Newspaper Im Süden Frühling
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TEMPELMUSEUM FRAUENBERG<br />
AB IN DIE<br />
VERGANGENHEIT<br />
FASZINIERENDE ZEITREISE: BESUCH IM TEMPELMUSEUM FRAUENBERG<br />
SOWIE IN DER EINZIGEN RÖMERSTADT DER STEIERMARK IN WAGNA.<br />
Weit reicht die Geschichte der Besiedelung<br />
des Leibnitzer Raumes<br />
zurück. Von fruchtbarem Land<br />
umgeben und an der Kreuzung<br />
wichtiger Verkehrswege bot insbesondere der<br />
Frauenberg mit seinen 381 Metern Seehöhe Ausblick<br />
und vermittelte den Bewohnern ein Gefühl<br />
wehrhafter Sicherheit. Die ältesten Funde datieren<br />
aus der Jungsteinzeit, dem Neolithikum. Aus der<br />
Kupfer- und Bronzezeit, wir blicken bis ins dritte,<br />
vierte und fünfte vorchristliche Jahrtausend zurück,<br />
sind Reste von Siedlungen nachgewiesen. <strong>Im</strong><br />
8. Jahrhundert vor Christus wurde eine von einem<br />
1,7 Kilometer langen, teilweise heute noch sichtbaren<br />
Erdwall umgebene Siedlung angelegt. Die Verstorbenen<br />
wurden auf Scheiterhaufen verbrannt<br />
und in Urnen bestattet – daher die Bezeichnung<br />
Urnenfelderkultur.<br />
#HISTORY<br />
In der Hallstattzeit (ca. 800 bis 450 v. Chr.), der<br />
ersten Periode der Eisenzeit, entstanden neue<br />
Verkehrswege und Handelsstationen. Durch den<br />
Handel bildeten sich Hierarchien heraus. Auf<br />
dem Burgstallkogel bei Großklein etablierte sich<br />
ein Fürstensitz mit überregionaler Bedeutung,<br />
auf dem Frauenberg gab es eine Siedlung. In der<br />
Keltenzeit wurde der Frauenberg zu einem der<br />
bedeutendsten Zentren des Südostalpenraums.<br />
#RÖMER<br />
Mit der Römerzeit hielt eine Phase der Stabilität<br />
Einzug. Das sich über Teile Bayerns, Sloweniens<br />
und einen Großteil Österreichs erstreckende<br />
Noricum war unter Kaiser Augustus 15 v. Chr. Teil<br />
des römischen Reichs, unter Claudius (41 bis 54<br />
n. Chr.) endgültig römische Provinz geworden.<br />
Die Bevölkerung zog in die Täler und Ebenen, um<br />
sich Ackerbau, Handel und Handwerk zu widmen.<br />
Das neu gegründete Flavia Solva gedieh rasch und<br />
wurde 70 n. Chr. zur Stadt erhoben. Der Frauenberg<br />
wurde zum religiösen Zentrum. Ein bestehender<br />
Kultbau wurde zum Tempel umgebaut und<br />
schließlich durch einen Neubau, einen vermutlich<br />
der Göttin Isis-Noreia gewidmeten Podiumstempel<br />
mit Säulenfront und Apsis, ersetzt.<br />
#VÖLKERWANDERUNG #PEST<br />
Als mit der Völkerwanderung wieder unsichere<br />
Zeiten anhoben, suchten die Menschen ihr Heil<br />
erneut in der Höhe. Um 170 wurde Flavia Solva<br />
zerstört, danach rasch wieder aufgebaut. Doch<br />
musste die Stadt auch Tribut an die grassierende<br />
Pest zahlen und verödete schließlich. Auf dem<br />
Frauenberg war der Erdwall mit Steinen von den<br />
Tempeln verstärkt worden. Das mit 470 Bestatteten<br />
größte Gräberfeld des Südostalpenraums<br />
stammt aus dieser Zeit.<br />
#WEHRBAU<br />
<strong>Im</strong> Zuge der Christianisierung wurde über der<br />
alten Tempelanlage eine Kirche errichtet. Vorhandene<br />
Kultplätze zu nutzen, entsprach frühchristlichen<br />
Gepflogenheiten und förderte die Akzeptanz<br />
der neuen Religion in der Bevölkerung. Möglicherweise<br />
genoss die Kirche sogar den Status eines<br />
Bischofssitzes, belegbar ist es nicht. Als slawische<br />
Stämme sich nach der Völkerwanderung am<br />
Fotos: Dr. Bernhard Schrettle, Wolfgang Moser<br />
Frauenberg niederließen, bezeichneten sie die Ansiedlung<br />
als „Lipnizza“ (Linde), was im Laufe der<br />
Zeit zu Leibnitz wurde. Um 850 schenkte König<br />
Ludwig der Deutsche das Gebiet dem Erzbistum<br />
Salzburg. <strong>Im</strong> 12. Jahrhundert schließlich wurde<br />
das heutige Schloss Seggau von den Salzburger<br />
Eigentümern als erzbischöfliche Burg errichtet. Sie<br />
diente während des Mittelalters als Wehrbau und<br />
erfüllte Verwaltungsaufgaben. Der Frauenberg<br />
aber wurde in dieser Zeit zum Wallfahrtsort, der<br />
er heute noch ist.<br />
#GÖTTIN<br />
Die Debatten über die am Frauenberg verehrten<br />
Götter füllen Bände und noch immer ist unklar,<br />
wie viele Götter es waren. Gesichert ist seit<br />
spektakulären Neufunden 2014 und 2015, dass es<br />
eine weibliche Gottheit mit einem starken Mutterbzw.<br />
Fruchtbarkeitsaspekt gegeben haben muss.<br />
Insgesamt 17 Statuetten einer stillenden Göttin,<br />
wahlweise mit einem Säugling oder einem Kleinkind<br />
auf dem Schoß, wurden in einer Depotgrube<br />
rituell entsorgt gefunden. Konkreter Anlass für<br />
die Auswahl des Grabungsareals war die geplante<br />
Errichtung einer Aussichtsplattform im Freigelände<br />
mit Blick auf Flavia Solva und weitere archäologische<br />
Stätten des Umlandes. Was bei Beginn der<br />
Grabung noch niemand ahnen konnte, war das<br />
Ausmaß an archäologischen Schätzen unter dem<br />
ausgewählten Areal und deren wissenschaftliche<br />
Bedeutung.<br />
Neben Tempelbauteilen wurden bei weiteren<br />
Grabungen ein Altar für den Gott Merkur und<br />
Marmorteile einer fast lebensgroßen Merkur-Statue<br />
geborgen. Diese Funde werfen viele neue<br />
Fragen zum Kultplatz auf dem Frauenberg auf, die<br />
in den nächsten Jahren weiter erforscht werden.<br />
#SENSATIONELL #FUNDE<br />
Das Tempelmuseum mit seiner Aussichtsplattform<br />
bietet Besuchern nicht nur Ausblick weit ins Land<br />
rundum, sondern auch packende Einblicke in<br />
unsere Geschichte mit ihren zeitlichen und archäologischen<br />
Schichten. Eine Zeitreise zu den Fürsten<br />
des Mittelalters, den Römern und Kelten, den steinzeitlichen<br />
Menschen, den Jägern, Bauern, Händlern<br />
und Kriegern der verschiedenen Epochen.<br />
Das Obergeschoss des Museums zeigt die<br />
Geschichte des Frauenbergs anhand archäologischer<br />
Funde und Schautafeln, im Gewölbekeller<br />
befindet sich eine Römersteinsammlung mit sensationellen<br />
Neufunden, im Außenbereich sind die<br />
Grundmauern des römischen Podiumstempels zu<br />
bestaunen und im liebevoll angelegten römischen<br />
Kräutergarten kommt der Geruchssinn auf seine<br />
Kosten.<br />
Ein Besuch in der einzigen Römerstadt der<br />
Steiermark an der Ausgrabungsstätte des ehemaligen<br />
Flavia Solva in Wagna (ganzjährig frei<br />
zugänglich und heuer in neuem Glanz) gibt dem<br />
südsteirischen Zeitreise-Abenteuer schließlich den<br />
letzten Kick. Also, ab in die Vergangenheit!<br />
TEMPELMUSEUM FRAUENBERG<br />
Frauenberg, gleich neben der Kirche<br />
Öffnungszeiten: 1. April bis Mitte November<br />
Mo. –Fr. 11.30–15.30 Uhr<br />
Wochenende/Feiertag 10–16 Uhr<br />
RÖMERMUSEUM FLAVIA SOLVA<br />
Marburgerstraße 111<br />
8435 Wagna<br />
Ganzjährig frei zugänglich<br />
12 Region Leibnitz<br />
Südsteiermark 13