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Voller Einsatz - RKiSH

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RETTER<br />

<strong>Voller</strong> <strong>Einsatz</strong><br />

Viele halten ihr Erscheinen für selbstverständlich.<br />

Doch was für Geschichten hinter den Menschen stehen, die retten,<br />

helfen und schützen, erzählt das Schleswig-Holstein Journal<br />

in einer zehnteiligen Serie. Folge 1: ein Rettungsassistent.<br />

VON KLAUS LOHMANN<br />

Ein Nachmittag bei Itzehoe: Insgesamt sieben<br />

Rettungswagen (RTW) und Notarztwagen<br />

(NAW) sowie zwei Freiwillige Feuerwehren<br />

sind zu einem schweren Verkehrsunfall<br />

alarmiert worden. Ein mit vier Personen<br />

besetzter Pkw ist mit einem Lkw kollidiert.<br />

Ein Mensch stirbt im Auto. Ein schwer<br />

verletzter Mitfahrer wird im NAW behandelt<br />

und anschließend mit einem Rettungshubschrauber<br />

(RTH) in ein Krankenhaus<br />

geflogen. Zwei fünf und sieben Jahre alte<br />

Kinder sind mit nicht lebensgefährlichen<br />

Verletzungen davon gekommen und werden<br />

mit Blaulicht ins Krankenhaus gebracht.<br />

Ein tragischer Fall, der sich so oder<br />

ähnlich fast täglich irgendwo auf unseren<br />

Straßen ereignen kann.<br />

Vielen erscheint es heutzutage wie selbstverständlich,<br />

dass Helfer schnell vor Ort<br />

sind. Doch was sind das für Menschen, die<br />

sich selbstlos und aufopfernd dieser schweren<br />

Aufgabe widmen?<br />

In der Definition sind es staatlich geprüfte<br />

Rettungsassistenten. Spezielle Fachkräfte,<br />

die in Extremsituationen und unter hohem<br />

Zeitdruck lebensrettende Maßnahmen<br />

leisten und ihre Patienten unter sach- und<br />

fachgerechter Betreuung in die nächste Klinik<br />

begleiten. Jeder Handgriff muss sitzen.<br />

Planerisch erreichen sie in Schleswig-Holstein<br />

jeden Notfallort in einer „Hilfsfrist"<br />

von zwölf Minuten. Dann muss der Retter<br />

vor der Tür stehen! Einer von ihnen ist<br />

Christian Mandel, ausgebildeter Rettungsassistent<br />

und auf einer<br />

„Hundert-Prozent-Stelle" im <strong>Einsatz</strong>dienst<br />

tätig, wie er sagt.<br />

Wir treffen den 37-Jährigen an der Rettungswache<br />

Itzehoe, direkt am Krankenhaus-Areal.<br />

Neben dem <strong>Einsatz</strong>dienst ist<br />

der freundliche, engagierte Mann als Lehr-<br />

Eigentlich wollte er Arzt werden:<br />

Christian Mandel kam über die Freiwillige<br />

Feuerwehr und den Zivildienst auf den<br />

Berufsweg zum Rettungsassistenten.<br />

LOHMANN<br />

Rettungsassistent mitverantwortlich für<br />

die Ausbildung der Mitarbeiter im Versorgungsbereich<br />

Steinburg. Darüber hinaus gehört<br />

Mandel als stellvertretender Leiter<br />

dem Team Unternehmenskommunikation<br />

in der „Rettungsdienst Kooperation Schleswig-Holstein<br />

GmbH" (<strong>RKiSH</strong>)an.<br />

Hinter dem Begriff „Rettungsdienst Kooperation"<br />

verbirgt sich die 2005 gegründete<br />

gemeinnützige Rettungsgesellschaft für<br />

die vier Landkreise Dithmarschen, Pinneberg,<br />

Rendsburg-Eckernförde und - seit<br />

2007 - Steinburg mit insgesamt 31 Ret-<br />

tungswachen, etwa 500 Mitarbeitern und<br />

82 <strong>Einsatz</strong>fahrzeugen. Hintergrund: In<br />

Schleswig-Holstein liegt per Gesetz die<br />

grundsätzliche Trägerschaft für die Vorhaltung<br />

der Rettungsdienste bei den Kreisen.<br />

Doch die beauftragen damit - bis auf Nordfriesland,<br />

wo Angestellte des Kreises unmittelbar<br />

im Rettungsdienst tätig sind - externe<br />

Unternehmungen, im Kreis Lauenburg<br />

beispielsweise das Deutsche Rote Kreuz.<br />

Der verheiratete Christian Mandel ist Vater<br />

von zwei Mädchen und einem Jungen.<br />

In seiner umgänglichen Art sendet er Vertrauen<br />

aus. So wundert es nicht, dass er<br />

Mann im evangelischen Kirchenvorstand<br />

seiner Heimatgemeinde Hohenlockstedt<br />

aktiv ist. Ursprünglich wollte er Arzt werden.<br />

Doch sein Berufsweg führte den Gitarre-<br />

und Bassspieler schon vor dem Abitur<br />

zur Freiwilligen Feuerwehr Hohenlockstedt.<br />

Der Zivildienst als Rettungssanitäter<br />

gab dann den entscheidenden Ausschlagfür<br />

seinen späteren Werdegang zum heute<br />

hoch qualifizierten Rettungsassistenten<br />

mit Lehrauftrag.<br />

Unfälle mit Kindern hauen ihn um, sagt<br />

Mandel und spricht Über ein einschneidendes<br />

Erlebnis: „Ich habe vor einigen Jahren einen<br />

Dreijährigen in einer Gärtnerei wiederbeleben<br />

müssen. Die Eltern glaubten die zwei<br />

Jungs, sechs und drei Jahre alt, bei den Großeltern,<br />

die Großeltern wähnten die Kinder bei<br />

den Eltern. In Wirklichkeit tobten die beiden<br />

aber in einem Gewächshaus mit Swimmingpool.<br />

Der Dreijährige konnte nicht schwimmen,<br />

ist reingefallen und ertrunken." Es war<br />

Mandels erste Kinderwiederbelebung. „Wir<br />

hatten anfangs Erfolg und bekamen den kleinen<br />

Burschen erst noch wieder. Der mit alarmierte<br />

Hubschrauber, der ihn in die Kinderklinik<br />

fliegen sollte, war schon in der Luft. Das


haben wir dann alles abbrechen müssen, weil<br />

der Junge starb. Es war grauenvoll", erinnert<br />

er sich. Damit umzugehen war nicht einfach.<br />

„Das hat mich so berührt. Ich bin abends nach<br />

Hause gekommen und mit meiner Frau aufs<br />

Fahrrad, um das zu verarbeiten. Wir saßen<br />

dann irgendwo mitten in der Walachei, und<br />

ich habe einfach geweint, alles rausgelassen."<br />

Erlebnisse dieser Art zu verarbeiten und loszuwerden<br />

sei unglaublich wichtig, sagt Mandel.<br />

„Man hat eine Art Flasche, die man selbst<br />

vollfüllen kann. Bis zum Rand hält man es aus.<br />

Aber irgendwann kommt eine winzige Kleinigkeit,<br />

die den Korken rausfliegen lässt. Und<br />

dann blubbert alles über", sagt er.<br />

In der „Rettungsdienst Kooperation" hat<br />

jeder seine Stammwache. Dabei herrscht<br />

aber große Flexibilität. „Mein Schrank steht<br />

zwar in Kellinghusen, aber wir arbeiten im<br />

Prinzip alle im Kreis Steinburg. Wenn eine<br />

andere Wache Personalnot hat, dann wird<br />

bei uns angefragt. Haben wir freie Springer,<br />

dann rutscht einer rüber", erklärt Mandel.<br />

Das sei effektiver und wirtschaftlicher.<br />

Die Kooperation bedient von der<br />

geogra-fischen Größe her ein Drittel<br />

Schleswig Holsteins mit rund 850 000<br />

Einwohnern. In Dithmarschen, Pinneberg<br />

und Steinburg werden die Rettungskräfte<br />

zentral von der Kooperativen<br />

Regionalleitstelle West mit Sitz in<br />

Elmshorn, im Kreisgebiet Rendsburg-Eckernförde<br />

von der Regionalleitstelle<br />

Mitte in Kiel alarmiert. Die Leitstellen koordinieren<br />

die Fahrzeuge von Rettungsdienst<br />

und Feuerwehr und sind unter der<br />

Notrufnummer 112 oder unter 19222 zu erreichen.<br />

Kommt es zu einem Notfall, können<br />

die Helfer auf zwölf Notarztwagen, sieben<br />

<strong>Einsatz</strong>fahrzeuge für besondere Lagen<br />

sowie 63 RTW zurückgreifen, deren Ausstattung<br />

einer Intensivstation gleicht. Bis<br />

Innerhalb von maximal nur zwölf Minuten sollen die Retter beim <strong>Einsatz</strong>ort sein. STAUDT<br />

der Notarzt eintrifft, führen die Rettungsassistenten<br />

eigenständig Notfallmaßnahmen<br />

durch - beatmen Patienten, stillen Blutungen<br />

oder ergreifen Wiederbelebungsmaßnahmen.<br />

Zu ihrer Notkompetenz gehört es<br />

auch, dass sie bestimmte Medikamente verabreichen<br />

dürfen. Darüber hinaus assistieren<br />

sie bei ärztlichen Behandlungen. Und<br />

müssen stets konzentriert arbeiten, ob bei<br />

schlechten Licht- und Witterungsverhältnissen<br />

oder Gefährdungen durch den Straßenverkehr<br />

- am Tag und in der Nacht.<br />

„Man hat eine Art Flasche, die man selbst<br />

vollfüllen kann. Bis zum Rand hält man<br />

es aus. Aber irgendwann kommt eine<br />

Kleinigkeit, die den Korken rausfliegen<br />

lässt und alles blubbert über."<br />

Die Fahrzeugausstattung ist landesweit<br />

gleich. Alle Rettungsdienste fahren denselben<br />

Fahrzeugtyp. Auch das mobile<br />

Equip-ment ist identisch, was zu einer<br />

hohen Bediensicherheit führt. „Wenn ich<br />

morgen Dienst in Eckernförde machen<br />

sollte, finde ich meine Sachen an Bord<br />

genauso vor wie in Itzehoe oder<br />

Kellinghusen", sagt Mandel.<br />

Eine besondere Herausforderung ist die<br />

Versorgung von Menschen bei großen Notfallereignissen<br />

wie Eisenbahnunfällen,<br />

Großbränden oder besonders schweren<br />

Verkehrsunfällen. Dafür stehen neben speziell<br />

ausgebildeten Leitenden Notärzten<br />

auch <strong>Einsatz</strong>leiter des Rettungsdienstes bereit.<br />

Sie arbeiten eng mit den Hilfsorganisationen,<br />

dem Technischen Hilfswerk<br />

(THW), den Feuerwehren, der Polizei und<br />

der Bundeswehr zusammen. Die Rettungsassistenten<br />

befördern und betreuen zudem<br />

kranke, verletzte und andere hilfsbedürftige<br />

Menschen zum Zielort, in der Regel in ein<br />

Krankenhaus. „Es gibt zwei Säulen: Krankentransport<br />

und Notfallrettung", sagt<br />

Christian Mandel. Dieses kurze Knackige<br />

bei einem Notfall, das könne er gut. Der Patient<br />

sei Patient und er habe keine Beziehungsebene<br />

zu ihm. Doch andere Menschen<br />

sieht er über eine längere Zeit immer<br />

wieder. Solche, die er beim Krankentransport<br />

zum Beispiel mit einer Tumor-Erkrankung<br />

zur Strahlentherapie fährt. Mandel:<br />

„Zu denen baut sich auch schon mal eine<br />

Beziehung auf. Aber dann muss man von<br />

Fahrt zu Fahrt mit ansehen, dass es den Leuten<br />

immer schlechter geht. Und irgendwann<br />

sind sie dann nicht mehr da"<br />

Im vergangenen Herbst fuhr er eine alte,<br />

schwer krebskranke Frau ins Hospiz, „quasi<br />

unter der Überschrift ,Die letzte Fahrt'."<br />

Für Mandel ein beeindruckendes Erlebnis.<br />

„Wir sind toll ins Gespräch gekommen. Sie<br />

hat so viele Dinge ihres Lebens Revue pas<br />

sieren lassen, freudig von ihrer goldenen<br />

Hochzeit vier Wochen zuvor berichtet. Die<br />

Zeit verging so schnell." Im Hospiz ange<br />

kommen, brachten sie die Frau in ihr Zim<br />

mer. Mandel war tief beeindruckt. „Sie<br />

wusste, dass sie sterben wird. Eigentlich ein<br />

ganz schwerer Weg für sie. Aber aus ihr her<br />

aus strahlte so eine große Dankbarkeit, die<br />

auf mich übersprudelte." Auch um die Fa<br />

milie kümmerten sich Mandel und seine<br />

Kollegen: „Wir haben alle Angehörigen<br />

nochmal in den Rettungswagen gelassen<br />

und blieben selbst draußen, ihnen Zeit zum<br />

Abschied gegeben und uns gesagt: ,Und<br />

wenn der <strong>Einsatz</strong> sechs Stunden dauert,<br />

dann ist das eben so. Wir sind jetzt für sie<br />

da. Das ist unser Dazutun: Der Patient als<br />

absoluter Mittelpunkt!" •

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