />
Bergen« unter Leitung von Loni Kuisle gibt es weitere<br />
Informationen bei Loni Kuisle, Hintersteinerstraße 18,<br />
87541 Bad Oberdorf, Mobil: 0160/7997120, E-Mail:<br />
loni.kuisle@gmx.de. Termine auf Anfrage.<br />
Vielstimmige Klänge<br />
ohne Klischees<br />
Mit Loriots Sketch vom »Jodeldiplom« ist Loni Kuisle zwar auch schon<br />
öfter konfrontiert worden, doch mit Klischees hat das, was die<br />
musik- und heimatverbundene Oberallgäuerin lehrt, nichts zu tun.<br />
Sie bietet für Menschen, die den mehrstimmigen Gesang lernen wollen,<br />
Jodelkurse an ausgesuchten Orten in der Idylle der Allgäuer Berge an<br />
Auch, wenn der eine oder andere dies vielleicht<br />
anzweifeln möchte, Loni Kuisle ist davon überzeugt,<br />
dass ihr Motto »Jeder kann jodeln«<br />
funktioniert. Die in Niedersonthofen im Oberallgäu<br />
geborene Musikerin, die seit 1978 im Bad Hindelanger<br />
Ortsteil Bad Oberdorf lebt, stammt bereits aus einer<br />
musikalischen Familie. Von der Mutter habe sie –<br />
ebenso wie ihre Geschwister – den mehrstimmigen<br />
Gesang gelernt.<br />
»Auch gejodelt habe ich schon immer«, fügt sie hinzu.<br />
In den Singstunden, die sie für interessierte Teilnehmer<br />
abgehalten habe, sei auch immer ein kleiner Jodler Teil<br />
des Programms gewesen. Dies habe den Menschen<br />
sehr gut gefallen, und sie habe die Idee, das Erlernen<br />
der speziellen Gesangstechnik in Form von Kursen anzubieten,<br />
weiter verfolgt. »Vor fünf bis sechs Jahren<br />
habe ich dann mit Jodelkursen im Allgäu angefangen.<br />
Die Idee war, dass ich mit den Leuten draußen in freier<br />
Natur in einer Gruppe jodele und dies in Form eines<br />
Kurses anbiete.« Dies geschehe bei einer Bergwanderung<br />
zur Alpe Oberberg im Gunzesrieder Tal.<br />
gen.« Überaus wichtiger Bestandteil ihres Angebotes sei<br />
das »Eins-Sein« mit dem Planeten, darum sei es ihr bei<br />
dem Konzept gegangen, führt sie aus.<br />
Natürlich sind die Kursteilnehmer, die sowohl aus<br />
ganz Deutschland, aber auch aus dem Allgäu zu ihr<br />
kommen, zu Beginn noch etwas verkrampft, sich auf<br />
ein so ungewohntes Erlebnis wie das Jodeln in der<br />
Natur vor anderen Menschen einzulassen. Doch auch<br />
dafür hat Loni Kuisle ein Rezept: »Tanzen bricht die<br />
Barriere. Wir wandern in Stationen zur Alpe, und man<br />
braucht mindestens drei Stationen auf dem Kurs, bis<br />
sich die Leute überwinden.«<br />
Bei einem Wechseltanz, den sie die Teilnehmer absolvieren<br />
lasse, müssten sich alle anfassen und um die<br />
Kuhfladen und Steine auf dem Weg herumtanzen.<br />
»Und schon lachen alle und sind lockerer.« Außerdem<br />
erkläre sie dabei die Noten und könne hören, wie die<br />
Mehrstimmigkeit der Gruppe zusammenpasse.<br />
Musikalische Heimat statt Firlefanz<br />
Oben: Loni Kuisle dirigiert eine<br />
Gruppe lernbereiter Jodler in<br />
spe am Berghang, um ihnen<br />
für sie noch unbekannte Klänge<br />
und Melodien beizubringen<br />
68<br />
Tanzen bricht das Eis<br />
»Für mich ist der Platz wichtig, wo man jodelt«, sagt<br />
Loni Kuisle. »Der Platz muss gut sein, Bäume müssen<br />
rauschen, Wasser im Hintergrund fließen, Vögel sin-<br />
An einer Station mit Aussicht auf die Natur geht es danach<br />
darum, jeden sein Bestes geben zu lassen, um<br />
den Planet zu besingen. »Leute, die quasi keinen Bezug<br />
zur Natur haben, singen dann für die Kühe, und<br />
das ist eine so friedliche Atmosphäre«, erläutert Loni<br />
Kuisle. Sie unterstreicht, dass ihre Jodelkurse alles an-<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Fotos: Helene Weinold-Leipold; Kerstin Nagel; Christian Hüller/3Rosen Filmverleih; 2012 Christian Hüller/Fruitmarket Kultur und Medien<br />
Beim Unterricht wird auch gelacht (o.). Beim Anzeigen<br />
der richtigen Töne (ganz o.r.): . Gemeinsames Jodeln<br />
(Mitte r.). Einzelbetreuung für künftige Jodler (r.)<br />
Oben: Loni Kuisle singt die Melo -<br />
die an. Nach dem Vorbild der<br />
Jodellehrerin (u.) wie derholen<br />
die Schüler das Lied<br />
dere als eine Art Firlefanz-Veranstaltung seien. »Diese<br />
Musik sollte man wertschätzen, meine Kurse haben<br />
auch nichts mit Loriot zu tun.« Natürlich kenne sie<br />
auch Loriot und das berühmte »Jodeldiplom«, Humor<br />
müsse ja auch sein, doch bei ihr gebe es kein »Jodeldiplom«.<br />
Sie hebt hervor: »Ich bin so aufgewachsen, dass<br />
mir Musik wichtig ist, und ich weiß, wo meine Wurzeln<br />
sind.« Diese Art von Heimat wolle sie weitergeben.<br />
Die Gruppen, die bei Loni Kuisle das Jodeln lernen<br />
wollen, sind bunt gemischt, wie sie weiß: »Es sind auch<br />
immer Allgäuer dabei, dann kommt mal wieder ein<br />
Rudel Kölner, oder die Teilnehmer kommen aus Hamburg<br />
und sagen zu mir: ‚Ich jodele jetzt mit den Wellen’.«<br />
Sie freue es besonders, dass die Menschen in den<br />
Bergen den Klang hören könnten, den sie gemeinsam<br />
erzeugen, und dass sie ihnen zeigen könne, wie sie ihre<br />
Umgebung bewusst wahrnehmen könnten.<br />
Sogar in einem Film wurde Loni Kuisle mittlerweile<br />
portraitiert: Die Dokumentation »Sound of Heimat«<br />
widmete sich neben weiteren modernen deutschen<br />
Volksmusikern auch ihren Kursen. Im Rahmen des<br />
»German Film Festival 2014« lud das Goethe-Institut<br />
die Allgäuerin vergangenes Jahr nach Neuseeland ein,<br />
wo sie in Auckland einen Jodelkurs gab. So erreichte<br />
sie sogar Menschen am anderen Ende der Erde. Loni<br />
Kuisle freut dies sehr, denn sie weiß, dass die Gesangstechnik,<br />
die sie lehrt, international ist: »Es wird auf der<br />
ganzen Welt gejodelt«, sagt sie. • Marius Lechler<br />
Heimatklänge im Film<br />
Die DVD zur Dokumentation »Sound of Heimat« ist im<br />
Fachhandel erhältlich. Im Film bereist der schottischneuseeländische<br />
Musiker Hayden Chisholm<br />
Deutschland und trifft Vertreter deutscher Volksmusik.<br />
Von Flensburg über Klingenthal bis ins Allgäu führt<br />
ihn die Reise und lässt ihn die musikalische Exotik<br />
unserer Heimat entdecken. »Sound of Heimat«,<br />
Deutschland 2011, DVD-Features: Booklet, vier Tracks<br />
zum Mitsingen, Interviews, 90 Minuten, Preis: 15,90<br />
Euro, EAN: 4047179792486, www.soundofheimat.de<br />
Das Heim von Loni Kuisle in Bad Oberdorf bei Bad Hindelang<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
69
Freizeit<br />
Hohe Töne<br />
Oberstdorf/Kleinwalsertal:<br />
Im<br />
Allgäu spielt die Musik ganz oben.<br />
Kurzinfo<br />
Das gesamte Veranstaltungs -<br />
programm rund um die Berg -<br />
bahnen an Fellhorn/Kanzelwand,<br />
Nebelhorn, Söllereck und<br />
Walmendinger horn gibt es unter<br />
www.das-hoechste.com<br />
So wandelt man beim musikalisch<br />
begleiteten Rundwanderweg mit<br />
echter Volksmusik am 28. Juni<br />
durch blühende Alpenrosenmeere<br />
am Fellhorn. Auf dem Walmendingerhorn<br />
entführt die Erzählerin<br />
Annika Hofmann am 9. Juli in die<br />
Sagenwelt, Martina Noichl begleitet<br />
die Reise mit mystischen Harfenklängen.<br />
Dazu wird festlich gespeist.<br />
Lieder in der Sprache des<br />
Allgäus präsentiert Werner Specht<br />
bei einem Gipfelkonzert zum Sonnenuntergang<br />
in der »Bergschau<br />
2037« auf dem Fellhorn. Den Auftakt<br />
macht der Auftritt am 24. Juli,<br />
Die Betreiber der Bergbahnen »Das Höchste« nutzen die Bergkulisse<br />
als Bühne für stimmungsvolle Veranstaltungen<br />
weitere folgen am 21. August und<br />
18. September. Freunde des Alphorns<br />
kommen am 19. Juli auf ihre<br />
Kosten: Rund 50 Musiker sind bei<br />
der 24. Berglar-Kirbe auf dem Fellhorn<br />
zu Gast. Ein weiteres Gipfeltreffen<br />
der Jodler, Alphornbläser<br />
und Trachtler ist am 23. August auf<br />
dem Nebelhorn geplant. Ein musikalisches<br />
Bekenntnis zu ihrer Heimat<br />
legen am 6. September Jodlergruppen<br />
der Region ab, wenn sie<br />
sich auf dem Söllereck zum traditionellen<br />
Alpsingen treffen.<br />
Fotos: Das Höchste – Bergbahnen Oberstdorf/Kleinwalsertal; Siegfried Bruckmeier<br />
Zeitreise durch die Wunderkammer<br />
Elbigenalp/Lechtal: Am 4. Juli öffnet<br />
die Elbigenalper Wunderkammer<br />
ihre Pforten. Besucher begeben<br />
sich in dem neuen Museum auf<br />
die Spuren der Lechtaler von der<br />
Renaissance bis heute. Ausgestellt<br />
ist die Kunst- und Kuriositätensammlung<br />
von Johann Anton Falger:<br />
Der Maler, Lithograf, Kupferstecher,<br />
Anthropologe, Geologe<br />
und Brauchtumsforscher war einer<br />
der letzten Universalgelehrten der<br />
ausgehenden Klassik und gilt als<br />
Vater des Lechtals. Anlässlich seines<br />
140. Todestages wurde seine<br />
private Sammlung, in der Falger<br />
mit dem Wissen um typische Lechtaler<br />
Bräuche und Sitten, aber auch<br />
mit der Niederschrift des damaligen<br />
Alltagswissens einen wichtigen<br />
Beitrag zur Bewahrung der Lech -<br />
taler Geschichte leistete, erweitert<br />
und zugänglich gemacht. Das Museum<br />
befindet sich im ehemaligen<br />
Elbigenalper Doktorhaus. Das moderne<br />
Museumskonzept sieht vor,<br />
dass ein kleiner Teil der Ausstellung<br />
permanent für Besucher zugänglich<br />
sein soll.<br />
Abschriften wichtiger historischer<br />
Urkunden, Klimastudien, anatomisch<br />
genaue Zeichnungen, geologische<br />
Funde, Beispiele alter Lechtaler<br />
Trachten und mehr sind im neuen<br />
Museum zu bestaunen<br />
Kurzinfo<br />
Gemeinde Elbigenalp<br />
Dorf 55a<br />
A-6652 Elbigenalp<br />
Tel. +43 (0)5634/6210<br />
Fax +43 (0)5634/6210 20<br />
E-Mail: gemeinde@<br />
elbigenalp.tirol.gv.at<br />
Grafik: duarf91 – grafikstudio<br />
70 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Freizeit<br />
Mit Tuba und Flügelhorn<br />
ins Bettchen<br />
Foto: Isny Marketing GmbH/Ernst Fesseler<br />
Isny: 24 Konzerte der Kapellen<br />
aus Isny, den Ortschaften und<br />
der näheren Umgebung versprechen<br />
bis September stimmungsvolle<br />
Stunden. Jeweils mittwochs<br />
wird in den Kurpark in Isny zum<br />
Sommerabendkonzert eingeladen,<br />
an den Freitagen vor die<br />
»Sonne Neutrauchburg«. Die<br />
Konzerte stehen heuer ganz im<br />
Zeichen des Jubiläums »650 Jahre<br />
Freie Reichsstadt«. Vom<br />
Schreibwettbewerb über Opernfestivals<br />
bis zum Schmalzmarktfest<br />
mit Brunneneinweihung<br />
zieht das festliche Programm<br />
sich durch das Jahr.<br />
Die Stadt Isny lädt auch in<br />
diesem Jahr zweimal die Woche<br />
zu musikalischen Abenden ein<br />
Kurzinfo<br />
Isny Marketing GmbH<br />
Unterer Grabenweg 18<br />
88316 Isny im Allgäu<br />
Tel. 07562/97563-50<br />
Fax 07562/97563-14<br />
E-Mail: k.breyer@<br />
isny-tourismus.de<br />
www.isny.de<br />
Lagerfeuermärchen<br />
mit Fledermauskonzert<br />
Immenstadt: Am 8. August lädt<br />
das Naturerlebniszentrum Allgäu<br />
(NEZ) zur Naturerlebnisnacht<br />
in Bühl am Alpsee ein. Ab<br />
20.30 Uhr begeben sich junge<br />
wie alte Teilnehmer auf Fledermaussuche:<br />
Spezielle »Bat-Detektoren«<br />
machen die Rufe der<br />
insektenjagenden Tiere hörbar.<br />
Dabei informieren die Naturkundler<br />
über die Besonderheiten<br />
der flinken Nachtschwärmer.<br />
Später werden bei Lagerfeuer<br />
und irischen Harfenklängen alte<br />
Geschichten und Sagen aus der<br />
Natur erzählt. Geöffnet ist auch<br />
das Naturparkzentrum »AlpSee-<br />
Haus«: Ein nächtlicher Besuch<br />
in der Erlebnisausstellung, bei<br />
der man in der Rolle eines außerirdischen<br />
Forschers den Naturpark<br />
Nagelfluhkette erkundet,<br />
ist ein besonderes Erlebnis.<br />
Foto: NEZ<br />
An der Lagerfeuerstelle am<br />
AlpSeeHaus werden in der<br />
Naturerlebnisnacht Märchen<br />
aus der Natur erzählt<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
Kurzinfo<br />
Naturerlebniszentrum im<br />
AlpSeeHaus<br />
Seestraße 10<br />
87509 Immenstadt-Bühl<br />
Tel. 08323/9988717<br />
E-Mail: tourist-info@immenstadt.de<br />
www.nez-allgaeu.de
Freizeit<br />
Käse-Kräuter-Sommer im Gunzesrieder Tal<br />
Kurz und wichtig<br />
Ein ausführliches Programm<br />
zum Käse-Kräuter-Sommer gibt<br />
es in der Tourist-Info Blaichach<br />
(Tel. 08321/6076-950) und<br />
unter www.blaichach.de<br />
Foto: Susanne Lang<br />
Blaichach/Gunzesried: Vom 1. Juli<br />
bis 30. September bietet das Gunzesrieder<br />
Kräutertal ein breites<br />
Veranstaltungsbündel mit geführten<br />
Wanderungen, Workshops,<br />
Wellness- und Kneippgenüssen<br />
rund um Käse und Kräuter. Wanderführer<br />
sowie qualifizierte Kräuterfrauen<br />
führen in diesen Wochen<br />
durch die umliegende Natur- und<br />
Bergwelt. Die Naturschau reicht<br />
vom dorfeigenen Kräutergarten<br />
Beim Kräutergartenfest gibt es Schmackhaftes<br />
von flüssig bis herzhaft aus dem Garten<br />
über die zahlreichen Sennalpen bis<br />
hinauf zur Nagelfluhkette. Am 19.<br />
Juli erreicht der Käse-Kräuter-<br />
Sommer mit dem Kräutergartenfest<br />
seinen Höhepunkt. Auf dem<br />
Gunzesrieder Kappelbichl erwarten<br />
den Besucher ein liebevoll<br />
gestalteter Kreativmarkt, fachkundige<br />
Führungen durch den Kräutergarten,<br />
Köstlichkeiten aus der<br />
Kräuterküche sowie ein umfangreiches<br />
Kinderprogramm.<br />
Der Heugäuer ist ein echter Allgäuer<br />
»Allgäu aus der Flasche«:<br />
Kein anderes Erfrischungsgetränk<br />
kann von sich<br />
behaupten, dass sämtliche<br />
Inhaltsstoffe aus dem<br />
Allgäu stammen<br />
Kurz und wichtig<br />
Privat-Brauerei Zötler GmbH<br />
Grüntenstraße 2<br />
87549 Rettenberg<br />
Tel. 08327/921-0<br />
Fax 08327/7487<br />
E-Mail: zoetler@zoetler.de<br />
www.zoetler.de<br />
Foto: Brauerei Zötler, Tino Sailer<br />
Rettenberg: Mit der Berglimonade<br />
»Heugäuer« hat die Brauerei Zötler<br />
aus Rettenberg eine besondere Erfrischungsvariante<br />
geschaffen. Hier<br />
vereinen sich frische Früchte und<br />
Allgäuer Bergwiesenheu in der Flasche.<br />
Der Löwenanteil des süßen<br />
Saftes stammt aus heimischen<br />
Streuobstäpfeln. Der Name »Heugäuer«<br />
stammt vom speziellen Extrakt<br />
aus Bergwiesenheu. Das außergewöhnliche<br />
Geschmackselement<br />
wird im Raum Pfronten getrocknet<br />
und nach einem geheimen<br />
Verfahren schonend verarbeitet.<br />
Das ist jedoch nicht die einzige Besonderheit<br />
an dem farbenfrohen<br />
Durstlöscher: Der »Heugäuer« ist<br />
ein echter Allgäuer. Alle Zutaten<br />
und Rohstoffe für das Getränk<br />
stammen zu einhundert Prozent aus<br />
der Region. Damit wird die Wertschöpfung<br />
komplett in der Heimat<br />
belassen. Die Zötler Berglimo gibt<br />
es in gut sortierten Allgäuer Getränkemärkten<br />
und Lebensmittelgeschäften,<br />
aber auch auf vielen Alpen<br />
und in Gastro-Betrieben.<br />
72 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Kolumne<br />
Scharf nôchdenkt über<br />
Urlaub<br />
Anzeigen<br />
im Allgäu<br />
Max Adolf ist Kabarettist,<br />
Buchautor und von Herzen Allgäuer<br />
Willkommen im Allgäu<br />
Griaß Gott mitanand<br />
Willkommen im freundlichen Urlaubsland<br />
In kristallklarer Luft, in einem Stückchen heile Welt<br />
ist für euch alles bestens zum Urlaub bestellt<br />
Wir haben euch keinen Walt Disney zu bieten,<br />
wir sind noch Original<br />
Unsere Landschaft hat der König Ludwig geliebt<br />
und der Prinzregent aus München kam gerne ins Ostrachtal<br />
Mit der Sprache do isch es denn verreckt<br />
des isch so a Sach mit deam Dialekt<br />
Den lernen sie nie in den paar Urlaubswochen,<br />
doch trösten sie sich:<br />
Dafür sprechen wir das Hochdeutsch nur gebrochen<br />
Sie teilen dieses Schicksal mit den meisten<br />
von uns hochgeschätzten Zugereisten<br />
Und so mancher mit Gamsbart und Edelweiß<br />
isch it selten von Berlin ein Schtockbreiß<br />
und so mancher in der Lederhose fühlt sich ganz echt<br />
und wenn er den Mund aufmacht, no isch es a Frank – Allmecht<br />
und ganz hektisch werden die Skipisten grummet<br />
wenn d’ Baden-Württemberger kommed<br />
Doch gerade diese Mischung ist genial<br />
die ist schon wieder Original<br />
Und darum freuen wir uns alle mitanand<br />
an unserem herrlichen Allgäuer Land<br />
und wir laden sie ganz herzlich ein<br />
auch in Zukunft unsere Gäste zu sein!<br />
Und findet des irgendjemand – it schi (nicht schön),<br />
dann isch uns des jetzt alle mitanond – gli (egal)<br />
Ab sofort haben Sie das aktuelle Magazin<br />
zum Allgäuer Wandersommer immer dabei!<br />
E-Paper für<br />
2,50 Euro<br />
www.wandermagazin-allgaeu.de<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
73
Freizeit<br />
Immer wieder<br />
samstags<br />
Kurzinfo<br />
Schnell bergab geht es<br />
auf der Sommerrodelbahn<br />
der Alpsee Bergwelt<br />
Alpsee Bergwelt<br />
Ratholz 24<br />
D-87509 Immenstadt<br />
Tel. 08325/252<br />
info@alpsee-bergwelt.de<br />
www.alpsee-bergwelt.de<br />
Rasant rodeln, hoch klettern<br />
Immenstadt: Die Alpsee Bergwelt<br />
zwischen Immenstadt und Oberstaufen<br />
lädt in dieser Saison wieder<br />
zu Fahrten auf Deutschlands längster<br />
Ganzjahresrodelbahn ein. Auf<br />
einer Strecke von knapp drei Kilometern<br />
führt die Fahrt in 68 Kurven<br />
ins Tal. Vom 23. Mai bis 6. Juni<br />
und vom 11. Juli bis 12. September<br />
wird der Betrieb dank Flutlichtan-<br />
Oberstdorf: Nach einer einjährigen<br />
Pause kommt der Musiksommer<br />
zwischen 30. Juli und 15. August<br />
unter künstlerischer Leitung<br />
von Eckhard Fischer zurück nach<br />
Oberstdorf. Mit 7 Meisterkursen,<br />
16 Konzertveranstaltungen und<br />
dem traditionellen »Abend der Begegnung«<br />
feiert der Oberstdorfer<br />
Musiksommer eine Neuauflage.<br />
Das Eröffnungskonzert mit dem<br />
Kammerorchester arcata Stuttgart<br />
findet am 30. Juli um 20 Uhr in der<br />
Katholischen Pfarrkirche statt.<br />
Weitere Informationen zu Konzer-<br />
lage jeden Mittwoch und Samstag<br />
bis 22 Uhr verlängert. Auch im<br />
nahegelegenen Kletterwald Bärenfalle,<br />
Bayerns größtem Hochseilgarten,<br />
kommt in 20 Metern Höhe<br />
keine Langeweile auf. Von der<br />
Bergstation der Alpsee Bergwelt<br />
aus führen zahlreiche Wanderwege<br />
in die schöne Bergwelt des Naturparks<br />
Nagelfluhkette.<br />
Meisterkurse und Konzerte<br />
Das Abschlusskonzert des Oberstdorfer<br />
Musiksommers gibt das Marimba<br />
Quartett am 15. August<br />
ten, Künstlern und Meisterkursen<br />
gibt es unter www.oberstdorfermusiksommer.de.<br />
Das Festivalbüro<br />
ist erreichbar unter der Telefonnummer<br />
08322/959-2005.<br />
Foto: Alpsee Bergwelt<br />
Foto: Oberstdorfer Musiksommer<br />
Westallgäu: An 24 Samstagen<br />
heißt es in diesem Jahr: »Ich bin<br />
dann mal weg.« Mit Startpunkten<br />
in mehreren Gemeinden im Westallgäu<br />
machen sich Menschen gemeinsam<br />
auf den Weg zum »Samstagspilgern«.<br />
Mit einer erfahrenen<br />
Pilgerbegleitung geht es mal über<br />
weiche Wald- und Wiesenwege,<br />
mal auf schmalem Pfad in die Höhe<br />
oder auch mitten über den Rathausplatz.<br />
Viele der Touren stehen<br />
unter einem bestimmten Motto wie<br />
beispielsweise »Wenn die Stille zu<br />
mir spricht« oder »Ökumenisch<br />
miteinander unterwegs«. Das »Mitpilgern«<br />
ist kostenlos. Die Strecken<br />
sind unterschiedlich lang – von<br />
eineinhalb bis zu sechseinhalb<br />
Stunden kann die Wanderung dauern.<br />
Die Touren sind meist so angelegt,<br />
dass eine Rückkehr zum<br />
Ausgangspunkt mit Bus oder Bahn<br />
möglich ist.<br />
Das Samstagspilgern-<br />
Programm wurde erstmals<br />
2013 unter dem Dach der<br />
»Kraftquelle Allgäu« aufgelegt<br />
Kurzinfo<br />
Das Programmheft »Samstags-<br />
pilgern« gibt es in den Tourist-<br />
Informationen im Westallgäu und in<br />
der Ferienregion Allgäu-Bodensee<br />
oder unter<br />
www.kraftquelleallgaeu.de<br />
Foto: Landratsamt Lindau (Bodensee), Rolf Brenner<br />
74 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Freizeit<br />
Anzeigen<br />
Der Tanz der wilden Männer<br />
Oberstdorf: Alle fünf Jahre wird es<br />
mystisch in Oberstdorf: Moosbedeckt<br />
und urtümlich stampfen<br />
dann die »Wilden Mändle« über<br />
die Bühne der Oybele Festhalle.<br />
Die erste komplette Beschreibung<br />
des Tanzes findet sich 615 nach<br />
Christus. Mit geringen Änderungen<br />
hat sich der Tanz im Schutz der<br />
Gebirgstäler bis heute in Oberstdorf<br />
gehalten und wird vom Gebirgstrachten-<br />
und Heimatschutzverein<br />
zur Huldigung heidnischer<br />
Götter und zur Faszination des<br />
sterblichen Publikums aufgeführt.<br />
Karten gibt es beim Tourismusamt<br />
in Obersdorf, Prinzregentenplatz 1,<br />
Tel. 08322/700-290 und per E-Mail:<br />
kartenvorverkauf@oberstdorf.de<br />
Die »Wilden Mändle«<br />
tanzen am:<br />
• 13. Juni, 20 Uhr<br />
• 27. Juni, 20 Uhr<br />
• 17. Juli, 20 Uhr<br />
(Freiluftveranstaltung am Renksteg)<br />
• 25. Juli, 20 Uhr<br />
• 9. Aug., 13.30 Uhr<br />
• 22. Aug., 20 Uhr<br />
• 5. Sept., 20 Uhr<br />
• 26. Sept., 20 Uhr<br />
Foto: Trachtenverein Oberstdorf, Herbert Gruber<br />
Der heidnische »Wilde-Mändle-Tanz« wird nur alle fünf Jahre aufgeführt<br />
Auflösung zum Kinderrätsel auf Seite 88<br />
E B N T D K U H N I G U N D E<br />
E H I A O H C G U J M E D U W A<br />
R F S I B N O A N A E R K F R S<br />
N R E T E D E I A R T N A S X P<br />
A A H U R U B E L L A K E H A E<br />
L N L E T T P R A V Y E G M T I<br />
D Z I N A A E I N E R S A E S V<br />
T U E S V D K M D O Q K L U N B<br />
A E S E L M A B C U F O F D I I<br />
J W E Q E L F G W S H F E O G P<br />
R K L U S M D M A B D E K R B E<br />
B E N Y L R T A J L O L I I A N<br />
Z L A I O A N L S E I F O S P K<br />
E D X A E K R O S A R I L L E R<br />
U A D E G T O T E I N E F D I T<br />
C T O M O M A R T A E I L A L H<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
75
Freizeit<br />
Vergessenes ins Licht gerückt<br />
Kurzinfo<br />
Schwäbisches<br />
Bauernhofmuseum Illerbeuren<br />
Museumstraße 8<br />
87758 Kronburg-Illerbeuren<br />
Tel. 08394/1455<br />
Fax 08394/1454<br />
E-Mail:<br />
info@bauernhofmuseum.de<br />
www.bauernhofmuseum.de<br />
Bei den Handwerkertagen<br />
führt eine Sattlerin den fast<br />
ausgestorbenen Beruf vor<br />
Foto: Schwäbisches Bauernhofmuseum Illerbeuren/Tanja Kutter<br />
Illerbeuren: Das Bauernhofmuseum<br />
begeht heuer sein 60-jähriges<br />
Jubiläum. Am 11. Juni 1955 öffnete<br />
das Freilichtmuseum erstmals seine<br />
Pforten. Für das Jubeljahr haben<br />
sich die Betreiber einige Höhepunkte<br />
einfallen lassen: Der Tag<br />
der Volksmusik am 12. Juli findet<br />
in Kombination mit einem zweitägigen<br />
Trachtenmarkt statt. Die<br />
Sommerferien werden mit dem<br />
Kinderfest am 2. August begrüßt,<br />
in den Wochen danach erwarten<br />
die kleinen Besucher Ferienangebote<br />
vom Heupuppen basteln bis<br />
zum Fladen backen. Bei der beliebten<br />
Museumsnacht am 8. August<br />
von 20 Uhr bis Mitternacht wird<br />
das Gelände stimmungsvoll mit<br />
Fackeln beleuchtet. Es gibt Mitmachstationen<br />
für Kinder, Spuk<br />
und Schabernack im Gelände, eine<br />
gruselige Märchenstunde und – an<br />
verschiedenen Stellen im Gelände<br />
– feurige Höhepunkte. Nicht zuletzt<br />
wird an den Handwerkertagen<br />
am 12. und 13. September traditionelles,<br />
zum Teil vergessenes Handwerk<br />
vorgeführt.<br />
Von Hänsel und Gretel gegründet<br />
Die Herstellerfirma der kleinen<br />
Bimmelbahn von 1965 gibt es längst<br />
nicht mehr. Ersatzteile anfertigen und<br />
Reparaturen liegen inzwischen ganz in<br />
der Hand der Parkleiter<br />
Fotos: Schongauer Märchenwald<br />
Kurzinfo<br />
Schongauer Märchenwald<br />
und Tierpark<br />
Dießener Straße 6<br />
86956 Schongau<br />
Tel. 08861/7527<br />
Fax 08861/200509<br />
E-Mail: info@schongauermaerchenwald.de<br />
www.schongauermaerchenwald.de<br />
Schongau: Das beliebte Familienziel<br />
in der Allgäuer Nachbarschaft,<br />
der Schongauer Märchenwald, feiert<br />
heuer sein 50. Jubiläum. Im<br />
1965 von Hans und Gretl (kein<br />
Scherz) Schmid gegründeten, zwischen<br />
Schongau und Peiting gelegenen<br />
Vergnügungspark hat sich<br />
einiges verändert. So kamen in den<br />
vergangenen Jahren ein neuer Kinderspielplatz,<br />
ein Klettergarten und<br />
der Gastraum »Märchenstube«<br />
hinzu. 2014 wurde der Park durch<br />
den Erlebniswald mit Spazierwegen<br />
und Stationen rund um Wald und<br />
Natur vergrößert. Nur die kleine<br />
Oldtimer-Eisenbahn aus dem Jahr<br />
1965 dreht noch ihre Runden. Neben<br />
den bewegten und erzählenden<br />
»Märchenhäuschen«, die je einer<br />
Märchengeschichte<br />
gewidmet sind, ist der Tierpark beliebt:<br />
Froschkönige, Meckerziegen<br />
und Goldesel sind hier zu Hause<br />
und bekommen im Jubiläumsjahr<br />
wohl das eine oder andere Extra-<br />
Leckerchen.<br />
76 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Freizeit<br />
Anzeigen<br />
Mit langen Löffeln<br />
und lautem »I-aah«<br />
Wolfegg: Eselbesitzer und Freunde<br />
der sturen Langohren kommen<br />
beim 6. Eseltreffen am 19. und 20.<br />
September im Bauernhaus-Museum<br />
zusammen. Jeweils von 10 bis<br />
17 Uhr präsentieren sich die grauen<br />
Gefährten in Wettbewerben und<br />
moderierten Vorführungen. Dabei<br />
erfahren die Besucher alles über<br />
Herkunft, Charakter und Haltung<br />
der Vierbeiner. An den Ausstellerständen<br />
gibt es Zubehör für und<br />
über Esel. Im Museumsdorf gibt es<br />
am Sonntag einen Bauernmarkt.<br />
Zwei Wochenenden davor, am 5.<br />
und 6. September, lohnt das große<br />
Museumsfest einen Besuch: Zu Gast<br />
sind über 70 Handwerker und<br />
Handarbeiterinnen, die ihre traditionellen<br />
Handwerkskünste vorführen<br />
und seltene, historische Werkzeuge<br />
und Gerätschaften zeigen.<br />
Kurzinfo<br />
Bauernhaus-Museum Wolfegg<br />
Vogter Straße 4<br />
88364 Wolfegg<br />
Tel. 07527/9550-0<br />
Fax 07527/9550-10<br />
E-Mail: info@bauernhaus-museum.de<br />
www.bauernhaus-museum.de<br />
Beim Eseltreffen in Wolfegg<br />
präsentieren stolze<br />
Besitzer ihre Esel – und umgekehrt<br />
»Lauf du doch alleine Slalom«, denkt<br />
sich der graue Wettbewerbsteilnehmer<br />
im Bild unten. Manchmal muss man der<br />
nachgesagten Sturheit eben doch<br />
gerecht werden...<br />
Foto: Bauernhaus-Museum Wolfegg<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
77
Freizeit<br />
Des Ritters neue Kleider<br />
Schüler der Freien Schule Allgäu<br />
durften als Erste in die<br />
neuen Gewänder schlüpfen<br />
Foto: Gästeamt Wangen<br />
Wangen: Die mittelalterliche Kinderführung<br />
»Von Rittern, Räubern<br />
und Rabauken« startet in neuer<br />
Gewandung in die Saison. Für die<br />
jungen Teilnehmer schneiderte Kostümbildnerin<br />
Diana Leist-Keller<br />
neue Kostüme. Die neuen Gewänder<br />
für die Ritter, Räuber und<br />
Burgfräulein sind nach mittelalterlicher<br />
Vorlage aus Stoffen wie Leinen<br />
und Baumwolle gefertigt. Die<br />
einstündige Stadtführung findet<br />
am 27. Juni, 25. Juli, 8. August, am<br />
12. und 26. September sowie am<br />
10. Oktober jeweils um 17.30 Uhr<br />
statt. Die Kosten betragen fünf<br />
Euro pro Person. Kinder unter sieben<br />
Jahren müssen von einem Erwachsenen<br />
begleitet werden.<br />
Kurzinfo<br />
Gästeamt Wangen<br />
Bindstraße 10<br />
88239 Wangen im Allgäu<br />
Tel. 07522/74-211<br />
Fax 07522/74-214<br />
E-Mail: info@wangen.de<br />
www.wangen.de<br />
Die Polizei macht’s vor<br />
Kurzinfo<br />
Deutscher Alpenverein e.V.<br />
Bundesgeschäftsstelle<br />
Von-Kahr-Straße 2-4<br />
80997 München<br />
Tel. 089/14003-0<br />
Fax 089/14003-23<br />
E-Mail: info@alpenverein.de<br />
www.alpenverein.de<br />
Bayern: Der Deutsche Alpenverein<br />
(DAV) hat ein neues Logo: Statt wie<br />
bisher in Grün präsentiert sich der<br />
Verein – wie die bayerische Polizei<br />
– ab jetzt in Blau. Zwei Enzianblüten<br />
ersetzen das alte Edelweißmotiv.<br />
2013 begrüßte der Alpenverein<br />
das millionste Mitglied. Vor diesem<br />
Hintergrund suchte der DAV ein<br />
neues Identifikationssymbol, denn<br />
das Edelweiß ist nur in alpinen Höhenlagen<br />
vorzufinden und eine seltene<br />
Pflanze. Der Enzian hingegen<br />
kommt auch in niedrigeren Lagen<br />
und wesentlich häufiger vor. So<br />
wird das Identifikationssymbol des<br />
DAV für eine breitere Masse tauglich<br />
– nahezu alle Wanderer haben<br />
die Chance, den Enzian bei einem<br />
Ausflug vorzufinden. Zur Einführung<br />
des neuen Logos gibt es außerdem<br />
den richtigen »Enzian« in<br />
einer eigens für den DAV hergestellten<br />
Sonderedition: Der klassische<br />
Enzianschnaps aus den Berchtesgadener<br />
Alpen ist ab sofort unter<br />
dav-shop.de erhältlich.<br />
Anzeige<br />
78 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Freizeit<br />
Maja spielt die Hauptrolle<br />
Immenstadt/Sonthofen: Bis zum<br />
18. Oktober summt es im Bergbauernmuseum<br />
in Immenstadt-Diepolz<br />
und im Heimathaus Sonthofen:<br />
Das Heimathaus erzählt in seiner<br />
Sonderausstellung »Wachsweich<br />
& Honigsüß« vom arbeitsreichen<br />
Leben der Bienen und ihrer<br />
Bedeutung für Mensch und Umwelt.<br />
Zeitgleich dazu zeigt das Allgäuer<br />
Bergbauernmuseum Diepolz<br />
die Sonderausstellung »Altes Streuobst<br />
neu entdecken« – auch für den<br />
Obstanbau leistet die Biene den unverzichtbaren<br />
Bestäubungsdienst.<br />
Beide Sonderausstellungen begleitet<br />
ein umfangreiches Rahmenprogramm<br />
vom Wachskerzenziehen<br />
bis zu Imkervorträgen.<br />
Foto: Naturfoto Hofmann<br />
Viel Spannendes über die<br />
summenden Bestäuberinnen<br />
erfährt man bei den<br />
laufenden Ausstellungen in<br />
Diepolz und Sonthofen<br />
Kurzinfo<br />
Heimathaus Sonthofen<br />
Sonnenstraße 1<br />
D-87527 Sonthofen<br />
Tel. +49 8321 3300<br />
www.sonthofen.de/<br />
Kultur/Museen/Heimathaus<br />
Allgäuer Bergbauernmuseum,<br />
Diepolz 44<br />
D-87509 Immenstadt<br />
Tel. +49 8320 709670<br />
www.bergbauernmuseum.de<br />
Anzeigen<br />
So viele Gäste wie noch nie<br />
Foto: Allgäu GmbH<br />
Allgäu: Neuer Rekordwert für den<br />
Tourismus - noch nie haben so viele<br />
Urlauber das Allgäu besucht wie<br />
im vergangenen Jahr. Die Anzahl<br />
der Gäste stieg um 90.938 auf über<br />
drei Millionen, was einer Steigerung<br />
von 3,1 Prozent entspricht.<br />
Auch die Übernachtungen nahmen<br />
um 0,4 Prozent auf 11,16 Millionen<br />
zu, das entspricht 44.226 mehr<br />
Übernachtungen. Mit diesem erfreulichen<br />
Wachstum setzt das Allgäu<br />
seine Erfolgsgeschichte fort: Im<br />
Vergleich der letzten elf Jahre stieg<br />
die Anzahl der Gäste um 57,4 Prozent,<br />
damit konnte über eine Million<br />
neue Gäste im Allgäu begrüßt<br />
werden. Die Zahlen des Bayeri-<br />
Immer mehr Gäste entscheiden sich<br />
für einen Urlaub im Allgäu. Der<br />
Tourismus behauptet sich somit als<br />
wichtige Allgäuer Leitökonomie<br />
schen Landesamtes für Statistik bescheinigen<br />
der Region, eines der<br />
beliebtesten Urlaubsgebiete Bayerns<br />
zu sein.<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
79
Dialekt<br />
Ein Ort<br />
himmlischer Schönheit<br />
Dass das Allgäu zu den schönsten Regionen überhaupt gehört, ist für<br />
viele Einheimische gar keine Frage. Eine von ihnen, die Mundartdichterin<br />
Cornelia Beßler, bringt in ihrem Gedicht »Himlsbuind« die Bewunderung<br />
für ihre Heimat, die sich während des <strong>Alpsommer</strong>s besonders strahlend<br />
zeigt, in Versform und Dialekt zum Ausdruck<br />
Fotos: Isabell Beßler, Volker Wille<br />
Himlsbuind<br />
Iesre Bearg miesset d’Buind vum Himl sing:<br />
wo sus schmeckt‘s Brunnewasser wie a Wing?<br />
Wo dünkt uin a Rongge Broat so güet –<br />
wo schepft ba wieder nuian Müet?<br />
Wo dearf ba fier a Wiele d`Soarga vergeasse –<br />
wo müess se kuina mit am Ôndre measse?<br />
Wo ischt es gli, was de hôscht oder bischt –<br />
wo denkt ba itt dra, was dermoanats ischt?<br />
Wo muit ba, sovil schis hab ba nie gsea –<br />
wo kummet d’Engel so näch zu uim hea?<br />
Wo heart ba gônz dittle die inner’ Stimm?<br />
Iesre Bearg miesset d’Buind vum Himl sing!<br />
Mit freundlicher Genehmigung von Cornelia Beßler<br />
(aus »Schealewengesch: Ostrachtaler Mundart«,<br />
mit Beiträgen von Cornelia Beßler und Sepp Schmid,<br />
Ursus Verlag, Bad Hindelang 2006)<br />
Himmelsvorgarten<br />
Unsere Berge müssen der Vorgarten vom Himmel sein:<br />
wo sonst schmeckt denn Wasser so gut wie Wein?<br />
Wo schmeckt einfaches Brot so gut?<br />
Wo schöpft man wieder neuen Mut?<br />
Wo darf man eine Zeit lang alle Sorgen vergessen?<br />
Wo muss sich keiner mit einem anderen messen?<br />
Wo ist es egal, was du hast oder bist?<br />
Wo denkt man nicht daran, was morgen ist?<br />
Wo meint man, so viel Schönes hätte man noch nie gesehn?<br />
Wo kommen die Engel ganz nah zu dir her?<br />
Wo hört man ganz deutlich die innere Stimme?<br />
Unsere Berge müssen der Vorgarten vom Himmel sein!<br />
Cornelia Beßler<br />
80 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Anzeigen<br />
12,80 €<br />
Best.-Nr 044<br />
Diesen und weitere Artikel finden<br />
Sie in unserem Online-Shop unter<br />
www.edition-allgaeu.de
Medien<br />
99 x Allgäu<br />
das »Gepfefferte Ärschle« in Wan-<br />
Rahim Taghizadegan, 268<br />
wie Sie es noch nicht kennen<br />
gen beißen sollte, verrät das Buch.<br />
Seiten, zahl reiche farbige<br />
Abbildungen, Preis: 21,95 Euro;<br />
Viele Reiseführer versprechen es –<br />
Von Alexander Pohle, 192 Seiten,<br />
ISBN 978-3-7104-0004-9,<br />
in diesem handlichen Büchlein fin-<br />
90 Abbildungen, Broschur,<br />
Servus Verlag, Salzburg <strong>2015</strong><br />
den sich tatsächlich mehrere Ge-<br />
Preis: 13,99 Euro; ISBN 978-3-<br />
heimtipps abseits von Neuschwanstein,<br />
denen nicht nur Urlauber<br />
7654-8298-4, Bruckmann Verlag,<br />
München <strong>2015</strong><br />
<strong>Viehscheid</strong><br />
nachgehen können. Die Ausflugs-<br />
Allgäu-Krimi<br />
ziele sind in West-, Ost-, Unterund<br />
Oberallgäu untergliedert. Vom<br />
letzten »Tante-Emma-Kaufhaus« in<br />
Die Alpen -<br />
philosophie<br />
Im Herbst, wenn<br />
die Kühe ins Tal ge-<br />
Wolfegg über eine »Wüstenschiff-<br />
trieben werden, fei-<br />
Fahrt« zur einzigen Allgäuer Ka-<br />
»Sinnieren«<br />
ern die Allgäuer <strong>Viehscheid</strong>. So<br />
melfarm bei Halblech bis hin zur<br />
nennen es die<br />
auch im Weißachtal. Doch diesmal<br />
»Schoko-Kuhfladen-Manufaktur«<br />
Allgäuer, wenn<br />
überschattet der plötzliche Tod der<br />
in Sonthofen führt die Reise. Auch,<br />
sie über etwas in-<br />
jungen Sennerin Resi das ausgelas-<br />
warum man unbedingt einmal in<br />
tensiv nachdenken, als »philoso-<br />
sene Volksfest. Unglück oder Ver-<br />
phieren« bezeichnen es die Städter<br />
brechen? Hütejunge Ludwig, Zeuge<br />
Buchtipp<br />
aus dem Flachland. Die beiden Philosophen<br />
Eugen Maria Schulak und<br />
des Geschehens, scheint eine<br />
dunkle Ahnung zu haben. Was ge-<br />
Rahim Taghizadegan machten sich<br />
schah kurz zuvor nachts auf der<br />
Allgäu<br />
auf die Spurensuche nach vergessenen<br />
ländlichen Weisheiten und<br />
Sternmoosalpe, wo sich nicht nur<br />
Resi und Ludwig, sondern auch<br />
Wo es am schönsten ist<br />
Werten. Dazu bereisten sie den ge-<br />
Resis Freund, ihre Kollegin und<br />
samten Alpenraum und trafen sich<br />
zwei aufdringliche Verehrer aufge-<br />
Grüne Berge, Seen, Königs-<br />
mit Bauern, Handwerkern und<br />
halten hatten? Die Kommissare<br />
schlösser – stimmungsvolle,<br />
Traditionshütern in kleinen Dör-<br />
Gerd Bachhuber und Penelope<br />
zum Teil ganzseitige Bilder<br />
Kultur,<br />
fern, verwinkelten Tälern und<br />
Murks machen sich an die Aufklä-<br />
und kurzweilige Texte ma-<br />
Land und Leute. Ideal, wenn<br />
Wirtshausstuben. Es entstand ein<br />
rung des Falls und werden mit wei-<br />
chen Lust, die schönsten Orte<br />
man in kompakter Form mög-<br />
eindrucksvolles Werk um die tiefen<br />
teren Todesfällen konfrontiert…<br />
des Allgäus zu bereisen. 30<br />
lichst viele Eindrücke und Infor-<br />
Weisheiten des einfachen Lebens in<br />
Der solide Allgäu-Krimi bietet al-<br />
regionale Ausflugsziele laden<br />
mationen über die schönsten Ur-<br />
einem hochgelegenen Land. »Die<br />
les, was das Genrefreunde-Herz<br />
Kurzurlauber und Kurzent-<br />
laubsziele im Allgäu sammeln<br />
Alpenphilosophie« ist kein hoch-<br />
begehrt: Eine packende Handlung<br />
schlossene zur Erkundung<br />
möchte.<br />
trabendes Fachbuch, sondern ein<br />
mit Lokal-Charme von der ersten<br />
ein. Der Bildband begleitet<br />
Almanach, der Wertvolles festhält<br />
bis zur letzten Seite, getragen von<br />
auf einer Reise in den Luft-<br />
Von Michael Pröttel und<br />
und in Erinnerung ruft. Dazu tra-<br />
sympathischen und klischeefreien<br />
kurort Scheidegg oder zu<br />
Martin Siepmann, 96 Seiten,<br />
gen die zahlreichen, oft ganzseiti-<br />
Protagonisten.<br />
Wasserburgs Seepromenade,<br />
200 Abbildungen, Hardcover,<br />
gen Farbfotos bei.<br />
zeigt, wo das schönste Alpen-<br />
Preis: 16,99 Euro, ISBN 978-3-<br />
Von Klaus Beese, 231 Seiten,<br />
panorama zu finden ist und<br />
7654-8966-2, Bruckmann<br />
Eine Spurensuche nach verges -<br />
Broschur, Preis: 12,80 Euro;<br />
enthält Wissenswertes über<br />
Verlag, München <strong>2015</strong><br />
senen Weisheiten und Werten,<br />
ISBN 978-3-89841-771-6,<br />
von Eugen Maria Schulak und<br />
Schardt Verlag, Oldenburg <strong>2015</strong><br />
82 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Anzeigen<br />
Holen Sie sich das Allgäu nach Hause<br />
Der Panorama-Kalender:<br />
Allgäuer Ansichten 2016<br />
im XXL-Format 100 x 39 cm, ISBN 978-3-95805-002-0,<br />
Bestell-Nr. 063<br />
für 24,80 Euro<br />
Der Klassiker:<br />
Allgäu-Kalender 2016<br />
im Querformat 42 x 30 cm<br />
ISBN 978-3-95805-001-3<br />
Bestell-Nr. 062 für 12,80 Euro<br />
Der Braunvieh-Kalender:<br />
Kuh-Kalender 2016<br />
im Querformat 42 x 30 cm<br />
ISBN 978-3-95805-000-6<br />
Bestell-Nr. 061 für 12,80 Euro<br />
Diese und viele weitere Artikel finden Sie in unserem Online-Shop unter<br />
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EDITION ALLGÄU, Lachener Weg 2, 87509 Immenstadt-Werdenstein<br />
Tel. 08379/728616, Fax 08379/728018, E-Mail info@heimat-allgaeu.info
Historie<br />
Kinderspiele<br />
aus Großmutters Zeit<br />
Ob »Flüsterpost« oder »Kaiser, Kaiser, wie viele Schritte<br />
schenkst du mir?«: Man weiß nicht mehr alle Regeln auswendig,<br />
doch die Spiele, die einem als Kind den Alltag<br />
füllten, vergisst man nie. Viele Kinderspiele sind weltweit<br />
bekannt – und manche wurden nur im Allgäu gespielt<br />
Um das Jahr 1560 herum schuf der niederländische<br />
Künstler Pieter Bruegel der Ältere sein<br />
weltberühmtes Gemälde »Die Kinderspiele«.<br />
Über 200 Kinder toben und tollen auf dem Ölgemälde<br />
herum und spielen Spiele der damaligen Zeit. Schaut<br />
der Betrachter heute genauer hin, ist es überraschend,<br />
wie viele der Zeitvertreibe er noch wiedererkennt –<br />
fast ein halbes Jahrtausend später und über eine Landesgrenze<br />
hinweg.<br />
Kindern sind Landesgrenzen und Sprachunterschiede<br />
relativ »wurscht«. Wer schon mal mit dem eigenen<br />
Nachwuchs außer Landes gereist ist, wird berichten<br />
können, wie schnell die jüngsten Urlauber sich mit<br />
Fremdsprachen und »ausländischem« Aussehen arrangieren,<br />
sobald sie einen Spielkameraden gefunden<br />
haben.<br />
Heutzutage, wo Mädchen und Buben oft lieber auf ihren<br />
neuen Smartphones herumdrücken und gespannt<br />
vor dem Bildschirm bei »Deutschland sucht den<br />
Superstar« mitfiebern, geraten viele der alten Spiele in<br />
Vergessenheit.<br />
Früher hatten die Sprösslinge noch nicht die unendlichen<br />
Möglichkeiten der Technologie, um ihre wegen<br />
Mitarbeiten-Müssen im Elternhaus ohnehin eingeschränkte<br />
Zeit zu füllen. Sie mussten sich, gerade in<br />
ländlich geprägten Regionen wie dem Allgäu, eigene<br />
Möglichkeiten zur Beschäftigung einfallen lassen. Die<br />
sogenannte »kreative Armut« soll hier als Stichwort<br />
84 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
»Fehla« unerwünscht<br />
fallen – wenn man als Kind nicht den Segen reicher<br />
Eltern hatte, die einem damals teures Spielzeug kauften,<br />
musste man halt schauen, wo man bleibt. Auf diesem<br />
Wege sind zum Beispiel bei den jungen Vieh -<br />
hirten im <strong>Alpsommer</strong> eine ganze Reihe eigens erfundener<br />
Spielideen entstanden: manche vielleicht nicht<br />
originell, andere ein bisschen von den weltweit bekannten<br />
abgekupfert. Das hielt die Allgäuer Sprösslinge<br />
jedoch nicht davon ab, lärmend und raufend durch<br />
die Gassen zu tollen. Populäre Spiele wie »Ochs am<br />
Berg« oder »Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?«<br />
sind dabei wohl genauso oft gespielt worden wie eigene<br />
Ideen, die nicht so verbreitet waren und die heute<br />
kaum noch einer kennt.<br />
Gemälde: Pieter Bruegel d. Ä., Kunsthistorisches Museum Wien; Illustration: Bianca Elgaß<br />
Die »Fehla«, also die jungen Mädchen, haben die Buben<br />
bei ihren wilden Spielen so gar nicht brauchen<br />
können. Schnell sind sie bei einer freundschaftlichen<br />
Rauferei auf dem Hosenboden gelandet, und dann war<br />
das »Geplärre« groß. Und gepetzt haben sie nachher<br />
auch noch. Nein, der männliche Nachwuchs blieb bei<br />
den meisten Spielen lieber unter sich.<br />
So haben es im Endeffekt – nach mehrfacher männlicher<br />
Zurückweisung oder eben wegen des schmerzenden<br />
Hosenbodens – die jungen Damen auch<br />
gehalten. Sie erbettelten sich, statt mit den<br />
Lausbuben durch Dorfgassen und über Wiesen<br />
zu tollen, lieber ein paar Stoffreste von der<br />
Mutter, aus denen sie wunderbar Kleidchen<br />
und Hüte für die »Baabl«, das<br />
Puppenkind, schneidern konnten.<br />
Diese Puppen darf man sich aber<br />
nicht vorstellen wie die schlanken, massenproduzierten<br />
Barbies, wie sie zu Tausenden die Regale der Spielzeugmärkte<br />
säumen.<br />
Für die meisten jungen Mädchen aus weniger gut<br />
betuchten Häusern war es schon etwas Besonderes,<br />
überhaupt ein gekauftes Püppchen zu besitzen. Wer<br />
gleich mehrere besaß, der war schon eine gewisse<br />
Respektsperson in weiblichen Kreisen. Das ist wohl<br />
etwas, was sich bis heute nicht geändert hat: Mit einem<br />
neuen Spielzeug kann sich der Freundeskreis bisweilen<br />
drastisch vergrößern.<br />
Einsdreißig große »Allgäuer Mächlar«<br />
Was nun den Mangel an teuer erworbenen Spielzeugpuppen<br />
angeht: Hier bewies sich manches junge Mädchen<br />
bereits als echter »Allgäuer Mächlar« (ein häufig<br />
verwendeter Begriff für einen Allgäuer, der sich die<br />
Dinge, die er braucht, einfach selber zusammenbastelt,<br />
eben ein »Macher«). Aus einem abgenutzten Strumpf,<br />
mit weichem Material gefüllt, zwei Knöpfen für die<br />
Augen und etwas Wollresten für die Haare ließ sich<br />
ohne Weiteres eine kleine Freundin herstellen.<br />
Generell war man als Kind, mit etwas Kreativität und<br />
handwerklichem Geschick gesegnet oder einem<br />
Elternteil mit diesen Eigenschaften, klar im Vorteil.<br />
Für Knaben war es zum Beispiel undenkbar, ohne<br />
Sackmesser aus dem Haus zu gehen. »Halbe nackat«<br />
war man dann. Peinlich, wenn man sich einen Wurfspeer<br />
fürs »Stichlspiel« (ein Wettwerfen mit angespitzten<br />
Stecken) zurechtschnitzen wollte und einen<br />
Freund nach dessen »Measser« fragen musste. Auch<br />
vertrieben sich viele »Hirtebuebe« die Zeit mit »Schnipfle«,<br />
Schnitzen, wenn sie im <strong>Alpsommer</strong> droben auf<br />
dem Berg das Vieh hüten mussten. So mancher entdeckte<br />
und entwickelte dabei seine handwerklichen<br />
Fertigkeiten. Ebenso, wie die »Fehla« im Tal beim modischen<br />
Ausstaffieren ihrer Puppen nebenbei das<br />
Schneiderhandwerk übten. Ob das Herumdrücken auf<br />
dem Touchscreen vom neuen »iPhone 7« denselben<br />
Effekt hat, wird sich zeigen. Viola Elgaß <br />
Das Kasten hüpfen wurde von den<br />
Allgäuer Kindern »Käschtle jucke«<br />
genannt und war wie das »Seil<br />
jucke« hauptsächlich ein Spiel für<br />
Mäd chen. Ziel war und ist immer,<br />
das letzte Kästchen zu erreichen.<br />
Manchmal nur auf einem Bein,<br />
manchmal einen Stein auf dem<br />
Kopf balancierend<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
85
Historie<br />
der Viehhirte, der nicht nur versuchen musste, der<br />
armen Bergziege wieder auf die Beine zu helfen, sondern<br />
gleichzeitig die bösen Buben daran hindern<br />
musste, ihr Wurfzeug zurückzuholen. Schaffte er es,<br />
die Gaiß wieder aufzustellen und den Übeltäter abzuklatschen,<br />
musste dieser in der nächsten Runde den<br />
Platz des »Gaißars« annehmen.<br />
Ringlein, Ringlein<br />
Beliebt waren und sind natürlich auch die sogenannten<br />
»Versspiele«. Das bezeugt allein ihre große Zahl.<br />
Bekannt und weit verbreitet – nicht nur im Allgäuer<br />
Raum – war das Ringlein-Spiel. Die Kinder stellten<br />
sich möglichst eng im Kreis auf, den »Ringsucher« in<br />
der Mitte. Den altbekannten Vers »Ringlein, Ringlein,<br />
du musst wandern, von der einen Hand zur andern,<br />
Ringlein, Ringlein, bleib nicht steh‘n! Ringlein, du<br />
musst weitergeh‘n…« (verschiedene Allgäuer Dialekte<br />
färbten die Worte unterschiedlich ein) singend, gaben<br />
die Kreiskinder einen versteckten Ring unauffällig<br />
hinter ihrem Rücken weiter. Glaubte das Kind in der<br />
Mitte, den Ring entdeckt zu haben, stoppte das Lied,<br />
und der Verdächtige musste seine Hände zeigen. Hatte<br />
er ihn nicht, ging das Spiel weiter. Wurde der Ring tatsächlich<br />
entdeckt, musste der »aufgeflogene« Ringhalter<br />
den Platz mit dem Sucher tauschen.<br />
Streckkatza<br />
Gaiß, fall um<br />
Ein sehr beliebtes – und wegen der wenigen benötigten<br />
Spielmaterialien sehr einfaches – Spiel war das<br />
»Gaißwearfe«: Die Buben stellten einen Holzscheit<br />
möglichst stabil stehend auf die Wiese. Diese »Gaiß«<br />
galt es umzuwerfen. Hinter einer beliebig markierten<br />
Trennlinie standen die Spieler, die mit Stöcken, Holzstücken,<br />
selten auch Steinen versuchten, das »Tier« zu<br />
Fall zu bringen. Ihnen entgegen stand der »Gaißar«,<br />
Ein typisches »Männerspiel«, das den jungen Burschen<br />
ausschließlich dazu diente, ihre Kräfte zu messen.<br />
Die Kontrahenten saßen sich gegenüber in der<br />
Stube, die Fußsohlen gegeneinander gestemmt. Um<br />
die Nacken hatten sie ein langes, zusammengewickeltes<br />
Stück Stoff oder Schnur zwischen sich gespannt.<br />
Mit purer Muskelkraft versuchten sie nun, den anderen<br />
zu sich zu ziehen – kein ganz harmloses Spiel, wie<br />
man sich denken kann, und bei dem der Nachwuchs<br />
heute wohl eine ganze Menge Ärger bekommen würde,<br />
wenn der Vater oder die Mutter unvermittelt das<br />
Zimmer beträten. Gut möglich, dass das Spiel auch<br />
früher keinen Beifall bei den Eltern gefunden hat –<br />
aber das waren und sind bekanntlich die schönsten<br />
86
Zeitvertreibe – das wissen nicht nur die Kinder. Bei einer<br />
anderen Variante (wie sie zum Beispiel rechts mittig<br />
auf dem Bruegel’schen Gemälde zu sehen ist)<br />
brauchte es sechs Buben, eingeteilt in zwei Gruppen:<br />
Je ein »Reiter« hockte sich auf den Rücken des zweiten<br />
Buben, der sich wiederum am Hosenbund des Dritten<br />
festhielt – dieser war der »Pferdekopf« und musste<br />
schauen, dass er in die richtige Richtung lief. Die zwei<br />
Reiter hielten wieder die Schnur beziehungsweise das<br />
als Schlaufe zusammengeschnürte Tuch in der Hand<br />
und versuchten, den gegnerischen Reiter vom Pferd<br />
zu ziehen – ein einfaches Unterfangen, schaffte es das<br />
»Pferd«, hinter den Gegner zu galoppieren und den<br />
Reiter rückwärts absteigen zu lassen. Wer feige das<br />
Tuch losließ, hatte natürlich verloren.<br />
Die »Fehla« waren wieder selten erwünscht bei diesem<br />
wilden und mitunter schmerzhaften Kräftemessen.<br />
Höchstens als »Pferdehintern« haben sie getaugt. Und<br />
man weiß ja, wie schnell die Damen gekränkt sind,<br />
wenn man diesen Begriff mit ihnen in Zusammenhang<br />
bringt. Das »Ziehen« war also eher der männlichen<br />
Nachkommenschaft vorbehalten. Und manchem<br />
hat wohl der Hosenboden gebrannt, als er nach Hause<br />
gekommen ist – sei es wegen der unsanften Landung<br />
als Reiter oder wegen der Mutter, die sich selten über<br />
die schmutzigen Hosen gefreut hat.<br />
Anzeigen<br />
Reifle, roll<br />
Aus einem Haselnuss- oder einem anderen biegsamen<br />
Stecken fertigten die Kinder einen großen Reifen. Oft<br />
legte man den Stock zuvor ins Wasser ein, um ihn<br />
formbar zu machen. Mithilfe einer Schnur oder anderen<br />
Materialien band man ihn zu einer möglichst<br />
schönen runden Form zusammen.<br />
Mancher Dreikäsehoch ließ hier seine »Beziehungen«<br />
spielen und schaffte es, dem ortsansässigen Küfer ein<br />
ausgedientes Fassband abzuschwatzen – nicht zu erwähnen,<br />
welches Ansehen man in jungen Jahren mit<br />
einem Küfer in der Verwandtschaft genoss.<br />
Mit so einem Reifen konnte man allerhand anstellen.<br />
Auch für Mädchen galt es als »schick«,<br />
einen zu haben – ausgezeichnete<br />
Hula-Hoop-Wettbewerbe ließen<br />
sich mit den Dingern austragen.<br />
Oder Reifen treiben: Mit einem<br />
Stock trieben die Kinder letzteren an<br />
und legten eine<br />
festgelegte<br />
Stre cke<br />
oder einen<br />
Slalom zurück.<br />
Wer<br />
das fehlerfrei<br />
schaffte,<br />
sprich,<br />
wessen Reifen<br />
dabei nicht umfiel,<br />
war der Sieger<br />
oder auch die Siegerin.<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
87
Kinderkram<br />
Was gibt’s denn hier?<br />
Familienfreundliche Ausflugsziele<br />
Wer denkt, im Allgäu dreht sich alles nur um Käse<br />
und <strong>Viehscheid</strong>, der liegt mächtig falsch: Im Allgäu kann<br />
man nämlich noch ganz andere Abenteuer erleben.<br />
Das glaubst du nicht? Nun, wie wäre es dann mit…<br />
…einem Spaziergang<br />
durch einen Kuhmagen?<br />
Natürlich keinen echten: Im Bergbauernmuseum in<br />
Diepolz kannst du eine übergroße Kuh durchwandern<br />
und dabei miterleben, wie das frisch gefressene Gras<br />
sich in Milch verwandelt. In dem Museumsdorf erfährst<br />
du außerdem allerhand über das harte Leben<br />
der Allgäuer Bergbauern und kannst vom hohen Heustock<br />
ins Heu springen – ein bisschen Mut und<br />
Schwindelfreiheit vorausgesetzt.<br />
Info: www.bergbauernmuseum.de<br />
…einer »Piepshow«<br />
auf dem Vogellehrpfad?<br />
Naturentdecker aufgepasst: Auf dem Waldvogellehrpfad<br />
bei Friesenried lernst du die Vögel unserer Wälder<br />
näher kennen. An der Insektenwand hast du freien<br />
Blick in das Innere eines Bienenstocks, und über einen<br />
großen Hörtrichter kannst du der »Stille des Waldes«<br />
lauschen. Info: www.kaufbeuren-tourismus.de/aktiv/<br />
vogellehrpfad.html<br />
Oh je!<br />
In dem ganzen Buchstabengetümmel auf der Viehweide hat Bauer Franz seine Milchkühe aus<br />
den Augen verloren. Sie heißen Berta, Selma, Liesel, Erna, Doris, Elfie, Marta, Rosa, Bella und<br />
Kuhnigunde. Hilfst du Franz, seine Kühe zu finden? Kreise ihre Namen mit einem Stift ein.<br />
E B N T D K U H N I G U N D E<br />
E H I A O H C G U J M E D U W A<br />
R F S I B N O A N A E R K F R S<br />
N R E T E D E I A R T N A S X P<br />
A A H U R U B E L L A K E H A E<br />
L N L E T T P R A V Y E G M T I<br />
D Z I N A A E I N E R S A E S V<br />
T U E S V D K M D O Q K L U N B<br />
A E S E L M A B C U F O F D I I<br />
J W E Q E L F G W S H F E O G P<br />
R K L U S M D M A B D E K R B E<br />
B E N Y L R T A J L O L I I A N<br />
Z L A I O A N L S E I F O S P K<br />
E D X A E K R O S A R I L L E R<br />
U A D E G T O T E I N E F D I T<br />
C T O M O M A R T A E I L A L H<br />
Die Auflösung findest<br />
du auf Seite 75<br />
Fotos: Volker Wille, Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V.; Illustration: Bianca Elgaß<br />
88 <strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>
Anzeigen<br />
…einer Zeitreise<br />
beim Frundsbergfest?<br />
Das Frundsbergfest solltest du dir auf keinen Fall entgehen<br />
lassen, wenn du vom 26. Juni bis 5. Juli im Unterallgäu<br />
bist. Dieses Schauspiel findet nämlich nur<br />
alle drei Jahre statt. Dann schlüpfen junge und alte<br />
Stadtbewohner in historische Gewänder und stellen<br />
die Geschichte ihrer Heimat nach. Das Frundsbergfest<br />
erinnert an den Vater der Landsknechte und kaiserlichen<br />
Feldherrn Georg von Frundsberg.<br />
Info: www.frundsbergfest.de<br />
Noch mehr Kinderund<br />
Heimatfeste im Allgäu<br />
Heimatfest Isny: 10. bis 13. Juli<br />
Tänzelfest Kaufbeuren: 9. bis 20. Juli<br />
Kinderfest Leutkirch: 18. bis 21. Juli<br />
Wangener Kinderfest: 23. bis 26. Juli<br />
Memminger Kinderfest: 23. Juli<br />
Memminger Fischertag: 25. Juli<br />
…ein paar Allgäuer<br />
Lügengeschichten?<br />
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht! Aber vielleicht<br />
ist‘s ja auch die Wahrheit? Bei den fast unglaublichen<br />
Geschichten, die es bei der Memminger Mitmach-Stadtführung<br />
zu hören gibt, und den rätselhaften<br />
Dingen, die entdeckt werden, braucht es aufgeweckte<br />
Spürnasen, die entscheiden müssen: Richtig<br />
oder falsch? Info: www.memmingen.de<br />
<strong>Alpsommer</strong><br />
& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />
89
Preisrätsel<br />
An dieser Stelle finden Sie<br />
in unserer Printausgabe das Preisrätsel<br />
Das Gewinnspiel ist allen Lesern der Printausgabe vorbehalten.<br />
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir die Fragen nicht in der<br />
ePaper Version zur Verfügung stellen.<br />
Wenn Sie sich jedoch die Chance auf einen der Hauptgewinne<br />
sichern möchten, bestellen Sie jetzt die<br />
<strong>Alpsommer</strong> & <strong>Viehscheid</strong> Printausgabe unter:<br />
EDITION ALLGÄU<br />
Lachener Weg 2,<br />
87509 Immenstadt-Werdenstein<br />
Tel. 08379/728616<br />
Fax 08379/728018<br />
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Und das gibt’ s zu gewinnen<br />
1. Preis: Zwei Gutscheine der<br />
Genussregion Kleinwalsertal<br />
Einzulösen bei 13 teilnehmenden Genusswirten,<br />
fünf Genusshütten sowie drei Genuss-<br />
Handelspartnern im Wert von 120,- Euro. Zur<br />
Verfügung gestellt von Kleinwalsertal Tourismus.<br />
2. Preis: Zwei Karten für Maxi<br />
Schafroth mit Drei-Gänge-Menü<br />
Kabarettprogramm »Faszination Bayern« am<br />
28. Dezember um 20 Uhr (Einlass: 19 Uhr) in<br />
der bigBOX Allgäu, Kempten. Menü im Res tau rant<br />
»musics« im bigBOX Hotel (Wert: ca. 94,- Euro).<br />
Zur Verfügung gestellt von der bigBOX Allgäu.<br />
3. Preis: Ein Wellness-Paket für zwei<br />
in der Oberstdorf Therme<br />
2x4 Stunden Therme und Sauna, 2x Aromaöl-<br />
Massage (Wert: 116,- Euro). Zur Verfügung<br />
gestellt von der Oberstdorf Therme.<br />
4. Preis: 2x2 Tageskarten für den »Allgäu<br />
Skyline Park« in Bad Wörishofen, der »beste<br />
Freizeitpark Bayerns« mit über 60 Attraktionen.<br />
5. - 12. Preis: 5x je ein Buch »Carl Hirnbein<br />
– Der Allgäu-Pionier« aus der EDITION ALLGÄU<br />
sowie 3x je ein Bildband »Allgäu – Wo es am<br />
schönsten ist«<br />
1. Preis<br />
2. Preis<br />
3. Preis 4. Preis<br />
Fotos: Allgäu Skyline Park; bigBOX Hotel; Kleinwalsertal Tourismus eGen/Oliver Farys; Susie Knoll; Photographie Monschau<br />
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