InsVZ - Wolters Kluwer Deutschland GmbH
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<strong>InsVZ</strong><br />
Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung<br />
ISSN 1869-4268 | Art.-Nr.97802053<br />
Herausgeber:<br />
RiBGH Dr.Lutz Strohn<br />
RiBGH Ilse Lohmann<br />
RA/InsV Dr. Michael C.Frege<br />
WP/StB Bernd Richter<br />
RiAG Dr.Andreas Schmidt (Ltg.)<br />
eine Marke von <strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Ausgabe 1 2009<br />
Seite 1 – 40<br />
Unternehmensinsolvenz Großportfolios unter<br />
Insolvenzverwaltung<br />
Dr. Michael C. Frege/<br />
Dr. Sven-Holger Undritz<br />
Kapitalaufbringung nach dem<br />
MoMiG unter Berücksichtigung<br />
neuester BGH-Rechtsprechung<br />
Michael Kuleisa<br />
BVerfG: Auswahl des<br />
Insolvenzverwalters<br />
BGH: Bierbrauen als<br />
anfechtbare Rechtshandlung<br />
Privatinsolvenz BGH: Dreijährige Sperre für<br />
Schuldner bei Versagung der<br />
Restschuldbefreiung im ersten<br />
Insolvenzverfahren<br />
Sanierungs- und<br />
Insolvenzberatung<br />
AG Hamburg: Zur Obliegenheitsverletzung<br />
eines 67-jährigen<br />
Schuldners, der als Handelsvertreter<br />
selbstständig tätig ist<br />
Hamburger Thesenpapier<br />
September 2009: »Agieren statt<br />
reagieren – Restrukturierung auch<br />
mithilfe des Insolvenzverfahrens«<br />
Haftungssprung Insolvenzreife –<br />
ein Plädoyer für die integrierte<br />
Unternehmensplanung<br />
Bernd Richter/Dr. Maximilian Pluta<br />
www.<strong>InsVZ</strong>.de<br />
Seite 1<br />
Seite 8<br />
Seite 14<br />
Seite 18<br />
Seite 26<br />
Seite 28<br />
Seite 30<br />
Seite 31
Unverzichtbar für jeden<br />
Insolvenzrechtspraktiker<br />
Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl<br />
Handbuch des Fachanwalts<br />
Insolvenzrecht<br />
2010, ca. 1.900 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag,<br />
ca. € 154,-<br />
Erscheint voraussichtlich Dezember 2009<br />
ISBN 978-3-472-07619-3<br />
Die Insolvenzabwicklung bietet für Rechtsanwälte ein abwechslungsreiches<br />
und anspruchsvolles Betätigungsfeld. Dies<br />
verdeutlicht auch der Fächerkanon der Fachanwaltsordnung.<br />
Neben Kenntnissen zum materiellen Insolvenzrecht und zum<br />
Insolvenzverfahrensrecht werden vom Fachanwalt auch<br />
betriebswirtschaftliche Grundlagen sowie Kenntnisse der<br />
angrenzenden Rechtskreise erwartet. Das Handbuch orientiert<br />
sich an diesen Anforderungen und bietet daher auch ausführliche<br />
Darstellungen zum Arbeits- und Sozialrecht, Gesellschafts-<br />
und Steuerrecht sowie zum Insolvenzstrafrecht.<br />
Daneben werden sowohl allgemeine betriebswirtschaftliche<br />
Aspekte als auch Bereiche wie Bilanzanalyse bzw. Bilanzierung<br />
behandelt.<br />
Die Neuauflage bringt das Werk auf den Gesetzesstand der<br />
ausgehenden 16. Legislaturperiode. Sie berücksichtigt neben<br />
der in fast allen Bereichen ergangenen umfangreichen Rechtsprechung<br />
insbesondere die Änderungen durch<br />
■ das Gesetz zur Modernisierung des <strong>GmbH</strong>-Rechts und zur<br />
Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG),<br />
■ das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) mit der<br />
befristeten Neudefinition des Überschuldungsbegriffs<br />
(§ 19 Abs. 2 InsO),<br />
■ das im März 2009 vom Bundestag verabschiedete<br />
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG).<br />
Zu beziehen über Ihre Buchhandlung oder direkt beim Verlag.<br />
NEU<br />
Die Herausgeber:<br />
Dr. Klaus Wimmer, Ministerialrat und Referatsleiter Insolvenzrecht<br />
im Bundesministerium der Justiz;<br />
Dr. Jörg Dauernheim, Rechtsanwalt und Fachanwalt für<br />
Steuerrecht und Insolvenzrecht, Insolvenzverwalter, Altenstadt;<br />
Martin Wagner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht,<br />
Stuttgart;<br />
Dr. Josef Gietl, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht,<br />
München.<br />
<strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong> • Niederlassung Neuwied<br />
Postfach 2352 • 56513 Neuwied • Telefon 02631 801-2222<br />
www.wolterskluwer.de • E-Mail info@wolterskluwer.de
Editorial<br />
Andreas Schmidt<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
vor Ihnen liegt die erste Ausgabe der »<strong>InsVZ</strong> – Zeitschrift für Insolvenzverwaltung<br />
und Sanierungsberatung«. »Noch eine neue Zeitschrift?« werden Sie vielleicht<br />
fragen. Verlag und Herausgeber sind überzeugt: Ja, Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung,<br />
das gehört heute mehr denn je zusammen!<br />
Die »Hamburger Thesen« (S.30), entwickelt am runden Tisch von Sanierungsberatern<br />
und Insolvenzverwaltern, sind im Grundsatz ein richtiges Signal zur richtigen<br />
(Finanzkrisen-)Zeit. Sie zeigen, dass da was miteinander geht! Ob das dort postulierte<br />
»Sanierungsgesetz« notwendig ist, erscheint jedenfalls mir – aus der Perspektive<br />
eines Insolvenzrichters, der stets die Sanierungsfunktion des Insolvenzrechts zu<br />
fördern versucht hat – keinesfalls zwingend. Denn: Die Insolvenzordnung ist auch<br />
ein Sanierungsgesetz und wird – wie aktuelle Großverfahren wie etwa die Märklin-<br />
Insolvenz zeigen – auch mehr und mehr als solches wahrgenommen.<br />
Gefordert sind alle Beteiligten: Die Sanierungsberater, die naturgemäß zunächst die<br />
Sanierung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens versuchen, nach Eintritt der<br />
Insolvenzreife aber den Verantwortlichen des Krisen-Unternehmens die Scheu vor<br />
dem Insolvenzantrag nehmen müssen, die Insolvenzrichter, die bei der Auswahl des<br />
(vorläufigen) Insolvenzverwalters verantwortungsvoll mit Anregungen aus der<br />
Sphäre des insolvenzreifen, aber sanierungsfähigen Unternehmens umgehen müssen,<br />
und die Insolvenzverwalter, die mehr denn je echtes Sanierungs-Know-how<br />
brauchen, sowieso.<br />
Die »<strong>InsVZ</strong>« wird ab Januar 2010 monatlich erscheinen. Sie wird stets drei Rubriken<br />
enthalten. Erster Schwerpunkt ist die Unternehmensinsolvenz. Hier werden zum<br />
einen wichtige Entscheidungen vor allem des BGH, aber auch der Instanz- und der<br />
Insolvenzgerichte abgebildet und analysiert. Den Anfang macht eine ausführliche<br />
Besprechung der Entscheidungen »Qivive« und »cashpool II« des II. Zivilsenats des<br />
BGH von Michael Kuleisa. Daneben erscheinen Aufsätze namhafter Autoren zu<br />
aktuellen Themen, diesmal Frege/Undritz zu »Großportfolios unter Insolvenzverwaltung«.<br />
Mit Dr. Lutz Strohn, stellvertretender Vorsitzender des II. Zivilsenates des BGH<br />
(»Gesellschaftsrecht-Senat«), Ilse Lohmann, Mitglied im IX. Zivilsenat des BGH<br />
(»Insolvenzrecht-Senat«) und Dr. Michael Frege, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter,<br />
stehen gleich drei Mitherausgeber bereit, die diesen Bereich kompetent<br />
begleiten.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 I
II<br />
Editorial<br />
Die zweite – deutlich kleinere – Rubrik widmet sich der Privatinsolvenz. Auch in diesem<br />
Bereich, der sich längst zu einer facettenreichen Spezialmaterie entwickelt hat,<br />
sollte jeder, der als Sanierungs- bzw. Insolvenzberater tätig ist, die Übersicht behalten;<br />
für moderne Insolvenzverwalter ist der souveräne Umgang mit Fragen aus diesem<br />
Bereich ohnehin unverzichtbare Kernkompetenz. Der Fokus liegt hier auf wichtigen<br />
gerichtlichen Entscheidungen bzw. Übersichten, die Insolvenzverfahren über<br />
das Vermögen von (ehemaligen) Geschäftsführern, Gesellschaftern und Selbstständigen<br />
wie Gewerbetreibenden und Freiberuflern betreffen.<br />
Den zweiten Schwerpunkt (und zugleich die dritte Rubrik) bildet die Sanierungsund<br />
Insolvenzberatung. Begleiten wird diese Rubrik unser Mitherausgeber Bernd<br />
Richter, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei Ernst & Young. Rechtsprechung<br />
wird hier eher selten abgebildet. Im Vordergrund stehen Beiträge zu vielfältigen<br />
Beratungsthemen (etwa: Erstellung von Sanierungskonzepten und Insolvenzplänen,<br />
Krisenmanagement, distressed M & A, distressed debt, ferner Fragen der Beraterhaftung<br />
und des Steuerrechts), die die »Denke« des Beraters transportieren und<br />
damit auch zum gegenseitigen Verständnis des Beraters und des Verwalters beitragen<br />
sollen. Diesmal: Richter/Pluta zum »Haftungssprung Insolvenzreife«.<br />
Zum Abschluss noch ein Tipp: Abonnieren Sie noch heute die <strong>InsVZ</strong> und freuen Sie<br />
sich auf ein ereignisreiches Jahr 2010!<br />
Besten Gruß,<br />
Andreas Schmidt<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
<strong>InsVZ</strong><br />
Zeitschrift für Insolvenzverwaltung<br />
und Sanierungsberatung<br />
INHALT 1 · 2009<br />
Editorial I<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />
Dr. Michael C. Frege/Dr. Sven-Holger Undritz 1<br />
Kapitalaufbringung nach dem MoMiG unter<br />
Berücksichtigung neuester BGH-Rechtsprechung<br />
Michael Kuleisa 8<br />
BVerfG, Beschluss vom 03.08.2009, 1 BvR 369/08:<br />
Verfassungskonformität von Kriterien für die Aufnahme<br />
eines Bewerbers in die sog. Vorauswahlliste<br />
des Insolvenzrichters; insb.: Kriterium der höchstpersönlichen<br />
Aufgabenwahrnehmung 14<br />
BGH, Urteil vom 09.07.2009, IX ZR 86/08:<br />
Bierbrauen als anfechtbare Rechtshandlung<br />
i.S.d. §129 Abs.1 InsO 18<br />
BGH, Urteil vom 16.07.2009, IX ZR 118/08:<br />
Keine befreiende Leistung des Gläubigers bei Zahlung<br />
an den Schuldner in Kenntnis des eröffneten<br />
Insolvenzverfahrens 21<br />
AG Hamburg, Beschluss vom 08.07.2009, 67a IN<br />
220/09: Sonderinsolvenzverfahren über das Vermögen<br />
einer voll beendeten GbR 23<br />
Top Ten: Rechtsprechung des BGH zur Unternehmensinsolvenz<br />
25<br />
Privatinsolvenz<br />
BGH, Beschluss vom 16.07.2009, IX ZB 219/08:<br />
Dreijährige Sperre für Schuldner im zweiten Insolvenzverfahren<br />
bei Versagung der Restschuldbefreiung<br />
im ersten Verfahren 26<br />
AG Hamburg, Beschluss vom 26.08.2008, 67g IN<br />
431/02: Zur Obliegenheitsverletzung i.S.d. §295<br />
Abs.2 InsO eines 67-jährigen Schuldners, der als<br />
Handelsvertreter selbstständig tätig ist 28<br />
Herausgegeben von<br />
Dr.Lutz Strohn, Richter am BGH, Karlsruhe<br />
Ilse Lohmann, Richterin am BGH, Karlsruhe<br />
Dr.Michael C.Frege, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Frankfurt/M.<br />
Bernd Richter, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Diplom-Kaufmann, Hamburg<br />
Dr.Andreas Schmidt, Richter am AG Hamburg (Schriftleitung)<br />
Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />
Hamburger Thesenpapier September 2009:<br />
»Agieren statt reagieren – Restrukturierung auch<br />
mit Hilfe des Insolvenzverfahrens«<br />
Dokumentation 30<br />
Haftungssprung Insolvenzreife – ein Plädoyer für<br />
die integrierte Unternehmensplanung<br />
Bernd Richter/Dr. Maximilian Pluta 31<br />
Impressum 40<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 III
Damit liegen Sie<br />
immer richtig.<br />
Nach dem großen Erfolg der<br />
Erstausgabe dürfen Sie sich jetzt<br />
über die aktuelle Neuauflage dieses<br />
Handbuchs freuen: das gesamte<br />
Insolvenzrecht mandats bezogen<br />
aufbereitet. Aus Sicht des<br />
Anwalts – ob er nun Insol venz -<br />
verwalter, Berater des Schuldners<br />
oder eines Gläubigers ist. Ob<br />
alter Hase oder ein Kollege, der<br />
in diese haftungsträchtige Mate -<br />
rie erst noch hineinwachsen muss.<br />
Hochkarätige Insolvenzrechts -<br />
prak ti ker haben wieder alle denk -<br />
baren Beratungssituationen so<br />
aufbereitet, dass Sie in jedem Fall<br />
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<strong>InsVZ</strong> 1/2009<br />
Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung<br />
<strong>InsVZ</strong> 2009, 1–40<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />
Dr. Michael C. Frege / Dr. Sven-Holger Undritz*<br />
I. Einleitung<br />
Die Finanzkrise hat zu Insolvenzverfahren über das Vermögen<br />
vonWertpapierhandelshäuserngeführt.IndiesenFällenfindet<br />
der Insolvenzverwalter Wertpapierportfolios vor, die der<br />
Insolvenzschuldner im Rahmen des Eigenhandels erworben<br />
hat. Solche Portfolios können ein beachtliches Volumen besitzen.<br />
Bei ihrer Verwaltung und Verwertung stellen sich für den<br />
Insolvenzverwalter insolvenzrechtliche Fragen, auf die Rechtsprechung<br />
und Literatur bislang noch keine sicheren Antworten<br />
bieten. Der folgende Beitrag stellt sich den entsprechenden<br />
Fragen und skizziert Antworten, die insbesondere die<br />
wirtschaftliche Situation und Funktionsweise der Finanzmärkte<br />
berücksichtigen.<br />
II. Problemaufriss<br />
Bei der Insolvenzverwaltung eines Wertpapierhandelshauses<br />
drängt sich ein Bündel von Fragen auf: Wie ist mit Wertpapierportfolios,<br />
die in der Insolvenzmasse vorgefunden werden,<br />
umzugehen? Welche Maßgaben gelten für die Verwaltung,<br />
z.B. im Hinblick auf die Sicherung des jeweiligen Wertes<br />
gegen Währungs- oder Kursschwankungen und welche<br />
Maßgaben gelten für die Verwertung? Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
dass solche Wertpapierportfolios ein beachtliches<br />
Volumen besitzen können. Ihre Verwertung kann signifikanten<br />
Einfluss auf den Marktwert der darin enthaltenen Wertpapiere<br />
nehmen. Das gilt besonders in Zeiten illiquider Märkte:<br />
Dann trifft ein durch die Insolvenz verursachtes großes Angebot<br />
gegebenenfalls auf wenig Nachfrage. Hinzu kommt, dass<br />
die Wertpapiermärkte in Krisenzeiten besonders volatil sind.<br />
Die Marktteilnehmer reagieren nervös. Preise schwanken<br />
beträchtlich und mit ihnen der Marktwert der Insolvenzmasse.<br />
Der Insolvenzverwalter ist vor diesem Hintergrund<br />
mit der Frage konfrontiert, wie er pflichtgemäß verwaltet und<br />
verwertet. Jede Entscheidung des Insolvenzverwalters kann zu<br />
beachtlichen Wertschwankungen führen; dies bedeutet ein<br />
hohes Haftungsrisiko. Die Klärung rechtlicher Fragen tut hier<br />
also not. Gleichwohl bieten Rechtsprechung und Literatur,<br />
soweit ersichtlich, noch keine hinreichenden Lösungen, weil<br />
sich die Fragen vor der Finanzkrise kaum gestellt haben.<br />
III. Beginn der Verwertungsbefugnis<br />
Der Insolvenzverwalter muss sich die Frage stellen, wann er mit<br />
der Verwertung beginnen darf. Fest steht, dass der Verwalter<br />
mit der Verwertung beginnen darf, wenn der Berichtstermin<br />
(§ 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO) stattgefunden hat (§ 159 InsO).<br />
Schwieriger zu beantworten ist jedoch die Frage, ob der Insolvenzverwalter<br />
auch schon im Zeitraum zwischen Eröffnung des<br />
Insolvenzverfahrens (§27 InsO) und dem Berichtstermin verwerten<br />
darf. Dieser Zeitraum kann mehrere Monate umfassen.<br />
Diese Frage hat wirtschaftliche und haftungsrechtliche<br />
Bedeutung: In dieser Zeit können sich für Teile eines Wertpa-<br />
pierportfolios nämlich besonders günstige Veräußerungsgelegenheiten<br />
bieten. Die Veräußerung bestimmter Wertpapiere<br />
kann aus der ex ante-Perspektive aber auch geboten sein, um<br />
einen weiteren Wertverfall des Schuldnervermögens wegen<br />
möglicher weiterer Kursverluste zu verhindern (»Stop loss«-<br />
Veräußerung). Aus der ex post-Perspektive kann sich (gerade<br />
angesichts besonders volatiler Finanzmärkte) jedoch wiederum<br />
herausstellen, dass sich später noch günstigere Veräußerungsgelegenheiten<br />
geboten haben oder Kursverluste wieder<br />
aufgeholt worden sind, so dass sich die »Stop loss«-Veräußerung<br />
im Nachhinein als ungünstig erweist. Sollten einzelne<br />
Gläubiger dem Insolvenzverwalter dann vorwerfen, er hätte<br />
vor Berichtstermin gar nicht veräußern dürfen, würde sich die<br />
Haftungsfrage stellen.<br />
Ein solcher Vorwurf geht indes fehl. Vielmehr ist der Insolvenzverwalter<br />
auch vor dem Berichtstermin zur Veräußerung<br />
von Wertpapieren aus dem Vermögen eines Wertpapierhändlers<br />
befugt. Dies ergibt sich wie folgt:<br />
1. § 80 Abs.1 InsO<br />
Gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse<br />
gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen,<br />
auf den Insolvenzverwalter über. Die Art und Weise<br />
der Verwertung des Vermögens liegt in seinem »pflichtgemäßen<br />
Ermessen« 1 und er kann die Aktiva des Schuldnervermögens<br />
grundsätzlich ebenso verwerten, wie der Schuldner dies<br />
ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens könnte. 2<br />
2. Keine Einschränkung aus §§158, 159 InsO<br />
Aus §§ 158, 159 InsO folgt nichts anderes. Zwar sieht § 159<br />
InsO vor, dass der Insolvenzverwalter »nach dem Berichtstermin<br />
[...] unverzüglich das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen<br />
zu verwerten« hat. Ein ausdrückliches Verbot, Vermögensgegenstände<br />
vor dem Berichtstermin zu verwerten, enthält<br />
die InsO demgegenüber nicht. Vielmehr ermöglicht<br />
§158 Abs.1 InsO gerade den Umkehrschluss.<br />
§158 Abs.1 InsO schreibt vor, dass der Insolvenzverwalter die<br />
Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen hat, wenn<br />
* Dr. Michael C. Frege, Insolvenzverwalter und Partner der Sozietät<br />
CMS Hasche Sigle, Dr. Sven-Holger Undritz, Insolvenzverwalter und Partner<br />
der Sozietät White & Case. Die Autoren danken Herrn Rechtsanwalt Marco<br />
Buschmann von der Sozietät White & Case für seine Anregungen und die<br />
Bearbeitung des Manuskripts.<br />
1 BGH, Urt. v. 25.04.2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353; Kübler/Prütting/<br />
Bork/Onusseit, InsO, Lfg. 4/08, § 159 Rn. 5; Nerlich/Römermann/Balthasar,<br />
InsO, Lfg. 5/07, §159 Rn. 6; Bönner, Unternehmerisches Ermessen und Haftung<br />
des Insolvenzverwalters im Vergleich mit anderen gesetzlich geregelten<br />
Vermögens-Verwaltern, Diss. Münster 2009.<br />
2 MüKo-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. 2008, §80 Rn.48.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 1
das Unternehmen stillgelegt oder veräußert werden soll. Im<br />
Umkehrschluss bedeutet dies, dass für alle anderen Rechtsgeschäfte<br />
die Zustimmung nicht erforderlich ist – einschließlich<br />
etwaiger Verwertungshandlungen. Die in § 158 InsO festgelegte<br />
Handlungssperre soll lediglich sicherstellen, dass der<br />
Insolvenzverwalter nicht vor der Gläubigerversammlung über<br />
den Bestand des Unternehmens des Insolvenzschuldners entscheidet.<br />
Eine Stilllegung bzw. sonstige Handlung des Verwalters,<br />
die die Entscheidung der Gläubiger über den Fortgang<br />
des Verfahrens obsolet machen, ihr also vorgreifen würde, ist<br />
nach § 158 InsO untersagt. Daraus ist jedoch zu schließen,<br />
dass die Verwertung nicht grundsätzlich untersagt ist. Vielmehr<br />
gilt die Handlungssperre lediglich dann, wenn sie die<br />
Insolvenzmasse in ihrem Bestand so verändert, dass den strategischen<br />
Entscheidungen der Gläubiger über den Verlauf des<br />
Verfahrens vorgegriffen wird.<br />
Daraus kann man folgern, dass die Veräußerung von Vermögensgegenständen<br />
des Schuldners vor Berichtstermin ohne<br />
Weiteres zulässig ist, wenn damit nicht die Stilllegung oder<br />
Veräußerung »des Unternehmens« verbunden ist. Unterwirft<br />
das Gesetz nämlich nur Stilllegung und Veräußerung vor<br />
Berichtstermin den genannten Zustimmungserfordernissen,<br />
heißt das, dass der Insolvenzverwalter vor Berichtstermin im<br />
Übrigen zur Verwertung einzelner Vermögensgegenstände<br />
berechtigt ist. Im Schrifttum heißt es dazu ausdrücklich:<br />
»Etwas allgemeiner lässt sich sagen, dass § 159 die Veräußerung<br />
von Umlaufvermögen vor dem Berichtstermin nicht<br />
untersagt, soweit es nicht ausnahmsweise für die Fortsetzung<br />
erforderlich ist, …« 3<br />
DieVeräußerungvonWertpapierenausdemVermögeneines<br />
Wertpapierhändlers ist danach zulässig, weil sie nicht zur Stilllegung<br />
oder Veräußerung seines Unternehmens führt. Fehlen<br />
die Wertpapiere bei einer späteren Veräußerung des Unternehmens<br />
des Schuldners, weil der Insolvenzverwalter die fehlenden<br />
Wertpapiere bereits vorher veräußert hat, so sinkt<br />
voraussichtlich nur der Kaufpreis, den der Erwerber zu zahlen<br />
bereit ist. Für die Fortführung des Unternehmens eines Wertpapierhandelshauses<br />
dürften viel eher Mitarbeiter, Marke und<br />
Kundenbeziehungen entscheidend sein. Eine Veräußerung<br />
der Wertpapiere berührt solche assets nicht.<br />
3. Teleologische Reduktion bei fehlender<br />
Fortführungsbeeinträchtigung<br />
Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch dann, wenn man<br />
zwar ein grundsätzliches Verbot der Verwertung von Vermögensgegenständen<br />
vor Berichtstermin aus den §§ 158, 159<br />
InsO unterstellt, dieses Verbot aber teleologisch reduziert.<br />
Nach Sinn und Zweck der §§ 158, 159 InsO sollen sie die<br />
Chance einer Unternehmensfortführung wahren, d.h. die<br />
Erhaltung des Betriebes als Ganzem oder in Teilen als lebende<br />
Einheit(en) ohne Zerschlagung und unter Erhaltung von<br />
Arbeitsplätzen. 4<br />
Daher ist im Schrifttum anerkannt, dass der<br />
Insolvenzverwalter jedenfalls dann vor dem Berichtstermin<br />
verwerten darf, wenn feststeht, dass der Betrieb nicht mehr<br />
fortgeführt werden kann, weil er endgültig stillgelegt worden<br />
ist 5<br />
und damit das Verbotsziel nicht mehr erreicht werden<br />
kann. Die gleiche teleologische Reduktion muss dann auch<br />
für Fälle gelten, in denen lediglich einzelne Vermögensgegenstände<br />
veräußert werden, die die Fortführung des Unterneh-<br />
2<br />
Unternehmensinsolvenz Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />
mens und damit den Verbotszweck nicht berühren. Bei fehlender<br />
Fortführungsbeeinträchtigung muss dasselbe gelten<br />
wie bei fehlenden Fortführungsaussichten.<br />
4. Wertung aus § 22 InsO<br />
Zudem spricht ein Wertungsargument für die Befugnis des<br />
Insolvenzverwalters, auch vor Berichtstermin verwerten zu<br />
dürfen: Die Regelungen aus §22 InsO erlauben es selbst dem<br />
vorläufigen Insolvenzverwalter unter bestimmten Umständen,<br />
Verwertungsmaßnahmen zu ergreifen. 6 Wenn aber sogar<br />
der vorläufige Insolvenzverwalter vor Berichtstermin verwerten<br />
darf,dannmussdieserstrechtderInsolvenzverwalterdürfen.<br />
IV. Verwertungspflicht vor Berichtstermin?<br />
Da der Insolvenzverwalter bereits vor Berichtstermin zur Veräußerung<br />
befugt ist, stellt sich die Frage, ob er auch zur Veräußerung<br />
von Wertpapieren vor Berichtstermin verpflichtet ist.<br />
Eine allgemeine Pflicht zur Veräußerung von Wertpapieren<br />
besteht für den Insolvenzverwalter jedoch nicht.<br />
1. Aus allgemeinem Spekulationsverbot?<br />
Eine solche Pflicht des Insolvenzverwalters zur Verwertung vor<br />
Berichtstermin folgt nicht aus dem insolvenzrechtlichen Spekulationsverbot.<br />
Zwar leiten Rechtsprechung und Schrifttum<br />
aus dem Zweck des Insolvenzverfahrens das Verbot von SpekulationsgeschäftenfürdenInsolvenzverwalterab:Daesseine<br />
vordringliche Aufgabe sei, das vorhandene Vermögen zu<br />
sichern und zu erhalten, 7 verstößt der Insolvenzverwalter gegen<br />
seine Pflichten, wenn er Spekulationsgeschäfte abschließt. 8 Fest<br />
steht auch, dass jedenfalls ein Ankauf von risikobehafteten<br />
Wertpapieren durch den Insolvenzverwalter gegen das Spekulationsverbot<br />
verstößt. 9 Ob damit aber auch ein Gebot zu<br />
unverzüglicher Veräußerung verbunden ist, ist bislang nicht<br />
Die besseren Gründe sprechen jedoch dagegen.<br />
geklärt. 10<br />
a) Systematik<br />
Eine solche Verwertungspflicht ist jedenfalls kein allgemeines<br />
Merkmal der Verwaltertätigkeit. Denn die systematische Analyse<br />
der Rechtslage für andere Verwalter fremder Vermögen<br />
mit gesetzlichem Auftrag als dem Insolvenzverwalter gibt keinen<br />
Anlass dazu anzunehmen, dass eine allgemeine Pflicht<br />
existiere, vorgefundene Wertpapiere zu veräußern:<br />
Für den Testamentsvollstrecker hat das OLG Köln entschieden,<br />
dass er nicht ohne Weiteres verpflichtet ist, selbst bei fallenden<br />
Kursen Aktien aus dem Nachlass abzustoßen und in<br />
sichere Anlagen umzuwandeln. 11<br />
3 Kübler/Prütting/Bork/Onusseit, InsO, Lfg.4/08, §159 Rn.4 m.w.N.<br />
4 MüKo-InsO/Füchsl/Weishäupl (o. Fn. 2), §148 Rn.8.<br />
5 MüKo-InsO/Füchsl/Weishäupl (o. Fn. 2), §148 Rn.8.<br />
6 Vgl. BGH, Beschl. vom 14.12.2000, IX ZB 105/00, WM 2001, 430 (434).<br />
7 OLG Celle, Urt. vom 14.06.2006, 3 U 20/06; Smid/Smid, InsO, 2.Aufl. 2001,<br />
§60 Rn.25.<br />
8 Ebenda siehe auch bereits RG, Urt. vom 30.05.1892, VI 336/91, RGZ 29, 80<br />
(84).<br />
9 OLG Celle, Urt. vom 14.06.2006, 3 U 20/06; MüKo-InsO/Ott/Vuia (o. Fn. 2),<br />
§80 Rn.62.<br />
10 Mohrbutter/Ringstmeier/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung,<br />
8.Aufl. 2007, §23 Rn.117 präzisiert das Spekulationsverbot zwar insofern, als<br />
dass er der Ansicht ist, es gelte auch für Wertpapiere, die der Insolvenzverwalter<br />
im Vermögen des Schuldners vorfindet; ob damit aber auch eine Veräußerungspflicht<br />
einhergeht, lässt er offen.<br />
11 Zitiert nach MüKo-BGB/Zimmermann, 4. Aufl. 2004, §2219 Rn.14.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
Für den Vormund hat der Gesetzgeber lediglich eine Prüfungspflicht<br />
angeordnet: Zu der Anlage von Geld bestimmt<br />
§1806 BGB, dass dieses verzinslich in den Anlageformen des<br />
§ 1807 BGB (d.h. in verzinslichen Schuldverschreibungen,<br />
Pfandbriefen, etc. von juristischen Personen des öffentlichen<br />
Rechts oder in durch sichere Grundpfandrechte gesicherte<br />
Forderungen) anzulegen ist. Findet der Vormund Vermögenswerte<br />
von geringerer Sicherheit vor, so muss er nach der Lage<br />
des Falles entscheiden, ob er diese in eine mündelsichere<br />
Anlage umwandelt. 12 Eine Pflicht zur Veräußerung solcher<br />
Vermögensgegenstände folgt nicht aus §1806 BGB.<br />
Gleiches gilt für den Nachlasspfleger: ZudenPflichtendes<br />
Nachlasspflegers gehört es insbesondere, den Nachlass zu<br />
erhalten und zu verwalten. 13 Gemäß §1915 Abs. 1 BGB finden<br />
auf die Verpflichtungen des Nachlasspflegers die Vorschriften<br />
über die Vormundschaft entsprechende Anwendung.<br />
Auch er muss also bei vorgefundenen Vermögenswerten<br />
von geringerer Sicherheit nur prüfen, ob er diese in eine<br />
mündelsichere Anlage umwandelt. 14<br />
Allein für den Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft<br />
nimmt das OLG Celle eine Ausnahme an: Es hat<br />
entschieden, dass dieser eine Instandhaltungsrücklage anders<br />
anlegen müsse, wenn diese zuvor risikoreich angelegt worden<br />
ist. 15<br />
Der Verwalter hafte den Wohnungseigentümern, wenn<br />
er untätig bleibe, obwohl Gelder entgegen den Grundsätzen<br />
einer ordnungsgemäßen Verwaltung angelegt werden. Dies<br />
gilt selbst dann, wenn die Wohnungseigentümer selbst den<br />
Beschluss zur risikoreichen Anlage getroffen haben.<br />
Trotz dieser letzten Ausnahme spricht das systematische Bild<br />
eher gegen eine Veräußerungspflicht als dafür.<br />
b) Telos<br />
Klarer ist die Sprache, die Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens<br />
sprechen: Eine allgemeine Pflicht zur Veräußerung<br />
von Wertpapieren vor Berichtstermin, die sich aus dem Spekulationsverbotergebenkönne,scheidetdanachaus.Denn<br />
nach Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens muss der Insol-<br />
venzverwalter bestrebt sein, möglichst günstig zu verwerten. 16<br />
Eine Pflicht zur Verwertung vor Berichtstermin aber stünde<br />
im Widerspruch zu diesem Zweck:<br />
Eine übereilte Verwertung17 desPortfoliosdesSchuldnersbis<br />
zu einem kurzfristig anstehenden Termin (wie dem Berichtstermin)<br />
nämlich machte den Wert der Masse in besonderer<br />
Weise anfällig für das taktische Verhalten anderer Akteure auf<br />
den Finanzmärkten. Solches Verhalten ist bei kleineren Portfolios<br />
nicht zu erwarten, liegt bei einem Großportfolio aber<br />
nahe. Würde nämlich im Markt bekannt, welche Wertpapiere<br />
der Insolvenzverwalter so schnell wie möglich zu veräußern<br />
verpflichtet wäre, provoziert dies Reaktionen anderer Marktteilnehmer.<br />
Diese könnten etwa selbst »übereilt« veräußern,<br />
weil sie Kursverluste durch die Verwertung befürchten. Das<br />
führt zu fallenden Kursen und damit zu Wertverlusten zulasten<br />
der Masse. Andere Marktteilnehmer könnten motiviert<br />
sein, die betroffenen Wertpapiere möglichst günstig zu erwerben.<br />
Sie könnten sich daher bewusst so positionieren, dass die<br />
Kurse der entsprechenden Wertpapiere im Zeitraum, den der<br />
Insolvenzverwalter für die Verwertung vorsieht, besonders<br />
stark fallen, um dann selbst möglichst günstig erwerben zu<br />
Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
können. Auch dies führte zu Wertverlusten zulasten der<br />
Masse.<br />
2. Aus Grundsätzen für verderbliche Ware?<br />
Aus den Grundsätzen zur Verwertung verderblicher Ware<br />
folgt kein anderes Ergebnis.<br />
Für verderbliche Waren ist anerkannt, dass diese sogar der vorläufige<br />
Insolvenzverwalter verwerten darf. 18 Ob daraus eine<br />
Pflicht zur Veräußerung folgt, kann hier gänzlich offen bleiben,<br />
weil die Grundsätze für verderbliche Waren nicht auf risikobehaftete<br />
Wertpapiere anwendbar sind. Denn verderbliche<br />
Waren zeichnen sich dadurch aus, dass feststeht, dass sie ihren<br />
Wert kurzfristig durch bloßen Zeitablauf dauerhaft verlieren.<br />
Bei Wertpapieren jedoch ist gerade das nicht der Fall.<br />
Die Entwicklung von Wertpapierkursen lässt sich nicht<br />
zuverlässig prognostizieren. Weder Kursverluste noch -gewinne<br />
stehen dauerhaft fest: Nach dem Stand der wirtschaftwissenschaftlichen<br />
Forschung kann allenfalls die sogenannte<br />
Volatilität (auch: Standardabweichung oder Varianz) eines<br />
Wechselkurses oder eines Wertpapierkurses ermittelt werden.<br />
Volatilität bemisst, in welchem Umfang Kurse durchschnittlich<br />
von ihrem historischen Durchschnittswert in der Vergangenheit<br />
abgewichen sind. Die Abweichung meint sowohl<br />
Kurssteigerungen als auch Kursverluste, also Abweichungen<br />
nach oben wie nach unten. Volatilität macht also nur Aussagen<br />
über die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Kursänderung,<br />
aber nicht dazu, ob diese Änderung einen Kursgewinn<br />
oder -verlust bewirkt.<br />
Da mithin keine zuverlässigen Aussagen über künftige Kursentwicklungen<br />
gemacht werden können, kann auch keine<br />
Aussage zur künftigen Wertentwicklung von Wertpapieren<br />
gemacht werden. Daher steht auch nicht fest, ob sie kurzfristig<br />
durch bloßen Zeitablauf an Wert verlieren. Ebenso wenig<br />
steht fest, ob ein erfolgter Kursverlust von Dauer ist oder<br />
durch eine Kurssteigerung in absehbarer Zeit wieder aufgeholt<br />
werden kann. Wertpapiere sind daher nicht als verderbliche<br />
Ware qualifizierbar. Die Grundsätze zur Verwertung verderblicher<br />
Ware sind dementsprechend nicht auf Wertpapiere<br />
anwendbar, so dass sich hieraus auch keine Veräußerungspflicht<br />
vor Berichtstermin ableiten lässt.<br />
V. Ermessensausübung bei Verwertung<br />
Es wurde gezeigt, dass der Insolvenzverwalter zwar vor<br />
Berichtstermin Wertpapiere verwerten darf, aber nicht dazu<br />
verpflichtet ist. Die Entscheidung über die Verwertung steht<br />
12 Palandt/Diederichsen, BGB, 68.Aufl. 2009, §1806 Rn.2.<br />
13 Palandt/Diederichsen (o. Fn. 12), §1960 Rn.13.<br />
14 Palandt/Edenhofer (o. Fn. 12), §1960 Rn.13.<br />
15 OLG Celle, Beschl. vom 14.04.2004, 4 W 7/04, NJW-Spezial 2004, 148.<br />
16 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 4 Aufl. 2005, Rn. 292; Jaeger/Gerhardt,<br />
InsO, §60 Rn.27; HK-InsO/Lohmann, 5.Aufl. 2008, §60 Rn.14.<br />
17 Hierzu BGH, Urt. vom 22.01.19985, VI ZR 131/85, ZIP 1985, 423; OLG<br />
München, Urt. vom 21.03.1997, 14 U 520/96, NZI 1998, 84.<br />
18 BGH, Beschl. vom 14.12.2000, IX ZB 105/05 NJW 2001, 1496 (1497);<br />
Andres/Leithaus, InsO, 2006, §159 Rn. 4; HambKomm/Weitzmann,3.Aufl.<br />
2009, §60 InsO Rn.14.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 3
vielmehr in seinem Ermessen. 19 Bei der Ausübung dieses<br />
Ermessens muss sich der Insolvenzverwalter in dem Rahmen<br />
bewegen, den der Zweck des Insolvenzverfahrens setzt. 20<br />
Insolvenzzweck ist die gemeinschaftliche Befriedigung aller<br />
Insolvenzgläubiger durch Verwertung des vorhandenen Vermögens<br />
und gleichmäßige Verteilung des Erlöses, § 1 InsO.<br />
Vordringliche Aufgabe des Insolvenzverwalters ist daher die<br />
Sicherung und Erhaltung des vorhandenen Vermögens, weil<br />
die möglichst hohe Befriedigung aus der Masse im vorrangigen<br />
Interesse der beteiligten Gläubiger steht. 21 Nach dem<br />
Zweck des Insolvenzverfahrens muss der Insolvenzverwalter<br />
daher bestrebt sein, möglichst günstig zu verwerten. 22 Die<br />
möglichst günstige Verwertung eines großen Wertpapierportfolios<br />
(insbesondere vor dem Hintergrund außergewöhnlich<br />
volatiler und zum Teil auch gänzlich illiquider Finanzmärkte)<br />
führt zu einer Reihe praktischer Vorgaben für eine fehlerfreie<br />
Ermessensausübung durch den Insolvenzverwalter.<br />
1. Verkaufsplan<br />
Die Verwertung der Wertpapiere muss nach Maßgabe eines<br />
Verkaufsplanes erfolgen, der auf Grundlage von Marktrecherchen<br />
erstellt worden ist. Das ergibt sich aus Folgendem:<br />
Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, das Vermögen des<br />
Schuldners möglichst günstig zu verwerten. Daraus folgt das<br />
Verbot übereilter Verwertung. 23 Danach ist gerade die übereilte<br />
Verwertung ohne sorgfältige Marktrecherchen pflichtwidrig.<br />
24 Jedenfalls für die Veräußerung des Betriebs des<br />
Schuldners steht dies fest: Denn nach Rechtsprechung und<br />
Literatur verhält sich der Insolvenzverwalter dann pflichtwidrig,<br />
wenn er sich gerade nicht ausreichend über den objektiv<br />
erzielbaren Marktpreis des Betriebes des Schuldners informiert<br />
und diesen gleichwohl veräußert. 25<br />
Für die Verwertung eines Großportfolios aus dem Vermögen<br />
eines Wertpapierhandelshauses kann nichts anderes gelten.<br />
Der Insolvenzverwalter darf Wertpapiere nicht »blind« bzw.<br />
»ins Blaue hinein« veräußern. Vielmehr muss er sorgfältig und<br />
geplant vorgehen. Dazu gehören Marktrecherchen hinsichtlich<br />
der entsprechenden Wertpapiermärkte. Denn die Veräußerung<br />
größerer Mengen an Wertpapieren kann sich negativ<br />
auf den erzielbaren Preis auswirken. Das gilt insbesondere<br />
dann, wenn das Handelsvolumen an den entsprechenden<br />
Wertpapiermärkten niedrig ist. Die besondere Volatilität und<br />
teilweise Illiquidität an den Wertpapiermärkten, die etwa im<br />
Rahmen der jüngsten Finanzkrise zu beobachten war, kann<br />
diesen Effekt noch verstärken. Will der Insolvenzverwalter<br />
möglichst günstig verwerten, muss er diese Effekte berücksichtigenund,soweitmöglich,durchplanvollesVerwerten<br />
vermeiden. Die Verwertung von Wertpapieren muss also nach<br />
Maßgabe eines Planes erfolgen, der unter den gegebenen<br />
Marktbedingungen einen möglichst günstigen Erlös sicherstellt.<br />
Danach kann etwa die gestreckte Veräußerung in Tranchen<br />
geboten sein.<br />
Eine »blinde« Veräußerung »ins Blaue hinein« verbietet sich<br />
auch in Bezug auf einzelne Teile des Portfolios. Bei den Portfolios<br />
professioneller Anleger handelt es sich regelmäßig nämlich<br />
nicht um die zufällige Ansammlung einzelner Vermögenswerte,<br />
sondern um eine planvolle Zusammenstellung. Sie<br />
folgt Grundsätzen des Risikomanagements (Stichwort: Risikodiversifikation)<br />
unter Zuhilfenahme von Erkenntnissen der<br />
4<br />
Unternehmensinsolvenz Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />
Portfolio-Theorie. Idealerweise kommt es zum »Hedging«:<br />
Negative Wertentwicklungen eines Teils des Portfolios werden<br />
durch positive Wertentwicklungen eines anderen Teils<br />
aufgefangen. Die planlose Veräußerung einzelner Teile dieses<br />
Portfolios ohne Rücksichtnahme auf die dahinterstehende<br />
Risikoarchitektur kann das Risiko, das der Wertentwicklung<br />
des Portfolios anhaftet, erhöhen, was sicher dem Gebot möglichst<br />
günstiger Verwertung, jedenfalls aber dem Spekulationsverbot<br />
widerspräche.<br />
2. Sachverständiger Dritter<br />
Die möglichst günstige Verwertung von Wertpapieren mit<br />
Kursrisiken erfordert besondere Sachkenntnis. Daher wird im<br />
Schrifttum die Ansicht vertreten, dass jeder Insolvenzverwalter<br />
die Hilfe eines sachkundigen Dritten in Anspruch nehmen<br />
muss, wenn Wertpapiere mit Kursrisiken zu verwerten sind. 26<br />
Jedenfalls für die Verwertung eines Großportfolios ist dem<br />
sicher zuzustimmen.<br />
In diesem Zusammenhang muss der Insolvenzverwalter nach<br />
pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob die ihm ggf. zur Verfügung<br />
stehenden Mitarbeiter des Schuldners über ausreichende<br />
und unvoreingenommene Sachkunde verfügen. Ist<br />
dies nicht der Fall, muss er sich von einem externen Dritten<br />
beraten und unterstützen lassen.<br />
Entsprechenden Anlass, an der Unvoreingenommenheit der<br />
Mitarbeiter des Schuldners zu zweifeln, hätte der Insolvenzverwalter<br />
etwa dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen,<br />
dass die Mitarbeiter eigene pflichtwidrige Entscheidungen<br />
verdecken wollen oder Methoden bei der Bewertung der<br />
Märkte anwenden, die deutlich von allgemein akzeptierten<br />
und wissenschaftlich fundierten Standards abweichen.<br />
3. Weitere Ermessensgesichtspunkte<br />
Für seine Ermessensentscheidung hat der Insolvenzverwalter<br />
bei der Verwertungsstrategie rechtliche, insbesondere insolvenzrechtliche<br />
Aspekte zu berücksichtigen. Insofern unterscheidet<br />
sich seine Verwertungsstrategie von denen nicht<br />
insolventer Marktteilnehmer. Dieser Aspekt führt in der<br />
Regel dazu, dass seine planmäßige Verwertung einer zeitlichen<br />
Begrenzung unterliegt. Anders als die nicht insolventen<br />
Marktteilnehmer soll er in möglichst kurzer Zeit verwerten,<br />
ohne, wie oben beschrieben, übereilt zu handeln. Dennoch<br />
unterliegen Vermögensgegenstände eines Insolvenzunternehmens<br />
einem allgemeinen insolvenzrechtlichen Werteverfall.<br />
Dieser begründet sich in den fehlenden unternehmerischen<br />
Strukturen, in dem Desinteresse der übrigen Marktteilnehmer<br />
längerfristig Geschäfte mit dem insolventen Unterneh-<br />
19 Zur Eröffnung eines Ermessensspielraums für den Insolvenzverwalter BGH,<br />
Urt. v. 25.04.2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353; Jaeger/Gerhardt (o. Fn.<br />
16), §60 Rn.31; Kübler/Prütting/Bork/Onusseit (o. Fn.3), §159 Rn.5.<br />
20 BGH, Urt. vom 25.04.2002, IX ZR 313/99, NJW 2002, 2783 (2785).<br />
21 OLG Celle, Urt. vom 14.06.2006, 3 U 20/06.<br />
22 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2005, Rn. 292; HK-InsO/<br />
Lohmann (o. Fn. 16), §60 Rn.14.<br />
23 BGH, Urt. vom 22.01.1985, VI ZR 131/85, ZIP 1985, 423 und OLG München,<br />
Urt. v. 21.03.1997, 14 U 520/96, NZI 1998, 84; Kübler/Prütting/<br />
Bork/Onusseit (o. Fn.3), §159 Rn.4b.<br />
24 Siehe Kübler/Prütting/Bork/Onusseit (o. Fn.3), §159 Rn.4b.<br />
25 BGH, Urt. vom 22.01.1985, VI ZR 131/85, ZIP 1985, 423; HK-InsO/Lohmann<br />
(o. Fn. 16), §60 Rn.14.<br />
26 HambKomm/Jarchow (o. Fn. 18), §148 InsO Rn.33.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
men zu schließen und in der tendenziell abnehmenden<br />
Marktkompetenz des Unternehmens. Geschulte Mitarbeiter<br />
verlassen das Unternehmen, da sie nach sichereren und<br />
zukunftsträchtigeren Arbeitsplätzen streben. Das Unternehmen<br />
hat in der Regel keine Finanzmittel zur Verfügung, um<br />
neue Märkte zu erschließen.<br />
Schließlich können rechtliche Probleme eine beschleunigte<br />
Verwertung notwendig machen. Dies gilt z.B., wenn die<br />
Rechtsposition an den vorhandenen Vermögensgegenständen<br />
umstritten sind. So etwa, wenn Pfandrechte oder sonstige<br />
Aus- und Absonderungsrechte an den Wertpapierportfolios<br />
geltend gemacht werden und im Rahmen von Vergleichen ein<br />
angemessenes und günstiges Verwertungsergebnis erreicht<br />
werden kann.<br />
4. Zwischenergebnis<br />
Der Insolvenzverwalter hat die Verwertung nach pflichtgemäßem<br />
Ermessen vorzunehmen. Die Ausübung dieses Ermessens<br />
entspricht dem Vorgehen eines Unternehmensführers bei<br />
unternehmerischen Entscheidungen. Demnach hat der Insolvenzverwalter<br />
planmäßig vorzugehen. Er hat sicherzustellen,<br />
dass er seine Entscheidung auf einer angemessenen Informationsgrundlage<br />
trifft. Die Entscheidung muss frei von sachfremden<br />
Einflüssen sein. 27<br />
VI. Kurssicherungsgeschäfte<br />
Der umsichtige Insolvenzverwalter wird sich auch die Frage<br />
stellen, ob er die Risiken aus der Wertentwicklung eines Wertpapierportfolios<br />
nicht durch Kurssicherungsgeschäfte eindämmen<br />
sollte. Aus dieser Überlegung folgen eine Reihe<br />
insolvenzrechtlicher Fragen:<br />
1. Zulässigkeit von Kurssicherungsgeschäften<br />
Zunächst stellt sich die Frage, ob Kurssicherungsgeschäfte für<br />
den Insolvenzverwalter grundsätzlich zulässig sind. Diese<br />
Frage ist mit guten Gründen zu bejahen.<br />
a) Versicherungsrechtsprechung<br />
Dafür sprechen die Wertungen, die hinter der Versicherungsrechtsprechung<br />
des BGH 28 stehen: Bei der Erhaltung der<br />
Masse hat der Verwalter einen Abwägungsspielraum dafür,<br />
welche kostenträchtigen Maßnahmen er zur Erhaltung des<br />
Wertes der Masse ergreifen kann. Dies gilt nach der Rechtsprechung<br />
etwa für den Abschluss von Versicherungen. 29 Wie<br />
bei anderen Sicherungsmaßnahmen sind das Risiko des Schadenseintritts<br />
und die mutmaßliche Schadenshöhe gegen die<br />
Belastung der Masse mit den Kosten abzuwägen, die für die<br />
Sicherung entstehen. 30 Es liegt nahe, diese Grundsätze auch<br />
auf Kurssicherungsgeschäfte anzuwenden. Denn Kurssicherungsgeschäft<br />
und Versicherung gleichen sich insofern, als<br />
dass beide gegen eine Prämienzahlung das Risiko von Wertverlusten<br />
für die Masse eingrenzen. Allerdings unterscheiden<br />
sie sich darin, dass Versicherungen regelmäßig allgemeine<br />
Lebensrisiken, wie sie von Diebstahl, Feuer, Wasser und<br />
Sturm ausgehen, absichern, die der Versicherungsnehmer<br />
nicht vermeiden kann. Das Kurssicherungsgeschäft dagegen<br />
sichert Risiken ab, die gezielt gesucht und jedenfalls noch<br />
nicht beendet worden sind, obwohl dies durch Veräußerung<br />
möglich wäre. Bei Kurssicherungsgeschäften dürften daher an<br />
die »Angemessenheit« der Kosten strengere Kriterien anzulegen<br />
sein als bei Versicherungen.<br />
Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
b) Kein Verstoß gegen Spekulationsverbot<br />
Kurssicherungsgeschäfte stehen auch nicht im Widerspruch<br />
zum Spekulationsverbot. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung<br />
handelt es sich bei derartigenGeschäftengeradenicht<br />
um ein spekulatives Wertpapiergeschäft, sondern um ein<br />
Geschäft, das im Einzelfall den Zwecken des Insolvenzverfahrens<br />
dienen kann: Das spekulative Wertpapiergeschäft trägt<br />
das Risiko des Verlustes in sich. Das Kurssicherungsgeschäft<br />
dagegen begrenzt das Risiko, das einem anderen Geschäft,<br />
dem Grundgeschäft, inhärent ist. 31 Das spekulative Wertpapiergeschäft<br />
ist um einer Rendite willen auf Risiko angelegt,<br />
und zwar typischerweise auf ein Risiko, das der Spekulant<br />
nicht beherrscht. Das Kurssicherungsgeschäft dagegen verzichtet<br />
auf einen Teil der Rendite, um das Risiko eines anderen<br />
Geschäftes einzugrenzen. Während also das spekulative<br />
Wertpapiergeschäft seinem Wesen nach originär auf Gewinn<br />
angelegt ist, weil es Risiken um der Rendite willen eingeht, ist<br />
das Kurssicherungsgeschäft originär auf Bestandssicherung<br />
angelegt, weil es auf Rendite um der Sicherheit willen verzichtet.<br />
Kurz gesagt: Das Kurssicherungsgeschäft dient dem Werterhalt<br />
der Masse.<br />
2. Ausnahme: Termingeschäfte<br />
Eine Ausnahme gilt jedoch für Termingeschäfte. Mit einem<br />
Termingeschäft verkauft der Insolvenzverwalter Wertpapiere<br />
oder Beträge in fremder Währung zum gegenwärtigen Tageskurs<br />
zu einem künftigen Termin. Der Kontraktpartner lässt<br />
sich dieses Geschäft mit einer Prämie vergüten, die u.a. von<br />
dem Risiko entsprechender Kursveränderungen abhängig ist.<br />
Als Kurssicherungsgeschäft, das durch den vorhandenen<br />
Wertpapierbestand gedeckt ist, handelt es sich beim Termingeschäft<br />
nicht um Spekulation. Mit der Veräußerung von<br />
Wertpapieren dürfte das Termingeschäft aber gegen das<br />
Gebot möglichst günstiger Verwertung verstoßen. Denn<br />
angesichts der damit verbundenen Kosten für die Prämien der<br />
Kontraktpartner dürfte es im Vergleich zu einem sofortigen<br />
Verkauf von Wertpapieren nachteilig sein und böte im Vergleich<br />
zu einer unverzüglichen Veräußerung keine Vorteile.<br />
Ist durch ein Wertpapier eine Forderung verbrieft und möchte<br />
der Insolvenzverwalter entsprechende Zahlungen in fremder<br />
Währung sichern, dürfte das Termingeschäft auch nicht zur<br />
Absicherung des Wechselkursrisikos zulässig sein. Denn hierbei<br />
ginge der Insolvenzverwalter zusätzliche Risiken für die<br />
Masse ein: Kommt es nämlich zur Zahlungsverzögerung oder<br />
zum Zahlungsausfall auf die verbriefte Forderung und ist der<br />
Kurs der fremden Währung gestiegen, würde die Masse einen<br />
Verlust erleiden. Denn der Insolvenzverwalter müsste dann<br />
entsprechende Beträge in ausländischer Währung am Markt<br />
zuhöherenPreisenankaufen,umdenPflichtenausdem<br />
27 Allgemein zur Anwendung von Business Judgement Rule: Berger/Frege, ZIP<br />
2008, 204 ff.<br />
28 Grundlegend BGH, Urt. vom 29.09.1988, 9 ZR 39/88, BGHZ 105, 230;<br />
hierzu Jaeger/Gerhardt (o. Fn. 16), §60 Rn.39.<br />
29 MüKo-InsO/Brandes (o. Fn. 2), §§60, 61 Rn.15.<br />
30 OLG Köln, Urt. vom 14.05.1982, 6 U 221/81, ZIP 1982, 977; MüKo-InsO/<br />
Brandes (o. Fn. 2), §§60, 61 Rn.15; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 12.Aufl.<br />
2003, §148 Rn.26.<br />
31 Für Währungsrisiken: Buth/Hermanns/Jünger, Restrukturierung, Sanierung,<br />
Insolvenz, 2.Aufl. 2006, §11 Rn.7; Weidenbach-Koschnike, BC 2008, 111ff.;<br />
allgemeiner: Schmittmann/Wepler DStR 2001, 1783 (1787).<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 5
Kaufvertrag nachkommen zu können. Auf fallende Kurse<br />
kann er sich nicht verlassen, weil dies Spekulation wäre, die<br />
ihm verboten ist. Zwar könnten die Verluste einen Schadensersatzanspruch<br />
begründen. Ob dieser aber werthaltig ist,<br />
dürfte insbesondere dann zweifelhaft sein, wenn er sich gegen<br />
Schuldner mit schlechter Bonität richtet. Das wird insbesondere<br />
bei Sub-Prime-Papieren der Fall sein.<br />
3. Nur mit Einschränkungen zulässig: »Stopp loss«-<br />
Weisungen<br />
»Stop loss«-Weisungen sind nur unter Hinzuziehung eines<br />
sachverständigen Dritten und unter Abwägungen des Verlustrisikos<br />
bei größeren Kursschwankungen zulässig: Mit<br />
einer »Stop loss«-Weisung bestimmt der über die Wertpapiere<br />
Verfügungsberechtigte einen Kurs (typischerweise<br />
unterhalb des aktuellen Marktpreises), mit dem ein Verkaufsauftrag<br />
für das jeweilige Wertpapier ausgelöst wird.<br />
Problematisch ist hierbei, dass nur der Zeitpunkt bestimmbar<br />
ist, zu dem verkauft werden soll, nämlich dann, wenn<br />
der Kurs einen bestimmten Marktpreis unterschreitet.<br />
Dagegen kann nicht bestimmt werden, welcher Verkaufspreis<br />
dabei realisiert wird. Die »Stop loss«-Weisung kann<br />
daher das Problem, das bereits für die Veräußerung »ins<br />
Blaue hinein« bestehen könnte, noch verstärken: Es wird<br />
möglicherweise nicht nur eine so große Zahl an Wertpapieren<br />
veräußert, die negativen Einfluss auf den Marktpreis<br />
nimmt, sondern dies geschieht auch zu einem Zeitpunkt, zu<br />
dem der Marktpreis bereits fällt. Denn ohne fallende<br />
Marktpreise führen »Stop loss«-Weisungen nicht zu einem<br />
Verkaufsauftrag.<br />
4. Einzelheiten zu Optionsgeschäften<br />
Das Optionsgeschäft ist ein zulässiges Kurssicherungsgeschäft.<br />
Damit erwirbt der Insolvenzverwalter gegen Zahlung<br />
einer Prämie an den Kontraktpartner die Möglichkeit zu späterer<br />
Verwertung. Schließt der Insolvenzverwalter solche<br />
Optionsgeschäfte vor Berichtstermin ab, so bringen sie jedenfalls<br />
einen rechtlichen Vorteil mit sich: Anders als beim Termingeschäft<br />
stünde dem Nachteil der Kosten für die Prämie<br />
der Vorteil gegenüber, dass die Gläubigerversammlung gemäß<br />
§159 InsO im Berichtstermin die Entscheidung über das weitere<br />
Vorgehen bei der Verwertung fällen könnte; bis dahin<br />
müsste nicht mit Kursverlusten gerechnet werden. Hierbei ist<br />
jedoch Folgendes zu beachten:<br />
a) Abwägung nach pflichtgemäßem Ermessen<br />
Die Entscheidung, ob der rechtliche Vorteil den dargestellten<br />
wirtschaftlichen Nachteil überwiegt, muss der Insolvenzverwalter<br />
nach seinem pflichtgemäßem Ermessen treffen:<br />
Da das Optionsgeschäft wirtschaftlich einer Versicherung<br />
auf den Kurs eines Wertpapiers entspricht, liegt es<br />
nahe, hier vergleichbare rechtliche Maßstäbe wie für den<br />
Abschluss einer Versicherung anzulegen. Bei Sachversicherungen<br />
für Gegenstände des Schuldnervermögens gilt, dass<br />
der Insolvenzverwalter bei Abschluss neuer Versicherungsverträge<br />
das Risiko des Schadenseintritts und die mutmaßlicheSchadenshöhegegendieBelastungen<br />
der Masse abzuwägen<br />
hat. 32 Sind die Kosten unverhältnismäßig, muss die<br />
Belastung der Masse unterbleiben. Sind die Kosten verhältnismäßig,<br />
kann und muss der Insolvenzverwalter sie ergreifen.<br />
33 Hier ist also zu berücksichtigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit<br />
welche Kursverluste zu befürchten sind.<br />
6<br />
Unternehmensinsolvenz Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />
b) Kaufmännische Abwägung<br />
Die Abwägung von Wahrscheinlichkeit und Höhe möglicher<br />
Wertverluste durch Kursverluste einerseits und Kosten eines<br />
Optionsgeschäfts andererseits muss notwendigerweise kaufmännische<br />
Aspekte enthalten. Dabei dürften (neben den<br />
kunstgerecht ermittelten Wahrscheinlichkeiten für Kursverläufe<br />
und damit korrespondierende Wertrisiken) folgende<br />
Aspekte eine Rolle spielen:<br />
Der Kurs von Wertpapieren (anders als Schäden, die Sachversicherungen<br />
abdecken) kann sich wieder erholen. Darauf darf<br />
der Insolvenzverwalter zwar nicht spekulieren, weil ihm dies<br />
durch das Spekulationsverbot untersagt ist. Bei der Abwägung,<br />
ob die Kosten für Optionsgeschäfte in einem angemessenen<br />
Verhältnis zum Kursverlustrisiko stehen, kann diese<br />
Überlegung aber nicht unberücksichtigt bleiben. Auch die<br />
Wahrscheinlichkeit einer solchen »Kurserholung« sollte<br />
kunstgerecht ermittelt und in die Abwägung mit einbezogen<br />
werden.<br />
Optionsgeschäfte nehmen (jedenfalls bei Wertpapieren) ab<br />
einem bestimmten Umfang selbst Einfluss auf die Kursentwicklung.<br />
Das beeinträchtigt den Insolvenzverwalter bei der<br />
Suche entsprechender Kontraktpartner: Gelangt die Information<br />
über die Suche nach entsprechenden Kontraktpartnern<br />
für Optionsgeschäfte in den Markt, dürfte dies den Kurs der<br />
Wertpapiere, auf die sich die Optionsgeschäfte beziehen,<br />
beeinflussen. Demgemäß besteht die Gefahr, dass die Suche<br />
nach Kontraktpartnern selbst bereits die Kosten für Optionsgeschäfte<br />
in die Höhe treibt und dass sich Kursverluste bereits<br />
vor Abschluss der Optionsgeschäfts realisieren könnten.<br />
c) Business Judgement Rule<br />
Ob der Insolvenzverwalter bei seiner kaufmännischen Abwägung<br />
von der Business Judgement Rule nach §93 Abs.1 Satz 2<br />
AktG profitiert, ist fraglich: Im Schrifttum zeichnet sich eine<br />
Tendenz ab, die dem Insolvenzverwalter das Haftungsprivileg<br />
bei Geschäften der Betriebsfortführung gewähren will34,esihm aber bei Abwicklungsmaßnahmen verwehrt35. Bei Optionsgeschäften<br />
handelt es sich jedoch um eine Maßnahme der Massesicherung,<br />
die weder Betriebsfortführung noch Masseabwicklung<br />
ist. Die besseren Gründe sprechen allerdings dafür, dass<br />
der Insolvenzverwalter hier in den Anwendungsbereich der<br />
Business Judgement Rule fällt. Denn der Abschluss von Optionsgeschäften<br />
ist als unternehmerische Entscheidung zu<br />
behandeln. 36 Die unternehmerische Entscheidung im Sinne<br />
von §93 Abs.1 Satz 2 AktG zeichnet sich nämlich dadurch aus,<br />
32 OLG Köln, Urt. vom 14.05.1982, 6 U 221/81, ZIP 1982, 977; MüKo-<br />
InsO/Brandes (o. Fn. 2), §§ 60, 61 Rn. 15; Uhlenbruck/Uhlenbruck<br />
(o. Fn. 30), § 148 Rn. 26.<br />
33 MüKo-InsO/Brandes (o.Fn.2),§§60,61Rn.15.<br />
34 Ausdrücklich für die Betriebsfortführung: Berger/Frege ZIP 2008, 204 (206ff.);<br />
MüKo-InsO/Füchsl/Weihäupl (o. Fn. 2), §148 Rn.58.<br />
35 Bejahend für Betriebsfortführung und ablehnend für Masseabwicklung: Nerlich/Römermann/Abeltshauser,<br />
InsO, §60 Rn.35 f.<br />
36 Instruktiv zur unternehmerischen Entscheidung als Anwendungsvoraussetzung<br />
für die Business Judgement Rule vgl. Arbeitskreis »Externe und interne<br />
Überwachung der Unternehmung« der Schmalenbach Gesellschaft für Betriebswirtschaft<br />
e. V. DB 2006, 2189 ff.; Fleischer ZIP 2004, 685 ff.; Hauschka<br />
<strong>GmbH</strong>R 2007, 11 (12ff.); Schneider DB 2005, 707.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
dass sie nicht rechtlich gebunden ist37 und unter Unsicherheit38 (also nicht auf Grundlage eines bereits abgeschlossenen Sachverhaltes)<br />
erfolgt. Rechtlich gebunden ist der Insolvenzverwalter<br />
bei der Abwägung insofern nicht vollständig, als dass<br />
ihm Ermessensspielräume eingeräumt sind. Besondere Unsicherheit<br />
birgt das Optionsgeschäft, weil ihm eine Einschätzung<br />
der Kursentwicklung zu Grunde liegt39, die Realisierung<br />
des abzusichernden Risikos (der Kursverlust) nicht zu einem<br />
permanenten Schaden führen muss, sondern unter Umständen<br />
durch kurzfristig längeres Halten der Wertpapiere wieder ausgeglichen<br />
werden kann (wenn die Kurse wieder steigen sollten)<br />
und bereits die Suche nach Kontraktpartnern für Kurssicherungsgeschäfte<br />
zu Kursverlusten beitragen kann.<br />
VII. Einbindung des Gläubigerausschusses<br />
Soweit der Insolvenzverwalter Verwertungshandlungen vornimmt<br />
oder Optionsgeschäfte vor Berichtstermin abschließt,<br />
sollte er die Zustimmung des Gläubigerausschusses hierzu<br />
einholen.<br />
1. Verwertung in relevantem Umfang<br />
Für die Verwertung von Wertpapieren folgt dies, je nach<br />
Volumen der zu verwertenden Wertpapieren, bereits aus<br />
§ 160 InsO. Danach hat der Insolvenzverwalter die Zustimmung<br />
des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn er Rechtshandlungen<br />
vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren<br />
von besonderer Bedeutung sind. 40<br />
2. Vorteile für Gläubigerausschussmitglieder und<br />
Insolvenzverwalter<br />
Die intensive Einbindung des Gläubigerausschusses empfiehlt<br />
sich überdies, weil hierdurch sowohl für die Mitglieder<br />
des Gläubigerausschusses als auch für den Insolvenzverwalter<br />
Haftungsrisiken minimiert werden:<br />
Der Gläubigerausschuss ist insolvenzrechtlich zur Überwachung<br />
des Insolvenzverwalters berufen. 41 Für seine Mitglieder<br />
gelten entsprechende Pflichtenbindungen wie für den Insolvenzverwalter.<br />
42 Sie sollten daher auch aus Gründen rechtlicher<br />
Vorsorge unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter in<br />
einem Umfang Wertpapiere verwerten will, der die Zustimmungspflicht<br />
nach §160 InsO auslöst und Kurssicherungsgeschäfte<br />
überhaupt nach §160 InsO zustimmungspflichtig sind,<br />
eingebunden werden. Denn durch die intensive Abstimmung<br />
mit dem Insolvenzverwalter können die Mitglieder des Gläubigerausschusses<br />
dokumentieren, dass sie ihren Pflichten zur<br />
Überwachung des Insolvenzverwalters nachgekommen sind.<br />
Umgekehrt verringert der Insolvenzverwalter durch die enge<br />
Abstimmung mit dem Gläubigerausschuss seine Haftungsgefahren:<br />
43 Stimmt der Gläubigerausschuss den vorgeschlagenen<br />
Maßnahmen zu, so wird er grundsätzlich von der persönlichen<br />
Haftung gegenüber den Gläubigern für Masseverkürzungsschäden<br />
freigestellt. 44 Ausnahmen hiervon gelten nur<br />
»aufgrund besonderer Umstände« 45.<br />
Solche besonderen<br />
Umstände liegen nach Rechtsprechung und Schrifttum vor<br />
bei unrichtiger Darstellung der Sach- und Rechtslage durch<br />
den Insolvenzverwalter gegenüber dem Gläubigerausschuss46 oder wenn die Entscheidung des Gläubigerausschusses unvertretbar<br />
ist. 47 Unvertretbar in diesem Sinne ist etwa eine Entscheidung<br />
des Gläubigerausschusses zur Fortführung des<br />
Unternehmens, obwohl der Insolvenzverwalter zuvor die<br />
Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
Fortführungsrisiken »konkret dargestellt« 48 hat. Eine solche<br />
unvertretbare Entscheidung darf der Insolvenzverwalter nicht<br />
exekutieren. Andernfalls bleibt er haftbar.<br />
Eine intensive Abstimmung zwischen Insolvenzverwalter und<br />
Gläubigerausschuss sollte insbesondere im Zusammenhang<br />
mit der Erstellung und Fortentwicklung des Verkaufsplans<br />
erfolgen. Die tragenden Gründe, die hinter seiner Konzeption<br />
stehen, sollten dem Gläubigerausschuss regelmäßig transparent<br />
gemacht werden. Das belegt die effektive Überwachung<br />
des Insolvenzverwalters durch den Gläubigerausschuss.<br />
Umgekehrt schützt es den Insolvenzverwalter, weil er sicher<br />
weiß, dass er im Einklang mit dem Gläubigerausschuss handelt.<br />
VIII. Fazit<br />
Nach all dem lässt sich bei der Verwertung von Wertpapieren<br />
aus dem Vermögen insolventer Wertpapierhandelshäuser Folgendes<br />
sagen:<br />
1.DerInsolvenzverwalteristbereits vor Berichtstermin zur<br />
Veräußerung von Wertpapieren befugt, aber nicht verpflichtet.<br />
Die Veräußerung steht in seinem pflichtgemäßen<br />
Ermessen.<br />
2. Pflichtgemäßes Ermessen verlangt bei Großportfolios, dass<br />
ein geeigneter Verkaufsplan für die Veräußerung erstellt<br />
wird, der auch die Situation und die Reaktion der Finanzmärkte<br />
in Rechnung stellt. Hierbei hat der Insolvenzverwalter<br />
einen sachverständigen Dritten zu Rate zu ziehen.<br />
3. Grundsätzlich kann der Insolvenzverwalter Kurssicherungsgeschäfte<br />
abschließen, um den Wert der Masse zu<br />
sichern. Vornehmlich kommen dafür Optionsgeschäfte<br />
und in eingeschränktem Maße »Stop loss«-Weisungen in<br />
Frage.<br />
4. Das Vorgehen des Insolvenzverwalters unterliegt den rechtlichen<br />
Maßgaben, die für Entscheidungsprozesse von<br />
Unternehmensführern gelten. Für die Ausübung seines<br />
unternehmerischen Ermessens im Hinblick auf Kurssicherungsgeschäfte<br />
gelten die Regeln der Business Judgement<br />
Rule.<br />
5. Der Insolvenzverwalter tut gut daran, den Gläubigerausschuss<br />
bei allen Schritten und Entscheidungen eng einzubinden.<br />
Dadurch wird sein Haftungsrisiko reduziert.<br />
37 Hüffer, AktG, 8.Aufl. 2008, §93 Rn.4f; Heidel/Landwehrmann,Aktienrecht<br />
und Kapitalmarktrecht, 2.Aufl. 2007, §93 Rn.89.<br />
38 Hauschka <strong>GmbH</strong>R 2007, 11 (13); Hüffer, AktG (o. Fn. 37), §93 Rn.4f; Heidel/<br />
Landwehrmann (o. Fn. 37), §93 Rn.92; Schneider DB 2005, 707 (709f.).<br />
39 Marsch-Barner/Schäfer/Arnold, Handbuch börsennotierte AG, Köln 2005,<br />
§ 22 Rn. 17 nennt die Einschätzung der Entwicklung von Wechselkursen als<br />
Beispiel für eine unternehmerische Entscheidung unter Unsicherheit und<br />
Risiko.<br />
40 Zur Frage, wann (mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Regelbeispiele<br />
nach § 160 Abs. 2 InsO) eine besondere Bedeutung vorliegt, werden im<br />
Schrifttum unterschiedliche Ansichten vertreten. Nachweise bei: MüKo-<br />
InsO/Görg (o. Fn. 2), §160 Rn.8 Fn.11.<br />
41 Einzelheiten bei: HambKomm/Frind (o. Fn. 18), §69 InsO Rn.4.<br />
42 Jaeger/Gerhardt (o.Fn.16),§71Rn.7;Kübler/Prüting/Bork/Kübler, Lfg.3/06,<br />
§71Rn.10;MüKo-InsO/Schmid-Burgk (o.Fn.2),§71Rn.5.<br />
43 So ausdrücklich: HambKomm/Frind (o. Fn. 18), §69 InsO Rn.9.<br />
44 Jaeger/Gerhardt (o. Fn. 16), §60 Rn.142ff.<br />
45 BGH, Urt. vom 22.01.1985, VI ZR 131/83; strittige Einzelheiten dargestellt<br />
bei: HambKomm/Frind (o. Fn. 18), §69 InsO Rn.8 f.<br />
46 MüKo-InsO/Brandes (o. Fn. 2), §§60, 61 Rn.98.<br />
47 BGH, Urt. vom 22.01.1985, VI ZR 131/83.<br />
48 Anwaltshandbuch Insolvenzrecht/Runkel, 2005, §5 Rn.178.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 7
Kapitalaufbringung nach dem MoMiG unter Berücksichtigung<br />
neuester BGH-Rechtsprechung<br />
Michael Kuleisa*<br />
I. Allgemeines<br />
Das MoMiG hat grundlegende Änderungen des <strong>GmbH</strong>-<br />
Rechts gebracht. Geregelt werden erstmals die zuvor in Rechtsprechung<br />
und Literatur entwickelten Rechtsinstitute der verdeckten<br />
Sacheinlage sowie des Hin- und Herzahlens in § 19<br />
Abs. 4 und Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G. In § 19 Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G ist normiert,<br />
unter welchen Voraussetzungen der Wert der verdeckt<br />
eingebrachten Sache auf die Einlageverpflichtung angerechnet<br />
werden kann. §19 Abs.5 <strong>GmbH</strong>G regelt die Erfordernisse<br />
einer wirksamen Kapitalaufbringung trotz Hin- und Herzahlens.<br />
Die neuen Vorschriften werfen eine Vielzahl von Fragen<br />
auf. Hinzu kommt, dass die Rechtsfolgen unterschiedlich<br />
sind. Vor Inkrafttreten des MoMiG konnte eine saubere<br />
Grenzziehung zwischen den Fallgruppen der verdeckten<br />
Sacheinlage und dem Hin- und Herzahlen unterbleiben. Die<br />
von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsfolgen waren<br />
deckungsgleich, so dass fehlerhafte Einordnungen nicht zur<br />
falschen Rechtsanwendung führten. Die nicht aufeinander<br />
abgestimmten Rechtsfolgen der § 19 Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G und<br />
§ 19 Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G verlangen nunmehr eine eindeutige<br />
Abgrenzung. Der BGH hat nach Inkrafttreten des MoMiG in<br />
zwei aktuellen Entscheidungen die Regelungsinhalte zur<br />
verdeckten Sacheinlage sowie zum Hin- und Herzahlen, insbesondere<br />
aber Kriterien der Abgrenzung, präzisiert. Die<br />
gesetzlichen Neuregelungen lösen die Probleme der Praxis<br />
unzureichend, was insbesondere durch die Cash-Pool-II-Ent-<br />
scheidung des BGH 1<br />
unterstrichen wird. Die schwierige<br />
Abgrenzung zwischen verdeckter Sacheinlage sowie Hin- und<br />
Herzahlenzeigtauf,dassvoneinerVereinfachung,wiesieder<br />
Gesetzgeber gewollt hat, keine Rede sein kann.<br />
II. Qivive-Entscheidung des BGH2 Der BGH hat nach Inkrafttreten des MoMiG in dieser Entscheidung<br />
Stellung zu den gesetzlichen Neuregelungen der<br />
Kapitalaufbringung genommen. Der Sachverhalt ist vereinfacht<br />
wie folgt darzustellen: Die Gesellschafter der Schuldnerin<br />
haben eine Kapitalerhöhung beschlossen. Mit dem Gesellschafter<br />
wurde im zeitlichen Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung<br />
ein Media-Vertrag geschlossen. Nach Erbringung<br />
der Bareinlage nahm die Schuldnerin Leistungen der Gesellschafterin<br />
aus dem Media-Vertrag in Anspruch und zahlte<br />
hierfür deutlich nach Fälligkeit die Vergütung. Die Klägerin<br />
als Insolvenzverwalterin hat vergeblich geltend gemacht, die<br />
Bareinlageverpflichtung sei unerfüllt, da die Schuldnerin bei<br />
wirtschaftlicher Betrachtung die in dem Media-Vertrag dargestellten<br />
Werbeleistungen, mithin eine verdeckte Sacheinlage,<br />
erhalten habe.<br />
1. Sacheinlagefähigkeit als Voraussetzung der<br />
verdeckten Sacheinlage<br />
Der Kern der Entscheidung liegt in der Feststellung, dass<br />
Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage nur sacheinlagefähige<br />
Vermögensgegenstände sein können. Den Tatbestand<br />
einer verdeckten Sacheinlage erfüllt eine Abrede in engem<br />
zeitlichen und sachlichen Zusammenhang nur dann, wenn sie<br />
8<br />
Unternehmensinsolvenz Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />
dazu führt, dass die Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis<br />
eine Sacheinlage erhält. 3 Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage<br />
kann, was der BGH als Unterschied zum Umgehungstatbestand<br />
des Hin- und Herzahlens hervorhebt, nur eine<br />
sacheinlagefähige Leistung sein. 4 Bei den von der Inferentin<br />
gemäß Media-Vertrag erbrachten Leistungen handelte es sich<br />
nicht um Sach-, sondern um Dienstleistungen. Verpflichtungen<br />
zu Dienstleistungen können nicht Gegenstand von Sacheinlagen<br />
oder Sachübernahmen sein. 5 Ist der Vermögensgegenstand<br />
nicht einlagefähig, hat der Inferent keine Möglichkeit,<br />
sich normkonform zu verhalten. Obligatorische Ansprüche<br />
gegen den Einlageschuldner sind unabhängig davon,<br />
worauf sie gerichtet sind, per se nicht einlagefähig. Versucht<br />
der Inferent eine solche Forderung als »Einlageleistung« zu<br />
erbringen,würdenurdiegesellschaftsrechtlicheVerpflichtung<br />
des Inferenten gegen seine schuldrechtliche ausgetauscht<br />
werden. 6 Da weder Dienstleistungen als solche noch Ansprüche<br />
auf deren Vergütung als Sacheinlage eingebracht werden<br />
können, stellen nachfolgende Vergütungszahlungen keine<br />
verdeckte Sacheinlage dar. Aus der fehlenden Sacheinlagefähigkeit<br />
von Dienstleistungen lässt sich folglich kein Verbot<br />
der Verabredung entgeltlicher Dienstleistungen des Inferenten<br />
im Zusammenhang mit der Begründung seiner Bareinlageschuld<br />
ableiten. Der BGH stellt in diesem Zusammenhang<br />
klar, dass anderenfalls der Gesellschafter keine Möglichkeit<br />
hätte, nach der Bareinlage als Geschäftsführer für die <strong>GmbH</strong><br />
entgeltlich tätig zu werden. 7 Im Ergebnis bleibt festzuhalten,<br />
dass Abverfügungen der Gesellschaft an den Gesellschafter<br />
auch in engem zeitlichen Zusammenhang nach der Kapitalleistung<br />
nicht zur Annahme einer verdeckten Sacheinlage<br />
mangels Einlagefähigkeit führen können, wenn Verwendungszweck<br />
Vergütungsansprüche aus Dienstleistungen sind.<br />
2. Verdeckte Finanzierung als Voraussetzung des Hinund<br />
Herzahlens<br />
Ein weiterer Schwerpunkt der Qivive-Entscheidung liegt auf<br />
der Präzisierung der Fallgruppe des Hin- und Herzahlens.<br />
Dieser Umgehungstatbestand liegt vor, wenn es an einer Bareinlageleistung<br />
zur freien Verfügung des Geschäftsführers<br />
fehlt, weil der Einlagebetrag absprachegemäß umgehend wieder<br />
an den Einleger, sei es als Darlehen oder auch aufgrund<br />
einer Treuhandabrede, zurückfließen soll. 8 Im Ergebnis wird<br />
die unverzichtbare Einlageforderung durch eine schwächere<br />
schuldrechtliche Forderung, beispielsweise Rückgewähr des<br />
Darlehens, ersetzt. Der BGH stellt in diesem Zusammenhang<br />
* Michael Kuleisa ist Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter in Hamburg.<br />
1 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546.<br />
2 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775.<br />
3 BGH, Urt. vom 20.11.2006, II ZR 176/05, BGHZ 170, 47.<br />
4 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZinsO 2009, 775 (776) Rn.9.<br />
5 H.M. GK-<strong>GmbH</strong>G/Ulmer, § 5 Rn. 60 f.; Scholz/Winter/Westermann,<br />
6<br />
<strong>GmbH</strong>G, §5 Rn.52; kritisch Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (508).<br />
BGH, Urt. vom 21.11.2005, II ZR 140/04, ZInsO 2005, 1267.<br />
7 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn.12.<br />
8 BGH, Urt. vom 21.11.2005, II ZR 140/04, ZinsO 2005, 1267.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
ergänzend klar, dass es sich hierbei um Fälle einer verdeckten<br />
Finanzierung der Einlagemittel durch die Gesellschaft handelt.<br />
9 Werden nach der ordnungsgemäß erbrachten Einlageleistung<br />
Zahlungen auf Dienste des Inferenten erbracht, liegt<br />
grundsätzlich kein unzulässiges Hin- und Herzahlen vor. Es<br />
findet weder eine verdeckte Finanzierung noch ein bloßer<br />
Austausch der Einlageforderung gegen eine andere schuldrechtliche<br />
Forderung der Gesellschaft statt. Nur wenn der<br />
InferentdieEinlagemittelfürseineZwecke»reserviert«,istdie<br />
zeitlich nachfolgende Zahlung an ihn schädlich. Das Erfordernis<br />
der freien Verfügbarkeit zugunsten der Geschäftsleitung<br />
ist erfüllt, wenn die Leistung aus dem Vermögen des<br />
Inferenten ausgeschieden und der <strong>GmbH</strong> derart in deren<br />
Geldkreislauf zugeflossen ist, dass sie diese uneingeschränkt<br />
fürihreZweckeverwendenkann. 10 Schädlich sind Absprachen<br />
zwischen Inferent und Gesellschaft nur, wenn der<br />
Gesellschafter oder ein ihm gleichgestellter Dritter die Einlagemittel<br />
zurückerhält. Ist die Geschäftsführung der Gesellschaft<br />
in der Verwendung der Einlagemittel derart frei, dass<br />
sie diese nicht für den Inferenten zu »reservieren« hat, sondern<br />
zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten einsetzen kann, führen<br />
auch spätere Zahlungen an den Gesellschafter nicht zu<br />
einem unzulässigen Hin- und Herzahlen.<br />
III. Cash-Pool-Entscheidung II des BGH11 Auch nach Inkrafttreten des MoMiG bleibt es dabei, dass für<br />
die in ein Cash-Pool-System einbezogenen Gesellschaften<br />
kein Sonderrecht bei der Gründung oder der Kapitalerhöhung<br />
abweichend von den Kapitalaufbringungsvorschriften<br />
gilt. Der BGH setzt konsequent seine Rechtsprechung im<br />
Anschluss an die erste Cash-Pool-Entscheidung 12 unter Maßgabe<br />
der neuen gesetzlichen Regelungen fort. Ein wesentliches<br />
Anliegen des Gesetzgebers war, dass auch im Rahmen der<br />
Kapitalaufbringung für ökonomisch sinnvolle Cash-Pools<br />
Erleichterungen eintreten. Ziel des Gesetzgebers ist, unter der<br />
Voraussetzung der Werthaltigkeit von Rückzahlungsansprüchen<br />
Cash-Pool-Systeme auch bei Kapitalaufbringungen<br />
abzusichern. Durch das Urteil wird deutlich, dass der Gesetzgeber<br />
sein Ziel deutlich verfehlt hat. Kernaussagen der Cash-<br />
Pool-Entscheidung II sind:<br />
1. Abgrenzung verdeckte Sacheinlage/Hin- und<br />
Herzahlen<br />
Das Urteil befasst sich schwerpunktmäßig mit der Abgrenzung<br />
zwischen verdeckter Sacheinlage und Hin- und Herzahlen bei<br />
der Kapitalaufbringung einer Gesellschaft, die in das Cash-<br />
Pool-System einbezogen ist. Die entwickelten Kriterien sind<br />
auch auf »normale« Kapitalaufbringungsvorgänge übertragbar.<br />
Ist der Saldo auf dem Zentralkonto bei Weiterleitung des<br />
Einlagebetrages aus Sicht der Gesellschaft negativ, liegt eine<br />
verdeckte Sacheinlage vor. 13 Der Gesellschaft fließt im wirtschaftlichen<br />
Ergebnis durch Weiterleitung der Bareinlage auf<br />
das Zentralkonto nicht der vereinbarte Kapitalbetrag, sondern<br />
nur die Befreiung von der Verbindlichkeit aus der Cash-Pool-<br />
Vereinbarung zu. Sie erhält nicht die Barleistung, sondern eine<br />
Entlastung auf der Passivseite. Weist das Zentralkonto des<br />
Inferenten indessen einen ausgeglichenen oder positiven Saldo<br />
zugunsten der Gesellschaft aus, liegt in der Weiterleitung der<br />
Einlage ein Hin- und Herzahlen. 14 Mit der Weiterleitung auf<br />
das Zentralkonto im Rahmen des täglichen Clearings gewährt<br />
die Gesellschaft dem Inferenten ein Darlehen. Bei einer Darlehenskonstruktion<br />
kann die Darlehensforderung nicht Gegen-<br />
Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
stand einer verdeckten Sacheinlage sein, da diese nicht einlagefähig<br />
ist. 15 Kompliziert wird es, wenn die Einlagezahlung den<br />
negativen Saldo zulasten der Gesellschaft im Zentralkonto<br />
übersteigt. Dann ist der Vorgang teilweise als verdeckte Sacheinlage,<br />
teilweise als Hin- und Herzahlen zu beurteilen. 16 Der<br />
BGH hat zwar eindeutige Abgrenzungskriterien entwickelt,<br />
die bei praktischer Umsetzung aber auf erhebliche Schwierigkeiten<br />
stoßen werden. Bereits in der Vergangenheit hat sich in<br />
obergerichtlichen Entscheidungen die Fehlvorstellung verfestigt,<br />
alle Formen des Hin- und Herzahlens seien Anwendungsfälle<br />
der verdeckten Sacheinlage. Ob nunmehr die aufgrund<br />
der differierenden Rechtsfolgen gebotene eindeutige Abgrenzung<br />
gelingen wird, bleibt abzuwarten.<br />
Ist die Kapitalaufbringung im Rahmen des Cash-Pools als verdeckte<br />
Sacheinlage zu beurteilen, kann der Inferent allenfalls<br />
noch von der Anrechnungslösung profitieren. Maßgebend ist,<br />
ob die Verbindlichkeit, von der die Gesellschaft befreit wurde,<br />
für den Inferenten werthaltig war. Ob der Inferent weiterhin<br />
zur Einlageleistung verpflichtet ist, hängt davon ab, ob und in<br />
welcher Höhe die Gesellschaft durch die Einlageleistung von<br />
einer Verbindlichkeit gegenüber dem Inferenten befreit wird,<br />
die sie ohne die Einlagezahlung aus ihrem Vermögen hätte<br />
erfüllen können. 17 War die Gesellschaft bei Weiterleitung der<br />
Einlageleistung an das Zentralkonto auch ohne gutgeschriebenen<br />
Einlagebetrag solvent, wäre die verdeckt eingebrachte<br />
Befreiung von einer Verbindlichkeit wertangemessen. 18 Ist die<br />
Kapitalaufbringung als Hin- und Herzahlen einzuordnen, ist<br />
die Kapitalaufbringung abgeschlossen, wenn bei Anmeldung<br />
der Gesellschaft die Cash-Pool-Vereinbarung aufgedeckt<br />
wurde und im Übrigen der Rückgewähranspruch vollwertig<br />
sowie fällig bzw. fristlos kündbar war. Während bei einer verdeckten<br />
Sacheinlage eine teilweise Werthaltigkeit zur Teilanrechnung<br />
genügt, kommt es bei § 19 Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G darauf<br />
an, ob der Rückgewähranspruch uneingeschränkt vollwertig<br />
war. Der sich zufällig ergebene Saldo der Gesellschaft gegenüber<br />
dem Inferenten auf dem Zentralkonto entscheidet folglich<br />
darüber, ob der Inferent in den Genuss der leichteren<br />
Anforderungen des § 19 Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G gelangt oder die<br />
Vollwertigkeit nach §19 Abs.5 <strong>GmbH</strong>G erforderlich ist. Zur<br />
Vermeidung jeglicher Haftungsrisiken wäre bei einer Kapitalaufbringung<br />
an Gesellschaften, die einem Cash-Pool-System<br />
angeschlossen sind, empfohlen, diese für einen Zeitraum von<br />
bis zu zwölf Monaten aus dem Cash-Pool herauszunehmen, 19<br />
was jedoch nicht Anliegen des Gesetzgebers war.<br />
9 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn. 16.<br />
10 Ebenso Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (510).<br />
11 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546.<br />
12 BGH, Urt. vom 16.01.2006, II ZR 76/04, ZIP 2006, 665.<br />
13 Ebenso Roth/Altmeppen, <strong>GmbH</strong>G, § 19 Rn. 101; Lutter/Hommelhoff/Bayer,<br />
<strong>GmbH</strong>G, §19 Rn.105, Bormann/Urlichs DStR 2009, 641 (643); Maier-Reimer/Wenzel<br />
ZIP 2008, 1449 (1454).<br />
14 Ebenso Altmeppen ZIP 2009, 1545 (1546); Lutter/Hommelhoff/Bayer,<br />
<strong>GmbH</strong>G, §19 Rn.105; Bormann/Urlichs DStR 2009, 641 (643).<br />
15 Vgl. BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn.10; Seibert/Decker<br />
ZIP 2008, 1208 (1210).<br />
16 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.15; ebenso<br />
Bormann/Ulrichs DStR 2009, 641 (645); Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008,<br />
1449 (1454).<br />
17 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.38.<br />
18 Altmeppen ZIP 2009, 1545 (1547).<br />
19 So Bormann/Ulrichs DStR 2009, 641 (644).<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 9
Unternehmensinsolvenz Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />
2. Möglichkeit der Heilung<br />
Wird nach einem unzulässigen Hin- und Herzahlen das DarlehenandieGesellschaftzurückgewährt,isthierdurchdie<br />
zunächst unwirksame Kapitalaufbringung geheilt worden. 20<br />
Mit der Zahlung auf die vermeintliche »Darlehensschuld«<br />
erfüllt der Inferent die offene Einlagepflicht. Der BGH hat<br />
bereits im ersten Cash-Pool-Fall21 entschieden, dass spätere<br />
Leistungen aus dem Cash-Pool nicht zur Tilgung der Einlageschuld<br />
führen. 22 Die Leistung müsse sich zweifelsfrei der noch<br />
offenen Einlage zuordnen lassen. Diese Grundsätze sind nach<br />
Inkrafttreten des MoMiG weiterhin zu beachten. 23 Der<br />
Gesetzgeber hat zwar hervorgehoben, dass die Heilungsrechtsprechung<br />
des BGH fortgelten soll. 24 Einer solchen erneuten<br />
Leistung der Bareinlage zur freien Verfügung der Geschäftsführer<br />
stehen aber Zahlungen aus dem Cash-Pool an Gläubiger<br />
für Rechnung der Gesellschaft nicht gleich. 25 Im Rahmen<br />
des Zero-Balancing lassen sich die einzelnen Leistungen nicht<br />
wie im Fall der vermeintlichen Darlehensrückzahlung zweifelsfrei<br />
der noch offenen Einlage zuordnen.<br />
3. Offenlegung als Erfüllungsvoraussetzung<br />
Der BGH hatte bereits in der Qivive-Entscheidung beiläufig<br />
erwähnt, dass die Offenlegung nach § 19 Abs. 5 Satz 2<br />
<strong>GmbH</strong>G Voraussetzung für die Erfüllung der Einlageschuld<br />
ist. 26 Der teilweise befürworteten Einschränkung des Anwendungsbereiches<br />
von § 19 Abs. 5 Satz 2 <strong>GmbH</strong>G, für Altfälle<br />
müsse die Erfüllung bereits eintreten, wenn nur die Voraussetzungen<br />
von dessen Satz 1 vorliegen, 27 wurdeeineAbsage<br />
erteilt. Die Offenlegung soll dem Registergericht die Möglichkeit<br />
eröffnen, in die Prüfung der Vollwertigkeit einzutre-<br />
ten. 28<br />
Die Einordnung der Offenlegung als Erfüllungsvoraus-<br />
setzung führt dazu, dass die Erfüllung erst dann eintritt, wenn<br />
die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet<br />
und der Vorgang in diesem Zusammenhang offengelegt<br />
wurde. 29 Bis zu diesem Zeitpunkt »schwebt« die Erfüllungswirkung,<br />
auch wenn die weiteren Voraussetzungen des<br />
§19 Abs.5 Satz 1 <strong>GmbH</strong>G vorliegen. Es stellt sich insbesondere<br />
die Frage, ob der Inferent einen Anspruch darauf hat,<br />
dass der Vorgang bei Anmeldung zum Handelsregister offengelegt<br />
wird, damit die abschließende Erfüllungsvoraussetzung<br />
auch eintritt.<br />
4. Gleichgestellter Dritter<br />
Für beide Fallgruppen der verdeckten Sacheinlage sowie des<br />
Hin- und Herzahlens bestätigt der BGH unter Bezugnahme<br />
auf die frühere Rechtsprechung, dass die Umgehung der<br />
Kapitalaufbringungsregeln keine personelle Identität zwischen<br />
Inferent und Auszahlungsempfänger voraussetzt. 30<br />
Vielmehr ist ausreichend, dass der Inferent durch die Leistung<br />
an den Dritten mittelbar in gleicher Weise begünstigt wird<br />
wie durch unmittelbare Leistung. Mittelbar zugute kommt<br />
dem Inferenten die Leistung insbesondere, wenn er an der<br />
eingebundenen Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist. 31 Entscheidend<br />
ist, ob der Inferent dessen Geschicke bestimmen<br />
und durch Gesellschafterbeschlüsse Weisungen an dessen<br />
Geschäftsführer durchsetzen kann. Vorbehaltlich einer gegenteiligen<br />
Regelung im Gesellschaftsvertrag reicht eine Beteiligung<br />
an der leistenden Gesellschaft von mehr als 50 % im<br />
Regelfall aus. 32 Ein auch geplanter Vermögensabfluss an sonstige<br />
Dritte ist danach grundsätzlich unschädlich. Schuldrechtliche<br />
Absprachen zwischen dem Inferenten und der<br />
Gesellschaft über die Verwendung der Einlagemittel bei einer<br />
10<br />
Kapitalaufbringung sind folglich unerheblich, wenn sie nur<br />
zur Erreichung bestimmter Zwecke dienen und nicht dazu<br />
bestimmt sind, die eingezahlten Mittel wieder an den Inferenten<br />
zurückfließen zu lassen. 33 Es ist daher nicht untersagt, mit<br />
einer Bareinlage eine vorausgeplante Mittelverwendung zu<br />
verbinden, solange die Einlage nicht an den Inferenten<br />
zurückfließt oder ihm sonst zugute kommt. 34 Im Streitfall war<br />
der Mitgesellschafter, der nicht am Cash-Pool-System beteiligt<br />
war, nicht zur Einlageleistung verpflichtet, da der Mittelabfluss<br />
an den weiteren Gesellschafter (zugleich Cash-Pool-<br />
Manager) ihm mangels gesellschaftsrechtlicher Verbindung<br />
nicht mittelbar zugute kam.<br />
IV. Offene Fragen zur verdeckten Sacheinlage<br />
Nach § 19 Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G liegt eine verdeckte Sacheinlage<br />
vor, »wenn eine Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher<br />
Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang<br />
mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede<br />
vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten« ist. Im<br />
Schrifttum ist kritisiert worden, dass diese Umschreibung<br />
nicht der Definition des BGH entspreche, weil es bei der verdeckten<br />
Sacheinlage nicht um eine »als Sacheinlage zu bewertende<br />
Geldeinlage«, sondern um die Erfassung eines Umgehungsfalles<br />
geht. 35 Nach Auffassung des Gesetzgebers wird<br />
durch den Gesetzeswortlaut die Legaldefinition der Rechtsprechung<br />
wiedergegeben, weshalb keine Veränderungen hinsichtlich<br />
des Tatbestandes eingetreten sind. 36 Der BGH hat in<br />
seinen oben genannten Entscheidungen den Wortlaut der<br />
Norm nicht problematisiert, sondern lediglich angemerkt,<br />
dass sich mit der Neufassung des §19 Abs.4 <strong>GmbH</strong>G an der<br />
Definition der verdeckten Sacheinlage nichts geändert habe. 37<br />
Als verdeckte Sacheinlage ist weiterhin anzusehen, wenn die<br />
gesetzlichen Regelungen für Sacheinlagen dadurch unterlaufen<br />
werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird, die<br />
Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem<br />
Inferenten aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme<br />
der Einlage getroffenen Absprache einen Sachwert<br />
erhalten soll. 38 Für Schwierigkeiten und Diskussionen in der<br />
Literatur sorgen jedoch die neuen Rechtsfolgen des § 19<br />
20 BGH, Urt. vom 22.11.2005, II ZR 140/04, ZIP 2005, 2203; BGH, Urt. vom<br />
09.01.2006, II ZR 72/05, ZIP 2006, 331; 2006, 1679).<br />
21 BGH, Urt. vom 16.01.2006, II ZR 76/04, ZIP 2006, 665.<br />
22 BGH, Urt. vom 16.01.2006, II ZR 76/04, ZIP 2006, 665 Rn.24–26.<br />
23 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.22.<br />
24 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S.78.<br />
25 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 272/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.22.<br />
26 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn.16; bestätigt<br />
in BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 272/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.25;<br />
zustimmend Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (510); kritisch Altmeppen ZIP 2009,<br />
1545 (1548).<br />
27 Bormann/Urlichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft Oktober 2008, 37 (44).<br />
28 Goette, Einführung in das neue <strong>GmbH</strong>-Recht, 2008, S.249.<br />
29 Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (511).<br />
30 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.32 unter<br />
Berufung auf BGH, Urt. vom 02.12.2002, II ZR 101/02, NJW 2003, 825;<br />
BGH, Urt. vom 20.11.2006, II ZR 176/05, NJW 2007, 765.<br />
31 BGH, Urt. vom 22.10.1990, II ZR 238/89, ZIP 1990, 1593.<br />
32 BGH, Urt. vom 21.06.1999, II ZR 70/98, ZIP 1999, 1314.<br />
33 BGH, Urt. vom 02.12.2002, II ZR 101/02, ZIP 2003, 211.<br />
34 BGH, Urt. vom 22. 06. 1992, II ZR 30/91, NJW 1992, 2698; BGH, Urt.<br />
vom 12.02.2007, II ZR 272/05, ZIP 2007, 528.<br />
35 Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 126 (127); ders. <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (507).<br />
36 Begr. RegE, BR-Drucks. 354/07, S.92.<br />
37 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn.8; BGH,<br />
Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.10.<br />
38 So bereits BGH, Urt. vom 16.01.2006, II ZR 76/04, ZIP 2006, 665 Rn.11.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
Abs.4 <strong>GmbH</strong>G, zu denen noch keine gerichtlichen Entscheidungen<br />
vorliegen.<br />
1. Anrechungswirkung<br />
Abweichend von dem Regierungsentwurf wird der Inferent<br />
bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage nicht von seiner<br />
Bar-Einlagepflicht befreit. Die Zahlungspflicht besteht fort.<br />
Der Wert der verdeckt geleisteten Sacheinlage wird jedoch auf<br />
seine Einlagepflicht angerechnet. Zweck des § 19 Abs. 4<br />
<strong>GmbH</strong>G ist, dass der Gesellschaft bei einer verdeckten Sacheinlage<br />
wertmäßig die Leistung zufließt, die ursprünglich als<br />
Bareinlage geschuldet war. Für die Bewertung ist entweder auf<br />
den Zeitpunkt der Übertragung des Sacheinlagegegenstandes<br />
oder auf den der Anmeldung zum Handelsregister abzustellen,<br />
je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. Das<br />
Rechtsinstitut »Anrechung« ist den BGB-Erfüllungssurrogaten<br />
unbekannt. 39 Die gesetzlich angeordnete Anrechnung<br />
kann nicht als Erfüllung qualifiziert werden, da dies dem<br />
Anrechungsmodell des Gesetzgebers widerspricht. Gegen die<br />
Annahme einer Leistung an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1<br />
BGB) spricht, dass die Erbringung der geschuldeten Sache<br />
durch den Inferenten bereits der Erfüllung seiner Verpflichtung<br />
aus dem kraft Gesetzes verselbstständigten Verkehrsgeschäft<br />
dient. 40 Auch eine Leistung erfüllungshalber (§ 364<br />
Abs.2BGB)scheidetaus,denndannbliebedieBareinlageforderung<br />
trotz Anrechungswirkung bestehen. Die Anrechnung<br />
kann auch nicht als Aufrechnung eingeordnet werden, ohne<br />
dass es zu Wertungswidersprüchen mit den weiterhin geltenden<br />
Anforderungen an eine Sachgründung kommen würde. 41<br />
Da bei einer verdeckten Sacheinlage nach Inkrafttreten des<br />
MoMiG das Verkehrsgeschäft wirksam ist, kann der Wert des<br />
Einlageobjektes nicht noch einmal auf die bestehen gebliebene<br />
Einlageschuld angerechnet werden. In der Vergangenheit<br />
sind in der Literatur mehrere Lösungsansätze vorgeschlagen<br />
worden. 42 Trotz des Streites über die dogmatische Einordnung<br />
besteht im Ergebnis Einigkeit darüber, dass der reale<br />
Wert der verdeckt eingebrachten Sache auf die offene Einlagepflicht<br />
anzurechnen ist und der Inferent seine fehlgeschlagene<br />
Einlageleistung nicht kondizieren kann. 43 Bei einer gemischtenverdecktenSacheinlage,beiderderWertdenBetragder<br />
übernommenen Einlage übersteigt und für den der Gründer<br />
ein über den tatsächlichen Wert hinausgehendes Entgelt<br />
erhalten hat, 44 würde bei wortgenauer Anwendung des § 19<br />
Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G eine schuldbefreiende Wirkung eintreten,<br />
obwohl der Gesellschafter für seine verdeckt eingebrachte<br />
Sache mehr erhalten hat, als diese wert ist. Einheitlich wird<br />
angenommen, dass auch bei einer gemischten verdeckten<br />
Sacheinlage die Differenz zwischen dem Wert der Sache und<br />
dem hierfür gezahlten Entgelt auszugleichen ist. 45<br />
Anrechnung erloschen und damit erfüllt. Für ihn besteht<br />
zudem das Risiko, sich nach § 82 <strong>GmbH</strong>G strafbar zu<br />
machen.<br />
Der Meinungsstreit<br />
über die dogmatische Einordnung der Anrechnungswirkung<br />
wird deshalb für die Praxis nur eine untergeordnete<br />
Bedeutung haben.<br />
47 Nach anderer Auffassung ist für eine Strafbarkeit<br />
wegen verdeckter Sacheinlage kein Raum, da die Behauptung<br />
des Geschäftsführers, er habe die Bareinlage noch zur freien<br />
Verfügung, objektiv richtig ist. 48 Die Gesetzesmaterialien enthalten<br />
zur Strafbarkeit keine weiterführenden Anmerkungen.<br />
In der Begründung zum RegE des MoMiG wird zwar ausgeführt,<br />
§ 82 <strong>GmbH</strong>G soll auf den Fall einer vorsätzlich verdeckten<br />
Sacheinlage nicht anwendbar sein, weil dies unangemessen<br />
wäre. 49 Dem liegt jedoch noch die Erfüllungslösung in<br />
der Fassung des RegE zugrunde, welche durch die Anrechnungswirkung<br />
abgelöst wurde. Gibt ein Geschäftsführer in<br />
Kenntnis einer verdeckt vorgenommenen Einlage die Versicherung<br />
ab, ist diese nach der hier vertretenen Auffassung fehlerhaft.<br />
Er weiß, dass die Einlageleistung aufgrund des verabredeten<br />
Geschäftes mit dem Inferenten für diesen reserviert<br />
ist. Dies muss einerseits strafrechtliche Konsequenzen nach<br />
sich ziehen, darüber hinaus haftet er aus §9a <strong>GmbH</strong>G. 50<br />
3. Unternehmergesellschaft<br />
Bei Unternehmergesellschaften ist die Erbringung von Sacheinlagen<br />
ausgeschlossen (§5a Abs.2 Satz 2 <strong>GmbH</strong>G). Streitig<br />
ist, welche Rechtsfolgen gelten sollen, wenn bei einer Unternehmergesellschaft<br />
verdeckt eine Sacheinlage erbracht wird.<br />
Gegen eine analoge Anwendung des §19 Abs.4 <strong>GmbH</strong>G bei<br />
einer Unternehmergesellschaft 51 spricht, dass die Form dieser<br />
Einlageleistung bei der vom Gründer gewählten Gesellschaftsform<br />
ausdrücklich untersagt ist. Eine entsprechende<br />
Anwendung des §19 Abs.4 <strong>GmbH</strong>G würde zum Missbrauch<br />
bei der Unternehmergesellschaft einladen. Da bei der Unternehmergesellschaft<br />
ein Gegenstand nicht sacheinlagefähig ist,<br />
kann §19 Abs.4 <strong>GmbH</strong>G von vornherein keine Anwendung<br />
finden. 52 In diesem Fall sollten die bisherigen Grundsätze der<br />
Rechtsprechung zur verdeckten Sacheinlage gelten.<br />
2. Haftungsrisiko des Geschäftsführers<br />
Durch das MoMiG wird die Haftungsverantwortung von den<br />
Gesellschaftern auf den Geschäftsführer verlagert. Für ihn<br />
ergeben sich zusätzliche Belastungen. Trotz der Anrechnungswirkung<br />
wird er haftungsrechtlichen Sanktionen ausgesetzt,<br />
da die Anrechnungswirkung erst mit Eintragung der Gesellschaft<br />
in das Handelsregister erfolgt. Er darf daher nach überwiegender<br />
Ansicht in der Anmeldung nach §8 <strong>GmbH</strong>G nicht<br />
versichern, die Geldeinlagepflicht sei zumindest durch<br />
Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
39 Hierauf bereits in der Diskussion zur Ablehnung der ursprünglich geplanten<br />
Erfüllungswirkung hinweisen: Ulmer ZIP 2008, 45 (52); Priester ZIP 2008,<br />
55 (56); Winter FS Priester, 2007, S.867 (876ff.).<br />
40 Ebenso Ulmer ZIP 2009, 293 (295); Veil/Werner <strong>GmbH</strong>R 2009, 729 (730).<br />
41 Ulmer ZIP 2008, 45 (52); Markwardt BB 2008, 2414 (2416).<br />
42 Ulmer ZIP 2009, 293 ff: Rechtsgedanke des Vorteilsausgleiches; Pentz<br />
<strong>GmbH</strong>R 2009, 126 ff., der dem Kondiktionsanspruch des Gesellschafters<br />
wegen unwirksamer Einlageleistung den Einwand der Entreicherung entgegenhält;<br />
Bormann/Ulrichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft Oktober 2008, 37 (40) halten<br />
den Anspruch des Gesellschafters auf Kondiktion seiner Bareinlage aus teleologischen<br />
Gründen für gesperrt; Heinze <strong>GmbH</strong>R 2008, 1065 (1066) für<br />
schuldrechtliche Doppelwirkung; Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449<br />
(1452) für Umgestaltung der Rechtsverhältnisse; ebenso Veil/Werner <strong>GmbH</strong>R<br />
2009, 729; HambKomm/Kuleisa, Anhangzu§35InsO,C.verdeckteSacheinlage,<br />
Rn.27.<br />
43 Ausführlich zum Meinungsstand Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2009, 1185.<br />
44 BGH, Urt. vom 20.11.2006, II ZR 176/05, NJW 2007, 765 Rn.17.<br />
45 Siehe Bsp. in HambKomm/Kuleisa,Anhangzu§35InsO,C.verdeckteSacheinlage,<br />
Rn.26.<br />
46 46 Dazu Römermann NZI 2008, 641.<br />
47 Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449 (1454); Römermann NZI 2008, 641<br />
(642); Seibert/Decker ZIP 2008, 1208 (1210).<br />
48 Altmeppen ZIP 2009, 1545 (1549f.).<br />
49 BT-Drucks. 16/6140, S.92.<br />
50 Ebenso Markwardt BB 2008, 2414 (2418).<br />
51 So aber Wälzholz <strong>GmbH</strong>R 2008, 841 (843).<br />
52 Ebenso Bormann/Ulrichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft Oktober 2008, 37 (42); Markwardt<br />
BB 2008, 2414 (2421); a.A. Heinze <strong>GmbH</strong>R 2008, 1065 (1068).<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 11
Unternehmensinsolvenz Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />
4. Mehr-/Minderheitskonflikte<br />
Die gesetzlich angeordnete Anrechnungslösung kann unter<br />
UmständendemWillenvonMitgesellschaftern widersprechen.<br />
Erbringt ein Mitgesellschafter eine verdeckte Sacheinlage<br />
in Abstimmung mit der Geschäftsleitung, ist für die weiteren<br />
Mitgesellschafter, die sich an das satzungsgemäße Gebot<br />
der Barausstattung gehalten haben, die Anrechnungswirkung<br />
nicht einsehbar. Sie werden mit dem Risiko einer Ausfallhaftung<br />
gemäß §24 <strong>GmbH</strong>G belastet, wenn der Sachwert geringer<br />
als die geschuldete Bareinlage ist. Teilweise wird deshalb<br />
gefordert,dassausGründendesMinderheitenschutzesdie<br />
gesetzlich angeordnete Anrechnungswirkung unter dem Vorbehalt<br />
der Zustimmung durch alle Gesellschafter steht. 53 Ein<br />
solches Erfordernis ist aus dem Gesetzeswortlaut nicht<br />
ersichtlich. Der Gesellschafter wird daher im Wege der actio<br />
pro socio seinen MitgesellschafteroderdieGesellschaftauf<br />
Unterlassung des verdeckten Geschäfts in Anspruch nehmen<br />
können. 54 Wurde das Geschäft mit dem Gesellschafter aber<br />
bereits vollzogen, dürfte eine Klage auf Naturalrestitution an<br />
der gesetzlichen Wertung des § 19 Abs. 4 Satz 2 <strong>GmbH</strong>G<br />
scheitern, wenn der Sachwert der Einlagehöhe entspricht. 55<br />
V. Offene Fragen zum Hin- und Herzahlen<br />
Der BGH hat in der Qivive-Entscheidung die Fallgruppe des<br />
Hin- und Herzahlens in Abgrenzung zur verdeckten Sacheinlage<br />
deutlich präzisiert. Beim Hin- und Herzahlen hat die<br />
Leistung nicht zur endgültigen freien Verfügung der<br />
Geschäftsleitung gestanden, was indessen nicht ausschließt,<br />
dass im Einzelfall auch die noch formstrengeren Sacheinlagevorschriften<br />
verletzt sein können, 56 was der erste Cash-Pool-<br />
Fall57 aufzeigt. Die Fallgruppe des Hin- und Herzahlens ist in<br />
Abgrenzung zur verdeckten Sacheinlage zusätzlich dadurch<br />
gekennzeichnet, dass die Einlagemittel durch die Gesellschaft<br />
verdeckt finanziert werden. Dies spricht dafür, dass auch für<br />
den bisher nicht entschiedenen Fall des Her- und Hinzahlens<br />
bei Gewährung eines Neudarlehens an den Gesellschafter §19<br />
Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G Anwendung findet. 58 Ist Grund der vorherigen<br />
Auszahlung an den Gesellschafter die Gewährung eines<br />
Neudarlehens, leistet der Inferent wie in der spiegelbildlichen<br />
Konstellation des sogenannten Hin- und Herzahlens nichts. 59<br />
Ebenso diese Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass die<br />
Einlageleistung aus Mitteln der <strong>GmbH</strong> erfolgt. Der Sachverhalt<br />
ist aber als verdeckte Sacheinlage vorrangig zu beurteilen,<br />
wenn die zeitlich vorherige Abverfügung an den Gesellschafter<br />
zur Tilgung einer ihm gegenüber bestehenden Verbindlichkeit<br />
erfolgt (Altdarlehen). In dieser Konstellation ist die<br />
Gesellschaft wie im Cash-Pool-Fall II von einer Verbindlichkeit<br />
gegenüber dem Inferenten befreit worden. Die beiden<br />
neuen Entscheidungen des BGH schaffen folglich Klarheit<br />
über die Anwendungsbereiche, offen bleibt indessen, wann<br />
die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind.<br />
1. Vollwertiger und liquider Rückgewähranspruch<br />
Das Gesetz erläutert nicht, was unter vollwertig zu verstehen<br />
ist. Der BGH hat in einem anderen Zusammenhang für eine<br />
Vollwertigkeit der Forderung verlangt, dass das Vermögen des<br />
Schuldners zur Deckung seiner sämtlichen Verbindlichkeiten<br />
ausreichen muss. 60 An der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft<br />
dürfen keinerlei Zweifel bestehen. 61 Unter Berufung<br />
auf die Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise sollen<br />
abschwächend die Grundsätze der Forderungsbewertung<br />
nach dem HGB, insbesondere § 253 Abs. 3 HGB, greifen. 62<br />
12<br />
Die Forderung ist danach unter Berücksichtigung des individuellen<br />
Kreditrisikos des Gesellschafters zu bewerten. 63 Im<br />
Interesse des Gläubigerschutzes ist die objektive Vollwertigkeit<br />
maßgebend, so dass es auf die der Geschäftsführung bekannten<br />
Informationen bei der Bewertung nicht allein ankommt. 64<br />
Der Gesellschafter wird nur dann von seiner Verpflichtung<br />
frei, »wenn« (und nicht »soweit«) die Leistung durch einen<br />
vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist. Eine Teilwertigkeit<br />
ist daher unbeachtlich. 65 Der Rückgewähranspruch<br />
muss zudem jederzeit fällig sein oder durch fristlose Kündigung<br />
durch die Gesellschaft sofort fällig werden können. Der<br />
Gesetzgeber wollte einen Ausgleich dafür schaffen, dass die<br />
Vollwertigkeitsprüfung zeitbezogen bei Einlageleistung stattfinden<br />
muss, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Inferenten<br />
als Darlehensnehmer sich aber während der Laufzeit des<br />
Geschäftes, aus dem sich der Rückzahlungsanspruch ergibt,<br />
zum Nachteil der <strong>GmbH</strong> und ihrer Gläubiger ändern können.<br />
66 Dies setzt voraus, dass die Gesellschaft den Vertrag, auf<br />
dem die Rückgewährpflicht beruht, jederzeit ohne Einschränkung<br />
kündigen können muss. 67 Das Gesetz fordert darüber<br />
hinaus nicht, dass das an den Gesellschafter ausgereichte Darlehen<br />
einem Drittvergleich standhalten muss. Insbesondere<br />
wird keine Verzinsung oder Besicherung verlangt. 68 Bis zur<br />
Klärung der Rechtsfrage zu der Notwendigkeit einer Darlehensverzinsung<br />
ist jedoch anzuraten, eine Zinspflicht zu vereinbaren.<br />
Die Erfüllungswirkung tritt nach dem Alles-oder-<br />
Nichts-Prinzip nur ein, wenn der Rückgewähranspruch in vollem<br />
Umfang vollwertig ist. Der Begriff der Vollwertigkeit<br />
dürfte dahingehend auszulegen sein, dass die Gesellschaft auch<br />
einen Nutzen aus dem Mittelabfluss, somit Zinsen, erhalten<br />
muss. Auf eine Besicherung wird es jedoch nur dann ankommen,<br />
wenn ansonsten die Realisierung der Forderung zweifelhaft<br />
ist. 69 Anders als in §19 Abs.4 <strong>GmbH</strong>G ist ungeregelt, wer<br />
insbesondere für die Vollwertigkeit die Beweislast trägt. Eine<br />
Analogie zu § 19 Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G ist abzulehnen, weil eben<br />
keine (vorrangige) verdeckte Sacheinlage vorliegt. 70 Nach<br />
überwiegender Auffassung ist der Gesellschafter nach allgemeinen<br />
Regeln beweisbelastet, da der Erfüllungseinwand von<br />
ihm nachzuweisen ist. 71 Der Inferent beansprucht für sich eine<br />
53 Ulmer, <strong>GmbH</strong>G, § 19 Rn. 138; Scholz/Winter/Westermann, <strong>GmbH</strong>G,§5<br />
Rn.107 zur bisherigen Heilungsrechtsprechung des BGH.<br />
54 Markwardt BB 2008, 2414 (2417).<br />
55 Vgl. zu Mehr-/Minderheitskonflikten ebenso Veil ZIP 2007, 1241 (1244).<br />
56 Goette ZInsO 2007, 1177 (1178).<br />
57 BGH, 16.01.2006, II ZR 76/04, ZIP 2006, 665.<br />
58 HambKomm/Kuleisa,Anhangzu§35InsO,D.Hin-undHerzahlen,Rn.4.<br />
59 BGH, Urt. vom 12.06.2006, II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633.<br />
60 BGH, Urt. vom 02.12.2002, II ZR 101/02, <strong>GmbH</strong>R 2003, 231.<br />
61 Büchel <strong>GmbH</strong>R 2007, 1065 (1067); Heinze <strong>GmbH</strong>R 2008, 1065 (1070)<br />
»volle Solvenz«.<br />
62 Ebenso BGH, Urt. vom 01.12.2008, II ZR 102/07, ZIP 2009, 70 Rn.13 zu<br />
§30 <strong>GmbH</strong>G).<br />
63 Kallmeyer BB 2007, 2755; Winter DStR 2007, 1484 (1486); Markwardt BB<br />
2008, 2414 (2420) abstellend auf die Kreditwürdigkeit.<br />
64 Bormann/Ulrichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft Oktober 2008, 37 (43f.).<br />
65 Heckschen DStR 2009, 166 (173) – Alles-oder-Nichts-Prinzip.<br />
66 BT-Drucks. 16/9737, S.97.<br />
67 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.28.<br />
68 Hierzu Bormann/Ulrichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft Oktober 2008, 37 (44).<br />
69 Heckschen DStR 2009, 166(173); BGH, Beschl. vom 09.07.2007, II ZR 222/<br />
06, ZInsO 2007, 1111 zur Beweislast im Allgemeinen.<br />
70 Büchel <strong>GmbH</strong>R 2007, 1065 (1068).<br />
71 Gundlach/Frenzel/Strandmann NZI 2008, 647 (648); Gehrlein Der Konzern<br />
2007, 771 (781); Heinze <strong>GmbH</strong>R 2008, 1065 (1071); Heckschen DStR 2009,<br />
166 (173).<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
günstige Rechtsfolge, da er abweichend von § 8 Abs. 2<br />
<strong>GmbH</strong>G geltend macht, seine Einlageleistung habe trotz zeitnaher<br />
Abverfügung an ihn die Kapitalaufbringung abgeschlossen.<br />
Ihm obliegt deshalb, sämtliche Voraussetzungen des §19<br />
Abs.5 <strong>GmbH</strong>G zu beweisen.<br />
2. Offenlegung bei Anmeldung<br />
Nach §19 Abs.5 Satz 2 <strong>GmbH</strong>G ist die Leistung an den Gesellschafter<br />
oder die Vereinbarung einer solchen Leistung in der<br />
Anmeldung zum Handelsregister anzugeben. Der Gesetzgeber<br />
hat hierdurch einen Wertungswiderspruch gelöst. Der<br />
Geschäftsführer hätte bei einem Hin- und Herzahlen nicht<br />
erklären können, dass sich die Einlageleistung endgültig in seiner<br />
freien Verfügung befindet. Der BGH hat nunmehr geklärt,<br />
dass die Pflicht zur Offenlegung materielle Voraussetzung für<br />
das Eintreten der Rechtsfolge des § 19 Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G ist. 72<br />
Offenistaberweiterhin,obauchErklärungenzurVollwertigkeit<br />
zusätzlich abzugeben sind. Anmeldepflichtig ist nach dem<br />
Wortlaut nur die Vereinbarung/Leistung als solche. Überwiegend<br />
wird dennoch vertreten, die Erklärung sei falsch, wenn sie<br />
nicht den Anforderungen des §19 Abs.5 Satz 1 <strong>GmbH</strong>G ent-<br />
spricht. 73<br />
MitderEinordnungderOffenlegungspflichtalsmate-<br />
rielle Voraussetzung dürfte sich auch der Meinungsstreit darüber<br />
erledigt haben, ob §19 Abs.5 <strong>GmbH</strong>G Anwendung findet,<br />
wenn eine Vereinbarung gar nicht oder erst nach der Einlageleistung<br />
getroffen wurde. 74 Der Gesetzeswortlaut verlangt, dass vor<br />
Einlageleistung eine Vereinbarung getroffen wurde. Nach §19<br />
Abs.5 Satz 2 <strong>GmbH</strong>G ist eine Offenlegung des Hin- und Herzahlens<br />
bei der Anmeldung zum Handelsregister nach § 8<br />
<strong>GmbH</strong>Ganzugeben.Diessetztabervoraus,dasszumZeitpunkt<br />
der Anmeldung die Vereinbarung vorliegen muss. Hieraus folgt,<br />
dass bei fehlender oder nachfolgender Abrede § 19 Abs. 5<br />
<strong>GmbH</strong>G unanwendbar ist. 75<br />
VI. Übergangsregelung<br />
Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 EG<strong>GmbH</strong>G kommt den gesetzlichen<br />
Neuregelungen Rückwirkung auch schon für die vor Inkrafttreten<br />
des Gesetzes vereinbarten Einlageleistungen zu. Dies gilt nur<br />
dann nicht, wenn über die aus der Unwirksamkeit folgenden<br />
AnsprücherechtskräftigentschiedenwurdeodersiezumGegenstand<br />
einer wirksamen Vereinbarung zwischen Gesellschaft und<br />
Gesellschaftern gemacht worden sind. 76 DerBGHhateineVorlage<br />
an das Bundesverfassungsgericht nach Art.100 Abs.1 GG<br />
für derzeit nicht geboten gehalten, da im Cash-Pool-Fall II noch<br />
völlig ungewiss ist, inwieweit eine Anrechnung nach der neuen<br />
gesetzlichen Regelung in Betracht kommt. 77 Auch in der Qivive-<br />
Entscheidung musste der BGH auf die mit demÜbergangsrecht<br />
verbundene Frage der Verfassungskonformität nicht eingehen,<br />
da kein Fall der verdeckten Sacheinlage vorgelegen hat. Goette78 hält ein solches gesetzgeberisches Vorgehen gerade unter verfassungsrechtlichen<br />
Aspekten wegen der mit der Regelung verbundenen<br />
echten Rückwirkung für mehr als problematisch.<br />
Überwiegend werden die Andeutungen des BGH in den Entscheidungen<br />
alsHinweis daraufverstanden,dass dieÜbergangsregelung<br />
zumindest nicht von vornherein für unbedenklich<br />
gehalten wird. 79Eine<br />
baldige Klärung wäre für die Rechtsuchenden<br />
wünschenswert. Bei der Beurteilung von Altfällen (Sachverhalte<br />
vor Inkrafttreten des MoMiG) dürfte die Bedeutung<br />
jedoch gering sein. Zu erwarten ist nicht, dass es bei Vorliegen<br />
einer verdeckten Sacheinlage dem Inferenten gelingt, den Wert<br />
der verdeckt eingebrachten Sache in einem meist Jahre später<br />
geführten Rechtsstreit noch nachzuweisen. Da die Offenle-<br />
Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
gungspflicht materielle Voraussetzung für die Rechtsfolge des<br />
§19 Abs.5 <strong>GmbH</strong>G ist, wird eine Berufung des Inferenten auf<br />
die erleichternde Neuregelung bei einem Hin- und Herzahlen<br />
meist hieran scheitern. Überwiegend wahrscheinlich ist, dass in<br />
der Vergangenheit Leistungen oder Vereinbarungen über solche<br />
Leistungen nicht zum Handelsregister angemeldet wurden, was<br />
indessen erforderlich wäre.<br />
VII. Zusammenfassung<br />
1. Der BGH hat die Abgrenzungskriterien zwischen verdeckter<br />
Sacheinlage und Hin- und Herzahlen in den beiden dargestellten<br />
Entscheidungen deutlich fortentwickelt. Dies erleichtert die<br />
Zuordnung von Sachverhalten zu den neuen gesetzlichen Regelungen<br />
mit unterschiedlichen Rechtsfolgen. Unabdingbare<br />
Voraussetzung der verdeckten Sacheinlage ist, dass die verdeckt<br />
eingebrachte Sache auch einlagefähig sein muss. Das Hin- und<br />
Herzahlen ist dagegen eine verdeckte Finanzierung, bei der der<br />
Gesellschaft im Ergebnis keine neue Liquidität zufließt.<br />
2. Das gesetzgeberische Anliegen, das als ökonomisch sinnvoll<br />
bezeichnete Cash-Pooling als Methode der Konzernfinanzierung<br />
bei einer Kapitalaufbringung abzusichern, dürfte schwer<br />
erreichbar sein. Liegt eine vorrangige verdeckte Sacheinlage<br />
vor, kommt es für die Rechtsfolge der Anrechnung nach §19<br />
Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G entscheidend darauf an, ob die Gesellschaft<br />
bei Weiterleitung der Einlageleistung an das Zentralkonto<br />
auch ohne Berücksichtigung der Einlagezahlung die Verbindlichkeit<br />
gegenüber dem Inferenten erfüllen konnte. Die Kapitalaufbringung<br />
bei einem Hin- und Herzahlen ist dagegen erst<br />
abgeschlossen, wenn der Rückgewähranspruch vollwertig, fällig<br />
bzw. jederzeit kündbar ist und darüber hinaus die Leistung/Vereinbarung<br />
der Leistung offengelegt wurde. Unklar ist<br />
aber weiterhin, welche Anforderungen an den Inhalt der<br />
Offenlegung zu stellen sind.<br />
3. Begrüßenswert wäre gewesen, wenn der Streit über die verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken zur Übergangsvorschrift des<br />
§ 3 Abs. 4 EG<strong>GmbH</strong>G beendet worden wäre. Der BGH hat<br />
dies mangels Entscheidungserheblichkeit in beiden Urteilen<br />
offen lassen können. Der Wunsch nach Rechtssicherheit<br />
bleibt für die Rechtsuchenden fortbestehen. Bis zur abschließenden<br />
Entscheidung, ob §3 Abs.4 EG<strong>GmbH</strong>G gegebenenfalls<br />
verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass die<br />
Übergangsvorschrift erst ab ihrem Inkrafttreten auf verdeckt<br />
eingebrachte Einlageleistungen anwendbar ist, werden in<br />
anhängigen und künftig angestrebten Rechtsstreiten die Sachverhalte<br />
jeweils an der Rechtslage vor/nach Inkrafttreten des<br />
MoMiG zu prüfen sein.<br />
72 BGH, Urt. vom 16. 02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn.16; BGH,<br />
Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZinsO 2009, 1546 Rn.25.<br />
73 Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449 (1454); Bormann/Ulrichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft<br />
Oktober 2008, 37 ( 44).<br />
74 Für entsprechende Anwendung des §19 Abs.5 <strong>GmbH</strong>G: Maier-Reimer/Wenzel<br />
ZIP 2008, 1449 (1453).<br />
75 Ebenso Büchel <strong>GmbH</strong>R 2007, 165 (167); Markwardt BB 2008, 2414 (2420).<br />
76 Vgl. für die Umsetzung bei laufenden Rechtsstreiten: Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 126<br />
(129ff.), der ungeachtet dessen die Übergangsregelung für verfassungsrechtlich<br />
bedenklich hält; ebenso Heinze <strong>GmbH</strong>R 2008, 1065 (1073); Bormann <strong>GmbH</strong>R<br />
2007, 897(901);Badenhop ZInsO2009,793;Pentz<strong>GmbH</strong>R 2009,505(506f.);<br />
andererseits Fuchs BB 2009, 170 (174).<br />
77 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.38.<br />
78 Goette, Einführung in das neue <strong>GmbH</strong>-Recht, 2008, S.36.<br />
79 Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (506).<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 13
Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />
BVerfG: Verfassungskonformität von<br />
Kriterien für die Aufnahme eines<br />
Bewerbers in die sog. Vorauswahlliste<br />
des Insolvenzrichters, insb.: Kriterium<br />
der höchstpersönlichen<br />
Aufgabenwahrnehmung<br />
§56InsO;Art.3Abs.1,12Abs.1GG<br />
Leitsatz der Redaktion:<br />
Bei der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters (§56<br />
InsO) kommt der sog. Vorauswahlliste eine entscheidende<br />
Bedeutung zu: Sie vermittelt dem Insolvenzrichter einen<br />
Rahmen, der ihm trotz der Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung<br />
eine sichere Tatsachengrundlage für eine<br />
sachgerechte Auswahlentscheidung im konkreten Insolvenzverfahren<br />
(vgl. BVerfGE 11, 1, 17) verschafft.<br />
Der Insolvenzrichter ist nicht gehindert, unter dem<br />
Gesichtspunkt fehlender genereller Eignung solche Bewerber<br />
unberücksichtig zu lassen, die nach den Kriterien seiner<br />
eigenen Ermessenspraxis keine Aussicht auf tatsächliche<br />
Berücksichtigung haben.<br />
Das Kriterium der höchstpersönlichen Aufgabenwahrnehmung<br />
begegnet insbesondere im Bereich der Unternehmensinsolvenz<br />
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da<br />
es nicht sachfremd ist, die Auswahlentscheidung daran zu<br />
knüpfen, dass der Bewerber, dessen Eignung Grundlage der<br />
Bestellung ist, bei der Insolvenzverwaltung persönlich substanziell<br />
mitwirkt.<br />
Es ist Sache der Insolvenzgerichte, festzustellen, welches<br />
Maß der Aufgabenübertragung zwischen den beiden Grenzpunkten<br />
der vollständigen Delegation einerseits und praktisch<br />
unverzichtbarer Unterstützung andererseits in konkreten<br />
Verfahren zulässig ist.<br />
BVerfG, Beschluss vom 03.08.2009, 1 BvR 369/08<br />
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung<br />
angenommen.<br />
Gründe: [1] I. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die<br />
Voraussetzungen für die Aufnahme von Bewerbern in eine<br />
Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter.<br />
[2] 1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und arbeitet<br />
vorwiegend als Insolvenzverwalter. Er ist seit mehr als 30 Jahren<br />
auf dem Gebiet des Insolvenzrechts tätig, Fachanwalt<br />
unter anderem für Insolvenzrecht, Autor und Herausgeber<br />
zahlreicher Veröffentlichungen zum Insolvenzrecht und in<br />
der Vergangenheit von Gerichten in fast allen Bundesländern<br />
in insgesamt mehr als 1000 Verfahren zum Verwalter bestellt<br />
worden. Die Sozietät, der der Beschwerdeführer angehört,<br />
unterhält Büros in zahlreichen deutschen Städten. An verschiedenen<br />
Standorten bestehen »Zentrale Serviceeinheiten«<br />
mit insgesamt mehr als 200 Mitarbeitern, die bundesweit verschiedene<br />
Aufgaben wahrnehmen. Im Jahr 2001 eröffnete die<br />
Sozietät ein Büro in H., in dem im Jahr 2007 drei Rechtsanwälte<br />
und zwei weitere Mitarbeiter tätig waren.<br />
[3] Im Februar 2007 gab die Insolvenzrichterin des Amtsgerichts<br />
H. in Form einer »Ausschreibung« bekannt, dass sie<br />
14<br />
eine Vorauswahlliste für die Bestellung von Insolvenzverwaltern<br />
führe, und forderte zu »Bewerbungen für das Amt des<br />
Insolvenzverwalters/der Insolvenzverwalterin« auf. Im Ausschreibungstexterläutertesie,dassjederfürdasAmtdesInsolvenzverwalters<br />
beim Amtsgericht H. geeignete Bewerber<br />
einen Anspruch auf Aufnahme in diese Liste habe. Als wesentliche<br />
Kriterien für die Eignung nannte sie neben der fachlichen<br />
Befähigung auch die örtliche Erreichbarkeit und die persönliche<br />
Eignung der Bewerber. Zur örtlichen Erreichbarkeit<br />
führte die Insolvenzrichterin aus, es werde – abgesehen von<br />
Ausnahmen für Verfahren mit hohem Spezialisierungsgrad –<br />
einBüroimUmkreisvon100KilometernzumGerichtsort<br />
vorausgesetzt. Dabei müsse eine Büroorganisation vorhanden<br />
sein, die über ein Telefon mit Rufumleitung erheblich hinausgehe.<br />
Insbesondere sei die persönliche Anwesenheit des VerwaltersindiesemBüroanmindestenszweiTagenproWoche<br />
unabdingbar. Zum Kriterium der persönlichen Eignung<br />
erläuterte die Insolvenzrichterin im Ausschreibungstext, sie<br />
erwarte die höchstpersönliche Bearbeitung der Insolvenzverwaltung.<br />
Eine Delegation sei für einzelne, abgrenzbare Aufgaben<br />
statthaft, die Verwaltung insgesamt sei jedoch durch den<br />
Insolvenzverwalter selbst vorzunehmen. Dessen Sachkenntnis<br />
müsse so groß sein, dass er Auskünfte an das Gericht selbst<br />
erteilen könne. Die anfallenden Insolvenzverfahren würden<br />
in vier Kategorien unterteilt: I. Unternehmensinsolvenzen, II.<br />
Regelinsolvenzverfahren natürlicher Personen, bei denen eine<br />
Verfahrenskostenstundung beziehungsweise Abweisung mangels<br />
Masse von vornherein abzusehen sei, III. Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
und IV. Spezielle Fallgestaltungen, die<br />
besondere Fachkunde erforderlich machten, zum Beispiel<br />
Insolvenzverfahren mit Bezug zum internationalen Insolvenzrecht,<br />
offenkundige Kriminalinsolvenzen, Spezialmaterien<br />
und Großverfahren. Bei Verfahren der Kategorie IV sei das<br />
Kriterium der Ortsnähe grundsätzlich nachrangig. Ergänzend<br />
wies die Insolvenzrichterin darauf hin, dass das Führen einer<br />
Vorauswahlliste Aufgabe des einzelnen Richters und nicht<br />
einer Abteilung oder der Justizverwaltung sei. Das Ermessen<br />
eines Vertreters im Amt oder eines Amtsnachfolgers werde<br />
nicht gebunden.<br />
[4] Mit Schreiben vom 13. März 2007 bewarb sich der<br />
Beschwerdeführer um die Aufnahme in die Vorauswahlliste<br />
für die Kategorien I (Unternehmensinsolvenzen) und IV<br />
(Spezielle Fallgestaltungen). Dies lehnte die Insolvenzrichterin<br />
mit Schreiben vom 1. April 2007 ab. Zur Begründung<br />
führte sie aus, dass der Beschwerdeführer die Eignungskriterien<br />
nicht erfülle, weil er sich zum einen nicht an mindestens<br />
zwei Tagen pro Woche in einem Büro im Umkreis von 100<br />
Kilometern zum Gerichtsort aufhalte, weshalb er bei Verfahren<br />
der Kategorie I nicht berücksichtigt werden könne, und<br />
zum anderen eine höchstpersönliche Bearbeitung durch ihn<br />
nicht in ausreichendem Maße gewährleistet sei, weshalb er<br />
auch bei Verfahren der Kategorie IV nicht berücksichtigt werden<br />
könne. Insoweit bezog sie sich auf Erfahrungen, die sie im<br />
Zusammenhang mit früheren Insolvenzverfahren mit dem<br />
Beschwerdeführer gemacht habe.<br />
[5] Gegen die Nichtaufnahme in die Vorauswahlliste beantragte<br />
der Beschwerdeführer nach §§23ff. des Einführungsgesetzes<br />
zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) gerichtliche<br />
Entscheidung beim Oberlandesgericht. Das Oberlandesgericht<br />
wies den Antrag mit Beschluss vom 3. Dezember 2007<br />
(veröffentlicht unter anderem in NJW-RR 2008, 719)<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
zurück. Der Beschwerdeführer sei aufgrund sachgerechter<br />
Erwägungen nicht in die Vorauswahlliste aufgenommen worden.<br />
Die Entscheidung über die Aufnahme geeigneter Bewerber<br />
in diese Liste stehe im pflichtgebundenen Ermessen des<br />
Insolvenzrichters. Der Bewerber könne nur verlangen, dass<br />
der Insolvenzrichter sachgerechte Kriterien anlege. Die Kriterien<br />
der Ortsnähe und der höchstpersönlichen Bearbeitung<br />
der Insolvenzverfahren seien nicht zu beanstanden.<br />
[6] 2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer<br />
eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1<br />
und Art.12 Abs.1 GG.<br />
[7] Für die von der Insolvenzrichterin aufgestellten Anforderungen<br />
fehle es an der nach Art.12 Abs.1 Satz 2 GG erforderlichen<br />
gesetzlichen Grundlage. Nach §56 Abs.1 der Insolvenzordnung<br />
(InsO) müsse in die Vorauswahlliste jeder Interessent<br />
aufgenommen werden, der fachlich hinreichend qualifiziert<br />
sei. Die Vorschrift beschränke die Freiheit der Berufswahl nur<br />
dahin, dass zum Insolvenzverwalter eine für den jeweiligen<br />
Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von<br />
den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche<br />
Person zu bestellen sei. Die Geeignetheit sei ein personenbezogenes<br />
Kriterium. Auch das Vorauswahlverfahren könne die<br />
ihm von Verfassungs wegen zukommende Bedeutung, dem<br />
Insolvenzrichter die zügige Bestellung eines geeigneten Verwalters<br />
aus einem Kreis von regelmäßig mehreren Interessenten<br />
zu ermöglichen, nur erfüllen, wenn auch bereits das<br />
Vorauswahlverfahren allein auf die Geeignetheit des Bewerbers<br />
abhebe. Dabei erfasse der Begriff der Eignung aus Sicht<br />
des Verfassungsrechts die ganze Person mit ihren körperlichen,<br />
seelischen und charakterlichen Eigenschaften. Nicht personenbezogene<br />
Kriterien dürften folglich weder für das Vorauswahlverfahren<br />
noch für die Bestellung eine Rolle spielen. Dieses<br />
Ergebnis werde durch die im Jahr 2007 erfolgte Ergänzung<br />
des §56 Abs.1 InsO bestätigt, wonach der Insolvenzverwalter<br />
aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen<br />
bereiten Personen auszuwählen sei.<br />
[8] Weder das Kriterium der wöchentlich zweitägigen Anwesenheit<br />
in seinem ortsnahen Büro noch das Kriterium der<br />
höchstpersönlichen Bearbeitung, so wie es die Insolvenzrichterin<br />
verstehe, sei ein Eignungskriterium. Ob sich ein InsolvenzverwalteranzweiTageninderWocheinseinemBüroim<br />
Umkreis von 100 Kilometern zum Gerichtssitz aufhalte, habe<br />
nichts mit Eigenschaften seiner Person zu tun, sondern mit<br />
der Art und Weise, wie er seinen Beruf ausübe. Wenn der<br />
Gesetzgeber eine entsprechende Regelung der Berufsausübung<br />
als notwendig erachtet hätte, hätte er dies in die Insolvenzordnung<br />
aufnehmen können. Mit Blick auf das Gebot<br />
der Verhältnismäßigkeit sei es aber nachvollziehbar, dass der<br />
Gesetzgeber dies nicht getan habe. Auch das Kriterium der<br />
höchstpersönlichen Bearbeitung sei kein Kriterium der<br />
Geeignetheit, sondern eine im Gesetz nicht vorgesehene<br />
Regelung der Berufsausübung. Auch insoweit fehle es an einer<br />
gesetzlichen Regelung. Mit Verweis auf die Materialien zum<br />
Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (vgl. BT-<br />
Drucks.16/3227, S.18) macht der Beschwerdeführer geltend,<br />
auch der Gesetzgeber habe im Jahr 2007 ausdrücklich auf den<br />
Personalaufwand verwiesen, der in einem auf Unternehmensinsolvenzen<br />
spezialisierten größeren Verwalterbüro zu betreiben<br />
sei. Im Übrigen sei der vorliegende Eingriff in die Berufsfreiheit<br />
unverhältnismäßig.<br />
Rechtsprechung<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
[9] II. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung<br />
anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a<br />
Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde<br />
kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung<br />
zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen<br />
verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung<br />
des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Insbesondere<br />
hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit<br />
Beschluss vom 23. Mai 2006 die verfassungsrechtlichen Vorgaben<br />
für das Verfahren zur Auswahl von Insolvenzverwaltern<br />
aufgezeigt (vgl. BVerfGE 116, 1). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde<br />
ist auch nicht zur Durchsetzung der als<br />
verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe<br />
b BVerfGG). Soweit der Beschwerdeführer seine Nichtberücksichtigung<br />
in der Kategorie IV (Spezielle Fallgestaltungen)<br />
rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.<br />
Soweit es um die Nichtberücksichtigung in der Kategorie I<br />
(Unternehmensinsolvenzen) geht, ist die Annahme jedenfalls<br />
deshalb nicht angezeigt, weil deutlich abzusehen ist, dass der<br />
Beschwerdeführer auch im Fall der Zurückverweisung im<br />
Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22<br />
[25f.]).<br />
[10] 1. Die Insolvenzgerichte tragen die Verantwortung für<br />
die Auswahl eines für den jeweiligen Einzelfall geeigneten<br />
Insolvenzverwalters. §56 Abs.1 InsO eröffnet ihnen dafür in<br />
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen<br />
Einschätzungsspielraum, der ihnen eine Entscheidung unter<br />
angemessener Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger<br />
und des Schuldners ermöglichen soll (vgl. BVerfGE 116, 1<br />
[12ff.]). Die Auswahlentscheidung unterliegt jedoch auch der<br />
Bindung an die Grundrechte der Bewerber um das Amt des<br />
Insolvenzverwalters. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz<br />
(Art.3 Abs.1 GG) gebietet, dass jeder dieser Bewerber<br />
eine faire Chance erhält, entsprechend seiner in §56 Abs.1<br />
InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden (vgl.<br />
BVerfGE 116, 1 [12 f.]; BVerfGK 8, 368 [370]; 372 [374]).<br />
Das erfordert eine der Sicherung des chancengleichen<br />
Zugangs angemessene Verfahrensgestaltung, die dem Richter<br />
bei der regelmäßig eilbedürftigen Bestellung im konkreten<br />
Verfahren eine zügige Eignungsprüfung ermöglicht und ihm<br />
hinreichende Informationen für seine Auswahlentscheidung<br />
verschafft (vgl. BVerfGE 116, 1 [17 f.]). Zudem ist im Hinblick<br />
auf die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) die Komplementärfunktion<br />
des Verfahrens für die Durchsetzung der<br />
materiellen Rechte zu beachten (vgl. BVerfGE 73, 280 [296]).<br />
Auch Art. 12 Abs. 1 GG gebietet – unabhängig davon, ob<br />
durch die Bestellung zum Insolvenzverwalter lediglich die<br />
Berufsausübungsfreiheit berührt wird, weil es nur um die<br />
Beteiligung an einem konkreten Insolvenzfall geht, oder ob<br />
im Einzelfall die Berufswahl tangiert ist – eine der Bedeutung<br />
der Berufsfreiheit angemessene Verfahrensgestaltung im Vorfeld<br />
der Bestellungsentscheidung (vgl. BVerfGK 4, 1 [9]). Vor<br />
diesem Hintergrund kommt dem weithin üblichen Vorauswahlverfahren<br />
entscheidende Bedeutung zu; denn es kann<br />
dem Insolvenzrichter einen Rahmen geben, der ihm trotz der<br />
Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung eine hinreichend<br />
sichere Tatsachengrundlage für eine sachgerechte Auswahlentscheidung<br />
im konkreten Insolvenzverfahren vermittelt<br />
(vgl. BVerfGE 116, 1 [17]). § 56 Abs. 1 InsO stellt insoweit<br />
eine hinreichende gesetzliche Grundlage dar (vgl.<br />
BVerfGK 8, 418 [419]). Die verfassungsrechtlichen Anforde-<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 15
Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />
rungen an die Ausgestaltung des Vorauswahlverfahrens ergeben<br />
sich aus seiner Funktion zur Vorbereitung einer grundrechtskonformen<br />
Auswahlentscheidung im Einzelfall.<br />
[11] a) Daraus folgt, dass in eine Auswahlliste jeder Bewerber<br />
einzutragen ist, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen<br />
an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens<br />
gelöste Eignung für das erstrebte Amt erfüllt<br />
(vgl. BVerfGE 116, 1 [17f.]; BVerfGK 8, 418 [419f.]). Dabei<br />
ist der Insolvenzrichter von Verfassungs wegen nicht gehindert,<br />
unter dem Gesichtspunkt fehlender genereller Eignung<br />
auch solche Bewerber unberücksichtigt zu lassen, die nach Kriterien<br />
seiner ständigen Ermessenspraxis – an die er unter<br />
Umständen selbst gebunden sein kann (vgl. BVerfGE 116, 135<br />
[153 f.]) –, keinerlei Aussicht auf tatsächliche Berücksichtigung<br />
haben (vgl. allerdings BGH, Beschluss vom 19.Dezember<br />
2007 – IV AR (VZ) 6/07, NJW-RR 2008, 717 [718f.]).<br />
Im vorliegenden Fall haben die Insolvenzrichterin und das<br />
Oberlandesgericht jedenfalls mit dem Kriterium der höchstpersönlichen<br />
Bearbeitung des Insolvenzverfahrens, auf das es<br />
hier entscheidend ankommt (dazu unten 3.), ausdrücklich<br />
eine solche Anforderung an die generelle, von der Typizität des<br />
einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung als Erfordernis<br />
für die Aufnahme in die Vorauswahlliste formuliert.<br />
[12] b) Die Ausgestaltung der Auswahllisten ist den Fachgerichten<br />
überlassen (vgl. BVerfGE 116, 1 [17]). Aus ihrer<br />
Funktion zur Vorbereitung einer zügigen Auswahlentscheidung<br />
im konkreten Fall folgt aber, dass die Vorauswahlliste<br />
dem Richter alle für seine Entscheidung notwendigen Informationen<br />
verschaffen muss. Deshalb darf der einzelne Insolvenzrichter<br />
die Listenführung jedenfalls dann nicht einem<br />
anderen Insolvenzrichter oder Stellen der Gerichtsverwaltung<br />
überlassen, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Liste entsprechend<br />
der von ihm selbst für maßgeblich befundenen<br />
Kriterien geführt wird (vgl. Wieland ZIP 2005, 233 [237]).<br />
Vorliegend hat die Insolvenzrichterin ausdrücklich darauf<br />
hingewiesen, dass das Führen der Vorauswahlliste Aufgabe<br />
jedes einzelnen Richters sei, und damit deren Funktion insoweit<br />
hinreichend berücksichtigt.<br />
[13] Auch muss die Gestaltung der Listen dem Umstand<br />
Rechnung tragen, dass nicht jeder generell für eine Verwaltertätigkeit<br />
geeignete Bewerber auch für jede Art von Verfahren<br />
geeignet ist. Das macht §56 Abs.1 InsO deutlich, der auf die<br />
Eignung des Bewerbers »für den jeweiligen Einzelfall« abstellt.<br />
Das bedeutet, dass die Eignung für ein konkretes Verfahren an<br />
weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein kann als die<br />
generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens<br />
gelöste Eignung für das Insolvenzverwalteramt im Allgemeinen<br />
(vgl. BVerfGK 4, 1 [10]; Uhlenbruck, in: ders., Insolvenzordnung,<br />
12. Aufl. 2003, § 56 Rn. 15; Gerhardt, in: Jaeger,<br />
Kommentar zur Insolvenzordnung, 2007, § 56 Rn. 54 ff.).<br />
Dem ist durch Erhebung der maßgeblichen Daten und durch<br />
entsprechende Strukturierung der Listen Rechnung zu tragen<br />
(vgl. BVerfGE 116, 1 [17]). Vor diesem Hintergrund ist es<br />
jedenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn<br />
Insolvenzrichter wie im vorliegenden Fall differenzierte Vorauswahllisten<br />
führen, in denen sie zwischen verschiedenen<br />
Kategorien von Verfahren oder verschiedenen Anforderungen<br />
an den Verwalter unterscheiden (vgl. Wieland ZIP 2005, 233<br />
[237]; Hess/Ruppe NZI 2004, 641 [642f.]; kritisch Frind, in:<br />
Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht,<br />
16<br />
3. Aufl. 2009, § 56 Rn. 35). Dies trägt auch der gesetzlichen<br />
Neuregelung des § 56 Abs. 1 Satz 2 InsO Rechnung, wonach<br />
ein Bewerber seine Bereitschaft zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen<br />
auf bestimmte Verfahren beschränken darf.<br />
[14] c) Es ist Aufgabe der Fachgerichte, die Kriterien für die<br />
Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie für eine sachgerechte<br />
Ausübung des Auswahlermessens zu entwickeln (vgl.<br />
BVerfGE 116, 1 [17]; BVerfGK 8, 368 [371]; 418 [419]).<br />
Wenn die Fachgerichte die Aufnahme eines Bewerbers auf die<br />
Vorauswahlliste ablehnen, überprüft das Bundesverfassungsgericht<br />
nicht, ob die zugrunde gelegten Kriterien zweckmäßig<br />
sind und das einfache Recht objektiv richtig angewendet<br />
wurde, sondern nur, ob ein Fehler vorliegt, der gerade auf der<br />
Nichtbeachtung von Grundrechten beruht (vgl. BVerfGK 8,<br />
372 [375]; 418 [420]). Dies ist in erster Linie dann der Fall,<br />
wenn die Fachgerichte die Bestellung zum Insolvenzverwalter<br />
sowieimVorfelddieAufnahmeindieVorauswahllistevon<br />
Voraussetzungen abhängig machen, die aus Sachgründen<br />
offensichtlich nicht mehr zu rechtfertigen sind.<br />
[15] Vor diesem Hintergrund begegnet das Kriterium der<br />
Ortsnähe, so wie es die Fachgerichte hier zur Ablehnung des<br />
Beschwerdeführers in der Kategorie I angewendet haben, verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken (dazu unten 2.). Für die Entscheidung<br />
kommt es hierauf indessen nicht an, weil deutlich<br />
abzusehen ist, dass die Gerichte den Beschwerdeführer im<br />
Falle einer Zurückverweisung der Sache auch in dieser Kategorie<br />
jedenfalls wegen mangelnder höchstpersönlicher Aufgabenwahrnehmung<br />
ablehnen würden (dazu unten 3.) und dieses<br />
Kriterium verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist<br />
(dazu unten 4.).<br />
[16] 2. Die Zulässigkeit des Eignungskriteriums der Ortsnähe,<br />
so wie es in den angegriffenen Entscheidungen angewendet<br />
wurde, erscheint in verfassungsrechtlicher Hinsicht<br />
zweifelhaft. Grundsätzlich obliegt es den Fachgerichten, die<br />
Sachgerechtigkeit dieses Kriteriums und seiner Konkretisierungen<br />
zu beurteilen. In der Praxis der Fachgerichte und im<br />
Schrifttum ist umstritten, ob die Ortsnähe eines InsolvenzverwaltersoderseinesBüroseinsinnvollesKriteriumfürdieVorauswahl<br />
darstellt (vgl. Uhlenbruck/Mönning ZIP 2008, 157<br />
[163ff.] m.w.N.). Streitig ist zudem, nach welchen Gesichtspunkten<br />
die Ortsnähe gegebenenfalls sachgerecht bestimmt<br />
werden kann (Büro im Gerichtsbezirk, bestimmte Entfernung<br />
zum Gerichtsort usw.). Teils wird die Ortsnähe nicht als<br />
generelle Eignungsvoraussetzung, wohl aber als tauglicher<br />
Gesichtspunkt für die Ausübung des Auswahlermessens im<br />
Einzelfall behandelt (vgl. Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork,<br />
Kommentar zur Insolvenzordnung, § 56 Rn. 55 [Oktober<br />
2007]). Hiernach erscheint es jedenfalls nicht offenkundig<br />
sachwidrig, bei der (Vor-)Auswahl von Insolvenzverwaltern<br />
auch deren örtliche Nähe zum Insolvenzgericht zu berücksichtigen<br />
(vgl. BVerfGK 4, 1 [11]; 8, 368 [371]).<br />
[17] Vorliegend haben die Gerichte das Kriterium der Ortsnähe<br />
allerdings in einer Art und Weise konkretisiert und ausgestaltet,<br />
für die sich sachliche Gründe nicht ohne Weiteres<br />
finden lassen. Die pauschale Forderung nach einer persönlichen<br />
Anwesenheit an mindestens zwei Tagen pro Woche kann<br />
schon angesichts moderner Kommunikationsmittel nicht der<br />
Sicherstellung der – nach dem Text der »Ausschreibung« des<br />
Amtsgerichts angestrebten – genügenden Erreichbarkeit des<br />
Insolvenzverwalters dienen. Auch wenn man eine persönliche<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
AnsprechbarkeitvorOrtwährendderBearbeitungvonInsolvenzverfahren<br />
oder eine gewisse Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten<br />
aus Sachgründen für geboten halten sollte,<br />
erscheint es doch bedenklich, unabhängig von aktuell bearbeiteten<br />
Verfahren und den sich daraus ergebenden Anforderungen,<br />
pauschal eine Anwesenheit an mindestens zwei Tagen<br />
pro Woche zur Voraussetzung schon für die Aufnahme in den<br />
Kreis der generell geeigneten Bewerber zu machen.<br />
[18] Die pauschale Forderung einer solchen Präsenz lässt sich<br />
auch nicht mit dem Ziel rechtfertigen, auf diese Weise gezielt<br />
die Auslastung der jeweils vor Ort ansässigen Insolvenzverwalter<br />
zu überwachen und zu steuern. Ein solches Vorgehen wäre<br />
kaum mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit zu vereinbaren.<br />
Es ist zwar Aufgabe des Insolvenzrichters, einen geeigneten<br />
Verwalter zu bestellen, und die Eignung im Einzelfall dürfte<br />
auch davon abhängen, dass der Verwalter nicht bereits durch<br />
andere Verfahren völlig ausgelastet ist (vgl. die Empfehlungen<br />
der »Uhlenbruck-Kommission«, NZI 2007, 507 [509]). Vor<br />
diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, solche<br />
Bewerber nicht auf die Vorauswahlliste aufzunehmen, die<br />
keine Gewähr dafür bieten, dem Insolvenzrichter eine etwaige<br />
Überlastung mitzuteilen und gegebenenfalls weitere Aufträge<br />
abzulehnen. Es ließe sich aber mit dem Grundrecht der<br />
Berufsfreiheit schwerlich vereinbaren, wenn die Insolvenzgerichte<br />
mit nicht hinreichend differenzierenden Anforderungen<br />
an die Ortsnähe faktisch ein Lokalisationsprinzip für<br />
Insolvenzverwalter einführten.<br />
[19] Ob die Ausgestaltung des Kriteriums der Ortsnähe im<br />
vorliegenden Fall den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu<br />
genügen vermag, kann jedoch dahinstehen, weil jedenfalls das<br />
von den Gerichten angewendete Kriterium der Höchstpersönlichkeit<br />
in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden<br />
Weise dazu führen würde, dass der Beschwerdeführer<br />
auch in der Kategorie I keine Berücksichtigung findet.<br />
[20] 3. Den angegriffenen Entscheidungen ist insoweit hinreichend<br />
deutlich zu entnehmen, dass die Gerichte selbst<br />
dann zu keinem anderen Ergebnis kommen würden, wenn die<br />
Sache wegen verfassungsrechtlicher Einwände gegen das Kriterium<br />
der Ortsnähe zurückverwiesen würde. Zwar haben sie<br />
die Nichtberücksichtigung des Beschwerdeführers in der<br />
Kategorie I auf die fehlende Ortsnähe und seine Nichtberücksichtigung<br />
in der Kategorie IV auf die mangelnde höchstpersönliche<br />
Aufgabenwahrnehmung gestützt. Aus dem Ausschreibungstext<br />
und dem Schreiben der Insolvenzrichterin<br />
vom 1.April 2007 ergibt sich aber, dass die höchstpersönliche<br />
Bearbeitung der Insolvenzverwaltung ein Kriterium der persönlichen<br />
Eignung darstellen und als unbedingte Voraussetzung<br />
für sämtliche Kategorien von Insolvenzverfahren gelten<br />
sollte. Diese Voraussetzung sah die Insolvenzrichterin bei dem<br />
Beschwerdeführer als nicht erfüllt an. Das Oberlandesgericht<br />
hatdiesinseinemBeschlussgebilligt.<br />
[21] 4. Das Kriterium der höchstpersönlichen Aufgabenwahrnehmung<br />
stellt, so wie die Gerichte es angewendet haben,<br />
weder hinsichtlich der Verfahren der Kategorie I (Unternehmensinsolvenzen)<br />
noch hinsichtlich der Verfahren der Kategorie<br />
IV (Spezielle Fallgestaltungen) der »Ausschreibung« eine<br />
aus Sachgründen nicht zu rechtfertigende Erschwerung des<br />
Zugangs zum Insolvenzverwalteramt dar. Es kann dahinstehen,<br />
ob eine so verstandene höchstpersönliche Aufgabenwahrnehmung<br />
auch darüber hinaus für alle anderen Arten<br />
Rechtsprechung<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
von Insolvenzverfahren ein verfassungsrechtlich zulässiges<br />
Kriterium für die Aufnahme in die Vorauswahlliste darstellt.<br />
Die tatsächliche Feststellung, dass eine höchstpersönliche<br />
Aufgabenwahrnehmung, wie sie das Amtsgericht in seiner<br />
»Ausschreibung« gefordert hat, durch den Beschwerdeführer<br />
nicht gewährleistet sei, wird mit der Verfassungsbeschwerde<br />
nicht infrage gestellt.<br />
[22] Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist es verfassungsrechtlich<br />
nicht zu beanstanden, den unbestimmten<br />
Rechtsbegriff der Eignung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1<br />
InsO nicht nur auf Eigenschaften zu beziehen, die unmittelbar<br />
der Person innewohnen, sondern darauf, in welcher Weise<br />
der Bewerber das ihm übertragene Amt im Falle seiner Bestellung<br />
voraussichtlich ausüben wird. Bezugspunkt der Eignung<br />
ist gerade die später auszuübende Tätigkeit als Insolvenzverwalter.<br />
Nichts anderes ergibt sich aus der Ergänzung des §56<br />
Abs.1 InsO im Jahr 2007. Diese sollte lediglich vor dem Hintergrund<br />
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />
ausdrücklich klarstellen, dass die Verwendung geschlossener<br />
Verwalterlisten unzulässig ist und nicht der Konzeption der<br />
Insolvenzordnung entspricht (vgl. BT-Drucks. 16/3227,<br />
S.18).<br />
[23] Angesichts des Umstands, dass § 56 Abs. 1 InsO ausdrücklich<br />
nur die Beauftragung einer natürlichen Person vorsieht<br />
und nicht etwa – wie es im Gesetzgebungsverfahren<br />
erwogen, dann aber unter anderem wegen befürchteter Aufsichtsprobleme<br />
verworfen wurde (vgl. BT-Drucks. 12/2443,<br />
S. 127; 12/7302, S. 161) – einer juristischen Person, ist es<br />
nicht völlig sachfremd, die Auswahlentscheidung daran zu<br />
knüpfen, dass der ausgewählte Bewerber, dessen Eignung<br />
gerade Grundlage der Bestellung ist, selbst substantiell bei der<br />
Verwaltung mitwirkt und sich nicht bloß darauf beschränkt,<br />
im Außenverhältnis die Verantwortung zu übernehmen und<br />
die tatsächliche Abwicklung größtenteils auf Mitarbeiter zu<br />
delegieren; die Zweckmäßigkeit dieser generellen Eignungsanforderung<br />
steht nicht zur Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht.<br />
Es steht außer Frage, dass der Insolvenzverwalter<br />
sein Amt als solches nicht auf einen anderen übertragen<br />
kann; vielmehr ist er mit diesem höchstpersönlich<br />
betraut (vgl. Gerhardt, in: Jaeger, a.a.O., §56 Rn.83; Uhlenbruck,<br />
in: ders., a.a.O., §56 Rn.24; jeweils m.w.N.). Außer<br />
Frage steht aber auch, dass der Einsatz von Mitarbeitern<br />
jedenfalls in größeren Verfahren praktisch unvermeidbar ist<br />
und unter Umständen geradezu geboten sein kann. Davon<br />
gehen indes auch die angegriffenen Entscheidungen aus.<br />
Demgemäß entspricht es in vielen Fällen der Praxis, dass<br />
Insolvenzverwalter Mitarbeiter heranziehen und sich der<br />
Unterstützung anderer Rechtsanwälte bedienen, deren weitgehend<br />
selbständige Tätigkeit sich ihrer äußeren Erscheinung<br />
nach kaum von der eines förmlich bestellten Insolvenzverwalters<br />
unterscheidet (vgl. BVerfGK 8, 418 [420]; BGH,<br />
Beschluss vom 16.April 2007 – AnwZ (B) 31/06, NJW 2007,<br />
2125 [2126]).<br />
[24] In welchem Umfang ein Insolvenzverwalter Mitarbeiter<br />
zur Aufgabenerfüllung heranziehen darf, ist indessen streitig.<br />
Als Negativbild unzulässiger Delegation höchstpersönlicher<br />
Aufgaben wird häufig das eines so genannten »Akquisitionsverwalters«<br />
gezeichnet, der sich in einer Vielzahl von Insolvenzverfahren<br />
nominell zum Verwalter bestellen lässt, diese<br />
aber nicht selbst betreut, sondern die praktische Durchfüh-<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 17
Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />
rung »fabrikmäßig« nach dem »Subunternehmerprinzip«<br />
angestellten Rechtsanwälten, so genannten »Grauverwaltern«,<br />
überlässt (vgl. Frind, in:Schmidt,a.a.O.,§56Rn.16b;<br />
Uhlenbruck, in:ders.,a.a.O., §56Rn.24;Graeber, in: Münchener<br />
Kommentar zur Insolvenzordnung, 2.Aufl. 2007, §56<br />
Rn.76f., 152; Vallender NZI 2005, 473 [476]). Die Gegenansicht<br />
bezeichnet die Anforderung der höchstpersönlichen<br />
Tätigkeit als »Schimäre«: Vor allem Großinsolvenzen forderten<br />
den Apparat, den der Verwalter vorhalte; notwendig seien<br />
zudem zahlreiche Spezialkenntnisse, die im Verwalterbüro in<br />
Fachabteilungen gebündelt seien und die ein Einzelner kaum<br />
allein mitbringen könne. Die Zunahme von Kleinverfahren<br />
führe darüber hinaus auch in kleineren Insolvenzverwalterbüros<br />
dazu, dass der Verwalter Tätigkeiten nicht mehr persönlich<br />
durchführen könne. Um diese Verfahren ohne großen<br />
ökonomischen Schaden für das Verwalterbüro abzuwickeln,<br />
sei eine Delegation auf spezialisierte Mitarbeiter nötig, die<br />
ausgelastet werden müssten (vgl. Voigt-Salus/Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier,<br />
Handbuch der Insolvenzverwaltung,<br />
8.Aufl. 2007, §21 Rn.85).<br />
[25] Es ist keine Frage des Verfassungsrechts und damit nicht<br />
Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts sondern der Fachgerichte,<br />
festzustellen, welches Maß der Aufgabenübertragung<br />
zwischen den beiden Grenzpunkten vollständiger Delegation<br />
einerseits und praktisch unverzichtbarer Unterstützung andererseits<br />
in konkreten Verfahren zulässig ist. Ebenso ist es Sache<br />
der Fachgerichte und in erster Linie der Insolvenzrichter, die<br />
aufgrund des ihnen durch §56 Abs.1 InsO normativ eröffneten<br />
Einschätzungsspielraums (vgl. BVerfGE 116, 1 [18]) die<br />
Verantwortung für eine sachgerechte Verwalterauswahl tragen,<br />
zu entscheiden, inwieweit sie diesen Gesichtspunkt bei<br />
der Auswahlentscheidung und der Erstellung von Vorauswahllisten<br />
berücksichtigen.<br />
[26] Diese Entscheidung ist unanfechtbar.<br />
BGH: Bierbrauen als anfechtbare<br />
Rechtshandlung i.S.d. §129 Abs.1 InsO<br />
§129 Abs.1 InsO, §76 AO, BiersteuerG<br />
Entsteht an dem Bier, das der Schuldner braut, eine Sachhaftung<br />
zur Sicherung der Biersteuer, wird dadurch eine<br />
objektive Gläubigerbenachteiligung bewirkt, selbst wenn<br />
mit dem Brauvorgang eine übersteigende Wertschöpfung<br />
zugunsten des Schuldnervermögens erzielt wurde.<br />
BGH, Urteil vom 09.07.2009, IX ZR 86/08<br />
(Vorinstanzen: LG Regensburg, 06.05.2008, 2 S 262/07 (3);<br />
AG Regensburg, 09.10.2007, 3 C 2130/07)<br />
Tatbestand: [1] Der Kläger wurde mit Beschluss vom<br />
6. März 2006 zum vorläufigen Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt,<br />
mit Beschluss vom 1.September 2006 zum Verwalter<br />
im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners<br />
bestellt.<br />
[2] Während des Eröffnungsverfahrens führte der Schuldner<br />
seine Gaststätte mit Brauerei fort. Zu diesem Zweck wurde<br />
von ihm Bier gebraut, wodurch zu Gunsten der beklagten<br />
Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> Biersteuer entstand. Mit<br />
Bescheiden vom 23. Mai, 7. Juni, 7. Juli, 2. August und<br />
18<br />
28.August 2006 setzte die Beklagte diese in Höhe von insgesamt<br />
930,60a gegenüber dem Kläger für den Schuldner fest.<br />
Mit jeweiligem Bescheid vom gleichen Datum wurde zur<br />
Sicherung des Biersteueraufkommens die Beschlagnahme des<br />
Bieres angeordnet und dem Schuldner verboten, über das Bier<br />
zu verfügen. Da zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs<br />
der Ausschank des Bieres erforderlich war, zahlte der Kläger<br />
zur Abwendung der Beschlagnahme die geltend gemachte<br />
Biersteuer unter dem Vorbehalt der Insolvenzanfechtung. Am<br />
14. August 2006 erstattete die Beklagte einen Betrag von<br />
186,99a an den Kläger.<br />
[3] Mit der Klage begehrt der Insolvenzverwalter die Rückerstattung<br />
der restlichen Zahlungen in Höhe von 743,61 a im<br />
Wege der Insolvenzanfechtung.<br />
[4] Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung<br />
des Beklagten hat sie das Landgericht abgewiesen. Mit<br />
der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der<br />
Kläger seinen Anfechtungsanspruch weiter.<br />
Entscheidungsgründe: [5] Die Revision ist begründet. Die<br />
Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.<br />
[6] I. Das Berufungsgericht hat gemeint, das hergestellte Bier<br />
habe der Sachhaftung für die Biersteuer gemäß § 76 AO<br />
unterlegen, weshalb die Beklagte zur abgesonderten Befriedigung<br />
nach § 51 Nr. 4 InsO berechtigt gewesen sei. Die Herstellung<br />
des Bieres stelle keine die Gläubiger benachteiligende<br />
Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO dar. Die<br />
damit verbundenen Handlungen seien dem Schuldner zuzurechnen.<br />
Mit der Herstellung des Bieres entstehe die Biersteuer<br />
gemäß § 7 Abs. 2 BiersteuerG und die Sachhaftung<br />
gemäß § 76 AO. Dies rechtfertige es, im Bierbrauen eine<br />
Rechtshandlung des Schuldners zu sehen.<br />
[7] Hierdurch seien die Insolvenzgläubiger aber nicht benachteiligt<br />
worden, weil aus dem Schuldnervermögen nichts weggeben<br />
worden sei. Das Bier sei bereits mit der Sachhaftung<br />
belastet entstanden. Zwar sei das Bier womöglich aus bereits<br />
im Vermögen des Schuldners vorhandenen Grundstoffen hergestellt<br />
worden. Damit könnten mittelbar Teile des Schuldnervermögens<br />
mit der Sachhaftung belastet worden sein. Das<br />
fertige Produkt Bier habe aber einen wesentlich höheren Wert<br />
als die hierzu verwendeten Zutaten. Durch die Erzeugung des<br />
Bieres sei demgemäß das Schuldnervermögen gemehrt, nicht<br />
gemindert worden. Lediglich die Mehrung des Vermögens sei<br />
durch die Biersteuer geringer ausgefallen.<br />
[8] II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht<br />
stand.DieZahlungderBiersteuerandieBeklagteistanfechtbar.<br />
[9] 1. Die Zahlung der Biersteuer durch den Kläger oder<br />
durch den Schuldner mit Zustimmung des Klägers war eine<br />
Rechtshandlung, durch die der Beklagten als Insolvenzgläubigerin<br />
(§ 38 InsO) die Befriedigung ihrer Forderung auf ZahlungvonBiersteuergewährtwurde.DerBeklagtenwarzudieser<br />
Zeit der Eröffnungsantrag bekannt, denn sie hat ihre<br />
Bescheide an den Kläger als vorläufigen Insolvenzverwalter<br />
gerichtet. Damit liegen bereits die Voraussetzungen des §130<br />
Abs.1 Satz 1 Nr.2 InsO vor. Ob daneben im Hinblick auf die<br />
angeordnete Beschlagnahme des Bieres und das Veräußerungsverbot<br />
eine inkongruente Deckung und damit auch die<br />
Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben sind,<br />
kann deshalb dahinstehen.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
[10] 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlt<br />
es nicht an der für jede Anfechtung gemäß §129 InsO erforderlichen<br />
objektiven Gläubigerbenachteiligung.<br />
[11] a) Da der Schuldner das Bier nach den Feststellungen des<br />
Berufungsgerichts ohne Erlaubnis zur Herstellung unter Steueraussetzung<br />
braute, entstand die Biersteuer gemäß §5 Abs.2,<br />
§7 Abs.2 BiersteuerG mit der Herstellung und war gemäß §9<br />
Abs. 2 BiersteuerG sofort fällig. Entsprechend wurde die<br />
Steuer jeweils durch das Hauptzollamt festgesetzt. Außerdem<br />
unterlag das Bier mit dem Beginn des Produktionsvorganges<br />
der Sachhaftung nach §76 Abs.2 AO mit der Folge, dass der<br />
Beklagte gemäß § 51 Nr. 4 InsO im eröffneten Insolvenzverfahren<br />
ein Absonderungsrecht an dem Bier zugestanden hätte<br />
(vgl. MünchKomm-InsO/Ganter,2.Aufl.§51Rn.246,249).<br />
Darüber hinaus hat das Hauptzollamt gemäß §76 Abs.3 AO<br />
das gebraute Bier jeweils mit Beschlag belegt und dem Kläger<br />
verboten, über das Bier zu verfügen.<br />
[12] Durch die Zahlung der Biersteuer erreichte der Kläger,<br />
dass die Sachhaftung gemäß § 76 Abs. 3 AO erlosch und er<br />
nach der jeweils erfolgten Aufhebung der Beschlagnahme<br />
über das Bier verfügen und es in der Gastwirtschaft ausgeschenkt<br />
werden konnte. Die Deckung von Absonderungsrechten<br />
ist jedoch insoweit nicht anfechtbar, als der Empfänger<br />
aus dem Absonderungsgegenstand hätte Befriedigung<br />
erlangen können (BGHZ 138, 291, 306 f.; 157, 350, 353;<br />
BGH, Urt. v.21.März 2000 – IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898;<br />
v.1.Oktober 2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182, 2183f.;<br />
v. 20. März 2003 – IX ZR 166/02, ZIP 2003, 808, 809;<br />
v. 9. November 2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35, 36<br />
Rn. 8; v. 25. Oktober 2007 – IX ZR 157/06, ZIP 2008, 131<br />
Rn.9; HK-InsO/Kreft, 5.Aufl. §129 Rn.61).<br />
[13] b) Die Entstehung der Sachhaftung des Bieres für die<br />
Biersteuer gemäß §76 AO war durch den Insolvenzantrag, die<br />
Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung und die<br />
Untersagung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung<br />
gegen den Schuldner nicht gehindert.<br />
[14]aa)DieRückschlagsperredes§88InsOstehtderEntstehung<br />
der Sachhaftung nicht entgegen, weil die gesetzliche<br />
Wirkung des §76 Abs.2 AO an einen rein tatsächlichen Vorgang<br />
anknüpft und einer Maßnahme der Zwangsvollstreckung<br />
nicht gleichsteht (MünchKomm-InsO/Ganter, a.a.O.<br />
§ 51 Rn. 251; Jaeger/Henckel, InsO § 51 Rn. 62; FK-InsO/<br />
Imberger, 5. Aufl. § 51 Rn. 67; HK-InsO/Lohmann, a.a.O.<br />
§51 Rn.52; Bähr/Smid, InVO 2000, 401, 403).<br />
[15] bb) Die Beschlagnahme, die der Finanzbehörde gemäß<br />
§76 Abs.3 AO gestattet ist, wird für die Entstehung der Sachhaftung<br />
nach §76 Abs.2 AO nicht vorausgesetzt (Jaeger/Henckel<br />
a.a.O.; MünchKomm-InsO/Ganter a.a.O. Rn.244, 248;<br />
HK-InsO/Lohmann, a.a.O.). Deshalb wirkt sich nicht aus,<br />
dass mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters<br />
gemäß Nr.4 des Beschlusses vom 6.März 2006 Maßnahmen<br />
der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner, soweit nicht<br />
unbewegliche Gegenstände betroffen waren, gemäß § 21<br />
Abs.2 Satz 1 Nr.3 InsO untersagt beziehungsweise eingestellt<br />
worden sind.<br />
[16] cc) Auch der Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2<br />
Satz 1 Nr.2 InsO verhinderte das Entstehen der Sachhaftung<br />
nicht. Selbst wenn man mit dem Kläger annehmen wollte, der<br />
Schuldner habe selbst keine wirksamen Verfügungen treffen<br />
Rechtsprechung<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
und somit auch kein Absonderungsrecht begründen können,<br />
weshalb auch das Brauen von Bier durch den Schuldner nicht<br />
zum Entstehen der Sachhaftung habe führen können, wäre<br />
das Entstehen der Sachhaftung nicht verhindert worden;<br />
denn der Kläger hat als vorläufiger Insolvenzverwalter nach<br />
eigenem Vortrag das Unternehmen fortgeführt und dem<br />
Brauen des Bieres zugestimmt, der Schuldner also insoweit<br />
wirksam – nämlich mit Zustimmung des Klägers – verfügt.<br />
[17] dd) Die Sachhaftung gemäß § 76 Abs. 1 AO entsteht<br />
ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter an der verbrauchssteuerpflichtigen<br />
Ware. Daraus folgt, dass die Sachhaftung privaten<br />
Rechten Dritter vorgeht, die Beklagte wegen der hierdurch<br />
gesicherten Biersteuerforderung also die Stellung eines<br />
erstrangigen öffentlich-rechtlichen Pfandgläubigers hatte.<br />
Etwaige dem Erwerb dieses Rechts entgegenstehende Rechte<br />
Dritter waren gemäß §76 Abs.1 AO nachrangig (vgl. Pahlke/<br />
Koenig/Intemann, AO 2.Aufl. §76 Rn.9; Beermann/Gosch/<br />
Jatzke, AO§76Rn.2;Klein/Rüsken, AO9.Aufl.§76Rn.1;<br />
FK-InsO/Imberger, a.a.O. § 51 Rn. 67; Uhlenbruck, InsO<br />
12.Aufl. §51 Rn.39).<br />
[18] Zwar ergibt sich aus der Sachhaftung kein Vorrecht der<br />
gesicherten Steuerschuld im Insolvenzverfahren; diese ist eine<br />
einfache Insolvenzforderung. Die auf § 76 AO beruhende<br />
Sachhaftung bewirkt aber den Erwerb einer erstrangigen<br />
dinglichen Pfandberechtigung, die ein entsprechendes<br />
Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr.4 InsO begründet (Bähr/<br />
Smid, a.a.O. S.407).<br />
[19] c) Die Sachhaftung nach §76 Abs.2 AO ist aber ihrerseits<br />
in anfechtbarer Weise entstanden. Es fehlt insoweit auch nicht<br />
an der objektiven Gläubigerbenachteiligung, § 129 Abs. 1<br />
InsO.<br />
[20] aa) Das Brauen von Bier stellt eine Rechtshandlung im<br />
Sinne von §129 Abs.1 InsO dar.<br />
[21] Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen.<br />
Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln,<br />
das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des<br />
Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern<br />
kann (BGHZ 170, 196, 199 f. Rn. 10; BGH, Urt. v.<br />
12. Februar 2004 – IX ZR 98/03, WM 2004, 666, 667;<br />
MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 7; HK-<br />
InsO/Kreft, a.a.O. § 129 Rn. 10). Zu den Rechtshandlungen<br />
zählen daher nicht nur Willenserklärungen als Bestandteil<br />
von Rechtsgeschäften aller Art und rechtsgeschäftähnliche<br />
Handlungen, sondern auch Realakte, denen das Gesetz<br />
Rechtswirkungen beimisst, wie das Einbringen einer Sache,<br />
das zu einem Vermieterpfandrecht führt (BGHZ 170, 196,<br />
200 Rn. 10; HK-InsO/Kreft, a.a.O. § 129 Rn. 12; Münch-<br />
Komm-InsO/Kirchhof,a.a.O.§129Rn.7).<br />
[22] Als Rechtshandlung kommt danach jedes Geschäft in<br />
Betracht, das zum (anfechtbaren) Erwerb einer Gläubigeroder<br />
Schuldnerstellung führt (BGH, Urt. v. 11. Dezember<br />
2008 – IX ZR 195/07, ZIP 2009, 186, 187 Rn.12; HK-<br />
InsO/Kayser, a.a.O. §96 Rn.32).<br />
[23] Deshalb stellt auch das Brauen von Bier eine solche<br />
Rechtshandlung dar, weil es mit dem Beginn des Herstellungsvorganges<br />
die Sachhaftung für die Biersteuer zum Entstehen<br />
bringt, wodurch das Schuldnervermögen belastet wird.<br />
[24] bb) Eine objektive Gläubigerbenachteiligung liegt vor.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 19
Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />
[25] Eine Gläubigerbenachteiligung liegt grundsätzlich vor,<br />
wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse<br />
vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt hat (BGH,<br />
Urt. v. 7. Februar 2002 – IX ZR 115/99, ZIP 2002, 489 mit<br />
zahlreichen Nachweisen; vom 6.April 2006 – IX ZR 185/04,<br />
ZIP 2006, 1007, 1011 Rn. 20), wenn sich also mit anderen<br />
Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger<br />
ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise<br />
günstiger gestaltet hätten (BGHZ 124, 76, 78 f.; 170,<br />
276, 280 Rn.12; HK-InsO/Kreft, a.a.O. §129 Rn.37).<br />
[26] Durch das Brauen des Bieres und die dadurch entstandene<br />
Sachhaftung für die Biersteuer ist das Schuldnervermögen mit<br />
einer dinglichen Haftung für eine einfache Insolvenzforderung<br />
belastet worden. Dadurch haben sich die Befriedigungsmöglichkeiten<br />
der anderen Insolvenzgläubiger verschlechtert.<br />
Daran ändert sich nichts dadurch, dass sich durch dieselbe<br />
Handlung die Aktivmasse erhöht hat. Denn eine Saldierung<br />
der Vor- und Nachteile findet im Anfechtungsrecht nicht statt;<br />
eine Vorteilsausgleichung nach schadensersatzrechtlichen<br />
Grundsätzen ist im Insolvenzanfechtungsrecht nicht zulässig.<br />
Vielmehr muss für die Zwecke des Anfechtungsrechts das Entstehen<br />
der Sachhaftung und damit des Absonderungsrechts<br />
der Beklagten zu Lasten der übrigen Insolvenzgläubiger isoliert<br />
betrachtet werden.<br />
[27] (1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Eintritt<br />
einer Gläubigerbenachteiligung isoliert mit Bezug auf die<br />
konkret bewirkte Minderung des Aktivvermögens oder der<br />
Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen (BGH,<br />
Urt. v.2.Juni 2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521, 1523).<br />
[28] Eine Saldierung mit der durch den Brauvorgang einhergehenden<br />
Wertschöpfung widerspräche dem Schutz der<br />
Insolvenzmasse. Denn weder durch das Entstehen der Biersteuer,<br />
die selbst eine einfache Insolvenzforderung darstellt,<br />
noch durch die Begründung der Sachhaftung ergibt sich für<br />
die Insolvenzmasse ein ausgleichender Vorteil.<br />
[29] (2) Angefochten und im Interesse der Gläubigergesamtheit<br />
nach § 143 Abs. 1 InsO rückgängig zu machen ist genau<br />
genommen nicht die Rechtshandlung selbst, sondern deren<br />
gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch die Rechtshandlung<br />
verursacht wird. Mit der Anfechtung wird nicht ein<br />
Handlungsunrecht sanktioniert. Angefochten wird vielmehr<br />
allein die durch die Rechtshandlung ausgelöste Rechtswirkung,<br />
die gläubigerbenachteiligend ist (BGHZ 147, 233,<br />
236; BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 – IX ZR 329/97, ZIP<br />
1999, 406 ; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 129 Rn. 6). EntscheidendeFrageistdeshalb,obdiekonkretegläubigerbenachteiligende<br />
Wirkung Bestand haben soll (BGH, Urt. v.<br />
21.Januar 1999 a.a.O.).<br />
[30] (3) Demgemäß hat der Senat zur Anfechtung der Aufrechnungslage<br />
schon unter Geltung der Konkursordnung<br />
entschieden, dass nicht das die Aufrechnung letztlich ermöglichende<br />
Geschäft, also etwa der Abschluss eines Kaufvertrages<br />
mit dem Gläubiger, Gegenstand der Anfechtung ist; zum<br />
Schutz der Insolvenzmasse muss vielmehr als anfechtbare<br />
Rechtshandlung isoliert die Herstellung der Aufrechnungslage<br />
verstanden werden (BGHZ 147, 233, 236).<br />
[31] Diese Rechtsfolge gilt erst Recht im Anwendungsbereich<br />
der Insolvenzordnung, weil § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Aufrechnung<br />
umfassend für unzulässig erklärt, wenn ein Insol-<br />
20<br />
venzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine<br />
anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (BGH, Urt.<br />
v. 2. Juni 2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521, 1523). Ist<br />
aber die Herstellung der Aufrechnungslage allein anfechtbar,<br />
nicht nur zusammen mit dem zugrunde liegenden Vertragsschluss,<br />
können auch nur diejenigen Vorteile Berücksichtigung<br />
finden, die unmittelbar durch die Herstellung der Aufrechnungslage<br />
für die Insolvenzmasse entstanden sind (BGH,<br />
Urt. v.2.Juni 2005 a.a.O.).<br />
[32] Die der Anfechtung unterliegende Handlung bestimmt<br />
zwar den Urheber und die Verantwortlichkeit, welche die<br />
Anfechtungsvorschriften voraussetzen. Zurückzugewähren ist<br />
aber nur der beim Gläubiger eingetretene Erfolg, §143 Abs.1<br />
Satz 1 InsO. Damit können auch einzelne, abtrennbare Wirkungen<br />
sogar einer einheitlichen Rechtshandlung erfasst werden;<br />
deren Rückgewähr darf nicht mit der Begründung ausgeschlossen<br />
werden, dass die Handlung auch sonstige, für sich<br />
nicht anfechtbare Rechtsfolgen ausgelöst habe, mögen diese<br />
auch – ohne Zutun des Anfechtungsgegners – die Masse<br />
erhöht haben. Einen Rechtsgrundsatz, dass mehrere von einer<br />
Rechtshandlung verursachte Wirkungen nur insgesamt oder<br />
gar nicht anfechtbar seien, gibt es auch für solche Folgen<br />
nicht, die im Kausalverlauf ferner liegen als nähere, unanfechtbare<br />
Folgen (BGHZ 147, 233, 236).<br />
[33] Der Abschluss eines Vertrages, der dem Anfechtungsgegner<br />
die Aufrechnung ermöglicht, muss deshalb selbst nicht<br />
angefochten werden. Angefochten wird lediglich die Herbeiführung<br />
der Rechtsfolge, die von Gesetzes wegen gemäß<br />
§ 387 BGB eintritt. Rückabzuwickeln ist deshalb nicht der<br />
Kaufvertrag; aus ihm darf aber die entstandene Kaufpreisforderung<br />
des Schuldners nicht im Wege der Aufrechnung zur<br />
Erfüllung der Verbindlichkeiten des Schuldners verwendet<br />
werden (BGHZ 147, 233, 236; BGH, Urt. v. 2. Juni 2005<br />
a.a.O.).<br />
[34] (4) Beim Vermieterpfandrecht hat der Senat die der<br />
Anfechtung zugrunde zu legende Rechtshandlung im Einbringen<br />
der Sache gesehen, das zum Entstehen des Vermieterpfandrechts<br />
geführt hat (BGHZ 170, 196, 199 f. Rn. 10 f.).<br />
Rückabzuwickeln wäre auch hier bei Anfechtbarkeit nicht die<br />
Rechtshandlung als solche, also der Einbringungsvorgang,<br />
sondern die sich von Gesetzes wegen hieraus ergebende<br />
Rechtswirkung, nämlich das Entstehen des Vermieterpfandrechts<br />
gemäß §562 Abs.1 BGB (vgl. BGHZ 170, 196, 199ff.<br />
Rn.9ff.).<br />
[35] (5) Dies ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des<br />
§ 140 Abs. 1 InsO. Eine Rechtshandlung gilt danach als in<br />
dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen<br />
eintreten. Auch diesen Grundsatz hatte die Rechtsprechung<br />
schon zum früheren Recht entwickelt. Die Rechtswirkungen<br />
im anfechtungsrechtlichen Sinne treten ein, wenn<br />
eine Rechtsposition begründet worden ist, die im Falle der<br />
Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste<br />
(Begründung zu § 159 des Regierungsentwurfs einer InsO,<br />
BT-Drucks. 12/2443, S. 166) oder – anders ausgedrückt –<br />
sobald die Rechtshandlung die Gläubigerbenachteiligung<br />
bewirkt hat (vgl. BGHZ 156, 350, 357; 170, 196, 201<br />
Rn.13m.w.N.).<br />
[36] Ist aber danach maßgeblich auf die eingetretene Rechtswirkung<br />
abzustellen, die die Benachteiligung der Gläubiger-<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
gesamtheit zur Folge hat, kann ein Vorteilsausgleich mit sämtlichen<br />
anderen Wirkungen der Rechtshandlung nicht vorgenommen<br />
werden. Der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung<br />
ist isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene<br />
Minderung des Aktivvermögens (hier: Entstehung der Sachhaftung)<br />
oder der Vermehrung der Passiva zu beurteilen<br />
(BGHZ 174, 228, 234 Rn.18). Deshalb sind nur solche Folgen<br />
zu berücksichtigen, die ihrerseits an die konkret angefochtene<br />
Rechtswirkung anknüpfen.<br />
[37] Da jedoch mit der Entstehung der Sachhaftung selbst für<br />
die Masse keine anderweitige Mehrung des Aktivvermögens<br />
oder Minderung der Passiva verbunden war, ist die durch die<br />
Sachhaftung eingetretene Gläubigerbenachteiligung nicht<br />
ausgeglichen worden.<br />
[38] cc) Auch die übrigen Voraussetzungen der Deckungsanfechtung<br />
liegen vor.<br />
[39] (1) Durch die nach §76 Abs.1 AO entstandene Sachhaftung<br />
wurde der Beklagten eine Sicherung ihres Anspruchs auf<br />
Zahlung von Biersteuer gewährt, §130 Abs.1 Satz 1 InsO.<br />
[40] (2) Ob es sich bei dem Entstehen der Sachhaftung um<br />
eine kongruente oder inkongruente Deckung handelte, kann<br />
wiederum dahinstehen.<br />
[41] Da schon die strengeren Voraussetzungen der Anfechtung<br />
der kongruenten Deckung nach § 130 Abs. 1 Satz 1<br />
Nr. 2 InsO erfüllt sind, kommt es auf das Vorliegen einer<br />
Inkongruenz nicht an. Der Brauvorgang, der zur Entstehung<br />
der Sachhaftung führte, wurde nach dem Eröffnungsantrag<br />
vorgenommen. Der Beklagten war zur Zeit der Handlung der<br />
Eröffnungsantrag bekannt. Sie hat ihre gegen den Schuldner<br />
gerichteten Bescheide dem vorläufigen Insolvenzverwalter<br />
übersandt.<br />
[42] d) Der Anfechtung steht schließlich nicht entgegen, dass<br />
derKlägeralsvorläufigerInsolvenzverwalterderRechtshandlung<br />
des Schuldners zugestimmt hat (vgl. BGHZ 161, 315,<br />
317ff.; 165, 283, 285ff.). Einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand<br />
hat der Kläger schon deswegen nicht geschaffen,<br />
weil er die Zahlung der Biersteuer unter Hinweis auf die beabsichtigte<br />
spätere Anfechtung vorgenommen hat (BGHZ 161,<br />
315, 321).<br />
BGH: Keine befreiende Leistung des<br />
Gläubigers bei Zahlung an Schuldner<br />
in Kenntnis des eröffneten<br />
Insolvenzverfahrens<br />
§82InsO<br />
Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung<br />
einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden,<br />
obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen<br />
war,sowirdderLeistendenichtbefreit,wennerzueiner<br />
Zeit, als er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermochte,<br />
von der Verfahrenseröffnung Kenntnis erlangt hat.<br />
BGH, Urteil vom 16.07.2009, IX ZR 118/08<br />
(Vorinstanzen: LG Neubrandenburg, 22.05.2008, 1 S 39/07;<br />
AG Neubrandenburg, 20.03.2007, 12 C 238/06)<br />
Rechtsprechung<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
Tatbestand: [1] Der Kläger ist Verwalter in dem am<br />
10.Februar 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen<br />
der B.… <strong>GmbH</strong> (fortan Schuldnerin). Die Eröffnung<br />
wurde am 11. Februar 2005 im Internet und am 23. Februar<br />
2005 im Bundesanzeiger veröffentlicht.<br />
[2]DieSchuldnerinwarbeiderBeklagtengegenSchädenaus<br />
Einbruchsdiebstahl versichert. Zur Regulierung eines vor<br />
Insolvenzeröffnung eingetretenen Versicherungsfalls übersandtedieBeklagteandiePostanschriftderSchuldnerinam<br />
25. Februar 2005 einen Scheck über 2853 a. Miteinemspätestens<br />
am 3. März 2005 zugegangenen Schreiben vom<br />
28. Februar 2005 zeigte der Kläger der Beklagten die Eröffnung<br />
des Insolvenzverfahrens an und forderte sie zur Zahlung<br />
der Versicherungsleistung auf. Am 8. März 2005 wurde der<br />
Scheck eingelöst, ohne dass der Kläger den Einlösungsbetrag<br />
erhielt.<br />
[3] Die auf Zahlung von 2853a nebst Zinsen gerichtete Klage<br />
war in beiden Instanzen erfolgreich. Mit der von dem Berufungsgericht<br />
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren<br />
Klageabweisungsantrag weiter.<br />
Entscheidungsgründe: [4] Die Revision ist mit Ausnahme<br />
der angegriffenen Zinshöhe unbegründet.<br />
[5] I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte<br />
könne sich für die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
vorgenommene Zahlung nicht mit Erfolg auf den Schutz<br />
des guten Glaubens nach § 82 Satz 1 InsO berufen. Die fehlende<br />
Kenntnis von der Verfahrenseröffnung habe die<br />
Beklagte darzulegen und zu beweisen. Sie sei ihrer Darlegungslast<br />
aber nicht nachgekommen. Bei einer Zahlung<br />
durch Scheck trete die Erfüllung erst mit Einlösung des<br />
Schecks durch Barzahlung oder Gutschrift ein. Dieser Zeitpunkt<br />
sei maßgeblich dafür, ob die Beklagte keine Kenntnis<br />
von der Verfahrenseröffnung gehabt habe. Am 8. März 2005<br />
habe die Beklagte bereits Kenntnis von der Insolvenzeröffnung<br />
gehabt, weil ihr das Schreiben des Klägers spätestens am<br />
3.März 2005 zugegangen sei. Auch wenn bei einem Versicherungsunternehmen<br />
die Organisationsstrukturen möglicherweise<br />
nicht derart ausgestaltet seien, dass jede eingehende<br />
Information dem Sachbearbeiter unverzüglich vorgelegt<br />
würde, sei bei einem Zeitraum von fünf Tagen eine eingegangene<br />
Information als der Beklagten zugegangen zu bewerten.<br />
[6] II. Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.<br />
Die Beklagte ist von ihrer Leistungsverpflichtung aus dem<br />
Versicherungsverhältnis nicht frei geworden.<br />
[7] 1. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahren geht nach § 80<br />
Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen,<br />
welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen<br />
erbracht werden, auf den Insolvenzverwalterüber(Jaeger/<br />
Windel, InsO § 82 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia,<br />
2.Aufl. §82 Rn.3; HK-InsO/Kayser, 5.Aufl. §82 Rn.6). Die<br />
Parteien haben nicht vorgetragen, dass die Scheckzahlung der<br />
Beklagten als eine nach dem Versicherungsvertrag zulässige<br />
Leistung an Erfüllungs statt gemäß §364 Abs.1 BGB erbracht<br />
worden ist. Deshalb konnte die Beklagte den Scheck mangels<br />
Einigung mit dem Kläger nur erfüllungshalber hingeben und<br />
ihre Deckungspflicht erst erfüllen, wenn der Scheck ordnungsgemäß<br />
eingelöst wurde (vgl. BGHZ 44, 178, 179 f.;<br />
131, 66, 74). Entsprechend § 270 Abs. 1 BGB trug die Beklagte<br />
Gefahr und Kosten der Scheckübermittlung an den<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 21
Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />
Gläubiger (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juli 2000 – VIII ZR 99/99,<br />
ZIP 2000, 1719, 1721 unter II.2. d). Diese Übermittlung an<br />
den Kläger ist im Streitfall nur insoweit gescheitert, als der<br />
Scheck in die Hände eines Organwalters der nicht mehr empfangszuständigen<br />
Insolvenzschuldnerin gelangt und von diesem<br />
nicht an den Kläger weitergeleitet, sondern eingelöst worden<br />
ist. Ob die Beklagte aufgrund der Einlösung durch die<br />
Insolvenzschuldnerin von ihrer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag<br />
freigeworden ist oder von dem Kläger auf<br />
nochmalige Leistung in Anspruch genommen werden kann,<br />
beurteilt sich nach §82 Satz 1 InsO, nicht nach dem allgemeinen<br />
Gefahrtragungsgrundsatz des § 270 Abs.1 BGB, wie die<br />
Revisionserwiderung meint. Nach § 82 Satz 1 InsO wird der<br />
Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung an den Insolvenzschuldner<br />
die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte.<br />
[8] a) Die Beklagte trifft die Darlegungs- und Beweislast<br />
dafür, dass sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht<br />
gekannt hat, weil sie ihre Leistungshandlung – Übersendung<br />
des Schecks – nach der öffentlichen Bekanntmachung der<br />
Verfahrenseröffnung vorgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v.<br />
15. Dezember 2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140<br />
Rn. 12). Maßgeblich für den Übergang der Beweislast ist der<br />
Zeitpunkt, an dem die Bekanntmachung nach § 9 Abs. 1<br />
Satz3InsOalsbewirktgilt(HK-InsO/Kayser, a.a.O. § 82<br />
Rn.20). Die öffentliche Bekanntmachung ist durch die Veröffentlichung<br />
im Internet erfolgt. Das Land Mecklenburg-Vorpommern<br />
hat von der durch § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2<br />
Satz 2 InsO in der bis zum 30.Juni 2007 geltenden Fassung in<br />
Verbindung mit § 1 Satz 1 der Verordnung zu öffentlichen<br />
Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet vom<br />
12.Februar 2002 (BGBl.I, S.677) eingeräumten Möglichkeit<br />
zu einer entsprechenden Veröffentlichung Gebrauch gemacht.<br />
Nach Ziffer I.3. der Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums<br />
Mecklenburg-Vorpommern vom 2. September<br />
2003 (III 150/1518 – 42 SH/5, AmtsBl. M-V 2003, 931)<br />
erfolgten ab dem 1.Januar 2004 die öffentlichen Bekanntmachungen<br />
in Insolvenzverfahren ausschließlich im Internet.<br />
Auf die von § 30 Abs. 1 Satz 2 InsO in der bis zum<br />
30. Juni 2007 geltenden Fassung daneben vorgeschriebene<br />
und hier erst am 23. Februar 2005 erfolgte Veröffentlichung<br />
im Bundesanzeiger kommt es für den Zeitpunkt der öffentlichen<br />
Bekanntmachung gemäß § 9 Abs. 3 InsO nicht an (vgl.<br />
Keller ZIP 2003, 149, 153). Die öffentliche Bekanntmachung<br />
ist demzufolge durch Internetveröffentlichung mit Ablauf des<br />
14.Februar 2005 (Montag) bewirkt worden (§9 Abs.1 Satz 3,<br />
§4 InsO, §222 Abs.2 ZPO).<br />
[9] b) Der Leistende wird in seinem Vertrauen auf die Empfangszuständigkeit<br />
eines Gläubigers nach § 82 InsO nur<br />
geschützt, wenn ihm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
über dessen Vermögen solange unbekannt geblieben ist, wie er<br />
den Leistungserfolg noch zu verhindern vermag (Jaeger/Windel,<br />
a.a.O. § 82 Rn. 48; HK-InsO/Kayser, a.a.O. § 82 Rn. 16;<br />
Uhlenbruck, InsO 12.Aufl. §82 Rn.11; Lüke in: Kübler/Prütting/Bork,<br />
InsO § 82 Rn. 23; FK-InsO/App, 5. Aufl. § 82<br />
Rn.9; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 2.Aufl. §82 Rn.27; Braun/<br />
Kroth, InsO 3. Aufl. § 82 Rn. 10; Nerlich/Römermann/Wittkowski,<br />
InsO §82 Rn.18; Smid, InsO 2.Aufl. §82 Rn.9; Graf-<br />
Schlicker/Scherer, InsO § 82 Rn. 5; Hess, Insolvenzrecht<br />
§ 82 InsO Rn. 14; Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl.<br />
Rn. 10.15 Fußn. 57; ebenso zum früheren Recht Jaeger/Henckel,<br />
KO 9. Aufl. § 8 Rn. 59). Die hiervon abweichende<br />
22<br />
Ansicht, die den Zeitpunkt der Leistungshandlung für maßgeblich<br />
hält (MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, a.a.O. Rn. 13;<br />
zumfrüherenRechtebensoKilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze<br />
17. Aufl. § 8 KO Anm. 2) und sich hierfür auf den mit<br />
§407 BGB übereinstimmenden Schutzzweck beruft, berücksichtigt<br />
die Unterschiede zwischen § 407 BGB und § 82<br />
Satz 1 InsO nicht hinreichend.<br />
[10] aa) Der Vorschrift des § 407 BGB kann nicht das allgemeine<br />
Prinzip entnommen werden, dass der Schuldner stets<br />
geschützt werden soll, wenn er sich im Zeitpunkt seiner letzten<br />
Leistungshandlung in Unkenntnis der wirklichen Rechtslage<br />
befunden hat (Jaeger/Windel, a.a.O.). Der maßgebliche<br />
Zeitpunkt ist vielmehr für jede dem Schuldnerschutz dienende<br />
Vorschrift aus ihrem Normzweck abzuleiten.<br />
§ 407 BGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Schuldner,<br />
ohne dessen Zutun die Abtretung erfolgt ist, in seiner<br />
Rechtsstellung möglichst nicht beeinträchtigt werden soll<br />
(BGHZ 105, 358, 360; BGH, Urt. v. 18. März 2004 – IX<br />
ZR 177/03, WM 2004, 981, 984f.). Er soll vor den Nachteilen<br />
der Abtretung geschützt werden; ihn sollen aber keine<br />
zusätzlichen Verpflichtungen treffen (BGHZ 105, 358,<br />
360f.).<br />
[11] bb) Bei §407 BGB und §82 Satz 1 InsO sind die Risikolagen<br />
und die Schutzzwecke verschieden.<br />
[12] In den Fällen des § 407 BGB gibt die Kenntnis des<br />
Schuldners, die seinen Leistungsschutz begrenzt, dem Individualinteresse<br />
eines Zessionars Vorrang, der die wirksame Leistung<br />
an den Zedenten vorher zwar gemäß § 816 Abs. 2 BGB<br />
vondiesemherausverlangenkann,demaberdieGefahreiner<br />
anspruchsvereitelnden Verfügung des Zedenten im ordentlichen<br />
Geschäftsverkehr, eines Vollstreckungszugriffs von<br />
Gläubigern des Zedenten und das Risiko von dessen Insolvenz<br />
droht. Vergleichbare Gefahren drohen dem Insolvenzverwalter<br />
nicht. Anders als nach der Konkursordnung fällt<br />
auch die Leistung des Drittschuldners an den Insolvenzschuldner<br />
gemäß § 35 Abs. 1 InsO in die Masse. Trotz seiner<br />
Fehlleitung unterliegt der Leistungsgegenstand nicht der<br />
Zwangsvollstreckung durch den Neugläubiger des Insolvenzschuldners<br />
(§ 89 Abs. 1 InsO). Dritte können daran keine<br />
Rechte erwerben (§ 91 Abs. 1 InsO). Die Risikolage, welcher<br />
§ 82 InsO Rechnung tragen will und der in den Fällen des<br />
§ 407 BGB nichts Entsprechendes gegenüber steht, liegt<br />
darin, dass dem Insolvenzverwalter der nach §80 Abs.1 InsO<br />
seiner Verfügungsmacht unterstehenden Leistungsgegenstand<br />
von einem ungetreuen Insolvenzschuldner vorenthalten<br />
wird. So soll es auch im Streitfall gewesen sein.<br />
[13] Der durch §82 Satz 1 InsO den Drittschuldnern aus Billigkeitsgründen<br />
eingeräumte Gutglaubensschutz gewährt deshalb<br />
nicht wie § 407 BGB ein Mindestmaß an Sicherheit; er<br />
stellt sich vielmehr als eine besondere Vergünstigung dar (so<br />
schon BGHZ 140, 54, 58f. zu §8 Abs.2 und 3 KO) und dient<br />
zugleich dem öffentlichen Interesse an einem effektiven Insolvenzverfahren.<br />
Diesem Regelungsziel entspricht es, dem Leistenden<br />
weitergehende Obliegenheiten als nach § 407 BGB<br />
aufzuerlegen und darauf abzustellen, ob der Drittschuldner<br />
seine Leistung noch zurückrufen und so dem Risiko eines<br />
treuwidrigen Verfahrensschuldners vorbeugen kann (vgl. Jaeger/Windel,<br />
a.a.O.; HK-InsO/Kayser, a.a.O.).<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
[14] cc) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die gesetzliche<br />
Wertung für den Fall, dass ein gutgläubiger Schuldner nicht<br />
andenwirklichenErben,sondernandenErbscheinserbenals<br />
Gläubiger geleistet hat. Abweichend von §407 Abs.1 BGB ist<br />
für die Kenntnis des Schuldners von der Unrichtigkeit des<br />
Erbscheins bei Leistung an den Erbscheinserben (§§ 2367,<br />
2366 BGB) der Zeitpunkt entscheidend, an dem sich der<br />
Leistungserfolg vollendet (Staudinger/Schilken, BGB Neubearbeitung<br />
2004, § 2366 Rn. 8; MünchKomm-BGB/Mayer,<br />
4. Aufl. § 2366 Rn. 17; Siegmann/Höger in: Bamberger/Roth,<br />
BGB 2. Aufl. § 2366 Rn. 14; Erman/Schlüter, BGB 12. Aufl.<br />
§2366 Rn.4; Palandt/Edenhofer, BGB 68.Aufl. §2366 Rn.3).<br />
Dort gelangt der Leistungsgegenstand kraft dinglicher Surrogation<br />
in Rechtsanalogie zu §718 Abs.2, §1418 Abs.2 Nr.3,<br />
§ 1473 Abs. 1, § 1638 Abs. 2, §§ 2041, 2111 Abs. 1 BGB<br />
unmittelbar in den Nachlass. Der Erbscheinserbe ist dem<br />
wirklichen Erben als Erbschaftsbesitzer nach §2018 BGB zur<br />
Herausgabe verpflichtet. Die Zwangsvollstreckung von Gläubigern<br />
des Erbschaftsbesitzers in Nachlasssurrogate kann vom<br />
wirklichen Erben nach § 771 ZPO abgewehrt werden<br />
(MünchKomm-BGB/Helms, 4. Aufl. § 2019 Rn. 1 a.E.).<br />
Zusätzlich wird der wirkliche Erbe durch §2019 Abs.1 BGB<br />
geschützt. Auch hier ist demzufolge die Gefahr im Falle einer<br />
Fehlleitung der Leistung wesentlich geringer als das Gläubigerrisiko<br />
von Zessionar oder Schuldner, die gegen den Zedenten<br />
nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten<br />
Bereicherung vorgehen müssen. Das Hauptrisiko<br />
liegt ähnlich wie bei § 82 InsO in einem unredlichen<br />
Empfänger, dort dem Insolvenzschuldner, hier dem Erbscheinserben.<br />
Die Folgerung ist hier wie in den Fällen des<br />
§82InsO, dassdasgeringereRegressrisiko des leistenden<br />
Schuldners es rechtfertigt, von ihm auch Bemühungen zur<br />
Verhinderung des Leistungserfolges zu erwarten und den<br />
Schutz der Unkenntnis von der fehlenden Empfangszuständigkeit<br />
des Scheingläubigers nur dann zu gewähren, wenn sie<br />
bis zur Unabwendbarkeit des Leistungserfolges andauert. Für<br />
die abweichende Ansicht spricht entgegen der Auffassung der<br />
Revision auch nicht entscheidend die in § 81 Abs. 1<br />
Satz2InsO,§892Abs.2BGBgetroffeneRegelung,weilsie<br />
darauf beruht, dass der Erwerber auf den Gang des Grundbuchverfahrens<br />
keinen Einfluss hat (Jaeger/Windel, a.a.O.).<br />
Diese Regel ist bei §82 InsO ebenso wenig anwendbar wie bei<br />
den §§ 2366, 2367 BGB (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 12.Oktober<br />
1970 – III ZR 254/68, WM 1971, 54; ferner BGHZ 57,<br />
341, 343).<br />
[15] 2. Danach konnte die Beklagte nur dann von der Verpflichtung<br />
zur erneuten Leistung frei werden, wenn sie zu<br />
dem Zeitpunkt, bis zu dem sie die Einlösung des Schecks<br />
noch durch dessen Sperrung verhindern konnte, keine Kenntnis<br />
von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte. Dies ist<br />
auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags nicht der Fall.<br />
[16] a) Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation<br />
muss im Rahmen des ihr Zumutbaren sicherstellen, dass die<br />
ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen<br />
unverzüglich an die entscheidenden Personen weitergeleitet<br />
und von diesen zur Kenntnis genommen werden<br />
(BGHZ 140, 54, 62; BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005 – IX<br />
ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140 Rn. 13). Entgegen der Auffassung<br />
der Revision beschränkt sich diese Rechtsprechung<br />
nichtaufdenBankenbereich(vgl.BGHZ140,54).Obsich<br />
die Organisation, wenn es an einem derartigen internen<br />
Rechtsprechung<br />
Informationssystem fehlt, das Wissen einzelner Mitarbeiter,<br />
die nicht zu den Entscheidungsträgern gehören, etwa bei der<br />
Posteingangsstelle beschäftigt sind, unmittelbar zurechnen<br />
lassen muss (vgl. BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005, a.a.O.),<br />
mag dahinstehen. Jedenfalls müssen sich die Entscheidungsträger<br />
so behandeln lassen, als hätten sie das Wissen gehabt,<br />
wenn die Zeit verstrichen ist, die bei Bestehen eines effizienten<br />
internen Informationssystems benötigt worden wäre, um<br />
ihnen die Kenntnis zu verschaffen. Diese Zeitspanne ist angesichts<br />
des Standes der modernen Büro- und Kommunikationstechnik<br />
als gering zu veranschlagen.<br />
[17] b) Nach dem Vortrag der Beklagten sei es von ihr innerhalb<br />
der »assekuranzüblichen und angemessenen Bearbeitungszeit<br />
von mindestens neun Arbeitstagen« nicht zu erwarten<br />
gewesen, nach Erhalt der Eröffnungsanzeige des Klägers<br />
am 3.März 2005 geeignete Maßnahmen gegen die drohende<br />
Scheckeinlösung zu ergreifen. Die Beklagte hat damit nicht<br />
vorgetragen,dasssieeineOrganisationsstruktur geschaffen<br />
hat, die eine kurzfristige Kenntnisnahme des Inhaltes eilbedürftiger<br />
Schreiben durch die Entscheidungsträger ermöglicht.<br />
Dies hat nichts mit der Frage nach der angemessenen<br />
Bearbeitungsfrist für den eine Sachverhaltsaufklärung erfordernden<br />
Leistungsantrag eines Versicherten zu tun (hierzu LG<br />
Köln VersR 1982, 389). Aus dem Nachweis der Insolvenzeröffnung<br />
ergab sich vielmehr unmittelbar, dass laufende Zahlungsvorgänge<br />
an die Schuldnerin sofort anzuhalten waren.<br />
Ob es solche Vorgänge gab, konnte auf dem Bildschirm in<br />
kürzester Zeit festgestellt werden. Da diese Kenntnisnahme<br />
mangels entsprechender organisatorischer Vorsorge nicht<br />
gewährleistet war, muss sich die Beklagte so behandeln lassen,<br />
wie wenn sie am 7.März 2005, als sie den am Folgetag eingelösten<br />
Scheck noch sperren lassen konnte, Kenntnis von der<br />
Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehabt hätte.<br />
[18] III. Der Ausspruch zur Zinshöhe hält rechtlicher Überprüfung<br />
nicht stand. Das Amtsgericht hat dem Kläger Zinsen<br />
nach § 288 Abs. 2 BGB zuerkannt. Bei der Klageforderung<br />
handelt es sich indes nicht um eine Entgeltforderung nach<br />
dieser Vorschrift. § 286 Abs. 3 BGB setzt die Vorgaben der<br />
Richtlinie 2000/35/EG vom 29.Juni 2000 um (Palandt/Grüneberg,<br />
a.a.O. § 286 Rn. 1). Nach Erwägungsgrund 13 der<br />
Richtlinie unterfallen ihr nicht Zahlungen von Versicherungsgesellschaften.<br />
Es bewendet daher bei der Zinshöhe des<br />
§288 Abs.1 Satz 2 BGB.<br />
AG Hamburg: Sonderinsolvenzverfahren<br />
über das Vermögen einer voll beendeten<br />
GbR<br />
§§11, 35 InsO; §738 BGB<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
Leitsatz der Redaktion:<br />
Über das Vermögen einer voll beendeten GbR kann ein Sonderinsolvenzverfahren<br />
eröffnet werden. Treuhänderischer<br />
Vermögensträger ist der letztverbleibende Gesellschafter<br />
(Abgrenzung zu BGH ZInsO 2008, 973).<br />
AG Hamburg, Beschluss vom 08.07.2009, 67a IN 220/09<br />
Gründe: I. Am 15. 04. 2009 beantragte der Beteiligte die<br />
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 23
Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />
F-GbR. Die F-GbR, die bis zum Juli 2008 ein bzw. zeitweilig<br />
zwei Fitnessstudios betrieb, wurde von ihren beiden Gesellschaftern<br />
P. W. und F. F. mit Gesellschaftsvertrag vom<br />
30.Dezember 2001 gegründet. Beide Gesellschafter waren zu<br />
jeweils 50 Prozent an der Gesellschaft beteiligt. In § 9 Abs. 3<br />
des Gesellschaftsvertrages heißt es: »Für den Fall der Eröffnung<br />
oder der Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens<br />
über das Vermögen eines der Gesellschafter oder der<br />
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung einer der beiden<br />
Gesellschafter scheidet dieser mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
oder mit der Ablehnung der Eröffnung des<br />
Insolvenzverfahrens bzw. mit der Abgabe der eidesstattlichen<br />
Versicherung aus der Gesellschaft aus.« Beide Gesellschafter<br />
gaben am 02. 06. 2008 (F. F.) und 11. 06. 2008 (P. W.) die<br />
eidesstattliche Versicherung ab. Auch wurde über das Vermögen<br />
beider Gesellschafter mit Beschluss vom 18. 03. 2009<br />
(F. F.) und 08. 05. 2009 (P. W.) das Insolvenzverfahren eröffnet.<br />
Mit Beschluss vom 17. 04. 2009 hat das Insolvenzgericht die<br />
vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Der vorläufige<br />
Insolvenzverwalter kam in seinem SachverständigengutachtenzudemErgebnis,dassdieVoraussetzungen<br />
für die Durchführung<br />
eines Insolvenzverfahrens vorliegen. Daraufhin hat<br />
das Insolvenzgericht am 08. 07. 2009 beschlossen, ȟber das<br />
Sondervermögen der aufgelösten und beendeten F. GbR, ehemals<br />
(…) Straße 4, Hamburg, Beteiligter: P. W., (…), Hamburg,<br />
als treuhändischer Träger des Sondervermögens«, das<br />
Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit zu eröffnen.<br />
II.DerAntragaufEröffnungdesInsolvenzverfahrensistzulässig<br />
und begründet. Zwar ist die F-GbR selbst nicht mehr insolvenzfähig,<br />
da sie nicht nur aufgelöst, sondern auch bereits voll beendet<br />
ist. In Analogie zu den §§35ff., 332, 333f. und 354ff. InsO<br />
kann jedoch ein Sonderinsolvenzverfahren eigener Art<br />
beschränkt auf das von der F-GbR auf den Beteiligten übergegangene<br />
Vermögen durchgeführt werden. Nur so hat der Beteiligte<br />
seinen Antrag auch gemeint. Im Einzelnen:<br />
DieF-GbRwarbereitsvorderStellungdeshierinRedestehenden<br />
Insolvenzantrages nicht nur aufgelöst, sondern voll<br />
beendet. Der Gesellschafter F. F. schied unmittelbar nach<br />
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 02. 06. 2008,<br />
spätestens jedoch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über<br />
sein Vermögen am 18. 03. 2009 gemäß § 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages<br />
aus der Gesellschaft aus. Dies führte gemäß<br />
§ 738 BGB dazu, dass seine Gesellschaftsanteile dem verbliebenen<br />
Mitgesellschafter, also dem Beteiligten, zugewachsen<br />
sind. Mit dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters<br />
einer Personengesellschaft entfällt der Tatbestand einer<br />
Gesellschaft. Haben sich nämlich sämtliche Gesellschaftsanteile<br />
in der Hand eines Gesellschafters vereinigt, ist die Gesellschaft<br />
liquidationslos beendet unter Gesamtrechtsnachfolge<br />
des letzten verbliebenen Gesellschafters (BGH, ZInsO 2008,<br />
24<br />
973 ff.; HambKomm/Wehr, 3. Auflage, § 12 Rn. 52; MünchKommInsO-Ott/Vuia,2.Auflage,§11Rn.71b).<br />
Gleichwohl kann zugunsten der Gesellschaftsgläubiger weiterhin<br />
ein Insolvenzverfahren über noch vorhandenes Gesellschaftsvermögen<br />
in Form eines Sonderinsolvenzverfahrens<br />
eigener Art durchgeführt werden (LG Dresden, ZInsO 2005,<br />
384 f.; HambKomm/Wehr, a. a. O.; MünchKommInsO-Ott/<br />
Vuia, a.a.O.). Zweck dieses Sonderinsolvenzverfahrens ist es,<br />
das Vermögen der früheren Gesellschaft zur Befriedigung von<br />
deren Gläubigern zu verwenden (MünchKommInsO-Ott/<br />
Vuia, a.a.O.) Ohne die Durchführung eines solchen Sonderinsolvenzverfahrens<br />
wäre das Vermögen der ehemaligen<br />
Gesellschaft einer gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer<br />
Gläubiger in einem geregelten Verfahren nicht zugänglich.<br />
Die gesellschaftsvertraglichen und gesetzlichen Vorschriften<br />
über das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft<br />
führen zu unangemessenen und ungewollten<br />
Rechtsfolgen, sobald nicht nur ein Gesellschafter in Vermögensverfall<br />
gerät, sondern dies auch die Gesellschaft als solche<br />
betrifft. Sinn und Zweck der gesellschaftsvertraglichen und<br />
gesetzlichen Vorschriften über das Ausscheiden eines Gesellschafters<br />
ist der Zusammenhalt des Gesellschaftsvermögens<br />
und die Erhaltung und Fortsetzung des etwa vorhandenen,<br />
fortführungsfähigen und solventen Geschäftsbetriebes trotz<br />
Vermögensverfalles bei einem Gesellschafter. Das naturgemäße<br />
Interesse der Gläubiger des vermögenslosen GesellschaftersandessenGeschäftsanteil<br />
und der Zerschlagung des<br />
Gesellschaftsvermögens soll hinter dem betriebs- und volkswirtschaftlich<br />
motivierten Interesse an dem Fortbestand von<br />
Geschäftsbetrieben zurückstehen. Gerät – wie vorliegend –<br />
auch die Gesellschaft selbst in Vermögensverfall und entfällt<br />
ihre Erhaltungs- und Fortführungswürdigkeit, steht dies im<br />
Widerspruch zu Sinn und Zweck der in dem Gesellschaftsvertrag<br />
für den bloßen Fall des Vermögensverfalls nur eines<br />
Gesellschafters vorgesehenen Regelungen. Aus diesem Grund<br />
ist die Durchführung eines Sonderinsolvenzverfahrens über<br />
das Vermögen der ehemaligen Gesellschaft, dessen treuhändischer<br />
Vermögensträger der letzte verbliebene Gesellschafter,<br />
vorliegend mithin der Beteiligteist,durchzuführen.Dem<br />
steht auch nicht die Entscheidung des BGH vom 07.07.2008<br />
(ZInsO 2008, 973 ff.) entgegen, wonach der Beschluss über<br />
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen<br />
einer voll beendeten BGB-Gesellschaft nichtig ist und die<br />
Prozessgerichte nicht bindet. Anders als in der vorstehend<br />
zitierten Entscheidung wird hier gerade nicht über das Vermögen<br />
der voll beendeten F-GbR das Insolvenzverfahren<br />
eröffnet, sondern über das dem Beteiligten angewachsene und<br />
vondessenprivatemVermögenabzugrenzendeSondervermögen<br />
der ehemaligen Gesellschaft.<br />
(mitgeteilt von Dr. Antje Hoffmann, Richterin<br />
am AG Hamburg)<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
Top Ten: Rechtsprechung des BGH zur Unternehmensinsolvenz<br />
Die wichtigsten Entscheidungen des BGH aus dem Jahr<br />
2009–ausgewähltvonDr. Andreas Schmidt<br />
Die Auswahl erfolgt allein nach der subjektiven Einschätzung<br />
des Verfassers. Die Reihenfolge orientiert sich am Datum, an<br />
dem die jeweilige Entscheidung ergangenist.DerIX.Zivilsenat<br />
(»Insolvenzrechtsenat«) ist sechsmal, der II. Zivilsenat<br />
(»Gesellschaftsrechtsenat«) viermal vertreten.<br />
1. Eigenkapitalersatz: Fortgeltung des alten Rechts<br />
für sog. »Altfälle« (Eröffnung des<br />
Insolvenzverfahrens vor dem 01.11.2008)<br />
BGH, Urteil vom 26. 01. 2009, II ZR 260/07 (»Gut<br />
Buschow«)<br />
Anmerkung: Für einen »Neufall« (Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
nach dem 31.10.2008) liegt noch keine BGH-Entscheidung<br />
vor. Instruktiv zur möglichen Behandlung solcher Fälle Rellingmeyer/Gröblinghoff<br />
ZIP 2009, 1938.<br />
2. Gesellschafterhaftung: Sacheinlagefähigkeit eines<br />
Gegenstandes und Präzisierung des sog. Hin- und<br />
Herzahlens<br />
BGH, Urteil vom 16.02.2009, II ZR 120/07 (»Qivive«)<br />
Anmerkung: Siehe dazu den Beitrag von Kuleisa, »Kapitalaufbringung<br />
nach dem MoMiG unter Berücksichtigung neuester<br />
BGH-Rechtsprechung« (<strong>InsVZ</strong> 2009, 8, in diesem Heft).<br />
3. Insolvenzanfechtung: Anfechtbarkeit von<br />
Lohnzahlungen<br />
BGH, Urteil vom 19.02.2009, IX ZR 62/08<br />
Anmerkung: Die Frage nach der Anfechtbarkeit von Lohnzahlungen<br />
hat zu kontroversen Diskussion auch innerhalb der Insolvenzverwalterschaft<br />
geführt (s. etwa INDat-Report, Heft 2-<br />
2009, dessen Titel lautete: »Hui oder pfui? Anfechtung von<br />
Lohnzahlungen«).DerBGHhatindieserEntscheidungmitviel<br />
Augenmaß hohe Anforderungen an die Kenntnis des Arbeitnehmers<br />
von der Zahlungsunfähigkeit (§ 130 Abs. 2 InsO) gestellt<br />
und so die Anfechtungsmöglichkeiten auf ein sozial verträgliches<br />
Maß beschränkt.<br />
4. Insolvenzanfechtung: Rechtshandlung des<br />
Schuldners i.S.d. §133 InsO bei<br />
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen<br />
BGH, Beschluss vom 19.02.2009, IX ZR 22/07<br />
Top Ten: Rechtsprechung des BGH zur Unternehmensinsolvenz<br />
Anmerkung: Es sind weitere Verfahren zum Fragenkreis »Rechtshandlung<br />
des Schuldners i.S.d. § 133 InsO« beim BGH anhängig.<br />
Insbesondere ist auf die Revision zu OLG Karlsruhe, Urt.<br />
vom 24. 06. 2008, 8 U 186/07 hinzuweisen, die beim BGH<br />
unter dem Az. IX ZR 128/08 geführt wird. Mit einer Entscheidung<br />
des BGH ist in Kürze zu rechnen.<br />
5. Insolvenzanfechtung: Internationale Zuständigkeit<br />
für Anfechtungsklagen<br />
BGH, Urteil vom 19. 05. 2009, IX ZR 39/06 (»Deko Marty<br />
Belgium«)<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
Anmerkung: Durch seine Auslegung des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO<br />
ermöglicht der BGH, dass Insolvenzanfechtungsklagen gegen<br />
Anfechtungsgegner, die ihren satzungsmäßigen Sitz in einem<br />
anderen Mitgliedstaat haben, im Inland geführt werden können<br />
(sog. »Heimspiel-Rechtsprechung«).<br />
6. Geschäftsführerhaftung: Haftung des<br />
Geschäftsführers aus §64 Satz 1 <strong>GmbH</strong>G für<br />
Zahlungen von Arbeitgeberbeiträgen nach<br />
Insolvenzreife der Gesellschaft<br />
BGH, Urteil vom 08.06.2009, II ZR 143/08<br />
Anmerkung: Konsequente Fortführung der Rechtsprechung: Nur<br />
die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge ist mit Blick auf § 266 a<br />
StGB mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§64<br />
Satz 2 <strong>GmbH</strong>G) vereinbar (BGH, Urt. vom 14.05.2007, II ZR<br />
48/06).<br />
7. Insolvenzanfechtung: Indizwirkung der<br />
Inkongruenz bei Zahlungen, die unter dem Druck<br />
eines Insolvenzantrages geleistet werden<br />
BGH, Urteil vom 18.06.2009, IX ZR 7/07<br />
Anmerkung: Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung zu § 133<br />
InsO. Damit ist es dem Insolvenzverwalter auch weiterhin möglich,<br />
Zahlungen, die unter dem Druck eines Insolvenzantrages<br />
geleistet wurden, erfolgreich anzufechten.<br />
8. Wirkungen der Insolvenzeröffnung:<br />
Informationspflicht für Unternehmen, die<br />
Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem<br />
Schuldner haben<br />
BGH, Urteil vom 16.07.2009, IX ZR 118/08<br />
Anmerkung: Die Entscheidung ist im Volltext auf S. 21 dieses<br />
Heftes abgedruckt. Siehe dazu auch die Anmerkung von Rendels,<br />
INDat-Report, Heft 7-2009, S. 4, der zutreffend u.a. darauf<br />
hinweist, dass die Entscheidung wegen des Verweises in §24 InsO<br />
auf §82 InsO auch für das Eröffnungsverfahren relevant ist.<br />
9. Gesellschafterhaftung: Abgrenzung von verdeckter<br />
Sacheinlage und Hin- und Herzahlen im Cash-Pool<br />
BGH, Urteil vom 20.07.2009, II ZR 273/07 (»Cash-Pool II«)<br />
Anmerkung: Siehe dazu den Beitrag von Kuleisa, »Kapitalaufbringung<br />
nach dem MoMiG unter Berücksichtigung neuester<br />
BGH-Rechtsprechung« (<strong>InsVZ</strong> 2009, 8, in diesem Heft).<br />
10. Insolvenzanfechtung: Gläubigerbenachteiligung<br />
auchbeiZahlungendesSchuldnersausdembloß<br />
geduldeten Überziehungskredit<br />
BGH, Urteil vom 06.10.2009, IX ZR 191/05<br />
Anmerkung: Wichtige Änderung der Rechtsprechung, die zu<br />
einer beträchtlichen Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeiten<br />
für den Insolvenzverwalter führt! Die Entscheidung wird im<br />
Volltext abgedruckt in <strong>InsVZ</strong> Heft 1/2010. Hingewiesen sei auch<br />
auf den Aufsatz von Rogge, der ebenfalls in <strong>InsVZ</strong> Heft 1/2010<br />
erscheinen wird.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 25
Privatinsolvenz Rechtsprechung<br />
BGH: Dreijährige Sperre für Schuldner im<br />
zweiten Insolvenzverfahren bei<br />
Versagung der Restschuldbefreiung im<br />
ersten Verfahren<br />
§4a, §289 Abs.1 Satz 2, §290 Abs.1 Nr.3 und 5 InsO<br />
Der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung ist unzulässig,<br />
wenn er innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger<br />
Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren<br />
wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung<br />
seiner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten<br />
gestellt worden ist. Eine Stundung der Verfahrenskosten für<br />
einen solchen Antrag scheidet aus.<br />
BGH, Beschluss vom 16.07.2009, IX ZB 219/08<br />
(Vorinstanzen: LG Oldenburg, 15.02.2008, 6 T 156/08;<br />
AG Oldenburg/Oldenburg, 22.01.2008, 8 IN 68/07)<br />
Gründe: [1] I. Dem Schuldner wurde in einem früheren, auf<br />
Eigenantrag eröffneten Insolvenzverfahren durch rechtskräftigen<br />
Beschluss vom 20. September 2006 die Ankündigung<br />
der Restschuldbefreiung nach §289 Abs.1 Satz 2, §290 Abs.1<br />
Nr. 5 InsO versagt, weil er seinen Auskunftspflichten gemäß<br />
§97 InsO nicht hinreichend nachgekommen war. Das Insolvenzverfahren<br />
wurde am 21.November 2006 aufgehoben.<br />
[2] Am 16. November 2007 stellte ein Gläubiger Antrag auf<br />
Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Anschluss daran stellte<br />
der Schuldner am 28.Dezember 2007 wiederum einen Eigenantrag;<br />
außerdem beantragte er die Restschuldbefreiung und<br />
Stundung der Verfahrenskosten. Insolvenzgericht und<br />
Beschwerdegericht haben die Verfahrenskostenstundung für<br />
das neue Verfahren abgelehnt. Dagegen wendet sich der<br />
Schuldner – nach Gewährung von Prozesskostenhilfe – mit<br />
seiner Rechtsbeschwerde.<br />
[3] II. Dem Schuldner ist wegen der Versäumung der Frist zur<br />
Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung<br />
in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 234<br />
Abs.2, §575 ZPO).<br />
[4] Die Fristversäumung ist unverschuldet (§233 ZPO), weil<br />
der Schuldner wegen seiner Mittellosigkeit außerstande war,<br />
durch die Beauftragung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen<br />
Rechtsanwalts die Einlegungs- und Begründungsfrist<br />
einzuhalten. Die Wiedereinsetzungsfrist ist gewahrt: Nach<br />
Zustellung des Senatsbeschlusses über die Bewilligung von<br />
Prozesskostenhilfe hat der Schuldner die Rechtsbeschwerde<br />
innerhalb der zweiwöchigen Frist des §234 Abs.1 Satz 1 ZPO<br />
eingelegt und innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1<br />
Satz 2 ZPO begründet.<br />
[5] III. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6<br />
Abs.1, §4d Abs.1 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig<br />
(§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), bleibt aber in der Sache ohne<br />
Erfolg.<br />
[6] 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Amtsgericht<br />
habe den Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten mit<br />
Recht zurückgewiesen. Dem Schuldner fehle für seinen neuerlichen<br />
Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, weil ihm in dem<br />
früheren Verfahren wegen Verletzung seiner Auskunfts- und<br />
Mitwirkungspflichten die Restschuldbefreiung versagt worden<br />
sei. Sehe man den erneuten Antrag als zulässig an, blieben<br />
26<br />
die Unredlichkeit des Schuldners und die daraus resultierende<br />
rechtskräftige Versagung der Restschuldbefreiung folgenlos.<br />
Es sei unerheblich, dass zwischenzeitlich neue Gläubiger hinzugetreten<br />
seien und ein Fremdantrag gestellt worden sei.<br />
Sowohl die Entstehung neuer Forderungen als auch die Stellung<br />
eines Fremdantrags sei durch den Schuldner steuerbar.<br />
Ob dem Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis dauerhaft zu<br />
versagen sei, könne offen bleiben. Jedenfalls sei nach rechtskräftiger<br />
Versagung noch keine angemessene Frist verstrichen,<br />
die einen neuerlichen Eigenantrag schutzwürdig erscheinen<br />
lasse.<br />
[7] 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung im<br />
Ergebnis stand.<br />
[8] Nach §290 Abs.1 Nr.3 InsO ist dem Schuldner die Restschuldbefreiung<br />
zu versagen, wenn ihm in den letzten zehn<br />
Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder<br />
nach §296 oder §297 InsO versagt worden ist. Eine Sperrfrist<br />
für eine erneute Antragstellung im Fall der Versagung der<br />
Restschuldbefreiung nach § 289 Abs. 1 Satz 2, § 290 Abs. 1<br />
Nr. 5 InsO sieht das Gesetz nicht vor. Ein Rechtsschutzbedürfnis<br />
für die Stellung eines erneuten Antrags auf Restschuldbefreiung<br />
ist gleichwohl nur gegeben, wenn seit<br />
Rechtskraft der Entscheidung über die Versagung nach den<br />
vorgenannten Vorschriften drei Jahre vergangen sind. § 290<br />
Abs.1Nr.3InsOenthältfürdenFallderVersagungderRestschuldbefreiung<br />
im Schlusstermin eine Regelungslücke, die<br />
bei Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten in<br />
einem früheren Verfahren durch eine Sperrfrist zu schließen<br />
ist, die sich an der Frist für die Berücksichtigung von Falschangaben<br />
des Schuldners im Rahmen des § 290 Abs. 1<br />
Nr.2 InsO orientiert (vgl. AG Hamburg ZVI 2009, 224).<br />
[9] a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs<br />
fehlt dem Schuldner, der in einem früheren Verfahren<br />
versäumt hat, rechtzeitig Restschuldbefreiung zu beantragen,<br />
oder dem diese rechtskräftig versagt worden ist, das<br />
Rechtsschutzbedürfnis für einen erneuten Antrag auf Restschuldbefreiung<br />
»jedenfalls dann«, wenn seit Abschluss des<br />
früheren Verfahrens keine weiteren Gläubiger hinzugekommen<br />
sind (BGH, Beschl.v. 6. Juli 2006 – IX ZB 263/05,<br />
ZInsO 2006, 821; v. 11. Oktober 2007 – IX ZB 270/05,<br />
ZInsO 2007, 1223). Zur Begründung dieser Rechtsprechung<br />
hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, durch die Befugnis zu<br />
einer uneingeschränkten Antragswiederholung würde die<br />
Rechtskraft einer die Restschuldbefreiung versagenden Entscheidung<br />
zur Disposition des Schuldners gestellt. Dieser<br />
könnte nach Belieben immer neue Verfahren einleiten. Ein<br />
unredlicher Schuldner würde dadurch in den Stand gesetzt,<br />
im Anschluss an eine zu Recht ergangene Versagung der Restschuldbefreiung<br />
durch eine Anpassung der tatsächlichen<br />
Grundlagen nachträglich eine Restschuldbefreiung zu erwirken.<br />
Mit Hilfe einer erneuten Antragstellung könnte er die an<br />
zeitliche Fristen geknüpften Versagungsgründe des § 290<br />
Abs.1Nr.2bis4InsOumgehen.SelbsteinSchuldner,dem<br />
wegen Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten<br />
die Restschuldbefreiung versagt wurde (§ 290 Abs. 1 Nr. 5<br />
und 6 InsO), könnte durch Wohlverhalten in einem neuen<br />
Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung erlangen. Es<br />
bedürfe keiner näheren Darlegung, dass die Versagungsgründe<br />
des §290 Abs.1 Nr.5 und 6 InsO ihrer verfahrensför-<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
dernden Funktion beraubt würden, wenn Verstöße des<br />
Schuldners wegen der Befugnis zur Einleitung eines weiteren<br />
Insolvenzverfahrens nicht dauerhaft sanktioniert würden.<br />
Vielmehr bestünde geradezu ein Anreiz, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten<br />
nicht allzu genau zu nehmen, weil stets<br />
aufs Neue die Möglichkeit eines weiteren Antrags eröffnet<br />
wäre. Damit wäre der Zweck der Versagungsgründe des §290<br />
Abs. 1 InsO, nur einem redlichen Schuldner die Vergünstigung<br />
einer Restschuldbefreiung zuteil werden zu lassen, verfehlt<br />
(BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2007 a.a.O. S. 1224<br />
Rn.12).<br />
[10] b) Im vorliegenden Fall gibt es zwar einen neuen Gläubiger.<br />
Die Gründe, die nach den vorzitierten Entscheidungen<br />
das Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners für einen Folgeantrag<br />
in Frage stellen, gelten aber auch hier. Das Beschwerdegericht<br />
führt mit Recht aus, dass es der Schuldner in der Hand<br />
hätte, durch Begründung neuer Forderungen und erforderlichenfalls<br />
Herbeiführung eines Fremdantrags die Rechtskraft<br />
des die Restschuldbefreiung versagenden Beschlusses zu<br />
unterlaufen (zutreffend insofern AG Göttingen ZVI 2005,<br />
278, 279; AG Leipzig ZVI 2007, 280, 281; Hackenberg ZVI<br />
2005, 468, 469 f.; Büttner ZVI 2007, 229, 231f.; jeweils<br />
gegen LG Koblenz ZVI 2005, 91). Würde allein das Vorhandensein<br />
eines neuen Gläubigers ausreichen, um das Rechtsschutzbedürfnis<br />
des Schuldners für einen erneuten Antrag zu<br />
bejahen, könnte der Zweck der Versagungsgründe nicht<br />
erreicht werden. Die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung<br />
von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§290 Abs.1<br />
Nr.5InsO)ineinemvorausgegangenenVerfahrensowievorsätzliche<br />
oder grob fahrlässige unrichtige oder unvollständige<br />
Angaben in den Verzeichnissen des Schuldners (§ 290 Abs. 1<br />
Nr.6 InsO) blieben ohne Konsequenzen, weil sie dem Schuldner<br />
in einem nachfolgenden Verfahren nicht mehr vorgehalten<br />
werden könnten. Dem Schuldner müssten die Verfahrenskosten<br />
innerhalb kurzer Zeit ein weiteres Mal gestundet<br />
werden,selbstwennindemfrüherenVerfahren–wieimvorliegenden<br />
Fall – die Kostenstundung aufgrund seines unredlichen<br />
Verhaltens aufgehoben und ihm die Restschuldbefreiung<br />
versagt worden ist. Der Schuldner könnte sein Interesse<br />
an der Durchführung des neuen Verfahrens – wie hier – sogar<br />
auf die nach Aufhebung der Verfahrenskostenstundung nicht<br />
bezahlten Kosten des vorangegangenen Verfahrens stützen.<br />
[11] c) Auch im Anschluss an eine Versagung der Restschuldbefreiung<br />
nach § 289 Abs. 1 Satz 2, § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO<br />
besteht deshalb ein unabweisbares Bedürfnis für eine Sperrfrist.<br />
Die bestehende Regelungslücke kann nur geschlossen<br />
werden, indem die Vorschrift des §290 Abs.1 Nr.3 InsO entsprechend<br />
angewendet wird.<br />
[12] aa) Zwar wird eine analoge Anwendung der Vorschrift<br />
auf diesen Fall in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend<br />
abgelehnt oder nicht in Erwägung gezogen (vgl. LG<br />
Duisburg ZInsO 2009, 110 f.; AG Bremen ZVI 2009, 254;<br />
AG Potsdam ZInsO 2006, 1287; FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl.<br />
§ 290 Rn. 31; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 290 Rn.14; HK-<br />
InsO/Landfermann, 5.Aufl. §290 Rn.17; HmbKomm-InsO/<br />
Streck, 3. Aufl. § 290 Rn. 22; MünchKomm-InsO/Stephan,<br />
2.Aufl., §290 Rn.54ff; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12.Aufl.<br />
§ 290 Rn. 47; Hackenberg ZVI 2005, 468, 470; Hackländer<br />
ZInsO 2008, 1308 ; einschränkend nur für den Fall des §290<br />
Abs.1Nr.1InsOWenzel in: Kübler/Prütting/Bork, InsO<br />
Rechtsprechung<br />
Privatinsolvenz<br />
§ 290 Rn. 14; Graf-Schlicker/Livonius, Restschuldbefreiung<br />
und Verbraucherinsolvenz 1999 Rn. 276). Von diesen Stimmen<br />
wird aber nicht berücksichtigt, welche Konsequenzen es<br />
für das auf die der Redlichkeit des Schuldners bauende System<br />
der Restschuldbefreiung hat, wenn – abgesehen von dem vom<br />
Senat bereits entschiedenen Fall des Fehlens neuer Gläubiger–derFolgeantragdesSchuldners<br />
im Anschluss an eine<br />
Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO uneingeschränkt als<br />
schutzwürdig angesehen wird. Dem Schuldner müssten trotz<br />
seines unredlichen Verhaltens alsbald erneut die Verfahrenskosten<br />
für den weiteren Versuch einer Restschuldbefreiung<br />
gestundet werden. Die Gerichte würden sofort wieder mit<br />
einem erneuten Verfahren belastet, und die Staatskasse müsste<br />
die Verfahrenskosten ein weiteres Mal aufbringen. Dies ist mit<br />
dem Sinn und Zweck der Versagungsvorschriften, die eine<br />
fühlbare Sanktion für die Unredlichkeit des Schuldners darstellen<br />
sollen, nicht zu vereinbaren.<br />
[13] bb) Soweit der Senat in einem Beschluss vom<br />
21.Februar 2008 (IX ZB 52/07, ZInsO 2008, 319) entschieden<br />
hat, dass es der Bewilligung von Restschuldbefreiung und<br />
damit auch der Stundung der Verfahrenskosten in einem späteren<br />
Verfahren nicht entgegenstehe, wenn dem Schuldner<br />
die Restschuldbefreiung in einem Beschluss zur Ankündigung<br />
der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren versagt<br />
worden sei, hält er an dieser Entscheidung nicht fest. Die Verletzung<br />
der Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten in einem<br />
früheren Verfahren kann nicht deshalb folgenlos bleiben, weil<br />
nach Beendigung dieses Verfahrens ein erneuter Antrag auf<br />
Restschuldbefreiung gestellt wird.<br />
[14] d) Die Voraussetzungen für eine Analogie zu §290 Abs.1<br />
Nr. 3 InsO liegen vor. Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke<br />
im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes<br />
voraus. Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt<br />
des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht<br />
zu beurteilen (BGHZ 149, 165, 174; vgl. auch<br />
BGH, Urt. v. 26. November 2008 – VIII ZR 200/05, ZIP<br />
2009, 176, 178 Rn. 22 ff.; v. 19. Mai 2009 – IX ZR 39/06,<br />
ZInsO 2009, 1270, 1271f. Rn. 18). Für das Vorliegen einer<br />
planwidrigen Regelungslücke, die durch Rechtsfortbildung<br />
zu schließen ist, kann auch sprechen, dass der Gesetzgeber<br />
beabsichtigt, ein planwidrig unvollständiges Gesetz durch<br />
eine Reform zu schließen (vgl. BGH, Urt. v. 26. November<br />
2008 a.a.O.). Diese Voraussetzung ist hier gegeben.<br />
[15] aa) Die planwidrige Regelungslücke folgt aus der oben<br />
dargelegten Unvollständigkeit des Gesetzes für den Fall der<br />
Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin auf<br />
Grund der Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten<br />
des Schuldners. Die Gründe, die eine »vorweggenommene<br />
Versagung« nach § 290 Abs. 1 InsO rechtfertigen,<br />
wiegen nicht leichter als die dieselbe Sanktion (§§ 295,<br />
296 InsO) auslösenden Verstöße in der Wohlverhaltensphase.<br />
Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass nur Letztere zu<br />
einer Sperre nach §290 Abs.1 Nr.3 InsO führen, während die<br />
Versagungnach§289Abs.1Satz2,§290Abs.1Nr.5InsO<br />
folgenlos bleibt.<br />
[16] bb) Der Gesetzgeber hat seine Absicht, den Katalog des<br />
§290 Abs.1 InsO um einen Versagungstatbestand »Nr.3a« zu<br />
erweitern, im »Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung<br />
mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte<br />
sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizen-<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 27
Privatinsolvenz Rechtsprechung<br />
zen« vom 22. August 2007 (abgedruckt als Beilage 2 zu ZVI<br />
Heft 8/2007) zu erkennen gegeben. Danach sollte der Schuldner<br />
auch dann keine Restschuldbefreiung erlangen können,<br />
wenn ihm in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung<br />
des Insolvenzverfahrens oder danach Restschuldbefreiung<br />
nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 versagt wurde. In der<br />
Begründung zu diesem Entwurf (RegE S. 68 f) wird ausgeführt:<br />
»Mit dem Versagungsgrund des §290 Abs.1 Nr.3 InsO wird<br />
eine Sperre gegenüber einem missbräuchlich wiederholten<br />
Restschuldbefreiungsverfahren geschaffen. Würde jedoch<br />
§ 290 InsO insgesamt in den Katalog der Versagungsgründe<br />
der Nummer 3 aufgenommen, so würde sich bei den Gründen<br />
nach §290 Abs.1 Nr.1, 1a und 4 InsO-E eine unverhältnismäßig<br />
lange Sperrfrist ergeben, da die jeweils dem Tatbestand<br />
eigenen Fristen noch hinzugerechnet werden müssten.<br />
So wird eine rechtskräftige Verurteilung in Abhängigkeit von<br />
der registerrechtlichen Löschungsfrist unter Umständen noch<br />
zehn Jahre berücksichtigt. Eine Einbeziehung dieser Tatbestände<br />
– auch über § 297 a InsO-E – in Nummer 3 verbietet<br />
sich deshalb von selbst. Allerdings besteht [im Falle] einer Versagung<br />
der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5<br />
und 6 InsO das Bedürfnis nach einer Sperrfrist. Durch<br />
Schuldner, die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Verfahren<br />
verletzen und auch sonst unzutreffende Angaben<br />
machen, werden die Gerichte in nicht gerechtfertigter Weise<br />
belastet, wenn alsbald nach der Versagung der Restschuldbefreiung<br />
erneute Restschuldbefreiungsanträge gestellt werden.<br />
Aus diesem Grunde ist es gerechtfertigt, für diese Versagungsgründe<br />
in §290 Abs.1 Nr.3a InsO-E eine Sperrfrist vorzusehen,<br />
deren Länge allerdings wegen der bloßen Verletzung verfahrensrechtlicher<br />
Pflichten nur drei Jahre beträgt. Damit<br />
werden letztlich auch die von Nummer 1 und 1 a erfassten<br />
Fälle abgedeckt; denn es entspricht der Lebenserfahrung, dass<br />
bei der Begehung von Straftaten gegen einzelne oder alle<br />
Insolvenzgläubiger auch regelmäßig unrichtige Angaben im<br />
Insolvenzverfahren gemacht werden. Weil vorgesehen ist, dass<br />
auch nach der Ankündigung der Restschuldbefreiung gemäß<br />
§297a InsO-E diese nachträglich versagt werden kann, war in<br />
Nummer 3a zur Schaffung eines Gleichlaufs der Versagungstatbestände<br />
auch § 297 a InsO-E einzubeziehen, jedoch nur<br />
dann, wenn die nachträgliche Versagung auf die Gründe nach<br />
§ 290 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 InsO-E gestützt worden ist. Nummer3aistimÜbrigenandenWortlautderNummer3angeglichen;<br />
erfasst werden damit auch Insolvenzverfahren, die<br />
freigegebene Massegegenstände aus einem früheren Insolvenzverfahren<br />
oder Neuerwerb des Schuldners zum Gegenstand<br />
haben und in denen die Entscheidung über die Restschuldbefreiung<br />
zeitlich nach Stellung des Antrags auf Eröffnung<br />
des Insolvenzverfahrens getroffen wird, in dem<br />
Nummer 3a zur Anwendung kommt.«<br />
[17] Diese Begründung – soweit sie die Einführung einer<br />
Sperrfrist im Fall der Versagung wegen Verletzung der Pflichten<br />
des Schuldners aus §290 Abs.1 Nr.5 und 6 InsO<br />
betrifft –, rechtfertigt es, schon vor Verabschiedung eines<br />
Gesetzes, die derzeit nicht absehbar ist, im Wege der richterlichen<br />
Rechtsfortbildung eine entsprechende Sperrfrist zu<br />
bestimmen. Dies gilt auch für die Frist, innerhalb derer ein<br />
neuer Restschuldbefreiungsantrag unzulässig sein soll, wenn<br />
dem Schuldner die Restschuldbefreiung aus einem der beiden<br />
28<br />
genannten Gründe versagt worden ist. Sie beginnt mit<br />
Rechtskraft der Versagungsentscheidung in dem früheren<br />
Verfahren zu laufen und beträgt drei Jahre bis zur erneuten<br />
Antragstellung. Im Hinblick auf die Verletzung verfahrensrechtlicher<br />
Fristen wäre es nicht angemessen, den Schuldner<br />
mit einer längeren Sperre – in Betracht kämen etwa zehn Jahre<br />
entsprechend dem Wortlaut des §290 Abs.1 Nr.3 InsO – zu<br />
belegen.EinekürzereSperrewürdeihrenZweckverfehlen.<br />
[18] cc) Die Einführung einer Sperrfrist im Wege der richterlichen<br />
Rechtsfortbildung ist erforderlich, um die für die Beurteilung<br />
der Zulässigkeit von Folgeanträgen notwendige<br />
Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen. Wird dem Schuldner<br />
wegen der Verwirkung von Versagungsgründen in früheren<br />
Verfahren das Rechtsschutzbedürfnis für einen erneuten<br />
Antrag versagt, kann dies nicht zeitlich unbegrenzt gelten.<br />
Dies belegt § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Im unmittelbaren<br />
Anwendungsbereich dieser Regelung kann der Schuldner<br />
nach Ablauf von zehn Jahren erneut ein Restschuldbefreiungsverfahren<br />
einleiten, ohne dass die Versagung in dem früheren<br />
Verfahren dem noch entgegensteht. Weitere besondere<br />
Voraussetzungen für die wiederholte Stellung eines Restschuldbefreiungsantrags<br />
nach Ablauf der Frist sind dem<br />
Gesetz nicht zu entnehmen. Entsprechendes muss auch im<br />
Anschluss an die Drei-Jahres-Sperre analog der Vorschrift gelten.<br />
Andere Anknüpfungspunkte, wie etwa die zwischenzeitliche<br />
Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners<br />
(vgl. AG Duisburg ZVI 2008, 306, 307f.) oder die Feststellung,<br />
dass für ein weiteres Verfahren verwertbares Vermögen<br />
zur Verfügung steht (so Hackländer ZInsO 2008, 1308,<br />
1315), finden im Gesetz keine Stütze und sind nicht geeignet,<br />
die erforderliche Rechtssicherheit herbeizuführen.<br />
AG Hamburg: Zur Obliegenheitsverletzung<br />
i.S.d. §295 Abs.2 InsO<br />
eines 67-jährigen Schuldners, der als<br />
Handelsvertreter selbständig tätig ist<br />
§295 Abs.2 InsO<br />
Leitsatz der Redaktion:<br />
Ein 67-jähriger Schuldner, der während der sog. Wohlverhaltensperiode<br />
Provisionszahlungen aus seiner selbständigen<br />
Tätigkeit als Handelsvertreter erhält und diese dem<br />
Treuhänder nicht anzeigt, verletzt keine Obliegenheit<br />
gemäß §295 Abs.2 InsO, weil sein allein maßgeblicher fiktiver<br />
Verdienst als Angestellter mit € 0,– anzusetzen ist.<br />
AG Hamburg, Beschluss vom 26.08.2009, 67g IN 431/02<br />
Gründe: I. Der Schuldner ist 1937 geboren. Nachdem er<br />
Ende der 50iger Jahre ein Studium zum Diplom-Agraringenieur<br />
absolviert hatte, ließ er sich Anfang der 60er Jahre zum<br />
landwirtschaftlichen Großhandelskaufmann weiterbilden<br />
und arbeitete bis 1970 in abhängiger Beschäftigung als Verwalter<br />
bei einem größeren landwirtschaftlichen Betrieb. Von<br />
April 1970 bis zum 31. 12. 2000 war der Schuldner als selbständiger<br />
Handelsvertreter für die Wüstenrot Bausparkassen<br />
AG (ehemals Leonberger Bausparkasse) tätig.<br />
Mit Beschluss vom 08.10.2002 wurde über das Vermögen des<br />
Schuldners auf seinen Antrag vom 04.10.2002 das Insolvenz-<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
verfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet. Zum Insolvenzverwalter<br />
wurde Rechtsanwalt Dr. Bernd Ruge bestellt.<br />
Die Gläubigerin hat zur Insolvenztabelle Forderungen in<br />
Höhe von ca. 304.000 a angemeldet; diese wurden nachher<br />
festgestellt.<br />
Gegenüber dem Insolvenzverwalter gab der Schuldner an, die<br />
Tätigkeit als Handelsvertreter zum 31.12.2000 aufgrund seines<br />
Alters und wegen zurückgehender Umsätze aufgegeben zu<br />
haben. Auf das Gutachten des Insolvenzverwalters vom<br />
02.05.2003 wird verwiesen.<br />
Mit Beschluss vom 04. 10. 2004 wurde dem Schuldner die<br />
Restschuldbefreiung angekündigt. Gegen diesen Beschluss<br />
wurdediesofortigeBeschwerdenichteingelegt.<br />
Mit Schreiben vom 18. 03. 2009 stellt die Gläubigerin den<br />
Antrag, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen.<br />
Die Gläubigerin behauptet, der Schuldner habe Provisionszahlungen<br />
im Jahr 2004 in Höhe von 52.500a, im Jahr 2005<br />
in Höhe von 32.102,55 a und im Jahr 2006 in Höhe von<br />
37.364,80a erhalten, die er gegenüber dem Treuhänder nicht<br />
angegeben habe. Außerdem habe er eine monatliche Rente in<br />
Höhe von 91,76a fürdieJahre2004bis2006erhalten,dieer<br />
ebenfalls nicht angegeben habe. Schließlich habe der Schuldner<br />
gegenüber dem Treuhänder nicht offen gelegt, dass er eine<br />
Lebensversicherung habe. Auf den Versagungsantrag der<br />
Gläubigerin vom 18.03.2009 wird verwiesen.<br />
II. Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist<br />
unzulässig. Die Gläubigerin hat eine Obliegenheitsverletzung<br />
des Schuldners nicht glaubhaft gemacht. Es fehlt an der Darlegung<br />
und Glaubhaftmachung einer Verletzung der in §295<br />
InsO für die Wohlverhaltensperiode abschließend aufgezählten<br />
Obliegenheiten des Schuldners.<br />
Ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses über die<br />
Ankündigung der Restschuldbefreiung sind die Gläubiger<br />
mit den Versagungsgründen des §290 InsO präkludiert. Dies<br />
gilt selbst dann, wenn ein Versagungsgrund nach §290 InsO<br />
erst später bekannt wird. Ab diesem Zeitpunkt kann die Restschuldbefreiung<br />
nur noch nach §295 InsO versagt werden.<br />
Da der Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung<br />
am 18. 10. 2004 rechtskräftig wurde, kommt es für<br />
den Versagungsantrag der Gläubigerin vom 18. 03. 2009<br />
darauf an, ob der Schuldner eine Obliegenheit nach § 295<br />
InsO verletzt hat. Insofern ist es unerheblich, ob der SchuldnerbereitsvorAnkündigungderRestschuldbefreiungunrichtige<br />
Angaben bzgl. seiner Vermögensverhältnisse gemacht hat.<br />
Auch wenn die Gläubigerin von diesem Umstand erst jetzt<br />
Kenntnis erlangt hat, finden die Versagungsgründe des §290<br />
InsO in der Wohlverhaltensperiode keine Anwendung.<br />
DiedurchdieGläubigerinvorgetragenenUmständerechtfertigen<br />
keine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 295<br />
Abs. 2 InsO. Andere Versagungsgründe hat die Gläubigerin<br />
nichtvorgetragen.Nach§295Abs.2InsOobliegtesdem<br />
Rechtsprechung<br />
Privatinsolvenz<br />
Schuldner, der eine selbständige Tätigkeit ausübt, die Insolvenzgläubiger<br />
durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen,<br />
wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen<br />
wäre. Dieser fiktive Verdienstanteil, der zugunsten der<br />
Gläubiger an den Treuhänder abzuführen ist, ist von dem tatsächlichen<br />
erzielten Erlös aus der selbständigen Tätigkeit<br />
abgekoppelt und bemisst sich ausschließlich nach dem Verdienst,<br />
den der Schuldner bei einer angemessenen abhängigen<br />
Beschäftigung erzielt hätte.<br />
Der über den fiktiven Verdienst hinausgehende Erlös muss<br />
nach §295 Abs.2 InsO nicht an die Gläubiger abgeführt werden<br />
(so Ahrens in: Frankfurter Kommentar InsO, 5. Auflage,<br />
2009, §295 Rn.64; Streck in: Hamburger Kommentar InsO,<br />
3.Auflage, 2009, §295 Rn.23; Landfermann in: Heidelberger<br />
Kommentar InsO, 5. Auflage, 2008, § 295 Rn. 12; Münchener<br />
Kommentar InsO, 2.Auflage, 2008, §295 Rn.109). Dass<br />
der Mehrerlös dem Schuldner zustehen soll, beruht auf einer<br />
bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. In der endgültigen<br />
Gesetzesfassung des § 295 Abs. 2 InsO wurde der Vorschlag<br />
des Bundesrates, analog §295 Abs.1 Nr.2 InsO die Obliegenheit<br />
zur Herausgabe der Hälfte des erwirtschafteten Gewinns<br />
zu schaffen, nicht übernommen. Auch Sinn und Zweck sprechen<br />
dafür, dass der über den fiktiven Verdienst hinausgehende<br />
Erlös während der Wohlverhaltensperiode dem<br />
Schuldner zustehen soll. § 295 Abs. 2 InsO bürdet dem<br />
Schuldner das Risiko auf, dass der wirtschaftliche Erfolg bei<br />
selbständiger Tätigkeit unter dem fiktiven Verdienst liegt, den<br />
der Schuldner bei angemessener abhängiger Beschäftigung<br />
hätte erzielen können. Umgekehrtbedeutetdies,dassdem<br />
Schuldner auch die Chancen aus der selbständigen Beschäftigung<br />
zustehen müssen. Dies bedeutet keine Benachteiligung<br />
der Gläubiger. Ihren Interessen wird die Regelung dadurch<br />
gerecht, dass sie für den Schuldner einen Leistungsanreiz setzt<br />
und dadurch zur Vermehrung der Masse beiträgt.<br />
Danach musste der Schuldner keine Zahlungen nach § 295<br />
Abs. 2 InsO an den Treuhänder abführen. Der fiktive Verdienst<br />
ist mit Null anzusetzen. Die Provisionszahlungen stellen<br />
in voller Höhe einen nicht an die Gläubiger abzuführenden<br />
Mehrerlös dar.<br />
Im Jahr 2004, als der Schuldner die erste von insgesamt drei<br />
der in Frage stehenden Provisionszahlungen erhielt, war er<br />
bereits 67 Jahre alt. Die Aussicht auf eine Beschäftigung in<br />
abhängiger Tätigkeit war in Hinblick auf das fortgeschrittene<br />
Alter des Schuldners unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktsituation<br />
aussichtslos. Auch unter Berücksichtigung seiner<br />
30-jährigen Erwerbstätigkeit als Selbständiger waren die<br />
Chancen auf Anstellung in abhängiger Beschäftigung gering.<br />
Diese beiden Aspekte zusammen lassen die Aussicht auf<br />
Anstellung des Schuldners als ausgeschlossen erscheinen.<br />
Gesichtspunkte, aus denen sich eine abweichende Beurteilung<br />
ergeben könnte, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen<br />
noch sind sie sonst ersichtlich. (sch)<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 29
Sanierungs- und Insolvenzberatung Hamburger Thesenpapier<br />
Dokumentation:<br />
Hamburger Thesenpapier »Agieren statt Reagieren –<br />
Restrukturierung auch mit Hilfe des Insolvenzverfahrens«<br />
Die Hamburger Restrukturierungs- und Insolvenzexperten<br />
Dr. Thorsten Bieg (Brinkmann & Partner), Frank Grell<br />
(Latham & Watkins), Dr. Steffen Koch (hww wienberg wilhelm),<br />
Bernd Richter (Ernst & Young), Dr. Sven-Holger<br />
Undritz (White & Case) und Dr. Lars Westpfahl (Freshfields<br />
Bruckhaus Deringer) weisen mit diesem Thesenpapier auf<br />
den notwendigen Handlungsbedarf für erfolgreiche Restrukturierungen<br />
hin: 1<br />
1. Mangelhafte oder fehlende Unternehmensplanungen –<br />
weil gesetzlich unzureichend gefordert und präzisiert –<br />
münden in mangelhaftes Ertrags- und Liquiditätsmanagement.<br />
2. Fehlende Ertrags- und Liquiditätsplanung (Fahren auf<br />
Sicht) verhindert rechtzeitiges und angemessenes Agieren<br />
in oder vor allem vor der Krise.<br />
3. Ein spätes Handeln birgt unmittelbare und unkalkulierbare<br />
Risiken für die handelnden Organe in Bezug auf die<br />
Verletzung von Sorgfaltspflichten bis hin zur strafrechtlich<br />
bewehrten Insolvenzverschleppung.<br />
4. NurbeiHerstellungvon rechtzeitigerTransparenzundSimulation<br />
verschiedener Ertrags- und Liquiditätsszenarien ergeben<br />
sich für die verantwortlichen Organe Handlungsoptionen,<br />
die aus einer Position der Stärke heraus vertreten werden<br />
können. Hierzu gehören auch eine unternehmensseitig<br />
durchgeführte rechtzeitige Evaluierung der Gläubigerpositionen<br />
und -rechte für den Fall einer Insolvenz, um in entsprechenden<br />
vorinsolvenzlichen Verhandlungen mögliche Folgen<br />
einer Insolvenz aufzeigen zu können und von einer Insolvenz<br />
nicht unvorbereitet getroffen zu werden.<br />
5. Soweit – trotz erkennbarer Schwierigkeiten – Gläubigergruppen<br />
auf solche Lösungsansätze nicht reagieren, sollten<br />
Schuldnerunternehmen (Geschäftsführung und Gesellschafter)<br />
die Möglichkeiten einer Planinsolvenz oder eines<br />
Regelinsolvenzverfahrens prüfen.<br />
6. Im Rahmen der Planinsolvenz oder eines Regelinsolvenzverfahrens<br />
können Gesellschaft und Gesellschafter als Agierende<br />
die Sanierung vorantreiben und aufgrund der – noch<br />
vorhandenen – Liquidität eine Lösung erarbeiten, die bei<br />
ansonsten weiter aufgezehrter Liquidität nicht mehr möglich<br />
wäre.<br />
7. Die rechtzeitige Planinsolvenz ermöglicht damit ein »Vergleichsverfahren«<br />
im Rahmen der Insolvenzordnung, in<br />
dem mit gerichtlicher Kontrolle eine finanzierbare Sanierung<br />
der Unternehmen unter Mitwirkung aller Gläubiger<br />
sowie des Schuldnerunternehmens und deren Eigentümer<br />
ggf. in Verbindung mit einer Eigenverwaltung möglich ist.<br />
Ein rechtzeitig eingeleitetes Regelinsolvenzverfahren ermöglicht<br />
durch die Person des Insolvenzverwalters und<br />
dessen Zusammenarbeit mit sämtlichen Beteiligten einschließlich<br />
der vorinsolvenzlich bereits tätigen Berater ein<br />
hervorragendes Instrumentarium zur Sanierung/Restrukturierung<br />
des kriselnden Geschäftsbetriebes. Durch Nutzung<br />
des weltweit einzigartigen Instruments des Insolvenzgeldes<br />
wird dabei erheblicher zusätzlicher Spielraum für die<br />
Restrukturierung geschaffen.<br />
30<br />
8. Der verantwortliche Einsatz der Planinsolvenz kann je<br />
nach Fallkonstellation dem Gläubigerschutzprinzip mehr<br />
dienen als ein »Zuwarten« auf eine Lösung, und damit<br />
einem vermeidbaren Verzehr der verbliebenen Unternehmenssubstanz<br />
entgegen wirken. Das Gleiche gilt für eine<br />
frühzeitig beantragte Regelinsolvenz.<br />
9. Ein zeitliches Vorziehen des Insolvenzantrages – auf Basis<br />
der Regelung des § 18 InsO – kann die Sanierungsaussichten<br />
deutlich erhöhen. Vor dem Hintergrund eines<br />
absehbaren Substanzverzehrs kann es Konstellationen<br />
geben, in denen die Organe ihren Sorgfaltspflichten am<br />
besten genügen, wenn sie rechtzeitig – trotz oder gerade<br />
wegen noch vorhandener Liquidität – einen Insolvenzantrag<br />
wegen drohender Zahlungsunfähigkeit stellen.<br />
10. Um das Insolvenzverfahren noch sanierungsfreundlicher<br />
zu gestalten, sollen die folgenden – an anderer Stelle ausführlich<br />
dargelegten – Änderungen der Insolvenzordnung<br />
vorgenommen werden: Einführung eines fakultativen<br />
einheitlichen Konzerninsolvenzgerichtsstandes;<br />
Möglichkeit der Beteiligung des Schuldners und der<br />
Gläubiger bei der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters;<br />
Einführung der Möglichkeit, in die Anteilseignerrechte<br />
durch Insolvenzplan einzugreifen; Einführung<br />
der automatischen Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen.<br />
1 AndiesenThesenorientiertsichderBeitragvonRichter/Pluta, Haftungssprung<br />
Insolvenzreife – ein Plädoyer für die integrierte Unternehmensplanung, <strong>InsVZ</strong><br />
2009, 30 (in diesem Heft).<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
Haftungssprung Insolvenzreife – ein Plädoyer für die<br />
integrierte Unternehmensplanung<br />
Bernd Richter / Dr. Maximillian Pluta*<br />
I. Einleitung<br />
In der Sanierungspraxis scheitern Sanierungsversuche häufig an<br />
unzureichender Unternehmensplanung. 1 Die Symptome sind<br />
meist eindeutig: Mangels integrierter Unternehmensplanung2 werden Ertrags- und Liquiditätskrisen nicht rechtzeitig erkannt.<br />
Dementsprechend können Sanierungsmaßnahmen nicht rechtzeitig<br />
eingeleitet werden. Außerdem werden Sanierungsbemühungen<br />
bis zum vollständigen Aufzehren der Haftungsmasse<br />
fortgesetzt. Unternehmen stellen nur in 1% 3 der Fälle einen<br />
Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18<br />
InsO), obwohl gerade diese Regelung die Sanierung von Unternehmen<br />
durch frühere Insolvenzanträge verbessern sollte. 4<br />
Dieser Beitrag zeigt die Notwendigkeit einer gesetzlichen oder<br />
zumindest gesellschaftsinternen Regelung bezogen auf sorgfaltsgemäße,<br />
d.h. integrierte Unternehmensplanung, am Beispiel<br />
für Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit<br />
beschränkter Haftung.<br />
Für Geschäftsführer und Vorstände (Leitungsorgane) besteht<br />
vor Insolvenznähe faktisch keine Haftung wegen unzureichender<br />
Unternehmensplanung. Dafür verursacht der Eintritt<br />
der Insolvenzreife einen faktischen Haftungssprung.<br />
Denn erst in diesem Zeitpunkt wird die Verletzung von Planungspflichten<br />
tatsächlich sanktioniert (II.). Die frühzeitige<br />
Etablierung einer integrierten Unternehmensplanung kann<br />
die Haftungsgefahren senken und die Sanierungschancen im<br />
Vorfeld erhöhen. Ist erkennbar, dass die Sanierungsmaßnahmennichtausreichen,kann§18InsOeinMittelfürerfolgreiche<br />
Sanierung in der Insolvenz bieten (III.). Im Ergebnis werden<br />
Leitungsorgane ihrer Sorgfaltspflicht zur Unternehmensplanung<br />
nur mittels einer integrierten Unternehmensplanung<br />
gerecht (IV.).<br />
II. Haftungssprung: Sorgfaltspflichten für<br />
Unternehmensplanung<br />
Ein Grund für späte Insolvenzanträge liegt in der fehlenden<br />
tatsächlichen Sanktionierung für unzureichende Unternehmensplanung<br />
vor Insolvenzreife (1.). Die Planungspflicht<br />
wird erst zu einem Zeitpunkt sanktioniert, in dem es für die<br />
Implementierung eines Planungssystems regelmäßig zu spät<br />
ist. Dieser Haftungssprung führt zu erheblichen Haftungsgefahren<br />
für das Management. Denn die an das Vorliegen eines<br />
Insolvenzgrundes geknüpfte Haftung kann bereits bei objektivem<br />
Eintritt bzw. Erkennbarkeit der Insolvenzreife eintreten<br />
und nicht erst bei deren tatsächlichen Feststellung (2.). Die<br />
Entscheidung des Managements unterliegt umgekehrt auch<br />
der weiteren Haftungsgefahr, einen Insolvenzantrag verfrüht<br />
zu stellen und nicht alle Sanierungsmöglichkeiten ausgeschöpft<br />
zu haben (3.). Umso wichtiger wird für das Management<br />
daher die zutreffende Einschätzung der tatsächlichen<br />
Lage des Unternehmens. Im Sinne einer Entscheidungsgrundlage<br />
bedarf es der integrierten Unternehmensplanung<br />
daher sowohl zur Vermeidung von verspäteten, als auch zur<br />
Vermeidung verfrühter Insolvenzanträge.<br />
Haftungssprung Insolvenzreife<br />
1. Allgemeine Pflicht zur Unternehmensplanung<br />
Planungspflichten werden zwar gesetzlich vorausgesetzt, 5 aber<br />
nur unzureichend definiert und vor Insolvenznähe in der Praxis<br />
kaum sanktioniert.<br />
a) Leitungsfunktion und Geschäftsführung<br />
Die Pflicht zur Unternehmensplanung leitet sich aus der Leitungs-<br />
und Geschäftsführungsfunktion der Geschäftsführer<br />
und Vorstände (§ 76 Abs. 1, § 77 Abs. 1 AktG) ab: 6 Im Rahmen<br />
der Unternehmensleitung haben sie »den Vorteil der<br />
Gesellschaft zu wahren und den Schaden von ihr abzuwen-<br />
Der Deutsche Corporate Governance Kodex<br />
den«. 7<br />
(DCGK) 8<br />
setzt die »nachhaltige Wertschöpfung … im Unter-<br />
nehmensinteresse«, d. h. im Interesse der Aktionäre, Arbeitnehmer<br />
und sonstigen Stakeholder voraus. Damit trifft die<br />
Leitungsorgane insbesondere die Finanzierungsverantwortung<br />
für die Gesellschaft. 9<br />
Bei der Erstellung der erforderlichen Unternehmensplanung<br />
kann eine Unterstützung von Dritten erfolgen. Daraus abgeleitete<br />
Entscheidungen sind aber vom Organ selbst zu tref-<br />
fen. 10<br />
Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />
Es existiert allerdings keine gesetzliche Regelung über<br />
den Inhalt und den Umfang einer sorgfaltsgemäßen Planung<br />
vor Insolvenznähe. Vielmehr wird den Leitungsorganen ein<br />
pflichtgemäßes Ermessen zugesprochen, entsprechend der<br />
Unternehmensart und -größe eine Planung zu installieren. 11<br />
Das täuscht aber über die Haftungsgefahren für die Leitungsorgane<br />
hinweg, die bei mangelhafter Planung vor Insolvenznähe<br />
gegenüber der Gesellschaft entstehen können (§ 93<br />
Abs.2 AktG, §43 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G). Denn die Leitungsorgane<br />
haben zu beweisen, dass sie ihr Ermessen eingehalten und<br />
sorgfaltsgemäß geplant haben.<br />
* Bernd Richter, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Diplom-Kaufmann<br />
(Partner), Dr. Maximilian Pluta, Rechtsanwalt, Diplom-Kaufmann, Ernst &<br />
Young <strong>GmbH</strong> Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Hamburg.<br />
1 Vgl. Hamburger Thesenpapier »Agieren statt Reagieren – Restrukturierung auch<br />
mit Hilfe des Insolvenzverfahrens«, <strong>InsVZ</strong> 2009, 29 (in diesem Heft).<br />
2 Zum Begriff siehe III.1.).<br />
3 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2, R4.1 Dezember 2008 (Kapitalgesellschaften).<br />
4 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.81, 84, 86, 114 f.<br />
5 Vgl.imFolgendenGroß/Amen WPg 2003, 1161 (1163–1168).<br />
6 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 76 Rn. 7; MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl.<br />
2008, § 76 Rn. 17; MüHdb-GesR/Marsch-Barner/Diekmann, Bd.3,3.Aufl.<br />
2009, § 44 Rn. 52; Fleischer ZIP 2003, 1 (5); Groß/Amen WPg 2003, 1161<br />
(1163f.); Kropf, NZG 1998, 613f.<br />
7 MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl. 2008, §93 Rn.25.<br />
8 Fassung v. 18. 06. 2009; DCGK fasst gesetzliche Regelungen für die Leitung<br />
und Überwachung sowie internationale Verhaltensstandards für Unternehmensführung<br />
börsennotierter Aktiengesellschaften zusammen; Vorstände<br />
haben gemäß § 161 AktG eine Entsprechenserklärung abzugeben, die der<br />
Abschlussprüfer gem. §285 Nr.16 i.V.m. §314 Abs.1 Nr.8 HGB zu berücksichtigen<br />
hat, allerdings ohne deren Inhalt zu prüfen, vgl. IDW PS 345 vom<br />
02.09.2008, Rn.3. Zur Problematik der haftungsrechtlichen Verbindlichkeit<br />
der DCGK siehe Hüffer, AktG, 8.Aufl. 2008, §161 Rn.25ff.<br />
9 Vgl.K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.1.20.<br />
10 Vgl. Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, §1 Rn.17.<br />
11 Vgl. Kropff NZG 1998, 613f.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 31
Sanierungs- und Insolvenzberatung Haftungssprung Insolvenzreife<br />
Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die<br />
Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters<br />
anzuwenden (§93 Abs.1 Satz 1 AktG). Eine Pflichtverletzung<br />
ist ausgeschlossen, 12 wenn ein Vorstandsmitglied bei<br />
einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise<br />
annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information<br />
zum Wohle der Gesellschaft zu handeln13 (§ 93 Abs. 1<br />
Satz 2 AktG, »Business Judgement Rule« 14).<br />
Dadurch soll<br />
unternehmerisches Handeln, das in der Regel Entscheidungen<br />
unter Unsicherheit15 notwendig macht, nicht nachträglich<br />
einem zu strengen Haftungsmaßstab unterzogen werden.<br />
Damit bezieht sich aber das haftungsprivilegierte Ermessen<br />
nur bedingt auf die Informationsgewinnung16 (d. h. die Planung).<br />
Mit der Kodifikation der Business Judgement Rule hat<br />
der Gesetzgeber zwar die Haftung für den Bereich des Ermessens<br />
sehr weitgehend entschärft; gewissermaßen als Korrelat<br />
dazu bestehen aber nun hohe Anforderungen an die Informationsgewinnung,<br />
-aufbereitung und ihre Auswertung.<br />
Entsprechendes gilt auch für Geschäftsführer einer <strong>GmbH</strong> im<br />
Rahmen des §43 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G: Der Geschäftsführer hat die<br />
Einhaltung seines »grundsätzlich weiten unternehmerischen<br />
Ermessensspielraums« 17 nachzuweisen. 18<br />
Das setzt voraus, dass<br />
er»inderkonkretenEntscheidungssituationalleverfügbaren<br />
Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpft<br />
und auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der<br />
bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abschätzt und den<br />
erkennbaren Risiken Rechnung trägt«. 19 Aufgrund der Pflichtenbindung<br />
gegenüber den Gesellschaftern der <strong>GmbH</strong> sind die<br />
Geschäftsführer insoweit in ihrem Ermessen beschränkt, als<br />
dass sie für wesentliche Entscheidungen die Zustimmung der<br />
Gesellschafter einholen müssen. 20<br />
In beiden Fällen muss der Mindeststandard einer Unternehmensplanung<br />
aber den Nachweis über die Aufrechterhaltung<br />
der Zahlungsfähigkeit im laufenden und im folgenden<br />
Geschäftsjahr zum Ziel haben. 21 Andernfalls wäre weder der<br />
Nachweis über das Nichtvorliegen von Insolvenzgründen<br />
noch die Beurteilung der going concern Prämisse in der<br />
Rechnungslegung gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB möglich<br />
(dazu s.u.).<br />
Die Haftung aus unzureichender Planung ist zunächst eine<br />
Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft. Verletzen Vorstände<br />
einer Aktiengesellschaft »gröblich« ihre Sorgfaltspflichten,<br />
können gemäß § 93 Abs. 5 AktG auch Gläubiger<br />
diesen Anspruch geltend machen, soweit sie von der Gesellschaft<br />
keine Befriedigung erlangen können.<br />
Darüber hinaus kann für Vorstände und Geschäftsführer bei<br />
mangelnder oder gänzlich fehlender Unternehmensplanung<br />
aufgrund ihrer Vermögensbetreuungspflicht 22 gegenüber dem<br />
Gesellschaftsvermögen die Gefahr für eine Strafbarkeit wegen<br />
Untreue gemäß §266 StGB bestehen.<br />
b) Informations- und Überwachungspflichten<br />
Der Aufsichtsrat hat die durch den Vorstand weisungsfrei ausgeübte<br />
Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 Abs. 1<br />
AktG). 23<br />
Um dieser Überwachungspflicht auch schon<br />
zukunftsgerichtet nachkommen zu können, hat der Vorstand<br />
dem Aufsichtsrat mindestens jährlich gemäß § 90 Abs. 1<br />
Satz 1 Nr.1 AktG über die beabsichtigte Geschäftspolitik und<br />
32<br />
andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung zu<br />
berichten. 24 Dies beinhaltet unter anderem Informationen<br />
über aktuelle Finanz-, Investitions- und Personalplanungen<br />
sowie über eingetretene Plan-Ist-Abweichungen.<br />
Damit der Aufsichtsrat seiner Überwachungsfunktion angemessen<br />
nachkommen kann, muss zumindest eine kurzfristige<br />
Planung vorliegen. 25 Solange Planungspflichten nicht gesetzlich<br />
konkretisiert sind, bietet lediglich eine Geschäftsordnung<br />
(Informationsordnung) 26,<br />
die Art und Umfang der Unternehmensplanung<br />
regelt, Sicherheit für den Aufsichtsrat. In der<br />
Satzung kann zudem vorgesehen werden, dass die Unternehmensplanung<br />
ein zustimmungspflichtiges Geschäft gemäß<br />
§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG darstellt. 27 Aufsichtsräte können<br />
Vorstände dann zu einer Planung entsprechend der Informationsordnung<br />
anhalten. 28<br />
Bei einer Verletzung der Informationspflichten kann ebenfalls<br />
ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Gesellschaft<br />
gemäß §93 Abs.2 AktG entstehen. Darüber hinaus kann der<br />
Informationsanspruch im Zwangsgeldverfahren (§407 Abs.1<br />
AktG) 29 durchgesetzt werden. Die Verletzung der Überwachungspflicht<br />
durch die Aufsichtsräte ist sanktioniert durch<br />
einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft, den der Vorstand<br />
geltend zu machen hat (§116 Satz 1, §93 AktG). 30 Die<br />
Aufsichtsräte haben darzulegen und zu beweisen, dass sie die<br />
12 Einschränkung der Pflichtwidrigkeit: Semler/v.Schenck/P.Doralt/W.Doralt,<br />
Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 3.Aufl. 2009, §13 Rn.70; Hüffer,<br />
AktG, 8.Aufl.2008, §93 Rn.4c.<br />
13 RegBegr UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11 f.; Kodifizierung des BGH-<br />
Urteils: BGHZ 135, 244 (253) (ARAG/Garmenbeck); Ihrig WM 2004, 2098<br />
(2101f.); Schäfer ZIP 2005, 1253 (1254).<br />
14 Vgl. Semler/v.Schenck/P.Doralt/W.Doralt, Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl.<br />
2009, §13 Rn.64ff.; Fleischer, Vorstandsrecht, 2006, §7, Rn.46ff.<br />
15 Vgl. Hüffer, AktG, 8.Aufl. 2008, §93 Rn.4f.<br />
16 Vgl. Semler/v.Schenck/P.Doralt/W.Doralt, Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl.<br />
2009, §13 Rn.74; str., einschränkend: Kropff NZG 1998, 613; Hüffer,AktG,<br />
8.Aufl. 2008, §93 Rn.4f.<br />
17 Entsprechend § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bzw. zuvor BGHZ 135, 244 (253)<br />
(ARAG/Garmenbeck); vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, <strong>GmbH</strong>G,17.Aufl.<br />
2009, §43 Rn.16.<br />
18 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, <strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §43 Rn.43.<br />
19 BGH, Beschl. vom 14.07.2008, II ZR 202/07, NJW 2008, 3361.<br />
20 Vgl. K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4.Aufl. 2002, §36 II 4a), S. 1079; Lutter/<br />
Hommelhoff/Kleindiek, <strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §43 Rn.28.<br />
21 So auch Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1169 f.); Handelsrechtsausschuss DAV<br />
ZIP 1997, 163f.<br />
22 Zum Kontext unternehmerischer Leitungsaufgaben und einer daraus resultierenden<br />
Vermögensbetreuungspflicht vgl. BGH, Urt. vom 22.11.2005, 1 StR<br />
571/04, WM 2006, 322 (324).<br />
23 Gemäß DCGK 4.1.2 hat der Vorstand die strategische Ausrichtung des<br />
Unternehmens zu entwickeln, mit dem Aufsichtsrat abzustimmen und für die<br />
Umsetzung zu sorgen.<br />
24 RegBegr KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S.15; Semler/v.Schenck/v.Schenck,<br />
Aufsichtsratsmitglieder, 3.Aufl. 2009, §7 Rn.44ff., für <strong>GmbH</strong> gilt die gesetzliche<br />
Regelung nicht, ebd., Rn.47.<br />
25 RegBegr KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Groß/Amen WPg 2003,<br />
1163.<br />
26 RegBegr KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Semler/v.Schenck/Kropff,<br />
Aufsichtsratsmitglieder,3.Aufl.2009,§8Rn.31ff.,63ff.;Bsp.:ebd.,Anl.§8-<br />
1; Groß/Amen WPg 2003, 1163f.<br />
27 Vgl. Semler/v.Schenck/Kropff, Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl. 2009, § 8<br />
Rn.32ff.<br />
28 Vgl. Semler/v.Schenck/Kropff, Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl. 2009, § 8<br />
Rn.35ff.<br />
29 Zu den Einzelheiten und weiteren Sanktionen siehe Hüffer, AktG,8.Aufl.<br />
2008, §407 Rn.15.<br />
30 Vgl. Wellhöfer/Peltzer/Müller/Peltzer, Haftung Vorstand Aufsichtrat Wirtschaftsprüfer,<br />
2008, §16.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
Vorstände pflichtgemäß überwacht haben (§§ 116, 93 Abs. 1<br />
Satz 2 AktG). Das ihnen bei präventiver Kontrolle zustehende<br />
Ermessen setzt allerdings eine ausreichende Informationsgrundlage<br />
voraus. 31<br />
c) Organisationspflicht und Kontrollinstrument<br />
Der Vorstand hat gemäß §91 Abs.2 AktG32 Maßnahmen, insbesondere<br />
ein Überwachungssystem zur Früherkennung<br />
bestandsgefährdender Entwicklungen einzurichten. Für<br />
Geschäftsführer einer <strong>GmbH</strong> wird bei entsprechender Unternehmensgröße<br />
Vergleichbares gelten. 33 Sicherheit bietet jeweils<br />
nur eine ordnungsgemäße Unternehmensplanung. 34<br />
d) Handelsrechtliche Voraussetzungen und<br />
Abschlussprüfung<br />
Darüber hinaus ist Unternehmensplanung auch wesentlich<br />
im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses: Nur durch<br />
sorgfältig hinterlegte Planungsrechnungen lässt sich Sicherheit<br />
für die going-concern Prämisse des Unternehmens und<br />
damit für den Bilanzansatz zu Fortführungswerten gemäß<br />
§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB gewinnen. Die Fortführungsprognose<br />
unterscheidet sich von der Fortbestehensprognose im<br />
Rahmen der Überschuldungsprüfung gemäß § 19 Abs. 2<br />
Satz 1 InsO dahingehend, dass auch das Vorliegen einer drohenden<br />
bilanziellen Überschuldung mittels einer Reinvermögensvorschau<br />
35 über den Planungszeitraum der Fortführungsannahme<br />
des Unternehmens entgegensteht. Der Abschlussprüfer<br />
hat dazu Stellung zu nehmen36 und bei Zweifeln die<br />
Planungsunterlagen des Unternehmens daraufhin zu analysieren,<br />
ob im Betrachtungszeitraum der Eintritt einer bilanziellen<br />
Überschuldung oder der Eintritt von Insolvenzgründen<br />
droht. 37 Schließlich ist eine Unternehmensplanung auch notwendig<br />
für die Prüfung des Prognoseberichts im Lagebericht<br />
(§289 Abs.2 Nr.2 HGB), die Risikoberichterstattung (§289<br />
Abs. 1 HGB) und das Risikofrüherkennungssystem (§ 91<br />
Abs.2 AktG, s.o.). 38<br />
sowohl in ihrem Detaillierungsgrad als auch im Haftungsumfang<br />
aus. Sie müssen stets das Vorliegen der Insolvenzgründe<br />
Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 19<br />
Abs.2 Satz 1 InsO) überwachen.<br />
e) Praxis<br />
In der Praxis werden allerdings die genannten Sanktionen für<br />
mangelhafte Unternehmensplanung im Vorfeld der Insolvenz<br />
kaum durch tatsächliche Verfolgung der Haftungsansprüche<br />
oder durch Strafverfolgung sanktioniert.<br />
40 In zeitlicher Hinsicht müssen<br />
die Mitglieder der Vertretungsorgane ohne schuldhaftes<br />
Zögern, spätestens aber drei Wochen nach objektivem Eintritt<br />
der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag<br />
stellen. 41 Diese Zeitspanne ist zu knapp und nicht<br />
dafür vorgesehen, um Sanierungsmaßnahmen neu zu planen<br />
und durchzuführen (z. B. Kredite oder Kapitalerhöhung).<br />
Vielmehr dient die Frist lediglich dazu, bereits laufende und<br />
kurz vor Vollendung stehende Sanierungsmaßnahmen noch<br />
umzusetzen. 42 Damit wird klar, dass die Verantwortlichen<br />
angehalten werden sollen, Risikoerkennungsmechanismen zu<br />
etablieren und frühzeitig zu agieren. Hintergrund des § 15 a<br />
InsO ist die »ungeschriebene unternehmensrechtliche Regel,<br />
das Gebot der Krisenvermeidung, der Krisenfrüherkennung<br />
und der Krisenüberwindung durch frühe Sanierung«. 43<br />
a) Sanktionen<br />
Mit Insolvenzreife erfolgt eine tatsächliche Sanktionierung,<br />
d. h. eine Durchsetzung der Ansprüche, da ein Schaden für<br />
Gesellschaft und Gläubiger unmittelbar droht.<br />
Zu den Haftungsansprüchen gegenüber der Gesellschaft treten<br />
nun z. B. Ansprüche wegen Zahlungen, die bei Vorliegen<br />
der Zahlungsunfähigkeit bzw. (Erkennbarkeit 44)<br />
der Überschuldung<br />
aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet wurden<br />
(§64Satz1<strong>GmbH</strong>G,§92Abs.2Satz1AktG). 45 Das Zahlungsverbot<br />
greift insoweit bereits mit Eintritt der Insolvenzreife<br />
und nicht erst mit Ablauf der Insolvenzantragsfrist. 46<br />
Den Leitungsorganen obliegt die Darlegungs- und Beweislast,<br />
dass sie trotz sorgfältiger Planung die Insolvenzreife nicht<br />
erkennen konnten: Denn in diesem Sinne handelt fahrlässig,<br />
wer sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen<br />
und die für die Insolvenzantragspflicht erforderlichen Kenntnisse<br />
verschafft hat. 47<br />
2. Pflicht zur Unternehmensplanung wegen<br />
Insolvenzreife<br />
Leitungsorgane sollten im eigenen Interesse zur Haftungsvermeidung<br />
bereits vor der Insolvenznähe eine integrierte Unternehmensplanung<br />
einführen, um damit Unternehmenskrisen<br />
frühzeitig zu erkennen und Haftungsrisiken zu vermeiden.<br />
Denn der Übergang von der allgemeinen Sorgfaltspflicht der<br />
Unternehmensleitung zu den zivil- und strafrechtlichen Sanktionen<br />
bei Verletzung der Insolvenzantragspflichten ist<br />
sprunghaft:<br />
Bereits mit der Aufzehr der Hälfte des Stammkapitals (§ 49<br />
Abs. 3 <strong>GmbH</strong>G) bzw. der Hälfte des Grundkapitals (§ 92<br />
Abs.1AktG)steigendieinhaltlichenAnforderungenandie<br />
Unternehmensplanung, da eine laufende Überwachung der<br />
Eigenkapitalsituation erforderlich wird. 39<br />
In Insolvenznähe der Gesellschaft weiten sich die Sorgfaltspflichten<br />
zur Unternehmensplanung für die Leitungsorgane<br />
Haftungssprung Insolvenzreife<br />
Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />
31 Vgl. BGH, Urt. vom 11.12.2006, II ZR 243/05, BB 2007, 283ff.<br />
32 DCGK 4.1.4 erweitert diese Pflichten auf Konzernbeziehungen, vgl. Pfitzer/<br />
Oser/Orth, Deutscher Corporate Governance Kodex, 2. Aufl. 2005, DCGK<br />
4.1.4, 114f.<br />
33 RegBegr KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S.15.<br />
34 Vgl. Groß/Amen WPg 2003, 1161, 1166; einschränkend: MüKo-AktG/<br />
Spindler, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 16f. m.w. N.: Ermessenspielraum für geeignete<br />
Maßnahmen.<br />
35 Vgl. IDW ES 6 vom 01.08.2008, Rn.11, 73.<br />
36 §321 Abs.1 Satz 2 HGB, IDW PS 450 vom 08.12.2005, Rn.32.<br />
37 IDW PS 270 vom 08.03.2006, Rn.9ff.<br />
38 Vgl. dazu ausführlich Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1168).<br />
39 Vgl. MüKo-AktG/Spindler, 3. Aufl. 2008, § 92 Rn. 8; Fleischer, Vorstandsrecht,<br />
2006, §20 Rn.40 m.w.N.<br />
40 BGH, Urt. vom 14.05.2007, II ZR 48/06, BB 2007, 1801 (1803).<br />
41 §15Abs.1Satz1i.V.m.§15aAbs.1Satz1InsO.<br />
42 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.1.111.<br />
43 K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.1.110.<br />
44 Für Geschäftsführer: Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, <strong>GmbH</strong>G, 17. Aufl.<br />
2009, §64 Rn.7, 14.<br />
45 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.11.30ff.;<br />
Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der<br />
<strong>GmbH</strong>, 2005, 126ff.<br />
46 BGH, Urt. vom 16.03.2009, II ZR 280/07, NZG 2009, 550f.<br />
47 BGH, Urt. vom 14.05.2007, II ZR 48/06, BB 2007, 1801 (1802f.).<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 33
Sanierungs- und Insolvenzberatung Haftungssprung Insolvenzreife<br />
Eine entsprechende Haftung trifft gemäß §§ 116, 93 Abs. 3<br />
Nr. 6 AktG auch Aufsichtsräte: Diese müssen aufgrund ihrer<br />
Informations- und Überwachungspflicht darauf hinwirken,<br />
dass Vorstände rechtzeitig Insolvenzantrag stellen. 48 Sie müssen<br />
sich daher ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation<br />
der Gesellschaft verschaffen und insbesondere in einer<br />
Krisensituation alle ihnen nach §90 Abs.3, §111 Abs.2 AktG<br />
zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen. Im<br />
Streitfall müssen Aufsichtsräte gemäß §§116, 93 Abs.2 Satz 2<br />
AktG darlegen und beweisen, dass sie diese Pflichten erfüllt<br />
haben bzw. dass sie an der Nichterfüllung kein Verschulden<br />
trifft. Ohne die Bestimmung konkreter Planungspflichten<br />
und der Implementierung von Überwachungssystemen,<br />
gehen Aufsichtsräte eine hohe Haftungsgefahr ein. 49<br />
Gegenüber den Gläubigern haften Leitungsorgane wegen<br />
Schäden, die aufgrund der verspäteten Insolvenzantragstellung<br />
entstanden sind (§ 15a Abs. 1 InsO i.V. m. §823 Abs. 2<br />
BGB). 50<br />
Schließlich besteht für die Leitungsorgane die Gefahr<br />
einer strafrechtlichen Verantwortung für einen verspäteten<br />
Insolvenzantrag, z. B. wegen Insolvenzverschleppung (§ 15 a<br />
Abs.4, 5 InsO) oder wegen Insolvenzstraftaten (§§283-283d<br />
StGB).<br />
b) Planungspflichten<br />
Die für die Feststellung der Insolvenzgründe notwendigen<br />
Planungsschritte müssen daher den Mindeststandard für<br />
Unternehmensplanung festlegen. Die Ermittlung der Insolvenzgründe<br />
ist überwiegend liquiditätsorientiert und erfordert<br />
Finanzpläne, die sich lediglich in ihrer Fristigkeit der Planung<br />
unterscheiden. 51<br />
aa) Zahlungsunfähigkeit<br />
Zahlungsunfähigkeit liegt gemäß §17 Abs.2 Satz 1 InsO vor,<br />
wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, seine fälligen<br />
Zahlungspflichten zu erfüllen. Lässt sich aus einem zum aktuellen<br />
Zeitpunkt aufgestellten Finanzstatus eine Unterdeckung<br />
ermitteln (Zeitpunktilliquidität), ist mittels eines Finanzplans52<br />
zu ermitteln, ob die Unterdeckung nicht innerhalb<br />
eines Zeitraums von maximal drei Wochen beseitigt werden<br />
kann. 53<br />
Ist das nicht der Fall, muss mittels eines fortgeschrie-<br />
benen Finanzplans ermittelt werden, ob die Unterdeckung<br />
innerhalb von drei Wochen, in Ausnahmefällen in drei bis<br />
maximal sechs Monaten, vollständig beseitigt werden kann<br />
(Zeitraumilliquidität). 54<br />
Der IDW Prüfungsstandard 800<br />
(vom 08.03.2009) fordert für den Finanzplan eine aus einem<br />
Unternehmenskonzept abgeleitete und ausreichend dokumentierte,<br />
integrierte Unternehmensplanung. 55<br />
bb) Drohende Zahlungsunfähigkeit<br />
Ist die Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten, droht<br />
diese aber in absehbarer Zeit, so sind die Mitglieder der Vertretungsorgane56<br />
berechtigt, einen Insolvenzantrag wegen<br />
drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen. 57 Eine drohende<br />
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner »voraussichtlich<br />
nicht mehr in der Lage sein wird, die bestehenden<br />
Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen«<br />
(§18 Abs.2 InsO).<br />
Ausgangspunkt für die Ermittlung der drohenden Zahlungsunfähigkeit<br />
ist ein Finanzplan, in dem die Stichtagsliquidität<br />
im Prüfungszeitpunkt und die gesamte finanzielle Entwick-<br />
34<br />
lung des Schuldnerunternehmens für den Planungszeitraum<br />
dargestellt werden. 58 Das umfasst auch Verbindlichkeiten, die<br />
erst im Planungszeitraum entstehen und fällig werden. 59 Nur<br />
die vollständige Erfassung aller Zahlungsverpflichtungen und<br />
Zahlungseingänge lässt eine Beurteilung zu, ob im Rahmen<br />
der künftigen Liquiditätsentwicklung Zahlungsunfähigkeit<br />
droht. Der Planungszeitraum richtet sich grundsätzlich nach<br />
der spätesten Fälligkeit einer bereits entstandenen Verbindlichkeit.<br />
60 In der Regel wird der Planungszeitraum aber auf<br />
das laufende und das folgende Geschäftsjahr beschränkt<br />
sein. 61 Planannahmen werden dabei insoweit aufgenommen,<br />
soweit sie voraussichtlich, d.h. überwiegend wahrscheinlich62, eintreten.<br />
Die Prüfung umfasst daher sowohl die Prüfung der Zeitpunkt-<br />
als auch der Zeitraumliquidität. Entsprechend zu dem<br />
Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§17 InsO) bleiben<br />
vorübergehende Zahlungsstockungen und ganz geringfügige<br />
Liquiditätslücken außer Betracht. 63 Die Zeitpunktliquidität<br />
lässt sich anhand der gesetzlich geregelten handelsrechtlichen<br />
Rechnungslegungspflichten bestimmen. Die Ermittlung der<br />
Zeitraumliquidität (Finanzplan) ist gesetzlich nicht geregelt.<br />
Drukarczyk legt überzeugend dar, dass der Finanzplan in der<br />
Regel mit Plan Gewinn- und Verlustrechnung und der Plan<br />
Bilanz verknüpft sein, d.h. es sich um eine integrierte Unternehmensplanung<br />
handeln sollte. 64<br />
cc) Überschuldung<br />
Die Fortbestehensprognose der Überschuldungsprüfung<br />
gleicht der Zahlungsfähigkeitsprognose bei drohender Zahlungsunfähigkeit.<br />
65<br />
48 Vgl. im Folgenden BGH, Urt. vom 16.03.2009, II ZR 280/07, NZG 2009,<br />
550 ( 551).<br />
49 So auch Anm. zu BGH, Urt. vom 16. 03. 2009, II ZR 280/07, NZG 2009,<br />
550ff.: Poertzgen NZI 2009, 493ff.; Commandeur/Nienerza NZG 2009, 860.<br />
50 Verschuldensvermutung für Geschäftsführer mit Exkulpationsmöglichkeit,<br />
K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4. Aufl. 2009, Rn. 11.10 u.<br />
11.43; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, <strong>GmbH</strong>G, 17. Aufl. 2009, § 64 Rn. 7,<br />
14u. Anh zu §64, Rn.64; Grigoleit/Rieder, <strong>GmbH</strong>-Recht nach dem MoMiG,<br />
2009, Rn.292.<br />
51 Vgl. IDW PS 800 vom 06.03.20009, Rn.21, Fn.21.<br />
52 Vgl. IDW PS 800, Rn.42ff. und Anhang.<br />
53 Vgl. BGH, Urt. vom 24. 05. 2005, IX ZR 123/04, BB 2005, 1923 ff.;<br />
K.Schmidt/Uhlenbruck/Uhlenbruck, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.12ff.; Pape<br />
WM 2008, 1949 (1951ff.).<br />
54 Vereinfacht dargestellt, zu Details vgl. BGH, Urt. vom 24. 05. 2005, IX ZR<br />
123/04, BB 2005, 1923 ff.; BGH, Urt. vom 12. 10. 2006, IX ZR 228/03,<br />
WM 2006, 2312; BGH, Beschl. vom 19.07.2007, IX ZB 36/07, NZI 2007,<br />
579 (581); IDW PS 800, Rn. 10, 25 ff.; Beweislastverteilung vgl. Pape WM<br />
2008, 1949 (1951ff.).<br />
55 Vgl. IDW PS 800, Rn.21.<br />
56 Unter Beachtung des §18 Abs.3 InsO.<br />
57 §18Abs.1i.V.m.§15Abs.1Satz1InsO.<br />
58 Vgl. MüKo-InsO/Drukarczyk, 2. Aufl. 2007, § 18 Rn. 16: »vollständig, termingenau,<br />
unsaldiert«; ähnlich IDW PS 800, Rn.49.<br />
59 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.114f.; MüKo-InsO/Drukarzcyk,<br />
2. Aufl. 2007, § 18 Rn. 42 f.; str., vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K. Schmidt,<br />
<strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.47 m.w.N.<br />
60 Vgl. IDW PS 800, Rn.51.<br />
61 Vgl. IDW PS 800, Rn.51.<br />
62 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.115.<br />
63 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.114.<br />
64 Vgl. MüKo-InsO/Drukarczyk, 2. Aufl. 2007, § 18 Rn. 16 ff.; IDW PS 800,<br />
Rn.50i.V.m.IDWES6,Rn.122ff.<br />
65 Vgl. MüKo-InsO/Drukarczyk, 2. Aufl. 2007, § 18 Rn. 52 ff.; IDW PS 800,<br />
Rn.50.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
Die Überschuldungsprüfung gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO<br />
bedarf sowohl in der Fassung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes66<br />
als auch in der voraussichtlich ab dem 01.01.2014<br />
geltenden Fassung67 in der ersten Stufe einer Fortbestehensprognose.<br />
Dafür ist aus einem Unternehmenskonzept eine<br />
Unternehmensplanung abzuleiten. 68 Die Fortbestehensprognose<br />
ist positiv, wenn im Planungszeitraum (laufendes und<br />
folgendes Geschäftsjahr69) die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens<br />
überwiegend wahrscheinlich gesichert ist. 70<br />
Ist die Fortbestehensprognose positiv, liegt nach der aktuell<br />
geltenden Fassung des § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO keine Überschuldung<br />
vor; ein Überschuldungsstatus muss nicht erstellt<br />
werden. Nach der voraussichtlich ab dem 01.01.2014 geltenden<br />
Fassung (s.o.) ist in diesem Fall ein Überschuldungsstatus<br />
zu Fortführungswerten aufzustellen.<br />
Ist die Fortbestehensprognose negativ, ist in beiden Fassungen<br />
ein Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten aufzustellen.<br />
Eine Überschuldung liegt jeweils dann vor, wenn die Verbindlichkeiten<br />
die Vermögenswerte übersteigen.<br />
Der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit<br />
behält daher nur in den Fällen eine eigene Bedeutung, in<br />
denen die Finanzierung für das laufende und das folgende<br />
Geschäftsjahr zwar nicht sichergestellt ist, bei Erstellung des<br />
Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten aber noch kein<br />
negatives Eigenkapital vorliegt. 71<br />
3. Haftung für verfrühte Insolvenzantragstellung<br />
gegenüber der Gesellschaft<br />
Die Leitungsorgane einer Gesellschaft sehen sich darüber<br />
hinaus bei Vorliegen drohender Zahlungsunfähigkeit gemäß<br />
§ 18 InsO regelmäßig dem Konflikt zwischen der Verletzung<br />
der Sanierungspflicht (§43 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G bzw. §91 Abs.2,<br />
§ 93 Abs. 1 AktG) einerseits und der Insolvenzantragspflicht<br />
(§ 15 a InsO) andererseits ausgesetzt. 72 Die Sanierungspflicht<br />
gibt den Leitungsorganen auf, alle möglichen Sanierungsmaßnahmen<br />
zu erörtern und gegebenenfalls umzusetzen. Das<br />
setzt jedoch eine Unternehmensplanung voraus. Geschäftsführer<br />
einer <strong>GmbH</strong> haben bei der Entscheidung außerdem<br />
die Gesellschafter einzubinden. 73<br />
Schließlich obliegt dem Schuldner aufgrund der Beweislastregel<br />
des § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO zum Insolvenztatbestand der<br />
Überschuldung der Nachweis, dass die Fortbestehensprognose<br />
positiv ist. Ohne geeignete Unternehmensplanung<br />
kann der Schuldner diesen Nachweis in der Regel nicht<br />
erbringen. Damit besteht zum einen tendenziell die Gefahr,<br />
dass der Schuldner zu früh Insolvenz wegen Überschuldung<br />
anmeldet bzw. bei Gläubigerantrag die positive Fortbeste-<br />
hensprognose nicht darlegen kann. 74<br />
Neben potenziellen<br />
Schadensersatzansprüchen gegenüber Gesellschaft und Gläubigern<br />
besteht zum anderen die Gefahr der Strafbarkeit durch<br />
»nicht richtiges« Stellen eines Insolvenzantrags gemäß § 15 a<br />
Abs.4 InsO.<br />
4. Fazit<br />
Leitungsorgane sind aufgrund ihrer Leitungsfunktion und<br />
Geschäftsführung verpflichtet, durch Planung die Finanzierung<br />
der Gesellschaft sicherzustellen; Art und Umfang der<br />
Planung ist gesetzlich nicht definiert. Im Unternehmensinte-<br />
Haftungssprung Insolvenzreife<br />
Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />
resse ist dem Leitungsorgan eine möglichst vorausschauende<br />
Planung auferlegt, um seiner Pflicht zur Schadensvermeidung<br />
und Gewinnmaximierung zu genügen. Mangels faktischer<br />
Durchsetzung von Ansprüchen gegen Vorstände wegen unzureichender<br />
Unternehmensplanung im Vorfeld der Insolvenz,<br />
fehlt es in der Praxis oftmals an ausreichenden Planungsinstrumenten.<br />
Dadurch wird die Aufsichtsmöglichkeit der Aufsichtsräte<br />
erheblich eingeschränkt. Die Einrichtung einer<br />
integrierten Unternehmensplanung kostet in Insolvenznähe<br />
wertvolle Zeit. Ab Insolvenzreife ergibt sich für die Leitungsorgane<br />
und Aufsichtsräte ein faktischer Haftungssprung.<br />
III. Maßnahmen<br />
Die Sanierungshemmnisse der unzureichenden Unternehmensplanung<br />
und damit zusammenhängend der faktische<br />
Haftungssprung sowie späte Insolvenzanträge können durch<br />
zwei Maßnahmen eingedämmt werden: Erstens müssen die<br />
Anforderungen an die Pflicht zur Unternehmensplanung<br />
konkretisiert werden (1.). Zweitens sollte der Insolvenzgrund<br />
der drohenden Zahlungsunfähigkeit als Sanierungsoption<br />
wahrgenommen werden (2.).<br />
1. Integrierte Unternehmensplanung als<br />
Pflichtenmaßstab<br />
Der Maßstab für die Pflicht zur Unternehmensplanung für<br />
Vorstände und Geschäftsführer richtet sich nach der objektivierten<br />
»Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften<br />
Geschäftsleiters« (§93 Abs.1 Satz 1 AktG, ähnlich §42 Abs.1<br />
<strong>GmbH</strong>G). Aufgrund seiner einem Treuhänder für fremde<br />
Vermögensinteresse entsprechenden Stellung, obliegt ihm<br />
eine erhöhte Sorgfaltspflicht. 75 Bereits vor Insolvenznähe liegt<br />
es im Interesse der Gesellschaft und insbesondere auch der<br />
Aufsichtsräte, den Sorgfaltsmaßstab für Unternehmensplanung<br />
– bezogen auf die Besonderheiten des Unternehmens –<br />
festzulegen und Abweichungen auch tatsächlich zu sanktionieren.<br />
Mindestmaß einer Planung ist daher wie gezeigt (s.o.) in<br />
jedem Fall das laufende und das darauf folgende Geschäftsjahr,<br />
damit das Vorliegen von Insolvenzgründen und die<br />
going-concern Prämisse geprüft werden kann. Ab relevanter<br />
Unternehmensgröße wird auch für Vorstände und Geschäftsführer<br />
nur eine integrierte Unternehmensplanung, die den<br />
Grundsätzen ordnungsgemäßer Planung entspricht, dem für<br />
sie geltenden Sorgfaltsmaßstab gerecht. 76 Diesen Standard<br />
haben Wirtschaftsprüfer zu beachten, die Sanierungskon-<br />
66 Art.6Abs.2Satz2FMStG.<br />
67 Vgl. Art.6 Abs.2 i.V.m. Art.7 Abs.2 FMStG i.V.m. Gesetz zur Erleichterung<br />
der Sanierung von Unternehmen v. 24.09.2009, BGBl.I 2009, S.3151.<br />
68 Vgl. BGH, Beschl. vom 09. 10. 2006, II ZR 303/05, BB 2007, 125; IDW<br />
ES 6, Rn.72, IDW FAR 1/1996, S.20f.<br />
69 Vgl. IDW ES 6, Rn.72 i.V.m. IDW FAR 1/1996, S.21.<br />
70 Vgl. BGH, Beschl. vom 09. 10. 2006, II ZR 303/05, BB 2007, 125; IDW<br />
ES 6, Rn.72 i.V.m. IDW FAR 1/1996, S.20f.<br />
71 Vgl. zu den Fallgestaltungen MüKo-InsO/Drukarczyk, 2. Aufl. 2007, § 18<br />
Rn.52ff.<br />
72 Vgl. Gottwald/Uhlenbruck, Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl. 2006, § 8<br />
Rn.26.<br />
73 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.50.<br />
74 Zur Darlegungs- und Beweislast bei Zahlungsunfähigkeit: Pape WM 2008,<br />
1949 (1954).<br />
75 Vgl. MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl. 2008, §93 Rn.24 m.w.N.<br />
76 Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1169 f.); siehe auch K.Schmidt/Uhlenbruck/<br />
Wellensiek/Schluck-Amend, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.1.85ff. m.w.N.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 35
Sanierungs- und Insolvenzberatung Haftungssprung Insolvenzreife<br />
zepte zu erstellen und darin das Vorliegen von Insolvenzgründen<br />
oder going concern Annahmen zu prüfen haben. 77 Entsprechende<br />
Anforderung gilt dann auch für ein durch das Leitungsorgan<br />
erstelltes Sanierungskonzept, das durch einen<br />
Wirtschaftsprüfer plausibilisiert werden soll.<br />
Die Planung muss darauf ausgerichtet sein, Vorständen und<br />
Geschäftsführern die vorausschauende Unternehmensleitung<br />
zu ermöglichen, um Handlungsbedarf frühzeitig zu erkennen<br />
(a). Nur die integrierte Unternehmensplanung bietet dabei<br />
ein Planungs- und Controllinginstrument, das sich mit der<br />
Rechnungslegung abstimmen lässt, das in sich konsistent ist<br />
und das die relevanten Informationen abbilden kann (b). Die<br />
Grundsätze ordnungsgemäßer Planung sollen dabei sicherstellen,<br />
dass ein zieladäquates und für Dritte nachvollziehbaresErgebniserreichtwird(c).<br />
a) Ziele der Planung<br />
Planung ist essenzieller Bestandteil für die Unternehmensleitung.<br />
Ziele der Planung sind erstens eine möglichst genaue<br />
Vorhersage der zukünftig möglichen Leistungserbringung<br />
und des damit zusammenhängenden Finanz-, Personal-,<br />
Sachmittel- und Investitionsbedarfs. Durch Sensitivitätsanalysen<br />
lässt sich die Belastbarkeit der Planung ermitteln,<br />
anhand von Plan-Szenarien können alternative Handlungswege<br />
durchdacht werden. 78 Zweitens können aus der Planung<br />
bereits im Vorfeld mögliche Effekte aus RestrukturierungsmaßnahmeninderPlanungberücksichtigtwerden.Nurso<br />
lässt sich rechtzeitig Handlungs- oder Korrekturbedarf erkennen.<br />
Drittens kann im Zeitablauf durch regelmäßig durchgeführte<br />
Plan-/Ist-Abweichungsanalysen weiterer Handlungsbedarf<br />
ermittelt werden. 79 Viertens schließlich dient die Planung<br />
auch als notwendiges Informationspotenzial gegenüber<br />
Investoren oder Banken, um Zugang zu neuen oder eine Verbesserung<br />
bestehender Finanzierungen zu erhalten (§ 18<br />
Abs.1 KWG, Rating, Konditionen).<br />
b) Aufbau und Vorteile einer integrierten<br />
Unternehmensplanung<br />
Ausgangspunkt der integrierten Unternehmensplanung ist<br />
die langfristige strategische Ausrichtung des Unternehmens<br />
(Unternehmenskonzept), aus dem kurz- und mittelfristige<br />
Teilpläne (Absatzplanung, Investitionsplanung, Personalkostenplanung<br />
usw.) 80 abgeleitet werden. Die Teilpläne werden<br />
anschließend in die Erfolgs-, Vermögens und Liquiditätspla-<br />
nung übergeleitet, 81<br />
d. h. »integriert«. 82<br />
Dabei werden die<br />
geplanten Aufwendungen und Erträge aus den Teilplänen<br />
zunächst betragsmäßig auf den jeweiligen Zeitpunkt im<br />
Betrachtungszeitraum der Plan Gewinn- und Verlustrechnung<br />
zugeordnet. 83 Darauf aufbauend wird die Finanz- und<br />
die Vermögensplanung entwickelt.<br />
Nur wenn alle wesentlichen wechselseitigen Auswirkungen<br />
der jeweiligen Planungsteile in die Planung einbezogen werden,<br />
lässt sich ein verlässliches und zieladäquates Ergebnis<br />
erzielen. Die Plangeschäfte und -annahmen sind im Planungssystem<br />
so abzubilden wie Ist-Geschäftsvorfälle, d. h.<br />
nach dem Prinzip der doppelten kaufmännischen Buchführung.<br />
Der jeweilige Detaillierungsgrad sowie die Organisation<br />
und Intensität der Planung hängen von der Unternehmensgröße,<br />
der Komplexität und dem Grad der Bestandsgefährdung<br />
ab. 84<br />
36<br />
aa) Aufsatzpunkt<br />
Die Planungsrechnung sollte möglichst auf einer geprüften<br />
Bilanz aufsetzen, die Vermögen und Schulden mit hinreichender<br />
Genauigkeit und Verlässlichkeit darstellt. Oftmals<br />
liegen zu Beginn des Planungszeitraums keine aktuellen<br />
geprüftenZahlenvor,sodassvorhandeneAbschlusszahlenauf<br />
den jeweiligen Beginn des Planungszeitraums fortgeschrieben<br />
werden müssen.<br />
bb) Unternehmenskonzept und Teilpläne<br />
Zunächst sind aus dem Unternehmenskonzept jeweils aufeinander<br />
abgestimmte Teilpläne abzuleiten, die über die Ergebnisplanung<br />
in der Vermögens- und Finanzplanung münden.<br />
Eine Planung ist allerdings nur dann integriert, wenn die Planungsprämissen<br />
für die Ermittlung der Teilpläne konsistent<br />
sind und die Kapazitätsrestriktionen in den Teilplänen eingehalten<br />
werden. 85 Die kritischen Planprämissen (z.B. Entwicklung<br />
der Rohstoffpreise) sind hervorzuheben. 86<br />
Der kurzfristige Zeithorizont, in der Regel das laufende und<br />
das folgende Geschäftsjahr, ist zwingend (s.o.) und wird in der<br />
Regel auf Monatsbasis abgebildet. Darüber hinaus genügt<br />
aber nur ein zusätzlicher mittelfristiger Planungshorizont<br />
(zwei bis drei Jahre, Abbildung in der Regel zu Quartals- oder<br />
Jahreswerten) dem entscheidenden Informationsbedürfnis<br />
der Unternehmensleitung gegenüber den Eigen- und Fremdkapitalgebern:<br />
Kann das Unternehmen unter Verfolgung<br />
einer langfristigen Strategie im mittelfristigen Planungszeitraum<br />
die für das Eigenkapital geforderte Rendite erzielen?<br />
Deutlich wird das auch durch IDW ES 6: Die Sanierungsfähigkeit<br />
eines Unternehmens setzt neben der Überwindung<br />
der verschiedenen Krisenstadien voraus, dass das Unternehmen<br />
anschließend mindestens eine nachhaltige durchschnittliche<br />
branchenübliche Umsatzrendite und Eigenkapitalquote<br />
aufweist (Leitbild des sanierten Unternehmens). 87 Dieses Ziel<br />
sollte auch ein sorgfältig handelndes Leitungsorgan anstre-<br />
und durch Planung belegen können.<br />
ben 88<br />
77 Vgl. IDW ES 6, Rn. 2-5, Rn.122ff.<br />
78 Vgl. IDW ES 6, Rn.124.<br />
79 Vgl. Informationspflicht gem. §90 Abs.1 Satz 1 Nr.1 AktG sowie Hinweis in<br />
IDW ES 6, Rn.127.<br />
80 IDW ES 6, Rn.122; ähnlich §90 Abs.1 Satz 1 Nr.1 AktG; MüKo-InsO/Drukarczyk,<br />
2.Aufl. 2007, §18 Rn.16, 20f.<br />
81 Dieses Vorgehen entspricht: § 229 InsO für den Insolvenzplan (IDW S 2<br />
vom 10.02.2000, Rn.15); BGH, Beschl. vom 09.10.2006, II ZR 303/05, BB<br />
2007, 125 für die Fortbestehensprognose bei der Überschuldungsprüfung<br />
gem. § 19 Abs. 2 InsO; IDW ES 6, Rn. 122 ff. für Sanierungskonzepte und<br />
Fortbestehens-/Fortführungsprognosen (ebd., Rn. 2-5) sowie IDW PS 800,<br />
Rn. 21 für die Prüfung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit, s. dazu auch<br />
MüKo-InsO/Drukarczyk, 2.Aufl. 2007, §18 Rn.16.<br />
82 Vgl. Chmielewicz, Integrierte Finanz- und Erfolgsplanung – Versuch einer<br />
dynamischen Mehrperiodenplanung, 1972, S.42ff.<br />
83 Zur Abbildung der Gesamtplanung/Planungsrechnung vgl. Perridon/Steiner,<br />
Finanzwirtschaft der Unternehmung, 9.Aufl. 1997, S.625.<br />
84 Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1170).<br />
85 Vgl. Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1175).<br />
86 IDW ES 6, Rn.123.<br />
87 IDW ES 6, Rn.77ff.; ähnlich IDW S 2, Rn.28 für Insolvenzpläne: »nachhaltige<br />
Einnahmeüberschüsse erwirtschaften und finanzielles Gleichgewicht<br />
sichern«.<br />
88 Vgl. MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl. 2008, §76 Rn.73f.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
cc) Plan Gewinn- und Verlustrechnung<br />
(Ergebnisplan) 89<br />
In dem Ergebnisplan werden die Umsätze, Aufwendungen<br />
und Erträge entsprechend den verschiedenen Teilplänen fortgeschrieben.<br />
Ausgangspunkt kann z.B. die um außerordentliche<br />
Geschäfte (Einmalaufwendungen und -erträge) bereinigte<br />
Gewinn- und Verlustrechnung der Vergangenheit (normalisierter<br />
Ergebnisplan) sein. Eine Fortschreibung erfolgt dann<br />
unter Berücksichtigung der Restriktionen, Planprämissen<br />
und der (erwarteten) Saisonalisierung. Durch den Ergebnisplan<br />
lässt sich die Veränderung des Eigenkapitalbestands ohne<br />
Außenfinanzierungsmaßnahmen ablesen. Gleichzeitig dient<br />
das so ermittelte Periodenergebnis als Ausgangspunkt für die<br />
Berechnung des Periodencashflows (Liquiditätsplan).<br />
dd) Plan Bilanz (Vermögensplan)<br />
Die Ist-Bilanz (Aufsatzpunkt) stellt die Basis für den Vermögensplan<br />
dar. Durch den Finanz- und den Ergebnisplan wird<br />
diese Ist-Bilanz fortgeschrieben. Die Veränderung des Liquiditätsbestandes<br />
ergibt sich aus dem Cashflow, die Veränderung<br />
des Eigenkapitalbestandes (ohne Außenfinanzierungsmaßnahmen)<br />
ergibt sich aus dem Jahresergebnis im Ergebnisplan.<br />
ee) Plan Cashflow (Liquiditäts- bzw. Finanzplan)<br />
Der Liquiditätsplan zeigt die Veränderung des Liquiditätsbestandes<br />
in den einzelnen Planungsperioden. Dabei muss der<br />
Finanzmittelbestand am Anfang der Periode (Bilanz der Vorperiode)<br />
addiert mit dem Cashflow der Periode den Finanzmittelbestand<br />
am Ende der Periode in der Bilanz ergeben.<br />
Durch diese Darstellung lassen sich die jeweiligen Tiefst- und<br />
Höchststände der verfügbaren Finanzmittel in den jeweiligen<br />
Planungsperioden ablesen.<br />
Haftungssprung Insolvenzreife<br />
ff) Sanierungsmaßnahmen im Planansatz<br />
Auch die Auswirkungen der Sanierungsmaßnahmen auf die<br />
integrierte Sanierungsplanung eines Sanierungskonzeptes<br />
sind zu integrieren. 90 In der Praxis bedeutet dies zunächst eine<br />
Ermittlung aller Maßnahmen, die Auswirkungen auf die<br />
Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und den Cashflow der<br />
Gesellschaft haben. Anschließend sind die Maßnahmen einzeln<br />
daraufhin zu untersuchen, welche Positionen sie in der<br />
integrierten Planung jeweils betreffen. Dabei bedarf es sowohl<br />
einer zeitlichen als auch einer betragsmäßigen Zuordnung.<br />
Die Vielfalt für Restrukturierungsmaßnahmen ist groß und<br />
lässt sich grob einteilen in: Kapitalmaßnahmen (Aufnahme<br />
von Fremd- oder Eigenkapital), Restrukturierungsmaßnahmen<br />
zur Liquiditätssicherung (z.B. Veräußerung von Vermögensgegenständen,<br />
Factoring) sowie Restrukturierungsmaßnahmen<br />
zur Ertragsverbesserung (z.B. Schließung von Teilbetrieben).<br />
Verspätete Insolvenzanträge gehen oft darauf zurück, dass<br />
Sanierungsmaßnahmen entweder erst bei »objektiver« Aussichtslosigkeit<br />
geplant und durchgeführt werden oder zwar<br />
rechtzeitig geplant, aber die Pläne nicht durchgeführt werden.<br />
Das liegt daran, dass das Ermessen der Unternehmensleitung<br />
(s.o. Business Judgement Rule 91)<br />
nur eingeschränkt überprüfbarist.InderPraxisistdaherderSpielraumfürdiePlanung<br />
von Sanierungsmaßnahmen bisher groß. Hier liegt es an den<br />
Kapitalgebern und Anteilseignern, die bestehenden Kontrollmöglichkeiten<br />
besser zu nutzen und tatsächlich durchzuset-<br />
Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />
zen. Kapitalgeber sollten daher auf eine möglichst präzise<br />
Dokumentation der geplanten Maßnahmen achten. Außerdem<br />
sollte begleitend zu den jeweiligen Maßnahmen ein<br />
Umsetzungsplan erstellt werden, in dem die verschiedenen<br />
Aufgaben auch entsprechend verantwortlichen Personen<br />
zugeteilt sind (»controllingfähiger Maßnahmenkatalog«) 92.<br />
Im Ergebnis entstehen mit zunehmender Insolvenznähe weitere<br />
Anforderungen an die Ausübung des Ermessens der<br />
Unternehmensführung. Dies betrifft die Anforderungen an<br />
die Dokumentation, die Publizität und die Überprüfung der<br />
Entscheidungen. Eine Ermessensentscheidung kann nur<br />
dann getroffen werden, wenn die notwendige Entscheidungsgrundlage<br />
in Form einer integrierten Unternehmensplanung<br />
vorliegt. Gerade Kredit- und Kapitalgeber sollten bei der Vergabe<br />
von neuem Kapital auf diesen Punkt Wert legen und auf<br />
vertragliche Default-Regelungen und Control-Rechte drängen.<br />
gg) Planung Insolvenzszenario<br />
(Insolvenzplanverfahren)<br />
Bestehen Zweifel an der going-concern Annahme (ist z. B.<br />
eine drohende bilanzielle Überschuldung im laufenden oder<br />
folgenden Geschäftsjahr voraussichtlich nicht durch Restrukturierungsmaßnahmen<br />
zu beheben) bzw. liegt bereits eine<br />
drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß §18 InsO vor, so sollten<br />
die Leitungsorgane ein Insolvenzszenario für die Unternehmensplanung<br />
vorbereiten. 93 Nur so kann eine Insolvenz<br />
ohne unnötige Reibungsverluste z.B. durch einen Eigeninsolvenzantrag<br />
mit pre-packaged Insolvenzplan und Antrag auf<br />
Eigenverwaltung rechtzeitig eingereicht werden. In Insolvenznähe<br />
bzw. bei drohender Zahlungsunfähigkeit, sollten Leitungsorgane<br />
ein Insolvenzplanszenario in die Planung aufnehmen(dazus.III.2.).<br />
In der Unternehmensplanung sind die Besonderheiten des<br />
vorläufigen Insolvenzverfahrens, des Insolvenzplanverfahrens<br />
und nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen.<br />
Insbesondere die Effekte aus einer beabsichtigten Vorfinanzierung<br />
von Insolvenzgeld für die Arbeitnehmer, des<br />
geänderten Zahlungsverhaltens der Kunden und gegenüber<br />
Lieferanten, der Insolvenzkosten, der Begleichung der Masseverbindlichkeiten<br />
vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens<br />
(§258 Abs.2 InsO), der quotalen Befriedigung der Gläubiger<br />
sind jeweils in die einzelnen Auswirkungen auf die Ertrags-,<br />
Finanz- und Vermögensplanung aufzugliedern und zu integrieren.<br />
Im Ergebnis kann nur durch Berücksichtigung aller<br />
Effekte in einem integrierten Planungssystem eine verlässliche<br />
Entscheidungsgrundlage für Leitungsorgane, (vorläufigen)<br />
Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter und Investoren<br />
geschaffen werden.<br />
hh) Vorteile<br />
Die integrierte Unternehmensplanung knüpft an die Rechnungslegung<br />
und das darin geltende in sich geschlossene System<br />
zwischen Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie<br />
89 Vgl. im Folgenden Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1175f.).<br />
90 Vgl. IDW ES 6, Rn.116ff.<br />
91 Vgl.§93Abs.1Satz2AktG.<br />
92 Vgl. IDW ES 6, Rn.119.<br />
93 Vgl. auch Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1170).<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 37
Sanierungs- und Insolvenzberatung Haftungssprung Insolvenzreife<br />
Cashflowrechnung an. 94 Diese Anknüpfung führt dazu, dass<br />
Vergangenheitsdaten mit Zukunftsdaten verglichen (notwendig<br />
für Plan-/Ist-Abweichungen) bzw. übergeleitet werden<br />
können. Für die begleitende interne Unternehmensüberwachung,<br />
etwa durch Aufsichtsräte und Beiräte kann die integrierte<br />
Unternehmensplanung damit eine zentrale Informationsgrundlage<br />
bieten, die neben der zukunftsorientierten<br />
Planung und Überwachung auch den Abgleich zwischen<br />
Planszenarien und in der Folge tatsächlich eingetretenem Verlauf<br />
erleichtert. Mit der Anknüpfung an die Rechnungslegung<br />
lassen sich, nebenbei, im Sinne effizienter Unternehmensführung,<br />
die zusätzlichen Kosten eingrenzen. Außerdem können<br />
bei rollierenden Planungen die Abweichungen zwischen den<br />
zeitlich verschiedenen Planungen übergeleitet werden. Auch<br />
daraus ergeben sich wertvolle Informationen zur verbesserten<br />
Planung.<br />
Darüber hinaus lässt sich die integrierte Unternehmensplanung<br />
modular aufbauen. Dementsprechend kann eine<br />
Grundplanung um zusätzliche Maßnahmen, verschiedene<br />
Szenarien und gegebenenfalls auch um Insolvenzeffekte<br />
erweitert werden.<br />
Schließlich kann mittels einer integrierten Unternehmensplanung<br />
den in Teil II. beschriebenen Pflichten zur Unternehmensplanung<br />
entsprochen werden. Beispielsweise kann eine<br />
drohende bilanzielle Überschuldung (going-concern) im<br />
Vermögensplan, Liquiditätsengpässe können im Liquiditätsplan<br />
abhängig vom Planungszeitraum frühzeitig erkannt werden.<br />
c) Grundsätze ordnungsmäßiger<br />
Unternehmensplanung<br />
Eine integrierte Unternehmensplanung muss den Grundsätzen<br />
ordnungsmäßiger Unternehmensplanung Vollständigkeit,<br />
Wesentlichkeit, Folgerichtigkeit und Dokumentati-<br />
on 95<br />
entsprechen: Durch eine vollständige Berücksichtigung<br />
aller planungsrelevanten Umstände soll der praktische Nutzen<br />
der Planung und deren Aussagekraft gesichert werden. Damit<br />
die Komplexität der Planung reduziert werden kann, sollen<br />
nur wesentliche Sachverhalte in die Planung einbezogen werden.<br />
Alle Planungsschritte und -bestandteile müssen rechnerisch<br />
und sachlich richtig und in sich konsistent, d. h. folgerichtig<br />
sein. Schließlich dient die Dokumentation der Planung<br />
dazu, die Planung für Dritte nachvollziehbar zu machen<br />
und Haftungsgefahren für die Leitungs- und Aufsichtsorgane<br />
zu vermeiden.<br />
2. Sanierungsoption bei drohender<br />
Zahlungsunfähigkeit<br />
a) Sanierungsoption<br />
Bei drohender Zahlungsunfähigkeit besteht für die Leitungsorgane<br />
eine Sanierungsoption in Form eines vorbereiteten<br />
Insolvenzplanverfahrens mit dem Antrag auf Eigenverwaltung.<br />
Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung hat mit dem<br />
Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18<br />
InsO) in Verbindung mit dem Insolvenzplanverfahren ein an<br />
das US-amerikanische Chapter-11 Verfahren angelehntes<br />
Instrumentarium bereitgestellt. Es sollte eine Möglichkeit für<br />
frühere Insolvenzanträge geschaffen werden. 96 Bereits vor<br />
dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sollen verfahrensrecht-<br />
38<br />
liche Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. 97 Mit<br />
der Ausgestaltung als alleiniges Recht des Schuldners sollte<br />
verhindert werden, dass Gläubiger den Schuldner mit Insolvenzanträgen<br />
unter Druck setzen können. Bemühungen um<br />
außergerichtliche Sanierungen sollen in diesem Stadium nicht<br />
verhindert werden. 98<br />
Durch die frühere Insolvenzauslösung sollen – soweit möglich<br />
– Sanierungen des Rechtsträgers (bzw. des Unternehmens)<br />
erleichtert werden. Der Sanierungsgedanke der Insolvenzordnung<br />
wird in §1 Satz 1 InsO erwähnt. Demnach können<br />
in einem Insolvenzplan von der Verwertung abweichende<br />
Regelungen zum Erhalt des Unternehmens getroffen werden.<br />
In Verbindung mit der Eigenverwaltung (§§270ff. InsO) soll<br />
ein Anreiz für die Schuldner gesetzt werden, Insolvenzen früh,<br />
d. h. bereits bei Vorliegen der noch nicht eingetretenen, aber<br />
nach vernünftiger Einschätzung nicht mehr abzuwendenden<br />
Zahlungsunfähigkeit, auszulösen. 99<br />
Durchgesetzt hat sich der Insolvenzgrund in der Praxis bisher<br />
nicht. Das liegt sicherlich zum einen an der schlechten Unternehmensplanung<br />
– die drohende Zahlungsunfähigkeit wird<br />
nicht erkannt – und zum anderen an den in der Literatur<br />
erkannten Hindernissen und Risiken u.a. des Insolvenzplanverfahrens<br />
unter Eigenverwaltung sowie strafrechtlicher Tat-<br />
bestände. 100<br />
Der Gesetzgeber könnte diese Sanierungsbarrie-<br />
ren aber beseitigen. Dann böte §18 InsO verbunden mit dem<br />
Insolvenzplanverfahren unter Eigenverwaltung eine geeignete<br />
Möglichkeit zur Begründung rechtzeitiger Insolvenzanträge<br />
im Interesse der Gesellschaft und der Gläubiger.<br />
b) Insolvenzantragspflicht<br />
Sind bei drohender, aber noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit<br />
und Überschuldung, offensichtlich keine<br />
Restrukturierungsmaßnahmen mehr absehbar, mittels derer<br />
der spätere Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vermieden werdenkönnte,bestehtdiePflichtfürdieLeitungsorgane,einen<br />
Insolvenzantrag zu stellen, um den weiteren Verzehr von Haftungsvermögen<br />
aufzuhalten. Diese Pflicht lässt sich zwanglos<br />
aus der Verantwortung der Leitungsorgane gegenüber der<br />
Gesellschaft, genauer aus deren Pflicht im Interesse der<br />
Gesellschaft zu handeln (§43 <strong>GmbH</strong>G, §93 AktG), ableiten.<br />
Da es hier um die Situation geht, in der weder Zahlungsunfähigkeit<br />
noch Überschuldung vorliegen, besteht die Pflicht<br />
auch primär gegenüber der Gesellschaft und Sanktionen können<br />
nur intern durch die Gesellschaft geltend gemacht wer-<br />
Gläubiger hingegen sollen vor Eintritt der Zahlungs-<br />
den. 101<br />
94 Vgl. MüKo-InsO/Drukarczyk, 2.Aufl. 2007, §18 Rn.16.<br />
95 Vgl. im Folgenden Groß/Amen WPg 2003, 1161, 1176f.; a.A. Fleischer, Vorstandsrecht,<br />
2006, § 7 Rn. 36, der eine Rechtsverbindlichkeit dieser Grundsätze<br />
ablehnt.<br />
96 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.81 (84, 86); zu den Vorentwürfen<br />
s. MüKo-InsO/Drukarczyk, 2.Aufl. 2007, §18 Rn.4ff.<br />
97 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.114.<br />
98 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.114f.<br />
99 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 86; K.Schmidt/Uhlenbruck/<br />
K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4. Aufl. 2009, Rn. 1.110: »Aufruf zur selbstverantwortlichen<br />
Sanierungsprüfung«.<br />
100Vgl.dazuausführlich:K.Schmidt/Uhlenbruck/Uhlenbruck, <strong>GmbH</strong>,4.Aufl.<br />
2009, Rn. 5.49 m. w. N.; Uhlenbruck/Vallender NZI 2009, 1 (4-7); Vallender<br />
NZI 2007, 129 (136f.); Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541ff..<br />
101 »Interne Sanierungspflicht«, vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/Uhlenbruck,<strong>GmbH</strong>,<br />
4.Aufl. 2009, Rn.5.99 m.w.N.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009
unfähigkeit oder Überschuldung keine Insolvenz auslösen<br />
können, damit die Möglichkeit zu Sanierungsmaßnahmen im<br />
Vorfeld einer allfälligen Insolvenz gewahrt bleibt. 102 Stehen<br />
Maßnahmen nicht mehr in Aussicht, so sprechen trotzdem<br />
Gedanken der Publizität dafür, es bei einer internen Pflicht zu<br />
belassen.<br />
Die zugegebenermaßen schwierige Feststellung, ob tatsächlich<br />
nicht ausreichend Sanierungsmaßnahmen vorliegen und<br />
keine Alternativen bestehen, lässt sich entsprechend der<br />
Grundsätze der Business Judgement Rule lösen. Damit obläge<br />
den Leitungsorganen nicht der Nachweis, dass sie alle erdenklichen<br />
Maßnahmen versucht haben. Vielmehr müssten sie<br />
im Rahmen der konkreten Sanierungsverhandlungen auf<br />
Grundlage sorgfältig ausgewählter und dokumentierter Information<br />
zu dem Entschluss gelangen, dass die Sanierung überwiegend<br />
wahrscheinlich nicht erfolgreich sein wird.<br />
Einzelfragen sowohl der Haftung der Beteiligten als auch der<br />
Schadensbemessung sollen an dieser Stelle nur angedeutet<br />
werden, zumal sich hier die Rechtslage zwischen <strong>GmbH</strong> und<br />
AG unterscheidet: Soweit ein Insolvenzantrag der Billigung<br />
durch die Anteilseigner (Gesellschafter 103 oder Hauptversammlung104)<br />
bedarf, müssten diese aus Gesellschafts- und<br />
Gläubigerschutzgründen den vorgeschlagenen Insolvenzantrag<br />
billigen. 105 Da der rechtzeitige Insolvenzantrag im Interesse<br />
der Gesellschaft liegt, haben deren Anteilseigner über<br />
den Insolvenzantrag abzustimmen. Stimmen diese dem Insolvenzantrag<br />
nicht zu, wird das Leitungsorgan im InnenverhältnisregelmäßigvonderHaftungbefreitsein(vgl.§93Abs.4<br />
Satz 1 AktG), allerdings nur solange, wie nicht Insolvenzreife<br />
eintritt.DasLeitungsorgankanndannseinAmtniederlegen–<br />
dadurch verlagert sich die Gefahr des rechtzeitigen Insolvenzantrags<br />
entsprechend §15a Abs.3 InsO auf die Gesellschafter<br />
bzw. die Aufsichtsräte – oder, wenn keine Maßnahmen<br />
ersichtlich und zudem eine Überschuldung nicht mehr ausgeschlossen<br />
werden kann, entgegen der Weisung Insolvenzantrag<br />
gemäß § 18 InsO stellen. 106 Soweit Vorstände keine verbindliche<br />
Entscheidung gemäß § 119 Abs. 2 AktG verlangt<br />
haben, müssen sie Insolvenzantrag gemäß §18 InsO stellen.<br />
Problematisch und an diesem Punkt zu weitgehend ist die<br />
eventuelle Haftungsbegründung der <strong>GmbH</strong>-Gesellschafter<br />
vor Eintritt der Insolvenzreife, wenn sie die Billigung zum<br />
Insolvenzantrag verweigern. Anhaltspunkt kann ein aus ihrer<br />
Treuepflicht 107 gegenüber der Gesellschaft abgeleiteter Schadensersatzanspruch<br />
der Gesellschaft sein.<br />
Der Schaden, der durch einen pflichtwidrig nicht gestellten<br />
Insolvenzantrag der Gesellschaft entsteht (§ 43 Abs. 2<br />
<strong>GmbH</strong>G, § 93 Abs. 2 AktG), liegt in dem durch die verzögerte<br />
Antragstellung erlittenen Werteverzehr und gegebenenfalls<br />
in der dadurch entfallenden Sanierungsmöglichkeit in<br />
der Insolvenz. Denn die Sanierungschancen sind bei rechtzeitig<br />
gestelltem Insolvenzantrag größer, da z.B. noch Restliquidität<br />
vorhanden ist, die die Fortführung im Rahmen eines<br />
Insolvenzverfahrens wesentlich erleichtern oder überhaupt<br />
erst ermöglichen kann.<br />
c) Planungspflicht Insolvenzszenario<br />
In jedem Fall aber muss bei drohender Zahlungsunfähigkeit<br />
die Planung eines Insolvenzszenarios Pflicht und im Gesell-<br />
Haftungssprung Insolvenzreife<br />
schaftsinteresse sein. Bei Bedarf kann die Gesellschaft dann<br />
Insolvenzantrag mit einem pre-packaged Insolvenzplan und<br />
einem Antrag auf Eigenverwaltung stellen. Andernfalls verbliebe<br />
es bei der gängigen Praxis, dass Unternehmen vollkommen<br />
unvorbereitet Insolvenzantrag stellen. Die Sanierung im<br />
Insolvenzverfahren wird dadurch erheblich erschwert. Mittels<br />
des Insolvenzszenarios können gleichzeitig die Minimalpositionen<br />
für die Gläubiger evaluiert und in den laufenden Sanierungsverhandlungen<br />
als Argument berücksichtigt werden.<br />
Insbesondere Akkordstörer, d.h. Parteien, die eine freie Sanierung<br />
verhindern, um sich Sondervorteile zu verschaffen,<br />
könnten in ein Insolvenzplanverfahren eingebunden werden.<br />
108<br />
IV. Ergebnis<br />
Eine integrierte Unternehmensplanung erhöht die Sanierungschancen<br />
im Vorfeld der Insolvenz durch rechtzeitiges<br />
Erkennen von Krisenanzeichen. Damit werden die Leitungsorgane<br />
ihrer Leitungsfunktion gerecht, Schaden abzuwenden<br />
und den Gewinn zu maximieren.<br />
Gleichzeitig dient die integrierte Unternehmensplanung als<br />
Haftungsvermeidungsstrategie. Denn Vorstände und Geschäftsführer<br />
können mittels einer integrierten Unternehmensplanung,<br />
die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Planung<br />
entspricht, ihrer Darlegungs- und Beweislast für pflichtgemäßes<br />
Handeln genügen. Damit unterliegen sie wesentlich<br />
geringeren Haftungsgefahren aufgrund des bei Insolvenzreife<br />
der Gesellschaft eintretenden faktischen Haftungssprungs.<br />
Aus diesen Gründen sollte das System der integrierten Unternehmensplanung<br />
als »verbindlicher Pflichtmaßstab« angesehen<br />
werden. Lediglich der zeitliche und inhaltliche Detaillierungsgrad<br />
kann von den Leitungsorganen nach pflichtgemäßem<br />
Ermessen den Umständen des Unternehmens angepasst<br />
werden.<br />
Damit Leitungsorgane bereits im Vorfeld der Insolvenznähe<br />
ihrer Leitungsfunktion gerecht werden und Aufsichtsräte ihre<br />
Aufsicht angemessen ausüben können, sollte zumindest eine<br />
Informationsordnung durch Aufsichtsräte etabliert wer-<br />
den. 109<br />
Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />
In dieser Informationsordnung kann eine auf das<br />
jeweilige Unternehmen angepasste integrierte Unternehmensplanung,<br />
die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Planung<br />
entspricht, gefordert werden.<br />
In Insolvenznähe bzw. bei drohender Zahlungsunfähigkeit,<br />
sollten Leitungsorgane ein Insolvenzplanszenario in die Planung<br />
aufnehmen. Sind bei drohender Zahlungsunfähigkeit<br />
offensichtlich keine Restrukturierungsmaßnahmen mehr<br />
absehbar, mittels derer der spätere Eintritt der Zahlungsunfä-<br />
102 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.114f.<br />
103§49Abs.2<strong>GmbH</strong>G;s.K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>,4.Aufl.<br />
2009, Rn.2.468.<br />
104 Beschluss der Hauptversammlung gem. § 119 Abs. 2 AktG nur verbindlich,<br />
soweitEntscheidungverlangt,vgl.dazu:MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl. 2008,<br />
§93 Rn.23.<br />
105 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.43f.<br />
106 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.43f.<br />
107 Vgl. zu den Treupflichten K.Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, S. 243 f., 552 ff.<br />
und 587ff.<br />
108 Vgl. MüKo-InsO/Eidenmüller, 2.Aufl. 2008, vor §§217-269 Rn.60 m.w.N.<br />
109 Für gesetzliche Konkretisierung: Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1173ff.).<br />
<strong>InsVZ</strong> 1·2009 39
higkeit vermieden werden könnte, besteht Insolvenzantragspflicht<br />
im Interesse der Gesellschaft. Zumindest <strong>GmbH</strong>-<br />
Geschäftsführer müssen zuvor eine Abstimmung mit den<br />
Gesellschaftern suchen.<br />
Im Hinblick auf die unzureichende gesetzliche Verpflichtung<br />
zur Aufstellung einer integrierten Unternehmensplanung sollten<br />
entsprechende Verpflichtungen für die Leitungsorgane in<br />
den Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung und/oder in Geschäftsordnungen<br />
aufgenommen werden, die den individuellen<br />
Bedürfnissen der jeweiligen Unternehmen gerecht werden.<br />
Impressum<br />
Verlag: <strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong>,<br />
Luxemburger Straße 449, 50939 Köln<br />
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Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1.1.2010.<br />
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Erscheinungsweise: monatlich.<br />
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– dieSanierungschancenineinemgoing-concern Szenario<br />
nicht überwiegend wahrscheinlich sind,<br />
– aber andererseits noch ausreichende Substanz vorhanden<br />
ist, die Voraussetzung dafür ist, eine erfolgreiche Sanierung<br />
im Rahmen eines Insolvenzplan- oder Regelinsolvenzverfahrens<br />
durchzuführen.<br />
Bezugspreis: Jährlich 198,– €; Einzelheft 19,80 €; Kombi-Abo mit KTS<br />
jährlich 329,– €. Alle Preise zzgl. Versandkosten. Probeabo: 3 Hefte 20,– €<br />
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Umschlag: ARTENREICH Werbeagentur <strong>GmbH</strong>, Köln<br />
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■ die durch SGB II und XII neu formulierte Sicherung des<br />
Existenzminimums der Schuldner während des Verfahrens,<br />
■ die praktische und rechtliche Bewertung von Abtretungsklauseln,<br />
mit denen laufendes Arbeitseinkommen auf einzelne Gläubiger<br />
übertragen wird,<br />
■ das Schicksal von Lebensversicherungsverträgen im Insolvenzverfahren,<br />
■ die neue Gestaltung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens,<br />
■ die Bedeutung von Erwerbsobliegenheiten in der Treuhandphase.<br />
Abgerundet wird die Darstellung der verfahrensrechtlichen Regelungen<br />
durch einen systematischen Überblick zum Thema Verschuldung vor<br />
§ 286 InsO und den erweiterten und aktualisierten Überblick über die<br />
Rechtsentwicklung in europäischen Nachbarstaaten.<br />
Zu beziehen über Ihre Buchhandlung oder direkt beim Verlag.<br />
Kohte / Ahrens / Grote<br />
Verfahrenskostenstundung,<br />
Restschuldbefreiung und<br />
Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
Kommentar<br />
4., vollständig überarbeitete Auflage<br />
2009, XXXVIII, 551 Seiten, gebunden,<br />
inkl. Online-Zugriff auf die Datenbank des<br />
Frankfurter Kommentars zum Insolvenzrecht<br />
ISBN 978-3-472-07436-6<br />
Mit Online-Zugriff auf<br />
die Datenbank des FK-InsO<br />
Kohte • Ahrens • Grote<br />
Verfahrenskostenstundung,Restschuldbefreiung<br />
und<br />
Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
4. Auflage<br />
NEU<br />
Die Kommentierung zeichnet sich vor allem durch eine Vielzahl<br />
flexibler und praktischer Lösungen aus, die die Autoren für die<br />
während des Verbraucherinsolvenzverfahrens auftauchenden<br />
Fragen und Probleme anbieten. Einer der Schwerpunkte liegt dabei<br />
auch in der Diskussion von Vergleichslösungen im gerichtlichen und<br />
außergerichtlichen Bereich.<br />
Das Werk ermöglicht darüber hinaus den Zugriff auf die Datenbank<br />
des Frankfurter Kommentars zum Insolvenzrecht:<br />
Unter www.FK-InsO.de verschaffen einschlägige insolvenzrechtliche<br />
Entscheidungen, Formulare und Vorschriften dem Praktiker eine<br />
spürbare Arbeitserleichterung.<br />
Die Autoren:<br />
Dr. Wolfhard Kohte, Professor an der Universität Halle-Wittenberg;<br />
Dr. Martin Ahrens, Professor an der Universität Göttingen;<br />
Dr. Hugo Grote, Professor am RheinAhrCampus in Remagen.<br />
<strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong> • Niederlassung Neuwied<br />
Postfach 2352 • 56513 Neuwied • Telefon 02631 801-2222<br />
www.wolterskluwer.de • E-Mail info@wolterskluwer.de
138A0809<br />
„Eine herausragende Stellung in der<br />
insolvenzrechtlichen Literatur“<br />
Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck zur Voraufl age, in: NZI 8/2007<br />
NEU!<br />
Graf-Schlicker (Hrsg.)<br />
InsO<br />
Kommentar zur Insolvenzordnung<br />
Herausgegeben von<br />
MinDir Marie Luise Graf-Schlicker<br />
2. Aufl age 2010<br />
Ca. 1.400 Seiten.<br />
Gebunden € 98,-<br />
ISBN 978-3-8145-8139-2<br />
Erscheinungstermin: November 2009<br />
Inhalt Herausgeberin<br />
Unverzichtbar für Praktiker: Die Neuaufl age des herausragenden InsO-Kommentars ist ein<br />
wertvolles Arbeitsmittel im insolvenzrechtlichen Alltag – gerade wenn die Folgen der Wirtschaftskrise<br />
den Beratungsbedarf noch einmal ansteigen lassen.<br />
Das Werk bietet:<br />
� Übersichtliche Kommentierung im handlichen Format<br />
� Von Praktikern für Praktiker: ausgewiesene und praxiserfahrene Kenner der<br />
Materie bilden das Autorenteam<br />
�� �Eindeutige Schwerpunktsetzung bei praktisch relevanten Vorschriften<br />
�� �Lösungsvorschläge zu streitigen oder noch ungeklärten Rechtsfragen<br />
�� �Umfassende Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung (über 1.500 Entscheidungen)<br />
� Einschließlich Kommentierung von InsVV und Internationalem Insolvenzrecht<br />
� Mit Vereinfachungsgesetz, Regierungsentwurf des Entschuldungsgesetzes sowie Änderungen<br />
durch das MoMiG und FMStG<br />
�� �Exklusiv für Käufer des Buches: Online-Zugang auf die gesamte Kommentierung und auf<br />
zusätzliche Inhalte unter www.graf-schlicker.de<br />
Bestellschein: Versandkostenfreie Bestellung unter www.rws-verlag.de<br />
____ Expl. Graf-Schlicker (Hrsg.), InsO, € 98,-<br />
ISBN 978-3-8145-8139-2<br />
Name Firma<br />
Straße PLZ/Ort<br />
Datum/Unterschrift E-Mail<br />
Mit Nennung meiner E-Mail-Adresse erkläre ich mich einverstanden, über dieses Medium Informationen des RWS Verlags zu erhalten.<br />
Marie Luise Graf-<br />
Schlicker leitet als Ministerialdirektorin<br />
im Bundesjustizministerium<br />
die<br />
Abteilung Rechtspfl ege,<br />
zu der auch das Insolvenzrecht<br />
gehört.<br />
Dorthin wechselte sie<br />
vom Landgericht Bochum, dessen Präsidentin<br />
sie lange Jahre war. Zuvor befasste<br />
sie sich im Justizministerium des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen mit der Umsetzung<br />
der Insolvenzrechtsreform und leitete u.a.<br />
die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“.<br />
Sie ist durch eine Vielzahl von Veröff<br />
entlichungen bestens ausgewiesen.<br />
RWS Verlag<br />
Kommunikationsforum<br />
<strong>GmbH</strong><br />
Erhältlich in Ihrer Buchhandlung oder direkt beim RWS Verlag · Postfach 270125 · 50508 Köln · Fax: (0221) 400 88-77 · E-Mail: vertrieb@rws-verlag.de · www.rws-verlag.de<br />
�
Aus erster Hand<br />
Zu beziehen über Ihre Buchhandlung oder direkt beim Verlag.<br />
Godehard Kayser<br />
Höchstrichterliche Rechtsprechung<br />
zum Insolvenzrecht<br />
Unternehmensinsolvenz und Insolvenzanfechtung<br />
4. Auflage 2010,<br />
424 Seiten, kartoniert,<br />
€ 69,-<br />
Aus erster Hand bietet das Werk eine systematische Darstellung<br />
der aktuellen Rechtsprechung des BGH zum Insolvenzrecht und<br />
bereitet sie für die Insolvenzpraxis fallbezogen auf.<br />
Neben den Schwerpunkten Unternehmensinsolvenz und Insolvenzanfechtung<br />
erschließt es seinen Lesern die maßgebliche Entwicklung<br />
der Rechtsprechung zu den Eröffnungsvoraussetzungen sowie<br />
zum Eröffnungs- und Insolvenzplanverfahren. Ebenso werden die<br />
neuen Leitentscheidungen des II. und IX. Zivilsenats an der Schnittstelle<br />
von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht berücksichtigt.<br />
Besondere Kapitel sind der Rechtsprechung zu den haftungsrechtlichen<br />
Risiken des Insolvenzverwalters gewidmet. Aktuell eingearbeitet<br />
sind außerdem die Auswirkungen des MoMiG auf die<br />
Unternehmensinsolvenz.<br />
Die zu Leitsätzen zusammengefassten Kernaussagen der Entscheidungen,<br />
die auf das Wesentliche komprimierten Tatbestände und<br />
zahlreiche weiterführende Hinweise nebst ausführlichem Sach- und<br />
Entscheidungsregister bieten dem Praktiker eine schnelle und<br />
effektive Arbeitshilfe.<br />
Bestellen Sie mit diesem Coupon per Fax oder Brief versandkostenfrei innerhalb <strong>Deutschland</strong>s. Sie können<br />
Ihre Bestellung innerhalb von 2 Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax,<br />
E-Mail) oder durch Rücksendung der Ware widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser<br />
Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Ware<br />
an die <strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong>, Heddesdorfer Str. 31a, 56564 Neuwied. Im Falle eines wirksamen<br />
Widerrufs oder einer wirksamen Rückgabe sind die beiderseits empfangenen Leistungen (Ware bzw.<br />
Kaufpreis) zurückzugewähren. Die Rücksendung ist für Sie in jedem Fall kostenfrei.<br />
Geschäftsführer: Dr. Ulrich Hermann · HRB 58843 Köln · DE 188836808<br />
Bitte ausschneiden und einschicken.<br />
Bestellung bitte per Fax oder per Post an:<br />
27632/001<br />
Fax (gebührenfrei): (0 800) 801 801 8<br />
<strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong> • Niederlassung Neuwied<br />
Postfach 2352 • 56513 Neuwied • Telefon 02631 801-2222<br />
www.wolterskluwer.de • E-Mail info@wolterskluwer.de<br />
Ich bestelle:<br />
______ Expl. Höchstrichterliche Rechtsprechung<br />
zum Insolvenzrecht<br />
Name / Vorname<br />
Straße / Hausnummer<br />
PLZ / Ort<br />
€ 69,- • ISBN 978-3-452-27157-0<br />
Datum Unterschrift<br />
Godehard Kayser<br />
Höchstrichterliche<br />
Rechtsprechung<br />
zum Insolvenzrecht<br />
Unternehmensinsolvenz<br />
und Insolvenzanfechtung<br />
4. Auflage<br />
NEU<br />
Neuauflage 2010<br />
Der Autor:<br />
Prof. Dr. Godehard Kayser ist stellvertretender Vorsitzender des<br />
für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenats des BGH und<br />
Honorarprofessor an der Universität Münster. Auch aufgrund<br />
zahlreicher Veröffentlichungen zu Themen der Unternehmensinsolvenz<br />
und Insolvenzanfechtung sowie als gefragter Seminarreferent<br />
zählt er zu den renommiertesten deutschen Insolvenzrechtlern.<br />
✂
Unterstützung nach § 153a StPO und<br />
Bewährungsauflage möglich und notwendig!<br />
Stiftung „DAV contra Rechtsextremismus und Gewalt“ I Commerzbank: Kto. 2 078 296 01 I BLZ 370 800 40<br />
Wir schauen nicht weg!<br />
Stiftung „DAV contra Rechtsextremismus und Gewalt“<br />
Politisch motivierte Straftaten und Gewalt passieren<br />
hierzulande täglich. Schmerzen und Scham der<br />
Opfer lassen sich kaum in Worte fassen. Meist<br />
bleiben die Betroffenen ohne Namen und Gesicht.<br />
Noch immer schauen die meisten weg, strafen<br />
die Gequälten durch Missachtung doppelt.<br />
Die Notwendigkeit der Stiftungsarbeit ergibt sich<br />
aus den zahlreichen Fällen. Die Tätigkeitsberichte<br />
und weitere Infos unter:<br />
www.anwaltverein.de/ueber-uns/stiftung<br />
DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt<br />
Eine Unterstützung der Stiftung durch Spenden und<br />
Auflage (§ 153a StPO und Bewährungsauflage) ist möglich.<br />
Der Stiftungsfond übernimmt die Kosten für die<br />
Rechtsberatung und Rechtsvertretung von hilfsbedürftigen<br />
Opfern politisch motivierter Straftaten.<br />
Die Stiftung appelliert an alle zu spenden.<br />
Zudem bittet sie jeden einzelnen anzuregen,<br />
dass die Stiftung bei Einstellung der Verfahren<br />
nach § 153a StPO und bei Bewährungsauflagen<br />
begünstigt wird.<br />
Rechtsanwalt Micha Guttmann<br />
Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung<br />
Kontoverbindung:<br />
Commerzbank<br />
Konto-Nummer: 2 078 296 01<br />
BLZ: 370 800 40
Krisenmanager<br />
Das <strong>GmbH</strong>-Recht hat sich seit<br />
der Vorauflage dieses großartigen<br />
Standardwerkes so gewaltig<br />
geändert, dass jeder Berater<br />
erleichtert aufatmen wird, wenn<br />
er die grundlegend überarbeitete<br />
Neuauflage in Händen hält.<br />
Allein die <strong>GmbH</strong>-Reform hat<br />
weite Teile des Werkes auf eine<br />
völlig neue Basis gestellt. Da -<br />
rüber hinaus wird der Sanierung<br />
jetzt größeres Gewicht als bisher<br />
beigemessen. Grenzüber -<br />
schrei tende Insolvenz und<br />
geschäftsführerlose <strong>GmbH</strong> sind<br />
als neue Themen hinzugekommen.<br />
Und die Unternehmen -<br />
steuerreform wurde natürlich<br />
eingearbeitet. Kurzum, das Buch<br />
ist auf dem neuesten Stand.<br />
Unverändert ist sein einzigar-<br />
Mit<br />
MoMiG<br />
Karsten Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg.) Die <strong>GmbH</strong> in<br />
Krise, Sanierung und Insolvenz Gesellschafts -<br />
recht, Insolvenzrecht, Steuerrecht, Arbeitsrecht,<br />
Bankrecht und Organisation bei Krisenvermeidung,<br />
Krisenbewältigung und Abwicklung. 4., neu bearbeitete<br />
und erweiterte Auflage 2009, 1.166 Seiten<br />
Lexikonformat, gbd. 119,– €.<br />
ISBN 978-3-504-32209-0<br />
Bestellschein ausfüllen und faxen (02 21) 9 37 38-9 43<br />
tiges Konzept ge blieben. Ers tens:<br />
Der chronolo gische Auf bau nach<br />
den einzelnen Kri sen sta dien.<br />
Zweitens: Die integrierte Dar -<br />
stellung aller beratungs re le vanten<br />
Aspekte, wozu Gesell schafts recht,<br />
In solvenz recht, Steuer recht,<br />
Bank recht und Arbeitsrecht<br />
gehören.<br />
Die hochkarätigen Autoren<br />
werden Ihnen also auch nach<br />
neuester Rechtslage wieder für<br />
jedes Krisenstadium der Gesell -<br />
schaft sämtliche Handlungs -<br />
alter nativen aufzeigen.<br />
Karsten Schmidt/Uhlenbruck<br />
(Hrsg.), Die <strong>GmbH</strong> in Krise,<br />
Sa nierung und Insolvenz: Be -<br />
stellen oder vorher Probe lesen?<br />
www.otto-schmidt.de<br />
�✘ Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht Karsten Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg.) Die <strong>GmbH</strong> in<br />
Krise, Sanierung und Insolvenz 4. Auflage, gbd. 119,– € plus Versandkosten.<br />
ISBN 978-3-504-32209-0<br />
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________<br />
Name Straße PLZ Ort<br />
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________<br />
Telefon Fax Datum Unterschrift 6/09<br />
Bestellen Sie bei Ihrer Buchhandlung oder beim Verlag Dr. Otto Schmidt · Postfach 51 10 26 · 50946 Köln<br />
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