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Alpsommer & Viehscheid 2015

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www.alpsommer-viehscheid.de<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

Magazin für Allgäuer Lebensart,<br />

Tradition und Freizeit<br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

Hundert Tage Höhenluft<br />

Urlaub auf der Bergweide<br />

4,– Euro


Editorial<br />

Foto: Oberstaufen Tourismus<br />

Von Viechern<br />

und Menschen<br />

In ganz Deutschland ist das Allgäu wegen seiner<br />

einmaligen und vielseitigen Landschaft bekannt<br />

und als Urlaubsgegend beliebt. Doch idyllische<br />

Berggipfel, malerische Seenlandschaften und Städte<br />

mit jahrhundertealter Geschichte sind bei Weitem<br />

nicht die einzigen Pluspunkte für die Region. Vor<br />

allem die Menschen, die hier leben, verleihen dem Allgäu<br />

seinen unverwechselbaren Charakter – sie sind<br />

eben vielfältig und oft ungewöhnlich.<br />

Dies zeigt sich nicht nur in den vielen Originalen, die<br />

entweder lange überlieferten oder fast vergessenen<br />

Handwerken nachgehen. Vor allem Brauchtum und<br />

Tradition der Bewohner haben im Allgäu einen hohen<br />

Stellenwert, der in vielen Bereichen des Alltags fest<br />

verwurzelt ist. Jedes Jahr markiert der Beginn des <strong>Alpsommer</strong>s<br />

im Juni einen Zeitraum, in dem die Menschen<br />

der Region mit viel Engagement und Enthusiasmus<br />

die Allgäuer Identität pflegen. Das Vieh während<br />

der Sommermonate auf den Alpweiden zu versorgen,<br />

ist nicht nur ein wichtiger Bestandteil der<br />

Berglandwirtschaft, der Allgäuer <strong>Alpsommer</strong> zeigt ein<br />

Konzept ohne industrielle Viehhaltung und Rinderfabriken<br />

im großen Stil.<br />

Mit dem <strong>Viehscheid</strong> als großem Fest zum Ende dieses<br />

Jahresabschnitts wird die Rückkehr der Tiere an zahlreichen<br />

Orten groß gefeiert. Wir haben uns beim Alpabtrieb<br />

in Oberstaufen, der live ins Internet übertragen<br />

wird, an die Fersen der Kameracrews geheftet. Wir<br />

stellen einen der größten <strong>Viehscheid</strong>e im Allgäu in<br />

Obermaiselstein vor sowie den längsten der Region in<br />

Maierhöfen, wo die Jungtiere rund 30 Kilometer ins<br />

Tal zurücklegen. Bevor die Hirten diese auf die Alpen<br />

bringen, erhalten Mensch und Tier himmlischen<br />

Schutz bei der »Alp-Benediktion«, der wir im<br />

Ostrachtal beigewohnt haben.<br />

Ein Besuch bei »Kuh-Fitterin« Nicole Nägele enthüllt,<br />

wo Kühe in den »Schönheitssalon« gehen. Die Schuhmacherfamilie<br />

Keller und ihre Fell-Holzschuhe sind<br />

mit dem fahrenden Marktstand auf den <strong>Viehscheid</strong>en<br />

im Allgäu anzutreffen – wir sind ihnen am Scheidplatz<br />

begegnet und haben in ihrer Werkstatt hinter die Kulissen<br />

geblickt. Der <strong>Alpsommer</strong>-Fotograf Wolfgang B.<br />

Kleiner erzählt von seiner Foto-Leidenschaft im Interview,<br />

und auf unseren Serviceseiten gibt es die Anleitung<br />

für eine traditionelle Trachtenfrisur zum Selberflechten.<br />

Wir laden Sie ein, die Vielfalt des <strong>Alpsommer</strong>s sowie<br />

mehr als nur die Landschaften des Allgäu kennenzulernen<br />

und auf den Seiten dieses Magazins zu erkunden.<br />

Begegnen Sie hier einem besonderen Menschenschlag,<br />

der vor allem nicht alltäglich ist. Marius Lechler<br />

Marius Lechler,<br />

Chefredakteur<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

3


Impressum<br />

Inhalt<br />

Verlag und Herstellung:<br />

Verlag HEPHAISTOS<br />

EDITION ALLGÄU<br />

Lachener Weg 2<br />

87509 Immenstadt-<br />

Werdenstein<br />

Tel. 08379/728616<br />

Fax 08379/728018<br />

info@heimat-allgaeu.info<br />

www.heimat-allgaeu.info<br />

Redaktion:<br />

Marius Lechler (v.i.S.d.P.),<br />

Viola Elgaß,<br />

Thomas Niehörster<br />

Tel. 08379/728616, E-Mail:<br />

info@heimat-allgaeu.info<br />

Gekennzeichnete Beiträge<br />

stellen die Meinung des<br />

Ver fassers, nicht aber des<br />

Verlages dar.<br />

Layout:<br />

Bianca Elgaß, Ramona Klein,<br />

Dominik Ultes<br />

Anzeigen:<br />

Sven Abend (Ltg.),<br />

Tel. 08379/728616; gültige<br />

Anzeigenpreisliste: 1/<strong>2015</strong><br />

Bankverbindung Verlag:<br />

Raiffeisenbank Oberallgäu-<br />

Süd eG, IBAN:<br />

DE97733699200007126999,<br />

BIC: GENODEF1SFO<br />

Druckerei:<br />

Druckhaus Weppert<br />

Schweinfurt GmbH<br />

Silbersteinstraße 7<br />

97424 Schweinfurt<br />

Folgen Sie uns<br />

auf Facebook:<br />

www.facebook.com/<br />

allgaeu.braunvieh<br />

Fotos: Wolfgang B. Kleiner; Marius Lechler; Dominik Ultes, Schuh-Keller/Marco Keller; Tourismus Hörnerdörfer GmbH; Titelfotos: Archiv EDITION ALLGÄU; Dominik Ultes; Volker Wille<br />

44 34<br />

Vorwort Seite 3<br />

Buntes Allgäu<br />

Moostouren und Weiherwege Seite 6<br />

Sommerliches Schlemmen Seite 6<br />

Wenn der Bergsommer zu Ende geht Seite 7<br />

Auf dem »Allgäuer Eisenbähnle« Seite 7<br />

Nützliche Adressen rund um den <strong>Alpsommer</strong> Seite 7<br />

Großer TV-Auftritt für Hirten und Hornvieh<br />

Der <strong>Viehscheid</strong> Oberstaufen live im Internet Seite 8<br />

Im Schönheitssalon für vierbeinige Diven<br />

Zu Besuch bei »Kuh-Fitterin« Nicole Nägele Seite 12<br />

Vierbeiner-Treffen im Tal mit Tradition<br />

Die Historie des <strong>Viehscheid</strong>s Seite 16<br />

Tourismusvisionär mit Sinn für Allgäuer Werte<br />

Interview: Tourismusdirektor Jan Schubert Seite 20<br />

Konferenz der Tiere mit weit über 1000 Rindern<br />

<strong>Viehscheid</strong> in Obermaiselstein Seite 24<br />

Der Herr der Riemen für klingenden Schmuck<br />

»Kuhgürtel«-Macher Herbert Vogler Seite 26<br />

Der längste Marsch<br />

Ein weiter Weg zum <strong>Viehscheid</strong> Maierhöfen Seite 30<br />

Scharfer Blick auf das wahre Allgäu<br />

Interview: Fotograf Wolfgang B. Kleiner Seite 34<br />

Das goldene Handwerk<br />

Alpsennereimuseum Hittisau Seite 38<br />

Als Volkshelden verehrt, als Verbrecher bestraft<br />

Als Wilderer das Allgäu unsicher machten Seite 40<br />

Pantoffelhelden – Handarbeit für warme Füße<br />

Familie Keller schustert Fell-Holzschuhe Seite 44<br />

Mit himmlischem Segen hinauf zu den Alpen<br />

Bei der »Alp-Benediktion« im Ostrachtal Seite 48<br />

Panoramakarte<br />

<strong>Viehscheid</strong>orte und Termine im Überblick Seite 50<br />

<strong>Viehscheid</strong>termine im Allgäu und Umgebung<br />

Große Übersicht der Alpabtriebe Seite 52<br />

Das grüne Klassenzimmer<br />

Pauken mit Lupe, Molch und Blümchen Seite 56<br />

Titelmotiv: <strong>Viehscheid</strong> in Bad<br />

Hindelang, fotografiert von<br />

Wolfgang B. Kleiner<br />

12<br />

4 <strong>Alpsommer</strong><br />

&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


8<br />

Mit feinem Strich zum bunt verzierten Möbel<br />

Bauernmaler Georg Larsch Seite 60<br />

Haarspielereien für die Traditions-Tracht<br />

Anleitung: Flechtfrisur zum Nachmachen Seite 62<br />

Die Preziosen-Schöpfer aus der Silberwerkstatt<br />

Miederhaken aus dem Hause Schwarz Seite 66<br />

Vielstimmige Klänge ohne Klischees<br />

Loni Kuisles Jodelkurse auf der Alpe Seite 68<br />

Freizeit<br />

Hohe Töne Seite 70<br />

Zeitreise durch die Wunderkammer Seite 70<br />

Mit Tuba und Flügelhorn ins Bettchen Seite 71<br />

Lagerfeuermärchen mit Fledermauskonzert Seite 71<br />

Käse-Kräuter-Sommer im Gunzesrieder Tal Seite 72<br />

Der Heugäuer ist ein echter Allgäuer Seite 72<br />

Rasant rodeln, hoch klettern Seite 74<br />

Immer wieder samstags Seite 74<br />

Meisterkurse und Konzerte Seite 74<br />

Der Tanz der wilden Männer Seite 75<br />

Auflösung zum Kinderrätsel Seite 75<br />

Vergessenes ins Licht gerückt Seite 76<br />

Von Hänsel und Gretel gegründet Seite 76<br />

Mit langen Löffeln und lautem »I-aah« Seite 77<br />

Des Ritters neue Kleider Seite 78<br />

Die Polizei machts vor Seite 78<br />

Maja spielt die Hauptrolle Seite 79<br />

So viele Gäste wie noch nie Seite 79<br />

Scharf nôchdenkt über Urlaub im Allgäu<br />

Kolumne von Buchautor Max Adolf Seite 73<br />

Ein Ort himmlischer Schönheit<br />

Mundartgedicht »Himlsbuind« Seite 80<br />

Für Sie vorausgelesen – Allgäu-Bücher Seite 82<br />

Kinderspiele aus Großmutters Zeit<br />

Zeitvertreib ohne iPhone und Computer Seite 84<br />

Kinderseiten<br />

Ausflugstipps für den Nachwuchs und Rätsel Seite 88<br />

Das <strong>Viehscheid</strong>-Preisrätsel<br />

Genuss-Gutscheine zu gewinnen Seite 90<br />

24 62<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

5


Buntes Allgäu<br />

Moostouren und Weiherwege<br />

Isny: Beim »Isnyer NaturSommer«<br />

können Bürger, Ausflugsgäste und<br />

Urlauber fachkompetent geführt<br />

alle charakteristischen Naturräume<br />

im Voralpenland um Isny entde -<br />

cken. Fast 70 Prozent der Gesamtfläche<br />

der Stadt Isny stehen unter<br />

Natur- und Landschaftsschutz. So<br />

viel geschützte Natur um eine Stadt<br />

gibt es fast nirgendwo anders:<br />

Moore, Flüsse und natürlich die<br />

Adelegg. Die Wanderungen führen<br />

durch flache und ebene Moore, an<br />

unzähligen Weihern entlang, es<br />

gibt Touren am Argen-Fluss und<br />

um den Gottrazhofer Stausee, dazu<br />

Entdeckungen im Allgäuer Hügelland<br />

und auf dem Höhenzug der<br />

Adel egg. Insgesamt hat der »Isnyer<br />

NaturSommer« 20 geführte Wanderungen<br />

und Themenführungen<br />

inklusive dreier Rundgänge im mittelalterlichen<br />

Oval und zwei kulinarische<br />

Führungen im Programm.<br />

Wiesen, Wälder und Tobel können in der<br />

Adelegg bei Isny entdeckt werden, links<br />

der »Schwarze Grat Erlebnisweg«<br />

Das Informationsheft zum<br />

»Isnyer Natursommer <strong>2015</strong>«<br />

stellt das Angebot und die<br />

geführten Wanderungen vor<br />

Foto: Isny Marketing GmbH/Ernst Fesseler<br />

Kurz und wichtig<br />

Eine Broschüre zum<br />

»Isnyer NaturSommer <strong>2015</strong>«<br />

informiert über alle<br />

Termine und Treffpunkte.<br />

Erhältlich bei der<br />

Isny Marketing GmbH<br />

Unterer Grabenweg 18<br />

88316 Isny im Allgäu<br />

Tel. 07562/97563-50<br />

Fax 07562/97563-14<br />

E-Mail: info@isny-tourismus.de<br />

www.isny.de<br />

Sommerliches Schlemmen<br />

Kleinwalsertal: Den traditionellen<br />

Köstlichkeiten für den Teller hat<br />

Kurz und wichtig<br />

Kleinwalsertal Tourismus eGen<br />

Walserstraße 264<br />

A-6992 Hirschegg<br />

Tel. +43 (0)5517/5114-0<br />

Fax +43 (0)5517/5114-419<br />

E-Mail: info@kleinwalsertal.com<br />

www.kleinwalsertal.com<br />

sich ein Verbund von Wirten zwischen<br />

Riezlern und Mittelberg verschrieben.<br />

Die »GenussRegion<br />

Kleinwalsertal« vereint genussvolle<br />

Lebenskunst und kulinarische Vielfalt<br />

in Einklang mit der Natur. Dabei<br />

stehen Regionalität, Saisonalität<br />

und die enge Zusammenarbeit von<br />

Landwirten, Jägern, Produzenten<br />

und Gastronomen im Mittelpunkt.<br />

Vor allem zwei Leitprodukte stehen<br />

im Vordergrund: Kleinwalsertaler<br />

Wild und Rind. Insgesamt 13 »Genusswirte«<br />

und fünf »Genusshütten«<br />

haben sich den strengen Anforderungen<br />

an Produktherkunft<br />

und -qualität verschrieben. Sie<br />

wurden bereits durch die »Genuss-<br />

Region Österreich« ausgezeichnet.<br />

Wer erleben will, wie und wo die<br />

kulinarischen Kreationen entstehen,<br />

kann zum Beispiel am »Streifzug<br />

durch die GenussRegion Klein-<br />

Der Vielfalt regionaler Produkte und<br />

überlieferter Rezepte widmen sich die<br />

Wirte der »GenussRegion Kleinwalsertal«<br />

walsertal« teilnehmen oder bei einer<br />

Wanderung eine traditionelle<br />

Alpwirtschaft besuchen.<br />

Foto: Kleinwalsertal Tourismus eGen/Christoffer Leitner<br />

6<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Buntes Allgäu<br />

Wenn der Bergsommer zu Ende geht<br />

Grän/Tirol: »Älplerletze« wird der<br />

letzte Tag der Hirten auf der Alp<br />

genannt. Das Vieh ist schon im Tal,<br />

Älpler und Senner machen die<br />

Alpe winterfest. Dieser letzte Tag<br />

des Bergsommers wird heuer im<br />

Tannheimer Tal ausgiebig gefeiert:<br />

Zum Abschluss des diesjährigen<br />

Bergsommers findet am 27. September<br />

die 16. Internationale Älplerletze<br />

in Grän auf dem Füssener<br />

Jöchle rund um die Bergstation der<br />

Achter-Gondelbahn statt. Das traditionelle<br />

Fest beginnt mit einem<br />

feierlichen Berggottesdienst, musikalisch<br />

umrahmt von rund 50 Alphornbläsern<br />

und dem Schellnerclub<br />

»5 Dörfer« aus der Schweiz.<br />

Höhepunkt wird um 15 Uhr das<br />

große Gemeinschaftskonzert mit<br />

allen Alphornbläsern und traditioneller<br />

Schellenverlosung sein. Die<br />

Veranstaltung findet bei jeder Witterung<br />

statt.<br />

Bei der 16. Internationalen Älplerletze<br />

in Grän wird das Gemeinschafts -<br />

konzert von Alphornbläserklängen<br />

untermalt<br />

Foto: TVB Tannheimer Tal<br />

Auf dem »Allgäuer Eisenbähnle«<br />

Immenstadt: Rund um den Kleinen<br />

und Großen Alpsee verkehrt ab<br />

12. Juni eine neue Attraktion. An<br />

Bord des »Alpseebähnle«, das bis<br />

zum 13. September immer freitags,<br />

samstags und sonntags ab dem Immenstädter<br />

Marienplatz rund um<br />

die Gewässer tuckert, können die<br />

Passagiere in gemütlichem Tempo<br />

die Landschaft genießen. Das »Alpseebähnle«<br />

bietet Raum für 45 Personen<br />

und bei Bedarf auch einen<br />

Rollstuhlplatz. Vom Marienplatz aus<br />

zuckelt der kleine »Zug« mit einer<br />

Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern<br />

in Richtung Bühl am Alpsee,<br />

vorbei am Naturparkzentrum<br />

»AlpSeeHaus« und bis zum »Alpsee-Coaster«<br />

in Ratholz. Abfahrtszeiten<br />

sind mehrmals am Tag, Ti -<br />

ckets kosten je nach Anzahl der Haltestellen<br />

für Erwachsene zwischen<br />

2,50 Euro und 5,50 Euro, für Kinder<br />

bis zwölf Jahre zwischen 1,50 Euro<br />

und 3,50 Euro. Ausführliche Informationen<br />

zum Fahrplan gibt es in<br />

der Tourist-Information im »Alp-<br />

SeeHaus«.<br />

Kurz und wichtig<br />

Tourist-Information im AlpSeeHaus<br />

Seestraße 10<br />

Bühl am Alpsee<br />

87509 Immenstadt<br />

Tel. 08323/9988717<br />

www.alpseehaus.de<br />

Foto: Stadt Immenstadt<br />

Das »Alpseebähnle« fährt vom<br />

12. Juni bis 13. September am<br />

Großen Alpsee bei Immenstadt<br />

entlang<br />

Nützliche Adressen rund um den <strong>Alpsommer</strong><br />

Allgäu GmbH<br />

Service-Tel. 08323/8025931<br />

E-Mail: info@allgaeu.de<br />

www.allgaeu.de<br />

(Offizielle Tourismus-Dachorganisation im Allgäu)<br />

Mir Allgäuer e.V.<br />

Tel. 0831/960661-22<br />

E-Mail: info@mir-allgaeuer.de<br />

www.allgaeu-urlaubaufdembauernhof.de<br />

(Gastgeberverbund zum Thema »Urlaub auf dem<br />

Bauernhof« mit rund 500 Mitgliedsbetrieben)<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

&<br />

<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

Alpwirtschaftlicher Verein<br />

im Allgäu e.V. (AVA)<br />

Tel. 08323/4833<br />

www.alpwirtschaft.de<br />

(Vereinigung zur Förderung<br />

der Allgäuer Alpwirtschaft)<br />

Allgäuer Alpgenuss e.V.<br />

E-Mail: info@allgaeuer-alpgenuss.de<br />

www.allgaeuer-alpgenuss.de<br />

(Zusammenschluss zahlreicher<br />

Allgäuer Sennalpen)<br />

Foto: Dominik Ultes


Reportage<br />

Großer TV-Auftritt<br />

für Hirten und Hornvieh<br />

Um originelle Ideen, was technische Neuheiten angeht, ist man in<br />

Oberstaufen nicht verlegen. So zeigte sich der Ort vor einigen Jahren<br />

als erste deutsche Gemeinde freiwillig beim Internet-Kartendienst<br />

»Google Street View«. Auch zum <strong>Viehscheid</strong> findet man hier einen<br />

besonderen Dreh – der Alpabtrieb wird mit großem Aufwand live<br />

im Internet gesendet<br />

8<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


»Wir wollen den Menschen<br />

das <strong>Viehscheid</strong>-Gefühl ins<br />

Wohnzimmer bringen«<br />

Moderator Bernhard Lingg<br />

der Kamera nah<br />

dran an den Herden<br />

Der Livestream vom Oberstaufener <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

kann am Freitag, 11. September, ab etwa 8 Uhr auf der<br />

Internetseite www.oberstaufen.de angesehen werden.<br />

Hergestellt wird die Live-Sendung auch in diesem Jahr von<br />

silberstern GmbH Filmproduktion, Albert-Einstein-Straße 6,<br />

87437 Kempten, www.silberstern.tv<br />

»Viele Staufner haben die<br />

Übertragung richtig<br />

genossen«<br />

Kurdirektorin Bianca Keybach<br />

Fotos: Dominik Ultes<br />

Wenn es an seine Traditionen geht, lässt der<br />

Allgäuer ja bekanntlich nicht mit sich spaßen.<br />

Haferlschuhe und Hightech, Kranzrinder<br />

und Kameras, Alphirte und Ansteckmikrofon<br />

– wie passt das zusammen? Kann der <strong>Viehscheid</strong> mit<br />

seinen gewachsenen Traditionen zu einem multimedialen<br />

Ereignis werden, und zwar, ohne dass dabei<br />

Abläufe und Riten beeinträchtigt werden? Dass es<br />

funktionieren kann, Menschen weltweit am Geschehen<br />

eines Alpabtriebes hautnah teilhaben zu lassen,<br />

das bewies im vergangenen Herbst die Gemeinde<br />

Oberstaufen: Der Staufner <strong>Viehscheid</strong> wurde weltweit<br />

live im Internet übertragen.<br />

Kameramänner putzen ihre Linsen, im Übertragungswagen<br />

werden die Zuspielungen getestet, die Regisseurin<br />

gibt über Funk bekannt: »Achtung an alle:<br />

Mit<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

Noch 30 Minuten bis zur Sendung!« Alles wie bei einer<br />

großen TV-Sendung, und im Grunde genommen<br />

ist es auch genau das, was an diesem Tag in Oberstaufen<br />

produziert wird: eine echte Fernsehsendung über<br />

einen der traditionsreichsten Tage in der Marktgemeinde.<br />

»Wir wollen den Menschen zu Hause das <strong>Viehscheid</strong>-<br />

Gefühl ins Wohnzimmer bringen, gleichzeitig aber<br />

auch dem Ereignis gerecht werden und keinesfalls irgendwelchen<br />

Klamauk veranstalten«, sagt Bernhard<br />

Lingg, der die Live-Sendung vorbereitet hat und sie<br />

auch moderieren wird. Lingg wird heute die »Stimme<br />

aus dem Off« sein, also derjenige, der die Bilder kommentiert,<br />

selbst aber nicht vor der Kamera zu sehen<br />

ist. Tagelang hat er sich darauf vorbereitet, recherchiert,<br />

Fakten und Wissenswertes über den Vieh- <br />

Oben links: Nicht nur im Bierzelt<br />

waren die Kameras mitten im<br />

Geschehen, auch die einziehen -<br />

den Hirten mit ihren Herden<br />

machte das TV-Team auf dem<br />

<strong>Viehscheid</strong> in Oberstaufen zum<br />

Ereignis (ganz oben). Oben:<br />

Gäste und Einheimische lockte<br />

Kurdirektorin Bianca Keybach<br />

während der Live-Sendung vor<br />

ihr Mikrofon<br />

9


Die Hirten der Waltners-Alpe in Steibis bei Oberstaufen mit ihren tierischen<br />

Schützlingen auf den letzten Metern vor Erreichen des Scheidplatzes<br />

»The show must go on«,<br />

auch bei Regen und vor<br />

allem, wenn die Über -<br />

tra gung live statt findet.<br />

Doch das Team von<br />

»silberstern« ist darauf<br />

natürlich eingerichtet<br />

scheid zusammengetragen. »Dabei habe ich einiges<br />

dazugelernt«, schmunzelt Lingg. »Obwohl ich selbst<br />

Oberstaufner bin und dachte, alles über den <strong>Viehscheid</strong><br />

zu wissen.«<br />

Noch zwanzig Minuten bis zum Sendestart. Im Regiewagen<br />

wird noch Filmmaterial eingespielt, das heute<br />

bereits frühmorgens gedreht wurde. Ein Kameramann<br />

durfte auf der Alpe Oberbergmoos bei Hirte<br />

Alexander Meisburger die letzten Vorbereitungen der<br />

Hirten filmisch begleiten, vom Füttern der Tiere über<br />

das Schmücken des Kranzrindes bis zum Anlegen der<br />

Zugschellen. Die Bilder werden später im Lauf der<br />

Übertragung zugespielt. »Das sind Mehrwerte für die<br />

Internetzuschauer, die der Besucher vor Ort nicht bekommt«,<br />

sagt Regisseurin Doris Schmid, wie Moderator<br />

Bernhard Lingg von der Produktionsfirma »silberstern«.<br />

Ihre Aufgabe wird es heute sein, den gesamten<br />

Sendeablauf zu koordinieren, Moderatoren und<br />

Kameraleute zu instruieren und ganz nebenbei dem<br />

Bildregisseur die richtigen Motive zur richtigen Zeit<br />

anzubieten. Insgesamt besteht das »silberstern«-Team<br />

heute aus sieben Personen.<br />

Bernhard Lingg spricht<br />

seinen Kommentar zum<br />

Live stream direkt zu den<br />

Bildern, die die Kameras<br />

liefern, ein. Unten: Die<br />

Film beiträge werden im<br />

Regiewagen zugespielt<br />

Erfahrung hinter den Kulissen<br />

Nach zwei eher durchwachsenen Versuchen in den<br />

Vorjahren, die Übertragung selbst zu produzieren,<br />

holte sich die Oberstaufen Tourismus Marketing<br />

GmbH (OTM) diesmal mit dem Film- und TV-Produktionsteam<br />

professionelle Hilfe ins Haus. Denn die<br />

Ansprüche an die Produktion waren durchaus hoch:<br />

Es sollte eben ein echtes Erlebnis werden für die Zuseher,<br />

weg von verwackelten Bildern, die mit<br />

Smartphone oder Tablet gedreht werden, hin zu einer<br />

echten Sendung mit mehreren Kameras, Live-Moderation,<br />

Hintergrund-Informationen und mit Interviewpartnern,<br />

die das Geschehen vor Ort einzuordnen<br />

wissen. Nur auf diese Weise, da war sich die OTM<br />

schnell klar, kann ein »digitaler <strong>Viehscheid</strong>« dem Original<br />

zumindest ansatzweise gerecht werden.<br />

Mit der silberstern GmbH aus Kempten wurde dafür<br />

ein verlässlicher Partner gefunden, der jahrelange Erfahrung<br />

im Bereich Livestreaming mitbringt. Die Fir-<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


ma produziert bereits seit mehreren Jahren sämtliches<br />

Filmmaterial für die OTM und geht hier mit einer besonderen<br />

Technik an den Start, die es ermöglicht,<br />

während der Livesendung zu »spulen« und so Verpasstes<br />

unmittelbar wieder aufzurufen.<br />

Es geht los, der Countdown läuft. Jeder ist auf seinem<br />

Platz, die drei Kameramänner stehen parat, der Bildregisseur<br />

spielt das Intro zu. Jetzt steigt der Puls, unweigerlich.<br />

Auch bei Bianca Keybach, der Chefin der<br />

OTM, der Auftraggeberin der Produktion. Heute ist<br />

sie gleichzeitig die Moderatorin vor der Kamera, eine<br />

ungewohnte Rolle für sie. Ihre Aufgabe wird es sein,<br />

Interviews zu führen und mit Charme und Insiderwissen<br />

kurzweilige Gespräche ins Rollen zu bringen.<br />

»Es ist immer wieder schön, dass die Staufner aufgeschlossen<br />

für solche innovativen Aktionen sind und<br />

gerne mitwirken«, zeigt sie sich begeistert.<br />

Wo sie die Idee im Vorfeld anbrachte, sie stieß auf offene<br />

Ohren. Zusammen mit Benjamin Buhl, der als<br />

strategischer Berater mit seiner Firma »netzvitamine«<br />

schon viele Jahre für die Oberstaufen Tourismus Marketing<br />

arbeitet, hat Keybach in der Vergangenheit immer<br />

wieder mit innovativen Ideen Oberstaufen nach<br />

vorne gebracht, Oberstaufen wird heute oft als »digitalster<br />

Kurort Deutschlands« bezeichnet. Buhl ist heute<br />

ebenfalls Teil des Teams – und musste schon sehr<br />

früh aufstehen: Er hat den Kameramann auf die Alpe<br />

Oberbergmoos begleitet und ist jetzt, während der<br />

Übertragung, mindestens genau so angespannt wie<br />

alle vor und hinter der Kamera.<br />

Drei Stunden volles Programm<br />

Die Blasmusik spielt, Bianca Keybach begrüßt die Zuseher,<br />

die ersten professionellen Bilder vom Oberstaufener<br />

<strong>Viehscheid</strong> gehen in die Welt. Live und in Echtzeit.<br />

Die Leitung ist stabil, die Bildqualität perfekt.<br />

Kurz darauf trifft die erste Alpe ein, angekündigt vom<br />

gänsehautverursachenden Geläut der Zugschellen.<br />

Drei Kameras sind unterwegs, um die bes ten Bilder<br />

einzufangen, sie sind hautnah dran. Der Moderator<br />

indes sitzt in seinem improvisierten Studio im Fond<br />

eines Autos von »silberstern« und kommentiert die<br />

Oben<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

Bilder, neben ihm Maria Heim von der OTM. Sie bearbeitet<br />

sofort eingehende Fragen der Internetzuseher,<br />

Kommentare und Anmerkungen werden in die Übertragung<br />

eingearbeitet. Nebenan im Regiewagen wird<br />

entschieden, welches Bild zu welcher Zeit auf Sendung<br />

geht und wann vorproduzierte Beiträge wie die Aufnahmen<br />

von heute morgen zugespielt werden. Erste<br />

Interviewpartner treffen bei Bianca Keybach ein, sie<br />

befragt Bürgermeister und Geschäftsleute, Urlauber<br />

und Alphirten. Jetzt erst wird klar, was gemeint war<br />

mit dem Anspruch, eine kurzweilige und ehrliche Produktion<br />

auf die Beine zu stellen. »Es hat große Freude<br />

gemacht, den Oberstaufen-Fans ein bisschen <strong>Viehscheid</strong>-Atmosphäre<br />

nach Hause zu transportieren –<br />

auch wenn das natürlich das Erlebnis live vor Ort nicht<br />

ersetzen kann«, wird Bianca Keybach später sagen.<br />

Über drei Stunden dauert die Live-Sendung, Kameracrew<br />

wie Zuschauer trotzen zwischenzeitlich heftigem<br />

Regen, Bilder von eintreffenden Herden wechseln mit<br />

Impressionen aus dem Bierzelt. Hinzu kommen interessante<br />

Hintergrundinformationen über Entstehung<br />

und Entwicklung des <strong>Viehscheid</strong>es, kleine Anekdoten,<br />

witzige Sprüche und Small-Talk.<br />

Das kommt auch bei den Zusehern an: Bereits am<br />

<strong>Viehscheid</strong>-Freitag sahen den Stream, der seit Ende<br />

der Live-Sendung auf der Website der Gemeinde<br />

Oberstaufen verfügbar ist, fast 4000 Besucher. Viele<br />

klicken die Aufzeichnung an, bis heute waren es über<br />

15.000 Zuseher. Über Facebook wurden allein zum<br />

Thema <strong>Viehscheid</strong> fast 74.000 Nutzer erreicht, es gab<br />

über 400 Kommentare, im September 2014 gewann<br />

Oberstaufen 400 neue Facebook-Fans dazu – ein überproportionaler<br />

Wert. Viel Lob gab es auch und gerade<br />

von den Einheimischen: »Viele Staufner, die zum Beispiel<br />

beruflich verhindert waren, haben die Übertragung<br />

richtig genossen«, sagt Bianca Keybach. »Und sogar<br />

viele Hirten, die tagsüber Teil des Scheids waren,<br />

haben sich im Nachhinein die Sendung angesehen.«<br />

Jetzt gibt es kein Zurück mehr für eine Übertragung<br />

in diesem Jahr, ist Bianca Keybach klar. »Kein Problem<br />

– die ‚silbersterne’ sind gebucht, und wir haben schon<br />

wieder ein paar neue Ideen«, so die Kurdirektorin. Der<br />

»digitale <strong>Viehscheid</strong> von Oberstaufen« geht am<br />

11. September auf Sendung. • Thomas Richter<br />

l. und o.: Die Internet-<br />

Übertra gung vermittelt, was<br />

beim <strong>Viehscheid</strong> los ist. Unten:<br />

Neben zwei Kameraleuten auf<br />

dem Platz sorgt ein weiterer<br />

für Bilder mit Überblick<br />

Auch Allgäuer Scheidbesucher<br />

lassen sich von Bianca<br />

Keybach zum Interview für die<br />

<strong>Viehscheid</strong>-Sendung motivieren


Portrait<br />

Im Schönheitssalon<br />

für vierbeinige Diven<br />

Um »Pirelli«, ihre heutige »Kundin«, wettbewerbstauglich zu machen, braucht<br />

Nicole Nägele eine Menge Zubehör. Schermaschine, Bürsten, Spezial-Haarspray,<br />

Shampoo, Föhn und Puder hat sie bereitgelegt, um den Paarhufer aufzuhübschen.<br />

Sie ist eine sogenannte Kuh-Fitterin, die die schönsten Kühe des<br />

elterlichen Hofes für Tierschauen herausputzt<br />

Ganz oben: »Kuh-Fitterin« Nicole<br />

Nägele mit »Pirelli«. Unten. Auch<br />

das Fell in und um die Ohren der<br />

Kuh wird bei der ausführlichen<br />

Behandlung sorgfältig entfernt.<br />

Besonders vorsichtig ist sie beim<br />

Rasieren des Euters. Die Milch -<br />

adern werden so hervorgehoben<br />

Nicole Nägeles Model mit der Nummer 918 aus<br />

dem heimischen Stall hat bereits die Vorbehandlung<br />

im »Friseursalon« hinter sich – wie<br />

es beim Haarkünstler um die Ecke auch passiert. Die<br />

»Eine schön hergerichtete<br />

Kuh hebt das<br />

Image für den Hof«<br />

21-Jährige hat den Wiederkäuer mit<br />

einem Spezialshampoo für Tiere aus<br />

dem Fachhandel von oben bis unten<br />

gewaschen. Doch nun geht es an die<br />

eigentliche Schönheitsbehandlung:<br />

Stück für Stück wird das dichte Fell der Kuh dank Nägeles<br />

gekonnten Bewegungen mit der Schermaschine<br />

weniger, bis nur noch ein rund 10 Zentimeter breiter<br />

Streifen am Rücken an der sogenannten Oberlinie stehen<br />

bleibt – »dieses Stück wird Topline genannt«, erklärt<br />

sie. Bei der Behandlung, die das Tier zwischenzeitlich<br />

richtiggehend zu genießen scheint, geht bei<br />

»Pirelli« rundum ziemlich viel Haarwuchs drauf, die<br />

»Frisur« am Kopf, die Büschel an ihren Ohren sowie<br />

die feineren Haare an Bauch und<br />

Euter müssen dran glauben.<br />

Wie die 21-Jährige aus Hollen bei<br />

Seeg im Ostallgäu erzählt, habe sie<br />

bereits als kleines Mädchen an zahlreichen<br />

Tierschauen, bei denen die schönsten Kühe eines<br />

Hofes präsentiert werden, teilgenommen und<br />

schon damals zunächst Kälber, später dann Jungrinder<br />

aus dem Familienbetrieb der Nägeles vorgeführt. Einen<br />

»Kuh-Fitter« oder auch »Kuh-Stylisten« benöti-<br />

12<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Fotos: Dominik Ultes<br />

Links: das Arbeitszeug einer »Kuh-Fitterin« – inklusive Spezial-<br />

Haarspray und Schermaschine. Oben: An einer Kuh ist ganz<br />

schön viel Fell dran, rund zwei Stunden benötigt das Rasieren<br />

Unten und rechts: Nicole Nägele beim Föhnen und<br />

Bürsten des »Irokesenschnitts«<br />

gen die Landwirte im Vorfeld, um ihre Tiere, die dort<br />

teilnehmen, besonders schön »stylen« zu lassen. Damit<br />

sie bei den Preisrichtern den besten Eindruck hinterlassen,<br />

wird vor einer solchen Schau das Fell rasiert.<br />

Durch dieses professionelle Zurechtmachen<br />

der Kuh werden die<br />

Körperlinien hervorgeho ben, markante<br />

Milchadern am Euter akzentuiert<br />

und Unebenheiten des Knochenbaus kaschiert.<br />

»Irgendwann habe ich dann gesagt, jetzt will ich das<br />

auch selber machen«, meint Nicole Nägele, die hauptberuflich<br />

in einem Elektrogeschäft arbeitet und sich<br />

für das Aufbrezeln der Kuhstall-Bewohner immer mal<br />

wieder freinehmen muss. »Danach habe ich fleißig da-<br />

»Ich spreche mit dem<br />

Tier, um es zu beruhigen«<br />

heim geübt, und irgendwann habe ich es selber auch<br />

gekonnt.«<br />

Die Ostallgäuerin ist eine der wenigen Frauen, die sich<br />

als »Kuh-Fitterin« betätigen, wie sie auch selbst bestätigt.<br />

Wie viele weitere weibliche<br />

Vertreter es gibt, weiß sie aber<br />

auch nicht. Ihr geht es beim »Stylen«<br />

der hofeigenen Vierbeiner vor<br />

allem um den Spaß, sie für die Tierschauen so gut wie<br />

möglich aussehen zu lassen und dann die Befriedigung<br />

erleben zu können, »wenn die eigene Kuh, die man<br />

selbst vorbereitet hat, möglichst weit kommt. Eine<br />

schön hergerichtete Kuh hebt schließlich auf einer Tierschau<br />

das Image für den eigenen Hof«.<br />

<br />

Unten links: »Pirelli« nach Ende<br />

der Verschönerungsaktion. Unten:<br />

Bevor der Föhn auf dem Haar -<br />

streifen am Rücken zum Einsatz<br />

kommt, wird dieser erst mal<br />

kräftig gepudert<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

13


Oben: Gutes Augenmaß ist<br />

wichtig für den Schnitt<br />

einer ästhetischen und vor<br />

allem wettbewerbs tauglichen<br />

Linie, der Topline<br />

Unten: Wenn die Kuh nicht<br />

zum Fitter kommt... – aber<br />

man weiß sich ja zu helfen<br />

Für die richtige Schönheitspflege benötigt »Kuh-Fitterin«<br />

Nicole Nägele natürlich ihr »Friseur-Werkzeug«,<br />

die Schermaschine mit unterschiedlichen Messeraufsätzen,<br />

das Spezialshampoo, das sie im Internet bestellt,<br />

Bürsten für die dicken Tierhaare und vor allem einen<br />

starken Haarföhn mit enger Stylingdüse.<br />

Nachdem »Pirelli« mittlerweile schon geschoren auf<br />

dem Hof der Nägeles steht und sich die »Kuh-Fitterin«<br />

mit einem sehr kurzen Messer das<br />

Euter vorgenommen hat, um es<br />

beim Rasieren nicht zu verletzen,<br />

steht jetzt noch der rund zehn Zentimeter<br />

lange Haarbüschel entlang<br />

der Rückenlinie an.<br />

Vor allem sei nicht jedes Tier auf dem familieneigenen<br />

Hof geeignet, um »frisiert« zu werden: »Bei den 70 bis<br />

80 Kühen, die wir im Stall haben, muss man eben<br />

schauen, wie schreckhaft das Exemplar ist, das man gerade<br />

vor sich hat.« So gebe es zum Beispiel auch eher<br />

nervöse Kühe. Man müsse beachten, dass sich die Kuh<br />

nicht erschreckt, erläutert Nägele.<br />

Das persönliche Rezept der »Kuh-Fitterin«: »Ich spreche<br />

mit dem Tier, um es zu beruhigen.« Es sei wichtig,<br />

auf die Nutztiere einzugehen: »Ich habe die linke Hand<br />

immer an der Kuh und in der rechten die Schermaschine,<br />

damit ich sofort merke, wenn sie sich bewegt«, er-<br />

gänzt sie – »sonst hebt sie halt schnell den Fuß und es<br />

kann sein, dass man den abbekommt.«<br />

Für die wichtigsten Schritte, um den Grasfresser richtig<br />

schön zu machen, holt Nicole Nägele den Föhn zu Hilfe:<br />

Der Haarstreifen am Rücken wird zum Irokesenschnitt<br />

geföhnt. Dann wird geschert, bis nur noch ein schmaler,<br />

ganz gerader Streifen, die »Topline«, steht. Jetzt geht es<br />

noch ans Fixieren mit speziellem Kuh-Haarspray. Die<br />

besonderen Details kommen noch,<br />

»Dank Glanzspray<br />

weiß Nicole Nägele: »Ganz am Ende<br />

bekommt das Tier noch wird der Kuh noch Glanzspray auf<br />

das Euter und das komplette Fell gesprüht,<br />

damit sie richtig schön aus-<br />

schwarze Lackschuhe«<br />

sieht. Außerdem bekommt das Tier dank Glanzspray<br />

auf den Klauen noch schwarze Lackschuhe.«<br />

Auch, wenn es beim Herrichten der heimischen Vierbeiner<br />

aus dem Stall Herausforderungen gibt, wie bei<br />

ihrer Arbeit keine Stellen zu übersehen (»Wenn die<br />

Kuh erst mal bei der Tierschau im Ring steht und ich<br />

entdecke Fehler, ist es zu spät«), Nicole Nägele macht<br />

die Tätigkeit als »Kuh-Fitterin« immer wieder Spaß –<br />

zum Beispiel besonders, wenn sie die »Topline« mit<br />

Haarspray bearbeiten dürfe, bis alles perfekt sitzt, und<br />

dann hinterher ihr selbst gestaltetes Ergebnis an ihrem<br />

muhenden »Laufsteg-Model« auf einer Tierschau bewundern<br />

könne. • Marius Lechler<br />

Das schwarze Glanzspray für die<br />

Klauen ist das Tüpfelchen auf<br />

dem »i« und zieht der Kuh<br />

sozusagen hübsche Schuhe an


Historie<br />

Vierbeiner-Treffen<br />

im Tal mit Tradition<br />

Es gehört zum festen Bestandteil des bäuerlichen Jahreslaufs im Allgäu,<br />

dass die Landwirte ihr Weidevieh während des <strong>Alpsommer</strong>s aus dem Tal auf<br />

die Alpen der Region bringen. Im Herbst beenden die zahlreichen Alpabtriebe<br />

im Ober-, Ost- und Westallgäu die »Rinder-Sommerfrische«. Für einige<br />

Orte wie beispielsweise Bad Hindelang kann belegt werden, dass die<br />

<strong>Viehscheid</strong>-Tradition dort schon seit Jahrhunderten besteht<br />

Fotos: Archiv Alois Fink; Archiv Franz Scholl/Heimatdienst Hindelang e.V.; Lala-Aufsberg-Archiv des Heimatbundes Allgäu e.V.<br />

16


Als Alpaufzug, je nach Wetterlage Anfang bis<br />

Mitte Juni, und Alpfahrt im Juli nach der Vorweide<br />

wird der Auftrieb von Weidevieh auf die<br />

Bergweiden, im Allgäu Alpen genannt, bezeichnet. Im<br />

Verlauf des Weidewuchses werden die Tiere auf das sogenannte<br />

Vorsäß, danach auf das Mittelsäß und zuletzt<br />

auf das Hochsäß getrieben, die Alpe wird »beschlagen«.<br />

Die Vorweide (Vorsäß) beginnt mit Vegetationsbeginn,<br />

oftmals schon Anfang März. Bei der Vorweide ist noch<br />

sehr wenig Futter vorhanden. Dieser Weideabschnitt<br />

wird also auch für die langsame Futterumstellung vom<br />

Stall ins Freie genutzt. Nach der Vorweide folgen die<br />

Frühlings- und die Sommerweide.<br />

Im Gegensatz zum Alpabtrieb (<strong>Viehscheid</strong>) werden<br />

die Tiere beim Alpauftrieb nicht festlich geschmückt.<br />

Heutzutage wird von den einzelnen Bauern das Weidevieh<br />

immer mehr mit Traktor und Hänger auf die<br />

Alp verbracht, weil das Vieh oftmals aus dem Unterland<br />

kommt. Früher, als das Vieh auch aus der weiteren<br />

Umgebung kam, wurde beispielsweise beim Auftrieb<br />

in Bad Hindelang regelmäßig in Hinterstein Rast<br />

gemacht und am nächsten Tag auf die Alpen getrieben.<br />

Das einheimische Vieh aus dem Ostrachtal wird<br />

dort immer noch meistens sehr zeitig in der Früh auf<br />

die Alp verbracht.<br />

Reise bis auf über 2000 Meter<br />

Im Allgäu ist es vielerorts noch üblich, das Vieh, vor<br />

allem das Jungvieh, also die Rinder vor der ersten Kalbung,<br />

den Sommer über auf der Alpe weiden zu lassen.<br />

In Österreich und Oberbayern werden diese<br />

Bergweiden als »Alm« bezeichnet.<br />

Die Bauern aus dem Voralpenland geben ihre Tiere ab<br />

Juni in die Obhut eines Alphirten, der sie auf den saftigen<br />

Hochweiden für etwa 100 Tage sommern (auch<br />

sömmern) lässt. Dabei unterscheidet man zwischen<br />

den Galtalpen, auf denen Jungvieh weidet, und den<br />

Sennalpen, auf denen Milchkühe sömmern. Auf den<br />

Sennalpen wird die Milch vor Ort nach traditioneller<br />

Art zu Butter und Käse verarbeitet. Es gibt auch<br />

Misch alpen mit Milchkühen und Jungvieh.<br />

Im Oberallgäu existieren rund 670 Alpen, davon<br />

54 auf Bad Hindelanger Gebiet, auf die im Sommer<br />

etwa 27.000 Stück Jungvieh und 3000 Kühe bis auf<br />

2000 Meter getrieben werden. Zehn Alpen in Bad<br />

Hindelang liegen sogar deutlich über 2000 Meter.<br />

»Königsalpe« Laufbichl<br />

So weist zum Beispiel die Alpe Laufbichl Höhenlagen<br />

von 1250 bis 2000 Meter aus. 1424 wurde sie erstmals<br />

urkundlich erwähnt. Seit 1850 wird sie als Sennal- <br />

Oben links: großes Gedränge auf<br />

dem Scheidplatz von Hindelang<br />

im Jahr 1950. Oben: Der Älpler-<br />

Nachwuchs zeigt nach erfolgrei -<br />

chem <strong>Alpsommer</strong> ohne Unfälle<br />

stolz seine Kranzkühe<br />

S. 16: letzte Korrekturen am<br />

Kopfschmuck, 1949 fotografiert<br />

von Lala Aufsberg. Unten links:<br />

Schellen-Stand auf dem Markt<br />

beim Hindelanger <strong>Viehscheid</strong>.<br />

Unten: Die Tiere warten während<br />

der Alpabtriebe im Allgäu heute<br />

noch genauso auf den Transport<br />

wie in den 1950er-Jahren<br />

17


Oben: Adolf Fink (ganz links im<br />

Bild) auf dem »Allgäuer Alpab -<br />

trieb« mit Vieh und Hirten aus<br />

dem Ostrachtal beim Oktober -<br />

festumzug von 1912 in München<br />

auf einer historischen Aufnahme.<br />

Oben Mitte: Das Vieh wird auf<br />

dem Scheid platz an die jeweiligen<br />

Besitzer zurückgegeben<br />

pe betrieben. Wegen ihrer Größe von 380 Hektar und<br />

der schönen Lage im Naturschutzgebiet wird sie auch<br />

»Königsalpe« genannt. Sie umfasst das höchstgelegene<br />

Weidegebiet, das bis zum Gipfel des »Daumen« (2280<br />

Meter) führt, und ist flächenmäßig die größte Alpe<br />

Deutschlands. Die Genossenschaftsalpe wird mit Kühen<br />

von Ostrachtaler Bauern beschlagen, die im Verein<br />

»Natur und Kultur« zusammengeschlossen sind.<br />

Anfang Juni werden 55 bis 60 Kühe und 40 Rinder aufgetrieben.<br />

Außerdem sömmern hier 30 bis 35 Schweine,<br />

die im Freilauf gehalten werden. Über den Sommer<br />

hinweg werden rund 1000 Laib Sennalp-Bergkäse im<br />

»Rucksackformat« von vier bis fünf Kilogramm sowie<br />

Hirtenkäse und Bergbutter hergestellt.<br />

Rückkehr nach rund 100 Tagen<br />

Jedes Jahr wird bis heute in Bad Hindelang am<br />

11. September als eine der bekanntesten Allgäuer<br />

Traditionen der große <strong>Viehscheid</strong> abgehalten. Nur<br />

wenn dieser Tag auf einen Sonntag fällt, dann ist »der<br />

Scheid« am Samstag davor. Auf der Alpe gesömmertes<br />

Vieh gilt als besonders gesund und widerstandsfähig.<br />

Nach etwa 100 Tagen in den Bergen kehrt das<br />

Vieh zusammen mit den Hirten wieder ins Tal zurück<br />

und wird dort »geschieden«, das heißt, seinem<br />

jeweiligen Besitzer wieder zurückgegeben.<br />

Doch bereits einen Tag vorher beginnt ein emsiges<br />

Treiben: Die Tiere werden herausgeputzt, die großen<br />

Schellen (Zugschellen) angelegt und beim Galtvieh<br />

die drei Rinder, die am besten gewachsen sind, mit<br />

einem prächtigen Kranz geschmückt. Bei den Milchkühen<br />

bekommen die zwei mit der besten Milchleistung<br />

sowie die schönste Kuh einen Kranz. Die Rinder<br />

sollten selbstverständlich Hörner tragen, was heute<br />

leider manchmal in Vergessenheit gerät.<br />

Den Kranzschmuck gibt es allerdings nur dann,<br />

wenn während des Sommers kein tödlicher Unfall,<br />

zum Beispiel durch Steinschlag, Blitzschlag, Pflanzenvergiftung<br />

oder Absturz eines Tieres, geschehen<br />

ist. Der Kranz wird mit viel Liebe aus Zweigen, Blumen,<br />

Gräsern und Bändern in Form einer Krone<br />

oder Haube geflochten. Meist enthält er ein Kreuz,<br />

womit um den Schutz des Himmels gebeten wird.<br />

Auch ein Spiegel zur Abwehr böser Geister gehört in<br />

den Kranz. Wenn ein Hirte tödlich verunglückt ist,<br />

wird in den Kranz ein Trauerflor gewunden.<br />

Beim Hindelanger Scheid kommt nur Braunvieh zum<br />

Abtrieb. Vereinzelt sind auch Esel dabei. Wenn die<br />

Herde den Scheidplatz auf der Ach im Ostrachtal erreicht<br />

hat, durchläuft sie einen Verhau (dieser wird<br />

Siche genannt), an dessen Mitte die Tiere einzeln beim<br />

jeweiligen Hirten der Alpe durchkommen. Laut ruft<br />

dieser den Namen des Besitzers, der sein Vieh dann<br />

in Empfang nimmt. In Bad Hindelang werden an diesem<br />

Tag ca. 1000 Stück Vieh der sogenannten »Scheidberge«<br />

Haseneck, Erzberg, Kühbach, Stierbach und<br />

Platten, die im Abstand von einer Stunde eintreffen,<br />

von den Hirten wieder in die Hände ihrer Besitzer zurückgegeben.<br />

Das ist jedoch noch nicht die komplette Anzahl: Je<br />

nach Weide und Witterung kommen rund weitere<br />

1000 Tiere in den folgenden Tagen »aus dem Tal«, zuletzt<br />

die Nachweide der Hintersteiner Galtalpen. Verbunden<br />

mit dem <strong>Viehscheid</strong> ist auch immer ein großer<br />

Krämermarkt mit Festzelt, Verkaufsständen, Fahrgeschäften<br />

und vielem mehr. In Bad Hindelang gilt der<br />

Tag des <strong>Viehscheid</strong>s als Feiertag, auch die Schulen geben<br />

frei.<br />

Einer der ältesten Alpabtriebe<br />

Der Hindelanger <strong>Viehscheid</strong> ist seit 1794 schriftlich<br />

belegt und gilt somit als einer der ältesten im Allgäu.<br />

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in den Hintersteiner<br />

Tälern nur Galtalpen. Die Sennalpen hingegen<br />

lagen alle im Bereich Ober- und Unterjoch.<br />

In jener Zeit stand das Vieh von 17 Galtalpen an der<br />

Aach im Ostrachtal zwischen »Nordpol« (der Ortsteil<br />

wird wegen seiner schattigen Lage so genannt; Anm.<br />

d. Red.) und der sogenannten »Hennenmühle«. Die<br />

Tiere wurden noch ohne den Einsatz der heute ver-<br />

18 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


wendeten Siche aus der Herde von den Bauern selbst<br />

herausgesucht.<br />

Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde auf dem »Hasenhof«<br />

hinter dem Bad Hindelanger Rathaus jährlich am<br />

2. Februar, dem Kirchenfest Mariä Lichtmess, ein<br />

Markt abgehalten, auf dem sich die Bürger mit Haushaltswaren,<br />

Stoffen und anderen Gebrauchsgütern<br />

versorgen konnten. Da das Wetter zu diesem Zeitpunkt<br />

oft sehr unwirtlich war, wurde der Markt in den<br />

1930er-Jahren auf den 11. September – zeitgleich mit<br />

dem <strong>Viehscheid</strong> – auf die Ach verlegt, die heutigen<br />

Wiesen in der Ostrach-Aue. Das Markttreiben blieb<br />

mit Verkaufsbuden und Fahrgeschäften, die später<br />

hinzukamen, bis heute erhalten. Ab 1956 kam ein großes<br />

Bierzelt hinzu.<br />

Im Jahr 1912 gab es einen »Allgäuer Alpabtrieb« beim<br />

Oktoberfestumzug in München. Das Vieh und die<br />

Hirten kamen aus dem Ostrachtal und wurden mit der<br />

Eisenbahn nach München gefahren. Nach dem Umzug<br />

trugen Josef Gurschler aus Vorderhindelang und<br />

Adolf Fink aus Groß dem Prinzregenten Luitpold einen<br />

Ostrachtaler Jodler vor.<br />

Kleine <strong>Viehscheid</strong>e<br />

Zwei bis drei Wochen nach dem »großen Scheid«<br />

kommen Zug um Zug die einzelnen Senn- und Galt -<br />

alpen zurück ins Tal und werden geschieden – u.a.<br />

Wengen, Plättele, Engeratsgund, Hirschalpe, Buchelalpe<br />

(Unterjoch), die häufig weit weniger Zuschauer<br />

finden als die großen <strong>Viehscheid</strong>e. Beim »kleinen<br />

Scheid« – zumeist am letzten Samstag im September<br />

– kommen schließlich die Höfle-Alpe, die Alpe Eck<br />

und Älpe, die Willersalpe und die Zipfelsalpe zum<br />

Scheidplatz. Auf den <strong>Viehscheid</strong> in Bad Hindelang<br />

folgt im Ostrachtal schließlich noch der in Unterjoch<br />

mit etwa 50 Tieren. • Thomas Niehörster<br />

Oben: Die Verkäufer auf dem<br />

Krämermarkt hatten nützliche<br />

Waren des täglichen Gebrauchs<br />

im Gepäck – die Belastbarkeit<br />

dieser Unterwäsche demonstriert<br />

der fahrende Händler vor<br />

staunendem Publikum<br />

Quelle: »<strong>Viehscheid</strong>«, »Historie des<br />

<strong>Viehscheid</strong>s I & II« sowie »Kleine <strong>Viehscheid</strong>e«<br />

von Wolfgang Keßler, in: »Was<br />

nicht jeder über Hindelang weiß«, Thomas<br />

Niehörster (Hrsg.), Ursus Verlag,<br />

Bad Hindelang 2014<br />

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<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

19


Interview<br />

Tourismusvisionär<br />

mit Sinn für Allgäuer Werte<br />

Jan Schubert kann mittlerweile mit viel Erfahrung auf dem Stuhl des Tourismusdirektors<br />

in einer der beliebtesten Feriengemeinden des Ostallgäus aufwarten: Im Jahr 2000 stellte<br />

er sich den Bürgern in Pfronten erstmals vor. Schuberts Leitgedanke ist bis heute, die<br />

Authentizität des Urlaubsortes zu bewahren. Wir haben mit ihm gesprochen<br />

<strong>Alpsommer</strong> & <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>: Herr Schubert, Sie<br />

sind in diesem Jahr seit 15 Jahren Tourismusdirektor<br />

in Pfronten. Wie ist das für Sie, ein solches Jubiläum<br />

feiern zu können?<br />

Jan Schubert: Für mich ist das natürlich ein Innehalten<br />

auf einer Wegstrecke, die Rückschau, aber noch<br />

viel mehr die Vorausschau. Pfronten hat über die Jahre<br />

hinweg eine Profilierung erreicht, bei der ich mitwirken<br />

durfte. Wir haben noch so viel vor, das ist vielleicht die<br />

Gelegenheit, nun mal kurz zurückzuschauen.<br />

Ein großes Thema in Pfronten ist bereits seit Jahren<br />

das Thema »Heu«. Was bedeutet der Begriff »Heuvital«,<br />

der ja mehr sein soll als nur eine einfache<br />

Wellness-Kur?<br />

Die kommunale Ausprägung als »Bergwiesenort«,<br />

wie wir sagen, ist viel, viel mehr als nur Wellness-<br />

Produkt oder eine Marke »Heuvital«. Das Thema<br />

»Bergwiese« ist ein Aufhänger für den Ort, der die<br />

Verdienste der Landwirtschaft in den Vordergrund<br />

stellt. Die Bergwiese selbst ist Kulisse für den Gast,<br />

der in die Berge kommt und sagt: »Ich will wandern,<br />

ich will radeln, ich will die Natur genießen.« Der<br />

»Bergwiesenort« ist viel mehr als eine Heukur, es ist<br />

tatsächlich natürlich-alpine Wellness, da es ein Heilmittel<br />

ist, das aus den Bergen kommt. Für mich ist<br />

das eine Spielwiese, wo wir in Zukunft noch viel<br />

mehr erarbeiten können.<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Im Herbst werden in der Gemeinde die »<strong>Viehscheid</strong>-Däg«, die sich gleich zwei Wochen lang rund um die Alpabtriebe in Pfronten<br />

und im Ortsteil Röfleuten der Alpwirtschaft widmen, groß gefeiert. In diesem Jahr finden sie vom 5. bis 19. September statt<br />

Was sucht der Urlauber, der nach Pfronten kommt,<br />

hier am ehesten?<br />

Hauptmotiv ist nicht der große Event, nicht das große<br />

Einkaufs- oder Kulturerlebnis, sondern: einfach mal<br />

durchatmen, ausschnaufen. Das ist banal, aber das ist<br />

so. Und es ist auch die Chance des Allgäus, dieses Auffrischen<br />

zu bieten. Die Region ist ideal erreichbar, viele<br />

sagen daher, lieber komme ich öfter drei oder vier<br />

Nächte und baue mich auf. Hierbei bin ich mir sicher,<br />

dass das Allgäu zu den Gewinnerregionen in Deutschland<br />

zählt.<br />

Wie gehen Sie hier damit um, dass in Zukunft auch<br />

das Alter der Gäste, die den Ort besuchen, steigen<br />

wird?<br />

Wenn wir die Altersstruktur unserer Gäste anschauen,<br />

stellen wir fest: Wir haben viele Jüngere. Unser Ziel ist,<br />

Familien an den Ort zu binden – zum Beispiel auch<br />

über das Thema Mountainbike. Wir sind nicht positioniert<br />

als Mountainbike-Ort, der technisch höchste<br />

Herausforderungen bietet, bei uns kann man, wo erlaubt,<br />

mit dem Mountainbike zu Hütten und Panoramaplätzen<br />

fahren. Wir wissen, wenn das ein 30- bis 40-<br />

Jähriger macht, dann macht der das auch noch in zehn<br />

Jahren. Die Überlegung ist: Wie können wir diese<br />

Gruppe an den Ort binden? Möglicherweise auch mit<br />

unseren Gesundheits- und Entspannungsangeboten.<br />

Wir haben keine spezielle Ausrichtung, die eine Art<br />

von<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

Seniorentourismus fördert. Auch sind die sogenannten<br />

»Alten« heute oft aktiver als die Jungen, die<br />

kaputt sind vom Arbeitsstress und sagen: »Ich will nur<br />

noch Ruhe«, während der, der früher als »alt« im Sinne<br />

von »immobil« galt, heute mit dem Mountainbike auf<br />

den Bergen unterwegs ist und einkehrt.<br />

Sehen Sie Schwerpunkte, bei denen Pfronten gegenüber<br />

anderen Gemeinden im Allgäu vielleicht sogar<br />

einmalig ist oder sich hervorhebt?<br />

Definitiv zu nennen ist, wie bei uns die Berglandwirtschaft<br />

berücksichtigt und die Alpwirtschaft gefördert<br />

wird. Das machen wir mit den »Pfronter <strong>Viehscheid</strong>-<br />

Däg« ganz besonders. Hervorheben muss man aber<br />

auch die Profilierung als »Bergwiesenort«. Das Thema<br />

gibt es zwar auch in anderen Orten, wir nützen hier<br />

ein landschaftliches Phänomen, das andere Gemeinden<br />

ebenfalls haben. Aber dass wir bis zur eigenen<br />

Heulimonade ein Ort sind, der sich um dieses Thema<br />

kümmert, ist schon ein Alleinstellungsmerkmal. <br />

Links: Jan Schubert mitten im<br />

Geschehen beim »Genuss-Rad -<br />

wandertag« im Jahr 2013 von<br />

Pfronten zur Naturparkregion<br />

Lechtal-Reutte<br />

21


Der Tourismusdirektor<br />

präsentiert bei der Tourismusmesse<br />

CMT in Stuttgart <strong>2015</strong><br />

gemein sam mit der »Bergwiesen -<br />

königin Sinja I« die Vorzüge<br />

des Urlaubsortes Pfronten<br />

Fotos: Marius Lechler; kompan.de; Pfronten Tourismus<br />

Recht ausgefallen ist der Planetenspielplatz der Gemeinde,<br />

auf dem sich die Kinder bei computergesteuerten<br />

Spielen in Teams messen können. Wie<br />

kam es zu dieser Idee?<br />

Wir haben uns zusammen mit einem Landschaftsarchitekten<br />

überlegt: Wie können wir die Spielplätze in<br />

Pfronten künftig gestalten? Die Idee war, ein Themenspielplatz-Konzept<br />

zu entwickeln, realisiert wurden<br />

bisher 13 Spielplätze, davon vier in Kooperation mit<br />

den örtlichen Hotelbetrieben. Die Themen reichen<br />

von der Schatzinsel über Burgen-, Märchen-, Zirkusbis<br />

zum Planetenspielplatz. Dort wird die Spielwelt des<br />

Kindes, die es daheim hat, auf den Spielplatz gebracht.<br />

Die vertraute Spieloberfläche ist nicht auf dem PC,<br />

sondern auf dem großen Schirm am Spielplatz. Ziel ist<br />

das Abklatschen verschiedener Punkte, die Sound-<br />

Module und Leucht-Dioden haben. Das Ganze ist tatsächlich<br />

bei uns in dieser Art in Deutschland zum ersten<br />

Mal gemacht worden. Die Kinder interagieren,<br />

weil sie in der Gruppe spielen. Und es ist eine tolle Erfahrung<br />

für sie, da die Anlage Farben hat und man<br />

Teams bildet. Es gibt auch einige Kommunen, die sich<br />

das anschauen, weil es ungewöhnlich ist. Ich kenne<br />

keinen anderen Ort, der ein ähnliches Themenspielplatz-Konzept<br />

hat. In diesem Jahr eröffnen wir mit einem<br />

neuen Indianerspielplatz den letzten Spielplatz<br />

unserer Konzeption.<br />

Wo würden Sie Pfronten, was die Zahl der Gäste angeht,<br />

in etwa platzieren?<br />

Wir wissen, wo wir mit unseren knapp 600.000 Übernachtungen<br />

im Jahr stehen. Es gibt ein paar sogenannte<br />

»Übernachtungsmillionäre«. Dazu zählen im Allgäu<br />

Füssen, Bad Hindelang, Oberstaufen und mit den<br />

meis ten Übernachtungen Oberstdorf. Da befinden wir<br />

uns in der zweiten Liga. Wir sind nicht groß und nicht<br />

klein. Wobei knapp 600.000 Übernachtungen pro Jahr<br />

im deutschlandweiten Vergleich viel sind – nur im<br />

Allgäu mit seinen vielen »starken« Orten sind wir in<br />

zweiter Reihe.<br />

Tipps für Kids und Nostalgietage<br />

Pfronter <strong>Viehscheid</strong>-Däg:<br />

»Alles rund um Kuh und Hirten« ist das Motto des<br />

Erlebnisprogramms. Zwei Wochen lang finden Aktio -<br />

nen zum Ende des <strong>Alpsommer</strong>s statt. Der Rathaus-<br />

Pavillon zeigt eine Ausstellung über tradi tio nelle<br />

Handwerkskunst im Allgäu (5. bis 19. September)<br />

Kinderortsplan und 13 Themenspielplätze:<br />

In die Welt der Ritter, Märchen, Planeten, Piraten<br />

oder in den Zirkus werden kleine Gäste auf den<br />

bunt gestalteten 13 Themenspielplätzen entführt.<br />

Ein eigener Kinderortsplan mit Tipps weist den Weg<br />

1. Pfrontener Nostalgietage:<br />

Zum ersten Mal findet vom 6. bis 12. Juli die<br />

Pfrontener Nostalgiewoche statt. Veranstaltungen,<br />

Aktionen und eine Ausstellung erinnern an die<br />

»gute alte Zeit«. Höhepunkt ist das traditionelle<br />

Oldtimerrennen »Gamsbartrallye« vom 10. bis 12.<br />

Juli (in diesem Jahr zum 25. Mal)<br />

Kinderhüttenpass:<br />

Kleine Wanderer erhalten nach erfolgreicher<br />

Tour auf den Alphütten vom Hüttenwirt einen<br />

Stempel in den Pass. Je nach Anzahl der Stempel<br />

gibt es als Auszeichnung Wandernadeln in Silber,<br />

Gold und »Supergold« für »Superwanderer«<br />

9. Pfrontener Trachtenmarkt:<br />

Der Markt am 8. und 9. August gilt als einer der<br />

schönsten in Bayern mit allem rund um Allgäuer<br />

Tracht, kostenloser Trachtenberatung, Volksmusikund<br />

Tanzvorführungen<br />

Pfronten Tourismus, Vilstalstraße 2, 87459<br />

Pfronten, Tel. 08363/698-88, www.pfronten.de<br />

22<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Wie sieht eigentlich Ihr persönlicher Hintergrund<br />

in der Touristik aus?<br />

Ich bin geboren in der Nähe von Hannover, meine Jugend<br />

habe ich in Donauwörth verbracht und in Berlin<br />

Tourismus und Landschaftsplanung studiert. Während<br />

meines Diplom-Ingeneursstudiums habe ich erkannt,<br />

dass mir die Arbeit mit Landschaft und Menschen<br />

sehr liegt. In die Region bin ich gekommen, da<br />

ich damals in Berlin eine Allgäuerin kannte. Ich bin<br />

hier geblieben, weil ich glaube, dass das Allgäu eine<br />

der Top-Regionen in Deutschland ist, es ist ein Privileg,<br />

wenn man hier leben darf. Vor 15 Jahren gab es<br />

dann eine Ausschreibung um den Posten des Tourismusdirektors,<br />

auf die ich mich beworben habe.<br />

Bierzelt und ein Haufen Kühe, die durch den Ort kommen.<br />

Das Wichtige dabei soll sein, dass wir alle von<br />

der Alpwirtschaft profitieren, dass es sich um lokale<br />

Identität handelt und dass hier nicht nur etwas für den<br />

Tourismus inszeniert ist. Wir sehen auch den Auftrag,<br />

dem Gast zu vermitteln, was es heißt, Alpwirtschaft zu<br />

betreiben. Die Wertschätzung demgegenüber ist für<br />

mich auch hier ein wichtiges Stichwort.<br />

Das Gespräch führte Marius Lechler<br />

Was ist Ihnen besonders wichtig beim Repräsentieren<br />

der örtlichen Brauchtums-Themen, wie sie zum<br />

Beispiel bei den »Pfronter <strong>Viehscheid</strong>-Däg« praktiziert<br />

werden?<br />

Was mich hier antreibt, ist der Qualitätsanspruch. Die<br />

Wertschätzung dem Handwerk gegenüber ist uns gelungen<br />

mit dem Pfrontener Trachtenmarkt. Dieser<br />

zählt zu den besten in Bayern. Dagegen wollten wir<br />

beim <strong>Viehscheid</strong> zeigen, dass er mehr ist als ein volles<br />

Die Gemeinde im Ostallgäu hatte mit dem computerge steue r -<br />

ten »Planetenspielplatz« eine Vorreiterrolle in Deutschland inne<br />

Anzeige<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

23


<strong>Viehscheid</strong><br />

Konferenz der Tiere<br />

mit weit über 1000 Rindern<br />

Wenn nach Ende des <strong>Alpsommer</strong>s das Vieh wieder in die Täler geführt wird,<br />

begehen dies Hirten, Einheimische und Gäste mit einem großen Fest:<br />

Während der <strong>Viehscheid</strong>e begegnen sich oft wahre Massen an Tieren auf dem<br />

Scheidplatz. In Obermaiselstein umfasst der Alpabtrieb rund 1400 Stück Vieh.<br />

Damit gehört er zu den größten im gesamten Allgäu<br />

Verlief der <strong>Alpsommer</strong> für die<br />

Tiere auf der Alpe unfallfrei,<br />

geht ein prächtig geschmücktes<br />

Kranzrind der Herde voran<br />

Auf zwölf Alpen rund um Obermaiselstein im<br />

Oberallgäu werden jedes Jahr Kühe und Jungvieh,<br />

manchmal auch Esel und Pferde gebracht,<br />

um dort 100 Tage lang den Sommer zu<br />

verbringen. Der Hirte, der die ihm anvertrauten Tiere<br />

in Empfang nimmt, prägt sich ihre besonderen Merkmale<br />

ein. In der Regel kennt er seine Tiere ohne Zuhilfenahme<br />

von Haarmalen oder Ohrmarken. Diese<br />

Gabe zeichnet den Älpler aus. Nach einer erfolgreichen<br />

Sömmerung geht es auf den Alpen rund um<br />

Obermaiselstein an die Vorbereitungen für den <strong>Viehscheid</strong>,<br />

die mit vielen verschiedenen und wichtigen<br />

Aufgaben verbunden sind.<br />

Die letzten Tage vor dem Alpabtrieb, der in Obermaiselstein<br />

in diesem Jahr am 19. September stattfindet,<br />

sind für die Älpler besonders arbeitsintensiv. Die großen<br />

Zugschellen, der Stolz eines jedes Hirten, müssen<br />

auf Hochglanz poliert und deren Fransen gebürstet<br />

werden. Für die Herde werden kleine Sträuße als<br />

Kopfschmuck gebunden.<br />

Ein Kranz für die Schönste<br />

Fotos: Dominik Ultes, Tourismus Hörnerdörfer<br />

Eine Herde wird am <strong>Viehscheid</strong>-Tag nur von einem<br />

Hirten mit einer Kranzkuh geführt, wenn der rund<br />

dreimonatige <strong>Alpsommer</strong> ohne Unfall oder Verlust eines<br />

Tieres verlaufen ist. Da der Älpler natürlich jedes<br />

Tier einzeln kennt, wählt er zum Ende des Sommers<br />

das schönste Rind aus der Herde zum Kranzrind.<br />

Dieses besonders schmucke Prachtstück erhält einen<br />

handgearbeiteten Kranz, der im Oberallgäu aus natürlichen<br />

Materialien gebunden wird: Zweige von Tannen<br />

und Ebereschen, Silberdisteln und andere bunte Bergblumen<br />

bilden die Krone. Sie enthält meist ein Kreuz,<br />

mit dem der Schutz Gottes erfleht wird. Von alters her<br />

24 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> r


Wo die Herden aufeinandertreffen<br />

<strong>Viehscheid</strong> Obermaiselstein: 19. September, ab ca. 9 Uhr<br />

Eingeschränkte Parkmöglichkeiten; Pendelbus vom Busbahnhof Fischen<br />

zum <strong>Viehscheid</strong> Obermaiselstein, Fahrbetrieb von 8 bis 18 Uhr<br />

Auf dem Weg zum Scheidplatz, wo sich die Tiere versammeln, zieht das Vieh einiger Herden durch das Dorf.<br />

Das große Treffen in Obermaiselstein mit Rückgabe der Tiere an ihre Besitzer ist ein wahres Spektakel, das viele Zuschauer anzieht<br />

gehört auch ein Spiegel in den Kranz – er soll die bösen<br />

Geister abwehren.<br />

Zum Alpauszug selbst kommen dann viele fleißige<br />

Helfer zur Unterstützung auf die Alpe. Die Tiere werden<br />

in den Stall getrieben und angebunden. Dort tauschen<br />

die Helfer die Weidschellen gegen die geputzten<br />

Zugschellen aus. Jede Herde bekommt ihr eigenes<br />

Klangbild. Natürlich hilft hier jeder mit, kann doch so<br />

manche stolze Kuh ganz schön störrisch sein, wenn<br />

man ihr den klingenden Halsschmuck anlegen will.<br />

Vieh-Zuteilung auf Zuruf<br />

Je nach Entfernung vom Scheidplatz setzt sich die<br />

Herde am Tag des Alpabtriebes zu bestimmter Zeit in<br />

Bewegung. Die erste Herde aus Richtung Riedbergpass<br />

kommt dort gegen 9 Uhr an. Über den Vormittag verteilt<br />

erreichen die Tiere von den weiteren elf Alpen entweder<br />

gleich den Scheidplatz, oder sie ziehen durch das<br />

Dorf. Die letzte Herde komplettiert schließlich gegen<br />

12.45 Uhr diese rund 1400 Exemplare zählende Konferenz<br />

der Tiere.<br />

Auf dem Platz werden die Vierbeiner schließlich an ihre<br />

Bauern zurückgegeben. Dazu werden die Tiere in einen<br />

großen, trichterförmigen Einschlag getrieben. Aus diesem<br />

kann jeweils immer nur ein Tier durch einen Gang<br />

am Trichterende hinausgelangen. Dort steht der Älpler<br />

und ruft die jeweiligen Besitzer auf dem Platz auf, ihr<br />

Vieh abzuholen. So sehr sich die Tiere für Unkundige<br />

auch ähneln mögen, nach einem Sommer auf der Alpe<br />

erkennt der Hirte jedes einzelne an winzigen Unterschieden,<br />

als käme es aus dem eigenen Stall.<br />

Ist die Arbeit dann getan, geht es zum Essen im Festzelt<br />

und dann zum Scheidball zu Ehren der Alphirten und<br />

Alpmeister bei zünftiger Musik. • Marius Lechler<br />

Dank musikalischer Untermalung haben die Älpler nach Abschluss ihrer Arbeit die richtige<br />

Unterhaltung auf dem Weg ins Festzelt<br />

<strong>Viehscheid</strong>-Vorbereitungen live erleben<br />

Am Vortag des <strong>Viehscheid</strong>s, am 18. September, findet eine »<strong>Viehscheid</strong>-Info-Tour« für Gäste<br />

statt. Nach einer Wanderung auf die Alpen Schattwald und Dinjörgen beobachtet man die<br />

Älpler beim Kranzbinden (falls vorhanden) und Anlegen der Zugschellen. Informationen gibt<br />

es bei Obermaiselstein Tourismus, Am Scheid 18, 87538 Obermaiselstein, Tel. 08326/277,<br />

Fax 08326/9408, E-Mail: info@obermaiselstein.de, www.obermaiselstein.de<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

25


Handwerk<br />

Der Herr der Riemen<br />

für klingenden Schmuck<br />

Im Reich von Herbert Vogler stampft die Nietmaschine, und hin und<br />

wieder hört man das charakteristische Geräusch der allgegenwärtigen<br />

Kuhschellen. Der Gürtelmacher hat in Bolsterlang eine besondere<br />

Geschäftsidee verwirklicht – für Urlaubsgäste stellt er verzierte »Kuhgürtel«<br />

her, außerdem produziert er Zierriemen für Glocken und Schellen<br />

Ganz oben: Herbert Vogler<br />

vernietet die Ornamente für<br />

einen Kuhgürtel mithilfe<br />

seiner Nietmaschine (siehe<br />

auch Detailfoto oben)<br />

Eine Kuh mit Zugschelle weist den Weg zu Herbert<br />

Vogler, dem Gürtelmacher in Bolsterlang.<br />

Seine Werkstatt hat der 49-Jährige im Souterrain<br />

seines Hauses untergebracht, um hier die begehrten<br />

»Chüeli-Gürtel« zu produzieren. Der Begriff weist<br />

auf eine enge Koproduktion mit Schweizer Freunden<br />

hin. Ob großer oder kleiner Bauchumfang, ist kein<br />

Problem – der gelernte Raumausstatter fertigt seine<br />

»Original Allgäuer Kuhgürtel« nach Maß. Durch viele<br />

Aufenthalte auf Alpen kam der Bolsterlanger zu seinem<br />

Nebenberuf rund um Sattlerarbeiten. Denn<br />

außer Gürteln stellt Vogler auch Zierriemen für Kuhglocken<br />

und Kuhschellen her.<br />

Kühe haben es ihm angetan. Daher die Idee, Gürtel mit<br />

silber- oder goldfarbenen Motiven zu verzieren. Die Ornamente<br />

wie Kühe, Pferde, Rosetten, Sonnen oder Edelweiß<br />

kommen aus dem Appenzeller Land. Viele Motive<br />

sind farbig unterlegt und von Hand ziseliert.<br />

Sonderwünsche sind kein Problem<br />

Die handgearbeiteten Metallteile werden auf dem Gürtel<br />

mit Stiften fixiert und durch eine mit Druckluft betriebene<br />

Maschine angenietet. So halten sie dauerhaft<br />

fest. Das Motiv »Herr mit Hund« steht für eine weitere<br />

26 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Fotos: Thomas Niehörster<br />

der Fertigkeiten Voglers: die Herstellung von Hundehalsbändern.<br />

Diese gestaltet er gern nach den Wünschen<br />

des Besitzers und versieht sie etwa mit dem<br />

Namen des Vierbeiners. Begehrt sind auch Gürtel aus<br />

echtem Kuhfell. Alle Gürtel und Hundehalsbänder werden<br />

aus Kern-Leder-Croupon, dem besten Teil des Rü -<br />

ckenleders, geschnitten. Vogler bezieht sein Leder von<br />

außerhalb, da im Allgäu aus Umweltschutzgründen<br />

nicht mehr gegerbt wird.<br />

Seine Kunden sind meist Menschen, die in der Region<br />

Urlaub machen. Sind diese wieder daheim, kommen oft<br />

viele Folgeaufträge aus ganz Deutschland und aller<br />

Welt. Einen echten »Allgäuer Kuhgürtel« bekommt<br />

man eben nicht »um die Ecke«.<br />

w<br />

Zu Besuch im Reich der Schellen<br />

Ganz oben: diverse Glocken<br />

und Schellen aus der Sammlung<br />

des Gürtelmachers für<br />

Kuh, Pferd und Ziege. Oben:<br />

Vielfalt der Ornamente, mit<br />

denen Vogler seine »Kuhgür -<br />

tel« verziert.<br />

Herbert Vogler lässt interessierte Besucher gern einen Blick in seine Werkstatt werfen und<br />

erklärt alles zu Schellen, Riemen und Kuhgürteln. Dort gibt es auch Wissenswertes zum<br />

Sattlerei- und Sennenhandwerk zu erfahren. Bitte zuvor auf jeden Fall einen individuellen<br />

Termin vereinbaren: Herbert Vogler, Stuibenstraße 2, 87538 Bolsterlang,<br />

Tel. 08326/381566, Mobil: 0171/3857656, E-Mail: info@allgaeuer-kuhguertel.de,<br />

www.allgaeuer-kuhguertel.de<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Schellensammlung mit unterschiedlichsten<br />

Exemplaren<br />

und kunstvollen Riemen<br />

Geschenkidee Kuhschelle<br />

Ganz oben: Neben vielen Beispie -<br />

len für unterschiedlichste Klang -<br />

körper hat Voglers Kollektion<br />

auch verchromte Exemplare, die<br />

aber aus der Mode gekommen<br />

sind, zu bieten. Oben: Der tie -<br />

rische Halsschmuck, um den sich<br />

bei ihm alles dreht, ziert sogar<br />

die Außenwand seiner Werkstatt<br />

28<br />

Das »zweite Standbein« des Allgäuer Kunsthandwerkers<br />

ist sein Faible für Kuhglocken und Kuhschellen.<br />

Er verfügt über eine einzigartige Sammlung der verschiedensten<br />

Stücke. Die prachtvollen Glocken und<br />

Schellen eignen sich als Präsent bei unterschiedlichs -<br />

ten Anlässen. Vogler versieht sie mit Zierriemen aus<br />

robustem, langlebigem Rindsleder.<br />

Die Riemen sind durch Applikationen aus farbigen<br />

Wollfransen, mit Dachshaar, Ziernägeln oder Stickereien<br />

jeder für sich ein Unikat. Neben Produkten, die<br />

als Geschenk mitgebracht oder zur Erinnerung an das<br />

Allgäu daheim übers Buffet gehängt werden, lassen<br />

sich in Ecken seiner Werkstatt Raritäten entde cken,<br />

die dem Außenstehenden eher als »Gerümpel« erscheinen.<br />

Dabei sind das wahre Raritäten, die zwar<br />

eher weniger glänzen, aber durch ihr Alter und ihre<br />

ehrwürdige Patina Einzelstücke, die vielleicht sogar<br />

mit eigener Historie behaftet sind, darstellen.<br />

Ein Sammler voller Enthusiasmus<br />

In Herbert Voglers Werkstatt können Kunden auf der<br />

Suche nach einem besonderen Stück Schellen jeder<br />

Machart und für jede Funktion bis hin zu Trachtenund<br />

Brauchtumsschellen finden. Wer hier stöbert und<br />

den Blick schweifen lässt, findet neben Schellen für die<br />

Kuhweide auch Glöckchen und Schellen für Esel,<br />

Schafe und Ziegen.<br />

Auch Schellen für Arbeitspferde, »Pariser Glocken«<br />

und Pferdeglocken für festliche Ausfahrten finden sich<br />

unter den zahlreichen, oft sehr alten Schätzen bei<br />

Vogler. Der unermüdliche Sammler stöbert sie bei Betriebsauflösungen,<br />

in aufgegebenen Liebhabersammlungen<br />

oder bei Bauern im Tauschgeschäft gegen neue<br />

Exemplare auf. • Thomas Niehörster<br />

Zum 18. Geburtstag stellt Herbert Vogler auch mal einen ganz<br />

individuellen Schellenriemen mit persönlicher Prägung her<br />

Glocke oder Schelle?<br />

Eine Kuhglocke besteht aus einer gegossenen<br />

Messing-Legierung (auch mit Bronze- oder Silber -<br />

anteil, letzterer wegen des hellen Klangs) und ist wie<br />

eine Glocke geformt. Die Schelle ist hingegen aus<br />

einem Stück Blech gehämmert oder gestanzt, das<br />

gebogen und früher zusammengenietet, heute ge -<br />

schweißt wird. Innen erhält sie – wie auch die Kuh -<br />

glocke – eine Öse für den Klöppel (»Kalle« bei<br />

Schellen) und oben einen Steg für den Lederriemen.<br />

Man unterscheidet zwei Arten von Schellen: die<br />

»Klöpfar«, die rechteckig geformten, und die<br />

»Bumbla«, die rund geformten. Glocken und Schellen<br />

gibt es in verschiedenen Größen. Manchmal werden<br />

die Glocken einer Herde auf die Töne einer Tonleiter<br />

abgestimmt. Auf der Weide tragen die Rinder in der<br />

Regel die kleinen Weid-Schellen, die (Milch-)Kühe<br />

Glocken.<br />

Auch für Ziegen, Schafe und Pferde gibt es unter -<br />

schiedlich große und verschieden geformte Schellen<br />

und Glocken. Beim Alpauszug werden den Rindern<br />

die großen Zugschellen angelegt, damit das Vieh<br />

besser zieht (läuft). Auch Pferde tragen auf der<br />

Weide Schellen, Arbeitspferde das »Gröll«, ge -<br />

schmiedete Hohlkugeln mit Schlitzen – und vor<br />

Freizeit- und Festschlitten gespannt, das »Glitt«,<br />

verschieden große, rund oder oval geformte soge -<br />

nannte »Pariser Glocken« an einem Lederriemen.<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Anzeigen


<strong>Viehscheid</strong><br />

Der große Augenblick ist<br />

gekommen: Aus dem<br />

Morgennebel tauchen Rinder<br />

und Treiber auf<br />

Der längste Marsch<br />

30 Kilometer bis in den heimischen Stall<br />

<strong>Viehscheid</strong> ist die fünfte Jahreszeit im Allgäu. Im Frühherbst, wenn das Jungvieh<br />

wieder von den Bergweiden getrieben wird, sind die Gästebetten in den Fremden -<br />

verkehrsorten noch einmal weitgehend ausgebucht. Wenn es noch einen kleinen<br />

Geheimtipp für Besucher gibt, dann ist das die Gemeinde Maierhöfen. Im dortigen<br />

Ferienclub gibt es 115 Bungalows und 26 Hotelzimmer nur wenige hundert Meter<br />

vom Scheidplatz – dem Ort des Geschehens – entfernt<br />

Der <strong>Viehscheid</strong> gehört für<br />

ihn zu den Pflicht-Terminen<br />

im Jahreskalender:<br />

»Do derf ma it fehle!«<br />

Hat man sich in einem der familientauglichen<br />

Bungalows einquartiert, sollte man den kurzen<br />

Fußmarsch ins 1600-Einwohner-Dorf im<br />

Landkreis Lindau nicht scheuen. Es kann nicht schaden,<br />

sich in Ruhe zu orientieren, von wo aus man das<br />

kommende Spektakel »Alpabtrieb« beobachten will.<br />

Denn am Tag, an dem die Tiere eintreffen, ist auch in<br />

Maierhöfen wie an allen anderen Allgäuer <strong>Viehscheid</strong> -<br />

orten das Gedränge groß.<br />

Allerdings kann man sich in diesem Westallgäuer<br />

<strong>Viehscheid</strong> einen Vorteil verschaffen. Der Viehtrieb ist<br />

nämlich der längste von allen in der Region, die sechs<br />

Bergweiden der Maierhöfer Bauern liegen im Gebiet<br />

des Hochgrats bei Oberstaufen. Rund 30 Kilometer<br />

müssen die Jungtiere mit ihren Hirten zurücklegen,<br />

um in heimatliche Gefilde zu kommen. Wer das Gedränge<br />

der Zuschauer im Ort und am Ortseingang<br />

vermeiden will, geht einfach dem Viehtrieb auf der<br />

Staatsstraße 1318 ein Stück entgegen. Ein langsam anschwellender<br />

gleichmäßiger Ton hunderter Schellen<br />

kündigt den Zug an, lange, bevor er zu sehen ist. Man<br />

marschiert dann einfach hinter dem Alpzug von rund<br />

250 Tieren ins Dorf zurück. Das Spektakel rund um<br />

das Festzelt in Maierhöfen versäumt man deswegen<br />

nicht. Denn am Scheidplatz angekommen, ruhen sich<br />

die Tiere und die Hirten erst mal aus. Zum Schauen<br />

ist genug Zeit.<br />

Während die Bauern sich langsam daran machen, ihre<br />

Jungtiere zu sammeln und in Richtung Stall zu treiben<br />

oder auf Viehanhänger zu verladen, werden im Festzelt<br />

Ehrungen vorgenommen, die Musikkapelle Maierhöfen<br />

spielt auf und deftige Brotzeit und Allgäuer Bier<br />

werde angeboten. Den ganzen Tag ist im Festzelt und<br />

auf dem Platz darum herum etwas los. Für Kinder gibt<br />

30<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


es Schiffschaukeln und ein Karussell, für die Besucher<br />

allerlei Buden auf dem Krämermarkt mit Haushaltswaren,<br />

lokalen Spezialitäten, Obstbränden, Waffeln,<br />

Spielwaren, Fellprodukten, Schellen und Glocken und<br />

vielem mehr. Wer genug Ausdauer hat, der bleibt nach<br />

dem Abtransport des Viehs bis zum Abend. Dann beginnt<br />

ein abwechslungsreicher Heimatabend im Festzelt.<br />

Trachtengruppen, Alphornbläser und die<br />

Blaskapelle sorgen für Stimmung.<br />

Wer es gerne etwas fetziger haben möchte, der sucht<br />

bereits am Vorabend des Alpabtriebes das Festzelt auf.<br />

Dieser Abend gehört der Jugend und den Junggebliebenen.<br />

Auch dieses Jahr werden wieder die elf Mitglieder<br />

der Gruppe »Lederrebellen« das Festzelt<br />

aufmischen. Die Party-Band wartet mit Blasrock,<br />

Volxmusik und Partykrachern auf. Auf der Bühne und<br />

auf der Tanzfläche davor wird deutlich, dass Party,<br />

Rockmusik und Discobeleuchtung, gepaart mit Lederhose<br />

und Dirndl, keine Gegensätze sein müssen.<br />

Wer sich dem Gedränge im Festzelt an den Abenden<br />

nicht aussetzen will, hat als Gast im Ferienclub Maierhöfen<br />

viele Möglichkeiten, es ruhiger angehen zu<br />

lassen. Die letzten warmen Tage kann man auf der<br />

Terrasse vor dem Ferienbungalow bei einer guten Flasche<br />

Wein ausklingen lassen. Oder man besucht zusammen<br />

mit den Kindern das clubeigene<br />

Schwimmbad »Aquarosa«. Während sich die Eltern in<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

der Sauna oder im Dampfbad entspannen, können die<br />

Kinder Rutsche und Wildwasserkreisel ausprobieren.<br />

Danach erlaubt man sich einen Blick über den Zaun<br />

auf die Ziegenweide oder sieht dem Nachwuchs zu,<br />

wie er sich im Gewolino vergnügt. Denn dieses Jahr<br />

ganz neu ist dieser Spielbereich für Kinder: Abenteuer<br />

im Schlangenwald, die Mutprobe auf der Dschungelbrücke,<br />

ab durch die Dornenquetsche, über eine tiefe<br />

Schlucht auf einem Balken balancieren, schwungvoll<br />

durch die lange Spiralrutsche ins Bällebad, danach auf<br />

dem Trampolin hoch hinaus, toben im Piratenschiff<br />

und auf der Torte…das alles und noch mehr bietet das<br />

neue Spieleparadies.<br />

Klassischer geht es im Freigelände bei einer Minigolfpartie,<br />

beim Bogenschießen, in der Kegelbahn und<br />

beim Ponyreiten in der Westernstadt zu.<br />

Verköstigt werden die Gäste im Club-Restaurant. Bodenständige<br />

Landhausküche und internationale Spezialitäten<br />

wechseln sich ab mit Themenbuffets. Mal<br />

mediterran, mal typisch Allgäu. Zum <strong>Viehscheid</strong> gibt<br />

es sogar ein dazu passendes »Scheidbuffet«.<br />

Gäste, die es gerne etwas individuell haben wollen, erfahren<br />

bei der Tourist-Info in Maierhöfen, welche<br />

Gastbetriebe oder Ferienhöfe im Ort oder in der Umgebung<br />

noch Zimmer oder Appartements frei haben.<br />

Das kleine Büro mitten im Ort ist auch Anlaufstation<br />

für Gäste, die gerne Wander- oder Radtouren-Tipps<br />

Entspannung, Ruhe und<br />

Abwechslung für die ganze<br />

Familie bietet der Ferienclub<br />

Maierhöfen, nur wenige<br />

Gehminuten vom Ortszentrum<br />

Maierhöfen entfernt (Fotos oben)<br />

Gästeamt<br />

Maierhöfen<br />

Brunnenweg 2<br />

88167 Maierhöfen<br />

Tel. 08383/98040<br />

Fax: 08383/98042<br />

E-Mail: info@maierhoefen.de<br />

Gastgeberverzeichnis:<br />

www.tourismus-maierhoefen.de<br />

31


<strong>Viehscheid</strong><br />

haben möchten. Mannigfaltige Wandermöglichkeiten<br />

in herrlicher Natur und kulturelle Highlights wie der<br />

Eistobel, der Skulpturen- oder Glasmacherweg warten<br />

auf den Wanderfreudigen. Bekannt ist das Naturschutzgebiet<br />

Eistobel ganz in der Nähe, das zu Bayerns<br />

schönsten Geotopen zählt. Auf einer beeindruckenden<br />

Wanderung kann man es erleben und sich von den<br />

Naturschauspielen bezaubern lassen.<br />

Auf 25 neu ausgewiesenen Wanderrouten lässt sich im<br />

Westallgäu die ganze Vielfalt des Elementes Wasser<br />

entdecken. Die »Westallgäuer Wasserwege« führen zu<br />

idyllischen Weihern und geheimnisvollen Quellen, zu<br />

historischen Mühlen, zu alten Sägen, zu verwunschenen<br />

Mooren und schattigen Schluchten, zu rauschenden<br />

Bächen und tobenden Wasserfällen. Vom<br />

Maierhöfer Hausberg, der 1069 Meter hohen Kugel,<br />

hat man einen sensationellen Blick auf die Nagelfluhkette<br />

bis zu den Schweizer Alpen. Viele Gäste des<br />

Westallgäuer Ortes Maierhöfen nutzen den Aufenthalt<br />

dort zu einem Ausflug an den nahen Bodensee. •<br />

Fotos: Peter Elgaß<br />

Partylaune holt man sich am Vorabend des <strong>Viehscheid</strong>s im Festzelt mit den »Lederrebellen«<br />

(Foto ganz oben). Bis auf den letzten Platz besetzt ist das Festzelt, wenn diese Truppe aufspielt.<br />

Dirndl und Disco – für die jungen Damen aus Maierhöfen ist das kein Gegensatz (Fotos in der<br />

Mitte). Die Kleinen finden allerdings die Stände und das Angebot auf dem Festplatz<br />

interessanter (Fotos oben)<br />

32 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


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Interview<br />

Paradies unterhalb der<br />

Schwarzenberghütte im<br />

Hintersteiner Tal<br />

Scharfer Blick<br />

auf das wahre Allgäu<br />

Der 54-jährige Fotojournalist Wolfgang B. Kleiner (l.) liefert unter<br />

anderem seit zehn Jahren die Tourismus-Werbebilder von Bad<br />

Hindelang. Kürzlich ist sein Bildband »Kulturerbe Alpwirtschaft«<br />

erschienen. Themengebiete wie Bergwelt, Alpwirtschaft, aber<br />

auch Kühe gehören dabei zu den wichtigen Motiven. Wir haben<br />

den Bildkünstler getroffen<br />

<strong>Alpsommer</strong> & <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>: Herr Kleiner, Sie<br />

sind seit 37 Jahren als Fotograf aktiv. Wie hat Ihre<br />

Karriere begonnen?<br />

Wolfgang B. Kleiner: Noch während meiner Schulzeit<br />

habe ich im Alter von 17 Jahren als freier Mitarbeiter<br />

bei Lokalzeitungen in Augsburg angefangen.<br />

Das Wissen hatte ich mir selbst beigebracht – durch<br />

Probieren, durch Lesen von Artikeln in Fotozeitschriften<br />

und Fotofachbüchern, durch Analyse interessanter<br />

Presse- und Zeitschriftenbilder.<br />

Warum sind Sie Fotograf geworden?<br />

Die Verbindung aus Geografie und Fotografie hat<br />

mich interessiert.<br />

In Ihrer Kurzbiografie im Bildband »Kulturerbe<br />

Alpwirtschaft in Bad Hindelang im Naturschutzgebiet<br />

Allgäuer Hochalpen« steht, dass Sie »die halbe<br />

Welt« als Fotograf bereist haben. Wie kam es dazu?<br />

Fotografie für Lokalzeitungen war für mich eine Sackgasse,<br />

weil ich weltweit unterwegs sein wollte. Über<br />

Abenteuerreise-Vorträge lernte ich die Referenten der<br />

Vorträge kennen und arbeitete dann auf deren Fahrten<br />

durch die Sahara und Afrika für ihre Vortrags- und<br />

Buchprojekte. Als Nordafrika zu unsicher wurde, habe<br />

ich mir die Südsee als Fotojournalismus-Thema ausgesucht.<br />

Zeitungsthemen und Abenteuerreise-Vortragsfotografie<br />

führten mich später auch nach Mittelamerika<br />

und in die USA. Parallel begann ich, für die<br />

Branche der Firmenzeitschriften zu arbeiten.<br />

34<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Ihre Fotoreisen führten Sie in sozial sehr unterschiedliche<br />

Regionen. Was nahmen Sie aus diesen<br />

Erlebnissen im Besonderen mit?<br />

In Afrika sieht man erschreckende Armut und Krankheit<br />

offen auf der Straße. In Nicaragua haben sich die<br />

Leute vorgedrängt, um fotografiert zu werden. Es<br />

machte sie stolz, Motiv zu sein. In die Südsee hatten<br />

mich Kulturfestivals gezogen. Die Südseekultur ist<br />

durchaus mit der Allgäuer Kultur vergleichbar, was die<br />

identitätsstiftende Wirkung für die Gemeinschaft angeht.<br />

Gerade das Allgäu erscheint als heile Welt mit<br />

Puppenstuben-Charakter, wenn man Elend und Armut<br />

in anderen Weltgegenden gesehen hat.<br />

Vermissen Sie heute die Fernreisen?<br />

Im Laufe der Jahre habe ich zu viel Zeit in Flugzeugen<br />

verbracht, auch nerven mich heute die Schikanen an<br />

den Flughäfen und die Reisestrapazen. Durch meine<br />

aktuellen Fotoprojekte zwischen Augsburg und Bad<br />

Hindelang habe ich entdeckt, dass auch unsere Region<br />

touristisch wie fotografisch interessant sein kann.<br />

Was hat Sie nach Bad Hindelang geführt?<br />

können. Dadurch kann die Imagebroschüre jedes<br />

Jahr neu gestaltet werden, auch ergeben sich nun zahlreiche<br />

werbewirksame Veröffentlichungen über den<br />

Ort in namhaften Medien wie im Bergsteiger-Magazin,<br />

im Alpin-Magazin, in Spiegel Online, beim Bayerischen<br />

Rundfunk. Von Bad Hindelang bin ich in geografischer,<br />

kultureller und touristischer Hinsicht überzeugt,<br />

sonst wäre ich nicht seit zehn Jahren für den Ort<br />

tätig. Ich finde dort viele fotografisch interessante Themen,<br />

die ich mir oft selbst suche. Letztlich sind fast<br />

alle Themen für Tourismuswerbung verwendbar.<br />

Zentral wichtig ist für mich die positive Unterstützung<br />

meiner Tätigkeit durch Tourismusdirektor Max Hillmeier<br />

und Bürgermeister Adalbert Martin. Für die Tätigkeit<br />

in Bad Hindelang kommt mir mein Werdegang<br />

als Lokalzeitungsfotograf, Reisefotograf und Mitarbeiter<br />

von Firmenzeitschriften entgegen, weil genau diese<br />

Kombination vor Ort gebraucht wird.<br />

<br />

Die Kranzkuh beim <strong>Viehscheid</strong><br />

der Plättele-Alpe<br />

hat ihren eigenen Kopf<br />

Hirten der Willersalpe im<br />

Gespräch nach dem Alpabtrieb<br />

Für einen Augsburger Verlag hatte ich ursprünglich<br />

Bilder für die Tourismuswerbung von Bad Hindelang<br />

geliefert. Bad Hindelang Tourismus hat mich daraufhin<br />

direkt engagiert. Viele Tourismusorte sparen an<br />

der Fotografie, verwenden oft veraltete und langweilige<br />

Bilder für die Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Bad Hindelang sieht einen Wettbewerbsvorteil darin,<br />

aktuelles und ständig neues Bildmaterial präsentieren<br />

zu<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

35


Hirten der Älpen- und Eckalpe schieben die<br />

Tiere ihrer Herde beim <strong>Viehscheid</strong> in Bad<br />

Hindelang durch die Sieche, um das Vieh<br />

Stück für Stück den Besitzern zurückzugeben<br />

Welche Bücher gibt es von Ihnen?<br />

Aktuelle Bildbände unter meinem Namen gibt es zu<br />

Augsburg, Regensburg und Bad Hindelang. Bilder für<br />

Reiseführer über Augsburg, Donauwörth, Aschaffenburg,<br />

Regensburg und Bayerisch-Schwaben habe ich<br />

ebenso geliefert.<br />

Sind Sie als Fotograf gerne in den Bergen?<br />

Städte sind für mich wie Ameisenhaufen – ein unübersichtliches<br />

Durcheinander. Um Städte mache ich<br />

mittlerweile persönlich und fotografisch einen großen<br />

Bogen. Die Ruhe und Übersichtlichkeit in den Bergen<br />

ist mir da viel lieber. Ich schätze aber auch Inseln als<br />

Fotothemen.<br />

Der Hindelanger Klettersteig<br />

in Nähe des Nebelhorns<br />

Jungbauer Meinrad Huber hilft im<br />

elterlichen Kuhstall in Unterjoch<br />

Fotos: Wolfgang B. Kleiner<br />

Für Ihre Fototätigkeit für Bad Hindelang müssen<br />

Sie nicht nur körperlich fit sein und bergsteigen<br />

können – Sie müssen sich darüber hinaus mit »den<br />

Allgäuern« verstehen. Wie schaffen Sie das?<br />

Erst die Bildbände haben mich in Bad Hindelang allgemein<br />

bekannt gemacht. Das ebnet nun manche<br />

Wege, zumal immer mehr Einheimische verstehen,<br />

dass meine Fotografie zu ihrem wirtschaftlichen und<br />

ideellen Vorteil ist. Doch mit dem einen oder anderen<br />

Bergler gerate ich auch heute noch aus heiterem Himmel<br />

aneinander. Meist sind es »kulturelle Unterschiede«,<br />

die zu Konflikten führen. Ernsthaft klettern muss<br />

ich nie, es ist eher Bergwandern. Die Alphirten sind<br />

topfit und springen auf den steilen Weiden wie die<br />

Gämsen herum, ohne zu ermüden. Wie man das über<br />

Jahrzehnte aushalten kann, ist mir unbegreiflich. Da<br />

kann ich körperlich überhaupt nicht mithalten.<br />

36<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Wie viel Geduld müssen Sie für ein perfektes Foto<br />

aufbringen?<br />

Meine Herangehensweise ist anders: Ich bin möglichst<br />

oft vor Ort, mache ähnliche Situationen öfter mit und<br />

hoffe auf den spontanen Zufall. Das »perfekte Bild«<br />

strebe ich aber nicht an, denn die Bilder sollen noch<br />

realistisch und glaubwürdig sein.<br />

Auch gibt es bei mir keine Fotomontagen oder Computerbasteleien<br />

an den Bildern. Geduld erfordert eher<br />

die reine Tourismusfotografie, weil das Wetter, im<br />

Winter zusätzlich die Schneesituation, einheimische<br />

Models und der geeignete Fotohintergrund nicht immer<br />

gleichzeitig zur Verfügung stehen.<br />

Welche Rolle spielt das Wetter für Ihre Fotografie?<br />

Für Tourismusfotografie wird möglichst gutes Wetter<br />

verwendet. Ich sehe mich aber parallel als Fotojournalist,<br />

der das echte, ungeschönte Leben der Menschen<br />

in den Bergen und im Tal zeigen will. Da kann<br />

schlechtes Wetter sehr viel ausdrucksstärker als Sonnenschein<br />

sein. Meine besten <strong>Viehscheid</strong>-Bilder habe<br />

ich bei einem Wolkenbruch gemacht. Bei festgelegten<br />

Terminen wie Alp-Abtrieb oder <strong>Viehscheid</strong> muss ich<br />

das Wetter hinnehmen, wie es ist. Aber ich ziehe meinen<br />

Hut vor der Leistung der Alphirten, die bei jedem<br />

Sauwetter auf ihre Herden aufpassen müssen.<br />

Tourismusbilder sind oft arrangiert. Wie viel Freiheit<br />

bleibt Ihnen dabei?<br />

Die meisten Personenbilder in Lokalzeitungen sind arrangiert.<br />

Da ich aus der Pressefoto-Szene komme, bin<br />

ich mit dem Nachstellen von Situationen vertraut. Die<br />

nachgestellten Tourismussituationen wie Wandern,<br />

Radfahren, Bergsteigen, Relaxen sollen Musterbeispiele<br />

für Urlaubssituationen sein.<br />

Mit Bad Hindelang Tourismus bespreche ich Themen<br />

grob, habe aber in der Umsetzung große Freiheiten. Die<br />

Organisation der Fotoaktionen erledige ich meistens<br />

selbst, weil dann alle Fäden bei mir zusammenlaufen.<br />

»Kulturerbe Alpwirtschaft« begleitet Bad Hindelangs<br />

Antrag auf Aufnahme ins UNESCO-Verzeichnis für<br />

das immaterielle Kulturerbe. Wann hatten Sie die<br />

rund 160 Aufnahmen hierfür »im Kasten«?<br />

Im Sommer 2013 und 2014 war ich drei Monate meist<br />

zu Fuß unterwegs, um die etwa 15 aktiven Alpen im<br />

Hintersteiner Tal und Retterschwangertal der Reihe<br />

nach zu besuchen und zu dokumentieren. In den Bildband<br />

sind auch Bilder der letzten zehn Jahre eingeflossen,<br />

die zum Thema passen. Das selbstgestellte Fotoprojekt<br />

»Bad Hindelanger Alpwirtschaft« ist noch nicht<br />

abgeschlossen und könnte ein Dauerprojekt werden.<br />

Das Gespräch führte Thomas Niehörster<br />

Alpwirtschaft als<br />

»Immaterielles Kulturerbe«<br />

Mit dem Übereinkommen zur Sicherung des immateriellen<br />

Kulturerbes will die UNESCO weltweit vorhandenes<br />

traditionelles Wissen, Können und<br />

Brauchtum erhalten. Damit können erstmals über<br />

viele Generationen gepflegte deutsche Kulturgüter,<br />

Traditionen und Bräuche in eine Sammlung, die die<br />

kulturellen Schätze eines Landes bewahren will, aufgenommen<br />

werden.<br />

Mit dem Ökomodell »Kultur und Natur« und 19 Alpen<br />

auf seinem Gemeindegebiet bewarb sich Bad<br />

Hindelang 2014 darum, in das Verzeichnis »Immaterielles<br />

Kulturerbe« der Deutschen UNESCO-Kommission<br />

aufgenommen zu werden. Nur zwei Projekte<br />

pro Bundesland werden pro Jahr bei der Aufnahme<br />

berücksichtigt. Im vergangenen Jahr wurde die Bewerbung<br />

Bad Hindelangs zugunsten der Oberammergauer<br />

Passionsspiele und der »Limmersdorfer<br />

Lindenkirchweih« zurückgestellt. Doch hat die Hindelanger<br />

Bewerbung beste Chancen, beim nächsten<br />

Auswahlgang berücksichtigt zu werden, da die »Tradition<br />

der hochalpinen Alpwirtschaft im Allgäu«<br />

vom bayerischen Bildungsminister Dr. Ludwig<br />

Spaenle bereits in das Bayerische Landesverzeichnis<br />

des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.<br />

Außerdem hat das Bad Hindelanger Projekt in<br />

Staatsminister Dr. Marcel Huber und Staatsminister<br />

a.D. Josef Miller zwei starke bayerische Fürsprecher.<br />

Der reich illustrierte Bildband »Kulturerbe Alpwirtschaft«<br />

mit Fotos von Wolfgang B. Kleiner zeigt die<br />

ganze Vielfalt dieser über Generationen gepflegten<br />

und im Allgäu fest etablierten Tradition, die einen<br />

wichtigen Beitrag zum Leben der Menschen leistet<br />

und die Region prägt.<br />

Neun Autoren, vom Staatsminister bis zum Studenten<br />

der Kulturgeografie, vom Biolandwirt bis zum<br />

Filmproduzenten, werfen in ihren Beiträgen ein<br />

Licht auf die Facetten der Alpwirtschaft aus unterschiedlichen,<br />

oft überraschenden Perspektiven. Das<br />

Buch beschreibt eindrucksvoll die bayernweit einzigartige<br />

Hindelanger Alpwirtschaft.<br />

Die herausragenden Fotos von Wolfgang B. Kleiner<br />

zeigen neben der faszinierenden Berglandschaft im<br />

Naturschutzgebiet »Allgäuer Hochalpen« Porträts<br />

von Älplern, Bergblumen, vom Vieh und vom<br />

Brauchtum.<br />

Thomas Niehörster<br />

Kulturerbe Alpwirtschaft in Bad<br />

Hindelang im Naturschutzgebiet<br />

Allgäuer Hochalpen, von Wolfgang<br />

B. Kleiner (Fotos) und mit Beiträgen<br />

von Werner Bätzing, Wolfgang Birk,<br />

Leo Hiemer, Marcel Huber, Martin<br />

Kluger, Adalbert Martin, Josef Miller,<br />

Alfred Ringler, Matthias Schmid,<br />

120 Seiten, 143 Farbfotos, Preis:<br />

19,80 Euro, ISBN 978-3-939645-80-1,<br />

Context Verlag, Augsburg 2014<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

37


Handwerk<br />

Der Tierarzt Anton Stöckler sammelte während seiner Besuche auf den Almen<br />

allerhand Käsereiwerkzeuge. Heute ermöglichen sie eine handwerkliche Zeitreise<br />

Das goldene Handwerk<br />

im Alpsennereimuseum Hittisau<br />

Hittisau ist mit rund 120 Alpen beziehungsweise Almen die alpenreichste<br />

Gemeinde im benachbarten Österreich. Sie birgt außerdem eine historisch<br />

wertvolle »Schatzkiste«: eine voll funktionsfähig eingerichtete Alpsennereiküche,<br />

die Arbeitsweise und Gerätschaften der Käseherstellung und Milchverarbeitung<br />

aus den letzten 300 Jahren im Bregenzerwald zeigt<br />

Mit der Milchzentrifuge<br />

schlug man Sahne, Butter<br />

und Magermilch<br />

Dem früheren Tierarzt Anton Stöckler aus Hittisau,<br />

der 92-jährig im Jahr 2011 verstarb, ist<br />

es zu verdanken, dass im Ort eine original<br />

Alpsennerei zu besichtigen ist. Von seinen Besuchen<br />

bei krankem Vieh auf den Alpen – früher per Pferd,<br />

später mit dem Motorrad – brachte der rührige Heimatkundler<br />

Gerätschaften mit, die er erst in der Gemeindebücherei,<br />

später im Untergeschoss des Rittervon-Bergmann-Saales<br />

unterbrachte, um sie als Alpsennerei<br />

mit angeschlossener Stube wieder aufzubauen.<br />

In dem Raum, original mit Holz vertäfelt, wie auf<br />

Alpen üblich, sieht der Besucher alles, was früher zum<br />

Sennen verwendet wurde. Neben einzelnen Gerätschaften<br />

wie einer Milchtrage oder einer handbetriebenen<br />

Zentrifuge fällt besonders die einfache, aber wirkungsvolle<br />

Käsepresse ins Auge, die aus einem runden Holzrahmen<br />

und einem Druckstempel besteht. Der fertig<br />

»gedeckte« Tisch in der Stube, deren Einrichtung ebenfalls<br />

aus einer Alpe stammt, lädt zu »Käsknöpfle« ein.<br />

Die liebevollen Details – wie etwa die Löffel in den Tellern<br />

oder die rotweiß-karierten Kissen auf der Eckbank<br />

– erwecken einen lebendigen Eindruck. Man kann sich<br />

vorstellen, dass hier in zwei Minuten die Pfister und der<br />

Senn zum Essen hereinstürmen.<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Eine Holztafel stellt den Zusammenschluss der örtlichen<br />

Sennereien zur Sennerei Hittisau von 1977 anschaulich dar<br />

Ein Tierarzt wird Schatzhüter<br />

Mit der Einrichtung des Museums wollte Stöckler die<br />

Erinnerung, wie auf Alpen ohne technische Hilfsmittel<br />

gesennt wurde, bewahren. Denn nur auf ein paar wenigen<br />

der vielen Alpen rund um Hittisau wird heute<br />

noch gesennt. In den 1980er und 1990er-Jahren wurden<br />

viele Alpen durch Wege und Seilbahnen erschlossen,<br />

sodass die Milch abtransportiert und anderswo<br />

verarbeitet werden konnte. Personalmangel und strengere<br />

Hygienebestimmungen durch die EU führten<br />

ebenfalls dazu, dass die Alpsennereien geschlossen<br />

wurden. Der Tierarzt erkannte diese Entwicklung früh<br />

und begann, die ersten Ausstellungsstücke für das<br />

Alpsennereimuseum zu sammeln.<br />

Träger des Hauses und des Museums ist die Gemeinde<br />

Hittisau. Die Ausstellung ist mittwochs ab 10 Uhr geöffnet,<br />

wobei auch ein Film gezeigt wird.<br />

Die Sennerei Hittisau heute<br />

Die Sennerei Hittisau wurde 1977 als Genossenschaft<br />

gegründet, in die die ehemaligen Betriebe der Orte<br />

Rain, Reute, Ach, Schönbühl, Windern und Platz integriert<br />

wurden. Sie verarbeitet zwischenzeitlich rund<br />

5,6 Millionen Kilogramm Milch pro Jahr (davon etwa<br />

1,6 Millionen Kilogramm Alpmilch), die von 51 Talbetrieben<br />

und 49 Alpen übernommen wird. Daraus<br />

produzierte die Sennerei Hittisau 2014 rund 26.000<br />

Kilogramm Butter, ca. 22.600 Kilogramm Emmentaler<br />

und etwa 545.000 Kilogramm Bergkäse. Die Produkte<br />

werden neben dem Geschäft im Ortszentrum von Hittisau<br />

sowohl in Österreich als auch im Allgäu verkauft.<br />

Sämtliche verarbeitete Milch ist silo- wie gentechnikfrei<br />

und unterliegt strengen Kontrollen, die bei Verstößen<br />

finanzielle Kürzungen bei den Lieferanten nach sich ziehen.<br />

Die Alpen verteilen sich auf Hittisau (41 Betriebe),<br />

Balderschwang (7) und Oberstaufen (1). Hittisau hat<br />

die größte Alpdichte in ganz Österreich. Der Bergkäse<br />

und der Emmentaler aus der sogenannten »Heumilch«<br />

wurden vielfach mit Gold- und Silbermedaillen prämiert,<br />

unter anderem auf der »Käseolympiade« in<br />

Oberstdorf. • Thomas Niehörster<br />

Das Alpsennereimuseum<br />

Hittisau<br />

Platz 187, A-6952 Hittisau<br />

Führungen<br />

Jeden Mittwoch um 10 Uhr<br />

(mit Anmeldung), auf Anfrage<br />

können jederzeit andere<br />

Termine ausgemacht werden.<br />

Die Führungen dauern etwa<br />

eine Stunde.<br />

Eintrittspreis: 4 Euro pro<br />

Person inkl. Käseverkostung<br />

Information und Anmeldung<br />

Hittisau Tourismus<br />

Tel. +43 (0)5513 6209-50<br />

E-Mail: tourismus@hittisau.at<br />

Unten von links nach rechts:<br />

Herrgottswinkel in der<br />

Alpsennerei, in der auch die<br />

gemeinsamen Mahlzeiten<br />

eingenommen wurden.<br />

Die Sennerei Hittisau heute.<br />

Siebe und Kraxe für den<br />

Milchtransport<br />

Anzeige<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

39


Historie<br />

Als Volkshelden verehrt,<br />

als Verbrecher hart bestraft<br />

Sie führten nicht nur im Allgäu vergangener<br />

Jahrhunderte ein Leben auf der Flucht vor<br />

der Obrigkeit und wurden zum Teil von der<br />

Bevöl kerung zu Freiheitshelden stilisiert. Mit<br />

ihrer illegalen Jagd begaben sich Wilderer, die<br />

oft aus Notlagen heraus zu ihren Taten getrieben<br />

wurden, in große Gefahr für Leib und Leben<br />

Fotos: Archiv Heimatmuseum Oberstdorf, Thomas Niehörster<br />

Ganz o.: »Wilderer bei Mond -<br />

schein« (1833) von Carl<br />

Altmann (1800-1861). Oben:<br />

Mit »Abschrau bern«, zerleg -<br />

baren Ge wehren, gin gen<br />

All gäuer Wilderer ans Werk<br />

Eine Volkssage aus Österreich charakterisiert die<br />

im Verborgenen operierenden Jagdgesellen<br />

folgendermaßen: »Der Wilderer habe eine<br />

Fliege, wissend wer es sei, verschluckt, ohne sie zu zerbeißen;<br />

von da an sei er mit dem Teufel im Bunde gestanden.«<br />

Verbunden ist damit die Beobachtung, dass<br />

Wilderer, auch Schwarzgeher genannt, heimlich taten<br />

und selten von einem Jäger gestellt wurden.<br />

Für die Bauern waren Wald und Wild frei. Eine Auffassung,<br />

die aus frühesten Zeiten bäuerlicher Ansiedlungen<br />

stammt. Nicht nur, dass Bauern sich auch<br />

durch Wild ernährten, sie mussten ihre Äcker gegen<br />

das Wild verteidigen, um nicht zu hungern. In Volksliedern<br />

wird der Wilderer als kräftiger, großer Mensch<br />

verklärt, der nicht nur die eigene Familie, sondern auch<br />

arme Menschen in seinem Dorf mit Wildbret versorgt.<br />

Kerker und Galeerenhaft für Wilderer<br />

Die Wilderei wird erst seit dem 15. Jahrhundert verfolgt,<br />

als die bayerischen Herzöge das Jagdrecht zum<br />

Regal, dem alleinigen Anspruch auf die Jagd, erhoben.<br />

Sie galt ab dem Mittelalter als edelster Zeitvertreib des<br />

Adels und kirchlicher Würdenträger. Mit Einführung<br />

des Jagdregals war es nun der nicht adeligen Bevölkerung<br />

verboten, zu jagen. Über diesen Affront hinaus<br />

waren die Bauern gezwungen, mit ihren Hunden den<br />

Herrschaften als Treiber zu dienen. Für die vielen Jagden<br />

wurde ein hoher Wildbestand vorgehalten. Er suchte<br />

seine Nahrung auf den Feldern und verursachte Hunger.<br />

Durch die Herrschaft legitimierte Jagdaufseher<br />

übernahmen Schutz und Pflege des Jagdreviers. Alle il-<br />

40<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


legalen Jäger wurden fortan als »Wilderer« bezeichnet.<br />

Obwohl die Wilderei mit Kerker- oder Galeerenhaft,<br />

Blendung und sogar Hinrichtungen hart bestraft wurde,<br />

gingen viele der heimlichen Jagd nach. »Der im<br />

Gefängnis der Burg Wolkenstein gefangengehaltene<br />

Wilderer Hans Mörk von Unterthingau sollte 1582 als<br />

Galeerensklave nach Italien verkauft werden, es sei<br />

denn, dass seine Verwandtschaft die Unterhaltskosten<br />

für lebenslängliches Gefängnis aufbringt. Im Januar<br />

1727 transportiert der stiftkemptische Eisenmeister<br />

Hans Georg Klingensteiner 4 zur Galeerenstrafe verurteilte<br />

Wilderer unter militärischer Bedeckung von<br />

acht stiftkemptischen Soldaten über Reutte und Innsbruck<br />

nach Venedig.« (Quelle: Alfred Weitnauer, Allgäuer<br />

Chronik)<br />

Es war nicht nur die Nahrungsknappheit, die Menschen<br />

zur Wilderei trieb, sondern die Begrenzung von Schäden<br />

auf den Feldern, die durch das Haarwild und Wildschweine<br />

verursacht wurden. Manche Wilderer wie der<br />

»Bayerische Hiasl« Matthias (eigentlich Matthäus)<br />

Klostermayr und Georg Jennerwein wurden deshalb zu<br />

Volkshelden stilisiert und in Volksliedern besungen.<br />

Der Bergsteiger und Buchautor Willi Wechs schrieb in<br />

seinem Text »Rivalen über Kimme und Korn« dazu:<br />

»Männer, die es nicht einsehen wollten und konnten,<br />

daß das Jagen nur eine Sache der Herrn sein sollte. Die<br />

Jagdleidenschaft saß ihnen genauso im Blut wie den<br />

Herren und Jägern«.<br />

Bei aller Wildererromantik darf nicht vergessen werden,<br />

dass viele Wilderer nichts auf ein Menschenleben gaben<br />

und etliche Jagdaufseher bei der Ausübung ihrer Pflicht<br />

von Wilderern erschossen wurden. Die Bevölkerung<br />

hat jedoch die Jagdhoheit des Adels oder der Landesherren<br />

nie wirklich akzeptiert. So war eine der Forderungen<br />

der Bürgerrevolution von 1848/49 die der Jagdfreiheit.<br />

Das Jagdrecht erhielt der Grundeigentümer.<br />

Oben: Wil derer-Szene<br />

im Heimat museum<br />

Hindelang. Links: Anton<br />

Desinger, genannt<br />

»Bums«, aus dem<br />

Birgsautal, stellte dem<br />

Wild ebenfalls illegal<br />

nach. Sein Foto und<br />

weitere Zeugnisse der<br />

Wilderei im obersten<br />

Allgäu können im Hei -<br />

matmuseum Oberstdorf<br />

besichtigt werden<br />

<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

41


Idealbild in Literatur und Film<br />

»Der königliche Oberjäger und sogenannte Adlerkönig<br />

Leo Dorn war nicht nur ein fanatischer Adlerjäger,<br />

ein verwegener und furchtloser Alpinist, sondern auch<br />

ein grobschlächtiger, gefürchteter Wildererbekämpfer,<br />

der nachweislich 41 Wilderer bei ihrem Unwesen stellte<br />

und manche sogar bis ins Tirol hinein verfolgte, wobei<br />

es des Öfteren zu gefährlichen Schusswechseln<br />

(leider auch mit tödlichem Ausgang!) kam.« (Quelle:<br />

www.kienles.de/blog)<br />

Da das Jagen und damit auch das Wildern in den Alpen<br />

nicht nur besonders gute Orts- und Witterungskenntnisse<br />

verlangte, sondern auch ein gerütteltes<br />

Maß an Kühnheit, entstand im 19. Jahrhundert, als das<br />

Bergsteigen noch völlig fremd war, eine ganz eigene<br />

Verklärung der »Gebirgsschützen«. Besonders in den<br />

Romanen des Kaufbeurer Schriftstellers Ludwig<br />

Ganghofer, Sohn eines Försters, fand sie ihren Niederschlag.<br />

Noch in den Heimatfilmen der 1950er-Jahre<br />

wurde der Wildschütze als Held dargestellt und verehrt.<br />

Heute findet man sie auf Bierkrügen, Votivtafeln,<br />

auf Ölschinken und sogar als »Playmobil«-Bausatz<br />

verewigt.<br />

Aus dem Allgäu und dem benachbarten Tirol wird<br />

von »manch harten Duellen« zwischen Wilderern und<br />

Jägern erzählt. So berichtet Konrad Berktold aus Bad<br />

Oberdorf vom Jäger Michl Besler, der in bischöflich-<br />

Hinrichtung des »Bayerischen Hiasl« Matthias Klostermayr in<br />

Dillingen im Jahr 1771. Kupferstich von J.G. Will, Augsburg<br />

augsburgischen Diensten stand und einen Wilderer in<br />

Notwehr erschoss, dass die Kameraden des Wilderers<br />

»den Jäger vollständig entkleideten, an einer Tanne<br />

mit dem Kopf nach unten aufhängten, und zwar<br />

so, dass der Kopf in einem Ameisenhaufen steckte.<br />

Den Mund hatten sie ihm mit einem Stück Holz<br />

aufgesperrt«.<br />

Im Grenzraum zwischen Bayern und Österreich waren<br />

die Wilderer gleichzeitig Schmuggler, die es neben<br />

den Forstbeamten nun auch mit der Grenzpolizei zu<br />

tun bekamen. Dabei bewegten sie sich auf Wildererpfaden,<br />

die den Wildwechseln durchs Unterholz und<br />

über Berggrate folgten. Im Heimatmuseum Hindelang<br />

in der »Oberen Mühle« nimmt eine nachgestellte Szene,<br />

bei der ein Förster einen Wilderer in flagranti ertappt,<br />

das Thema »Wilderei« auf.<br />

Leo Dorn aus Oberstdorf,<br />

Leibjäger des Prinzregenten<br />

Luitpold von Bayern, verwal -<br />

tete nicht nur dessen Jagd -<br />

revier, sondern tat sich auch<br />

besonders als gnadenloser<br />

Wildererbekämpfer hervor<br />

Illustrationen: Christian Wilhelm Allers, Carl Altmann, J.G. Will<br />

Schattenseiten bis in die Gegenwart<br />

Wilderer, die mit der Büchse die »Schwarzgeherei«<br />

ausüben, sind nur die Spitze des Wildfrevels. Bis heute<br />

wurde und wird das Wild überwiegend nicht waidgerecht<br />

erlegt. Und angeschossenem Wild wird nicht<br />

nachgegangen, sodass es elendig verreckt. Die Wilderer<br />

benützen ein kleineres Kaliber als die Jäger, das<br />

nicht so viel Schusslärm erzeugt. Weitaus mehr Wild<br />

jedoch wird von Schlingenstellern erbeutet. Sie scheren<br />

sich nicht um das Leid der Tiere, die oft tagelang<br />

in der Schlinge leiden müssen.<br />

Hatten die Wilderer früherer Tage noch aus Not gehandelt,<br />

ist die Wilderei aus heutiger Sicht eine unverzeihliche<br />

Straftat. Mag man noch nachsehen, wenn es<br />

Wilderern des 21. Jahrhunderts »nur« um die Trophäen<br />

geht, so schockieren Pressemeldungen wie in der<br />

»Augsburger Allgemeinen«, dass im Juni 2011 zwei<br />

Bergsteiger im Bereich der Oberen Niggenalpe im<br />

Hintersteiner Tal Drahtschlingen gefunden haben, die<br />

an den Eingängen von Murmeltier-Bauen ausgelegt<br />

und mit einem Holzpfahl befestigt waren. Um zehn<br />

Prozent habe die Wilderei in den letzten drei Jahren<br />

zugelegt, berichtete das Bayerische Fernsehen in der<br />

»Abendschau« vom 24. September 2014. Wilderei war<br />

auch Thema bei einem Jägerstammtisch 2013 in Fischen:<br />

Es wurde sogar ein ehemaliger Schwarzjäger<br />

eingeladen. Er bekannte, dass es ihm nicht um das<br />

Fleisch, das er verschenke, sondern lediglich um die<br />

Trophäen gegangen sei, die er in seinem Hausgang<br />

aufgehängt habe. • Thomas Niehörster<br />

42<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


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Handwerk<br />

Fotos: Archiv EDITION ALLGÄU, Marius Lechler, Schuh-Keller/Marco Keller<br />

Pantoffelhelden<br />

– Handarbeit für warme Füße<br />

Holzschuhe sind seit Jahrzehnten Leidenschaft und Markenzeichen<br />

der Familie Keller in Kierwang bei Bolsterlang im Oberallgäu.<br />

Die Schuhmacher-Dynastie stellt schon in dritter Generation<br />

die fell be setzte Fußbekleidung her. Besonders gefragt ist sie vor<br />

allem auf den Märkten im Allgäu und zum Ende des<br />

<strong>Alpsommer</strong>s auf den <strong>Viehscheid</strong>en der Region<br />

Die Frage nach der Schuhgröße hat Marco<br />

Keller heute bestimmt schon unzählige Male<br />

gestellt. Bereits seit dem frühen Morgen sind<br />

er und sein Vater Alfred an ihrem fahrenden Marktstand<br />

auf dem <strong>Viehscheid</strong> in Maierhöfen.<br />

»Spätestens um sieben Uhr muss man auf dem Platz<br />

sein«, erklärt Marco Keller. Das Beladen des grünen<br />

Verkaufshängers erfolgte bereits am<br />

Vorabend, heute heißt es zwischen<br />

halb acht und acht Uhr aufbauen, hölzerne<br />

Pantoffeln, Clogs und Hausschuhe<br />

mit Fellkleid in Reih und Glied<br />

stellen und danach auf die Kunden<br />

warten. »Wer uns kennt, kommt schon früh«, sagt der<br />

37-jährige Marco. Auf dem großen Festtag zum Ende<br />

des <strong>Alpsommer</strong>s stehen die beiden von acht Uhr früh<br />

bis fünf oder sechs Uhr abends hinter ihrem Hänger<br />

mit der großen Auswahl an Fell-Fußwärmern. Der<br />

»Wir verkaufen<br />

zu 95 Prozent auf<br />

den <strong>Viehscheid</strong>en«<br />

Schuhmacher, der den Familienbetrieb leitet, weiß,<br />

dass sowohl Einheimische als auch Gäste im Allgäu<br />

weite Wege zum »Schuh-Keller« auf sich nehmen –<br />

schließlich gehören sie zu den letzten Holzschuhmachern<br />

in Deutschland.<br />

Auf zahlreichen Märkten und <strong>Viehscheid</strong>en im Allgäu<br />

machen dieselben Kunden einen Abstecher an ihren<br />

Schuhstand, die auch das Ladengeschäft<br />

der Kellers in Kierwang besuchen,<br />

doch zu den <strong>Viehscheid</strong>en<br />

wissen die Leute einfach, dass die<br />

Schuhmacher vor Ort sind. Die Einheimischen<br />

gehören auf jeden Fall zu<br />

den Abnehmern der Schuhe, doch es gibt auch Gäste,<br />

die dieses Schuhwerk bei ihren Vermietern sehen. Viel<br />

wird auch durch Werbung von »Mund zu Mund« erreicht.<br />

So sind die Kellers an den <strong>Viehscheid</strong>-Tagen<br />

selbst dann nicht mehr mit Stöberern und Unent-<br />

4444<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


schlossenen auf dem Scheidplatz konfrontiert: »Die<br />

Kunden schauen bei uns am Stand vorbei und wissen,<br />

was sie wollen.« Ein derartiges Angebot komme weit<br />

und breit schließlich nur aus ihrer Werkstatt. »Holzschuhe<br />

verkaufen wir zu 95 Prozent auf den <strong>Viehscheid</strong>en«,<br />

sagt Marco Keller. Doch zwischen Viehherden<br />

und Bierzelt kann die Auswahl auch manchmal nicht<br />

ganz so groß sein: »Man bekommt halt das, was da ist,<br />

und entweder passt der Schuh oder er passt nicht.«<br />

Wer nun denkt, ein Paar Fell-Holzschuhe, für das man<br />

zwischen 70 und 100 Euro anlegen muss, würde nur<br />

von Gästen als Andenken gekauft oder gehöre zur<br />

Ausstattung auf dem Bauernhof, wird<br />

vom Oberallgäuer Meister eines Besseren<br />

belehrt. »Der Fell-Holzschuh war<br />

schon immer ein bequemer Haus- und<br />

Hofschuh und vor allem ein warmes,<br />

tro ckenes Fußkleid.« Der Kundenstamm,<br />

der sich mit ihm eindeckt, reicht von Jung bis<br />

Alt, wobei Jüngere die Schuhe viel zu Lederhosen tragen,<br />

wohingegen die älteren Träger sie mehr als Hausschuhe<br />

nutzen. Bereits sein Vater Alfred Keller sei seit<br />

»Unsere Kunden<br />

wissen, was sie<br />

wollen«<br />

den 1950er-Jahren mit den unverwechselbaren Holz-<br />

Tretern auf den Allgäuer <strong>Viehscheid</strong>en unterwegs gewesen,<br />

weiß Marco Keller.<br />

In der Familienwerkstatt in Kierwang verraten Vater<br />

und Sohn, wie die haltbaren und vor allem bequemen<br />

Schuhe entstehen. Seniorchef Alfred Keller gibt an, er<br />

habe nach 1979 zuerst »gaudihalber« ausprobiert, die<br />

Holzschuhe herzustellen. Bereits damals habe man<br />

das Fell der braungescheckten Normandie-Rinder aus<br />

Frankreich benutzt – was bis heute beibehalten wurde.<br />

Ein befreundeter Schreiner liefert den Kellers die notwendigen<br />

Holzrohlinge. Sohn Marco führt aus, wie<br />

aus diesen Rohlingen computergesteuert<br />

das Fußbett herausgefräst wird. Die<br />

benötigten Fellstücke für ein Paar Schuhe<br />

und das Schnallenband zum Verstellen<br />

werden mit einer Schablone unter<br />

der Stanzmaschine aus der großen Haut<br />

gearbeitet. Nach den diversen Arbeitsschritten, bei denen<br />

Oberfell und Futter verklebt und vernäht werden,<br />

dem Leimen und Tackern sowie dem Anbringen der<br />

Sohle halten die Schuhe je nach Pflege zwischen w<br />

S. 44: Marco Keller vor den gut<br />

gefüllten Regalen des Ladenge -<br />

schäftes in Bolsterlang-Kierwang<br />

mit Fell-Holzschuhen in allen<br />

Größen. Oben links: Der Schuh -<br />

machermeister stanzt das<br />

Oberfell für ein neues Paar aus.<br />

Oben: Die beiden Burschen<br />

suchen sich beim <strong>Viehscheid</strong> in<br />

Maierhöfen gerade das passende<br />

Fußkleid aus<br />

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<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

45


Links: Alfred Keller vernietet<br />

Schuhschnallen. Oben:<br />

Damenclogs, filzgefütter ter<br />

Fellpantoffel oder klassischer<br />

Holzschuh – jedes Exemplar<br />

ist ein Unikat<br />

Oben: Das ausgefräste<br />

Fußbett wird abgeschliffen.<br />

Rechts: ein Fußbett mit<br />

bereits angebrachter<br />

Gummisohle<br />

Oben: Schuhparade in Kierwang.<br />

Rechts unten: Marco Keller am<br />

Marktstand beim <strong>Viehscheid</strong><br />

vier und fünf Jahren. Alles in allem investieren die Allgäuer<br />

Handwerksmeister rund zwei Stunden Arbeitszeit<br />

in ein Paar der Fell-Holzschuhe.<br />

»Unser Handwerk<br />

ist immer noch wie<br />

früher«<br />

Alfred Keller ist wichtig, dass die Familie,<br />

die sich dem Schuhmacherberuf<br />

verschrieben hat, in ihrer Werkstatt<br />

immer noch nach althergebrachter<br />

Tradition herstellt. »Unser Handwerk<br />

ist immer noch dasselbe wie früher«, sagt er. Zwar<br />

könne man natürlich heute nicht mehr alles von Hand<br />

selber machen – wäre dies der der Fall, würde ein Paar<br />

Schuhe sehr schnell unerschwinglich. Bei einigen Dingen<br />

sei man auf maschinelle Hilfe angewiesen. »Dennoch<br />

ist das, was wir herstellen, keine Industrieware«,<br />

unterstreicht der Schuhmachermeister. Alfred Keller,<br />

der im Januar 2014 die Verantwortung<br />

an seinen Sohn Marco übergeben hat,<br />

arbeitet immer noch mit in der Werkstatt<br />

und im Ladengeschäft und steht<br />

auch bei den <strong>Viehscheid</strong>en gemeinsam<br />

mit Sohn Marco am Marktstand. Der Grund ist einfach:<br />

»Mir wär’s ja langweilig, wenn ich nichts zu tun<br />

hätte«, sagt der 66-Jährige lakonisch. •<br />

Marius Lechler<br />

Der Holzschuh-Stand auf Allgäu-Tour<br />

- 6. September: Missner Kirbe, Missen-Wilhams<br />

- 11. September: <strong>Viehscheid</strong> Oberstaufen (Steibis)<br />

- 12. September: <strong>Viehscheid</strong> Maierhöfen<br />

- 18. September: <strong>Viehscheid</strong> Wertach<br />

- 10. Oktober: Gallusmarkt Oberstdorf<br />

- 23. bis 31. Oktober: Kathreinemarkt Kempten<br />

- 16. November: Martinimarkt Wangen<br />

- 29. November: Weihnachtsmarkt Simmerberg<br />

Ladengeschäft und Werkstatt: Schuh-Keller, Ortsstraße 21,<br />

87538 Bolsterlang/Kierwang, Tel. 08326/7550,<br />

Fax: 08326/7305, E-Mail: kontakt@keller-schuh.de,<br />

www.keller-schuh.de<br />

46 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


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Glaube<br />

Andächtig vereint in freier Natur<br />

Die Hirtenmesse mit Alp-Benediktion an der Hubertuskapelle<br />

zwischen Hinterstein und Giebelhaus findet in<br />

diesem Jahr am 12. Juli um 10.30 Uhr statt.<br />

Informationen zur Busverbindung ab Hinterstein unter<br />

www.badhindelang.de<br />

Mit himmlischem Segen<br />

hinauf zu den Alpen<br />

Ein alter Brauch vor Beginn des <strong>Alpsommer</strong>s, durch den die Hirten Gottes<br />

Segen vor ihrem Aufbruch auf die Alpen erbitten, ist die sogenannte<br />

Alp-Benediktion. Dieser Segen wird im Oberallgäu beispielsweise noch im<br />

Ostrachtal jedes Jahr am zweiten Sonntag im Juli bei der Hirtenmesse an der<br />

hölzernen Hubertuskapelle aus dem Jahr 1928 gespendet<br />

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48<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Rekonstruktion des Altarbildes in dem Gotteshaus nach<br />

einem Foto (Original von Adelheid von Chlingensperg)<br />

Fotos: Daniela Fink, Johann Schubert, Volker Wille<br />

Oben links: Pfarrer Karl-Bert<br />

Matthias (r.) bei der Messe mit<br />

einem Hirten. Oben: die Hubertus -<br />

kapelle bei Hinterstein. Links:<br />

musikalische Untermalung von<br />

den Ostrachtaler Büebe<br />

An der Mautstraße, die vom Bad Hindelanger<br />

Ortsteil Hinterstein zum Berggasthof Giebelhaus<br />

führt, steht im hinteren Ostrachtal im Gebiet<br />

der Erzbergalpe die kleine Hubertuskapelle. Sie<br />

wurde 1928 nach den Plänen des Allgäuer Kunstmalers<br />

Richard Mahn ganz aus Holz gebaut.<br />

Der damalige Bau erfolgte durch Spenden, die vom<br />

seinerzeitigen Oberforstverwalter Söldner, einem tief<br />

religiösen Mann, gesammelt wurden. Am 15. August<br />

1929 wurde die Kirche durch Pfarrer Martin Müller<br />

geweiht. Am selben Tag fanden auch Eröffnung und<br />

Einweihung des Giebelhauses statt.<br />

Altarbild nur noch in Kopie vorhanden<br />

Die hölzerne Hubertuskapelle steht unter dem Patronat<br />

des Heiligen Hubertus von Lüttich. Das steile Satteldach<br />

krönt ein pyramidenförmig überdachter<br />

Dachreiter. Der Vorbau besitzt Fenster aus verschieden<br />

geformten Gläsern, der eigentliche Innenraum hat<br />

ovale Fenster.<br />

Das Altarbild des Gotteshauses zeigt die Hubertuslegende.<br />

In seiner ursprünglichen Fassung stammte es<br />

von der Malerin Adelheid von Chlingensperg, die der<br />

Künstlergilde Salzkammergut angehörte und 1944 im<br />

Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde.<br />

1988 fiel das Altarbild, wie bereits einige Jahre zuvor<br />

zwei Heiligenfiguren der Künstlerin, Vandalen zum<br />

Opfer. Inzwischen befindet sich in der Hubertuskapelle<br />

eine Rekonstruktion nach einer Fotografie des Bildes.<br />

Schutz von oben für Hirt und Tier<br />

Der Alpauftrieb zu Beginn des <strong>Alpsommer</strong>s markiert<br />

im Allgäu einen wichtigen Einschnitt für die zahlreichen<br />

Hirten, die nun einen Sommer lang das Vieh der<br />

Bauern aus dem Tal in ihrer Obhut haben werden. Dabei<br />

vertrauen sie schon seit Langem nicht nur auf sich<br />

selbst: Die Alp-Benediktion gehört zu den altüberlieferten<br />

Traditionen, die ihnen, aber auch dem Vieh<br />

oben in den Bergen himmlischen Schutz vermitteln<br />

soll. So segnet zum Beispiel an der Hubertuskapelle<br />

der Bad Hindelanger Pfarrer Prodekan Karl-Bert<br />

Matthias jährlich am zweiten Sonntag im Juli im Rahmen<br />

einer Messe die Hirten, bevor sie mit ihren Tieren<br />

auf die Alpen ziehen. Mit diesem Segen wird der Alpwirtschaft<br />

mit allem, was dazugehört, von Gott her Heil<br />

und Segen zugesprochen. • Thomas Niehörster<br />

Oben: Prodekan Pfarrer Karl-Bert<br />

Matthias spendet einmal im Jahr<br />

im Juli speziell der Alpwirtschaft<br />

sowie den Hirten Gottes Segen<br />

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<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

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Panoramakarte<br />

27<br />

<strong>Viehscheid</strong>orte<br />

und Termine<br />

1 Reutte – Höfen 5. September<br />

2 Bad Hindelang 11. September<br />

3<br />

3 Balderschwang 11. September<br />

4 Oberstaufen 11. September<br />

5 Schöllang 11. September<br />

6 Maierhöfen 12. September<br />

15<br />

22<br />

16<br />

4<br />

7 Oberstdorf 12. September<br />

8 Pfronten 12. September<br />

9 Schwangau 12. September<br />

10 Jungholz in Tirol 12. September<br />

11 Seeg 12. September<br />

24<br />

12 Kranzegg 15. September<br />

13 Nesselwang 16. September<br />

14 Unterjoch 16. September<br />

6<br />

15 Gunzesried 17. September<br />

16 Thalkirchdorf 18. September<br />

29<br />

17 Wertach 18. September<br />

18 Buching 19. September<br />

19 Eisenberg – Zell 19. September<br />

20 Grän-Haldensee 19. September<br />

21 Haslach am Grüntensee 19. September<br />

22 Immenstadt 19. September<br />

23 Reutte – Lechaschau 19. September<br />

24 Missen-Wilhams 19. September<br />

25 Obermaiselstein 19. September<br />

26 Pfronten – Röfleuten 19. September<br />

27 Riezlern im Kleinwalsertal 19. September<br />

28 Schattwald im Tannheimer Tal 19. September<br />

29 Weitnau-Wengen 19. September<br />

30 Nesselwängle im Tannheimer Tal 20. September<br />

31 Tannheim im Tannheimer Tal 21. September<br />

32 Bolsterlang 21. September<br />

33 Haldenwang 26. September<br />

34 Waltenhofen – Memhölz 3. Oktober<br />

Änderungen möglich, alle Angaben ohne Gewähr<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Termine<br />

<strong>Viehscheid</strong>termine<br />

im Allgäu und Umgebung<br />

Kranzkühe, bimmelnde Zugschellen, kühles Bier und zünftig<br />

aufspielende Musikkapelle: Wenn das Jungvieh von den<br />

Alpen zurück ins Tal getrieben wird, ist das im Allgäu ein<br />

traditioneller Anlass zum Feiern. Ob beim kleinen, ursprünglichen<br />

Dorfviehscheid, beim größten Alpabtrieb<br />

im Allgäu mit über 1600 Tieren oder zum »Schafscheid«<br />

nach Tirol, wo gemäht statt gemuht wird... Jeder Ort<br />

handhabt »seinen« Scheid etwas anders. Hier finden<br />

Sie eine Übersicht der <strong>Viehscheid</strong>e und Alpabtriebe<br />

im Allgäu und in der unmittelbaren Umgebung<br />

5. September<br />

Reutte – Höfen<br />

13 Uhr, Schollenwiesenlift in Höfen, ca. 40 Tiere<br />

- Wird bei Schlechtwetter auf<br />

den 13. September verschoben<br />

- Auskunft beim Tourismusverband Reutte:<br />

Tel. +43 (0)5672/62336<br />

11. September<br />

Bad Hindelang<br />

8.30 Uhr, Auf der Aach (Nähe der Hornbahn),<br />

ca. 800 Tiere<br />

- Fünf Rinderherden von den Alpen Hasenegg,<br />

Stierbach, Kühbach, Erzberg und Platte<br />

- Frühwanderungs-Angebot: mit dem Vieh von der<br />

Erzbergalpe ins Tal wandern. Beginn 4.30 Uhr<br />

- Großer Krämermarkt<br />

- 19.30 Uhr Oberallgäu Musikanten<br />

Balderschwang<br />

10 Uhr, Ortsmitte am Feuerwehrhaus, ca. 200 Tiere<br />

- Kleiner und urtümlicher <strong>Viehscheid</strong> zur Rückkehr<br />

des Alpviehs<br />

- Vier Rinderherden von den Alpen Gelbhansekopf,<br />

Wilhelmine, Schwarzenberg, Oberbalderschwang<br />

Oberstaufen<br />

8.30 Uhr, Höfen (Abzweigung nach Steibis),<br />

ca. 1000 Tiere<br />

- Mehr als 160 Alpen bilden um Oberstaufen das<br />

größte zusammenhängende Alpgebiet Bayerns<br />

- Pendelbusse zwischen Bahnhof Oberstaufen und<br />

Scheidplatz<br />

- Ab 14 Uhr Schellenverlosung<br />

- Ab 20 Uhr Stimmung im Festzelt mit »Hindervier«<br />

Schöllang, Ortsteil Oberstdorf<br />

9 Uhr, südlicher Ortseingang von Schöllang,<br />

ca. 700 Tiere<br />

- Über 700 Tiere von Entschenalpe, Hintere Seealpe,<br />

Gutenalpe und Käseralpe<br />

- Festzeltunterhaltung mit Musikkapelle Schöllang<br />

und Rubihorn Musikanten<br />

- Pendelbusse von Fischen nach Schöllang<br />

12. September<br />

Maierhöfen<br />

11.30 Uhr, Festgelände Maierhöfen, ca. 200 Tiere<br />

- Mit 30 Kilometern von den Bergweiden nach<br />

Maierhöfen legt der Viehzug die weiteste Strecke<br />

im Allgäu zurück<br />

- <strong>Viehscheid</strong>tage vom 11. bis 13. September mit<br />

buntem Rahmenprogramm<br />

Oberstdorf<br />

9 Uhr, im Ried (Renksteg), ca. 1000 Tiere<br />

- Pferdekutschenfahrt vom Megèver Platz zum<br />

Renksteg<br />

- <strong>Viehscheid</strong> mit Vieh von den Alpen Bierenwang,<br />

Traufberg, Haldenwang, Rappenalpe, Biberalpe<br />

und der Taufersbergalpe<br />

- Pendelbus vom Busbahnhof Oberstdorf zum<br />

Scheidplatz ab 8 Uhr<br />

52 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Pfronten<br />

9 Uhr, beim Schulzentrum in Pfronten-Heitlern,<br />

ca. 400 Tiere<br />

- Jungvieh von 7 Alpen<br />

- Ab 8 Uhr Krämermarkt und Festzeltbetrieb<br />

- Großer Festumzug mit Heimat- und<br />

Brauchtumsabend am 11. September<br />

- Traditionelle »Pfrontar <strong>Viehscheid</strong>-Däg«<br />

vom 7. bis 19. September mit Ausflügen zu Alpen<br />

oder Brauerei, Jodel-Kursen, Kranzkronen selber<br />

binden, Dirndlschürzen nähen, Besuch beim<br />

Schellenschmied<br />

Jungholz in Tirol<br />

10 Uhr, Dorfplatz beim Feuerwehrhaus Jungholz,<br />

ca. 100 Tiere<br />

Schwangau<br />

12.30 Uhr, Kreuzung in Hohenschwangau,<br />

ca. 200 Tiere<br />

- Jungvieh von der Alpe Jägerhütte und der<br />

Altenberger Alm<br />

- Gemütlicher Ausklang im Schwanseepark<br />

Seeg<br />

13 Uhr, Festzeltplatz gegenüber der Feuerwehr,<br />

ca. 80 Tiere<br />

- Ab 11 Uhr Bewirtung durch<br />

den Schützenverein Seeg<br />

- 13 Uhr Eintreffen der Schumpen<br />

von der Alpe Beichelstein<br />

- Festzeltmusik am Vorabend ab 19 Uhr<br />

- Es spielt die Harmoniemusik Seeg<br />

15. September<br />

Kranzegg<br />

9 Uhr, Kranzegg, Ortsausgang Richtung Vorderburg,<br />

ca. 400 Tiere<br />

- Einziger <strong>Viehscheid</strong> im Oberallgäu mit sechs<br />

reinen Kuhherden und drei Jungviehherden<br />

- Krämermarkt ab 9 Uhr<br />

- Festliche Umrahmung durch die »Kranzegger<br />

Herbstfesttage«<br />

16. September<br />

Nesselwang<br />

10 Uhr, Parkplatz Alpspitzbahn, ca. 100 Tiere<br />

- Umrahmung durch Nesselwanger Herbstfest<br />

(Beginn 15. September)<br />

- Abends <strong>Viehscheid</strong>-Hoigarte mit den »Allgäuer<br />

Bergvagabunden« im Festzelt<br />

Unterjoch<br />

10.30 Uhr, Unterjoch Ortseingang/Busparkplatz,<br />

ca. 50 Tiere<br />

- <strong>Viehscheid</strong> der Buchelalpe<br />

- Kleiner, dörflicher Rahmen<br />

17. September<br />

Gunzesried<br />

8.30 Uhr, Ortseingang Gunzesried, ca. 1600 Tiere<br />

- Größter <strong>Viehscheid</strong> im Allgäu<br />

- 15 Viehherden von 19 Alpen<br />

- Begleitet von der Blaskapelle Bihlerdorf-<br />

Ofterschwang<br />

- Ab 11 Uhr Festzelt und Krämermarkt<br />

- Pendelbusse von 7.30 Uhr bis 16 Uhr<br />

18. September<br />

Thalkirchdorf<br />

9.15 Uhr, Talstation des Schwandliftes, ca. 700 Tiere<br />

- Ab 10 Uhr Unterhaltung mit der Musikkapelle<br />

Thalkirchdorf<br />

- Bustransfer ab 19 Uhr vom Festplatz zum<br />

Oberstaufener Bahnhof<br />

- Thaler <strong>Viehscheid</strong>-Zeltfest am 19. September,<br />

ab 19 Uhr<br />

Wertach<br />

9 Uhr, Industriestraße zwischen Getränkemarkt<br />

Fleischmann und Wertstoffhof, ca. 700 Tiere<br />

- Gilt als einer der ältesten und größten<br />

<strong>Viehscheid</strong>e im Allgäu<br />

- Rinder von den Alpen Sorg I und II, Untere<br />

Reuterwanne, Untere Bichleralp, Schnitzlertalalp,<br />

Vordere Köllealp<br />

- Umrahmung durch Wertacher Herbstfest mit<br />

Krämermarkt, Alphornblasen,<br />

Maibaumversteigerung<br />

- 14. bis 19. September: Ausstellung<br />

»Landwirtschaft/Wertacher Alpen«<br />

in der Tourist-Info Wertach<br />

19. September<br />

Buching<br />

9.30 Uhr, Festplatz neben dem Maibaum,<br />

ca. 30 Tiere<br />

- Traditioneller Viehmarkt auf<br />

dem Festplatz<br />

(kein <strong>Viehscheid</strong>!)<br />

- Krämermarkt und<br />

Festzeltbetrieb mit Blasmusik<br />

- Einzug des geschmückten Viehs<br />

um 9.30 Uhr<br />

- Buchinger Herbstfest vom 19. bis 21.<br />

September<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

53


Riezlern im Kleinwalsertal<br />

8 Uhr, Riezlern, unterster Parkplatz nach der<br />

Kanzelwandbahn rechts (Breitachbrücke),<br />

ca. 650 Tiere<br />

- Kleiner Bauernmarkt mit landwirtschaftlichen<br />

Artikeln<br />

- Rahmenprogramm mit Live-Musik<br />

Schattwald im Tannheimer Tal<br />

11 Uhr, Feuerwehrhalle, Dorfmitte,<br />

ca. 80 bis 100 Tiere<br />

Eisenberg – Zell<br />

10.15 Uhr, Ortsteil Zell,<br />

ca. 80 Tiere<br />

Grän-Haldensee im Tannheimer Tal<br />

11 Uhr, Dorfmitte, ca. 190 Tiere<br />

Haslach am Grüntensee<br />

11 Uhr, am Feuerwehrhaus Haslach,<br />

ca. 100 Tiere<br />

- Viehzug mitten durchs Festzelt<br />

Immenstadt<br />

9 Uhr, Viehmarktplatz Immenstadt, ca. 800 Tiere<br />

- Einziger städtischer <strong>Viehscheid</strong> im Allgäu<br />

- Festzelt mit Musik und Krämermarkt<br />

- Ab 15.30 Uhr Scheidschellenwürfeln<br />

Weitnau-Wengen<br />

12.30 Uhr, An der Dorfhalle in Wengen,<br />

ca. 130 Tiere<br />

- Bauernmarkt ab 10 Uhr<br />

- Ab 17 Uhr Tanz und Unterhaltung<br />

- Vieh von der Alpe Wenger Egg<br />

Reutte – Lechaschau<br />

9 Uhr, Lechtaler Straße, ca. 800 Schafe<br />

- Almabtrieb mit Schafen aus dem Schwarzwassertal<br />

- Scheid mit anschließendem Schafscheren<br />

- Einzug der geschmückten Kühe und Ziegen um<br />

14 Uhr<br />

Missen-Wilhams<br />

9.30 Uhr, Am Freibad 5e, Missen, ca. 400 Tiere<br />

Obermaiselstein<br />

9 Uhr, Festplatz, Dorfmitte, ca. 1400 Tiere<br />

- Einer der größten <strong>Viehscheid</strong>e<br />

im Allgäu<br />

- Eintreffen des Alpviehs<br />

von 12 Alpen zwischen<br />

9 Uhr und 13 Uhr<br />

- Pendelbus vom<br />

Busbahnhof<br />

Fischen zum<br />

<strong>Viehscheid</strong><br />

Obermaiselstein<br />

- 20 Uhr Scheidball mit Live-<br />

Musik und<br />

Schellenverlosung<br />

Pfronten – Röfleuten<br />

10 Uhr, Forsthaus an der<br />

Peter-Heel-Straße, Pfronten-<br />

Röfleuten, ca. 50 bis 80 Tiere<br />

20. September<br />

Nesselwängle<br />

11 Uhr, Feuerwehrhalle beim Gemeindehaus,<br />

ca. 100 Tiere<br />

21. September<br />

Tannheim im Tannheimer Tal<br />

11 Uhr, Parkplatz der Tannheimer Lifte,<br />

ca. 650 Tiere<br />

- Vieh von 6 Alpen<br />

- 20 Uhr Ehrung der Älpler mit Schellenübergabe<br />

Bolsterlang<br />

10 Uhr, südlicher Ortseingang, ca. 650 Tiere<br />

26. September<br />

Haldenwang<br />

10 Uhr, südlicher Ortseingang Haldenwang,<br />

ca. 110 Tiere von der Alpe Berg<br />

3. Oktober<br />

Waltenhofen – Memhölz<br />

10 Uhr, Hupprechts,<br />

ca. 40 Tiere von der Wachters Alpe<br />

Änderungen möglich, alle Angaben ohne Gewähr<br />

Fotos: Marius Lechler, Ramona Klein, Dominik Ultes, Tourismusbüro Weitnau; Zeichnungen: Ramona Klein<br />

54<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


<strong>Viehscheid</strong> Maierhöfen<br />

mit der längsten Alpabtriebsstrecke im Allgäu<br />

11.09. – 13.09.<strong>2015</strong><br />

Am Freitag, 11.09.15 ab 20.00 Uhr Auftakt zum <strong>Viehscheid</strong><br />

mit der bekannten Wasenband „Lederrebellen”<br />

Am Samstag, 12.09.15<br />

- um ca. 11.30 - 12.00 Uhr Eintreffen des Alpzuges<br />

(ca. 200 Tiere) auf dem Scheidplatz, musikalische Untermalung<br />

- ab 9.30 Uhr regionaler Markt rund um das Festgelände<br />

- ab 10.00 Uhr Festzeltbetrieb mit der Musikkapelle Maierhöfen<br />

- um 20.00 Uhr Allgäuer Heimatabend mit dem Trachtenverein,<br />

„Goißenschnalzern“ und den Alphornbläsern aus Maierhöfen,<br />

danach Tanz- und Stimmungsmusik mit den „Allgäu-Feagern“<br />

Am Sonntag, 13.09.15<br />

- ab 9.00 Uhr Zeltgottesdienst mit den „Vorderburger Jodlern“,<br />

anschließend Frühschoppen mit der Musikkapelle Maierhöfen<br />

- 12.30 Uhr: Kinderfest mit Wettspielen auf dem Festplatz<br />

- 14.00 Uhr: Unterhaltung und Stimmung mit „D’Holzschuah“<br />

Ferienclub Maierhöfen<br />

Erleben Sie „gelebtes Brauchtum“ im Allgäu und feiern Sie<br />

mit der einheimischen Bevölkerung und zahlreichen Gästen<br />

das alljährliche <strong>Viehscheid</strong>fest in Maierhöfen.<br />

<strong>Viehscheid</strong>tage im Allgäu <strong>2015</strong><br />

11.09. – 13.09.<strong>2015</strong><br />

Enthaltene Leistungen:<br />

2 x Übernachtung im Komfort-Bungalow<br />

2 x reichhaltiges Frühstück vom Büffet<br />

1 x Allgäuer <strong>Viehscheid</strong>-Büffet am Freitagabend mit<br />

regionalen Gerichten und einem „Heuschnaps“<br />

Freie Nutzung von Schwimmbad und Sauna<br />

Halbpension ist auf Anfrage zubuchbar<br />

Preis für das Kurz-Arrangement pro Person ab 60,00 €<br />

Ferienclub Maierhöfen<br />

Stockach 1 | 88167 Maierhöfen<br />

Tel. 08383/9 22 00 | Fax 08383/9 22 0307<br />

www.ferienclub-maierhoefen.de<br />

info@ferienclub-maierhoefen.de


Reportage<br />

Grünes Klassenzimmer<br />

Pauken mit Lupe, Molch und Blümchen<br />

Wir Menschen können gar nicht früh genug beginnen, uns für die Natur<br />

einzusetzen: Seit dem vergangenen Schuljahr sind in den Alpen junge Forscher<br />

aus der Klasse 3a der Grundschule Fischen unterwegs, um die Artenvielfalt<br />

auf Berg- und Talwiesen im Wandel der Jahreszeiten zu dokumentieren.<br />

Auf ihrer letzten Expedition durften wir die Schüler begleiten<br />

Die Untersuchungsergebnisse<br />

werden ins Forscherprotokoll<br />

eingetragen und später<br />

gemeinsam ausgewertet<br />

Schon auf dem Weg zum Forschungsgebiet erfolgt<br />

die erste Entdeckung am Wegesrand: »Ist<br />

die riesig!« Eine ziemlich große Weinbergschnecke<br />

bahnt sich gemütlich ihren Weg durch das<br />

hohe Gras. Tanja König ist gleich zur Stelle. Die Naturkundlerin<br />

erklärt den Schülern, dass sich Schnekken<br />

auf einem muskulösen Kriechfuß fortbewegen.<br />

Und dass Weinbergschnecken unter Naturschutz<br />

stehen: »Wenn ihr also in Zukunft eine Schnecke auf<br />

dem Gehweg seht, – tut ihr den Gefallen und setzt sie<br />

an den Wegesrand. Auf Wegen werden Schnecken<br />

nämlich oft unabsichtlich zertrampelt.«<br />

Tanja König ist eine von mehreren Betreuerinnen, die<br />

mit Allgäuer Schülern das Projekt »Klassenzimmer<br />

Alpen« durchführen. Es ist eines von zehn laufenden<br />

schwäbischen Biodiversitätsprojekten, die vom Bayerischen<br />

Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit<br />

gefördert und von der Regierung von Schwaben<br />

finanziell unterstützt und fachlich begleitet werden.<br />

Projektträger ist der Landesbund für Vogelschutz in<br />

56 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Bayern (LBV), dem auch Tanja König angehört. Neben<br />

den kleinen Forschern der Grundschule Fischen untersuchen<br />

seit dem vergangenen Schuljahr Drittklässler<br />

aus Rettenberg und Bad Hindelang regelmäßig die Artenvielfalt<br />

unserer heimischen Wiesen im Jahresverlauf.<br />

»Mit acht ganztägigen Terminen ist das Projekt<br />

recht zeitintensiv. Da es sich dabei jedoch durchweg<br />

um aktive Lernzeit in der Natur handelt, haben die<br />

Eltern der Kinder den Vorschlag, beim Klassen -<br />

zimmer Alpen mitzumachen, von Anfang an positiv<br />

aufgenommen«, erklärt Anna-Lena Grob. Als Heimatund<br />

Sachkundelehrerin begleitet sie die Klasse 3a auf<br />

die Termine.<br />

Wissensdurst und Ökonieten<br />

Mittlerweile haben die Schüler ihr Projektgebiet unweit<br />

des Immenstädter Alpsees erreicht. Die jungen<br />

Forscher machen sich sogleich daran, ihre quadratische<br />

Probefläche abzustecken. »Bei den vergangenen<br />

Terminen hatten wir mehrere Flächen, die je von einer<br />

Vierergruppe untersucht wurden«, erklärt König. Innerhalb<br />

dieser Bereiche fingen die Kinder Insekten<br />

w<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

und andere Kleintiere ein, zeichneten und bestimmten<br />

die dort wachsenden Pflanzen und verglichen ihre Ergebnisse<br />

in Forscherprotokollen. Dabei stellten sie erhebliche<br />

Unterschiede zwischen den Talwiesen bei<br />

Immenstadt und den Bergwiesen am Ofterschwanger<br />

Horn fest, an dem ebenfalls geforscht wurde.<br />

Heute, beim Schlusstermin, arbeiten alle zusammen<br />

an einer großen Probefläche. Die junge Zoe führt Protokoll.<br />

Gemeinsam zählen Tanja König und die Kinder<br />

die blühenden Blumen und bestimmen, wie sie heißen<br />

und ob sie für den Menschen nützlich sind. Rot- und<br />

Weißklee, Hahnenfuß und Augentrost erkennen die<br />

Schüler innerhalb von Sekunden. Auch die »ökologische<br />

Niete«, den schmarotzenden Klappertopf, erkennen<br />

die Schüler aus früheren Terminen wieder. Er<br />

bildet kleine Saugnäpfe an fremden Wurzeln und<br />

»klaut den Nachbarn das Wasser«.<br />

Hin und wieder bringen die Antworten die begleitenden<br />

Erwachsenen zum Staunen. »Wer hätte gedacht,<br />

dass es in der 3a so viele junge Naturkundler gibt?«<br />

Anna-Lena Grob ist beeindruckt vom bereits vorhandenen<br />

Wissen ihrer Schüler.<br />

»Interessanterweise kennen die meisten Erwachsenen<br />

heutzutage auch nicht viel mehr Pflanzen oder<br />

Ein kleiner »Sensationsfund«<br />

am Ofterschwanger Horn:<br />

Den Bergmolch durften sich die<br />

Kinder genauer ansehen. Die<br />

Amphibie blieb angesichts ihrer<br />

vielen Fans relativ gelassen<br />

57


Nicht nur am Alpsee, auch<br />

am Ofterschwanger Horn<br />

wurde eifrig geforscht:<br />

Welche Pflanzen wachsen im<br />

Tal, welche am Berg? Und<br />

wie wirkt sich die<br />

Bewirtschaftung durch den<br />

Menschen auf Flora und<br />

Fauna aus?<br />

Weichkäfer, Kurzfühlerschrecken,<br />

Zikaden – Tanja König vom LBV erkennt<br />

jedes noch so kleine Fundtier und gibt<br />

ihr Wissen geduldig an die jungen<br />

Forscher weiter<br />

Eine Grille wagte sich kurz aus ihrer Erdhöhle, um nach dem Rechten<br />

zu sehen – und wurde prompt von den Schülern studiert. Doch<br />

Vorsicht: »Die kann ganz schön zwicken«, erklärt Tanja<br />

Tiere und ökologische Zusammenhänge als die Kinder«,<br />

meint Tanja König. Die Diplom-Biologin führt<br />

auch regelmäßig Führungen für Erwachsene durch.<br />

»Dabei laufe ich zwar größere Strecken, spiele weniger<br />

Spiele und erkläre manches etwas vielschichtiger, die<br />

Kernaussagen sind meist aber dieselben. Meine Idealvorstellung<br />

wäre es, die Kinder zu naturkundlich<br />

kenntnisreichen Erwachsenen auszubilden.«<br />

Grashüpferjagd am Alpsee<br />

Nach dem Auswerten der Pflanzen ist der tierische Bestand<br />

an der Reihe. Die ganze Wiese darf heute nach<br />

sechs- oder achtbeinigen Bewohnern abgesucht werden.<br />

Vorher darf Mehmet nochmal zeigen, wie man<br />

mit der Becherlupe Insekten aufnimmt, ohne sie zu<br />

verletzen. Schmetterlingsraupen und Ameisen werden<br />

grundsätzlich nicht eingefangen. Sie orientieren sich<br />

an einer Duftspur und sind überfordert, wenn sie dieser<br />

nicht mehr folgen können. Auch Schnecken und<br />

Regenwürmer werden nicht gezählt. Das hat praktischere<br />

Gründe: »Damit die Becherlupen nicht eingesaut<br />

werden«, erklärt einer der Buben.<br />

Nach der Einweisung schwärmen die Schüler aus –<br />

nur, um Minuten später in regelmäßigen Abständen<br />

zu Tanja König zurückzuflitzen und ihren Fang bestimmen<br />

zu lassen. Zoes Bleistift fliegt geradezu über<br />

das Forscherprotokoll: sechs Weichkäfer, acht Kurzfühlerschrecken,<br />

zwei Schwebfliegen und Zikaden,<br />

eine Bremse, sechs männliche und sieben weibliche<br />

Langfühlerschrecken, eine Fleischfliege – das ist nur<br />

ein Teil der »Beute«, die heute gemacht wird. Mit Engelsgeduld<br />

weist Tanja König auf besonders lange Fühler<br />

hin und lobt besonders seltene Funde. Sie erkennt<br />

jeden noch so kleinen Käfer. Zwischen bunten Anoraks<br />

und Becherlupen ist die LBV-Betreuerin fast<br />

nicht mehr zu sehen.<br />

Die Begeisterung, mit denen die Schüler auf Insektensuche<br />

gehen, ist richtig ansteckend. Und kein bisschen<br />

außergewöhnlich, wie König betont. »Naturkundliches<br />

Interesse steckt grundsätzlich in jedem Kind. Es<br />

wird heutzutage nur durch viel Ablenkung, zum Beispiel<br />

durch Fernsehen und Spielekonsolen, aber auch<br />

durch Lerndruck in den Schulen überdeckt.« Naturbildung<br />

gehört ihrer Meinung nach zur gesunden<br />

Kindheitsentwicklung dazu, denn Natur sei überall<br />

und man brauche nur offene Augen und Sinne, um sie<br />

wahrzunehmen: »Diese besondere Wahrnehmung<br />

macht die Umwelt selbst spannender. Ein ‚langweiliger‘<br />

Familienspaziergang wird so zur Expedition.«<br />

Naturbildungsprojekte sollten daher fest in den Schulunterricht<br />

integriert und wieder Teil der Allgemeinbildung<br />

werden, findet König: »Wir benötigen<br />

noch mehr Projekte dieser Art, um jedem Schüler die<br />

Chance zu geben, eine naturkundliche Ausbildung<br />

zu bekommen.«<br />

Dem kann Anna-Lena Grob nur zustimmen. Zwischen<br />

dem Pauken im Klassenzimmer und dem Forschen<br />

draußen sieht die Lehrerin wesentliche Unterschiede:<br />

»Hier draußen lernen die Kinder vor allem durch eigenes<br />

Tun. Die Natur muss nicht ins Klassenzimmer geholt<br />

werden, sondern die Kinder haben die Möglichkeit,<br />

am Original zu lernen.« Das Experimentieren in freier<br />

58<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Natur könne mit allen Sinnen wesentlich umfangreicher<br />

stattfinden. »Ich denke, Interesse und Lernbereitschaft<br />

bei den Kindern zu wecken, ist beim Forschen<br />

draußen einfacher und viele Lerninhalte stehen schlussendlich<br />

auch nachhaltiger zur Verfügung«, fährt sie fort.<br />

Ob man als Lehrerin selbst wohl noch das eine oder andere<br />

dazulernt? Anna-Lena Grob grinst. »Der Entwicklung<br />

des Thymian-Ameisenbläulings habe ich genauso<br />

gespannt gelauscht wie die Kinder.«<br />

Viel mehr als Wissen<br />

Die Schüler selbst sehen den unschlagbaren Vorteil des<br />

Projektes dagegen in den kleinen Abenteuern, die man<br />

ganz nebenbei erlebt: »Auf dem Ofterschwanger Horn<br />

haben wir einen Wanderfalken gesehen. Zweimal! Beim<br />

Abstieg ist er direkt über unsere Köpfe geflogen.« Für<br />

den neunjährigen Marian aus Fischen war das ohne<br />

Frage der absolute Höhepunkt der Ausflüge. Hugo aus<br />

Bolsterlang entdeckte im Herbst einen Blutegel. »Sie sehen<br />

zwar eklig aus, aber es sind ziemlich nützliche Tiere«,<br />

weiß der Neunjährige. Da hat der Forscherdrang<br />

den Ekel überwunden.<br />

Für die junge Zahide waren es die vielen Spiele, die am<br />

meisten Spaß gemacht haben: »Das Spiel ‚Eulen und<br />

Mäuse‘ hat mir am besten gefallen.« Dabei werden die<br />

Schüler in Eulen und Mäuse eingeteilt und anschließend<br />

»Fakten« vorgelesen. Stimmt die Aussage wie<br />

zum Beispiel »Im Naturpark Nagelfluhkette gibt es<br />

Steinadler«, fangen die Eulen die Mäuse. Ist die Behauptung<br />

falsch wie »Der Spitzwegerich ist eine sehr giftige<br />

Pflanze«, dürfen die Mäuse die Eulen jagen.<br />

Durch Spiele wie dieses werden im »Klassenzimmer Alpen«<br />

angenehme Aspekte wie Spaß und Bewegung in<br />

freier Natur ganz zwanglos mit dem Lerneffekt verknüpft.<br />

Noch auf dem Heimweg finden angeregte<br />

»fachkundige« Diskussionen statt: »Spitzwegerich<br />

schreibt man doch nicht mit zwei R! Also, ich hab bis<br />

jetzt immer… Tanjaaa?«<br />

So geht es – nach dem Freilassen der gefundenen Insekten<br />

und einem weiteren Ratespiel zum Schluss – auf<br />

dem Wanderweg lustig und lautstark zurück zum Bus,<br />

der die Schüler zum vorerst letzten Mal wieder nach Fischen<br />

und Bolsterlang bringen wird. Lehrerin Anna-<br />

Lena Grob zieht nach dem heutigen Termin ein Fazit:<br />

»Das Projekt war für die Kinder und mich eine spannende<br />

Zeit, in der wir alle viel mehr gelernt haben, als<br />

Pflanzen- oder Tierarten zu bestimmen.« »Vieeeeel<br />

mehr als in Mathe!«, flüstert daraufhin leise eine Schülerin,<br />

der lieber anonym bleiben möchte.<br />

So bleibt zum Schluss nur noch zu behaupten, dass die<br />

Fischinger Schüler aus dem Unterricht in der freien Natur<br />

wesentlich mehr mitgenommen haben als Fakten<br />

über heimische Flora und Fauna. Mehmet fühlt sich<br />

nach dem »Klassenzimmer Alpen« schon gut gerüstet<br />

für seinen Traumberuf: »Ich möchte Tierforscher werden!«,<br />

erklärt er. Dann bückt er sich ganz nebenbei, hebt<br />

vorsichtig eine Weinbergschnecke vom Wanderweg auf<br />

und setzt sie in die Wiese. •<br />

Viola Elgaß<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

Welche Antwort ist richtig? Bei »1, 2 oder 3« schnitten die jungen Fischinger richtig gut ab. Im<br />

Kasten unten können Sie nachprüfen, wie oft Sie richtig gelegen hätten...<br />

Hätten Sie’s gewusst?<br />

Folgende Fragen mussten die Schüler auf ihrem Ausflug<br />

spielerisch beantworten. Die Klasse 3a lag mit ihren<br />

Antworten zu neunzig Prozent richtig. Hätten Sie mit den<br />

Schülern mithalten können?<br />

1. Welche dieser Pflanzen ist geschützt?<br />

a) Arnika<br />

b) Augentrost<br />

c) Klappertopf<br />

2. Welche dieser Pflanzen ist giftig?<br />

a) Fieberklee<br />

b) Sumpfgreiskraut<br />

c) Teufelsabbiss<br />

3. Was ist ein Schusternägle?<br />

a) Ein Nagel, den der Schuster verwendet<br />

b) Eine Schrittfolge beim Schuhplatteln<br />

c) Ein Enzian<br />

4. Welche Zapfen findet man niemals auf dem Boden,<br />

weil sie vorher auseinanderfallen?<br />

a) Tannenzapfen<br />

b) Fichtenzapfen<br />

c) Kiefernzapfen<br />

5. Warum wird die Raupe des Thymian-Ameisenbläulings<br />

nicht von den Ameisen getötet, wenn sie in deren Bau<br />

überwintert?<br />

a) Weil sie ein süßes Sekret absondert<br />

b) Weil sie nicht bemerkt wird<br />

c) Weil sie sich mit kräftigen Zangen zur Wehr setzen kann<br />

6. Wo sitzt bei Insekten die Nase?<br />

a) Im Gesicht<br />

b) In den Antennen<br />

c) In den Mundwerkzeugen<br />

7. Was macht eine Ringelnatter, wenn sie sich bedroht<br />

fühlt?<br />

a) Sie beißt zu<br />

b) Sie wirft den Schwanz ab<br />

c) Sie fängt an zu stinken<br />

8. Welches ist das größte Lebewesen der Erde?<br />

a) Ein Pilz<br />

b) Ein Mammutbaum<br />

c) Ein Blauwal<br />

Lösungen: 1a, 2b, 3c, 4a, 5a, 6b, 7c, 8a<br />

Fotos: Viola Elgaß, Katharina Beck<br />

Was ist das für ein<br />

Grashüpfer? Mit Lupe<br />

untersuchen Carisma und<br />

Zoe (unten) das Insekt.<br />

Anschließend werden die<br />

grünen Winzlinge wieder<br />

freigelassen<br />

59


Bauermalerei<br />

Mit feinem Strich<br />

zum bunt verzierten Möbel<br />

Eine zitternde Hand kann sich Georg Larsch nicht leisten,<br />

denn seine Arbeiten auf Möbeln, Wänden und Schildern<br />

entstehen alle ohne Schablonen und teils mit feinsten Pinseln.<br />

Sein Handwerk, die Bauernmalerei, gerät heute in Zeiten<br />

industrieller Fertigung langsam immer mehr in Vergessenheit<br />

Von Georg Larsch bearbeiteter<br />

Bauernschrank mit landwirtschaftlichen<br />

Motiven<br />

Die Linienführung auf dem Holz soll laut<br />

dem Bauernmaler einen naturalistischen<br />

Effekt erwecken<br />

Fingerspitzengefühl für Farben führt der 67-jährige<br />

Oberallgäuer als einen der wichtigsten Instinkte<br />

für einen Bauernmaler an. Wie er<br />

erklärt, habe es erste Ausprägungen dieser speziellen<br />

Maltechnik bereits im frühen Mittelalter gegeben, die<br />

Hauptepoche sei jedoch in der Zeit vom 17. bis zum<br />

19. Jahrhundert anzusiedeln. »Bauernmalerei ist die<br />

Malerei des kleinen Mannes«, sagt Georg Larsch. Dies<br />

zeige sich in den Möbeln, die die Menschen in früheren<br />

Zeiten nutzten: Auch in den einfachsten, kleinsten<br />

Bauernhäusern habe es im Haushalt meist eine Bauernmalerei<br />

gegeben. Hierbei hätten wohl religiöse<br />

Aspekte eine Rolle gespielt – so tragen viele der verzierten<br />

Möbelstücke religiöse Motive.<br />

Der Pinselstrich muss sitzen<br />

Fotos: Georg Larsch, Thomas Niehörster<br />

Georg Larsch, der seit rund 45 Jahren in dem Bereich<br />

tätig ist und die Maltechnik mit seiner Ausbildung<br />

zum Dekorateur erlernte, fasziniert die freie Arbeitsweise,<br />

bei der sämtliche Motive ohne Zuhilfenahme<br />

von Schablonen entstehen. Auch das freihändige Beschriften<br />

von Urkunden oder Schildern sowie das Marmorieren<br />

gehören zu den Feldern der Bauernmalerei.<br />

Larsch ist sich bewusst, dass vor allem das Restaurieren<br />

eines historischen Gegenstandes eine große Herausforderung<br />

darstellt. »Ich muss darauf achten, dass<br />

die Farbgebung stimmt, dass ich eine Technik anwende,<br />

die auch ursprünglich angewendet wurde, und dass die<br />

Farben so gemischt sind, wie sie auf dem Objekt aufgebracht<br />

waren.« Er selbst habe in seinem Atelier bereits<br />

Stücke restauriert oder »aufgefrischt«. Das Wesentliche:<br />

Sie müssten schließlich so aussehen, dass es nicht auffalle,<br />

dass bestimmte Teile erneuert wurden.<br />

Das Bemalen eines Schrankes erfolgt in mehreren<br />

Schritten, erklärt der Bauernmaler. Auf die geschliffene<br />

Grundfläche wird eine weiße Grundierung aufgetragen<br />

und im Regelfall das Gesims an Ober- und<br />

Unterseite mit einer Marmorierung versehen. Dabei<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Links: Vorlage für eine freihändige Beschriftung eines Ausstellungsplakates zur Werkschau von<br />

Georg Larschs Gemälden. Oben: der Allgäuer mit einer bemalten Milchkanne<br />

kommt eine Nass-in-Nass-Technik zur Anwendung,<br />

bei der die Farbe strukturiert wird. In die Farbe setzt<br />

der Maler mit sehr dünnen Pinseln Haarrisse. Die Motive<br />

in den Türfüllungen bestehen meist aus Blumen,<br />

die Seitenteile tragen oft Ornamente – ebenso in Nassin-Nass-Technik.<br />

»Ich male dies mit einer Farbe und<br />

muss dann sehr schnell mit der zweiten Farbe durch<br />

die erste Farbe gehen, damit ein lebendiger und transparenter<br />

Effekt entsteht«, sagt Georg Larsch. »Das fertige<br />

Motiv muss den Eindruck erwecken, als ob es aus<br />

der Natur heraus gewachsen ist.« Schwierig ist der finale<br />

Schritt, das freihändige Umranden der Füllung,<br />

um sie zu akzentuieren, Linieren genannt. »Das sollte<br />

in einem Versuch klappen.«<br />

Spezialwissen noch gefagt<br />

Man finde heute nicht mehr viele Maler, die diese spezielle<br />

Maltechnik noch beherrschen, sagt Georg Larsch.<br />

Die Kunstform werde im Grafikbereich und in der Malerei<br />

nicht mehr gelehrt. Nach einem Boom in den<br />

1970er- und 1980er-Jahren sei dieser zum Ende dieser<br />

Periode abgeebt. Es gebe aber noch viele Malerbetriebe<br />

im Allgäu, die zum Beispiel Aufträge für Beschriftungen<br />

und Marmorierungen bekämen. »Diese wenden sich<br />

dann an mich als Spezialisten.«<br />

Auch habe er erst vor Kurzem Beschriftungen, die er<br />

für ein Hotel in Bad Hindelang angefertigt hatte, neu<br />

ergänzt. Doch die Blütezeit der Bauernmalerei im Allgäu<br />

scheint vorüber, sagt Georg Larsch: »Einen kompletten<br />

Schrank habe ich vor etwa 20 Jahren zum letzten<br />

Mal neu bemalt.« • Marius Lechler<br />

Der Führungsstab dient als Orientierungshilfe und Ablage für die Hand beim Malen.<br />

Unten: Vorlage für ein Ornament, das die Wand über einem Fensterstock ziert<br />

Zwischen Staffelei und Bauernmöbel<br />

Das Atelier von Georg Larsch bietet Besuchern, die sich<br />

für die Technik der Bauernmalerei und seine anderen<br />

Kunstprojekte interessieren, einen tiefen Einblick in seine<br />

Arbeitsweise. Kontakt unter: Atelier Georg Larsch, Am<br />

Burgstall 3, 87538 Fischen-Au, Tel. 08326/239<br />

Oben:<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Service<br />

Haarspielereien<br />

für die Traditions-Tracht<br />

Ein wichtiges Element des überlieferten Gewandes, das integraler<br />

Bestandteil der Allgäuer Kultur ist, sind die passenden Frisuren.<br />

Patricia (rechts) und Alicia Vachenauer, Mitglieder der Historischen<br />

Trachtengruppe im Gebirgstrachten- und Heimatverein Oberstdorf,<br />

zeigen in einfachen Schritten zum Nachmachen, wie ein seitlich<br />

geflochtener »Französischer Zopf« mit Dutt entsteht<br />

62 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Einen Seitenscheitel frisieren, drei Strähnen<br />

abteilen. Einen Zopf flechten: eine Strähne<br />

von oben nehmen, über die mittlere Strähne<br />

legen und unter der unteren Strähne durchführen.<br />

Von unten eine Strähne über die<br />

mittlere Strähne legen, unter der oberen<br />

durchführen.<br />

Immer wieder Haare dazunehmen, von<br />

oben und unten. Beim Flechten des Zopfes<br />

nicht zu locker werden und mit der Hand<br />

fest am Kopf bleiben, damit die Frisur straff<br />

sitzt. Mit dem Flechten fortfahren, bis man<br />

den Nacken erreicht hat. Den Zopf im Na -<br />

cken mit einer Haarklammer fixieren.<br />

Die Arbeitsschritte auf der anderen Kopfseite<br />

wiederholen. Dabei weiterhin darauf achten,<br />

dass die Haare beim Flechten des Zopfes<br />

eng am Kopf anliegen. Fortfahren, bis auch<br />

der Zopf auf der gegenüberliegenden Kopfseite<br />

bis ganz nach hinten zum Nacken führt.<br />

Haarnadeln und -gummis schon vorher bereitlegen.<br />

Fotos: Marius Lechler<br />

Aus den Haaren im Nacken mit einem Haargummi einen Pferdeschwanz<br />

binden. Im Pferdeschwanz drei Strähnen abteilen, zu einem<br />

kleinen Zopf flechten. Die Haare im Zopf aufzupfen, das heißt, einige<br />

Strähnchen leicht aus dem Zopf herausziehen, um ihn lockerer wirken<br />

zu lassen. Den Zopf mit einer Haarnadel fixieren und so einen<br />

Dutt hochstecken.<br />

Die übrigen Haare im Pferdeschwanz ebenso zu Zöpfen flechten, diese<br />

leicht aufzupfen (siehe oben), um dem Dutt Volumen zu verleihen<br />

und ihn weniger streng erscheinen zu lassen, danach zum Dutt hochund<br />

mit Haarnadeln feststecken.<br />

<br />

Trachtenbewahrer mit 1000 Mitgliedern<br />

Der Gebirgstrachten- und Heimatschutzverein Oberstdorf<br />

e.V. ist der größte Trachtenverein Deutschlands und besteht<br />

seit mehr als 110 Jahren. Er organisiert auch den alle fünf<br />

Jahre stattfindenden Wilde-Männle-Tanz, der in diesem Jahr<br />

wieder veranstaltet wird. Mehr Informationen unter:<br />

Gebirgstrachten- und Heimatschutzverein Oberstdorf,<br />

1. Vorsitzender Werner Griesche, Frohmarkt 3,<br />

87561 Oberstdorf, Tel. 08322/6673,<br />

E-Mail: info@oberstdorfer-trachtenverein.de,<br />

www.trachtenverein-oberstdorf.de<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

63


Mit den restlichen Strähnen ebenso fortfahren, bis alle Haare im<br />

Pferdeschwanz geflochten und verarbeitet sind.<br />

Herausstehende Strähnen in die Frisur stecken, mit dem Kamm letzte<br />

Unebenheiten glätten.<br />

Wenn Haarspray zum Fixieren der Frisur<br />

in Flechtrichtung aufgesprüht wird, legen<br />

sich feine, abstehende Härchen an.<br />

Zum Abschluss noch eine repräsentative Haarklammer als Halt und<br />

zur Verzierung anbringen.<br />

Und fertig ist die Trachtenfrisur. So kann es zum Volkstanz, Heimatabend<br />

oder zur Plattlerprobe gehen.<br />

Frisuren-Tipps<br />

für Daheim<br />

Wer auf der Suche nach der passenden<br />

Trachtenfrisur ist, findet nicht<br />

unbedingt allgäuspezifische, aber<br />

interessante Ideen in Sabine Sziedats<br />

Anleitungsbuch. Hig’flecht, Herg’flecht<br />

& Aufeg’steckt, Ein bayrisches<br />

Flechtfrisurenbuch, 67 Seiten, viele<br />

Farb fotos, Preis: 34,- Euro, Selbst -<br />

verlag, Benediktbeuren 2014, erhältlich<br />

beim Bayerischen Trachtenverband e.V.,<br />

Ambrosius-Mößmer-Weg 4, 82409 Wildsteig,<br />

Tel. 08741/94977-0, Fax<br />

08741/94977-119, E-Mail:<br />

info@trachtenverband.bayern,<br />

www.trachtenverband-bayern.de<br />

64<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Anzeigen


Manufaktur<br />

Ganz vorne: Heidelind<br />

Schwarz, im Hintergrund<br />

Magdalena, Gottfried und<br />

Anselm Schwarz bei der<br />

Arbeit in ihrer Familien-<br />

Schmuckwerk statt<br />

Die Preziosen-Schöpfer<br />

aus der Silberwerkstatt<br />

Ohne ihn wären Dirndl und Mieder zwar immer noch schöne<br />

Kleidungsstücke, doch der gewisse Glanz des Wertvollen ginge verloren:<br />

Kostbarer Trachtenschmuck wie Miederhaken oder Hutnadeln aus Silber<br />

vervollständigen das Gesamtbild beim Gewand. Die Unterallgäuer Familie<br />

Schwarz fertigt heute noch die zierenden Unikate aus dem Edelmetall<br />

Mit viel Feingefühl<br />

muss ein silberner Mieder -<br />

haken geschliffen werden<br />

Die Werkstatt der Silberschmiede im Weiler<br />

Klein-Siebnach bei Ettringen ist mit den vier<br />

Familienmitgliedern, die hier konzentriert an<br />

wertvollen Schmuckstücken arbeiten, voll besetzt. Der<br />

Betrieb von Gottfried und Irmingard Schwarz ist eine<br />

der ganz wenigen Allgäuer Manufakturen, in denen<br />

traditioneller Trachtenschmuck noch von Hand hergestellt<br />

wird.<br />

Silberne Miederhaken sind die Spezialität im Hause<br />

Schwarz. Dabei beschränken sich Gottfried Schwarz,<br />

Sohn Anselm und dessen Schwester Heidelind sowie<br />

Enkelin und Auszubildende Magdalena nicht auf die<br />

Produktion von neuen Stücken, sondern nehmen sich<br />

auch historische Vorlagen vor, nach denen dieser alte<br />

Schmuck reproduziert wird.<br />

Dass die gesamte Familie mittlerweile dieses Handwerk<br />

ausübt, habe sich im Lauf der Zeit entwickelt, erzählt<br />

Gottfried Schwarz. Schließlich sei es bei der<br />

Werkstatt im eigenen Haus ganz klar, dass die Kinder<br />

schon früh Interesse daran gezeigt hätten, was hier<br />

passiert. Sein Sohn Anselm ergänzt: »Auf diese Weise<br />

wächst man von klein auf hinein in diesen Beruf.«<br />

Der Schwerpunkt bei der Herstellung von Miederhaken<br />

habe dagegen seinen Ursprung in einem alten<br />

Mädchenmieder seiner Großmutter aus Dillingen von<br />

1880 oder 1890 gehabt, meint sein Vater. Von dem<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Schatzkiste voll<br />

wertvoller Objekte<br />

Die Miederhaken der<br />

Silberschmiede Schwarz,<br />

weiterer Trachtenschmuck,<br />

Colliers sowie andere Arbeiten<br />

können bei »Das Kleinod«<br />

in Bad Wörishofen entdeckt<br />

werden. Die Familie berät<br />

auch gern bei Wünschen zu<br />

individuellen Schmuckstücken.<br />

»Das Kleinod«, Gottfried<br />

Schwarz, Hauptstraße 15,<br />

86825 Bad Wörishofen,<br />

Tel. 08247/334700<br />

(Mittwochs geschlossen)<br />

Mieder habe er die Haken gerettet und gesammelt,<br />

später seien weitere bis zur Biedermeierzeit hinzugekommen.<br />

Die Stücke wurden dank der Trachtenkulturberatung<br />

des Bezirks Schwaben in Krumbach, mit<br />

der die Silberschmiede zusammenarbeiten, durch<br />

Exemplare aus dem Rokoko ergänzt.<br />

Ein Gewand soll kostbar sein<br />

Die Motivation für viele Trachtenträger, sich mit handgearbeiteten<br />

Schmuckstücken aus der Fertigung der<br />

Kunsthandwerker-Familie auszustatten, weiß Anselm<br />

Schwarz einfach zu beschreiben: »Ein solches Gewand<br />

soll kostbar sein, und es verstärkt schlicht den Wert,<br />

wenn die Miederhaken an einem derartigen Kleidungsstück<br />

aus Silber sind und nicht aus Blech.« Er betont,<br />

der Betrieb habe in der Region durchaus ein Defizit<br />

ausgefüllt, das vorhanden war. »Doch Trachtenschmuck<br />

herzustellen, ist eine Liebhaberei.«<br />

Auch, wenn es nur noch wenige Gold- und Silberschmiede<br />

gebe, die in diesem ganz speziellen Bereich<br />

tätig sind, gelte doch, dass sich mittlerweile – seit rund<br />

20 Jahren – wieder mehr Menschen der Tracht zuwenden.<br />

Der Formenschatz der Schmuckstücke für das traditionelle<br />

Gewand, das von der Silberschmied-Familie<br />

hergestellt wird, sei sehr groß: »Wir stellen zum Bei-<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

spiel Miederstecker, Hutnadeln und Schurzhaken her.<br />

Auch eine breite Palette von Knöpfen für Jacken oder<br />

eventuell eine Einfassung für ein damasziertes Messerbesteck<br />

gehört dazu.«<br />

Jedes Stück wird fünfmal umgedreht<br />

Was den 46-jährigen Anselm Schwarz an der Tätigkeit<br />

des Silberschmiedes für Trachtenschmuck besonders<br />

reizt, bringt er so auf den Punkt: »Man fühlt sich auch<br />

als Kulturträger durch diese Arbeit.« Er skizziert, wie<br />

ein Schmuckstück in der Werkstatt entsteht: »Zu Beginn<br />

wird ein Modell in Schiefer geschnitten, aus dem<br />

ein erstes Wachsmodell hergestellt wird.« Dieses werde<br />

daraufhin gegossen – wenn man dies mehrmals<br />

wiederholen wolle, werde eine Kautschukform angefertigt.<br />

Diese könne man dazu verwenden, das Wachs<br />

mehrmals hineinzugießen.<br />

Laut Gottfried Schwarz ist der größte Unterschied<br />

zwischen handgearbeitetem Trachtenschmuck und<br />

billigeren Objekten, dass bei Massenproduktion möglichst<br />

preisbewusst gearbeitet wird. »Wir drehen dagegen<br />

jedes Schmuckstück fünfmal um, und wenn<br />

man es nochmal schleifen muss, damit es unserem<br />

Qualitätsbewusstsein entspricht, dann tun wir das«,<br />

sagt Magdalena Schwarz dazu. • Marius Lechler<br />

Ganz oben links: Gottfried<br />

Schwarz zeigt die Miederhaken<br />

aus der Herstellung der<br />

Silberschmiede. Ganz oben:<br />

Heidelind Schwarz beim<br />

Einfädeln einer Miederkette.<br />

Ganz links: Enkelin Magdalena<br />

feilt einen Haken ab, um<br />

Unebenheiten oder Grate zu<br />

glätten. Oben: Anselm Schwarz<br />

mit Wachsmodellen für die Silber-<br />

Schmuckstücke<br />

67


Musik<br />

Juchzger unter freiem Himmel<br />

Zum Kurs »Jodeln & Wandern in den Allgäuer<br />

Bergen« unter Leitung von Loni Kuisle gibt es weitere<br />

Informationen bei Loni Kuisle, Hintersteinerstraße 18,<br />

87541 Bad Oberdorf, Mobil: 0160/7997120, E-Mail:<br />

loni.kuisle@gmx.de. Termine auf Anfrage.<br />

Vielstimmige Klänge<br />

ohne Klischees<br />

Mit Loriots Sketch vom »Jodeldiplom« ist Loni Kuisle zwar auch schon<br />

öfter konfrontiert worden, doch mit Klischees hat das, was die<br />

musik- und heimatverbundene Oberallgäuerin lehrt, nichts zu tun.<br />

Sie bietet für Menschen, die den mehrstimmigen Gesang lernen wollen,<br />

Jodelkurse an ausgesuchten Orten in der Idylle der Allgäuer Berge an<br />

Auch, wenn der eine oder andere dies vielleicht<br />

anzweifeln möchte, Loni Kuisle ist davon überzeugt,<br />

dass ihr Motto »Jeder kann jodeln«<br />

funktioniert. Die in Niedersonthofen im Oberallgäu<br />

geborene Musikerin, die seit 1978 im Bad Hindelanger<br />

Ortsteil Bad Oberdorf lebt, stammt bereits aus einer<br />

musikalischen Familie. Von der Mutter habe sie –<br />

ebenso wie ihre Geschwister – den mehrstimmigen<br />

Gesang gelernt.<br />

»Auch gejodelt habe ich schon immer«, fügt sie hinzu.<br />

In den Singstunden, die sie für interessierte Teilnehmer<br />

abgehalten habe, sei auch immer ein kleiner Jodler Teil<br />

des Programms gewesen. Dies habe den Menschen<br />

sehr gut gefallen, und sie habe die Idee, das Erlernen<br />

der speziellen Gesangstechnik in Form von Kursen anzubieten,<br />

weiter verfolgt. »Vor fünf bis sechs Jahren<br />

habe ich dann mit Jodelkursen im Allgäu angefangen.<br />

Die Idee war, dass ich mit den Leuten draußen in freier<br />

Natur in einer Gruppe jodele und dies in Form eines<br />

Kurses anbiete.« Dies geschehe bei einer Bergwanderung<br />

zur Alpe Oberberg im Gunzesrieder Tal.<br />

gen.« Überaus wichtiger Bestandteil ihres Angebotes sei<br />

das »Eins-Sein« mit dem Planeten, darum sei es ihr bei<br />

dem Konzept gegangen, führt sie aus.<br />

Natürlich sind die Kursteilnehmer, die sowohl aus<br />

ganz Deutschland, aber auch aus dem Allgäu zu ihr<br />

kommen, zu Beginn noch etwas verkrampft, sich auf<br />

ein so ungewohntes Erlebnis wie das Jodeln in der<br />

Natur vor anderen Menschen einzulassen. Doch auch<br />

dafür hat Loni Kuisle ein Rezept: »Tanzen bricht die<br />

Barriere. Wir wandern in Stationen zur Alpe, und man<br />

braucht mindestens drei Stationen auf dem Kurs, bis<br />

sich die Leute überwinden.«<br />

Bei einem Wechseltanz, den sie die Teilnehmer absolvieren<br />

lasse, müssten sich alle anfassen und um die<br />

Kuhfladen und Steine auf dem Weg herumtanzen.<br />

»Und schon lachen alle und sind lockerer.« Außerdem<br />

erkläre sie dabei die Noten und könne hören, wie die<br />

Mehrstimmigkeit der Gruppe zusammenpasse.<br />

Musikalische Heimat statt Firlefanz<br />

Oben: Loni Kuisle dirigiert eine<br />

Gruppe lernbereiter Jodler in<br />

spe am Berghang, um ihnen<br />

für sie noch unbekannte Klänge<br />

und Melodien beizubringen<br />

68<br />

Tanzen bricht das Eis<br />

»Für mich ist der Platz wichtig, wo man jodelt«, sagt<br />

Loni Kuisle. »Der Platz muss gut sein, Bäume müssen<br />

rauschen, Wasser im Hintergrund fließen, Vögel sin-<br />

An einer Station mit Aussicht auf die Natur geht es danach<br />

darum, jeden sein Bestes geben zu lassen, um<br />

den Planet zu besingen. »Leute, die quasi keinen Bezug<br />

zur Natur haben, singen dann für die Kühe, und<br />

das ist eine so friedliche Atmosphäre«, erläutert Loni<br />

Kuisle. Sie unterstreicht, dass ihre Jodelkurse alles an-<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Fotos: Helene Weinold-Leipold; Kerstin Nagel; Christian Hüller/3Rosen Filmverleih; 2012 Christian Hüller/Fruitmarket Kultur und Medien<br />

Beim Unterricht wird auch gelacht (o.). Beim Anzeigen<br />

der richtigen Töne (ganz o.r.): . Gemeinsames Jodeln<br />

(Mitte r.). Einzelbetreuung für künftige Jodler (r.)<br />

Oben: Loni Kuisle singt die Melo -<br />

die an. Nach dem Vorbild der<br />

Jodellehrerin (u.) wie derholen<br />

die Schüler das Lied<br />

dere als eine Art Firlefanz-Veranstaltung seien. »Diese<br />

Musik sollte man wertschätzen, meine Kurse haben<br />

auch nichts mit Loriot zu tun.« Natürlich kenne sie<br />

auch Loriot und das berühmte »Jodeldiplom«, Humor<br />

müsse ja auch sein, doch bei ihr gebe es kein »Jodeldiplom«.<br />

Sie hebt hervor: »Ich bin so aufgewachsen, dass<br />

mir Musik wichtig ist, und ich weiß, wo meine Wurzeln<br />

sind.« Diese Art von Heimat wolle sie weitergeben.<br />

Die Gruppen, die bei Loni Kuisle das Jodeln lernen<br />

wollen, sind bunt gemischt, wie sie weiß: »Es sind auch<br />

immer Allgäuer dabei, dann kommt mal wieder ein<br />

Rudel Kölner, oder die Teilnehmer kommen aus Hamburg<br />

und sagen zu mir: ‚Ich jodele jetzt mit den Wellen’.«<br />

Sie freue es besonders, dass die Menschen in den<br />

Bergen den Klang hören könnten, den sie gemeinsam<br />

erzeugen, und dass sie ihnen zeigen könne, wie sie ihre<br />

Umgebung bewusst wahrnehmen könnten.<br />

Sogar in einem Film wurde Loni Kuisle mittlerweile<br />

portraitiert: Die Dokumentation »Sound of Heimat«<br />

widmete sich neben weiteren modernen deutschen<br />

Volksmusikern auch ihren Kursen. Im Rahmen des<br />

»German Film Festival 2014« lud das Goethe-Institut<br />

die Allgäuerin vergangenes Jahr nach Neuseeland ein,<br />

wo sie in Auckland einen Jodelkurs gab. So erreichte<br />

sie sogar Menschen am anderen Ende der Erde. Loni<br />

Kuisle freut dies sehr, denn sie weiß, dass die Gesangstechnik,<br />

die sie lehrt, international ist: »Es wird auf der<br />

ganzen Welt gejodelt«, sagt sie. • Marius Lechler<br />

Heimatklänge im Film<br />

Die DVD zur Dokumentation »Sound of Heimat« ist im<br />

Fachhandel erhältlich. Im Film bereist der schottischneuseeländische<br />

Musiker Hayden Chisholm<br />

Deutschland und trifft Vertreter deutscher Volksmusik.<br />

Von Flensburg über Klingenthal bis ins Allgäu führt<br />

ihn die Reise und lässt ihn die musikalische Exotik<br />

unserer Heimat entdecken. »Sound of Heimat«,<br />

Deutschland 2011, DVD-Features: Booklet, vier Tracks<br />

zum Mitsingen, Interviews, 90 Minuten, Preis: 15,90<br />

Euro, EAN: 4047179792486, www.soundofheimat.de<br />

Das Heim von Loni Kuisle in Bad Oberdorf bei Bad Hindelang<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

69


Freizeit<br />

Hohe Töne<br />

Oberstdorf/Kleinwalsertal:<br />

Im<br />

Allgäu spielt die Musik ganz oben.<br />

Kurzinfo<br />

Das gesamte Veranstaltungs -<br />

programm rund um die Berg -<br />

bahnen an Fellhorn/Kanzelwand,<br />

Nebelhorn, Söllereck und<br />

Walmendinger horn gibt es unter<br />

www.das-hoechste.com<br />

So wandelt man beim musikalisch<br />

begleiteten Rundwanderweg mit<br />

echter Volksmusik am 28. Juni<br />

durch blühende Alpenrosenmeere<br />

am Fellhorn. Auf dem Walmendingerhorn<br />

entführt die Erzählerin<br />

Annika Hofmann am 9. Juli in die<br />

Sagenwelt, Martina Noichl begleitet<br />

die Reise mit mystischen Harfenklängen.<br />

Dazu wird festlich gespeist.<br />

Lieder in der Sprache des<br />

Allgäus präsentiert Werner Specht<br />

bei einem Gipfelkonzert zum Sonnenuntergang<br />

in der »Bergschau<br />

2037« auf dem Fellhorn. Den Auftakt<br />

macht der Auftritt am 24. Juli,<br />

Die Betreiber der Bergbahnen »Das Höchste« nutzen die Bergkulisse<br />

als Bühne für stimmungsvolle Veranstaltungen<br />

weitere folgen am 21. August und<br />

18. September. Freunde des Alphorns<br />

kommen am 19. Juli auf ihre<br />

Kosten: Rund 50 Musiker sind bei<br />

der 24. Berglar-Kirbe auf dem Fellhorn<br />

zu Gast. Ein weiteres Gipfeltreffen<br />

der Jodler, Alphornbläser<br />

und Trachtler ist am 23. August auf<br />

dem Nebelhorn geplant. Ein musikalisches<br />

Bekenntnis zu ihrer Heimat<br />

legen am 6. September Jodlergruppen<br />

der Region ab, wenn sie<br />

sich auf dem Söllereck zum traditionellen<br />

Alpsingen treffen.<br />

Fotos: Das Höchste – Bergbahnen Oberstdorf/Kleinwalsertal; Siegfried Bruckmeier<br />

Zeitreise durch die Wunderkammer<br />

Elbigenalp/Lechtal: Am 4. Juli öffnet<br />

die Elbigenalper Wunderkammer<br />

ihre Pforten. Besucher begeben<br />

sich in dem neuen Museum auf<br />

die Spuren der Lechtaler von der<br />

Renaissance bis heute. Ausgestellt<br />

ist die Kunst- und Kuriositätensammlung<br />

von Johann Anton Falger:<br />

Der Maler, Lithograf, Kupferstecher,<br />

Anthropologe, Geologe<br />

und Brauchtumsforscher war einer<br />

der letzten Universalgelehrten der<br />

ausgehenden Klassik und gilt als<br />

Vater des Lechtals. Anlässlich seines<br />

140. Todestages wurde seine<br />

private Sammlung, in der Falger<br />

mit dem Wissen um typische Lechtaler<br />

Bräuche und Sitten, aber auch<br />

mit der Niederschrift des damaligen<br />

Alltagswissens einen wichtigen<br />

Beitrag zur Bewahrung der Lech -<br />

taler Geschichte leistete, erweitert<br />

und zugänglich gemacht. Das Museum<br />

befindet sich im ehemaligen<br />

Elbigenalper Doktorhaus. Das moderne<br />

Museumskonzept sieht vor,<br />

dass ein kleiner Teil der Ausstellung<br />

permanent für Besucher zugänglich<br />

sein soll.<br />

Abschriften wichtiger historischer<br />

Urkunden, Klimastudien, anatomisch<br />

genaue Zeichnungen, geologische<br />

Funde, Beispiele alter Lechtaler<br />

Trachten und mehr sind im neuen<br />

Museum zu bestaunen<br />

Kurzinfo<br />

Gemeinde Elbigenalp<br />

Dorf 55a<br />

A-6652 Elbigenalp<br />

Tel. +43 (0)5634/6210<br />

Fax +43 (0)5634/6210 20<br />

E-Mail: gemeinde@<br />

elbigenalp.tirol.gv.at<br />

Grafik: duarf91 – grafikstudio<br />

70 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Freizeit<br />

Mit Tuba und Flügelhorn<br />

ins Bettchen<br />

Foto: Isny Marketing GmbH/Ernst Fesseler<br />

Isny: 24 Konzerte der Kapellen<br />

aus Isny, den Ortschaften und<br />

der näheren Umgebung versprechen<br />

bis September stimmungsvolle<br />

Stunden. Jeweils mittwochs<br />

wird in den Kurpark in Isny zum<br />

Sommerabendkonzert eingeladen,<br />

an den Freitagen vor die<br />

»Sonne Neutrauchburg«. Die<br />

Konzerte stehen heuer ganz im<br />

Zeichen des Jubiläums »650 Jahre<br />

Freie Reichsstadt«. Vom<br />

Schreibwettbewerb über Opernfestivals<br />

bis zum Schmalzmarktfest<br />

mit Brunneneinweihung<br />

zieht das festliche Programm<br />

sich durch das Jahr.<br />

Die Stadt Isny lädt auch in<br />

diesem Jahr zweimal die Woche<br />

zu musikalischen Abenden ein<br />

Kurzinfo<br />

Isny Marketing GmbH<br />

Unterer Grabenweg 18<br />

88316 Isny im Allgäu<br />

Tel. 07562/97563-50<br />

Fax 07562/97563-14<br />

E-Mail: k.breyer@<br />

isny-tourismus.de<br />

www.isny.de<br />

Lagerfeuermärchen<br />

mit Fledermauskonzert<br />

Immenstadt: Am 8. August lädt<br />

das Naturerlebniszentrum Allgäu<br />

(NEZ) zur Naturerlebnisnacht<br />

in Bühl am Alpsee ein. Ab<br />

20.30 Uhr begeben sich junge<br />

wie alte Teilnehmer auf Fledermaussuche:<br />

Spezielle »Bat-Detektoren«<br />

machen die Rufe der<br />

insektenjagenden Tiere hörbar.<br />

Dabei informieren die Naturkundler<br />

über die Besonderheiten<br />

der flinken Nachtschwärmer.<br />

Später werden bei Lagerfeuer<br />

und irischen Harfenklängen alte<br />

Geschichten und Sagen aus der<br />

Natur erzählt. Geöffnet ist auch<br />

das Naturparkzentrum »AlpSee-<br />

Haus«: Ein nächtlicher Besuch<br />

in der Erlebnisausstellung, bei<br />

der man in der Rolle eines außerirdischen<br />

Forschers den Naturpark<br />

Nagelfluhkette erkundet,<br />

ist ein besonderes Erlebnis.<br />

Foto: NEZ<br />

An der Lagerfeuerstelle am<br />

AlpSeeHaus werden in der<br />

Naturerlebnisnacht Märchen<br />

aus der Natur erzählt<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

Kurzinfo<br />

Naturerlebniszentrum im<br />

AlpSeeHaus<br />

Seestraße 10<br />

87509 Immenstadt-Bühl<br />

Tel. 08323/9988717<br />

E-Mail: tourist-info@immenstadt.de<br />

www.nez-allgaeu.de


Freizeit<br />

Käse-Kräuter-Sommer im Gunzesrieder Tal<br />

Kurz und wichtig<br />

Ein ausführliches Programm<br />

zum Käse-Kräuter-Sommer gibt<br />

es in der Tourist-Info Blaichach<br />

(Tel. 08321/6076-950) und<br />

unter www.blaichach.de<br />

Foto: Susanne Lang<br />

Blaichach/Gunzesried: Vom 1. Juli<br />

bis 30. September bietet das Gunzesrieder<br />

Kräutertal ein breites<br />

Veranstaltungsbündel mit geführten<br />

Wanderungen, Workshops,<br />

Wellness- und Kneippgenüssen<br />

rund um Käse und Kräuter. Wanderführer<br />

sowie qualifizierte Kräuterfrauen<br />

führen in diesen Wochen<br />

durch die umliegende Natur- und<br />

Bergwelt. Die Naturschau reicht<br />

vom dorfeigenen Kräutergarten<br />

Beim Kräutergartenfest gibt es Schmackhaftes<br />

von flüssig bis herzhaft aus dem Garten<br />

über die zahlreichen Sennalpen bis<br />

hinauf zur Nagelfluhkette. Am 19.<br />

Juli erreicht der Käse-Kräuter-<br />

Sommer mit dem Kräutergartenfest<br />

seinen Höhepunkt. Auf dem<br />

Gunzesrieder Kappelbichl erwarten<br />

den Besucher ein liebevoll<br />

gestalteter Kreativmarkt, fachkundige<br />

Führungen durch den Kräutergarten,<br />

Köstlichkeiten aus der<br />

Kräuterküche sowie ein umfangreiches<br />

Kinderprogramm.<br />

Der Heugäuer ist ein echter Allgäuer<br />

»Allgäu aus der Flasche«:<br />

Kein anderes Erfrischungsgetränk<br />

kann von sich<br />

behaupten, dass sämtliche<br />

Inhaltsstoffe aus dem<br />

Allgäu stammen<br />

Kurz und wichtig<br />

Privat-Brauerei Zötler GmbH<br />

Grüntenstraße 2<br />

87549 Rettenberg<br />

Tel. 08327/921-0<br />

Fax 08327/7487<br />

E-Mail: zoetler@zoetler.de<br />

www.zoetler.de<br />

Foto: Brauerei Zötler, Tino Sailer<br />

Rettenberg: Mit der Berglimonade<br />

»Heugäuer« hat die Brauerei Zötler<br />

aus Rettenberg eine besondere Erfrischungsvariante<br />

geschaffen. Hier<br />

vereinen sich frische Früchte und<br />

Allgäuer Bergwiesenheu in der Flasche.<br />

Der Löwenanteil des süßen<br />

Saftes stammt aus heimischen<br />

Streuobstäpfeln. Der Name »Heugäuer«<br />

stammt vom speziellen Extrakt<br />

aus Bergwiesenheu. Das außergewöhnliche<br />

Geschmackselement<br />

wird im Raum Pfronten getrocknet<br />

und nach einem geheimen<br />

Verfahren schonend verarbeitet.<br />

Das ist jedoch nicht die einzige Besonderheit<br />

an dem farbenfrohen<br />

Durstlöscher: Der »Heugäuer« ist<br />

ein echter Allgäuer. Alle Zutaten<br />

und Rohstoffe für das Getränk<br />

stammen zu einhundert Prozent aus<br />

der Region. Damit wird die Wertschöpfung<br />

komplett in der Heimat<br />

belassen. Die Zötler Berglimo gibt<br />

es in gut sortierten Allgäuer Getränkemärkten<br />

und Lebensmittelgeschäften,<br />

aber auch auf vielen Alpen<br />

und in Gastro-Betrieben.<br />

72 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Kolumne<br />

Scharf nôchdenkt über<br />

Urlaub<br />

Anzeigen<br />

im Allgäu<br />

Max Adolf ist Kabarettist,<br />

Buchautor und von Herzen Allgäuer<br />

Willkommen im Allgäu<br />

Griaß Gott mitanand<br />

Willkommen im freundlichen Urlaubsland<br />

In kristallklarer Luft, in einem Stückchen heile Welt<br />

ist für euch alles bestens zum Urlaub bestellt<br />

Wir haben euch keinen Walt Disney zu bieten,<br />

wir sind noch Original<br />

Unsere Landschaft hat der König Ludwig geliebt<br />

und der Prinzregent aus München kam gerne ins Ostrachtal<br />

Mit der Sprache do isch es denn verreckt<br />

des isch so a Sach mit deam Dialekt<br />

Den lernen sie nie in den paar Urlaubswochen,<br />

doch trösten sie sich:<br />

Dafür sprechen wir das Hochdeutsch nur gebrochen<br />

Sie teilen dieses Schicksal mit den meisten<br />

von uns hochgeschätzten Zugereisten<br />

Und so mancher mit Gamsbart und Edelweiß<br />

isch it selten von Berlin ein Schtockbreiß<br />

und so mancher in der Lederhose fühlt sich ganz echt<br />

und wenn er den Mund aufmacht, no isch es a Frank – Allmecht<br />

und ganz hektisch werden die Skipisten grummet<br />

wenn d’ Baden-Württemberger kommed<br />

Doch gerade diese Mischung ist genial<br />

die ist schon wieder Original<br />

Und darum freuen wir uns alle mitanand<br />

an unserem herrlichen Allgäuer Land<br />

und wir laden sie ganz herzlich ein<br />

auch in Zukunft unsere Gäste zu sein!<br />

Und findet des irgendjemand – it schi (nicht schön),<br />

dann isch uns des jetzt alle mitanond – gli (egal)<br />

Ab sofort haben Sie das aktuelle Magazin<br />

zum Allgäuer Wandersommer immer dabei!<br />

E-Paper für<br />

2,50 Euro<br />

www.wandermagazin-allgaeu.de<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

73


Freizeit<br />

Immer wieder<br />

samstags<br />

Kurzinfo<br />

Schnell bergab geht es<br />

auf der Sommerrodelbahn<br />

der Alpsee Bergwelt<br />

Alpsee Bergwelt<br />

Ratholz 24<br />

D-87509 Immenstadt<br />

Tel. 08325/252<br />

info@alpsee-bergwelt.de<br />

www.alpsee-bergwelt.de<br />

Rasant rodeln, hoch klettern<br />

Immenstadt: Die Alpsee Bergwelt<br />

zwischen Immenstadt und Oberstaufen<br />

lädt in dieser Saison wieder<br />

zu Fahrten auf Deutschlands längster<br />

Ganzjahresrodelbahn ein. Auf<br />

einer Strecke von knapp drei Kilometern<br />

führt die Fahrt in 68 Kurven<br />

ins Tal. Vom 23. Mai bis 6. Juni<br />

und vom 11. Juli bis 12. September<br />

wird der Betrieb dank Flutlichtan-<br />

Oberstdorf: Nach einer einjährigen<br />

Pause kommt der Musiksommer<br />

zwischen 30. Juli und 15. August<br />

unter künstlerischer Leitung<br />

von Eckhard Fischer zurück nach<br />

Oberstdorf. Mit 7 Meisterkursen,<br />

16 Konzertveranstaltungen und<br />

dem traditionellen »Abend der Begegnung«<br />

feiert der Oberstdorfer<br />

Musiksommer eine Neuauflage.<br />

Das Eröffnungskonzert mit dem<br />

Kammerorchester arcata Stuttgart<br />

findet am 30. Juli um 20 Uhr in der<br />

Katholischen Pfarrkirche statt.<br />

Weitere Informationen zu Konzer-<br />

lage jeden Mittwoch und Samstag<br />

bis 22 Uhr verlängert. Auch im<br />

nahegelegenen Kletterwald Bärenfalle,<br />

Bayerns größtem Hochseilgarten,<br />

kommt in 20 Metern Höhe<br />

keine Langeweile auf. Von der<br />

Bergstation der Alpsee Bergwelt<br />

aus führen zahlreiche Wanderwege<br />

in die schöne Bergwelt des Naturparks<br />

Nagelfluhkette.<br />

Meisterkurse und Konzerte<br />

Das Abschlusskonzert des Oberstdorfer<br />

Musiksommers gibt das Marimba<br />

Quartett am 15. August<br />

ten, Künstlern und Meisterkursen<br />

gibt es unter www.oberstdorfermusiksommer.de.<br />

Das Festivalbüro<br />

ist erreichbar unter der Telefonnummer<br />

08322/959-2005.<br />

Foto: Alpsee Bergwelt<br />

Foto: Oberstdorfer Musiksommer<br />

Westallgäu: An 24 Samstagen<br />

heißt es in diesem Jahr: »Ich bin<br />

dann mal weg.« Mit Startpunkten<br />

in mehreren Gemeinden im Westallgäu<br />

machen sich Menschen gemeinsam<br />

auf den Weg zum »Samstagspilgern«.<br />

Mit einer erfahrenen<br />

Pilgerbegleitung geht es mal über<br />

weiche Wald- und Wiesenwege,<br />

mal auf schmalem Pfad in die Höhe<br />

oder auch mitten über den Rathausplatz.<br />

Viele der Touren stehen<br />

unter einem bestimmten Motto wie<br />

beispielsweise »Wenn die Stille zu<br />

mir spricht« oder »Ökumenisch<br />

miteinander unterwegs«. Das »Mitpilgern«<br />

ist kostenlos. Die Strecken<br />

sind unterschiedlich lang – von<br />

eineinhalb bis zu sechseinhalb<br />

Stunden kann die Wanderung dauern.<br />

Die Touren sind meist so angelegt,<br />

dass eine Rückkehr zum<br />

Ausgangspunkt mit Bus oder Bahn<br />

möglich ist.<br />

Das Samstagspilgern-<br />

Programm wurde erstmals<br />

2013 unter dem Dach der<br />

»Kraftquelle Allgäu« aufgelegt<br />

Kurzinfo<br />

Das Programmheft »Samstags-<br />

pilgern« gibt es in den Tourist-<br />

Informationen im Westallgäu und in<br />

der Ferienregion Allgäu-Bodensee<br />

oder unter<br />

www.kraftquelleallgaeu.de<br />

Foto: Landratsamt Lindau (Bodensee), Rolf Brenner<br />

74 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Freizeit<br />

Anzeigen<br />

Der Tanz der wilden Männer<br />

Oberstdorf: Alle fünf Jahre wird es<br />

mystisch in Oberstdorf: Moosbedeckt<br />

und urtümlich stampfen<br />

dann die »Wilden Mändle« über<br />

die Bühne der Oybele Festhalle.<br />

Die erste komplette Beschreibung<br />

des Tanzes findet sich 615 nach<br />

Christus. Mit geringen Änderungen<br />

hat sich der Tanz im Schutz der<br />

Gebirgstäler bis heute in Oberstdorf<br />

gehalten und wird vom Gebirgstrachten-<br />

und Heimatschutzverein<br />

zur Huldigung heidnischer<br />

Götter und zur Faszination des<br />

sterblichen Publikums aufgeführt.<br />

Karten gibt es beim Tourismusamt<br />

in Obersdorf, Prinzregentenplatz 1,<br />

Tel. 08322/700-290 und per E-Mail:<br />

kartenvorverkauf@oberstdorf.de<br />

Die »Wilden Mändle«<br />

tanzen am:<br />

• 13. Juni, 20 Uhr<br />

• 27. Juni, 20 Uhr<br />

• 17. Juli, 20 Uhr<br />

(Freiluftveranstaltung am Renksteg)<br />

• 25. Juli, 20 Uhr<br />

• 9. Aug., 13.30 Uhr<br />

• 22. Aug., 20 Uhr<br />

• 5. Sept., 20 Uhr<br />

• 26. Sept., 20 Uhr<br />

Foto: Trachtenverein Oberstdorf, Herbert Gruber<br />

Der heidnische »Wilde-Mändle-Tanz« wird nur alle fünf Jahre aufgeführt<br />

Auflösung zum Kinderrätsel auf Seite 88<br />

E B N T D K U H N I G U N D E<br />

E H I A O H C G U J M E D U W A<br />

R F S I B N O A N A E R K F R S<br />

N R E T E D E I A R T N A S X P<br />

A A H U R U B E L L A K E H A E<br />

L N L E T T P R A V Y E G M T I<br />

D Z I N A A E I N E R S A E S V<br />

T U E S V D K M D O Q K L U N B<br />

A E S E L M A B C U F O F D I I<br />

J W E Q E L F G W S H F E O G P<br />

R K L U S M D M A B D E K R B E<br />

B E N Y L R T A J L O L I I A N<br />

Z L A I O A N L S E I F O S P K<br />

E D X A E K R O S A R I L L E R<br />

U A D E G T O T E I N E F D I T<br />

C T O M O M A R T A E I L A L H<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

75


Freizeit<br />

Vergessenes ins Licht gerückt<br />

Kurzinfo<br />

Schwäbisches<br />

Bauernhofmuseum Illerbeuren<br />

Museumstraße 8<br />

87758 Kronburg-Illerbeuren<br />

Tel. 08394/1455<br />

Fax 08394/1454<br />

E-Mail:<br />

info@bauernhofmuseum.de<br />

www.bauernhofmuseum.de<br />

Bei den Handwerkertagen<br />

führt eine Sattlerin den fast<br />

ausgestorbenen Beruf vor<br />

Foto: Schwäbisches Bauernhofmuseum Illerbeuren/Tanja Kutter<br />

Illerbeuren: Das Bauernhofmuseum<br />

begeht heuer sein 60-jähriges<br />

Jubiläum. Am 11. Juni 1955 öffnete<br />

das Freilichtmuseum erstmals seine<br />

Pforten. Für das Jubeljahr haben<br />

sich die Betreiber einige Höhepunkte<br />

einfallen lassen: Der Tag<br />

der Volksmusik am 12. Juli findet<br />

in Kombination mit einem zweitägigen<br />

Trachtenmarkt statt. Die<br />

Sommerferien werden mit dem<br />

Kinderfest am 2. August begrüßt,<br />

in den Wochen danach erwarten<br />

die kleinen Besucher Ferienangebote<br />

vom Heupuppen basteln bis<br />

zum Fladen backen. Bei der beliebten<br />

Museumsnacht am 8. August<br />

von 20 Uhr bis Mitternacht wird<br />

das Gelände stimmungsvoll mit<br />

Fackeln beleuchtet. Es gibt Mitmachstationen<br />

für Kinder, Spuk<br />

und Schabernack im Gelände, eine<br />

gruselige Märchenstunde und – an<br />

verschiedenen Stellen im Gelände<br />

– feurige Höhepunkte. Nicht zuletzt<br />

wird an den Handwerkertagen<br />

am 12. und 13. September traditionelles,<br />

zum Teil vergessenes Handwerk<br />

vorgeführt.<br />

Von Hänsel und Gretel gegründet<br />

Die Herstellerfirma der kleinen<br />

Bimmelbahn von 1965 gibt es längst<br />

nicht mehr. Ersatzteile anfertigen und<br />

Reparaturen liegen inzwischen ganz in<br />

der Hand der Parkleiter<br />

Fotos: Schongauer Märchenwald<br />

Kurzinfo<br />

Schongauer Märchenwald<br />

und Tierpark<br />

Dießener Straße 6<br />

86956 Schongau<br />

Tel. 08861/7527<br />

Fax 08861/200509<br />

E-Mail: info@schongauermaerchenwald.de<br />

www.schongauermaerchenwald.de<br />

Schongau: Das beliebte Familienziel<br />

in der Allgäuer Nachbarschaft,<br />

der Schongauer Märchenwald, feiert<br />

heuer sein 50. Jubiläum. Im<br />

1965 von Hans und Gretl (kein<br />

Scherz) Schmid gegründeten, zwischen<br />

Schongau und Peiting gelegenen<br />

Vergnügungspark hat sich<br />

einiges verändert. So kamen in den<br />

vergangenen Jahren ein neuer Kinderspielplatz,<br />

ein Klettergarten und<br />

der Gastraum »Märchenstube«<br />

hinzu. 2014 wurde der Park durch<br />

den Erlebniswald mit Spazierwegen<br />

und Stationen rund um Wald und<br />

Natur vergrößert. Nur die kleine<br />

Oldtimer-Eisenbahn aus dem Jahr<br />

1965 dreht noch ihre Runden. Neben<br />

den bewegten und erzählenden<br />

»Märchenhäuschen«, die je einer<br />

Märchengeschichte<br />

gewidmet sind, ist der Tierpark beliebt:<br />

Froschkönige, Meckerziegen<br />

und Goldesel sind hier zu Hause<br />

und bekommen im Jubiläumsjahr<br />

wohl das eine oder andere Extra-<br />

Leckerchen.<br />

76 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Freizeit<br />

Anzeigen<br />

Mit langen Löffeln<br />

und lautem »I-aah«<br />

Wolfegg: Eselbesitzer und Freunde<br />

der sturen Langohren kommen<br />

beim 6. Eseltreffen am 19. und 20.<br />

September im Bauernhaus-Museum<br />

zusammen. Jeweils von 10 bis<br />

17 Uhr präsentieren sich die grauen<br />

Gefährten in Wettbewerben und<br />

moderierten Vorführungen. Dabei<br />

erfahren die Besucher alles über<br />

Herkunft, Charakter und Haltung<br />

der Vierbeiner. An den Ausstellerständen<br />

gibt es Zubehör für und<br />

über Esel. Im Museumsdorf gibt es<br />

am Sonntag einen Bauernmarkt.<br />

Zwei Wochenenden davor, am 5.<br />

und 6. September, lohnt das große<br />

Museumsfest einen Besuch: Zu Gast<br />

sind über 70 Handwerker und<br />

Handarbeiterinnen, die ihre traditionellen<br />

Handwerkskünste vorführen<br />

und seltene, historische Werkzeuge<br />

und Gerätschaften zeigen.<br />

Kurzinfo<br />

Bauernhaus-Museum Wolfegg<br />

Vogter Straße 4<br />

88364 Wolfegg<br />

Tel. 07527/9550-0<br />

Fax 07527/9550-10<br />

E-Mail: info@bauernhaus-museum.de<br />

www.bauernhaus-museum.de<br />

Beim Eseltreffen in Wolfegg<br />

präsentieren stolze<br />

Besitzer ihre Esel – und umgekehrt<br />

»Lauf du doch alleine Slalom«, denkt<br />

sich der graue Wettbewerbsteilnehmer<br />

im Bild unten. Manchmal muss man der<br />

nachgesagten Sturheit eben doch<br />

gerecht werden...<br />

Foto: Bauernhaus-Museum Wolfegg<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

77


Freizeit<br />

Des Ritters neue Kleider<br />

Schüler der Freien Schule Allgäu<br />

durften als Erste in die<br />

neuen Gewänder schlüpfen<br />

Foto: Gästeamt Wangen<br />

Wangen: Die mittelalterliche Kinderführung<br />

»Von Rittern, Räubern<br />

und Rabauken« startet in neuer<br />

Gewandung in die Saison. Für die<br />

jungen Teilnehmer schneiderte Kostümbildnerin<br />

Diana Leist-Keller<br />

neue Kostüme. Die neuen Gewänder<br />

für die Ritter, Räuber und<br />

Burgfräulein sind nach mittelalterlicher<br />

Vorlage aus Stoffen wie Leinen<br />

und Baumwolle gefertigt. Die<br />

einstündige Stadtführung findet<br />

am 27. Juni, 25. Juli, 8. August, am<br />

12. und 26. September sowie am<br />

10. Oktober jeweils um 17.30 Uhr<br />

statt. Die Kosten betragen fünf<br />

Euro pro Person. Kinder unter sieben<br />

Jahren müssen von einem Erwachsenen<br />

begleitet werden.<br />

Kurzinfo<br />

Gästeamt Wangen<br />

Bindstraße 10<br />

88239 Wangen im Allgäu<br />

Tel. 07522/74-211<br />

Fax 07522/74-214<br />

E-Mail: info@wangen.de<br />

www.wangen.de<br />

Die Polizei macht’s vor<br />

Kurzinfo<br />

Deutscher Alpenverein e.V.<br />

Bundesgeschäftsstelle<br />

Von-Kahr-Straße 2-4<br />

80997 München<br />

Tel. 089/14003-0<br />

Fax 089/14003-23<br />

E-Mail: info@alpenverein.de<br />

www.alpenverein.de<br />

Bayern: Der Deutsche Alpenverein<br />

(DAV) hat ein neues Logo: Statt wie<br />

bisher in Grün präsentiert sich der<br />

Verein – wie die bayerische Polizei<br />

– ab jetzt in Blau. Zwei Enzianblüten<br />

ersetzen das alte Edelweißmotiv.<br />

2013 begrüßte der Alpenverein<br />

das millionste Mitglied. Vor diesem<br />

Hintergrund suchte der DAV ein<br />

neues Identifikationssymbol, denn<br />

das Edelweiß ist nur in alpinen Höhenlagen<br />

vorzufinden und eine seltene<br />

Pflanze. Der Enzian hingegen<br />

kommt auch in niedrigeren Lagen<br />

und wesentlich häufiger vor. So<br />

wird das Identifikationssymbol des<br />

DAV für eine breitere Masse tauglich<br />

– nahezu alle Wanderer haben<br />

die Chance, den Enzian bei einem<br />

Ausflug vorzufinden. Zur Einführung<br />

des neuen Logos gibt es außerdem<br />

den richtigen »Enzian« in<br />

einer eigens für den DAV hergestellten<br />

Sonderedition: Der klassische<br />

Enzianschnaps aus den Berchtesgadener<br />

Alpen ist ab sofort unter<br />

dav-shop.de erhältlich.<br />

Anzeige<br />

78 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Freizeit<br />

Maja spielt die Hauptrolle<br />

Immenstadt/Sonthofen: Bis zum<br />

18. Oktober summt es im Bergbauernmuseum<br />

in Immenstadt-Diepolz<br />

und im Heimathaus Sonthofen:<br />

Das Heimathaus erzählt in seiner<br />

Sonderausstellung »Wachsweich<br />

& Honigsüß« vom arbeitsreichen<br />

Leben der Bienen und ihrer<br />

Bedeutung für Mensch und Umwelt.<br />

Zeitgleich dazu zeigt das Allgäuer<br />

Bergbauernmuseum Diepolz<br />

die Sonderausstellung »Altes Streuobst<br />

neu entdecken« – auch für den<br />

Obstanbau leistet die Biene den unverzichtbaren<br />

Bestäubungsdienst.<br />

Beide Sonderausstellungen begleitet<br />

ein umfangreiches Rahmenprogramm<br />

vom Wachskerzenziehen<br />

bis zu Imkervorträgen.<br />

Foto: Naturfoto Hofmann<br />

Viel Spannendes über die<br />

summenden Bestäuberinnen<br />

erfährt man bei den<br />

laufenden Ausstellungen in<br />

Diepolz und Sonthofen<br />

Kurzinfo<br />

Heimathaus Sonthofen<br />

Sonnenstraße 1<br />

D-87527 Sonthofen<br />

Tel. +49 8321 3300<br />

www.sonthofen.de/<br />

Kultur/Museen/Heimathaus<br />

Allgäuer Bergbauernmuseum,<br />

Diepolz 44<br />

D-87509 Immenstadt<br />

Tel. +49 8320 709670<br />

www.bergbauernmuseum.de<br />

Anzeigen<br />

So viele Gäste wie noch nie<br />

Foto: Allgäu GmbH<br />

Allgäu: Neuer Rekordwert für den<br />

Tourismus - noch nie haben so viele<br />

Urlauber das Allgäu besucht wie<br />

im vergangenen Jahr. Die Anzahl<br />

der Gäste stieg um 90.938 auf über<br />

drei Millionen, was einer Steigerung<br />

von 3,1 Prozent entspricht.<br />

Auch die Übernachtungen nahmen<br />

um 0,4 Prozent auf 11,16 Millionen<br />

zu, das entspricht 44.226 mehr<br />

Übernachtungen. Mit diesem erfreulichen<br />

Wachstum setzt das Allgäu<br />

seine Erfolgsgeschichte fort: Im<br />

Vergleich der letzten elf Jahre stieg<br />

die Anzahl der Gäste um 57,4 Prozent,<br />

damit konnte über eine Million<br />

neue Gäste im Allgäu begrüßt<br />

werden. Die Zahlen des Bayeri-<br />

Immer mehr Gäste entscheiden sich<br />

für einen Urlaub im Allgäu. Der<br />

Tourismus behauptet sich somit als<br />

wichtige Allgäuer Leitökonomie<br />

schen Landesamtes für Statistik bescheinigen<br />

der Region, eines der<br />

beliebtesten Urlaubsgebiete Bayerns<br />

zu sein.<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

79


Dialekt<br />

Ein Ort<br />

himmlischer Schönheit<br />

Dass das Allgäu zu den schönsten Regionen überhaupt gehört, ist für<br />

viele Einheimische gar keine Frage. Eine von ihnen, die Mundartdichterin<br />

Cornelia Beßler, bringt in ihrem Gedicht »Himlsbuind« die Bewunderung<br />

für ihre Heimat, die sich während des <strong>Alpsommer</strong>s besonders strahlend<br />

zeigt, in Versform und Dialekt zum Ausdruck<br />

Fotos: Isabell Beßler, Volker Wille<br />

Himlsbuind<br />

Iesre Bearg miesset d’Buind vum Himl sing:<br />

wo sus schmeckt‘s Brunnewasser wie a Wing?<br />

Wo dünkt uin a Rongge Broat so güet –<br />

wo schepft ba wieder nuian Müet?<br />

Wo dearf ba fier a Wiele d`Soarga vergeasse –<br />

wo müess se kuina mit am Ôndre measse?<br />

Wo ischt es gli, was de hôscht oder bischt –<br />

wo denkt ba itt dra, was dermoanats ischt?<br />

Wo muit ba, sovil schis hab ba nie gsea –<br />

wo kummet d’Engel so näch zu uim hea?<br />

Wo heart ba gônz dittle die inner’ Stimm?<br />

Iesre Bearg miesset d’Buind vum Himl sing!<br />

Mit freundlicher Genehmigung von Cornelia Beßler<br />

(aus »Schealewengesch: Ostrachtaler Mundart«,<br />

mit Beiträgen von Cornelia Beßler und Sepp Schmid,<br />

Ursus Verlag, Bad Hindelang 2006)<br />

Himmelsvorgarten<br />

Unsere Berge müssen der Vorgarten vom Himmel sein:<br />

wo sonst schmeckt denn Wasser so gut wie Wein?<br />

Wo schmeckt einfaches Brot so gut?<br />

Wo schöpft man wieder neuen Mut?<br />

Wo darf man eine Zeit lang alle Sorgen vergessen?<br />

Wo muss sich keiner mit einem anderen messen?<br />

Wo ist es egal, was du hast oder bist?<br />

Wo denkt man nicht daran, was morgen ist?<br />

Wo meint man, so viel Schönes hätte man noch nie gesehn?<br />

Wo kommen die Engel ganz nah zu dir her?<br />

Wo hört man ganz deutlich die innere Stimme?<br />

Unsere Berge müssen der Vorgarten vom Himmel sein!<br />

Cornelia Beßler<br />

80 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Anzeigen<br />

12,80 €<br />

Best.-Nr 044<br />

Diesen und weitere Artikel finden<br />

Sie in unserem Online-Shop unter<br />

www.edition-allgaeu.de


Medien<br />

99 x Allgäu<br />

das »Gepfefferte Ärschle« in Wan-<br />

Rahim Taghizadegan, 268<br />

wie Sie es noch nicht kennen<br />

gen beißen sollte, verrät das Buch.<br />

Seiten, zahl reiche farbige<br />

Abbildungen, Preis: 21,95 Euro;<br />

Viele Reiseführer versprechen es –<br />

Von Alexander Pohle, 192 Seiten,<br />

ISBN 978-3-7104-0004-9,<br />

in diesem handlichen Büchlein fin-<br />

90 Abbildungen, Broschur,<br />

Servus Verlag, Salzburg <strong>2015</strong><br />

den sich tatsächlich mehrere Ge-<br />

Preis: 13,99 Euro; ISBN 978-3-<br />

heimtipps abseits von Neuschwanstein,<br />

denen nicht nur Urlauber<br />

7654-8298-4, Bruckmann Verlag,<br />

München <strong>2015</strong><br />

<strong>Viehscheid</strong><br />

nachgehen können. Die Ausflugs-<br />

Allgäu-Krimi<br />

ziele sind in West-, Ost-, Unterund<br />

Oberallgäu untergliedert. Vom<br />

letzten »Tante-Emma-Kaufhaus« in<br />

Die Alpen -<br />

philosophie<br />

Im Herbst, wenn<br />

die Kühe ins Tal ge-<br />

Wolfegg über eine »Wüstenschiff-<br />

trieben werden, fei-<br />

Fahrt« zur einzigen Allgäuer Ka-<br />

»Sinnieren«<br />

ern die Allgäuer <strong>Viehscheid</strong>. So<br />

melfarm bei Halblech bis hin zur<br />

nennen es die<br />

auch im Weißachtal. Doch diesmal<br />

»Schoko-Kuhfladen-Manufaktur«<br />

Allgäuer, wenn<br />

überschattet der plötzliche Tod der<br />

in Sonthofen führt die Reise. Auch,<br />

sie über etwas in-<br />

jungen Sennerin Resi das ausgelas-<br />

warum man unbedingt einmal in<br />

tensiv nachdenken, als »philoso-<br />

sene Volksfest. Unglück oder Ver-<br />

phieren« bezeichnen es die Städter<br />

brechen? Hütejunge Ludwig, Zeuge<br />

Buchtipp<br />

aus dem Flachland. Die beiden Philosophen<br />

Eugen Maria Schulak und<br />

des Geschehens, scheint eine<br />

dunkle Ahnung zu haben. Was ge-<br />

Rahim Taghizadegan machten sich<br />

schah kurz zuvor nachts auf der<br />

Allgäu<br />

auf die Spurensuche nach vergessenen<br />

ländlichen Weisheiten und<br />

Sternmoosalpe, wo sich nicht nur<br />

Resi und Ludwig, sondern auch<br />

Wo es am schönsten ist<br />

Werten. Dazu bereisten sie den ge-<br />

Resis Freund, ihre Kollegin und<br />

samten Alpenraum und trafen sich<br />

zwei aufdringliche Verehrer aufge-<br />

Grüne Berge, Seen, Königs-<br />

mit Bauern, Handwerkern und<br />

halten hatten? Die Kommissare<br />

schlösser – stimmungsvolle,<br />

Traditionshütern in kleinen Dör-<br />

Gerd Bachhuber und Penelope<br />

zum Teil ganzseitige Bilder<br />

Kultur,<br />

fern, verwinkelten Tälern und<br />

Murks machen sich an die Aufklä-<br />

und kurzweilige Texte ma-<br />

Land und Leute. Ideal, wenn<br />

Wirtshausstuben. Es entstand ein<br />

rung des Falls und werden mit wei-<br />

chen Lust, die schönsten Orte<br />

man in kompakter Form mög-<br />

eindrucksvolles Werk um die tiefen<br />

teren Todesfällen konfrontiert…<br />

des Allgäus zu bereisen. 30<br />

lichst viele Eindrücke und Infor-<br />

Weisheiten des einfachen Lebens in<br />

Der solide Allgäu-Krimi bietet al-<br />

regionale Ausflugsziele laden<br />

mationen über die schönsten Ur-<br />

einem hochgelegenen Land. »Die<br />

les, was das Genrefreunde-Herz<br />

Kurzurlauber und Kurzent-<br />

laubsziele im Allgäu sammeln<br />

Alpenphilosophie« ist kein hoch-<br />

begehrt: Eine packende Handlung<br />

schlossene zur Erkundung<br />

möchte.<br />

trabendes Fachbuch, sondern ein<br />

mit Lokal-Charme von der ersten<br />

ein. Der Bildband begleitet<br />

Almanach, der Wertvolles festhält<br />

bis zur letzten Seite, getragen von<br />

auf einer Reise in den Luft-<br />

Von Michael Pröttel und<br />

und in Erinnerung ruft. Dazu tra-<br />

sympathischen und klischeefreien<br />

kurort Scheidegg oder zu<br />

Martin Siepmann, 96 Seiten,<br />

gen die zahlreichen, oft ganzseiti-<br />

Protagonisten.<br />

Wasserburgs Seepromenade,<br />

200 Abbildungen, Hardcover,<br />

gen Farbfotos bei.<br />

zeigt, wo das schönste Alpen-<br />

Preis: 16,99 Euro, ISBN 978-3-<br />

Von Klaus Beese, 231 Seiten,<br />

panorama zu finden ist und<br />

7654-8966-2, Bruckmann<br />

Eine Spurensuche nach verges -<br />

Broschur, Preis: 12,80 Euro;<br />

enthält Wissenswertes über<br />

Verlag, München <strong>2015</strong><br />

senen Weisheiten und Werten,<br />

ISBN 978-3-89841-771-6,<br />

von Eugen Maria Schulak und<br />

Schardt Verlag, Oldenburg <strong>2015</strong><br />

82 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


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Holen Sie sich das Allgäu nach Hause<br />

Der Panorama-Kalender:<br />

Allgäuer Ansichten 2016<br />

im XXL-Format 100 x 39 cm, ISBN 978-3-95805-002-0,<br />

Bestell-Nr. 063<br />

für 24,80 Euro<br />

Der Klassiker:<br />

Allgäu-Kalender 2016<br />

im Querformat 42 x 30 cm<br />

ISBN 978-3-95805-001-3<br />

Bestell-Nr. 062 für 12,80 Euro<br />

Der Braunvieh-Kalender:<br />

Kuh-Kalender 2016<br />

im Querformat 42 x 30 cm<br />

ISBN 978-3-95805-000-6<br />

Bestell-Nr. 061 für 12,80 Euro<br />

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EDITION ALLGÄU, Lachener Weg 2, 87509 Immenstadt-Werdenstein<br />

Tel. 08379/728616, Fax 08379/728018, E-Mail info@heimat-allgaeu.info


Historie<br />

Kinderspiele<br />

aus Großmutters Zeit<br />

Ob »Flüsterpost« oder »Kaiser, Kaiser, wie viele Schritte<br />

schenkst du mir?«: Man weiß nicht mehr alle Regeln auswendig,<br />

doch die Spiele, die einem als Kind den Alltag<br />

füllten, vergisst man nie. Viele Kinderspiele sind weltweit<br />

bekannt – und manche wurden nur im Allgäu gespielt<br />

Um das Jahr 1560 herum schuf der niederländische<br />

Künstler Pieter Bruegel der Ältere sein<br />

weltberühmtes Gemälde »Die Kinderspiele«.<br />

Über 200 Kinder toben und tollen auf dem Ölgemälde<br />

herum und spielen Spiele der damaligen Zeit. Schaut<br />

der Betrachter heute genauer hin, ist es überraschend,<br />

wie viele der Zeitvertreibe er noch wiedererkennt –<br />

fast ein halbes Jahrtausend später und über eine Landesgrenze<br />

hinweg.<br />

Kindern sind Landesgrenzen und Sprachunterschiede<br />

relativ »wurscht«. Wer schon mal mit dem eigenen<br />

Nachwuchs außer Landes gereist ist, wird berichten<br />

können, wie schnell die jüngsten Urlauber sich mit<br />

Fremdsprachen und »ausländischem« Aussehen arrangieren,<br />

sobald sie einen Spielkameraden gefunden<br />

haben.<br />

Heutzutage, wo Mädchen und Buben oft lieber auf ihren<br />

neuen Smartphones herumdrücken und gespannt<br />

vor dem Bildschirm bei »Deutschland sucht den<br />

Superstar« mitfiebern, geraten viele der alten Spiele in<br />

Vergessenheit.<br />

Früher hatten die Sprösslinge noch nicht die unendlichen<br />

Möglichkeiten der Technologie, um ihre wegen<br />

Mitarbeiten-Müssen im Elternhaus ohnehin eingeschränkte<br />

Zeit zu füllen. Sie mussten sich, gerade in<br />

ländlich geprägten Regionen wie dem Allgäu, eigene<br />

Möglichkeiten zur Beschäftigung einfallen lassen. Die<br />

sogenannte »kreative Armut« soll hier als Stichwort<br />

84 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


»Fehla« unerwünscht<br />

fallen – wenn man als Kind nicht den Segen reicher<br />

Eltern hatte, die einem damals teures Spielzeug kauften,<br />

musste man halt schauen, wo man bleibt. Auf diesem<br />

Wege sind zum Beispiel bei den jungen Vieh -<br />

hirten im <strong>Alpsommer</strong> eine ganze Reihe eigens erfundener<br />

Spielideen entstanden: manche vielleicht nicht<br />

originell, andere ein bisschen von den weltweit bekannten<br />

abgekupfert. Das hielt die Allgäuer Sprösslinge<br />

jedoch nicht davon ab, lärmend und raufend durch<br />

die Gassen zu tollen. Populäre Spiele wie »Ochs am<br />

Berg« oder »Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?«<br />

sind dabei wohl genauso oft gespielt worden wie eigene<br />

Ideen, die nicht so verbreitet waren und die heute<br />

kaum noch einer kennt.<br />

Gemälde: Pieter Bruegel d. Ä., Kunsthistorisches Museum Wien; Illustration: Bianca Elgaß<br />

Die »Fehla«, also die jungen Mädchen, haben die Buben<br />

bei ihren wilden Spielen so gar nicht brauchen<br />

können. Schnell sind sie bei einer freundschaftlichen<br />

Rauferei auf dem Hosenboden gelandet, und dann war<br />

das »Geplärre« groß. Und gepetzt haben sie nachher<br />

auch noch. Nein, der männliche Nachwuchs blieb bei<br />

den meisten Spielen lieber unter sich.<br />

So haben es im Endeffekt – nach mehrfacher männlicher<br />

Zurückweisung oder eben wegen des schmerzenden<br />

Hosenbodens – die jungen Damen auch<br />

gehalten. Sie erbettelten sich, statt mit den<br />

Lausbuben durch Dorfgassen und über Wiesen<br />

zu tollen, lieber ein paar Stoffreste von der<br />

Mutter, aus denen sie wunderbar Kleidchen<br />

und Hüte für die »Baabl«, das<br />

Puppenkind, schneidern konnten.<br />

Diese Puppen darf man sich aber<br />

nicht vorstellen wie die schlanken, massenproduzierten<br />

Barbies, wie sie zu Tausenden die Regale der Spielzeugmärkte<br />

säumen.<br />

Für die meisten jungen Mädchen aus weniger gut<br />

betuchten Häusern war es schon etwas Besonderes,<br />

überhaupt ein gekauftes Püppchen zu besitzen. Wer<br />

gleich mehrere besaß, der war schon eine gewisse<br />

Respektsperson in weiblichen Kreisen. Das ist wohl<br />

etwas, was sich bis heute nicht geändert hat: Mit einem<br />

neuen Spielzeug kann sich der Freundeskreis bisweilen<br />

drastisch vergrößern.<br />

Einsdreißig große »Allgäuer Mächlar«<br />

Was nun den Mangel an teuer erworbenen Spielzeugpuppen<br />

angeht: Hier bewies sich manches junge Mädchen<br />

bereits als echter »Allgäuer Mächlar« (ein häufig<br />

verwendeter Begriff für einen Allgäuer, der sich die<br />

Dinge, die er braucht, einfach selber zusammenbastelt,<br />

eben ein »Macher«). Aus einem abgenutzten Strumpf,<br />

mit weichem Material gefüllt, zwei Knöpfen für die<br />

Augen und etwas Wollresten für die Haare ließ sich<br />

ohne Weiteres eine kleine Freundin herstellen.<br />

Generell war man als Kind, mit etwas Kreativität und<br />

handwerklichem Geschick gesegnet oder einem<br />

Elternteil mit diesen Eigenschaften, klar im Vorteil.<br />

Für Knaben war es zum Beispiel undenkbar, ohne<br />

Sackmesser aus dem Haus zu gehen. »Halbe nackat«<br />

war man dann. Peinlich, wenn man sich einen Wurfspeer<br />

fürs »Stichlspiel« (ein Wettwerfen mit angespitzten<br />

Stecken) zurechtschnitzen wollte und einen<br />

Freund nach dessen »Measser« fragen musste. Auch<br />

vertrieben sich viele »Hirtebuebe« die Zeit mit »Schnipfle«,<br />

Schnitzen, wenn sie im <strong>Alpsommer</strong> droben auf<br />

dem Berg das Vieh hüten mussten. So mancher entdeckte<br />

und entwickelte dabei seine handwerklichen<br />

Fertigkeiten. Ebenso, wie die »Fehla« im Tal beim modischen<br />

Ausstaffieren ihrer Puppen nebenbei das<br />

Schneiderhandwerk übten. Ob das Herumdrücken auf<br />

dem Touchscreen vom neuen »iPhone 7« denselben<br />

Effekt hat, wird sich zeigen. Viola Elgaß <br />

Das Kasten hüpfen wurde von den<br />

Allgäuer Kindern »Käschtle jucke«<br />

genannt und war wie das »Seil<br />

jucke« hauptsächlich ein Spiel für<br />

Mäd chen. Ziel war und ist immer,<br />

das letzte Kästchen zu erreichen.<br />

Manchmal nur auf einem Bein,<br />

manchmal einen Stein auf dem<br />

Kopf balancierend<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

85


Historie<br />

der Viehhirte, der nicht nur versuchen musste, der<br />

armen Bergziege wieder auf die Beine zu helfen, sondern<br />

gleichzeitig die bösen Buben daran hindern<br />

musste, ihr Wurfzeug zurückzuholen. Schaffte er es,<br />

die Gaiß wieder aufzustellen und den Übeltäter abzuklatschen,<br />

musste dieser in der nächsten Runde den<br />

Platz des »Gaißars« annehmen.<br />

Ringlein, Ringlein<br />

Beliebt waren und sind natürlich auch die sogenannten<br />

»Versspiele«. Das bezeugt allein ihre große Zahl.<br />

Bekannt und weit verbreitet – nicht nur im Allgäuer<br />

Raum – war das Ringlein-Spiel. Die Kinder stellten<br />

sich möglichst eng im Kreis auf, den »Ringsucher« in<br />

der Mitte. Den altbekannten Vers »Ringlein, Ringlein,<br />

du musst wandern, von der einen Hand zur andern,<br />

Ringlein, Ringlein, bleib nicht steh‘n! Ringlein, du<br />

musst weitergeh‘n…« (verschiedene Allgäuer Dialekte<br />

färbten die Worte unterschiedlich ein) singend, gaben<br />

die Kreiskinder einen versteckten Ring unauffällig<br />

hinter ihrem Rücken weiter. Glaubte das Kind in der<br />

Mitte, den Ring entdeckt zu haben, stoppte das Lied,<br />

und der Verdächtige musste seine Hände zeigen. Hatte<br />

er ihn nicht, ging das Spiel weiter. Wurde der Ring tatsächlich<br />

entdeckt, musste der »aufgeflogene« Ringhalter<br />

den Platz mit dem Sucher tauschen.<br />

Streckkatza<br />

Gaiß, fall um<br />

Ein sehr beliebtes – und wegen der wenigen benötigten<br />

Spielmaterialien sehr einfaches – Spiel war das<br />

»Gaißwearfe«: Die Buben stellten einen Holzscheit<br />

möglichst stabil stehend auf die Wiese. Diese »Gaiß«<br />

galt es umzuwerfen. Hinter einer beliebig markierten<br />

Trennlinie standen die Spieler, die mit Stöcken, Holzstücken,<br />

selten auch Steinen versuchten, das »Tier« zu<br />

Fall zu bringen. Ihnen entgegen stand der »Gaißar«,<br />

Ein typisches »Männerspiel«, das den jungen Burschen<br />

ausschließlich dazu diente, ihre Kräfte zu messen.<br />

Die Kontrahenten saßen sich gegenüber in der<br />

Stube, die Fußsohlen gegeneinander gestemmt. Um<br />

die Nacken hatten sie ein langes, zusammengewickeltes<br />

Stück Stoff oder Schnur zwischen sich gespannt.<br />

Mit purer Muskelkraft versuchten sie nun, den anderen<br />

zu sich zu ziehen – kein ganz harmloses Spiel, wie<br />

man sich denken kann, und bei dem der Nachwuchs<br />

heute wohl eine ganze Menge Ärger bekommen würde,<br />

wenn der Vater oder die Mutter unvermittelt das<br />

Zimmer beträten. Gut möglich, dass das Spiel auch<br />

früher keinen Beifall bei den Eltern gefunden hat –<br />

aber das waren und sind bekanntlich die schönsten<br />

86


Zeitvertreibe – das wissen nicht nur die Kinder. Bei einer<br />

anderen Variante (wie sie zum Beispiel rechts mittig<br />

auf dem Bruegel’schen Gemälde zu sehen ist)<br />

brauchte es sechs Buben, eingeteilt in zwei Gruppen:<br />

Je ein »Reiter« hockte sich auf den Rücken des zweiten<br />

Buben, der sich wiederum am Hosenbund des Dritten<br />

festhielt – dieser war der »Pferdekopf« und musste<br />

schauen, dass er in die richtige Richtung lief. Die zwei<br />

Reiter hielten wieder die Schnur beziehungsweise das<br />

als Schlaufe zusammengeschnürte Tuch in der Hand<br />

und versuchten, den gegnerischen Reiter vom Pferd<br />

zu ziehen – ein einfaches Unterfangen, schaffte es das<br />

»Pferd«, hinter den Gegner zu galoppieren und den<br />

Reiter rückwärts absteigen zu lassen. Wer feige das<br />

Tuch losließ, hatte natürlich verloren.<br />

Die »Fehla« waren wieder selten erwünscht bei diesem<br />

wilden und mitunter schmerzhaften Kräftemessen.<br />

Höchstens als »Pferdehintern« haben sie getaugt. Und<br />

man weiß ja, wie schnell die Damen gekränkt sind,<br />

wenn man diesen Begriff mit ihnen in Zusammenhang<br />

bringt. Das »Ziehen« war also eher der männlichen<br />

Nachkommenschaft vorbehalten. Und manchem<br />

hat wohl der Hosenboden gebrannt, als er nach Hause<br />

gekommen ist – sei es wegen der unsanften Landung<br />

als Reiter oder wegen der Mutter, die sich selten über<br />

die schmutzigen Hosen gefreut hat.<br />

Anzeigen<br />

Reifle, roll<br />

Aus einem Haselnuss- oder einem anderen biegsamen<br />

Stecken fertigten die Kinder einen großen Reifen. Oft<br />

legte man den Stock zuvor ins Wasser ein, um ihn<br />

formbar zu machen. Mithilfe einer Schnur oder anderen<br />

Materialien band man ihn zu einer möglichst<br />

schönen runden Form zusammen.<br />

Mancher Dreikäsehoch ließ hier seine »Beziehungen«<br />

spielen und schaffte es, dem ortsansässigen Küfer ein<br />

ausgedientes Fassband abzuschwatzen – nicht zu erwähnen,<br />

welches Ansehen man in jungen Jahren mit<br />

einem Küfer in der Verwandtschaft genoss.<br />

Mit so einem Reifen konnte man allerhand anstellen.<br />

Auch für Mädchen galt es als »schick«,<br />

einen zu haben – ausgezeichnete<br />

Hula-Hoop-Wettbewerbe ließen<br />

sich mit den Dingern austragen.<br />

Oder Reifen treiben: Mit einem<br />

Stock trieben die Kinder letzteren an<br />

und legten eine<br />

festgelegte<br />

Stre cke<br />

oder einen<br />

Slalom zurück.<br />

Wer<br />

das fehlerfrei<br />

schaffte,<br />

sprich,<br />

wessen Reifen<br />

dabei nicht umfiel,<br />

war der Sieger<br />

oder auch die Siegerin.<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

87


Kinderkram<br />

Was gibt’s denn hier?<br />

Familienfreundliche Ausflugsziele<br />

Wer denkt, im Allgäu dreht sich alles nur um Käse<br />

und <strong>Viehscheid</strong>, der liegt mächtig falsch: Im Allgäu kann<br />

man nämlich noch ganz andere Abenteuer erleben.<br />

Das glaubst du nicht? Nun, wie wäre es dann mit…<br />

…einem Spaziergang<br />

durch einen Kuhmagen?<br />

Natürlich keinen echten: Im Bergbauernmuseum in<br />

Diepolz kannst du eine übergroße Kuh durchwandern<br />

und dabei miterleben, wie das frisch gefressene Gras<br />

sich in Milch verwandelt. In dem Museumsdorf erfährst<br />

du außerdem allerhand über das harte Leben<br />

der Allgäuer Bergbauern und kannst vom hohen Heustock<br />

ins Heu springen – ein bisschen Mut und<br />

Schwindelfreiheit vorausgesetzt.<br />

Info: www.bergbauernmuseum.de<br />

…einer »Piepshow«<br />

auf dem Vogellehrpfad?<br />

Naturentdecker aufgepasst: Auf dem Waldvogellehrpfad<br />

bei Friesenried lernst du die Vögel unserer Wälder<br />

näher kennen. An der Insektenwand hast du freien<br />

Blick in das Innere eines Bienenstocks, und über einen<br />

großen Hörtrichter kannst du der »Stille des Waldes«<br />

lauschen. Info: www.kaufbeuren-tourismus.de/aktiv/<br />

vogellehrpfad.html<br />

Oh je!<br />

In dem ganzen Buchstabengetümmel auf der Viehweide hat Bauer Franz seine Milchkühe aus<br />

den Augen verloren. Sie heißen Berta, Selma, Liesel, Erna, Doris, Elfie, Marta, Rosa, Bella und<br />

Kuhnigunde. Hilfst du Franz, seine Kühe zu finden? Kreise ihre Namen mit einem Stift ein.<br />

E B N T D K U H N I G U N D E<br />

E H I A O H C G U J M E D U W A<br />

R F S I B N O A N A E R K F R S<br />

N R E T E D E I A R T N A S X P<br />

A A H U R U B E L L A K E H A E<br />

L N L E T T P R A V Y E G M T I<br />

D Z I N A A E I N E R S A E S V<br />

T U E S V D K M D O Q K L U N B<br />

A E S E L M A B C U F O F D I I<br />

J W E Q E L F G W S H F E O G P<br />

R K L U S M D M A B D E K R B E<br />

B E N Y L R T A J L O L I I A N<br />

Z L A I O A N L S E I F O S P K<br />

E D X A E K R O S A R I L L E R<br />

U A D E G T O T E I N E F D I T<br />

C T O M O M A R T A E I L A L H<br />

Die Auflösung findest<br />

du auf Seite 75<br />

Fotos: Volker Wille, Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V.; Illustration: Bianca Elgaß<br />

88 <strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong>


Anzeigen<br />

…einer Zeitreise<br />

beim Frundsbergfest?<br />

Das Frundsbergfest solltest du dir auf keinen Fall entgehen<br />

lassen, wenn du vom 26. Juni bis 5. Juli im Unterallgäu<br />

bist. Dieses Schauspiel findet nämlich nur<br />

alle drei Jahre statt. Dann schlüpfen junge und alte<br />

Stadtbewohner in historische Gewänder und stellen<br />

die Geschichte ihrer Heimat nach. Das Frundsbergfest<br />

erinnert an den Vater der Landsknechte und kaiserlichen<br />

Feldherrn Georg von Frundsberg.<br />

Info: www.frundsbergfest.de<br />

Noch mehr Kinderund<br />

Heimatfeste im Allgäu<br />

Heimatfest Isny: 10. bis 13. Juli<br />

Tänzelfest Kaufbeuren: 9. bis 20. Juli<br />

Kinderfest Leutkirch: 18. bis 21. Juli<br />

Wangener Kinderfest: 23. bis 26. Juli<br />

Memminger Kinderfest: 23. Juli<br />

Memminger Fischertag: 25. Juli<br />

…ein paar Allgäuer<br />

Lügengeschichten?<br />

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht! Aber vielleicht<br />

ist‘s ja auch die Wahrheit? Bei den fast unglaublichen<br />

Geschichten, die es bei der Memminger Mitmach-Stadtführung<br />

zu hören gibt, und den rätselhaften<br />

Dingen, die entdeckt werden, braucht es aufgeweckte<br />

Spürnasen, die entscheiden müssen: Richtig<br />

oder falsch? Info: www.memmingen.de<br />

<strong>Alpsommer</strong><br />

& <strong>Viehscheid</strong> <strong>2015</strong><br />

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Preisrätsel<br />

An dieser Stelle finden Sie<br />

in unserer Printausgabe das Preisrätsel<br />

Das Gewinnspiel ist allen Lesern der Printausgabe vorbehalten.<br />

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir die Fragen nicht in der<br />

ePaper Version zur Verfügung stellen.<br />

Wenn Sie sich jedoch die Chance auf einen der Hauptgewinne<br />

sichern möchten, bestellen Sie jetzt die<br />

<strong>Alpsommer</strong> & <strong>Viehscheid</strong> Printausgabe unter:<br />

EDITION ALLGÄU<br />

Lachener Weg 2,<br />

87509 Immenstadt-Werdenstein<br />

Tel. 08379/728616<br />

Fax 08379/728018<br />

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oder dirket in unserem Online-Shop www.edition-allgaeu.de<br />

für nur 4,- Euro (zzgl. 1,45 Euro Versand)<br />

Und das gibt’ s zu gewinnen<br />

1. Preis: Zwei Gutscheine der<br />

Genussregion Kleinwalsertal<br />

Einzulösen bei 13 teilnehmenden Genusswirten,<br />

fünf Genusshütten sowie drei Genuss-<br />

Handelspartnern im Wert von 120,- Euro. Zur<br />

Verfügung gestellt von Kleinwalsertal Tourismus.<br />

2. Preis: Zwei Karten für Maxi<br />

Schafroth mit Drei-Gänge-Menü<br />

Kabarettprogramm »Faszination Bayern« am<br />

28. Dezember um 20 Uhr (Einlass: 19 Uhr) in<br />

der bigBOX Allgäu, Kempten. Menü im Res tau rant<br />

»musics« im bigBOX Hotel (Wert: ca. 94,- Euro).<br />

Zur Verfügung gestellt von der bigBOX Allgäu.<br />

3. Preis: Ein Wellness-Paket für zwei<br />

in der Oberstdorf Therme<br />

2x4 Stunden Therme und Sauna, 2x Aromaöl-<br />

Massage (Wert: 116,- Euro). Zur Verfügung<br />

gestellt von der Oberstdorf Therme.<br />

4. Preis: 2x2 Tageskarten für den »Allgäu<br />

Skyline Park« in Bad Wörishofen, der »beste<br />

Freizeitpark Bayerns« mit über 60 Attraktionen.<br />

5. - 12. Preis: 5x je ein Buch »Carl Hirnbein<br />

– Der Allgäu-Pionier« aus der EDITION ALLGÄU<br />

sowie 3x je ein Bildband »Allgäu – Wo es am<br />

schönsten ist«<br />

1. Preis<br />

2. Preis<br />

3. Preis 4. Preis<br />

Fotos: Allgäu Skyline Park; bigBOX Hotel; Kleinwalsertal Tourismus eGen/Oliver Farys; Susie Knoll; Photographie Monschau<br />

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