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InsVZ - Wolters Kluwer Deutschland GmbH

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<strong>InsVZ</strong><br />

Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung<br />

ISSN 1869-4268 | Art.-Nr.97802053<br />

Herausgeber:<br />

RiBGH Dr.Lutz Strohn<br />

RiBGH Ilse Lohmann<br />

RA/InsV Dr. Michael C.Frege<br />

WP/StB Bernd Richter<br />

RiAG Dr.Andreas Schmidt (Ltg.)<br />

eine Marke von <strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Ausgabe 1 2009<br />

Seite 1 – 40<br />

Unternehmensinsolvenz Großportfolios unter<br />

Insolvenzverwaltung<br />

Dr. Michael C. Frege/<br />

Dr. Sven-Holger Undritz<br />

Kapitalaufbringung nach dem<br />

MoMiG unter Berücksichtigung<br />

neuester BGH-Rechtsprechung<br />

Michael Kuleisa<br />

BVerfG: Auswahl des<br />

Insolvenzverwalters<br />

BGH: Bierbrauen als<br />

anfechtbare Rechtshandlung<br />

Privatinsolvenz BGH: Dreijährige Sperre für<br />

Schuldner bei Versagung der<br />

Restschuldbefreiung im ersten<br />

Insolvenzverfahren<br />

Sanierungs- und<br />

Insolvenzberatung<br />

AG Hamburg: Zur Obliegenheitsverletzung<br />

eines 67-jährigen<br />

Schuldners, der als Handelsvertreter<br />

selbstständig tätig ist<br />

Hamburger Thesenpapier<br />

September 2009: »Agieren statt<br />

reagieren – Restrukturierung auch<br />

mithilfe des Insolvenzverfahrens«<br />

Haftungssprung Insolvenzreife –<br />

ein Plädoyer für die integrierte<br />

Unternehmensplanung<br />

Bernd Richter/Dr. Maximilian Pluta<br />

www.<strong>InsVZ</strong>.de<br />

Seite 1<br />

Seite 8<br />

Seite 14<br />

Seite 18<br />

Seite 26<br />

Seite 28<br />

Seite 30<br />

Seite 31


Unverzichtbar für jeden<br />

Insolvenzrechtspraktiker<br />

Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl<br />

Handbuch des Fachanwalts<br />

Insolvenzrecht<br />

2010, ca. 1.900 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag,<br />

ca. € 154,-<br />

Erscheint voraussichtlich Dezember 2009<br />

ISBN 978-3-472-07619-3<br />

Die Insolvenzabwicklung bietet für Rechtsanwälte ein abwechslungsreiches<br />

und anspruchsvolles Betätigungsfeld. Dies<br />

verdeutlicht auch der Fächerkanon der Fachanwaltsordnung.<br />

Neben Kenntnissen zum materiellen Insolvenzrecht und zum<br />

Insolvenzverfahrensrecht werden vom Fachanwalt auch<br />

betriebswirtschaftliche Grundlagen sowie Kenntnisse der<br />

angrenzenden Rechtskreise erwartet. Das Handbuch orientiert<br />

sich an diesen Anforderungen und bietet daher auch ausführliche<br />

Darstellungen zum Arbeits- und Sozialrecht, Gesellschafts-<br />

und Steuerrecht sowie zum Insolvenzstrafrecht.<br />

Daneben werden sowohl allgemeine betriebswirtschaftliche<br />

Aspekte als auch Bereiche wie Bilanzanalyse bzw. Bilanzierung<br />

behandelt.<br />

Die Neuauflage bringt das Werk auf den Gesetzesstand der<br />

ausgehenden 16. Legislaturperiode. Sie berücksichtigt neben<br />

der in fast allen Bereichen ergangenen umfangreichen Rechtsprechung<br />

insbesondere die Änderungen durch<br />

■ das Gesetz zur Modernisierung des <strong>GmbH</strong>-Rechts und zur<br />

Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG),<br />

■ das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) mit der<br />

befristeten Neudefinition des Überschuldungsbegriffs<br />

(§ 19 Abs. 2 InsO),<br />

■ das im März 2009 vom Bundestag verabschiedete<br />

Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG).<br />

Zu beziehen über Ihre Buchhandlung oder direkt beim Verlag.<br />

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Die Herausgeber:<br />

Dr. Klaus Wimmer, Ministerialrat und Referatsleiter Insolvenzrecht<br />

im Bundesministerium der Justiz;<br />

Dr. Jörg Dauernheim, Rechtsanwalt und Fachanwalt für<br />

Steuerrecht und Insolvenzrecht, Insolvenzverwalter, Altenstadt;<br />

Martin Wagner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht,<br />

Stuttgart;<br />

Dr. Josef Gietl, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht,<br />

München.<br />

<strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong> • Niederlassung Neuwied<br />

Postfach 2352 • 56513 Neuwied • Telefon 02631 801-2222<br />

www.wolterskluwer.de • E-Mail info@wolterskluwer.de


Editorial<br />

Andreas Schmidt<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

vor Ihnen liegt die erste Ausgabe der »<strong>InsVZ</strong> – Zeitschrift für Insolvenzverwaltung<br />

und Sanierungsberatung«. »Noch eine neue Zeitschrift?« werden Sie vielleicht<br />

fragen. Verlag und Herausgeber sind überzeugt: Ja, Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung,<br />

das gehört heute mehr denn je zusammen!<br />

Die »Hamburger Thesen« (S.30), entwickelt am runden Tisch von Sanierungsberatern<br />

und Insolvenzverwaltern, sind im Grundsatz ein richtiges Signal zur richtigen<br />

(Finanzkrisen-)Zeit. Sie zeigen, dass da was miteinander geht! Ob das dort postulierte<br />

»Sanierungsgesetz« notwendig ist, erscheint jedenfalls mir – aus der Perspektive<br />

eines Insolvenzrichters, der stets die Sanierungsfunktion des Insolvenzrechts zu<br />

fördern versucht hat – keinesfalls zwingend. Denn: Die Insolvenzordnung ist auch<br />

ein Sanierungsgesetz und wird – wie aktuelle Großverfahren wie etwa die Märklin-<br />

Insolvenz zeigen – auch mehr und mehr als solches wahrgenommen.<br />

Gefordert sind alle Beteiligten: Die Sanierungsberater, die naturgemäß zunächst die<br />

Sanierung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens versuchen, nach Eintritt der<br />

Insolvenzreife aber den Verantwortlichen des Krisen-Unternehmens die Scheu vor<br />

dem Insolvenzantrag nehmen müssen, die Insolvenzrichter, die bei der Auswahl des<br />

(vorläufigen) Insolvenzverwalters verantwortungsvoll mit Anregungen aus der<br />

Sphäre des insolvenzreifen, aber sanierungsfähigen Unternehmens umgehen müssen,<br />

und die Insolvenzverwalter, die mehr denn je echtes Sanierungs-Know-how<br />

brauchen, sowieso.<br />

Die »<strong>InsVZ</strong>« wird ab Januar 2010 monatlich erscheinen. Sie wird stets drei Rubriken<br />

enthalten. Erster Schwerpunkt ist die Unternehmensinsolvenz. Hier werden zum<br />

einen wichtige Entscheidungen vor allem des BGH, aber auch der Instanz- und der<br />

Insolvenzgerichte abgebildet und analysiert. Den Anfang macht eine ausführliche<br />

Besprechung der Entscheidungen »Qivive« und »cashpool II« des II. Zivilsenats des<br />

BGH von Michael Kuleisa. Daneben erscheinen Aufsätze namhafter Autoren zu<br />

aktuellen Themen, diesmal Frege/Undritz zu »Großportfolios unter Insolvenzverwaltung«.<br />

Mit Dr. Lutz Strohn, stellvertretender Vorsitzender des II. Zivilsenates des BGH<br />

(»Gesellschaftsrecht-Senat«), Ilse Lohmann, Mitglied im IX. Zivilsenat des BGH<br />

(»Insolvenzrecht-Senat«) und Dr. Michael Frege, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter,<br />

stehen gleich drei Mitherausgeber bereit, die diesen Bereich kompetent<br />

begleiten.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 I


II<br />

Editorial<br />

Die zweite – deutlich kleinere – Rubrik widmet sich der Privatinsolvenz. Auch in diesem<br />

Bereich, der sich längst zu einer facettenreichen Spezialmaterie entwickelt hat,<br />

sollte jeder, der als Sanierungs- bzw. Insolvenzberater tätig ist, die Übersicht behalten;<br />

für moderne Insolvenzverwalter ist der souveräne Umgang mit Fragen aus diesem<br />

Bereich ohnehin unverzichtbare Kernkompetenz. Der Fokus liegt hier auf wichtigen<br />

gerichtlichen Entscheidungen bzw. Übersichten, die Insolvenzverfahren über<br />

das Vermögen von (ehemaligen) Geschäftsführern, Gesellschaftern und Selbstständigen<br />

wie Gewerbetreibenden und Freiberuflern betreffen.<br />

Den zweiten Schwerpunkt (und zugleich die dritte Rubrik) bildet die Sanierungsund<br />

Insolvenzberatung. Begleiten wird diese Rubrik unser Mitherausgeber Bernd<br />

Richter, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei Ernst & Young. Rechtsprechung<br />

wird hier eher selten abgebildet. Im Vordergrund stehen Beiträge zu vielfältigen<br />

Beratungsthemen (etwa: Erstellung von Sanierungskonzepten und Insolvenzplänen,<br />

Krisenmanagement, distressed M & A, distressed debt, ferner Fragen der Beraterhaftung<br />

und des Steuerrechts), die die »Denke« des Beraters transportieren und<br />

damit auch zum gegenseitigen Verständnis des Beraters und des Verwalters beitragen<br />

sollen. Diesmal: Richter/Pluta zum »Haftungssprung Insolvenzreife«.<br />

Zum Abschluss noch ein Tipp: Abonnieren Sie noch heute die <strong>InsVZ</strong> und freuen Sie<br />

sich auf ein ereignisreiches Jahr 2010!<br />

Besten Gruß,<br />

Andreas Schmidt<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


<strong>InsVZ</strong><br />

Zeitschrift für Insolvenzverwaltung<br />

und Sanierungsberatung<br />

INHALT 1 · 2009<br />

Editorial I<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />

Dr. Michael C. Frege/Dr. Sven-Holger Undritz 1<br />

Kapitalaufbringung nach dem MoMiG unter<br />

Berücksichtigung neuester BGH-Rechtsprechung<br />

Michael Kuleisa 8<br />

BVerfG, Beschluss vom 03.08.2009, 1 BvR 369/08:<br />

Verfassungskonformität von Kriterien für die Aufnahme<br />

eines Bewerbers in die sog. Vorauswahlliste<br />

des Insolvenzrichters; insb.: Kriterium der höchstpersönlichen<br />

Aufgabenwahrnehmung 14<br />

BGH, Urteil vom 09.07.2009, IX ZR 86/08:<br />

Bierbrauen als anfechtbare Rechtshandlung<br />

i.S.d. §129 Abs.1 InsO 18<br />

BGH, Urteil vom 16.07.2009, IX ZR 118/08:<br />

Keine befreiende Leistung des Gläubigers bei Zahlung<br />

an den Schuldner in Kenntnis des eröffneten<br />

Insolvenzverfahrens 21<br />

AG Hamburg, Beschluss vom 08.07.2009, 67a IN<br />

220/09: Sonderinsolvenzverfahren über das Vermögen<br />

einer voll beendeten GbR 23<br />

Top Ten: Rechtsprechung des BGH zur Unternehmensinsolvenz<br />

25<br />

Privatinsolvenz<br />

BGH, Beschluss vom 16.07.2009, IX ZB 219/08:<br />

Dreijährige Sperre für Schuldner im zweiten Insolvenzverfahren<br />

bei Versagung der Restschuldbefreiung<br />

im ersten Verfahren 26<br />

AG Hamburg, Beschluss vom 26.08.2008, 67g IN<br />

431/02: Zur Obliegenheitsverletzung i.S.d. §295<br />

Abs.2 InsO eines 67-jährigen Schuldners, der als<br />

Handelsvertreter selbstständig tätig ist 28<br />

Herausgegeben von<br />

Dr.Lutz Strohn, Richter am BGH, Karlsruhe<br />

Ilse Lohmann, Richterin am BGH, Karlsruhe<br />

Dr.Michael C.Frege, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Frankfurt/M.<br />

Bernd Richter, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Diplom-Kaufmann, Hamburg<br />

Dr.Andreas Schmidt, Richter am AG Hamburg (Schriftleitung)<br />

Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />

Hamburger Thesenpapier September 2009:<br />

»Agieren statt reagieren – Restrukturierung auch<br />

mit Hilfe des Insolvenzverfahrens«<br />

Dokumentation 30<br />

Haftungssprung Insolvenzreife – ein Plädoyer für<br />

die integrierte Unternehmensplanung<br />

Bernd Richter/Dr. Maximilian Pluta 31<br />

Impressum 40<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 III


Damit liegen Sie<br />

immer richtig.<br />

Nach dem großen Erfolg der<br />

Erstausgabe dürfen Sie sich jetzt<br />

über die aktuelle Neuauflage dieses<br />

Handbuchs freuen: das gesamte<br />

Insolvenzrecht mandats bezogen<br />

aufbereitet. Aus Sicht des<br />

Anwalts – ob er nun Insol venz -<br />

verwalter, Berater des Schuldners<br />

oder eines Gläubigers ist. Ob<br />

alter Hase oder ein Kollege, der<br />

in diese haftungsträchtige Mate -<br />

rie erst noch hineinwachsen muss.<br />

Hochkarätige Insolvenzrechts -<br />

prak ti ker haben wieder alle denk -<br />

baren Beratungssituationen so<br />

aufbereitet, dass Sie in jedem Fall<br />

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<strong>InsVZ</strong> 1/2009<br />

Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung<br />

<strong>InsVZ</strong> 2009, 1–40<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />

Dr. Michael C. Frege / Dr. Sven-Holger Undritz*<br />

I. Einleitung<br />

Die Finanzkrise hat zu Insolvenzverfahren über das Vermögen<br />

vonWertpapierhandelshäuserngeführt.IndiesenFällenfindet<br />

der Insolvenzverwalter Wertpapierportfolios vor, die der<br />

Insolvenzschuldner im Rahmen des Eigenhandels erworben<br />

hat. Solche Portfolios können ein beachtliches Volumen besitzen.<br />

Bei ihrer Verwaltung und Verwertung stellen sich für den<br />

Insolvenzverwalter insolvenzrechtliche Fragen, auf die Rechtsprechung<br />

und Literatur bislang noch keine sicheren Antworten<br />

bieten. Der folgende Beitrag stellt sich den entsprechenden<br />

Fragen und skizziert Antworten, die insbesondere die<br />

wirtschaftliche Situation und Funktionsweise der Finanzmärkte<br />

berücksichtigen.<br />

II. Problemaufriss<br />

Bei der Insolvenzverwaltung eines Wertpapierhandelshauses<br />

drängt sich ein Bündel von Fragen auf: Wie ist mit Wertpapierportfolios,<br />

die in der Insolvenzmasse vorgefunden werden,<br />

umzugehen? Welche Maßgaben gelten für die Verwaltung,<br />

z.B. im Hinblick auf die Sicherung des jeweiligen Wertes<br />

gegen Währungs- oder Kursschwankungen und welche<br />

Maßgaben gelten für die Verwertung? Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass solche Wertpapierportfolios ein beachtliches<br />

Volumen besitzen können. Ihre Verwertung kann signifikanten<br />

Einfluss auf den Marktwert der darin enthaltenen Wertpapiere<br />

nehmen. Das gilt besonders in Zeiten illiquider Märkte:<br />

Dann trifft ein durch die Insolvenz verursachtes großes Angebot<br />

gegebenenfalls auf wenig Nachfrage. Hinzu kommt, dass<br />

die Wertpapiermärkte in Krisenzeiten besonders volatil sind.<br />

Die Marktteilnehmer reagieren nervös. Preise schwanken<br />

beträchtlich und mit ihnen der Marktwert der Insolvenzmasse.<br />

Der Insolvenzverwalter ist vor diesem Hintergrund<br />

mit der Frage konfrontiert, wie er pflichtgemäß verwaltet und<br />

verwertet. Jede Entscheidung des Insolvenzverwalters kann zu<br />

beachtlichen Wertschwankungen führen; dies bedeutet ein<br />

hohes Haftungsrisiko. Die Klärung rechtlicher Fragen tut hier<br />

also not. Gleichwohl bieten Rechtsprechung und Literatur,<br />

soweit ersichtlich, noch keine hinreichenden Lösungen, weil<br />

sich die Fragen vor der Finanzkrise kaum gestellt haben.<br />

III. Beginn der Verwertungsbefugnis<br />

Der Insolvenzverwalter muss sich die Frage stellen, wann er mit<br />

der Verwertung beginnen darf. Fest steht, dass der Verwalter<br />

mit der Verwertung beginnen darf, wenn der Berichtstermin<br />

(§ 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO) stattgefunden hat (§ 159 InsO).<br />

Schwieriger zu beantworten ist jedoch die Frage, ob der Insolvenzverwalter<br />

auch schon im Zeitraum zwischen Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens (§27 InsO) und dem Berichtstermin verwerten<br />

darf. Dieser Zeitraum kann mehrere Monate umfassen.<br />

Diese Frage hat wirtschaftliche und haftungsrechtliche<br />

Bedeutung: In dieser Zeit können sich für Teile eines Wertpa-<br />

pierportfolios nämlich besonders günstige Veräußerungsgelegenheiten<br />

bieten. Die Veräußerung bestimmter Wertpapiere<br />

kann aus der ex ante-Perspektive aber auch geboten sein, um<br />

einen weiteren Wertverfall des Schuldnervermögens wegen<br />

möglicher weiterer Kursverluste zu verhindern (»Stop loss«-<br />

Veräußerung). Aus der ex post-Perspektive kann sich (gerade<br />

angesichts besonders volatiler Finanzmärkte) jedoch wiederum<br />

herausstellen, dass sich später noch günstigere Veräußerungsgelegenheiten<br />

geboten haben oder Kursverluste wieder<br />

aufgeholt worden sind, so dass sich die »Stop loss«-Veräußerung<br />

im Nachhinein als ungünstig erweist. Sollten einzelne<br />

Gläubiger dem Insolvenzverwalter dann vorwerfen, er hätte<br />

vor Berichtstermin gar nicht veräußern dürfen, würde sich die<br />

Haftungsfrage stellen.<br />

Ein solcher Vorwurf geht indes fehl. Vielmehr ist der Insolvenzverwalter<br />

auch vor dem Berichtstermin zur Veräußerung<br />

von Wertpapieren aus dem Vermögen eines Wertpapierhändlers<br />

befugt. Dies ergibt sich wie folgt:<br />

1. § 80 Abs.1 InsO<br />

Gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse<br />

gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen,<br />

auf den Insolvenzverwalter über. Die Art und Weise<br />

der Verwertung des Vermögens liegt in seinem »pflichtgemäßen<br />

Ermessen« 1 und er kann die Aktiva des Schuldnervermögens<br />

grundsätzlich ebenso verwerten, wie der Schuldner dies<br />

ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens könnte. 2<br />

2. Keine Einschränkung aus §§158, 159 InsO<br />

Aus §§ 158, 159 InsO folgt nichts anderes. Zwar sieht § 159<br />

InsO vor, dass der Insolvenzverwalter »nach dem Berichtstermin<br />

[...] unverzüglich das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen<br />

zu verwerten« hat. Ein ausdrückliches Verbot, Vermögensgegenstände<br />

vor dem Berichtstermin zu verwerten, enthält<br />

die InsO demgegenüber nicht. Vielmehr ermöglicht<br />

§158 Abs.1 InsO gerade den Umkehrschluss.<br />

§158 Abs.1 InsO schreibt vor, dass der Insolvenzverwalter die<br />

Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen hat, wenn<br />

* Dr. Michael C. Frege, Insolvenzverwalter und Partner der Sozietät<br />

CMS Hasche Sigle, Dr. Sven-Holger Undritz, Insolvenzverwalter und Partner<br />

der Sozietät White & Case. Die Autoren danken Herrn Rechtsanwalt Marco<br />

Buschmann von der Sozietät White & Case für seine Anregungen und die<br />

Bearbeitung des Manuskripts.<br />

1 BGH, Urt. v. 25.04.2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353; Kübler/Prütting/<br />

Bork/Onusseit, InsO, Lfg. 4/08, § 159 Rn. 5; Nerlich/Römermann/Balthasar,<br />

InsO, Lfg. 5/07, §159 Rn. 6; Bönner, Unternehmerisches Ermessen und Haftung<br />

des Insolvenzverwalters im Vergleich mit anderen gesetzlich geregelten<br />

Vermögens-Verwaltern, Diss. Münster 2009.<br />

2 MüKo-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. 2008, §80 Rn.48.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 1


das Unternehmen stillgelegt oder veräußert werden soll. Im<br />

Umkehrschluss bedeutet dies, dass für alle anderen Rechtsgeschäfte<br />

die Zustimmung nicht erforderlich ist – einschließlich<br />

etwaiger Verwertungshandlungen. Die in § 158 InsO festgelegte<br />

Handlungssperre soll lediglich sicherstellen, dass der<br />

Insolvenzverwalter nicht vor der Gläubigerversammlung über<br />

den Bestand des Unternehmens des Insolvenzschuldners entscheidet.<br />

Eine Stilllegung bzw. sonstige Handlung des Verwalters,<br />

die die Entscheidung der Gläubiger über den Fortgang<br />

des Verfahrens obsolet machen, ihr also vorgreifen würde, ist<br />

nach § 158 InsO untersagt. Daraus ist jedoch zu schließen,<br />

dass die Verwertung nicht grundsätzlich untersagt ist. Vielmehr<br />

gilt die Handlungssperre lediglich dann, wenn sie die<br />

Insolvenzmasse in ihrem Bestand so verändert, dass den strategischen<br />

Entscheidungen der Gläubiger über den Verlauf des<br />

Verfahrens vorgegriffen wird.<br />

Daraus kann man folgern, dass die Veräußerung von Vermögensgegenständen<br />

des Schuldners vor Berichtstermin ohne<br />

Weiteres zulässig ist, wenn damit nicht die Stilllegung oder<br />

Veräußerung »des Unternehmens« verbunden ist. Unterwirft<br />

das Gesetz nämlich nur Stilllegung und Veräußerung vor<br />

Berichtstermin den genannten Zustimmungserfordernissen,<br />

heißt das, dass der Insolvenzverwalter vor Berichtstermin im<br />

Übrigen zur Verwertung einzelner Vermögensgegenstände<br />

berechtigt ist. Im Schrifttum heißt es dazu ausdrücklich:<br />

»Etwas allgemeiner lässt sich sagen, dass § 159 die Veräußerung<br />

von Umlaufvermögen vor dem Berichtstermin nicht<br />

untersagt, soweit es nicht ausnahmsweise für die Fortsetzung<br />

erforderlich ist, …« 3<br />

DieVeräußerungvonWertpapierenausdemVermögeneines<br />

Wertpapierhändlers ist danach zulässig, weil sie nicht zur Stilllegung<br />

oder Veräußerung seines Unternehmens führt. Fehlen<br />

die Wertpapiere bei einer späteren Veräußerung des Unternehmens<br />

des Schuldners, weil der Insolvenzverwalter die fehlenden<br />

Wertpapiere bereits vorher veräußert hat, so sinkt<br />

voraussichtlich nur der Kaufpreis, den der Erwerber zu zahlen<br />

bereit ist. Für die Fortführung des Unternehmens eines Wertpapierhandelshauses<br />

dürften viel eher Mitarbeiter, Marke und<br />

Kundenbeziehungen entscheidend sein. Eine Veräußerung<br />

der Wertpapiere berührt solche assets nicht.<br />

3. Teleologische Reduktion bei fehlender<br />

Fortführungsbeeinträchtigung<br />

Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch dann, wenn man<br />

zwar ein grundsätzliches Verbot der Verwertung von Vermögensgegenständen<br />

vor Berichtstermin aus den §§ 158, 159<br />

InsO unterstellt, dieses Verbot aber teleologisch reduziert.<br />

Nach Sinn und Zweck der §§ 158, 159 InsO sollen sie die<br />

Chance einer Unternehmensfortführung wahren, d.h. die<br />

Erhaltung des Betriebes als Ganzem oder in Teilen als lebende<br />

Einheit(en) ohne Zerschlagung und unter Erhaltung von<br />

Arbeitsplätzen. 4<br />

Daher ist im Schrifttum anerkannt, dass der<br />

Insolvenzverwalter jedenfalls dann vor dem Berichtstermin<br />

verwerten darf, wenn feststeht, dass der Betrieb nicht mehr<br />

fortgeführt werden kann, weil er endgültig stillgelegt worden<br />

ist 5<br />

und damit das Verbotsziel nicht mehr erreicht werden<br />

kann. Die gleiche teleologische Reduktion muss dann auch<br />

für Fälle gelten, in denen lediglich einzelne Vermögensgegenstände<br />

veräußert werden, die die Fortführung des Unterneh-<br />

2<br />

Unternehmensinsolvenz Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />

mens und damit den Verbotszweck nicht berühren. Bei fehlender<br />

Fortführungsbeeinträchtigung muss dasselbe gelten<br />

wie bei fehlenden Fortführungsaussichten.<br />

4. Wertung aus § 22 InsO<br />

Zudem spricht ein Wertungsargument für die Befugnis des<br />

Insolvenzverwalters, auch vor Berichtstermin verwerten zu<br />

dürfen: Die Regelungen aus §22 InsO erlauben es selbst dem<br />

vorläufigen Insolvenzverwalter unter bestimmten Umständen,<br />

Verwertungsmaßnahmen zu ergreifen. 6 Wenn aber sogar<br />

der vorläufige Insolvenzverwalter vor Berichtstermin verwerten<br />

darf,dannmussdieserstrechtderInsolvenzverwalterdürfen.<br />

IV. Verwertungspflicht vor Berichtstermin?<br />

Da der Insolvenzverwalter bereits vor Berichtstermin zur Veräußerung<br />

befugt ist, stellt sich die Frage, ob er auch zur Veräußerung<br />

von Wertpapieren vor Berichtstermin verpflichtet ist.<br />

Eine allgemeine Pflicht zur Veräußerung von Wertpapieren<br />

besteht für den Insolvenzverwalter jedoch nicht.<br />

1. Aus allgemeinem Spekulationsverbot?<br />

Eine solche Pflicht des Insolvenzverwalters zur Verwertung vor<br />

Berichtstermin folgt nicht aus dem insolvenzrechtlichen Spekulationsverbot.<br />

Zwar leiten Rechtsprechung und Schrifttum<br />

aus dem Zweck des Insolvenzverfahrens das Verbot von SpekulationsgeschäftenfürdenInsolvenzverwalterab:Daesseine<br />

vordringliche Aufgabe sei, das vorhandene Vermögen zu<br />

sichern und zu erhalten, 7 verstößt der Insolvenzverwalter gegen<br />

seine Pflichten, wenn er Spekulationsgeschäfte abschließt. 8 Fest<br />

steht auch, dass jedenfalls ein Ankauf von risikobehafteten<br />

Wertpapieren durch den Insolvenzverwalter gegen das Spekulationsverbot<br />

verstößt. 9 Ob damit aber auch ein Gebot zu<br />

unverzüglicher Veräußerung verbunden ist, ist bislang nicht<br />

Die besseren Gründe sprechen jedoch dagegen.<br />

geklärt. 10<br />

a) Systematik<br />

Eine solche Verwertungspflicht ist jedenfalls kein allgemeines<br />

Merkmal der Verwaltertätigkeit. Denn die systematische Analyse<br />

der Rechtslage für andere Verwalter fremder Vermögen<br />

mit gesetzlichem Auftrag als dem Insolvenzverwalter gibt keinen<br />

Anlass dazu anzunehmen, dass eine allgemeine Pflicht<br />

existiere, vorgefundene Wertpapiere zu veräußern:<br />

Für den Testamentsvollstrecker hat das OLG Köln entschieden,<br />

dass er nicht ohne Weiteres verpflichtet ist, selbst bei fallenden<br />

Kursen Aktien aus dem Nachlass abzustoßen und in<br />

sichere Anlagen umzuwandeln. 11<br />

3 Kübler/Prütting/Bork/Onusseit, InsO, Lfg.4/08, §159 Rn.4 m.w.N.<br />

4 MüKo-InsO/Füchsl/Weishäupl (o. Fn. 2), §148 Rn.8.<br />

5 MüKo-InsO/Füchsl/Weishäupl (o. Fn. 2), §148 Rn.8.<br />

6 Vgl. BGH, Beschl. vom 14.12.2000, IX ZB 105/00, WM 2001, 430 (434).<br />

7 OLG Celle, Urt. vom 14.06.2006, 3 U 20/06; Smid/Smid, InsO, 2.Aufl. 2001,<br />

§60 Rn.25.<br />

8 Ebenda siehe auch bereits RG, Urt. vom 30.05.1892, VI 336/91, RGZ 29, 80<br />

(84).<br />

9 OLG Celle, Urt. vom 14.06.2006, 3 U 20/06; MüKo-InsO/Ott/Vuia (o. Fn. 2),<br />

§80 Rn.62.<br />

10 Mohrbutter/Ringstmeier/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung,<br />

8.Aufl. 2007, §23 Rn.117 präzisiert das Spekulationsverbot zwar insofern, als<br />

dass er der Ansicht ist, es gelte auch für Wertpapiere, die der Insolvenzverwalter<br />

im Vermögen des Schuldners vorfindet; ob damit aber auch eine Veräußerungspflicht<br />

einhergeht, lässt er offen.<br />

11 Zitiert nach MüKo-BGB/Zimmermann, 4. Aufl. 2004, §2219 Rn.14.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


Für den Vormund hat der Gesetzgeber lediglich eine Prüfungspflicht<br />

angeordnet: Zu der Anlage von Geld bestimmt<br />

§1806 BGB, dass dieses verzinslich in den Anlageformen des<br />

§ 1807 BGB (d.h. in verzinslichen Schuldverschreibungen,<br />

Pfandbriefen, etc. von juristischen Personen des öffentlichen<br />

Rechts oder in durch sichere Grundpfandrechte gesicherte<br />

Forderungen) anzulegen ist. Findet der Vormund Vermögenswerte<br />

von geringerer Sicherheit vor, so muss er nach der Lage<br />

des Falles entscheiden, ob er diese in eine mündelsichere<br />

Anlage umwandelt. 12 Eine Pflicht zur Veräußerung solcher<br />

Vermögensgegenstände folgt nicht aus §1806 BGB.<br />

Gleiches gilt für den Nachlasspfleger: ZudenPflichtendes<br />

Nachlasspflegers gehört es insbesondere, den Nachlass zu<br />

erhalten und zu verwalten. 13 Gemäß §1915 Abs. 1 BGB finden<br />

auf die Verpflichtungen des Nachlasspflegers die Vorschriften<br />

über die Vormundschaft entsprechende Anwendung.<br />

Auch er muss also bei vorgefundenen Vermögenswerten<br />

von geringerer Sicherheit nur prüfen, ob er diese in eine<br />

mündelsichere Anlage umwandelt. 14<br />

Allein für den Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft<br />

nimmt das OLG Celle eine Ausnahme an: Es hat<br />

entschieden, dass dieser eine Instandhaltungsrücklage anders<br />

anlegen müsse, wenn diese zuvor risikoreich angelegt worden<br />

ist. 15<br />

Der Verwalter hafte den Wohnungseigentümern, wenn<br />

er untätig bleibe, obwohl Gelder entgegen den Grundsätzen<br />

einer ordnungsgemäßen Verwaltung angelegt werden. Dies<br />

gilt selbst dann, wenn die Wohnungseigentümer selbst den<br />

Beschluss zur risikoreichen Anlage getroffen haben.<br />

Trotz dieser letzten Ausnahme spricht das systematische Bild<br />

eher gegen eine Veräußerungspflicht als dafür.<br />

b) Telos<br />

Klarer ist die Sprache, die Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens<br />

sprechen: Eine allgemeine Pflicht zur Veräußerung<br />

von Wertpapieren vor Berichtstermin, die sich aus dem Spekulationsverbotergebenkönne,scheidetdanachaus.Denn<br />

nach Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens muss der Insol-<br />

venzverwalter bestrebt sein, möglichst günstig zu verwerten. 16<br />

Eine Pflicht zur Verwertung vor Berichtstermin aber stünde<br />

im Widerspruch zu diesem Zweck:<br />

Eine übereilte Verwertung17 desPortfoliosdesSchuldnersbis<br />

zu einem kurzfristig anstehenden Termin (wie dem Berichtstermin)<br />

nämlich machte den Wert der Masse in besonderer<br />

Weise anfällig für das taktische Verhalten anderer Akteure auf<br />

den Finanzmärkten. Solches Verhalten ist bei kleineren Portfolios<br />

nicht zu erwarten, liegt bei einem Großportfolio aber<br />

nahe. Würde nämlich im Markt bekannt, welche Wertpapiere<br />

der Insolvenzverwalter so schnell wie möglich zu veräußern<br />

verpflichtet wäre, provoziert dies Reaktionen anderer Marktteilnehmer.<br />

Diese könnten etwa selbst »übereilt« veräußern,<br />

weil sie Kursverluste durch die Verwertung befürchten. Das<br />

führt zu fallenden Kursen und damit zu Wertverlusten zulasten<br />

der Masse. Andere Marktteilnehmer könnten motiviert<br />

sein, die betroffenen Wertpapiere möglichst günstig zu erwerben.<br />

Sie könnten sich daher bewusst so positionieren, dass die<br />

Kurse der entsprechenden Wertpapiere im Zeitraum, den der<br />

Insolvenzverwalter für die Verwertung vorsieht, besonders<br />

stark fallen, um dann selbst möglichst günstig erwerben zu<br />

Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

können. Auch dies führte zu Wertverlusten zulasten der<br />

Masse.<br />

2. Aus Grundsätzen für verderbliche Ware?<br />

Aus den Grundsätzen zur Verwertung verderblicher Ware<br />

folgt kein anderes Ergebnis.<br />

Für verderbliche Waren ist anerkannt, dass diese sogar der vorläufige<br />

Insolvenzverwalter verwerten darf. 18 Ob daraus eine<br />

Pflicht zur Veräußerung folgt, kann hier gänzlich offen bleiben,<br />

weil die Grundsätze für verderbliche Waren nicht auf risikobehaftete<br />

Wertpapiere anwendbar sind. Denn verderbliche<br />

Waren zeichnen sich dadurch aus, dass feststeht, dass sie ihren<br />

Wert kurzfristig durch bloßen Zeitablauf dauerhaft verlieren.<br />

Bei Wertpapieren jedoch ist gerade das nicht der Fall.<br />

Die Entwicklung von Wertpapierkursen lässt sich nicht<br />

zuverlässig prognostizieren. Weder Kursverluste noch -gewinne<br />

stehen dauerhaft fest: Nach dem Stand der wirtschaftwissenschaftlichen<br />

Forschung kann allenfalls die sogenannte<br />

Volatilität (auch: Standardabweichung oder Varianz) eines<br />

Wechselkurses oder eines Wertpapierkurses ermittelt werden.<br />

Volatilität bemisst, in welchem Umfang Kurse durchschnittlich<br />

von ihrem historischen Durchschnittswert in der Vergangenheit<br />

abgewichen sind. Die Abweichung meint sowohl<br />

Kurssteigerungen als auch Kursverluste, also Abweichungen<br />

nach oben wie nach unten. Volatilität macht also nur Aussagen<br />

über die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Kursänderung,<br />

aber nicht dazu, ob diese Änderung einen Kursgewinn<br />

oder -verlust bewirkt.<br />

Da mithin keine zuverlässigen Aussagen über künftige Kursentwicklungen<br />

gemacht werden können, kann auch keine<br />

Aussage zur künftigen Wertentwicklung von Wertpapieren<br />

gemacht werden. Daher steht auch nicht fest, ob sie kurzfristig<br />

durch bloßen Zeitablauf an Wert verlieren. Ebenso wenig<br />

steht fest, ob ein erfolgter Kursverlust von Dauer ist oder<br />

durch eine Kurssteigerung in absehbarer Zeit wieder aufgeholt<br />

werden kann. Wertpapiere sind daher nicht als verderbliche<br />

Ware qualifizierbar. Die Grundsätze zur Verwertung verderblicher<br />

Ware sind dementsprechend nicht auf Wertpapiere<br />

anwendbar, so dass sich hieraus auch keine Veräußerungspflicht<br />

vor Berichtstermin ableiten lässt.<br />

V. Ermessensausübung bei Verwertung<br />

Es wurde gezeigt, dass der Insolvenzverwalter zwar vor<br />

Berichtstermin Wertpapiere verwerten darf, aber nicht dazu<br />

verpflichtet ist. Die Entscheidung über die Verwertung steht<br />

12 Palandt/Diederichsen, BGB, 68.Aufl. 2009, §1806 Rn.2.<br />

13 Palandt/Diederichsen (o. Fn. 12), §1960 Rn.13.<br />

14 Palandt/Edenhofer (o. Fn. 12), §1960 Rn.13.<br />

15 OLG Celle, Beschl. vom 14.04.2004, 4 W 7/04, NJW-Spezial 2004, 148.<br />

16 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 4 Aufl. 2005, Rn. 292; Jaeger/Gerhardt,<br />

InsO, §60 Rn.27; HK-InsO/Lohmann, 5.Aufl. 2008, §60 Rn.14.<br />

17 Hierzu BGH, Urt. vom 22.01.19985, VI ZR 131/85, ZIP 1985, 423; OLG<br />

München, Urt. vom 21.03.1997, 14 U 520/96, NZI 1998, 84.<br />

18 BGH, Beschl. vom 14.12.2000, IX ZB 105/05 NJW 2001, 1496 (1497);<br />

Andres/Leithaus, InsO, 2006, §159 Rn. 4; HambKomm/Weitzmann,3.Aufl.<br />

2009, §60 InsO Rn.14.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 3


vielmehr in seinem Ermessen. 19 Bei der Ausübung dieses<br />

Ermessens muss sich der Insolvenzverwalter in dem Rahmen<br />

bewegen, den der Zweck des Insolvenzverfahrens setzt. 20<br />

Insolvenzzweck ist die gemeinschaftliche Befriedigung aller<br />

Insolvenzgläubiger durch Verwertung des vorhandenen Vermögens<br />

und gleichmäßige Verteilung des Erlöses, § 1 InsO.<br />

Vordringliche Aufgabe des Insolvenzverwalters ist daher die<br />

Sicherung und Erhaltung des vorhandenen Vermögens, weil<br />

die möglichst hohe Befriedigung aus der Masse im vorrangigen<br />

Interesse der beteiligten Gläubiger steht. 21 Nach dem<br />

Zweck des Insolvenzverfahrens muss der Insolvenzverwalter<br />

daher bestrebt sein, möglichst günstig zu verwerten. 22 Die<br />

möglichst günstige Verwertung eines großen Wertpapierportfolios<br />

(insbesondere vor dem Hintergrund außergewöhnlich<br />

volatiler und zum Teil auch gänzlich illiquider Finanzmärkte)<br />

führt zu einer Reihe praktischer Vorgaben für eine fehlerfreie<br />

Ermessensausübung durch den Insolvenzverwalter.<br />

1. Verkaufsplan<br />

Die Verwertung der Wertpapiere muss nach Maßgabe eines<br />

Verkaufsplanes erfolgen, der auf Grundlage von Marktrecherchen<br />

erstellt worden ist. Das ergibt sich aus Folgendem:<br />

Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, das Vermögen des<br />

Schuldners möglichst günstig zu verwerten. Daraus folgt das<br />

Verbot übereilter Verwertung. 23 Danach ist gerade die übereilte<br />

Verwertung ohne sorgfältige Marktrecherchen pflichtwidrig.<br />

24 Jedenfalls für die Veräußerung des Betriebs des<br />

Schuldners steht dies fest: Denn nach Rechtsprechung und<br />

Literatur verhält sich der Insolvenzverwalter dann pflichtwidrig,<br />

wenn er sich gerade nicht ausreichend über den objektiv<br />

erzielbaren Marktpreis des Betriebes des Schuldners informiert<br />

und diesen gleichwohl veräußert. 25<br />

Für die Verwertung eines Großportfolios aus dem Vermögen<br />

eines Wertpapierhandelshauses kann nichts anderes gelten.<br />

Der Insolvenzverwalter darf Wertpapiere nicht »blind« bzw.<br />

»ins Blaue hinein« veräußern. Vielmehr muss er sorgfältig und<br />

geplant vorgehen. Dazu gehören Marktrecherchen hinsichtlich<br />

der entsprechenden Wertpapiermärkte. Denn die Veräußerung<br />

größerer Mengen an Wertpapieren kann sich negativ<br />

auf den erzielbaren Preis auswirken. Das gilt insbesondere<br />

dann, wenn das Handelsvolumen an den entsprechenden<br />

Wertpapiermärkten niedrig ist. Die besondere Volatilität und<br />

teilweise Illiquidität an den Wertpapiermärkten, die etwa im<br />

Rahmen der jüngsten Finanzkrise zu beobachten war, kann<br />

diesen Effekt noch verstärken. Will der Insolvenzverwalter<br />

möglichst günstig verwerten, muss er diese Effekte berücksichtigenund,soweitmöglich,durchplanvollesVerwerten<br />

vermeiden. Die Verwertung von Wertpapieren muss also nach<br />

Maßgabe eines Planes erfolgen, der unter den gegebenen<br />

Marktbedingungen einen möglichst günstigen Erlös sicherstellt.<br />

Danach kann etwa die gestreckte Veräußerung in Tranchen<br />

geboten sein.<br />

Eine »blinde« Veräußerung »ins Blaue hinein« verbietet sich<br />

auch in Bezug auf einzelne Teile des Portfolios. Bei den Portfolios<br />

professioneller Anleger handelt es sich regelmäßig nämlich<br />

nicht um die zufällige Ansammlung einzelner Vermögenswerte,<br />

sondern um eine planvolle Zusammenstellung. Sie<br />

folgt Grundsätzen des Risikomanagements (Stichwort: Risikodiversifikation)<br />

unter Zuhilfenahme von Erkenntnissen der<br />

4<br />

Unternehmensinsolvenz Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />

Portfolio-Theorie. Idealerweise kommt es zum »Hedging«:<br />

Negative Wertentwicklungen eines Teils des Portfolios werden<br />

durch positive Wertentwicklungen eines anderen Teils<br />

aufgefangen. Die planlose Veräußerung einzelner Teile dieses<br />

Portfolios ohne Rücksichtnahme auf die dahinterstehende<br />

Risikoarchitektur kann das Risiko, das der Wertentwicklung<br />

des Portfolios anhaftet, erhöhen, was sicher dem Gebot möglichst<br />

günstiger Verwertung, jedenfalls aber dem Spekulationsverbot<br />

widerspräche.<br />

2. Sachverständiger Dritter<br />

Die möglichst günstige Verwertung von Wertpapieren mit<br />

Kursrisiken erfordert besondere Sachkenntnis. Daher wird im<br />

Schrifttum die Ansicht vertreten, dass jeder Insolvenzverwalter<br />

die Hilfe eines sachkundigen Dritten in Anspruch nehmen<br />

muss, wenn Wertpapiere mit Kursrisiken zu verwerten sind. 26<br />

Jedenfalls für die Verwertung eines Großportfolios ist dem<br />

sicher zuzustimmen.<br />

In diesem Zusammenhang muss der Insolvenzverwalter nach<br />

pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob die ihm ggf. zur Verfügung<br />

stehenden Mitarbeiter des Schuldners über ausreichende<br />

und unvoreingenommene Sachkunde verfügen. Ist<br />

dies nicht der Fall, muss er sich von einem externen Dritten<br />

beraten und unterstützen lassen.<br />

Entsprechenden Anlass, an der Unvoreingenommenheit der<br />

Mitarbeiter des Schuldners zu zweifeln, hätte der Insolvenzverwalter<br />

etwa dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen,<br />

dass die Mitarbeiter eigene pflichtwidrige Entscheidungen<br />

verdecken wollen oder Methoden bei der Bewertung der<br />

Märkte anwenden, die deutlich von allgemein akzeptierten<br />

und wissenschaftlich fundierten Standards abweichen.<br />

3. Weitere Ermessensgesichtspunkte<br />

Für seine Ermessensentscheidung hat der Insolvenzverwalter<br />

bei der Verwertungsstrategie rechtliche, insbesondere insolvenzrechtliche<br />

Aspekte zu berücksichtigen. Insofern unterscheidet<br />

sich seine Verwertungsstrategie von denen nicht<br />

insolventer Marktteilnehmer. Dieser Aspekt führt in der<br />

Regel dazu, dass seine planmäßige Verwertung einer zeitlichen<br />

Begrenzung unterliegt. Anders als die nicht insolventen<br />

Marktteilnehmer soll er in möglichst kurzer Zeit verwerten,<br />

ohne, wie oben beschrieben, übereilt zu handeln. Dennoch<br />

unterliegen Vermögensgegenstände eines Insolvenzunternehmens<br />

einem allgemeinen insolvenzrechtlichen Werteverfall.<br />

Dieser begründet sich in den fehlenden unternehmerischen<br />

Strukturen, in dem Desinteresse der übrigen Marktteilnehmer<br />

längerfristig Geschäfte mit dem insolventen Unterneh-<br />

19 Zur Eröffnung eines Ermessensspielraums für den Insolvenzverwalter BGH,<br />

Urt. v. 25.04.2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353; Jaeger/Gerhardt (o. Fn.<br />

16), §60 Rn.31; Kübler/Prütting/Bork/Onusseit (o. Fn.3), §159 Rn.5.<br />

20 BGH, Urt. vom 25.04.2002, IX ZR 313/99, NJW 2002, 2783 (2785).<br />

21 OLG Celle, Urt. vom 14.06.2006, 3 U 20/06.<br />

22 Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2005, Rn. 292; HK-InsO/<br />

Lohmann (o. Fn. 16), §60 Rn.14.<br />

23 BGH, Urt. vom 22.01.1985, VI ZR 131/85, ZIP 1985, 423 und OLG München,<br />

Urt. v. 21.03.1997, 14 U 520/96, NZI 1998, 84; Kübler/Prütting/<br />

Bork/Onusseit (o. Fn.3), §159 Rn.4b.<br />

24 Siehe Kübler/Prütting/Bork/Onusseit (o. Fn.3), §159 Rn.4b.<br />

25 BGH, Urt. vom 22.01.1985, VI ZR 131/85, ZIP 1985, 423; HK-InsO/Lohmann<br />

(o. Fn. 16), §60 Rn.14.<br />

26 HambKomm/Jarchow (o. Fn. 18), §148 InsO Rn.33.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


men zu schließen und in der tendenziell abnehmenden<br />

Marktkompetenz des Unternehmens. Geschulte Mitarbeiter<br />

verlassen das Unternehmen, da sie nach sichereren und<br />

zukunftsträchtigeren Arbeitsplätzen streben. Das Unternehmen<br />

hat in der Regel keine Finanzmittel zur Verfügung, um<br />

neue Märkte zu erschließen.<br />

Schließlich können rechtliche Probleme eine beschleunigte<br />

Verwertung notwendig machen. Dies gilt z.B., wenn die<br />

Rechtsposition an den vorhandenen Vermögensgegenständen<br />

umstritten sind. So etwa, wenn Pfandrechte oder sonstige<br />

Aus- und Absonderungsrechte an den Wertpapierportfolios<br />

geltend gemacht werden und im Rahmen von Vergleichen ein<br />

angemessenes und günstiges Verwertungsergebnis erreicht<br />

werden kann.<br />

4. Zwischenergebnis<br />

Der Insolvenzverwalter hat die Verwertung nach pflichtgemäßem<br />

Ermessen vorzunehmen. Die Ausübung dieses Ermessens<br />

entspricht dem Vorgehen eines Unternehmensführers bei<br />

unternehmerischen Entscheidungen. Demnach hat der Insolvenzverwalter<br />

planmäßig vorzugehen. Er hat sicherzustellen,<br />

dass er seine Entscheidung auf einer angemessenen Informationsgrundlage<br />

trifft. Die Entscheidung muss frei von sachfremden<br />

Einflüssen sein. 27<br />

VI. Kurssicherungsgeschäfte<br />

Der umsichtige Insolvenzverwalter wird sich auch die Frage<br />

stellen, ob er die Risiken aus der Wertentwicklung eines Wertpapierportfolios<br />

nicht durch Kurssicherungsgeschäfte eindämmen<br />

sollte. Aus dieser Überlegung folgen eine Reihe<br />

insolvenzrechtlicher Fragen:<br />

1. Zulässigkeit von Kurssicherungsgeschäften<br />

Zunächst stellt sich die Frage, ob Kurssicherungsgeschäfte für<br />

den Insolvenzverwalter grundsätzlich zulässig sind. Diese<br />

Frage ist mit guten Gründen zu bejahen.<br />

a) Versicherungsrechtsprechung<br />

Dafür sprechen die Wertungen, die hinter der Versicherungsrechtsprechung<br />

des BGH 28 stehen: Bei der Erhaltung der<br />

Masse hat der Verwalter einen Abwägungsspielraum dafür,<br />

welche kostenträchtigen Maßnahmen er zur Erhaltung des<br />

Wertes der Masse ergreifen kann. Dies gilt nach der Rechtsprechung<br />

etwa für den Abschluss von Versicherungen. 29 Wie<br />

bei anderen Sicherungsmaßnahmen sind das Risiko des Schadenseintritts<br />

und die mutmaßliche Schadenshöhe gegen die<br />

Belastung der Masse mit den Kosten abzuwägen, die für die<br />

Sicherung entstehen. 30 Es liegt nahe, diese Grundsätze auch<br />

auf Kurssicherungsgeschäfte anzuwenden. Denn Kurssicherungsgeschäft<br />

und Versicherung gleichen sich insofern, als<br />

dass beide gegen eine Prämienzahlung das Risiko von Wertverlusten<br />

für die Masse eingrenzen. Allerdings unterscheiden<br />

sie sich darin, dass Versicherungen regelmäßig allgemeine<br />

Lebensrisiken, wie sie von Diebstahl, Feuer, Wasser und<br />

Sturm ausgehen, absichern, die der Versicherungsnehmer<br />

nicht vermeiden kann. Das Kurssicherungsgeschäft dagegen<br />

sichert Risiken ab, die gezielt gesucht und jedenfalls noch<br />

nicht beendet worden sind, obwohl dies durch Veräußerung<br />

möglich wäre. Bei Kurssicherungsgeschäften dürften daher an<br />

die »Angemessenheit« der Kosten strengere Kriterien anzulegen<br />

sein als bei Versicherungen.<br />

Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

b) Kein Verstoß gegen Spekulationsverbot<br />

Kurssicherungsgeschäfte stehen auch nicht im Widerspruch<br />

zum Spekulationsverbot. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung<br />

handelt es sich bei derartigenGeschäftengeradenicht<br />

um ein spekulatives Wertpapiergeschäft, sondern um ein<br />

Geschäft, das im Einzelfall den Zwecken des Insolvenzverfahrens<br />

dienen kann: Das spekulative Wertpapiergeschäft trägt<br />

das Risiko des Verlustes in sich. Das Kurssicherungsgeschäft<br />

dagegen begrenzt das Risiko, das einem anderen Geschäft,<br />

dem Grundgeschäft, inhärent ist. 31 Das spekulative Wertpapiergeschäft<br />

ist um einer Rendite willen auf Risiko angelegt,<br />

und zwar typischerweise auf ein Risiko, das der Spekulant<br />

nicht beherrscht. Das Kurssicherungsgeschäft dagegen verzichtet<br />

auf einen Teil der Rendite, um das Risiko eines anderen<br />

Geschäftes einzugrenzen. Während also das spekulative<br />

Wertpapiergeschäft seinem Wesen nach originär auf Gewinn<br />

angelegt ist, weil es Risiken um der Rendite willen eingeht, ist<br />

das Kurssicherungsgeschäft originär auf Bestandssicherung<br />

angelegt, weil es auf Rendite um der Sicherheit willen verzichtet.<br />

Kurz gesagt: Das Kurssicherungsgeschäft dient dem Werterhalt<br />

der Masse.<br />

2. Ausnahme: Termingeschäfte<br />

Eine Ausnahme gilt jedoch für Termingeschäfte. Mit einem<br />

Termingeschäft verkauft der Insolvenzverwalter Wertpapiere<br />

oder Beträge in fremder Währung zum gegenwärtigen Tageskurs<br />

zu einem künftigen Termin. Der Kontraktpartner lässt<br />

sich dieses Geschäft mit einer Prämie vergüten, die u.a. von<br />

dem Risiko entsprechender Kursveränderungen abhängig ist.<br />

Als Kurssicherungsgeschäft, das durch den vorhandenen<br />

Wertpapierbestand gedeckt ist, handelt es sich beim Termingeschäft<br />

nicht um Spekulation. Mit der Veräußerung von<br />

Wertpapieren dürfte das Termingeschäft aber gegen das<br />

Gebot möglichst günstiger Verwertung verstoßen. Denn<br />

angesichts der damit verbundenen Kosten für die Prämien der<br />

Kontraktpartner dürfte es im Vergleich zu einem sofortigen<br />

Verkauf von Wertpapieren nachteilig sein und böte im Vergleich<br />

zu einer unverzüglichen Veräußerung keine Vorteile.<br />

Ist durch ein Wertpapier eine Forderung verbrieft und möchte<br />

der Insolvenzverwalter entsprechende Zahlungen in fremder<br />

Währung sichern, dürfte das Termingeschäft auch nicht zur<br />

Absicherung des Wechselkursrisikos zulässig sein. Denn hierbei<br />

ginge der Insolvenzverwalter zusätzliche Risiken für die<br />

Masse ein: Kommt es nämlich zur Zahlungsverzögerung oder<br />

zum Zahlungsausfall auf die verbriefte Forderung und ist der<br />

Kurs der fremden Währung gestiegen, würde die Masse einen<br />

Verlust erleiden. Denn der Insolvenzverwalter müsste dann<br />

entsprechende Beträge in ausländischer Währung am Markt<br />

zuhöherenPreisenankaufen,umdenPflichtenausdem<br />

27 Allgemein zur Anwendung von Business Judgement Rule: Berger/Frege, ZIP<br />

2008, 204 ff.<br />

28 Grundlegend BGH, Urt. vom 29.09.1988, 9 ZR 39/88, BGHZ 105, 230;<br />

hierzu Jaeger/Gerhardt (o. Fn. 16), §60 Rn.39.<br />

29 MüKo-InsO/Brandes (o. Fn. 2), §§60, 61 Rn.15.<br />

30 OLG Köln, Urt. vom 14.05.1982, 6 U 221/81, ZIP 1982, 977; MüKo-InsO/<br />

Brandes (o. Fn. 2), §§60, 61 Rn.15; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 12.Aufl.<br />

2003, §148 Rn.26.<br />

31 Für Währungsrisiken: Buth/Hermanns/Jünger, Restrukturierung, Sanierung,<br />

Insolvenz, 2.Aufl. 2006, §11 Rn.7; Weidenbach-Koschnike, BC 2008, 111ff.;<br />

allgemeiner: Schmittmann/Wepler DStR 2001, 1783 (1787).<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 5


Kaufvertrag nachkommen zu können. Auf fallende Kurse<br />

kann er sich nicht verlassen, weil dies Spekulation wäre, die<br />

ihm verboten ist. Zwar könnten die Verluste einen Schadensersatzanspruch<br />

begründen. Ob dieser aber werthaltig ist,<br />

dürfte insbesondere dann zweifelhaft sein, wenn er sich gegen<br />

Schuldner mit schlechter Bonität richtet. Das wird insbesondere<br />

bei Sub-Prime-Papieren der Fall sein.<br />

3. Nur mit Einschränkungen zulässig: »Stopp loss«-<br />

Weisungen<br />

»Stop loss«-Weisungen sind nur unter Hinzuziehung eines<br />

sachverständigen Dritten und unter Abwägungen des Verlustrisikos<br />

bei größeren Kursschwankungen zulässig: Mit<br />

einer »Stop loss«-Weisung bestimmt der über die Wertpapiere<br />

Verfügungsberechtigte einen Kurs (typischerweise<br />

unterhalb des aktuellen Marktpreises), mit dem ein Verkaufsauftrag<br />

für das jeweilige Wertpapier ausgelöst wird.<br />

Problematisch ist hierbei, dass nur der Zeitpunkt bestimmbar<br />

ist, zu dem verkauft werden soll, nämlich dann, wenn<br />

der Kurs einen bestimmten Marktpreis unterschreitet.<br />

Dagegen kann nicht bestimmt werden, welcher Verkaufspreis<br />

dabei realisiert wird. Die »Stop loss«-Weisung kann<br />

daher das Problem, das bereits für die Veräußerung »ins<br />

Blaue hinein« bestehen könnte, noch verstärken: Es wird<br />

möglicherweise nicht nur eine so große Zahl an Wertpapieren<br />

veräußert, die negativen Einfluss auf den Marktpreis<br />

nimmt, sondern dies geschieht auch zu einem Zeitpunkt, zu<br />

dem der Marktpreis bereits fällt. Denn ohne fallende<br />

Marktpreise führen »Stop loss«-Weisungen nicht zu einem<br />

Verkaufsauftrag.<br />

4. Einzelheiten zu Optionsgeschäften<br />

Das Optionsgeschäft ist ein zulässiges Kurssicherungsgeschäft.<br />

Damit erwirbt der Insolvenzverwalter gegen Zahlung<br />

einer Prämie an den Kontraktpartner die Möglichkeit zu späterer<br />

Verwertung. Schließt der Insolvenzverwalter solche<br />

Optionsgeschäfte vor Berichtstermin ab, so bringen sie jedenfalls<br />

einen rechtlichen Vorteil mit sich: Anders als beim Termingeschäft<br />

stünde dem Nachteil der Kosten für die Prämie<br />

der Vorteil gegenüber, dass die Gläubigerversammlung gemäß<br />

§159 InsO im Berichtstermin die Entscheidung über das weitere<br />

Vorgehen bei der Verwertung fällen könnte; bis dahin<br />

müsste nicht mit Kursverlusten gerechnet werden. Hierbei ist<br />

jedoch Folgendes zu beachten:<br />

a) Abwägung nach pflichtgemäßem Ermessen<br />

Die Entscheidung, ob der rechtliche Vorteil den dargestellten<br />

wirtschaftlichen Nachteil überwiegt, muss der Insolvenzverwalter<br />

nach seinem pflichtgemäßem Ermessen treffen:<br />

Da das Optionsgeschäft wirtschaftlich einer Versicherung<br />

auf den Kurs eines Wertpapiers entspricht, liegt es<br />

nahe, hier vergleichbare rechtliche Maßstäbe wie für den<br />

Abschluss einer Versicherung anzulegen. Bei Sachversicherungen<br />

für Gegenstände des Schuldnervermögens gilt, dass<br />

der Insolvenzverwalter bei Abschluss neuer Versicherungsverträge<br />

das Risiko des Schadenseintritts und die mutmaßlicheSchadenshöhegegendieBelastungen<br />

der Masse abzuwägen<br />

hat. 32 Sind die Kosten unverhältnismäßig, muss die<br />

Belastung der Masse unterbleiben. Sind die Kosten verhältnismäßig,<br />

kann und muss der Insolvenzverwalter sie ergreifen.<br />

33 Hier ist also zu berücksichtigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit<br />

welche Kursverluste zu befürchten sind.<br />

6<br />

Unternehmensinsolvenz Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />

b) Kaufmännische Abwägung<br />

Die Abwägung von Wahrscheinlichkeit und Höhe möglicher<br />

Wertverluste durch Kursverluste einerseits und Kosten eines<br />

Optionsgeschäfts andererseits muss notwendigerweise kaufmännische<br />

Aspekte enthalten. Dabei dürften (neben den<br />

kunstgerecht ermittelten Wahrscheinlichkeiten für Kursverläufe<br />

und damit korrespondierende Wertrisiken) folgende<br />

Aspekte eine Rolle spielen:<br />

Der Kurs von Wertpapieren (anders als Schäden, die Sachversicherungen<br />

abdecken) kann sich wieder erholen. Darauf darf<br />

der Insolvenzverwalter zwar nicht spekulieren, weil ihm dies<br />

durch das Spekulationsverbot untersagt ist. Bei der Abwägung,<br />

ob die Kosten für Optionsgeschäfte in einem angemessenen<br />

Verhältnis zum Kursverlustrisiko stehen, kann diese<br />

Überlegung aber nicht unberücksichtigt bleiben. Auch die<br />

Wahrscheinlichkeit einer solchen »Kurserholung« sollte<br />

kunstgerecht ermittelt und in die Abwägung mit einbezogen<br />

werden.<br />

Optionsgeschäfte nehmen (jedenfalls bei Wertpapieren) ab<br />

einem bestimmten Umfang selbst Einfluss auf die Kursentwicklung.<br />

Das beeinträchtigt den Insolvenzverwalter bei der<br />

Suche entsprechender Kontraktpartner: Gelangt die Information<br />

über die Suche nach entsprechenden Kontraktpartnern<br />

für Optionsgeschäfte in den Markt, dürfte dies den Kurs der<br />

Wertpapiere, auf die sich die Optionsgeschäfte beziehen,<br />

beeinflussen. Demgemäß besteht die Gefahr, dass die Suche<br />

nach Kontraktpartnern selbst bereits die Kosten für Optionsgeschäfte<br />

in die Höhe treibt und dass sich Kursverluste bereits<br />

vor Abschluss der Optionsgeschäfts realisieren könnten.<br />

c) Business Judgement Rule<br />

Ob der Insolvenzverwalter bei seiner kaufmännischen Abwägung<br />

von der Business Judgement Rule nach §93 Abs.1 Satz 2<br />

AktG profitiert, ist fraglich: Im Schrifttum zeichnet sich eine<br />

Tendenz ab, die dem Insolvenzverwalter das Haftungsprivileg<br />

bei Geschäften der Betriebsfortführung gewähren will34,esihm aber bei Abwicklungsmaßnahmen verwehrt35. Bei Optionsgeschäften<br />

handelt es sich jedoch um eine Maßnahme der Massesicherung,<br />

die weder Betriebsfortführung noch Masseabwicklung<br />

ist. Die besseren Gründe sprechen allerdings dafür, dass<br />

der Insolvenzverwalter hier in den Anwendungsbereich der<br />

Business Judgement Rule fällt. Denn der Abschluss von Optionsgeschäften<br />

ist als unternehmerische Entscheidung zu<br />

behandeln. 36 Die unternehmerische Entscheidung im Sinne<br />

von §93 Abs.1 Satz 2 AktG zeichnet sich nämlich dadurch aus,<br />

32 OLG Köln, Urt. vom 14.05.1982, 6 U 221/81, ZIP 1982, 977; MüKo-<br />

InsO/Brandes (o. Fn. 2), §§ 60, 61 Rn. 15; Uhlenbruck/Uhlenbruck<br />

(o. Fn. 30), § 148 Rn. 26.<br />

33 MüKo-InsO/Brandes (o.Fn.2),§§60,61Rn.15.<br />

34 Ausdrücklich für die Betriebsfortführung: Berger/Frege ZIP 2008, 204 (206ff.);<br />

MüKo-InsO/Füchsl/Weihäupl (o. Fn. 2), §148 Rn.58.<br />

35 Bejahend für Betriebsfortführung und ablehnend für Masseabwicklung: Nerlich/Römermann/Abeltshauser,<br />

InsO, §60 Rn.35 f.<br />

36 Instruktiv zur unternehmerischen Entscheidung als Anwendungsvoraussetzung<br />

für die Business Judgement Rule vgl. Arbeitskreis »Externe und interne<br />

Überwachung der Unternehmung« der Schmalenbach Gesellschaft für Betriebswirtschaft<br />

e. V. DB 2006, 2189 ff.; Fleischer ZIP 2004, 685 ff.; Hauschka<br />

<strong>GmbH</strong>R 2007, 11 (12ff.); Schneider DB 2005, 707.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


dass sie nicht rechtlich gebunden ist37 und unter Unsicherheit38 (also nicht auf Grundlage eines bereits abgeschlossenen Sachverhaltes)<br />

erfolgt. Rechtlich gebunden ist der Insolvenzverwalter<br />

bei der Abwägung insofern nicht vollständig, als dass<br />

ihm Ermessensspielräume eingeräumt sind. Besondere Unsicherheit<br />

birgt das Optionsgeschäft, weil ihm eine Einschätzung<br />

der Kursentwicklung zu Grunde liegt39, die Realisierung<br />

des abzusichernden Risikos (der Kursverlust) nicht zu einem<br />

permanenten Schaden führen muss, sondern unter Umständen<br />

durch kurzfristig längeres Halten der Wertpapiere wieder ausgeglichen<br />

werden kann (wenn die Kurse wieder steigen sollten)<br />

und bereits die Suche nach Kontraktpartnern für Kurssicherungsgeschäfte<br />

zu Kursverlusten beitragen kann.<br />

VII. Einbindung des Gläubigerausschusses<br />

Soweit der Insolvenzverwalter Verwertungshandlungen vornimmt<br />

oder Optionsgeschäfte vor Berichtstermin abschließt,<br />

sollte er die Zustimmung des Gläubigerausschusses hierzu<br />

einholen.<br />

1. Verwertung in relevantem Umfang<br />

Für die Verwertung von Wertpapieren folgt dies, je nach<br />

Volumen der zu verwertenden Wertpapieren, bereits aus<br />

§ 160 InsO. Danach hat der Insolvenzverwalter die Zustimmung<br />

des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn er Rechtshandlungen<br />

vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren<br />

von besonderer Bedeutung sind. 40<br />

2. Vorteile für Gläubigerausschussmitglieder und<br />

Insolvenzverwalter<br />

Die intensive Einbindung des Gläubigerausschusses empfiehlt<br />

sich überdies, weil hierdurch sowohl für die Mitglieder<br />

des Gläubigerausschusses als auch für den Insolvenzverwalter<br />

Haftungsrisiken minimiert werden:<br />

Der Gläubigerausschuss ist insolvenzrechtlich zur Überwachung<br />

des Insolvenzverwalters berufen. 41 Für seine Mitglieder<br />

gelten entsprechende Pflichtenbindungen wie für den Insolvenzverwalter.<br />

42 Sie sollten daher auch aus Gründen rechtlicher<br />

Vorsorge unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter in<br />

einem Umfang Wertpapiere verwerten will, der die Zustimmungspflicht<br />

nach §160 InsO auslöst und Kurssicherungsgeschäfte<br />

überhaupt nach §160 InsO zustimmungspflichtig sind,<br />

eingebunden werden. Denn durch die intensive Abstimmung<br />

mit dem Insolvenzverwalter können die Mitglieder des Gläubigerausschusses<br />

dokumentieren, dass sie ihren Pflichten zur<br />

Überwachung des Insolvenzverwalters nachgekommen sind.<br />

Umgekehrt verringert der Insolvenzverwalter durch die enge<br />

Abstimmung mit dem Gläubigerausschuss seine Haftungsgefahren:<br />

43 Stimmt der Gläubigerausschuss den vorgeschlagenen<br />

Maßnahmen zu, so wird er grundsätzlich von der persönlichen<br />

Haftung gegenüber den Gläubigern für Masseverkürzungsschäden<br />

freigestellt. 44 Ausnahmen hiervon gelten nur<br />

»aufgrund besonderer Umstände« 45.<br />

Solche besonderen<br />

Umstände liegen nach Rechtsprechung und Schrifttum vor<br />

bei unrichtiger Darstellung der Sach- und Rechtslage durch<br />

den Insolvenzverwalter gegenüber dem Gläubigerausschuss46 oder wenn die Entscheidung des Gläubigerausschusses unvertretbar<br />

ist. 47 Unvertretbar in diesem Sinne ist etwa eine Entscheidung<br />

des Gläubigerausschusses zur Fortführung des<br />

Unternehmens, obwohl der Insolvenzverwalter zuvor die<br />

Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

Fortführungsrisiken »konkret dargestellt« 48 hat. Eine solche<br />

unvertretbare Entscheidung darf der Insolvenzverwalter nicht<br />

exekutieren. Andernfalls bleibt er haftbar.<br />

Eine intensive Abstimmung zwischen Insolvenzverwalter und<br />

Gläubigerausschuss sollte insbesondere im Zusammenhang<br />

mit der Erstellung und Fortentwicklung des Verkaufsplans<br />

erfolgen. Die tragenden Gründe, die hinter seiner Konzeption<br />

stehen, sollten dem Gläubigerausschuss regelmäßig transparent<br />

gemacht werden. Das belegt die effektive Überwachung<br />

des Insolvenzverwalters durch den Gläubigerausschuss.<br />

Umgekehrt schützt es den Insolvenzverwalter, weil er sicher<br />

weiß, dass er im Einklang mit dem Gläubigerausschuss handelt.<br />

VIII. Fazit<br />

Nach all dem lässt sich bei der Verwertung von Wertpapieren<br />

aus dem Vermögen insolventer Wertpapierhandelshäuser Folgendes<br />

sagen:<br />

1.DerInsolvenzverwalteristbereits vor Berichtstermin zur<br />

Veräußerung von Wertpapieren befugt, aber nicht verpflichtet.<br />

Die Veräußerung steht in seinem pflichtgemäßen<br />

Ermessen.<br />

2. Pflichtgemäßes Ermessen verlangt bei Großportfolios, dass<br />

ein geeigneter Verkaufsplan für die Veräußerung erstellt<br />

wird, der auch die Situation und die Reaktion der Finanzmärkte<br />

in Rechnung stellt. Hierbei hat der Insolvenzverwalter<br />

einen sachverständigen Dritten zu Rate zu ziehen.<br />

3. Grundsätzlich kann der Insolvenzverwalter Kurssicherungsgeschäfte<br />

abschließen, um den Wert der Masse zu<br />

sichern. Vornehmlich kommen dafür Optionsgeschäfte<br />

und in eingeschränktem Maße »Stop loss«-Weisungen in<br />

Frage.<br />

4. Das Vorgehen des Insolvenzverwalters unterliegt den rechtlichen<br />

Maßgaben, die für Entscheidungsprozesse von<br />

Unternehmensführern gelten. Für die Ausübung seines<br />

unternehmerischen Ermessens im Hinblick auf Kurssicherungsgeschäfte<br />

gelten die Regeln der Business Judgement<br />

Rule.<br />

5. Der Insolvenzverwalter tut gut daran, den Gläubigerausschuss<br />

bei allen Schritten und Entscheidungen eng einzubinden.<br />

Dadurch wird sein Haftungsrisiko reduziert.<br />

37 Hüffer, AktG, 8.Aufl. 2008, §93 Rn.4f; Heidel/Landwehrmann,Aktienrecht<br />

und Kapitalmarktrecht, 2.Aufl. 2007, §93 Rn.89.<br />

38 Hauschka <strong>GmbH</strong>R 2007, 11 (13); Hüffer, AktG (o. Fn. 37), §93 Rn.4f; Heidel/<br />

Landwehrmann (o. Fn. 37), §93 Rn.92; Schneider DB 2005, 707 (709f.).<br />

39 Marsch-Barner/Schäfer/Arnold, Handbuch börsennotierte AG, Köln 2005,<br />

§ 22 Rn. 17 nennt die Einschätzung der Entwicklung von Wechselkursen als<br />

Beispiel für eine unternehmerische Entscheidung unter Unsicherheit und<br />

Risiko.<br />

40 Zur Frage, wann (mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Regelbeispiele<br />

nach § 160 Abs. 2 InsO) eine besondere Bedeutung vorliegt, werden im<br />

Schrifttum unterschiedliche Ansichten vertreten. Nachweise bei: MüKo-<br />

InsO/Görg (o. Fn. 2), §160 Rn.8 Fn.11.<br />

41 Einzelheiten bei: HambKomm/Frind (o. Fn. 18), §69 InsO Rn.4.<br />

42 Jaeger/Gerhardt (o.Fn.16),§71Rn.7;Kübler/Prüting/Bork/Kübler, Lfg.3/06,<br />

§71Rn.10;MüKo-InsO/Schmid-Burgk (o.Fn.2),§71Rn.5.<br />

43 So ausdrücklich: HambKomm/Frind (o. Fn. 18), §69 InsO Rn.9.<br />

44 Jaeger/Gerhardt (o. Fn. 16), §60 Rn.142ff.<br />

45 BGH, Urt. vom 22.01.1985, VI ZR 131/83; strittige Einzelheiten dargestellt<br />

bei: HambKomm/Frind (o. Fn. 18), §69 InsO Rn.8 f.<br />

46 MüKo-InsO/Brandes (o. Fn. 2), §§60, 61 Rn.98.<br />

47 BGH, Urt. vom 22.01.1985, VI ZR 131/83.<br />

48 Anwaltshandbuch Insolvenzrecht/Runkel, 2005, §5 Rn.178.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 7


Kapitalaufbringung nach dem MoMiG unter Berücksichtigung<br />

neuester BGH-Rechtsprechung<br />

Michael Kuleisa*<br />

I. Allgemeines<br />

Das MoMiG hat grundlegende Änderungen des <strong>GmbH</strong>-<br />

Rechts gebracht. Geregelt werden erstmals die zuvor in Rechtsprechung<br />

und Literatur entwickelten Rechtsinstitute der verdeckten<br />

Sacheinlage sowie des Hin- und Herzahlens in § 19<br />

Abs. 4 und Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G. In § 19 Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G ist normiert,<br />

unter welchen Voraussetzungen der Wert der verdeckt<br />

eingebrachten Sache auf die Einlageverpflichtung angerechnet<br />

werden kann. §19 Abs.5 <strong>GmbH</strong>G regelt die Erfordernisse<br />

einer wirksamen Kapitalaufbringung trotz Hin- und Herzahlens.<br />

Die neuen Vorschriften werfen eine Vielzahl von Fragen<br />

auf. Hinzu kommt, dass die Rechtsfolgen unterschiedlich<br />

sind. Vor Inkrafttreten des MoMiG konnte eine saubere<br />

Grenzziehung zwischen den Fallgruppen der verdeckten<br />

Sacheinlage und dem Hin- und Herzahlen unterbleiben. Die<br />

von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsfolgen waren<br />

deckungsgleich, so dass fehlerhafte Einordnungen nicht zur<br />

falschen Rechtsanwendung führten. Die nicht aufeinander<br />

abgestimmten Rechtsfolgen der § 19 Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G und<br />

§ 19 Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G verlangen nunmehr eine eindeutige<br />

Abgrenzung. Der BGH hat nach Inkrafttreten des MoMiG in<br />

zwei aktuellen Entscheidungen die Regelungsinhalte zur<br />

verdeckten Sacheinlage sowie zum Hin- und Herzahlen, insbesondere<br />

aber Kriterien der Abgrenzung, präzisiert. Die<br />

gesetzlichen Neuregelungen lösen die Probleme der Praxis<br />

unzureichend, was insbesondere durch die Cash-Pool-II-Ent-<br />

scheidung des BGH 1<br />

unterstrichen wird. Die schwierige<br />

Abgrenzung zwischen verdeckter Sacheinlage sowie Hin- und<br />

Herzahlenzeigtauf,dassvoneinerVereinfachung,wiesieder<br />

Gesetzgeber gewollt hat, keine Rede sein kann.<br />

II. Qivive-Entscheidung des BGH2 Der BGH hat nach Inkrafttreten des MoMiG in dieser Entscheidung<br />

Stellung zu den gesetzlichen Neuregelungen der<br />

Kapitalaufbringung genommen. Der Sachverhalt ist vereinfacht<br />

wie folgt darzustellen: Die Gesellschafter der Schuldnerin<br />

haben eine Kapitalerhöhung beschlossen. Mit dem Gesellschafter<br />

wurde im zeitlichen Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung<br />

ein Media-Vertrag geschlossen. Nach Erbringung<br />

der Bareinlage nahm die Schuldnerin Leistungen der Gesellschafterin<br />

aus dem Media-Vertrag in Anspruch und zahlte<br />

hierfür deutlich nach Fälligkeit die Vergütung. Die Klägerin<br />

als Insolvenzverwalterin hat vergeblich geltend gemacht, die<br />

Bareinlageverpflichtung sei unerfüllt, da die Schuldnerin bei<br />

wirtschaftlicher Betrachtung die in dem Media-Vertrag dargestellten<br />

Werbeleistungen, mithin eine verdeckte Sacheinlage,<br />

erhalten habe.<br />

1. Sacheinlagefähigkeit als Voraussetzung der<br />

verdeckten Sacheinlage<br />

Der Kern der Entscheidung liegt in der Feststellung, dass<br />

Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage nur sacheinlagefähige<br />

Vermögensgegenstände sein können. Den Tatbestand<br />

einer verdeckten Sacheinlage erfüllt eine Abrede in engem<br />

zeitlichen und sachlichen Zusammenhang nur dann, wenn sie<br />

8<br />

Unternehmensinsolvenz Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />

dazu führt, dass die Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis<br />

eine Sacheinlage erhält. 3 Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage<br />

kann, was der BGH als Unterschied zum Umgehungstatbestand<br />

des Hin- und Herzahlens hervorhebt, nur eine<br />

sacheinlagefähige Leistung sein. 4 Bei den von der Inferentin<br />

gemäß Media-Vertrag erbrachten Leistungen handelte es sich<br />

nicht um Sach-, sondern um Dienstleistungen. Verpflichtungen<br />

zu Dienstleistungen können nicht Gegenstand von Sacheinlagen<br />

oder Sachübernahmen sein. 5 Ist der Vermögensgegenstand<br />

nicht einlagefähig, hat der Inferent keine Möglichkeit,<br />

sich normkonform zu verhalten. Obligatorische Ansprüche<br />

gegen den Einlageschuldner sind unabhängig davon,<br />

worauf sie gerichtet sind, per se nicht einlagefähig. Versucht<br />

der Inferent eine solche Forderung als »Einlageleistung« zu<br />

erbringen,würdenurdiegesellschaftsrechtlicheVerpflichtung<br />

des Inferenten gegen seine schuldrechtliche ausgetauscht<br />

werden. 6 Da weder Dienstleistungen als solche noch Ansprüche<br />

auf deren Vergütung als Sacheinlage eingebracht werden<br />

können, stellen nachfolgende Vergütungszahlungen keine<br />

verdeckte Sacheinlage dar. Aus der fehlenden Sacheinlagefähigkeit<br />

von Dienstleistungen lässt sich folglich kein Verbot<br />

der Verabredung entgeltlicher Dienstleistungen des Inferenten<br />

im Zusammenhang mit der Begründung seiner Bareinlageschuld<br />

ableiten. Der BGH stellt in diesem Zusammenhang<br />

klar, dass anderenfalls der Gesellschafter keine Möglichkeit<br />

hätte, nach der Bareinlage als Geschäftsführer für die <strong>GmbH</strong><br />

entgeltlich tätig zu werden. 7 Im Ergebnis bleibt festzuhalten,<br />

dass Abverfügungen der Gesellschaft an den Gesellschafter<br />

auch in engem zeitlichen Zusammenhang nach der Kapitalleistung<br />

nicht zur Annahme einer verdeckten Sacheinlage<br />

mangels Einlagefähigkeit führen können, wenn Verwendungszweck<br />

Vergütungsansprüche aus Dienstleistungen sind.<br />

2. Verdeckte Finanzierung als Voraussetzung des Hinund<br />

Herzahlens<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der Qivive-Entscheidung liegt auf<br />

der Präzisierung der Fallgruppe des Hin- und Herzahlens.<br />

Dieser Umgehungstatbestand liegt vor, wenn es an einer Bareinlageleistung<br />

zur freien Verfügung des Geschäftsführers<br />

fehlt, weil der Einlagebetrag absprachegemäß umgehend wieder<br />

an den Einleger, sei es als Darlehen oder auch aufgrund<br />

einer Treuhandabrede, zurückfließen soll. 8 Im Ergebnis wird<br />

die unverzichtbare Einlageforderung durch eine schwächere<br />

schuldrechtliche Forderung, beispielsweise Rückgewähr des<br />

Darlehens, ersetzt. Der BGH stellt in diesem Zusammenhang<br />

* Michael Kuleisa ist Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter in Hamburg.<br />

1 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546.<br />

2 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775.<br />

3 BGH, Urt. vom 20.11.2006, II ZR 176/05, BGHZ 170, 47.<br />

4 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZinsO 2009, 775 (776) Rn.9.<br />

5 H.M. GK-<strong>GmbH</strong>G/Ulmer, § 5 Rn. 60 f.; Scholz/Winter/Westermann,<br />

6<br />

<strong>GmbH</strong>G, §5 Rn.52; kritisch Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (508).<br />

BGH, Urt. vom 21.11.2005, II ZR 140/04, ZInsO 2005, 1267.<br />

7 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn.12.<br />

8 BGH, Urt. vom 21.11.2005, II ZR 140/04, ZinsO 2005, 1267.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


ergänzend klar, dass es sich hierbei um Fälle einer verdeckten<br />

Finanzierung der Einlagemittel durch die Gesellschaft handelt.<br />

9 Werden nach der ordnungsgemäß erbrachten Einlageleistung<br />

Zahlungen auf Dienste des Inferenten erbracht, liegt<br />

grundsätzlich kein unzulässiges Hin- und Herzahlen vor. Es<br />

findet weder eine verdeckte Finanzierung noch ein bloßer<br />

Austausch der Einlageforderung gegen eine andere schuldrechtliche<br />

Forderung der Gesellschaft statt. Nur wenn der<br />

InferentdieEinlagemittelfürseineZwecke»reserviert«,istdie<br />

zeitlich nachfolgende Zahlung an ihn schädlich. Das Erfordernis<br />

der freien Verfügbarkeit zugunsten der Geschäftsleitung<br />

ist erfüllt, wenn die Leistung aus dem Vermögen des<br />

Inferenten ausgeschieden und der <strong>GmbH</strong> derart in deren<br />

Geldkreislauf zugeflossen ist, dass sie diese uneingeschränkt<br />

fürihreZweckeverwendenkann. 10 Schädlich sind Absprachen<br />

zwischen Inferent und Gesellschaft nur, wenn der<br />

Gesellschafter oder ein ihm gleichgestellter Dritter die Einlagemittel<br />

zurückerhält. Ist die Geschäftsführung der Gesellschaft<br />

in der Verwendung der Einlagemittel derart frei, dass<br />

sie diese nicht für den Inferenten zu »reservieren« hat, sondern<br />

zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten einsetzen kann, führen<br />

auch spätere Zahlungen an den Gesellschafter nicht zu<br />

einem unzulässigen Hin- und Herzahlen.<br />

III. Cash-Pool-Entscheidung II des BGH11 Auch nach Inkrafttreten des MoMiG bleibt es dabei, dass für<br />

die in ein Cash-Pool-System einbezogenen Gesellschaften<br />

kein Sonderrecht bei der Gründung oder der Kapitalerhöhung<br />

abweichend von den Kapitalaufbringungsvorschriften<br />

gilt. Der BGH setzt konsequent seine Rechtsprechung im<br />

Anschluss an die erste Cash-Pool-Entscheidung 12 unter Maßgabe<br />

der neuen gesetzlichen Regelungen fort. Ein wesentliches<br />

Anliegen des Gesetzgebers war, dass auch im Rahmen der<br />

Kapitalaufbringung für ökonomisch sinnvolle Cash-Pools<br />

Erleichterungen eintreten. Ziel des Gesetzgebers ist, unter der<br />

Voraussetzung der Werthaltigkeit von Rückzahlungsansprüchen<br />

Cash-Pool-Systeme auch bei Kapitalaufbringungen<br />

abzusichern. Durch das Urteil wird deutlich, dass der Gesetzgeber<br />

sein Ziel deutlich verfehlt hat. Kernaussagen der Cash-<br />

Pool-Entscheidung II sind:<br />

1. Abgrenzung verdeckte Sacheinlage/Hin- und<br />

Herzahlen<br />

Das Urteil befasst sich schwerpunktmäßig mit der Abgrenzung<br />

zwischen verdeckter Sacheinlage und Hin- und Herzahlen bei<br />

der Kapitalaufbringung einer Gesellschaft, die in das Cash-<br />

Pool-System einbezogen ist. Die entwickelten Kriterien sind<br />

auch auf »normale« Kapitalaufbringungsvorgänge übertragbar.<br />

Ist der Saldo auf dem Zentralkonto bei Weiterleitung des<br />

Einlagebetrages aus Sicht der Gesellschaft negativ, liegt eine<br />

verdeckte Sacheinlage vor. 13 Der Gesellschaft fließt im wirtschaftlichen<br />

Ergebnis durch Weiterleitung der Bareinlage auf<br />

das Zentralkonto nicht der vereinbarte Kapitalbetrag, sondern<br />

nur die Befreiung von der Verbindlichkeit aus der Cash-Pool-<br />

Vereinbarung zu. Sie erhält nicht die Barleistung, sondern eine<br />

Entlastung auf der Passivseite. Weist das Zentralkonto des<br />

Inferenten indessen einen ausgeglichenen oder positiven Saldo<br />

zugunsten der Gesellschaft aus, liegt in der Weiterleitung der<br />

Einlage ein Hin- und Herzahlen. 14 Mit der Weiterleitung auf<br />

das Zentralkonto im Rahmen des täglichen Clearings gewährt<br />

die Gesellschaft dem Inferenten ein Darlehen. Bei einer Darlehenskonstruktion<br />

kann die Darlehensforderung nicht Gegen-<br />

Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

stand einer verdeckten Sacheinlage sein, da diese nicht einlagefähig<br />

ist. 15 Kompliziert wird es, wenn die Einlagezahlung den<br />

negativen Saldo zulasten der Gesellschaft im Zentralkonto<br />

übersteigt. Dann ist der Vorgang teilweise als verdeckte Sacheinlage,<br />

teilweise als Hin- und Herzahlen zu beurteilen. 16 Der<br />

BGH hat zwar eindeutige Abgrenzungskriterien entwickelt,<br />

die bei praktischer Umsetzung aber auf erhebliche Schwierigkeiten<br />

stoßen werden. Bereits in der Vergangenheit hat sich in<br />

obergerichtlichen Entscheidungen die Fehlvorstellung verfestigt,<br />

alle Formen des Hin- und Herzahlens seien Anwendungsfälle<br />

der verdeckten Sacheinlage. Ob nunmehr die aufgrund<br />

der differierenden Rechtsfolgen gebotene eindeutige Abgrenzung<br />

gelingen wird, bleibt abzuwarten.<br />

Ist die Kapitalaufbringung im Rahmen des Cash-Pools als verdeckte<br />

Sacheinlage zu beurteilen, kann der Inferent allenfalls<br />

noch von der Anrechnungslösung profitieren. Maßgebend ist,<br />

ob die Verbindlichkeit, von der die Gesellschaft befreit wurde,<br />

für den Inferenten werthaltig war. Ob der Inferent weiterhin<br />

zur Einlageleistung verpflichtet ist, hängt davon ab, ob und in<br />

welcher Höhe die Gesellschaft durch die Einlageleistung von<br />

einer Verbindlichkeit gegenüber dem Inferenten befreit wird,<br />

die sie ohne die Einlagezahlung aus ihrem Vermögen hätte<br />

erfüllen können. 17 War die Gesellschaft bei Weiterleitung der<br />

Einlageleistung an das Zentralkonto auch ohne gutgeschriebenen<br />

Einlagebetrag solvent, wäre die verdeckt eingebrachte<br />

Befreiung von einer Verbindlichkeit wertangemessen. 18 Ist die<br />

Kapitalaufbringung als Hin- und Herzahlen einzuordnen, ist<br />

die Kapitalaufbringung abgeschlossen, wenn bei Anmeldung<br />

der Gesellschaft die Cash-Pool-Vereinbarung aufgedeckt<br />

wurde und im Übrigen der Rückgewähranspruch vollwertig<br />

sowie fällig bzw. fristlos kündbar war. Während bei einer verdeckten<br />

Sacheinlage eine teilweise Werthaltigkeit zur Teilanrechnung<br />

genügt, kommt es bei § 19 Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G darauf<br />

an, ob der Rückgewähranspruch uneingeschränkt vollwertig<br />

war. Der sich zufällig ergebene Saldo der Gesellschaft gegenüber<br />

dem Inferenten auf dem Zentralkonto entscheidet folglich<br />

darüber, ob der Inferent in den Genuss der leichteren<br />

Anforderungen des § 19 Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G gelangt oder die<br />

Vollwertigkeit nach §19 Abs.5 <strong>GmbH</strong>G erforderlich ist. Zur<br />

Vermeidung jeglicher Haftungsrisiken wäre bei einer Kapitalaufbringung<br />

an Gesellschaften, die einem Cash-Pool-System<br />

angeschlossen sind, empfohlen, diese für einen Zeitraum von<br />

bis zu zwölf Monaten aus dem Cash-Pool herauszunehmen, 19<br />

was jedoch nicht Anliegen des Gesetzgebers war.<br />

9 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn. 16.<br />

10 Ebenso Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (510).<br />

11 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546.<br />

12 BGH, Urt. vom 16.01.2006, II ZR 76/04, ZIP 2006, 665.<br />

13 Ebenso Roth/Altmeppen, <strong>GmbH</strong>G, § 19 Rn. 101; Lutter/Hommelhoff/Bayer,<br />

<strong>GmbH</strong>G, §19 Rn.105, Bormann/Urlichs DStR 2009, 641 (643); Maier-Reimer/Wenzel<br />

ZIP 2008, 1449 (1454).<br />

14 Ebenso Altmeppen ZIP 2009, 1545 (1546); Lutter/Hommelhoff/Bayer,<br />

<strong>GmbH</strong>G, §19 Rn.105; Bormann/Urlichs DStR 2009, 641 (643).<br />

15 Vgl. BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn.10; Seibert/Decker<br />

ZIP 2008, 1208 (1210).<br />

16 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.15; ebenso<br />

Bormann/Ulrichs DStR 2009, 641 (645); Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008,<br />

1449 (1454).<br />

17 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.38.<br />

18 Altmeppen ZIP 2009, 1545 (1547).<br />

19 So Bormann/Ulrichs DStR 2009, 641 (644).<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 9


Unternehmensinsolvenz Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />

2. Möglichkeit der Heilung<br />

Wird nach einem unzulässigen Hin- und Herzahlen das DarlehenandieGesellschaftzurückgewährt,isthierdurchdie<br />

zunächst unwirksame Kapitalaufbringung geheilt worden. 20<br />

Mit der Zahlung auf die vermeintliche »Darlehensschuld«<br />

erfüllt der Inferent die offene Einlagepflicht. Der BGH hat<br />

bereits im ersten Cash-Pool-Fall21 entschieden, dass spätere<br />

Leistungen aus dem Cash-Pool nicht zur Tilgung der Einlageschuld<br />

führen. 22 Die Leistung müsse sich zweifelsfrei der noch<br />

offenen Einlage zuordnen lassen. Diese Grundsätze sind nach<br />

Inkrafttreten des MoMiG weiterhin zu beachten. 23 Der<br />

Gesetzgeber hat zwar hervorgehoben, dass die Heilungsrechtsprechung<br />

des BGH fortgelten soll. 24 Einer solchen erneuten<br />

Leistung der Bareinlage zur freien Verfügung der Geschäftsführer<br />

stehen aber Zahlungen aus dem Cash-Pool an Gläubiger<br />

für Rechnung der Gesellschaft nicht gleich. 25 Im Rahmen<br />

des Zero-Balancing lassen sich die einzelnen Leistungen nicht<br />

wie im Fall der vermeintlichen Darlehensrückzahlung zweifelsfrei<br />

der noch offenen Einlage zuordnen.<br />

3. Offenlegung als Erfüllungsvoraussetzung<br />

Der BGH hatte bereits in der Qivive-Entscheidung beiläufig<br />

erwähnt, dass die Offenlegung nach § 19 Abs. 5 Satz 2<br />

<strong>GmbH</strong>G Voraussetzung für die Erfüllung der Einlageschuld<br />

ist. 26 Der teilweise befürworteten Einschränkung des Anwendungsbereiches<br />

von § 19 Abs. 5 Satz 2 <strong>GmbH</strong>G, für Altfälle<br />

müsse die Erfüllung bereits eintreten, wenn nur die Voraussetzungen<br />

von dessen Satz 1 vorliegen, 27 wurdeeineAbsage<br />

erteilt. Die Offenlegung soll dem Registergericht die Möglichkeit<br />

eröffnen, in die Prüfung der Vollwertigkeit einzutre-<br />

ten. 28<br />

Die Einordnung der Offenlegung als Erfüllungsvoraus-<br />

setzung führt dazu, dass die Erfüllung erst dann eintritt, wenn<br />

die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet<br />

und der Vorgang in diesem Zusammenhang offengelegt<br />

wurde. 29 Bis zu diesem Zeitpunkt »schwebt« die Erfüllungswirkung,<br />

auch wenn die weiteren Voraussetzungen des<br />

§19 Abs.5 Satz 1 <strong>GmbH</strong>G vorliegen. Es stellt sich insbesondere<br />

die Frage, ob der Inferent einen Anspruch darauf hat,<br />

dass der Vorgang bei Anmeldung zum Handelsregister offengelegt<br />

wird, damit die abschließende Erfüllungsvoraussetzung<br />

auch eintritt.<br />

4. Gleichgestellter Dritter<br />

Für beide Fallgruppen der verdeckten Sacheinlage sowie des<br />

Hin- und Herzahlens bestätigt der BGH unter Bezugnahme<br />

auf die frühere Rechtsprechung, dass die Umgehung der<br />

Kapitalaufbringungsregeln keine personelle Identität zwischen<br />

Inferent und Auszahlungsempfänger voraussetzt. 30<br />

Vielmehr ist ausreichend, dass der Inferent durch die Leistung<br />

an den Dritten mittelbar in gleicher Weise begünstigt wird<br />

wie durch unmittelbare Leistung. Mittelbar zugute kommt<br />

dem Inferenten die Leistung insbesondere, wenn er an der<br />

eingebundenen Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist. 31 Entscheidend<br />

ist, ob der Inferent dessen Geschicke bestimmen<br />

und durch Gesellschafterbeschlüsse Weisungen an dessen<br />

Geschäftsführer durchsetzen kann. Vorbehaltlich einer gegenteiligen<br />

Regelung im Gesellschaftsvertrag reicht eine Beteiligung<br />

an der leistenden Gesellschaft von mehr als 50 % im<br />

Regelfall aus. 32 Ein auch geplanter Vermögensabfluss an sonstige<br />

Dritte ist danach grundsätzlich unschädlich. Schuldrechtliche<br />

Absprachen zwischen dem Inferenten und der<br />

Gesellschaft über die Verwendung der Einlagemittel bei einer<br />

10<br />

Kapitalaufbringung sind folglich unerheblich, wenn sie nur<br />

zur Erreichung bestimmter Zwecke dienen und nicht dazu<br />

bestimmt sind, die eingezahlten Mittel wieder an den Inferenten<br />

zurückfließen zu lassen. 33 Es ist daher nicht untersagt, mit<br />

einer Bareinlage eine vorausgeplante Mittelverwendung zu<br />

verbinden, solange die Einlage nicht an den Inferenten<br />

zurückfließt oder ihm sonst zugute kommt. 34 Im Streitfall war<br />

der Mitgesellschafter, der nicht am Cash-Pool-System beteiligt<br />

war, nicht zur Einlageleistung verpflichtet, da der Mittelabfluss<br />

an den weiteren Gesellschafter (zugleich Cash-Pool-<br />

Manager) ihm mangels gesellschaftsrechtlicher Verbindung<br />

nicht mittelbar zugute kam.<br />

IV. Offene Fragen zur verdeckten Sacheinlage<br />

Nach § 19 Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G liegt eine verdeckte Sacheinlage<br />

vor, »wenn eine Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher<br />

Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang<br />

mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede<br />

vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten« ist. Im<br />

Schrifttum ist kritisiert worden, dass diese Umschreibung<br />

nicht der Definition des BGH entspreche, weil es bei der verdeckten<br />

Sacheinlage nicht um eine »als Sacheinlage zu bewertende<br />

Geldeinlage«, sondern um die Erfassung eines Umgehungsfalles<br />

geht. 35 Nach Auffassung des Gesetzgebers wird<br />

durch den Gesetzeswortlaut die Legaldefinition der Rechtsprechung<br />

wiedergegeben, weshalb keine Veränderungen hinsichtlich<br />

des Tatbestandes eingetreten sind. 36 Der BGH hat in<br />

seinen oben genannten Entscheidungen den Wortlaut der<br />

Norm nicht problematisiert, sondern lediglich angemerkt,<br />

dass sich mit der Neufassung des §19 Abs.4 <strong>GmbH</strong>G an der<br />

Definition der verdeckten Sacheinlage nichts geändert habe. 37<br />

Als verdeckte Sacheinlage ist weiterhin anzusehen, wenn die<br />

gesetzlichen Regelungen für Sacheinlagen dadurch unterlaufen<br />

werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird, die<br />

Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem<br />

Inferenten aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme<br />

der Einlage getroffenen Absprache einen Sachwert<br />

erhalten soll. 38 Für Schwierigkeiten und Diskussionen in der<br />

Literatur sorgen jedoch die neuen Rechtsfolgen des § 19<br />

20 BGH, Urt. vom 22.11.2005, II ZR 140/04, ZIP 2005, 2203; BGH, Urt. vom<br />

09.01.2006, II ZR 72/05, ZIP 2006, 331; 2006, 1679).<br />

21 BGH, Urt. vom 16.01.2006, II ZR 76/04, ZIP 2006, 665.<br />

22 BGH, Urt. vom 16.01.2006, II ZR 76/04, ZIP 2006, 665 Rn.24–26.<br />

23 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.22.<br />

24 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S.78.<br />

25 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 272/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.22.<br />

26 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn.16; bestätigt<br />

in BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 272/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.25;<br />

zustimmend Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (510); kritisch Altmeppen ZIP 2009,<br />

1545 (1548).<br />

27 Bormann/Urlichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft Oktober 2008, 37 (44).<br />

28 Goette, Einführung in das neue <strong>GmbH</strong>-Recht, 2008, S.249.<br />

29 Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (511).<br />

30 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.32 unter<br />

Berufung auf BGH, Urt. vom 02.12.2002, II ZR 101/02, NJW 2003, 825;<br />

BGH, Urt. vom 20.11.2006, II ZR 176/05, NJW 2007, 765.<br />

31 BGH, Urt. vom 22.10.1990, II ZR 238/89, ZIP 1990, 1593.<br />

32 BGH, Urt. vom 21.06.1999, II ZR 70/98, ZIP 1999, 1314.<br />

33 BGH, Urt. vom 02.12.2002, II ZR 101/02, ZIP 2003, 211.<br />

34 BGH, Urt. vom 22. 06. 1992, II ZR 30/91, NJW 1992, 2698; BGH, Urt.<br />

vom 12.02.2007, II ZR 272/05, ZIP 2007, 528.<br />

35 Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 126 (127); ders. <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (507).<br />

36 Begr. RegE, BR-Drucks. 354/07, S.92.<br />

37 BGH, Urt. vom 16.02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn.8; BGH,<br />

Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.10.<br />

38 So bereits BGH, Urt. vom 16.01.2006, II ZR 76/04, ZIP 2006, 665 Rn.11.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


Abs.4 <strong>GmbH</strong>G, zu denen noch keine gerichtlichen Entscheidungen<br />

vorliegen.<br />

1. Anrechungswirkung<br />

Abweichend von dem Regierungsentwurf wird der Inferent<br />

bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage nicht von seiner<br />

Bar-Einlagepflicht befreit. Die Zahlungspflicht besteht fort.<br />

Der Wert der verdeckt geleisteten Sacheinlage wird jedoch auf<br />

seine Einlagepflicht angerechnet. Zweck des § 19 Abs. 4<br />

<strong>GmbH</strong>G ist, dass der Gesellschaft bei einer verdeckten Sacheinlage<br />

wertmäßig die Leistung zufließt, die ursprünglich als<br />

Bareinlage geschuldet war. Für die Bewertung ist entweder auf<br />

den Zeitpunkt der Übertragung des Sacheinlagegegenstandes<br />

oder auf den der Anmeldung zum Handelsregister abzustellen,<br />

je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. Das<br />

Rechtsinstitut »Anrechung« ist den BGB-Erfüllungssurrogaten<br />

unbekannt. 39 Die gesetzlich angeordnete Anrechnung<br />

kann nicht als Erfüllung qualifiziert werden, da dies dem<br />

Anrechungsmodell des Gesetzgebers widerspricht. Gegen die<br />

Annahme einer Leistung an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1<br />

BGB) spricht, dass die Erbringung der geschuldeten Sache<br />

durch den Inferenten bereits der Erfüllung seiner Verpflichtung<br />

aus dem kraft Gesetzes verselbstständigten Verkehrsgeschäft<br />

dient. 40 Auch eine Leistung erfüllungshalber (§ 364<br />

Abs.2BGB)scheidetaus,denndannbliebedieBareinlageforderung<br />

trotz Anrechungswirkung bestehen. Die Anrechnung<br />

kann auch nicht als Aufrechnung eingeordnet werden, ohne<br />

dass es zu Wertungswidersprüchen mit den weiterhin geltenden<br />

Anforderungen an eine Sachgründung kommen würde. 41<br />

Da bei einer verdeckten Sacheinlage nach Inkrafttreten des<br />

MoMiG das Verkehrsgeschäft wirksam ist, kann der Wert des<br />

Einlageobjektes nicht noch einmal auf die bestehen gebliebene<br />

Einlageschuld angerechnet werden. In der Vergangenheit<br />

sind in der Literatur mehrere Lösungsansätze vorgeschlagen<br />

worden. 42 Trotz des Streites über die dogmatische Einordnung<br />

besteht im Ergebnis Einigkeit darüber, dass der reale<br />

Wert der verdeckt eingebrachten Sache auf die offene Einlagepflicht<br />

anzurechnen ist und der Inferent seine fehlgeschlagene<br />

Einlageleistung nicht kondizieren kann. 43 Bei einer gemischtenverdecktenSacheinlage,beiderderWertdenBetragder<br />

übernommenen Einlage übersteigt und für den der Gründer<br />

ein über den tatsächlichen Wert hinausgehendes Entgelt<br />

erhalten hat, 44 würde bei wortgenauer Anwendung des § 19<br />

Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G eine schuldbefreiende Wirkung eintreten,<br />

obwohl der Gesellschafter für seine verdeckt eingebrachte<br />

Sache mehr erhalten hat, als diese wert ist. Einheitlich wird<br />

angenommen, dass auch bei einer gemischten verdeckten<br />

Sacheinlage die Differenz zwischen dem Wert der Sache und<br />

dem hierfür gezahlten Entgelt auszugleichen ist. 45<br />

Anrechnung erloschen und damit erfüllt. Für ihn besteht<br />

zudem das Risiko, sich nach § 82 <strong>GmbH</strong>G strafbar zu<br />

machen.<br />

Der Meinungsstreit<br />

über die dogmatische Einordnung der Anrechnungswirkung<br />

wird deshalb für die Praxis nur eine untergeordnete<br />

Bedeutung haben.<br />

47 Nach anderer Auffassung ist für eine Strafbarkeit<br />

wegen verdeckter Sacheinlage kein Raum, da die Behauptung<br />

des Geschäftsführers, er habe die Bareinlage noch zur freien<br />

Verfügung, objektiv richtig ist. 48 Die Gesetzesmaterialien enthalten<br />

zur Strafbarkeit keine weiterführenden Anmerkungen.<br />

In der Begründung zum RegE des MoMiG wird zwar ausgeführt,<br />

§ 82 <strong>GmbH</strong>G soll auf den Fall einer vorsätzlich verdeckten<br />

Sacheinlage nicht anwendbar sein, weil dies unangemessen<br />

wäre. 49 Dem liegt jedoch noch die Erfüllungslösung in<br />

der Fassung des RegE zugrunde, welche durch die Anrechnungswirkung<br />

abgelöst wurde. Gibt ein Geschäftsführer in<br />

Kenntnis einer verdeckt vorgenommenen Einlage die Versicherung<br />

ab, ist diese nach der hier vertretenen Auffassung fehlerhaft.<br />

Er weiß, dass die Einlageleistung aufgrund des verabredeten<br />

Geschäftes mit dem Inferenten für diesen reserviert<br />

ist. Dies muss einerseits strafrechtliche Konsequenzen nach<br />

sich ziehen, darüber hinaus haftet er aus §9a <strong>GmbH</strong>G. 50<br />

3. Unternehmergesellschaft<br />

Bei Unternehmergesellschaften ist die Erbringung von Sacheinlagen<br />

ausgeschlossen (§5a Abs.2 Satz 2 <strong>GmbH</strong>G). Streitig<br />

ist, welche Rechtsfolgen gelten sollen, wenn bei einer Unternehmergesellschaft<br />

verdeckt eine Sacheinlage erbracht wird.<br />

Gegen eine analoge Anwendung des §19 Abs.4 <strong>GmbH</strong>G bei<br />

einer Unternehmergesellschaft 51 spricht, dass die Form dieser<br />

Einlageleistung bei der vom Gründer gewählten Gesellschaftsform<br />

ausdrücklich untersagt ist. Eine entsprechende<br />

Anwendung des §19 Abs.4 <strong>GmbH</strong>G würde zum Missbrauch<br />

bei der Unternehmergesellschaft einladen. Da bei der Unternehmergesellschaft<br />

ein Gegenstand nicht sacheinlagefähig ist,<br />

kann §19 Abs.4 <strong>GmbH</strong>G von vornherein keine Anwendung<br />

finden. 52 In diesem Fall sollten die bisherigen Grundsätze der<br />

Rechtsprechung zur verdeckten Sacheinlage gelten.<br />

2. Haftungsrisiko des Geschäftsführers<br />

Durch das MoMiG wird die Haftungsverantwortung von den<br />

Gesellschaftern auf den Geschäftsführer verlagert. Für ihn<br />

ergeben sich zusätzliche Belastungen. Trotz der Anrechnungswirkung<br />

wird er haftungsrechtlichen Sanktionen ausgesetzt,<br />

da die Anrechnungswirkung erst mit Eintragung der Gesellschaft<br />

in das Handelsregister erfolgt. Er darf daher nach überwiegender<br />

Ansicht in der Anmeldung nach §8 <strong>GmbH</strong>G nicht<br />

versichern, die Geldeinlagepflicht sei zumindest durch<br />

Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

39 Hierauf bereits in der Diskussion zur Ablehnung der ursprünglich geplanten<br />

Erfüllungswirkung hinweisen: Ulmer ZIP 2008, 45 (52); Priester ZIP 2008,<br />

55 (56); Winter FS Priester, 2007, S.867 (876ff.).<br />

40 Ebenso Ulmer ZIP 2009, 293 (295); Veil/Werner <strong>GmbH</strong>R 2009, 729 (730).<br />

41 Ulmer ZIP 2008, 45 (52); Markwardt BB 2008, 2414 (2416).<br />

42 Ulmer ZIP 2009, 293 ff: Rechtsgedanke des Vorteilsausgleiches; Pentz<br />

<strong>GmbH</strong>R 2009, 126 ff., der dem Kondiktionsanspruch des Gesellschafters<br />

wegen unwirksamer Einlageleistung den Einwand der Entreicherung entgegenhält;<br />

Bormann/Ulrichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft Oktober 2008, 37 (40) halten<br />

den Anspruch des Gesellschafters auf Kondiktion seiner Bareinlage aus teleologischen<br />

Gründen für gesperrt; Heinze <strong>GmbH</strong>R 2008, 1065 (1066) für<br />

schuldrechtliche Doppelwirkung; Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449<br />

(1452) für Umgestaltung der Rechtsverhältnisse; ebenso Veil/Werner <strong>GmbH</strong>R<br />

2009, 729; HambKomm/Kuleisa, Anhangzu§35InsO,C.verdeckteSacheinlage,<br />

Rn.27.<br />

43 Ausführlich zum Meinungsstand Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2009, 1185.<br />

44 BGH, Urt. vom 20.11.2006, II ZR 176/05, NJW 2007, 765 Rn.17.<br />

45 Siehe Bsp. in HambKomm/Kuleisa,Anhangzu§35InsO,C.verdeckteSacheinlage,<br />

Rn.26.<br />

46 46 Dazu Römermann NZI 2008, 641.<br />

47 Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449 (1454); Römermann NZI 2008, 641<br />

(642); Seibert/Decker ZIP 2008, 1208 (1210).<br />

48 Altmeppen ZIP 2009, 1545 (1549f.).<br />

49 BT-Drucks. 16/6140, S.92.<br />

50 Ebenso Markwardt BB 2008, 2414 (2418).<br />

51 So aber Wälzholz <strong>GmbH</strong>R 2008, 841 (843).<br />

52 Ebenso Bormann/Ulrichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft Oktober 2008, 37 (42); Markwardt<br />

BB 2008, 2414 (2421); a.A. Heinze <strong>GmbH</strong>R 2008, 1065 (1068).<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 11


Unternehmensinsolvenz Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />

4. Mehr-/Minderheitskonflikte<br />

Die gesetzlich angeordnete Anrechnungslösung kann unter<br />

UmständendemWillenvonMitgesellschaftern widersprechen.<br />

Erbringt ein Mitgesellschafter eine verdeckte Sacheinlage<br />

in Abstimmung mit der Geschäftsleitung, ist für die weiteren<br />

Mitgesellschafter, die sich an das satzungsgemäße Gebot<br />

der Barausstattung gehalten haben, die Anrechnungswirkung<br />

nicht einsehbar. Sie werden mit dem Risiko einer Ausfallhaftung<br />

gemäß §24 <strong>GmbH</strong>G belastet, wenn der Sachwert geringer<br />

als die geschuldete Bareinlage ist. Teilweise wird deshalb<br />

gefordert,dassausGründendesMinderheitenschutzesdie<br />

gesetzlich angeordnete Anrechnungswirkung unter dem Vorbehalt<br />

der Zustimmung durch alle Gesellschafter steht. 53 Ein<br />

solches Erfordernis ist aus dem Gesetzeswortlaut nicht<br />

ersichtlich. Der Gesellschafter wird daher im Wege der actio<br />

pro socio seinen MitgesellschafteroderdieGesellschaftauf<br />

Unterlassung des verdeckten Geschäfts in Anspruch nehmen<br />

können. 54 Wurde das Geschäft mit dem Gesellschafter aber<br />

bereits vollzogen, dürfte eine Klage auf Naturalrestitution an<br />

der gesetzlichen Wertung des § 19 Abs. 4 Satz 2 <strong>GmbH</strong>G<br />

scheitern, wenn der Sachwert der Einlagehöhe entspricht. 55<br />

V. Offene Fragen zum Hin- und Herzahlen<br />

Der BGH hat in der Qivive-Entscheidung die Fallgruppe des<br />

Hin- und Herzahlens in Abgrenzung zur verdeckten Sacheinlage<br />

deutlich präzisiert. Beim Hin- und Herzahlen hat die<br />

Leistung nicht zur endgültigen freien Verfügung der<br />

Geschäftsleitung gestanden, was indessen nicht ausschließt,<br />

dass im Einzelfall auch die noch formstrengeren Sacheinlagevorschriften<br />

verletzt sein können, 56 was der erste Cash-Pool-<br />

Fall57 aufzeigt. Die Fallgruppe des Hin- und Herzahlens ist in<br />

Abgrenzung zur verdeckten Sacheinlage zusätzlich dadurch<br />

gekennzeichnet, dass die Einlagemittel durch die Gesellschaft<br />

verdeckt finanziert werden. Dies spricht dafür, dass auch für<br />

den bisher nicht entschiedenen Fall des Her- und Hinzahlens<br />

bei Gewährung eines Neudarlehens an den Gesellschafter §19<br />

Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G Anwendung findet. 58 Ist Grund der vorherigen<br />

Auszahlung an den Gesellschafter die Gewährung eines<br />

Neudarlehens, leistet der Inferent wie in der spiegelbildlichen<br />

Konstellation des sogenannten Hin- und Herzahlens nichts. 59<br />

Ebenso diese Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass die<br />

Einlageleistung aus Mitteln der <strong>GmbH</strong> erfolgt. Der Sachverhalt<br />

ist aber als verdeckte Sacheinlage vorrangig zu beurteilen,<br />

wenn die zeitlich vorherige Abverfügung an den Gesellschafter<br />

zur Tilgung einer ihm gegenüber bestehenden Verbindlichkeit<br />

erfolgt (Altdarlehen). In dieser Konstellation ist die<br />

Gesellschaft wie im Cash-Pool-Fall II von einer Verbindlichkeit<br />

gegenüber dem Inferenten befreit worden. Die beiden<br />

neuen Entscheidungen des BGH schaffen folglich Klarheit<br />

über die Anwendungsbereiche, offen bleibt indessen, wann<br />

die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind.<br />

1. Vollwertiger und liquider Rückgewähranspruch<br />

Das Gesetz erläutert nicht, was unter vollwertig zu verstehen<br />

ist. Der BGH hat in einem anderen Zusammenhang für eine<br />

Vollwertigkeit der Forderung verlangt, dass das Vermögen des<br />

Schuldners zur Deckung seiner sämtlichen Verbindlichkeiten<br />

ausreichen muss. 60 An der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft<br />

dürfen keinerlei Zweifel bestehen. 61 Unter Berufung<br />

auf die Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise sollen<br />

abschwächend die Grundsätze der Forderungsbewertung<br />

nach dem HGB, insbesondere § 253 Abs. 3 HGB, greifen. 62<br />

12<br />

Die Forderung ist danach unter Berücksichtigung des individuellen<br />

Kreditrisikos des Gesellschafters zu bewerten. 63 Im<br />

Interesse des Gläubigerschutzes ist die objektive Vollwertigkeit<br />

maßgebend, so dass es auf die der Geschäftsführung bekannten<br />

Informationen bei der Bewertung nicht allein ankommt. 64<br />

Der Gesellschafter wird nur dann von seiner Verpflichtung<br />

frei, »wenn« (und nicht »soweit«) die Leistung durch einen<br />

vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist. Eine Teilwertigkeit<br />

ist daher unbeachtlich. 65 Der Rückgewähranspruch<br />

muss zudem jederzeit fällig sein oder durch fristlose Kündigung<br />

durch die Gesellschaft sofort fällig werden können. Der<br />

Gesetzgeber wollte einen Ausgleich dafür schaffen, dass die<br />

Vollwertigkeitsprüfung zeitbezogen bei Einlageleistung stattfinden<br />

muss, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Inferenten<br />

als Darlehensnehmer sich aber während der Laufzeit des<br />

Geschäftes, aus dem sich der Rückzahlungsanspruch ergibt,<br />

zum Nachteil der <strong>GmbH</strong> und ihrer Gläubiger ändern können.<br />

66 Dies setzt voraus, dass die Gesellschaft den Vertrag, auf<br />

dem die Rückgewährpflicht beruht, jederzeit ohne Einschränkung<br />

kündigen können muss. 67 Das Gesetz fordert darüber<br />

hinaus nicht, dass das an den Gesellschafter ausgereichte Darlehen<br />

einem Drittvergleich standhalten muss. Insbesondere<br />

wird keine Verzinsung oder Besicherung verlangt. 68 Bis zur<br />

Klärung der Rechtsfrage zu der Notwendigkeit einer Darlehensverzinsung<br />

ist jedoch anzuraten, eine Zinspflicht zu vereinbaren.<br />

Die Erfüllungswirkung tritt nach dem Alles-oder-<br />

Nichts-Prinzip nur ein, wenn der Rückgewähranspruch in vollem<br />

Umfang vollwertig ist. Der Begriff der Vollwertigkeit<br />

dürfte dahingehend auszulegen sein, dass die Gesellschaft auch<br />

einen Nutzen aus dem Mittelabfluss, somit Zinsen, erhalten<br />

muss. Auf eine Besicherung wird es jedoch nur dann ankommen,<br />

wenn ansonsten die Realisierung der Forderung zweifelhaft<br />

ist. 69 Anders als in §19 Abs.4 <strong>GmbH</strong>G ist ungeregelt, wer<br />

insbesondere für die Vollwertigkeit die Beweislast trägt. Eine<br />

Analogie zu § 19 Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G ist abzulehnen, weil eben<br />

keine (vorrangige) verdeckte Sacheinlage vorliegt. 70 Nach<br />

überwiegender Auffassung ist der Gesellschafter nach allgemeinen<br />

Regeln beweisbelastet, da der Erfüllungseinwand von<br />

ihm nachzuweisen ist. 71 Der Inferent beansprucht für sich eine<br />

53 Ulmer, <strong>GmbH</strong>G, § 19 Rn. 138; Scholz/Winter/Westermann, <strong>GmbH</strong>G,§5<br />

Rn.107 zur bisherigen Heilungsrechtsprechung des BGH.<br />

54 Markwardt BB 2008, 2414 (2417).<br />

55 Vgl. zu Mehr-/Minderheitskonflikten ebenso Veil ZIP 2007, 1241 (1244).<br />

56 Goette ZInsO 2007, 1177 (1178).<br />

57 BGH, 16.01.2006, II ZR 76/04, ZIP 2006, 665.<br />

58 HambKomm/Kuleisa,Anhangzu§35InsO,D.Hin-undHerzahlen,Rn.4.<br />

59 BGH, Urt. vom 12.06.2006, II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633.<br />

60 BGH, Urt. vom 02.12.2002, II ZR 101/02, <strong>GmbH</strong>R 2003, 231.<br />

61 Büchel <strong>GmbH</strong>R 2007, 1065 (1067); Heinze <strong>GmbH</strong>R 2008, 1065 (1070)<br />

»volle Solvenz«.<br />

62 Ebenso BGH, Urt. vom 01.12.2008, II ZR 102/07, ZIP 2009, 70 Rn.13 zu<br />

§30 <strong>GmbH</strong>G).<br />

63 Kallmeyer BB 2007, 2755; Winter DStR 2007, 1484 (1486); Markwardt BB<br />

2008, 2414 (2420) abstellend auf die Kreditwürdigkeit.<br />

64 Bormann/Ulrichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft Oktober 2008, 37 (43f.).<br />

65 Heckschen DStR 2009, 166 (173) – Alles-oder-Nichts-Prinzip.<br />

66 BT-Drucks. 16/9737, S.97.<br />

67 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.28.<br />

68 Hierzu Bormann/Ulrichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft Oktober 2008, 37 (44).<br />

69 Heckschen DStR 2009, 166(173); BGH, Beschl. vom 09.07.2007, II ZR 222/<br />

06, ZInsO 2007, 1111 zur Beweislast im Allgemeinen.<br />

70 Büchel <strong>GmbH</strong>R 2007, 1065 (1068).<br />

71 Gundlach/Frenzel/Strandmann NZI 2008, 647 (648); Gehrlein Der Konzern<br />

2007, 771 (781); Heinze <strong>GmbH</strong>R 2008, 1065 (1071); Heckschen DStR 2009,<br />

166 (173).<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


günstige Rechtsfolge, da er abweichend von § 8 Abs. 2<br />

<strong>GmbH</strong>G geltend macht, seine Einlageleistung habe trotz zeitnaher<br />

Abverfügung an ihn die Kapitalaufbringung abgeschlossen.<br />

Ihm obliegt deshalb, sämtliche Voraussetzungen des §19<br />

Abs.5 <strong>GmbH</strong>G zu beweisen.<br />

2. Offenlegung bei Anmeldung<br />

Nach §19 Abs.5 Satz 2 <strong>GmbH</strong>G ist die Leistung an den Gesellschafter<br />

oder die Vereinbarung einer solchen Leistung in der<br />

Anmeldung zum Handelsregister anzugeben. Der Gesetzgeber<br />

hat hierdurch einen Wertungswiderspruch gelöst. Der<br />

Geschäftsführer hätte bei einem Hin- und Herzahlen nicht<br />

erklären können, dass sich die Einlageleistung endgültig in seiner<br />

freien Verfügung befindet. Der BGH hat nunmehr geklärt,<br />

dass die Pflicht zur Offenlegung materielle Voraussetzung für<br />

das Eintreten der Rechtsfolge des § 19 Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G ist. 72<br />

Offenistaberweiterhin,obauchErklärungenzurVollwertigkeit<br />

zusätzlich abzugeben sind. Anmeldepflichtig ist nach dem<br />

Wortlaut nur die Vereinbarung/Leistung als solche. Überwiegend<br />

wird dennoch vertreten, die Erklärung sei falsch, wenn sie<br />

nicht den Anforderungen des §19 Abs.5 Satz 1 <strong>GmbH</strong>G ent-<br />

spricht. 73<br />

MitderEinordnungderOffenlegungspflichtalsmate-<br />

rielle Voraussetzung dürfte sich auch der Meinungsstreit darüber<br />

erledigt haben, ob §19 Abs.5 <strong>GmbH</strong>G Anwendung findet,<br />

wenn eine Vereinbarung gar nicht oder erst nach der Einlageleistung<br />

getroffen wurde. 74 Der Gesetzeswortlaut verlangt, dass vor<br />

Einlageleistung eine Vereinbarung getroffen wurde. Nach §19<br />

Abs.5 Satz 2 <strong>GmbH</strong>G ist eine Offenlegung des Hin- und Herzahlens<br />

bei der Anmeldung zum Handelsregister nach § 8<br />

<strong>GmbH</strong>Ganzugeben.Diessetztabervoraus,dasszumZeitpunkt<br />

der Anmeldung die Vereinbarung vorliegen muss. Hieraus folgt,<br />

dass bei fehlender oder nachfolgender Abrede § 19 Abs. 5<br />

<strong>GmbH</strong>G unanwendbar ist. 75<br />

VI. Übergangsregelung<br />

Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 EG<strong>GmbH</strong>G kommt den gesetzlichen<br />

Neuregelungen Rückwirkung auch schon für die vor Inkrafttreten<br />

des Gesetzes vereinbarten Einlageleistungen zu. Dies gilt nur<br />

dann nicht, wenn über die aus der Unwirksamkeit folgenden<br />

AnsprücherechtskräftigentschiedenwurdeodersiezumGegenstand<br />

einer wirksamen Vereinbarung zwischen Gesellschaft und<br />

Gesellschaftern gemacht worden sind. 76 DerBGHhateineVorlage<br />

an das Bundesverfassungsgericht nach Art.100 Abs.1 GG<br />

für derzeit nicht geboten gehalten, da im Cash-Pool-Fall II noch<br />

völlig ungewiss ist, inwieweit eine Anrechnung nach der neuen<br />

gesetzlichen Regelung in Betracht kommt. 77 Auch in der Qivive-<br />

Entscheidung musste der BGH auf die mit demÜbergangsrecht<br />

verbundene Frage der Verfassungskonformität nicht eingehen,<br />

da kein Fall der verdeckten Sacheinlage vorgelegen hat. Goette78 hält ein solches gesetzgeberisches Vorgehen gerade unter verfassungsrechtlichen<br />

Aspekten wegen der mit der Regelung verbundenen<br />

echten Rückwirkung für mehr als problematisch.<br />

Überwiegend werden die Andeutungen des BGH in den Entscheidungen<br />

alsHinweis daraufverstanden,dass dieÜbergangsregelung<br />

zumindest nicht von vornherein für unbedenklich<br />

gehalten wird. 79Eine<br />

baldige Klärung wäre für die Rechtsuchenden<br />

wünschenswert. Bei der Beurteilung von Altfällen (Sachverhalte<br />

vor Inkrafttreten des MoMiG) dürfte die Bedeutung<br />

jedoch gering sein. Zu erwarten ist nicht, dass es bei Vorliegen<br />

einer verdeckten Sacheinlage dem Inferenten gelingt, den Wert<br />

der verdeckt eingebrachten Sache in einem meist Jahre später<br />

geführten Rechtsstreit noch nachzuweisen. Da die Offenle-<br />

Kapitalaufbringung nach dem MoMiG<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

gungspflicht materielle Voraussetzung für die Rechtsfolge des<br />

§19 Abs.5 <strong>GmbH</strong>G ist, wird eine Berufung des Inferenten auf<br />

die erleichternde Neuregelung bei einem Hin- und Herzahlen<br />

meist hieran scheitern. Überwiegend wahrscheinlich ist, dass in<br />

der Vergangenheit Leistungen oder Vereinbarungen über solche<br />

Leistungen nicht zum Handelsregister angemeldet wurden, was<br />

indessen erforderlich wäre.<br />

VII. Zusammenfassung<br />

1. Der BGH hat die Abgrenzungskriterien zwischen verdeckter<br />

Sacheinlage und Hin- und Herzahlen in den beiden dargestellten<br />

Entscheidungen deutlich fortentwickelt. Dies erleichtert die<br />

Zuordnung von Sachverhalten zu den neuen gesetzlichen Regelungen<br />

mit unterschiedlichen Rechtsfolgen. Unabdingbare<br />

Voraussetzung der verdeckten Sacheinlage ist, dass die verdeckt<br />

eingebrachte Sache auch einlagefähig sein muss. Das Hin- und<br />

Herzahlen ist dagegen eine verdeckte Finanzierung, bei der der<br />

Gesellschaft im Ergebnis keine neue Liquidität zufließt.<br />

2. Das gesetzgeberische Anliegen, das als ökonomisch sinnvoll<br />

bezeichnete Cash-Pooling als Methode der Konzernfinanzierung<br />

bei einer Kapitalaufbringung abzusichern, dürfte schwer<br />

erreichbar sein. Liegt eine vorrangige verdeckte Sacheinlage<br />

vor, kommt es für die Rechtsfolge der Anrechnung nach §19<br />

Abs. 4 <strong>GmbH</strong>G entscheidend darauf an, ob die Gesellschaft<br />

bei Weiterleitung der Einlageleistung an das Zentralkonto<br />

auch ohne Berücksichtigung der Einlagezahlung die Verbindlichkeit<br />

gegenüber dem Inferenten erfüllen konnte. Die Kapitalaufbringung<br />

bei einem Hin- und Herzahlen ist dagegen erst<br />

abgeschlossen, wenn der Rückgewähranspruch vollwertig, fällig<br />

bzw. jederzeit kündbar ist und darüber hinaus die Leistung/Vereinbarung<br />

der Leistung offengelegt wurde. Unklar ist<br />

aber weiterhin, welche Anforderungen an den Inhalt der<br />

Offenlegung zu stellen sind.<br />

3. Begrüßenswert wäre gewesen, wenn der Streit über die verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken zur Übergangsvorschrift des<br />

§ 3 Abs. 4 EG<strong>GmbH</strong>G beendet worden wäre. Der BGH hat<br />

dies mangels Entscheidungserheblichkeit in beiden Urteilen<br />

offen lassen können. Der Wunsch nach Rechtssicherheit<br />

bleibt für die Rechtsuchenden fortbestehen. Bis zur abschließenden<br />

Entscheidung, ob §3 Abs.4 EG<strong>GmbH</strong>G gegebenenfalls<br />

verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass die<br />

Übergangsvorschrift erst ab ihrem Inkrafttreten auf verdeckt<br />

eingebrachte Einlageleistungen anwendbar ist, werden in<br />

anhängigen und künftig angestrebten Rechtsstreiten die Sachverhalte<br />

jeweils an der Rechtslage vor/nach Inkrafttreten des<br />

MoMiG zu prüfen sein.<br />

72 BGH, Urt. vom 16. 02.2009, II ZR 120/07, ZInsO 2009, 775 Rn.16; BGH,<br />

Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZinsO 2009, 1546 Rn.25.<br />

73 Maier-Reimer/Wenzel ZIP 2008, 1449 (1454); Bormann/Ulrichs <strong>GmbH</strong>R, Sonderheft<br />

Oktober 2008, 37 ( 44).<br />

74 Für entsprechende Anwendung des §19 Abs.5 <strong>GmbH</strong>G: Maier-Reimer/Wenzel<br />

ZIP 2008, 1449 (1453).<br />

75 Ebenso Büchel <strong>GmbH</strong>R 2007, 165 (167); Markwardt BB 2008, 2414 (2420).<br />

76 Vgl. für die Umsetzung bei laufenden Rechtsstreiten: Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 126<br />

(129ff.), der ungeachtet dessen die Übergangsregelung für verfassungsrechtlich<br />

bedenklich hält; ebenso Heinze <strong>GmbH</strong>R 2008, 1065 (1073); Bormann <strong>GmbH</strong>R<br />

2007, 897(901);Badenhop ZInsO2009,793;Pentz<strong>GmbH</strong>R 2009,505(506f.);<br />

andererseits Fuchs BB 2009, 170 (174).<br />

77 BGH, Urt. vom 20.07.2009, II ZR 273/07, ZInsO 2009, 1546 Rn.38.<br />

78 Goette, Einführung in das neue <strong>GmbH</strong>-Recht, 2008, S.36.<br />

79 Pentz <strong>GmbH</strong>R 2009, 505 (506).<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 13


Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />

BVerfG: Verfassungskonformität von<br />

Kriterien für die Aufnahme eines<br />

Bewerbers in die sog. Vorauswahlliste<br />

des Insolvenzrichters, insb.: Kriterium<br />

der höchstpersönlichen<br />

Aufgabenwahrnehmung<br />

§56InsO;Art.3Abs.1,12Abs.1GG<br />

Leitsatz der Redaktion:<br />

Bei der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters (§56<br />

InsO) kommt der sog. Vorauswahlliste eine entscheidende<br />

Bedeutung zu: Sie vermittelt dem Insolvenzrichter einen<br />

Rahmen, der ihm trotz der Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung<br />

eine sichere Tatsachengrundlage für eine<br />

sachgerechte Auswahlentscheidung im konkreten Insolvenzverfahren<br />

(vgl. BVerfGE 11, 1, 17) verschafft.<br />

Der Insolvenzrichter ist nicht gehindert, unter dem<br />

Gesichtspunkt fehlender genereller Eignung solche Bewerber<br />

unberücksichtig zu lassen, die nach den Kriterien seiner<br />

eigenen Ermessenspraxis keine Aussicht auf tatsächliche<br />

Berücksichtigung haben.<br />

Das Kriterium der höchstpersönlichen Aufgabenwahrnehmung<br />

begegnet insbesondere im Bereich der Unternehmensinsolvenz<br />

keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da<br />

es nicht sachfremd ist, die Auswahlentscheidung daran zu<br />

knüpfen, dass der Bewerber, dessen Eignung Grundlage der<br />

Bestellung ist, bei der Insolvenzverwaltung persönlich substanziell<br />

mitwirkt.<br />

Es ist Sache der Insolvenzgerichte, festzustellen, welches<br />

Maß der Aufgabenübertragung zwischen den beiden Grenzpunkten<br />

der vollständigen Delegation einerseits und praktisch<br />

unverzichtbarer Unterstützung andererseits in konkreten<br />

Verfahren zulässig ist.<br />

BVerfG, Beschluss vom 03.08.2009, 1 BvR 369/08<br />

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung<br />

angenommen.<br />

Gründe: [1] I. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die<br />

Voraussetzungen für die Aufnahme von Bewerbern in eine<br />

Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter.<br />

[2] 1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und arbeitet<br />

vorwiegend als Insolvenzverwalter. Er ist seit mehr als 30 Jahren<br />

auf dem Gebiet des Insolvenzrechts tätig, Fachanwalt<br />

unter anderem für Insolvenzrecht, Autor und Herausgeber<br />

zahlreicher Veröffentlichungen zum Insolvenzrecht und in<br />

der Vergangenheit von Gerichten in fast allen Bundesländern<br />

in insgesamt mehr als 1000 Verfahren zum Verwalter bestellt<br />

worden. Die Sozietät, der der Beschwerdeführer angehört,<br />

unterhält Büros in zahlreichen deutschen Städten. An verschiedenen<br />

Standorten bestehen »Zentrale Serviceeinheiten«<br />

mit insgesamt mehr als 200 Mitarbeitern, die bundesweit verschiedene<br />

Aufgaben wahrnehmen. Im Jahr 2001 eröffnete die<br />

Sozietät ein Büro in H., in dem im Jahr 2007 drei Rechtsanwälte<br />

und zwei weitere Mitarbeiter tätig waren.<br />

[3] Im Februar 2007 gab die Insolvenzrichterin des Amtsgerichts<br />

H. in Form einer »Ausschreibung« bekannt, dass sie<br />

14<br />

eine Vorauswahlliste für die Bestellung von Insolvenzverwaltern<br />

führe, und forderte zu »Bewerbungen für das Amt des<br />

Insolvenzverwalters/der Insolvenzverwalterin« auf. Im Ausschreibungstexterläutertesie,dassjederfürdasAmtdesInsolvenzverwalters<br />

beim Amtsgericht H. geeignete Bewerber<br />

einen Anspruch auf Aufnahme in diese Liste habe. Als wesentliche<br />

Kriterien für die Eignung nannte sie neben der fachlichen<br />

Befähigung auch die örtliche Erreichbarkeit und die persönliche<br />

Eignung der Bewerber. Zur örtlichen Erreichbarkeit<br />

führte die Insolvenzrichterin aus, es werde – abgesehen von<br />

Ausnahmen für Verfahren mit hohem Spezialisierungsgrad –<br />

einBüroimUmkreisvon100KilometernzumGerichtsort<br />

vorausgesetzt. Dabei müsse eine Büroorganisation vorhanden<br />

sein, die über ein Telefon mit Rufumleitung erheblich hinausgehe.<br />

Insbesondere sei die persönliche Anwesenheit des VerwaltersindiesemBüroanmindestenszweiTagenproWoche<br />

unabdingbar. Zum Kriterium der persönlichen Eignung<br />

erläuterte die Insolvenzrichterin im Ausschreibungstext, sie<br />

erwarte die höchstpersönliche Bearbeitung der Insolvenzverwaltung.<br />

Eine Delegation sei für einzelne, abgrenzbare Aufgaben<br />

statthaft, die Verwaltung insgesamt sei jedoch durch den<br />

Insolvenzverwalter selbst vorzunehmen. Dessen Sachkenntnis<br />

müsse so groß sein, dass er Auskünfte an das Gericht selbst<br />

erteilen könne. Die anfallenden Insolvenzverfahren würden<br />

in vier Kategorien unterteilt: I. Unternehmensinsolvenzen, II.<br />

Regelinsolvenzverfahren natürlicher Personen, bei denen eine<br />

Verfahrenskostenstundung beziehungsweise Abweisung mangels<br />

Masse von vornherein abzusehen sei, III. Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

und IV. Spezielle Fallgestaltungen, die<br />

besondere Fachkunde erforderlich machten, zum Beispiel<br />

Insolvenzverfahren mit Bezug zum internationalen Insolvenzrecht,<br />

offenkundige Kriminalinsolvenzen, Spezialmaterien<br />

und Großverfahren. Bei Verfahren der Kategorie IV sei das<br />

Kriterium der Ortsnähe grundsätzlich nachrangig. Ergänzend<br />

wies die Insolvenzrichterin darauf hin, dass das Führen einer<br />

Vorauswahlliste Aufgabe des einzelnen Richters und nicht<br />

einer Abteilung oder der Justizverwaltung sei. Das Ermessen<br />

eines Vertreters im Amt oder eines Amtsnachfolgers werde<br />

nicht gebunden.<br />

[4] Mit Schreiben vom 13. März 2007 bewarb sich der<br />

Beschwerdeführer um die Aufnahme in die Vorauswahlliste<br />

für die Kategorien I (Unternehmensinsolvenzen) und IV<br />

(Spezielle Fallgestaltungen). Dies lehnte die Insolvenzrichterin<br />

mit Schreiben vom 1. April 2007 ab. Zur Begründung<br />

führte sie aus, dass der Beschwerdeführer die Eignungskriterien<br />

nicht erfülle, weil er sich zum einen nicht an mindestens<br />

zwei Tagen pro Woche in einem Büro im Umkreis von 100<br />

Kilometern zum Gerichtsort aufhalte, weshalb er bei Verfahren<br />

der Kategorie I nicht berücksichtigt werden könne, und<br />

zum anderen eine höchstpersönliche Bearbeitung durch ihn<br />

nicht in ausreichendem Maße gewährleistet sei, weshalb er<br />

auch bei Verfahren der Kategorie IV nicht berücksichtigt werden<br />

könne. Insoweit bezog sie sich auf Erfahrungen, die sie im<br />

Zusammenhang mit früheren Insolvenzverfahren mit dem<br />

Beschwerdeführer gemacht habe.<br />

[5] Gegen die Nichtaufnahme in die Vorauswahlliste beantragte<br />

der Beschwerdeführer nach §§23ff. des Einführungsgesetzes<br />

zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) gerichtliche<br />

Entscheidung beim Oberlandesgericht. Das Oberlandesgericht<br />

wies den Antrag mit Beschluss vom 3. Dezember 2007<br />

(veröffentlicht unter anderem in NJW-RR 2008, 719)<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


zurück. Der Beschwerdeführer sei aufgrund sachgerechter<br />

Erwägungen nicht in die Vorauswahlliste aufgenommen worden.<br />

Die Entscheidung über die Aufnahme geeigneter Bewerber<br />

in diese Liste stehe im pflichtgebundenen Ermessen des<br />

Insolvenzrichters. Der Bewerber könne nur verlangen, dass<br />

der Insolvenzrichter sachgerechte Kriterien anlege. Die Kriterien<br />

der Ortsnähe und der höchstpersönlichen Bearbeitung<br />

der Insolvenzverfahren seien nicht zu beanstanden.<br />

[6] 2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer<br />

eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1<br />

und Art.12 Abs.1 GG.<br />

[7] Für die von der Insolvenzrichterin aufgestellten Anforderungen<br />

fehle es an der nach Art.12 Abs.1 Satz 2 GG erforderlichen<br />

gesetzlichen Grundlage. Nach §56 Abs.1 der Insolvenzordnung<br />

(InsO) müsse in die Vorauswahlliste jeder Interessent<br />

aufgenommen werden, der fachlich hinreichend qualifiziert<br />

sei. Die Vorschrift beschränke die Freiheit der Berufswahl nur<br />

dahin, dass zum Insolvenzverwalter eine für den jeweiligen<br />

Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von<br />

den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche<br />

Person zu bestellen sei. Die Geeignetheit sei ein personenbezogenes<br />

Kriterium. Auch das Vorauswahlverfahren könne die<br />

ihm von Verfassungs wegen zukommende Bedeutung, dem<br />

Insolvenzrichter die zügige Bestellung eines geeigneten Verwalters<br />

aus einem Kreis von regelmäßig mehreren Interessenten<br />

zu ermöglichen, nur erfüllen, wenn auch bereits das<br />

Vorauswahlverfahren allein auf die Geeignetheit des Bewerbers<br />

abhebe. Dabei erfasse der Begriff der Eignung aus Sicht<br />

des Verfassungsrechts die ganze Person mit ihren körperlichen,<br />

seelischen und charakterlichen Eigenschaften. Nicht personenbezogene<br />

Kriterien dürften folglich weder für das Vorauswahlverfahren<br />

noch für die Bestellung eine Rolle spielen. Dieses<br />

Ergebnis werde durch die im Jahr 2007 erfolgte Ergänzung<br />

des §56 Abs.1 InsO bestätigt, wonach der Insolvenzverwalter<br />

aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen<br />

bereiten Personen auszuwählen sei.<br />

[8] Weder das Kriterium der wöchentlich zweitägigen Anwesenheit<br />

in seinem ortsnahen Büro noch das Kriterium der<br />

höchstpersönlichen Bearbeitung, so wie es die Insolvenzrichterin<br />

verstehe, sei ein Eignungskriterium. Ob sich ein InsolvenzverwalteranzweiTageninderWocheinseinemBüroim<br />

Umkreis von 100 Kilometern zum Gerichtssitz aufhalte, habe<br />

nichts mit Eigenschaften seiner Person zu tun, sondern mit<br />

der Art und Weise, wie er seinen Beruf ausübe. Wenn der<br />

Gesetzgeber eine entsprechende Regelung der Berufsausübung<br />

als notwendig erachtet hätte, hätte er dies in die Insolvenzordnung<br />

aufnehmen können. Mit Blick auf das Gebot<br />

der Verhältnismäßigkeit sei es aber nachvollziehbar, dass der<br />

Gesetzgeber dies nicht getan habe. Auch das Kriterium der<br />

höchstpersönlichen Bearbeitung sei kein Kriterium der<br />

Geeignetheit, sondern eine im Gesetz nicht vorgesehene<br />

Regelung der Berufsausübung. Auch insoweit fehle es an einer<br />

gesetzlichen Regelung. Mit Verweis auf die Materialien zum<br />

Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (vgl. BT-<br />

Drucks.16/3227, S.18) macht der Beschwerdeführer geltend,<br />

auch der Gesetzgeber habe im Jahr 2007 ausdrücklich auf den<br />

Personalaufwand verwiesen, der in einem auf Unternehmensinsolvenzen<br />

spezialisierten größeren Verwalterbüro zu betreiben<br />

sei. Im Übrigen sei der vorliegende Eingriff in die Berufsfreiheit<br />

unverhältnismäßig.<br />

Rechtsprechung<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

[9] II. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung<br />

anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a<br />

Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde<br />

kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung<br />

zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen<br />

verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung<br />

des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Insbesondere<br />

hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit<br />

Beschluss vom 23. Mai 2006 die verfassungsrechtlichen Vorgaben<br />

für das Verfahren zur Auswahl von Insolvenzverwaltern<br />

aufgezeigt (vgl. BVerfGE 116, 1). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde<br />

ist auch nicht zur Durchsetzung der als<br />

verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe<br />

b BVerfGG). Soweit der Beschwerdeführer seine Nichtberücksichtigung<br />

in der Kategorie IV (Spezielle Fallgestaltungen)<br />

rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.<br />

Soweit es um die Nichtberücksichtigung in der Kategorie I<br />

(Unternehmensinsolvenzen) geht, ist die Annahme jedenfalls<br />

deshalb nicht angezeigt, weil deutlich abzusehen ist, dass der<br />

Beschwerdeführer auch im Fall der Zurückverweisung im<br />

Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22<br />

[25f.]).<br />

[10] 1. Die Insolvenzgerichte tragen die Verantwortung für<br />

die Auswahl eines für den jeweiligen Einzelfall geeigneten<br />

Insolvenzverwalters. §56 Abs.1 InsO eröffnet ihnen dafür in<br />

verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen<br />

Einschätzungsspielraum, der ihnen eine Entscheidung unter<br />

angemessener Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger<br />

und des Schuldners ermöglichen soll (vgl. BVerfGE 116, 1<br />

[12ff.]). Die Auswahlentscheidung unterliegt jedoch auch der<br />

Bindung an die Grundrechte der Bewerber um das Amt des<br />

Insolvenzverwalters. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

(Art.3 Abs.1 GG) gebietet, dass jeder dieser Bewerber<br />

eine faire Chance erhält, entsprechend seiner in §56 Abs.1<br />

InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden (vgl.<br />

BVerfGE 116, 1 [12 f.]; BVerfGK 8, 368 [370]; 372 [374]).<br />

Das erfordert eine der Sicherung des chancengleichen<br />

Zugangs angemessene Verfahrensgestaltung, die dem Richter<br />

bei der regelmäßig eilbedürftigen Bestellung im konkreten<br />

Verfahren eine zügige Eignungsprüfung ermöglicht und ihm<br />

hinreichende Informationen für seine Auswahlentscheidung<br />

verschafft (vgl. BVerfGE 116, 1 [17 f.]). Zudem ist im Hinblick<br />

auf die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) die Komplementärfunktion<br />

des Verfahrens für die Durchsetzung der<br />

materiellen Rechte zu beachten (vgl. BVerfGE 73, 280 [296]).<br />

Auch Art. 12 Abs. 1 GG gebietet – unabhängig davon, ob<br />

durch die Bestellung zum Insolvenzverwalter lediglich die<br />

Berufsausübungsfreiheit berührt wird, weil es nur um die<br />

Beteiligung an einem konkreten Insolvenzfall geht, oder ob<br />

im Einzelfall die Berufswahl tangiert ist – eine der Bedeutung<br />

der Berufsfreiheit angemessene Verfahrensgestaltung im Vorfeld<br />

der Bestellungsentscheidung (vgl. BVerfGK 4, 1 [9]). Vor<br />

diesem Hintergrund kommt dem weithin üblichen Vorauswahlverfahren<br />

entscheidende Bedeutung zu; denn es kann<br />

dem Insolvenzrichter einen Rahmen geben, der ihm trotz der<br />

Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung eine hinreichend<br />

sichere Tatsachengrundlage für eine sachgerechte Auswahlentscheidung<br />

im konkreten Insolvenzverfahren vermittelt<br />

(vgl. BVerfGE 116, 1 [17]). § 56 Abs. 1 InsO stellt insoweit<br />

eine hinreichende gesetzliche Grundlage dar (vgl.<br />

BVerfGK 8, 418 [419]). Die verfassungsrechtlichen Anforde-<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 15


Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />

rungen an die Ausgestaltung des Vorauswahlverfahrens ergeben<br />

sich aus seiner Funktion zur Vorbereitung einer grundrechtskonformen<br />

Auswahlentscheidung im Einzelfall.<br />

[11] a) Daraus folgt, dass in eine Auswahlliste jeder Bewerber<br />

einzutragen ist, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen<br />

an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens<br />

gelöste Eignung für das erstrebte Amt erfüllt<br />

(vgl. BVerfGE 116, 1 [17f.]; BVerfGK 8, 418 [419f.]). Dabei<br />

ist der Insolvenzrichter von Verfassungs wegen nicht gehindert,<br />

unter dem Gesichtspunkt fehlender genereller Eignung<br />

auch solche Bewerber unberücksichtigt zu lassen, die nach Kriterien<br />

seiner ständigen Ermessenspraxis – an die er unter<br />

Umständen selbst gebunden sein kann (vgl. BVerfGE 116, 135<br />

[153 f.]) –, keinerlei Aussicht auf tatsächliche Berücksichtigung<br />

haben (vgl. allerdings BGH, Beschluss vom 19.Dezember<br />

2007 – IV AR (VZ) 6/07, NJW-RR 2008, 717 [718f.]).<br />

Im vorliegenden Fall haben die Insolvenzrichterin und das<br />

Oberlandesgericht jedenfalls mit dem Kriterium der höchstpersönlichen<br />

Bearbeitung des Insolvenzverfahrens, auf das es<br />

hier entscheidend ankommt (dazu unten 3.), ausdrücklich<br />

eine solche Anforderung an die generelle, von der Typizität des<br />

einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung als Erfordernis<br />

für die Aufnahme in die Vorauswahlliste formuliert.<br />

[12] b) Die Ausgestaltung der Auswahllisten ist den Fachgerichten<br />

überlassen (vgl. BVerfGE 116, 1 [17]). Aus ihrer<br />

Funktion zur Vorbereitung einer zügigen Auswahlentscheidung<br />

im konkreten Fall folgt aber, dass die Vorauswahlliste<br />

dem Richter alle für seine Entscheidung notwendigen Informationen<br />

verschaffen muss. Deshalb darf der einzelne Insolvenzrichter<br />

die Listenführung jedenfalls dann nicht einem<br />

anderen Insolvenzrichter oder Stellen der Gerichtsverwaltung<br />

überlassen, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Liste entsprechend<br />

der von ihm selbst für maßgeblich befundenen<br />

Kriterien geführt wird (vgl. Wieland ZIP 2005, 233 [237]).<br />

Vorliegend hat die Insolvenzrichterin ausdrücklich darauf<br />

hingewiesen, dass das Führen der Vorauswahlliste Aufgabe<br />

jedes einzelnen Richters sei, und damit deren Funktion insoweit<br />

hinreichend berücksichtigt.<br />

[13] Auch muss die Gestaltung der Listen dem Umstand<br />

Rechnung tragen, dass nicht jeder generell für eine Verwaltertätigkeit<br />

geeignete Bewerber auch für jede Art von Verfahren<br />

geeignet ist. Das macht §56 Abs.1 InsO deutlich, der auf die<br />

Eignung des Bewerbers »für den jeweiligen Einzelfall« abstellt.<br />

Das bedeutet, dass die Eignung für ein konkretes Verfahren an<br />

weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein kann als die<br />

generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens<br />

gelöste Eignung für das Insolvenzverwalteramt im Allgemeinen<br />

(vgl. BVerfGK 4, 1 [10]; Uhlenbruck, in: ders., Insolvenzordnung,<br />

12. Aufl. 2003, § 56 Rn. 15; Gerhardt, in: Jaeger,<br />

Kommentar zur Insolvenzordnung, 2007, § 56 Rn. 54 ff.).<br />

Dem ist durch Erhebung der maßgeblichen Daten und durch<br />

entsprechende Strukturierung der Listen Rechnung zu tragen<br />

(vgl. BVerfGE 116, 1 [17]). Vor diesem Hintergrund ist es<br />

jedenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn<br />

Insolvenzrichter wie im vorliegenden Fall differenzierte Vorauswahllisten<br />

führen, in denen sie zwischen verschiedenen<br />

Kategorien von Verfahren oder verschiedenen Anforderungen<br />

an den Verwalter unterscheiden (vgl. Wieland ZIP 2005, 233<br />

[237]; Hess/Ruppe NZI 2004, 641 [642f.]; kritisch Frind, in:<br />

Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht,<br />

16<br />

3. Aufl. 2009, § 56 Rn. 35). Dies trägt auch der gesetzlichen<br />

Neuregelung des § 56 Abs. 1 Satz 2 InsO Rechnung, wonach<br />

ein Bewerber seine Bereitschaft zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen<br />

auf bestimmte Verfahren beschränken darf.<br />

[14] c) Es ist Aufgabe der Fachgerichte, die Kriterien für die<br />

Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie für eine sachgerechte<br />

Ausübung des Auswahlermessens zu entwickeln (vgl.<br />

BVerfGE 116, 1 [17]; BVerfGK 8, 368 [371]; 418 [419]).<br />

Wenn die Fachgerichte die Aufnahme eines Bewerbers auf die<br />

Vorauswahlliste ablehnen, überprüft das Bundesverfassungsgericht<br />

nicht, ob die zugrunde gelegten Kriterien zweckmäßig<br />

sind und das einfache Recht objektiv richtig angewendet<br />

wurde, sondern nur, ob ein Fehler vorliegt, der gerade auf der<br />

Nichtbeachtung von Grundrechten beruht (vgl. BVerfGK 8,<br />

372 [375]; 418 [420]). Dies ist in erster Linie dann der Fall,<br />

wenn die Fachgerichte die Bestellung zum Insolvenzverwalter<br />

sowieimVorfelddieAufnahmeindieVorauswahllistevon<br />

Voraussetzungen abhängig machen, die aus Sachgründen<br />

offensichtlich nicht mehr zu rechtfertigen sind.<br />

[15] Vor diesem Hintergrund begegnet das Kriterium der<br />

Ortsnähe, so wie es die Fachgerichte hier zur Ablehnung des<br />

Beschwerdeführers in der Kategorie I angewendet haben, verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken (dazu unten 2.). Für die Entscheidung<br />

kommt es hierauf indessen nicht an, weil deutlich<br />

abzusehen ist, dass die Gerichte den Beschwerdeführer im<br />

Falle einer Zurückverweisung der Sache auch in dieser Kategorie<br />

jedenfalls wegen mangelnder höchstpersönlicher Aufgabenwahrnehmung<br />

ablehnen würden (dazu unten 3.) und dieses<br />

Kriterium verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist<br />

(dazu unten 4.).<br />

[16] 2. Die Zulässigkeit des Eignungskriteriums der Ortsnähe,<br />

so wie es in den angegriffenen Entscheidungen angewendet<br />

wurde, erscheint in verfassungsrechtlicher Hinsicht<br />

zweifelhaft. Grundsätzlich obliegt es den Fachgerichten, die<br />

Sachgerechtigkeit dieses Kriteriums und seiner Konkretisierungen<br />

zu beurteilen. In der Praxis der Fachgerichte und im<br />

Schrifttum ist umstritten, ob die Ortsnähe eines InsolvenzverwaltersoderseinesBüroseinsinnvollesKriteriumfürdieVorauswahl<br />

darstellt (vgl. Uhlenbruck/Mönning ZIP 2008, 157<br />

[163ff.] m.w.N.). Streitig ist zudem, nach welchen Gesichtspunkten<br />

die Ortsnähe gegebenenfalls sachgerecht bestimmt<br />

werden kann (Büro im Gerichtsbezirk, bestimmte Entfernung<br />

zum Gerichtsort usw.). Teils wird die Ortsnähe nicht als<br />

generelle Eignungsvoraussetzung, wohl aber als tauglicher<br />

Gesichtspunkt für die Ausübung des Auswahlermessens im<br />

Einzelfall behandelt (vgl. Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork,<br />

Kommentar zur Insolvenzordnung, § 56 Rn. 55 [Oktober<br />

2007]). Hiernach erscheint es jedenfalls nicht offenkundig<br />

sachwidrig, bei der (Vor-)Auswahl von Insolvenzverwaltern<br />

auch deren örtliche Nähe zum Insolvenzgericht zu berücksichtigen<br />

(vgl. BVerfGK 4, 1 [11]; 8, 368 [371]).<br />

[17] Vorliegend haben die Gerichte das Kriterium der Ortsnähe<br />

allerdings in einer Art und Weise konkretisiert und ausgestaltet,<br />

für die sich sachliche Gründe nicht ohne Weiteres<br />

finden lassen. Die pauschale Forderung nach einer persönlichen<br />

Anwesenheit an mindestens zwei Tagen pro Woche kann<br />

schon angesichts moderner Kommunikationsmittel nicht der<br />

Sicherstellung der – nach dem Text der »Ausschreibung« des<br />

Amtsgerichts angestrebten – genügenden Erreichbarkeit des<br />

Insolvenzverwalters dienen. Auch wenn man eine persönliche<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


AnsprechbarkeitvorOrtwährendderBearbeitungvonInsolvenzverfahren<br />

oder eine gewisse Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten<br />

aus Sachgründen für geboten halten sollte,<br />

erscheint es doch bedenklich, unabhängig von aktuell bearbeiteten<br />

Verfahren und den sich daraus ergebenden Anforderungen,<br />

pauschal eine Anwesenheit an mindestens zwei Tagen<br />

pro Woche zur Voraussetzung schon für die Aufnahme in den<br />

Kreis der generell geeigneten Bewerber zu machen.<br />

[18] Die pauschale Forderung einer solchen Präsenz lässt sich<br />

auch nicht mit dem Ziel rechtfertigen, auf diese Weise gezielt<br />

die Auslastung der jeweils vor Ort ansässigen Insolvenzverwalter<br />

zu überwachen und zu steuern. Ein solches Vorgehen wäre<br />

kaum mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit zu vereinbaren.<br />

Es ist zwar Aufgabe des Insolvenzrichters, einen geeigneten<br />

Verwalter zu bestellen, und die Eignung im Einzelfall dürfte<br />

auch davon abhängen, dass der Verwalter nicht bereits durch<br />

andere Verfahren völlig ausgelastet ist (vgl. die Empfehlungen<br />

der »Uhlenbruck-Kommission«, NZI 2007, 507 [509]). Vor<br />

diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, solche<br />

Bewerber nicht auf die Vorauswahlliste aufzunehmen, die<br />

keine Gewähr dafür bieten, dem Insolvenzrichter eine etwaige<br />

Überlastung mitzuteilen und gegebenenfalls weitere Aufträge<br />

abzulehnen. Es ließe sich aber mit dem Grundrecht der<br />

Berufsfreiheit schwerlich vereinbaren, wenn die Insolvenzgerichte<br />

mit nicht hinreichend differenzierenden Anforderungen<br />

an die Ortsnähe faktisch ein Lokalisationsprinzip für<br />

Insolvenzverwalter einführten.<br />

[19] Ob die Ausgestaltung des Kriteriums der Ortsnähe im<br />

vorliegenden Fall den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu<br />

genügen vermag, kann jedoch dahinstehen, weil jedenfalls das<br />

von den Gerichten angewendete Kriterium der Höchstpersönlichkeit<br />

in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden<br />

Weise dazu führen würde, dass der Beschwerdeführer<br />

auch in der Kategorie I keine Berücksichtigung findet.<br />

[20] 3. Den angegriffenen Entscheidungen ist insoweit hinreichend<br />

deutlich zu entnehmen, dass die Gerichte selbst<br />

dann zu keinem anderen Ergebnis kommen würden, wenn die<br />

Sache wegen verfassungsrechtlicher Einwände gegen das Kriterium<br />

der Ortsnähe zurückverwiesen würde. Zwar haben sie<br />

die Nichtberücksichtigung des Beschwerdeführers in der<br />

Kategorie I auf die fehlende Ortsnähe und seine Nichtberücksichtigung<br />

in der Kategorie IV auf die mangelnde höchstpersönliche<br />

Aufgabenwahrnehmung gestützt. Aus dem Ausschreibungstext<br />

und dem Schreiben der Insolvenzrichterin<br />

vom 1.April 2007 ergibt sich aber, dass die höchstpersönliche<br />

Bearbeitung der Insolvenzverwaltung ein Kriterium der persönlichen<br />

Eignung darstellen und als unbedingte Voraussetzung<br />

für sämtliche Kategorien von Insolvenzverfahren gelten<br />

sollte. Diese Voraussetzung sah die Insolvenzrichterin bei dem<br />

Beschwerdeführer als nicht erfüllt an. Das Oberlandesgericht<br />

hatdiesinseinemBeschlussgebilligt.<br />

[21] 4. Das Kriterium der höchstpersönlichen Aufgabenwahrnehmung<br />

stellt, so wie die Gerichte es angewendet haben,<br />

weder hinsichtlich der Verfahren der Kategorie I (Unternehmensinsolvenzen)<br />

noch hinsichtlich der Verfahren der Kategorie<br />

IV (Spezielle Fallgestaltungen) der »Ausschreibung« eine<br />

aus Sachgründen nicht zu rechtfertigende Erschwerung des<br />

Zugangs zum Insolvenzverwalteramt dar. Es kann dahinstehen,<br />

ob eine so verstandene höchstpersönliche Aufgabenwahrnehmung<br />

auch darüber hinaus für alle anderen Arten<br />

Rechtsprechung<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

von Insolvenzverfahren ein verfassungsrechtlich zulässiges<br />

Kriterium für die Aufnahme in die Vorauswahlliste darstellt.<br />

Die tatsächliche Feststellung, dass eine höchstpersönliche<br />

Aufgabenwahrnehmung, wie sie das Amtsgericht in seiner<br />

»Ausschreibung« gefordert hat, durch den Beschwerdeführer<br />

nicht gewährleistet sei, wird mit der Verfassungsbeschwerde<br />

nicht infrage gestellt.<br />

[22] Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist es verfassungsrechtlich<br />

nicht zu beanstanden, den unbestimmten<br />

Rechtsbegriff der Eignung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1<br />

InsO nicht nur auf Eigenschaften zu beziehen, die unmittelbar<br />

der Person innewohnen, sondern darauf, in welcher Weise<br />

der Bewerber das ihm übertragene Amt im Falle seiner Bestellung<br />

voraussichtlich ausüben wird. Bezugspunkt der Eignung<br />

ist gerade die später auszuübende Tätigkeit als Insolvenzverwalter.<br />

Nichts anderes ergibt sich aus der Ergänzung des §56<br />

Abs.1 InsO im Jahr 2007. Diese sollte lediglich vor dem Hintergrund<br />

der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />

ausdrücklich klarstellen, dass die Verwendung geschlossener<br />

Verwalterlisten unzulässig ist und nicht der Konzeption der<br />

Insolvenzordnung entspricht (vgl. BT-Drucks. 16/3227,<br />

S.18).<br />

[23] Angesichts des Umstands, dass § 56 Abs. 1 InsO ausdrücklich<br />

nur die Beauftragung einer natürlichen Person vorsieht<br />

und nicht etwa – wie es im Gesetzgebungsverfahren<br />

erwogen, dann aber unter anderem wegen befürchteter Aufsichtsprobleme<br />

verworfen wurde (vgl. BT-Drucks. 12/2443,<br />

S. 127; 12/7302, S. 161) – einer juristischen Person, ist es<br />

nicht völlig sachfremd, die Auswahlentscheidung daran zu<br />

knüpfen, dass der ausgewählte Bewerber, dessen Eignung<br />

gerade Grundlage der Bestellung ist, selbst substantiell bei der<br />

Verwaltung mitwirkt und sich nicht bloß darauf beschränkt,<br />

im Außenverhältnis die Verantwortung zu übernehmen und<br />

die tatsächliche Abwicklung größtenteils auf Mitarbeiter zu<br />

delegieren; die Zweckmäßigkeit dieser generellen Eignungsanforderung<br />

steht nicht zur Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht.<br />

Es steht außer Frage, dass der Insolvenzverwalter<br />

sein Amt als solches nicht auf einen anderen übertragen<br />

kann; vielmehr ist er mit diesem höchstpersönlich<br />

betraut (vgl. Gerhardt, in: Jaeger, a.a.O., §56 Rn.83; Uhlenbruck,<br />

in: ders., a.a.O., §56 Rn.24; jeweils m.w.N.). Außer<br />

Frage steht aber auch, dass der Einsatz von Mitarbeitern<br />

jedenfalls in größeren Verfahren praktisch unvermeidbar ist<br />

und unter Umständen geradezu geboten sein kann. Davon<br />

gehen indes auch die angegriffenen Entscheidungen aus.<br />

Demgemäß entspricht es in vielen Fällen der Praxis, dass<br />

Insolvenzverwalter Mitarbeiter heranziehen und sich der<br />

Unterstützung anderer Rechtsanwälte bedienen, deren weitgehend<br />

selbständige Tätigkeit sich ihrer äußeren Erscheinung<br />

nach kaum von der eines förmlich bestellten Insolvenzverwalters<br />

unterscheidet (vgl. BVerfGK 8, 418 [420]; BGH,<br />

Beschluss vom 16.April 2007 – AnwZ (B) 31/06, NJW 2007,<br />

2125 [2126]).<br />

[24] In welchem Umfang ein Insolvenzverwalter Mitarbeiter<br />

zur Aufgabenerfüllung heranziehen darf, ist indessen streitig.<br />

Als Negativbild unzulässiger Delegation höchstpersönlicher<br />

Aufgaben wird häufig das eines so genannten »Akquisitionsverwalters«<br />

gezeichnet, der sich in einer Vielzahl von Insolvenzverfahren<br />

nominell zum Verwalter bestellen lässt, diese<br />

aber nicht selbst betreut, sondern die praktische Durchfüh-<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 17


Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />

rung »fabrikmäßig« nach dem »Subunternehmerprinzip«<br />

angestellten Rechtsanwälten, so genannten »Grauverwaltern«,<br />

überlässt (vgl. Frind, in:Schmidt,a.a.O.,§56Rn.16b;<br />

Uhlenbruck, in:ders.,a.a.O., §56Rn.24;Graeber, in: Münchener<br />

Kommentar zur Insolvenzordnung, 2.Aufl. 2007, §56<br />

Rn.76f., 152; Vallender NZI 2005, 473 [476]). Die Gegenansicht<br />

bezeichnet die Anforderung der höchstpersönlichen<br />

Tätigkeit als »Schimäre«: Vor allem Großinsolvenzen forderten<br />

den Apparat, den der Verwalter vorhalte; notwendig seien<br />

zudem zahlreiche Spezialkenntnisse, die im Verwalterbüro in<br />

Fachabteilungen gebündelt seien und die ein Einzelner kaum<br />

allein mitbringen könne. Die Zunahme von Kleinverfahren<br />

führe darüber hinaus auch in kleineren Insolvenzverwalterbüros<br />

dazu, dass der Verwalter Tätigkeiten nicht mehr persönlich<br />

durchführen könne. Um diese Verfahren ohne großen<br />

ökonomischen Schaden für das Verwalterbüro abzuwickeln,<br />

sei eine Delegation auf spezialisierte Mitarbeiter nötig, die<br />

ausgelastet werden müssten (vgl. Voigt-Salus/Pape, in: Mohrbutter/Ringstmeier,<br />

Handbuch der Insolvenzverwaltung,<br />

8.Aufl. 2007, §21 Rn.85).<br />

[25] Es ist keine Frage des Verfassungsrechts und damit nicht<br />

Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts sondern der Fachgerichte,<br />

festzustellen, welches Maß der Aufgabenübertragung<br />

zwischen den beiden Grenzpunkten vollständiger Delegation<br />

einerseits und praktisch unverzichtbarer Unterstützung andererseits<br />

in konkreten Verfahren zulässig ist. Ebenso ist es Sache<br />

der Fachgerichte und in erster Linie der Insolvenzrichter, die<br />

aufgrund des ihnen durch §56 Abs.1 InsO normativ eröffneten<br />

Einschätzungsspielraums (vgl. BVerfGE 116, 1 [18]) die<br />

Verantwortung für eine sachgerechte Verwalterauswahl tragen,<br />

zu entscheiden, inwieweit sie diesen Gesichtspunkt bei<br />

der Auswahlentscheidung und der Erstellung von Vorauswahllisten<br />

berücksichtigen.<br />

[26] Diese Entscheidung ist unanfechtbar.<br />

BGH: Bierbrauen als anfechtbare<br />

Rechtshandlung i.S.d. §129 Abs.1 InsO<br />

§129 Abs.1 InsO, §76 AO, BiersteuerG<br />

Entsteht an dem Bier, das der Schuldner braut, eine Sachhaftung<br />

zur Sicherung der Biersteuer, wird dadurch eine<br />

objektive Gläubigerbenachteiligung bewirkt, selbst wenn<br />

mit dem Brauvorgang eine übersteigende Wertschöpfung<br />

zugunsten des Schuldnervermögens erzielt wurde.<br />

BGH, Urteil vom 09.07.2009, IX ZR 86/08<br />

(Vorinstanzen: LG Regensburg, 06.05.2008, 2 S 262/07 (3);<br />

AG Regensburg, 09.10.2007, 3 C 2130/07)<br />

Tatbestand: [1] Der Kläger wurde mit Beschluss vom<br />

6. März 2006 zum vorläufigen Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt,<br />

mit Beschluss vom 1.September 2006 zum Verwalter<br />

im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners<br />

bestellt.<br />

[2] Während des Eröffnungsverfahrens führte der Schuldner<br />

seine Gaststätte mit Brauerei fort. Zu diesem Zweck wurde<br />

von ihm Bier gebraut, wodurch zu Gunsten der beklagten<br />

Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> Biersteuer entstand. Mit<br />

Bescheiden vom 23. Mai, 7. Juni, 7. Juli, 2. August und<br />

18<br />

28.August 2006 setzte die Beklagte diese in Höhe von insgesamt<br />

930,60a gegenüber dem Kläger für den Schuldner fest.<br />

Mit jeweiligem Bescheid vom gleichen Datum wurde zur<br />

Sicherung des Biersteueraufkommens die Beschlagnahme des<br />

Bieres angeordnet und dem Schuldner verboten, über das Bier<br />

zu verfügen. Da zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs<br />

der Ausschank des Bieres erforderlich war, zahlte der Kläger<br />

zur Abwendung der Beschlagnahme die geltend gemachte<br />

Biersteuer unter dem Vorbehalt der Insolvenzanfechtung. Am<br />

14. August 2006 erstattete die Beklagte einen Betrag von<br />

186,99a an den Kläger.<br />

[3] Mit der Klage begehrt der Insolvenzverwalter die Rückerstattung<br />

der restlichen Zahlungen in Höhe von 743,61 a im<br />

Wege der Insolvenzanfechtung.<br />

[4] Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung<br />

des Beklagten hat sie das Landgericht abgewiesen. Mit<br />

der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der<br />

Kläger seinen Anfechtungsanspruch weiter.<br />

Entscheidungsgründe: [5] Die Revision ist begründet. Die<br />

Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.<br />

[6] I. Das Berufungsgericht hat gemeint, das hergestellte Bier<br />

habe der Sachhaftung für die Biersteuer gemäß § 76 AO<br />

unterlegen, weshalb die Beklagte zur abgesonderten Befriedigung<br />

nach § 51 Nr. 4 InsO berechtigt gewesen sei. Die Herstellung<br />

des Bieres stelle keine die Gläubiger benachteiligende<br />

Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO dar. Die<br />

damit verbundenen Handlungen seien dem Schuldner zuzurechnen.<br />

Mit der Herstellung des Bieres entstehe die Biersteuer<br />

gemäß § 7 Abs. 2 BiersteuerG und die Sachhaftung<br />

gemäß § 76 AO. Dies rechtfertige es, im Bierbrauen eine<br />

Rechtshandlung des Schuldners zu sehen.<br />

[7] Hierdurch seien die Insolvenzgläubiger aber nicht benachteiligt<br />

worden, weil aus dem Schuldnervermögen nichts weggeben<br />

worden sei. Das Bier sei bereits mit der Sachhaftung<br />

belastet entstanden. Zwar sei das Bier womöglich aus bereits<br />

im Vermögen des Schuldners vorhandenen Grundstoffen hergestellt<br />

worden. Damit könnten mittelbar Teile des Schuldnervermögens<br />

mit der Sachhaftung belastet worden sein. Das<br />

fertige Produkt Bier habe aber einen wesentlich höheren Wert<br />

als die hierzu verwendeten Zutaten. Durch die Erzeugung des<br />

Bieres sei demgemäß das Schuldnervermögen gemehrt, nicht<br />

gemindert worden. Lediglich die Mehrung des Vermögens sei<br />

durch die Biersteuer geringer ausgefallen.<br />

[8] II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht<br />

stand.DieZahlungderBiersteuerandieBeklagteistanfechtbar.<br />

[9] 1. Die Zahlung der Biersteuer durch den Kläger oder<br />

durch den Schuldner mit Zustimmung des Klägers war eine<br />

Rechtshandlung, durch die der Beklagten als Insolvenzgläubigerin<br />

(§ 38 InsO) die Befriedigung ihrer Forderung auf ZahlungvonBiersteuergewährtwurde.DerBeklagtenwarzudieser<br />

Zeit der Eröffnungsantrag bekannt, denn sie hat ihre<br />

Bescheide an den Kläger als vorläufigen Insolvenzverwalter<br />

gerichtet. Damit liegen bereits die Voraussetzungen des §130<br />

Abs.1 Satz 1 Nr.2 InsO vor. Ob daneben im Hinblick auf die<br />

angeordnete Beschlagnahme des Bieres und das Veräußerungsverbot<br />

eine inkongruente Deckung und damit auch die<br />

Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben sind,<br />

kann deshalb dahinstehen.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


[10] 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlt<br />

es nicht an der für jede Anfechtung gemäß §129 InsO erforderlichen<br />

objektiven Gläubigerbenachteiligung.<br />

[11] a) Da der Schuldner das Bier nach den Feststellungen des<br />

Berufungsgerichts ohne Erlaubnis zur Herstellung unter Steueraussetzung<br />

braute, entstand die Biersteuer gemäß §5 Abs.2,<br />

§7 Abs.2 BiersteuerG mit der Herstellung und war gemäß §9<br />

Abs. 2 BiersteuerG sofort fällig. Entsprechend wurde die<br />

Steuer jeweils durch das Hauptzollamt festgesetzt. Außerdem<br />

unterlag das Bier mit dem Beginn des Produktionsvorganges<br />

der Sachhaftung nach §76 Abs.2 AO mit der Folge, dass der<br />

Beklagte gemäß § 51 Nr. 4 InsO im eröffneten Insolvenzverfahren<br />

ein Absonderungsrecht an dem Bier zugestanden hätte<br />

(vgl. MünchKomm-InsO/Ganter,2.Aufl.§51Rn.246,249).<br />

Darüber hinaus hat das Hauptzollamt gemäß §76 Abs.3 AO<br />

das gebraute Bier jeweils mit Beschlag belegt und dem Kläger<br />

verboten, über das Bier zu verfügen.<br />

[12] Durch die Zahlung der Biersteuer erreichte der Kläger,<br />

dass die Sachhaftung gemäß § 76 Abs. 3 AO erlosch und er<br />

nach der jeweils erfolgten Aufhebung der Beschlagnahme<br />

über das Bier verfügen und es in der Gastwirtschaft ausgeschenkt<br />

werden konnte. Die Deckung von Absonderungsrechten<br />

ist jedoch insoweit nicht anfechtbar, als der Empfänger<br />

aus dem Absonderungsgegenstand hätte Befriedigung<br />

erlangen können (BGHZ 138, 291, 306 f.; 157, 350, 353;<br />

BGH, Urt. v.21.März 2000 – IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898;<br />

v.1.Oktober 2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182, 2183f.;<br />

v. 20. März 2003 – IX ZR 166/02, ZIP 2003, 808, 809;<br />

v. 9. November 2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35, 36<br />

Rn. 8; v. 25. Oktober 2007 – IX ZR 157/06, ZIP 2008, 131<br />

Rn.9; HK-InsO/Kreft, 5.Aufl. §129 Rn.61).<br />

[13] b) Die Entstehung der Sachhaftung des Bieres für die<br />

Biersteuer gemäß §76 AO war durch den Insolvenzantrag, die<br />

Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung und die<br />

Untersagung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung<br />

gegen den Schuldner nicht gehindert.<br />

[14]aa)DieRückschlagsperredes§88InsOstehtderEntstehung<br />

der Sachhaftung nicht entgegen, weil die gesetzliche<br />

Wirkung des §76 Abs.2 AO an einen rein tatsächlichen Vorgang<br />

anknüpft und einer Maßnahme der Zwangsvollstreckung<br />

nicht gleichsteht (MünchKomm-InsO/Ganter, a.a.O.<br />

§ 51 Rn. 251; Jaeger/Henckel, InsO § 51 Rn. 62; FK-InsO/<br />

Imberger, 5. Aufl. § 51 Rn. 67; HK-InsO/Lohmann, a.a.O.<br />

§51 Rn.52; Bähr/Smid, InVO 2000, 401, 403).<br />

[15] bb) Die Beschlagnahme, die der Finanzbehörde gemäß<br />

§76 Abs.3 AO gestattet ist, wird für die Entstehung der Sachhaftung<br />

nach §76 Abs.2 AO nicht vorausgesetzt (Jaeger/Henckel<br />

a.a.O.; MünchKomm-InsO/Ganter a.a.O. Rn.244, 248;<br />

HK-InsO/Lohmann, a.a.O.). Deshalb wirkt sich nicht aus,<br />

dass mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters<br />

gemäß Nr.4 des Beschlusses vom 6.März 2006 Maßnahmen<br />

der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner, soweit nicht<br />

unbewegliche Gegenstände betroffen waren, gemäß § 21<br />

Abs.2 Satz 1 Nr.3 InsO untersagt beziehungsweise eingestellt<br />

worden sind.<br />

[16] cc) Auch der Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2<br />

Satz 1 Nr.2 InsO verhinderte das Entstehen der Sachhaftung<br />

nicht. Selbst wenn man mit dem Kläger annehmen wollte, der<br />

Schuldner habe selbst keine wirksamen Verfügungen treffen<br />

Rechtsprechung<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

und somit auch kein Absonderungsrecht begründen können,<br />

weshalb auch das Brauen von Bier durch den Schuldner nicht<br />

zum Entstehen der Sachhaftung habe führen können, wäre<br />

das Entstehen der Sachhaftung nicht verhindert worden;<br />

denn der Kläger hat als vorläufiger Insolvenzverwalter nach<br />

eigenem Vortrag das Unternehmen fortgeführt und dem<br />

Brauen des Bieres zugestimmt, der Schuldner also insoweit<br />

wirksam – nämlich mit Zustimmung des Klägers – verfügt.<br />

[17] dd) Die Sachhaftung gemäß § 76 Abs. 1 AO entsteht<br />

ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter an der verbrauchssteuerpflichtigen<br />

Ware. Daraus folgt, dass die Sachhaftung privaten<br />

Rechten Dritter vorgeht, die Beklagte wegen der hierdurch<br />

gesicherten Biersteuerforderung also die Stellung eines<br />

erstrangigen öffentlich-rechtlichen Pfandgläubigers hatte.<br />

Etwaige dem Erwerb dieses Rechts entgegenstehende Rechte<br />

Dritter waren gemäß §76 Abs.1 AO nachrangig (vgl. Pahlke/<br />

Koenig/Intemann, AO 2.Aufl. §76 Rn.9; Beermann/Gosch/<br />

Jatzke, AO§76Rn.2;Klein/Rüsken, AO9.Aufl.§76Rn.1;<br />

FK-InsO/Imberger, a.a.O. § 51 Rn. 67; Uhlenbruck, InsO<br />

12.Aufl. §51 Rn.39).<br />

[18] Zwar ergibt sich aus der Sachhaftung kein Vorrecht der<br />

gesicherten Steuerschuld im Insolvenzverfahren; diese ist eine<br />

einfache Insolvenzforderung. Die auf § 76 AO beruhende<br />

Sachhaftung bewirkt aber den Erwerb einer erstrangigen<br />

dinglichen Pfandberechtigung, die ein entsprechendes<br />

Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr.4 InsO begründet (Bähr/<br />

Smid, a.a.O. S.407).<br />

[19] c) Die Sachhaftung nach §76 Abs.2 AO ist aber ihrerseits<br />

in anfechtbarer Weise entstanden. Es fehlt insoweit auch nicht<br />

an der objektiven Gläubigerbenachteiligung, § 129 Abs. 1<br />

InsO.<br />

[20] aa) Das Brauen von Bier stellt eine Rechtshandlung im<br />

Sinne von §129 Abs.1 InsO dar.<br />

[21] Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen.<br />

Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln,<br />

das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des<br />

Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern<br />

kann (BGHZ 170, 196, 199 f. Rn. 10; BGH, Urt. v.<br />

12. Februar 2004 – IX ZR 98/03, WM 2004, 666, 667;<br />

MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 7; HK-<br />

InsO/Kreft, a.a.O. § 129 Rn. 10). Zu den Rechtshandlungen<br />

zählen daher nicht nur Willenserklärungen als Bestandteil<br />

von Rechtsgeschäften aller Art und rechtsgeschäftähnliche<br />

Handlungen, sondern auch Realakte, denen das Gesetz<br />

Rechtswirkungen beimisst, wie das Einbringen einer Sache,<br />

das zu einem Vermieterpfandrecht führt (BGHZ 170, 196,<br />

200 Rn. 10; HK-InsO/Kreft, a.a.O. § 129 Rn. 12; Münch-<br />

Komm-InsO/Kirchhof,a.a.O.§129Rn.7).<br />

[22] Als Rechtshandlung kommt danach jedes Geschäft in<br />

Betracht, das zum (anfechtbaren) Erwerb einer Gläubigeroder<br />

Schuldnerstellung führt (BGH, Urt. v. 11. Dezember<br />

2008 – IX ZR 195/07, ZIP 2009, 186, 187 Rn.12; HK-<br />

InsO/Kayser, a.a.O. §96 Rn.32).<br />

[23] Deshalb stellt auch das Brauen von Bier eine solche<br />

Rechtshandlung dar, weil es mit dem Beginn des Herstellungsvorganges<br />

die Sachhaftung für die Biersteuer zum Entstehen<br />

bringt, wodurch das Schuldnervermögen belastet wird.<br />

[24] bb) Eine objektive Gläubigerbenachteiligung liegt vor.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 19


Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />

[25] Eine Gläubigerbenachteiligung liegt grundsätzlich vor,<br />

wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse<br />

vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt hat (BGH,<br />

Urt. v. 7. Februar 2002 – IX ZR 115/99, ZIP 2002, 489 mit<br />

zahlreichen Nachweisen; vom 6.April 2006 – IX ZR 185/04,<br />

ZIP 2006, 1007, 1011 Rn. 20), wenn sich also mit anderen<br />

Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger<br />

ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise<br />

günstiger gestaltet hätten (BGHZ 124, 76, 78 f.; 170,<br />

276, 280 Rn.12; HK-InsO/Kreft, a.a.O. §129 Rn.37).<br />

[26] Durch das Brauen des Bieres und die dadurch entstandene<br />

Sachhaftung für die Biersteuer ist das Schuldnervermögen mit<br />

einer dinglichen Haftung für eine einfache Insolvenzforderung<br />

belastet worden. Dadurch haben sich die Befriedigungsmöglichkeiten<br />

der anderen Insolvenzgläubiger verschlechtert.<br />

Daran ändert sich nichts dadurch, dass sich durch dieselbe<br />

Handlung die Aktivmasse erhöht hat. Denn eine Saldierung<br />

der Vor- und Nachteile findet im Anfechtungsrecht nicht statt;<br />

eine Vorteilsausgleichung nach schadensersatzrechtlichen<br />

Grundsätzen ist im Insolvenzanfechtungsrecht nicht zulässig.<br />

Vielmehr muss für die Zwecke des Anfechtungsrechts das Entstehen<br />

der Sachhaftung und damit des Absonderungsrechts<br />

der Beklagten zu Lasten der übrigen Insolvenzgläubiger isoliert<br />

betrachtet werden.<br />

[27] (1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Eintritt<br />

einer Gläubigerbenachteiligung isoliert mit Bezug auf die<br />

konkret bewirkte Minderung des Aktivvermögens oder der<br />

Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen (BGH,<br />

Urt. v.2.Juni 2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521, 1523).<br />

[28] Eine Saldierung mit der durch den Brauvorgang einhergehenden<br />

Wertschöpfung widerspräche dem Schutz der<br />

Insolvenzmasse. Denn weder durch das Entstehen der Biersteuer,<br />

die selbst eine einfache Insolvenzforderung darstellt,<br />

noch durch die Begründung der Sachhaftung ergibt sich für<br />

die Insolvenzmasse ein ausgleichender Vorteil.<br />

[29] (2) Angefochten und im Interesse der Gläubigergesamtheit<br />

nach § 143 Abs. 1 InsO rückgängig zu machen ist genau<br />

genommen nicht die Rechtshandlung selbst, sondern deren<br />

gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch die Rechtshandlung<br />

verursacht wird. Mit der Anfechtung wird nicht ein<br />

Handlungsunrecht sanktioniert. Angefochten wird vielmehr<br />

allein die durch die Rechtshandlung ausgelöste Rechtswirkung,<br />

die gläubigerbenachteiligend ist (BGHZ 147, 233,<br />

236; BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 – IX ZR 329/97, ZIP<br />

1999, 406 ; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 129 Rn. 6). EntscheidendeFrageistdeshalb,obdiekonkretegläubigerbenachteiligende<br />

Wirkung Bestand haben soll (BGH, Urt. v.<br />

21.Januar 1999 a.a.O.).<br />

[30] (3) Demgemäß hat der Senat zur Anfechtung der Aufrechnungslage<br />

schon unter Geltung der Konkursordnung<br />

entschieden, dass nicht das die Aufrechnung letztlich ermöglichende<br />

Geschäft, also etwa der Abschluss eines Kaufvertrages<br />

mit dem Gläubiger, Gegenstand der Anfechtung ist; zum<br />

Schutz der Insolvenzmasse muss vielmehr als anfechtbare<br />

Rechtshandlung isoliert die Herstellung der Aufrechnungslage<br />

verstanden werden (BGHZ 147, 233, 236).<br />

[31] Diese Rechtsfolge gilt erst Recht im Anwendungsbereich<br />

der Insolvenzordnung, weil § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Aufrechnung<br />

umfassend für unzulässig erklärt, wenn ein Insol-<br />

20<br />

venzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine<br />

anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat (BGH, Urt.<br />

v. 2. Juni 2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521, 1523). Ist<br />

aber die Herstellung der Aufrechnungslage allein anfechtbar,<br />

nicht nur zusammen mit dem zugrunde liegenden Vertragsschluss,<br />

können auch nur diejenigen Vorteile Berücksichtigung<br />

finden, die unmittelbar durch die Herstellung der Aufrechnungslage<br />

für die Insolvenzmasse entstanden sind (BGH,<br />

Urt. v.2.Juni 2005 a.a.O.).<br />

[32] Die der Anfechtung unterliegende Handlung bestimmt<br />

zwar den Urheber und die Verantwortlichkeit, welche die<br />

Anfechtungsvorschriften voraussetzen. Zurückzugewähren ist<br />

aber nur der beim Gläubiger eingetretene Erfolg, §143 Abs.1<br />

Satz 1 InsO. Damit können auch einzelne, abtrennbare Wirkungen<br />

sogar einer einheitlichen Rechtshandlung erfasst werden;<br />

deren Rückgewähr darf nicht mit der Begründung ausgeschlossen<br />

werden, dass die Handlung auch sonstige, für sich<br />

nicht anfechtbare Rechtsfolgen ausgelöst habe, mögen diese<br />

auch – ohne Zutun des Anfechtungsgegners – die Masse<br />

erhöht haben. Einen Rechtsgrundsatz, dass mehrere von einer<br />

Rechtshandlung verursachte Wirkungen nur insgesamt oder<br />

gar nicht anfechtbar seien, gibt es auch für solche Folgen<br />

nicht, die im Kausalverlauf ferner liegen als nähere, unanfechtbare<br />

Folgen (BGHZ 147, 233, 236).<br />

[33] Der Abschluss eines Vertrages, der dem Anfechtungsgegner<br />

die Aufrechnung ermöglicht, muss deshalb selbst nicht<br />

angefochten werden. Angefochten wird lediglich die Herbeiführung<br />

der Rechtsfolge, die von Gesetzes wegen gemäß<br />

§ 387 BGB eintritt. Rückabzuwickeln ist deshalb nicht der<br />

Kaufvertrag; aus ihm darf aber die entstandene Kaufpreisforderung<br />

des Schuldners nicht im Wege der Aufrechnung zur<br />

Erfüllung der Verbindlichkeiten des Schuldners verwendet<br />

werden (BGHZ 147, 233, 236; BGH, Urt. v. 2. Juni 2005<br />

a.a.O.).<br />

[34] (4) Beim Vermieterpfandrecht hat der Senat die der<br />

Anfechtung zugrunde zu legende Rechtshandlung im Einbringen<br />

der Sache gesehen, das zum Entstehen des Vermieterpfandrechts<br />

geführt hat (BGHZ 170, 196, 199 f. Rn. 10 f.).<br />

Rückabzuwickeln wäre auch hier bei Anfechtbarkeit nicht die<br />

Rechtshandlung als solche, also der Einbringungsvorgang,<br />

sondern die sich von Gesetzes wegen hieraus ergebende<br />

Rechtswirkung, nämlich das Entstehen des Vermieterpfandrechts<br />

gemäß §562 Abs.1 BGB (vgl. BGHZ 170, 196, 199ff.<br />

Rn.9ff.).<br />

[35] (5) Dies ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des<br />

§ 140 Abs. 1 InsO. Eine Rechtshandlung gilt danach als in<br />

dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen<br />

eintreten. Auch diesen Grundsatz hatte die Rechtsprechung<br />

schon zum früheren Recht entwickelt. Die Rechtswirkungen<br />

im anfechtungsrechtlichen Sinne treten ein, wenn<br />

eine Rechtsposition begründet worden ist, die im Falle der<br />

Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste<br />

(Begründung zu § 159 des Regierungsentwurfs einer InsO,<br />

BT-Drucks. 12/2443, S. 166) oder – anders ausgedrückt –<br />

sobald die Rechtshandlung die Gläubigerbenachteiligung<br />

bewirkt hat (vgl. BGHZ 156, 350, 357; 170, 196, 201<br />

Rn.13m.w.N.).<br />

[36] Ist aber danach maßgeblich auf die eingetretene Rechtswirkung<br />

abzustellen, die die Benachteiligung der Gläubiger-<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


gesamtheit zur Folge hat, kann ein Vorteilsausgleich mit sämtlichen<br />

anderen Wirkungen der Rechtshandlung nicht vorgenommen<br />

werden. Der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung<br />

ist isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene<br />

Minderung des Aktivvermögens (hier: Entstehung der Sachhaftung)<br />

oder der Vermehrung der Passiva zu beurteilen<br />

(BGHZ 174, 228, 234 Rn.18). Deshalb sind nur solche Folgen<br />

zu berücksichtigen, die ihrerseits an die konkret angefochtene<br />

Rechtswirkung anknüpfen.<br />

[37] Da jedoch mit der Entstehung der Sachhaftung selbst für<br />

die Masse keine anderweitige Mehrung des Aktivvermögens<br />

oder Minderung der Passiva verbunden war, ist die durch die<br />

Sachhaftung eingetretene Gläubigerbenachteiligung nicht<br />

ausgeglichen worden.<br />

[38] cc) Auch die übrigen Voraussetzungen der Deckungsanfechtung<br />

liegen vor.<br />

[39] (1) Durch die nach §76 Abs.1 AO entstandene Sachhaftung<br />

wurde der Beklagten eine Sicherung ihres Anspruchs auf<br />

Zahlung von Biersteuer gewährt, §130 Abs.1 Satz 1 InsO.<br />

[40] (2) Ob es sich bei dem Entstehen der Sachhaftung um<br />

eine kongruente oder inkongruente Deckung handelte, kann<br />

wiederum dahinstehen.<br />

[41] Da schon die strengeren Voraussetzungen der Anfechtung<br />

der kongruenten Deckung nach § 130 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 2 InsO erfüllt sind, kommt es auf das Vorliegen einer<br />

Inkongruenz nicht an. Der Brauvorgang, der zur Entstehung<br />

der Sachhaftung führte, wurde nach dem Eröffnungsantrag<br />

vorgenommen. Der Beklagten war zur Zeit der Handlung der<br />

Eröffnungsantrag bekannt. Sie hat ihre gegen den Schuldner<br />

gerichteten Bescheide dem vorläufigen Insolvenzverwalter<br />

übersandt.<br />

[42] d) Der Anfechtung steht schließlich nicht entgegen, dass<br />

derKlägeralsvorläufigerInsolvenzverwalterderRechtshandlung<br />

des Schuldners zugestimmt hat (vgl. BGHZ 161, 315,<br />

317ff.; 165, 283, 285ff.). Einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand<br />

hat der Kläger schon deswegen nicht geschaffen,<br />

weil er die Zahlung der Biersteuer unter Hinweis auf die beabsichtigte<br />

spätere Anfechtung vorgenommen hat (BGHZ 161,<br />

315, 321).<br />

BGH: Keine befreiende Leistung des<br />

Gläubigers bei Zahlung an Schuldner<br />

in Kenntnis des eröffneten<br />

Insolvenzverfahrens<br />

§82InsO<br />

Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung<br />

einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden,<br />

obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen<br />

war,sowirdderLeistendenichtbefreit,wennerzueiner<br />

Zeit, als er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermochte,<br />

von der Verfahrenseröffnung Kenntnis erlangt hat.<br />

BGH, Urteil vom 16.07.2009, IX ZR 118/08<br />

(Vorinstanzen: LG Neubrandenburg, 22.05.2008, 1 S 39/07;<br />

AG Neubrandenburg, 20.03.2007, 12 C 238/06)<br />

Rechtsprechung<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

Tatbestand: [1] Der Kläger ist Verwalter in dem am<br />

10.Februar 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen<br />

der B.… <strong>GmbH</strong> (fortan Schuldnerin). Die Eröffnung<br />

wurde am 11. Februar 2005 im Internet und am 23. Februar<br />

2005 im Bundesanzeiger veröffentlicht.<br />

[2]DieSchuldnerinwarbeiderBeklagtengegenSchädenaus<br />

Einbruchsdiebstahl versichert. Zur Regulierung eines vor<br />

Insolvenzeröffnung eingetretenen Versicherungsfalls übersandtedieBeklagteandiePostanschriftderSchuldnerinam<br />

25. Februar 2005 einen Scheck über 2853 a. Miteinemspätestens<br />

am 3. März 2005 zugegangenen Schreiben vom<br />

28. Februar 2005 zeigte der Kläger der Beklagten die Eröffnung<br />

des Insolvenzverfahrens an und forderte sie zur Zahlung<br />

der Versicherungsleistung auf. Am 8. März 2005 wurde der<br />

Scheck eingelöst, ohne dass der Kläger den Einlösungsbetrag<br />

erhielt.<br />

[3] Die auf Zahlung von 2853a nebst Zinsen gerichtete Klage<br />

war in beiden Instanzen erfolgreich. Mit der von dem Berufungsgericht<br />

zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren<br />

Klageabweisungsantrag weiter.<br />

Entscheidungsgründe: [4] Die Revision ist mit Ausnahme<br />

der angegriffenen Zinshöhe unbegründet.<br />

[5] I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte<br />

könne sich für die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

vorgenommene Zahlung nicht mit Erfolg auf den Schutz<br />

des guten Glaubens nach § 82 Satz 1 InsO berufen. Die fehlende<br />

Kenntnis von der Verfahrenseröffnung habe die<br />

Beklagte darzulegen und zu beweisen. Sie sei ihrer Darlegungslast<br />

aber nicht nachgekommen. Bei einer Zahlung<br />

durch Scheck trete die Erfüllung erst mit Einlösung des<br />

Schecks durch Barzahlung oder Gutschrift ein. Dieser Zeitpunkt<br />

sei maßgeblich dafür, ob die Beklagte keine Kenntnis<br />

von der Verfahrenseröffnung gehabt habe. Am 8. März 2005<br />

habe die Beklagte bereits Kenntnis von der Insolvenzeröffnung<br />

gehabt, weil ihr das Schreiben des Klägers spätestens am<br />

3.März 2005 zugegangen sei. Auch wenn bei einem Versicherungsunternehmen<br />

die Organisationsstrukturen möglicherweise<br />

nicht derart ausgestaltet seien, dass jede eingehende<br />

Information dem Sachbearbeiter unverzüglich vorgelegt<br />

würde, sei bei einem Zeitraum von fünf Tagen eine eingegangene<br />

Information als der Beklagten zugegangen zu bewerten.<br />

[6] II. Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.<br />

Die Beklagte ist von ihrer Leistungsverpflichtung aus dem<br />

Versicherungsverhältnis nicht frei geworden.<br />

[7] 1. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahren geht nach § 80<br />

Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen,<br />

welche auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen<br />

erbracht werden, auf den Insolvenzverwalterüber(Jaeger/<br />

Windel, InsO § 82 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia,<br />

2.Aufl. §82 Rn.3; HK-InsO/Kayser, 5.Aufl. §82 Rn.6). Die<br />

Parteien haben nicht vorgetragen, dass die Scheckzahlung der<br />

Beklagten als eine nach dem Versicherungsvertrag zulässige<br />

Leistung an Erfüllungs statt gemäß §364 Abs.1 BGB erbracht<br />

worden ist. Deshalb konnte die Beklagte den Scheck mangels<br />

Einigung mit dem Kläger nur erfüllungshalber hingeben und<br />

ihre Deckungspflicht erst erfüllen, wenn der Scheck ordnungsgemäß<br />

eingelöst wurde (vgl. BGHZ 44, 178, 179 f.;<br />

131, 66, 74). Entsprechend § 270 Abs. 1 BGB trug die Beklagte<br />

Gefahr und Kosten der Scheckübermittlung an den<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 21


Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />

Gläubiger (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juli 2000 – VIII ZR 99/99,<br />

ZIP 2000, 1719, 1721 unter II.2. d). Diese Übermittlung an<br />

den Kläger ist im Streitfall nur insoweit gescheitert, als der<br />

Scheck in die Hände eines Organwalters der nicht mehr empfangszuständigen<br />

Insolvenzschuldnerin gelangt und von diesem<br />

nicht an den Kläger weitergeleitet, sondern eingelöst worden<br />

ist. Ob die Beklagte aufgrund der Einlösung durch die<br />

Insolvenzschuldnerin von ihrer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag<br />

freigeworden ist oder von dem Kläger auf<br />

nochmalige Leistung in Anspruch genommen werden kann,<br />

beurteilt sich nach §82 Satz 1 InsO, nicht nach dem allgemeinen<br />

Gefahrtragungsgrundsatz des § 270 Abs.1 BGB, wie die<br />

Revisionserwiderung meint. Nach § 82 Satz 1 InsO wird der<br />

Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung an den Insolvenzschuldner<br />

die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte.<br />

[8] a) Die Beklagte trifft die Darlegungs- und Beweislast<br />

dafür, dass sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht<br />

gekannt hat, weil sie ihre Leistungshandlung – Übersendung<br />

des Schecks – nach der öffentlichen Bekanntmachung der<br />

Verfahrenseröffnung vorgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v.<br />

15. Dezember 2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140<br />

Rn. 12). Maßgeblich für den Übergang der Beweislast ist der<br />

Zeitpunkt, an dem die Bekanntmachung nach § 9 Abs. 1<br />

Satz3InsOalsbewirktgilt(HK-InsO/Kayser, a.a.O. § 82<br />

Rn.20). Die öffentliche Bekanntmachung ist durch die Veröffentlichung<br />

im Internet erfolgt. Das Land Mecklenburg-Vorpommern<br />

hat von der durch § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2<br />

Satz 2 InsO in der bis zum 30.Juni 2007 geltenden Fassung in<br />

Verbindung mit § 1 Satz 1 der Verordnung zu öffentlichen<br />

Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet vom<br />

12.Februar 2002 (BGBl.I, S.677) eingeräumten Möglichkeit<br />

zu einer entsprechenden Veröffentlichung Gebrauch gemacht.<br />

Nach Ziffer I.3. der Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums<br />

Mecklenburg-Vorpommern vom 2. September<br />

2003 (III 150/1518 – 42 SH/5, AmtsBl. M-V 2003, 931)<br />

erfolgten ab dem 1.Januar 2004 die öffentlichen Bekanntmachungen<br />

in Insolvenzverfahren ausschließlich im Internet.<br />

Auf die von § 30 Abs. 1 Satz 2 InsO in der bis zum<br />

30. Juni 2007 geltenden Fassung daneben vorgeschriebene<br />

und hier erst am 23. Februar 2005 erfolgte Veröffentlichung<br />

im Bundesanzeiger kommt es für den Zeitpunkt der öffentlichen<br />

Bekanntmachung gemäß § 9 Abs. 3 InsO nicht an (vgl.<br />

Keller ZIP 2003, 149, 153). Die öffentliche Bekanntmachung<br />

ist demzufolge durch Internetveröffentlichung mit Ablauf des<br />

14.Februar 2005 (Montag) bewirkt worden (§9 Abs.1 Satz 3,<br />

§4 InsO, §222 Abs.2 ZPO).<br />

[9] b) Der Leistende wird in seinem Vertrauen auf die Empfangszuständigkeit<br />

eines Gläubigers nach § 82 InsO nur<br />

geschützt, wenn ihm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

über dessen Vermögen solange unbekannt geblieben ist, wie er<br />

den Leistungserfolg noch zu verhindern vermag (Jaeger/Windel,<br />

a.a.O. § 82 Rn. 48; HK-InsO/Kayser, a.a.O. § 82 Rn. 16;<br />

Uhlenbruck, InsO 12.Aufl. §82 Rn.11; Lüke in: Kübler/Prütting/Bork,<br />

InsO § 82 Rn. 23; FK-InsO/App, 5. Aufl. § 82<br />

Rn.9; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 2.Aufl. §82 Rn.27; Braun/<br />

Kroth, InsO 3. Aufl. § 82 Rn. 10; Nerlich/Römermann/Wittkowski,<br />

InsO §82 Rn.18; Smid, InsO 2.Aufl. §82 Rn.9; Graf-<br />

Schlicker/Scherer, InsO § 82 Rn. 5; Hess, Insolvenzrecht<br />

§ 82 InsO Rn. 14; Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl.<br />

Rn. 10.15 Fußn. 57; ebenso zum früheren Recht Jaeger/Henckel,<br />

KO 9. Aufl. § 8 Rn. 59). Die hiervon abweichende<br />

22<br />

Ansicht, die den Zeitpunkt der Leistungshandlung für maßgeblich<br />

hält (MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, a.a.O. Rn. 13;<br />

zumfrüherenRechtebensoKilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze<br />

17. Aufl. § 8 KO Anm. 2) und sich hierfür auf den mit<br />

§407 BGB übereinstimmenden Schutzzweck beruft, berücksichtigt<br />

die Unterschiede zwischen § 407 BGB und § 82<br />

Satz 1 InsO nicht hinreichend.<br />

[10] aa) Der Vorschrift des § 407 BGB kann nicht das allgemeine<br />

Prinzip entnommen werden, dass der Schuldner stets<br />

geschützt werden soll, wenn er sich im Zeitpunkt seiner letzten<br />

Leistungshandlung in Unkenntnis der wirklichen Rechtslage<br />

befunden hat (Jaeger/Windel, a.a.O.). Der maßgebliche<br />

Zeitpunkt ist vielmehr für jede dem Schuldnerschutz dienende<br />

Vorschrift aus ihrem Normzweck abzuleiten.<br />

§ 407 BGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Schuldner,<br />

ohne dessen Zutun die Abtretung erfolgt ist, in seiner<br />

Rechtsstellung möglichst nicht beeinträchtigt werden soll<br />

(BGHZ 105, 358, 360; BGH, Urt. v. 18. März 2004 – IX<br />

ZR 177/03, WM 2004, 981, 984f.). Er soll vor den Nachteilen<br />

der Abtretung geschützt werden; ihn sollen aber keine<br />

zusätzlichen Verpflichtungen treffen (BGHZ 105, 358,<br />

360f.).<br />

[11] bb) Bei §407 BGB und §82 Satz 1 InsO sind die Risikolagen<br />

und die Schutzzwecke verschieden.<br />

[12] In den Fällen des § 407 BGB gibt die Kenntnis des<br />

Schuldners, die seinen Leistungsschutz begrenzt, dem Individualinteresse<br />

eines Zessionars Vorrang, der die wirksame Leistung<br />

an den Zedenten vorher zwar gemäß § 816 Abs. 2 BGB<br />

vondiesemherausverlangenkann,demaberdieGefahreiner<br />

anspruchsvereitelnden Verfügung des Zedenten im ordentlichen<br />

Geschäftsverkehr, eines Vollstreckungszugriffs von<br />

Gläubigern des Zedenten und das Risiko von dessen Insolvenz<br />

droht. Vergleichbare Gefahren drohen dem Insolvenzverwalter<br />

nicht. Anders als nach der Konkursordnung fällt<br />

auch die Leistung des Drittschuldners an den Insolvenzschuldner<br />

gemäß § 35 Abs. 1 InsO in die Masse. Trotz seiner<br />

Fehlleitung unterliegt der Leistungsgegenstand nicht der<br />

Zwangsvollstreckung durch den Neugläubiger des Insolvenzschuldners<br />

(§ 89 Abs. 1 InsO). Dritte können daran keine<br />

Rechte erwerben (§ 91 Abs. 1 InsO). Die Risikolage, welcher<br />

§ 82 InsO Rechnung tragen will und der in den Fällen des<br />

§ 407 BGB nichts Entsprechendes gegenüber steht, liegt<br />

darin, dass dem Insolvenzverwalter der nach §80 Abs.1 InsO<br />

seiner Verfügungsmacht unterstehenden Leistungsgegenstand<br />

von einem ungetreuen Insolvenzschuldner vorenthalten<br />

wird. So soll es auch im Streitfall gewesen sein.<br />

[13] Der durch §82 Satz 1 InsO den Drittschuldnern aus Billigkeitsgründen<br />

eingeräumte Gutglaubensschutz gewährt deshalb<br />

nicht wie § 407 BGB ein Mindestmaß an Sicherheit; er<br />

stellt sich vielmehr als eine besondere Vergünstigung dar (so<br />

schon BGHZ 140, 54, 58f. zu §8 Abs.2 und 3 KO) und dient<br />

zugleich dem öffentlichen Interesse an einem effektiven Insolvenzverfahren.<br />

Diesem Regelungsziel entspricht es, dem Leistenden<br />

weitergehende Obliegenheiten als nach § 407 BGB<br />

aufzuerlegen und darauf abzustellen, ob der Drittschuldner<br />

seine Leistung noch zurückrufen und so dem Risiko eines<br />

treuwidrigen Verfahrensschuldners vorbeugen kann (vgl. Jaeger/Windel,<br />

a.a.O.; HK-InsO/Kayser, a.a.O.).<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


[14] cc) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die gesetzliche<br />

Wertung für den Fall, dass ein gutgläubiger Schuldner nicht<br />

andenwirklichenErben,sondernandenErbscheinserbenals<br />

Gläubiger geleistet hat. Abweichend von §407 Abs.1 BGB ist<br />

für die Kenntnis des Schuldners von der Unrichtigkeit des<br />

Erbscheins bei Leistung an den Erbscheinserben (§§ 2367,<br />

2366 BGB) der Zeitpunkt entscheidend, an dem sich der<br />

Leistungserfolg vollendet (Staudinger/Schilken, BGB Neubearbeitung<br />

2004, § 2366 Rn. 8; MünchKomm-BGB/Mayer,<br />

4. Aufl. § 2366 Rn. 17; Siegmann/Höger in: Bamberger/Roth,<br />

BGB 2. Aufl. § 2366 Rn. 14; Erman/Schlüter, BGB 12. Aufl.<br />

§2366 Rn.4; Palandt/Edenhofer, BGB 68.Aufl. §2366 Rn.3).<br />

Dort gelangt der Leistungsgegenstand kraft dinglicher Surrogation<br />

in Rechtsanalogie zu §718 Abs.2, §1418 Abs.2 Nr.3,<br />

§ 1473 Abs. 1, § 1638 Abs. 2, §§ 2041, 2111 Abs. 1 BGB<br />

unmittelbar in den Nachlass. Der Erbscheinserbe ist dem<br />

wirklichen Erben als Erbschaftsbesitzer nach §2018 BGB zur<br />

Herausgabe verpflichtet. Die Zwangsvollstreckung von Gläubigern<br />

des Erbschaftsbesitzers in Nachlasssurrogate kann vom<br />

wirklichen Erben nach § 771 ZPO abgewehrt werden<br />

(MünchKomm-BGB/Helms, 4. Aufl. § 2019 Rn. 1 a.E.).<br />

Zusätzlich wird der wirkliche Erbe durch §2019 Abs.1 BGB<br />

geschützt. Auch hier ist demzufolge die Gefahr im Falle einer<br />

Fehlleitung der Leistung wesentlich geringer als das Gläubigerrisiko<br />

von Zessionar oder Schuldner, die gegen den Zedenten<br />

nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten<br />

Bereicherung vorgehen müssen. Das Hauptrisiko<br />

liegt ähnlich wie bei § 82 InsO in einem unredlichen<br />

Empfänger, dort dem Insolvenzschuldner, hier dem Erbscheinserben.<br />

Die Folgerung ist hier wie in den Fällen des<br />

§82InsO, dassdasgeringereRegressrisiko des leistenden<br />

Schuldners es rechtfertigt, von ihm auch Bemühungen zur<br />

Verhinderung des Leistungserfolges zu erwarten und den<br />

Schutz der Unkenntnis von der fehlenden Empfangszuständigkeit<br />

des Scheingläubigers nur dann zu gewähren, wenn sie<br />

bis zur Unabwendbarkeit des Leistungserfolges andauert. Für<br />

die abweichende Ansicht spricht entgegen der Auffassung der<br />

Revision auch nicht entscheidend die in § 81 Abs. 1<br />

Satz2InsO,§892Abs.2BGBgetroffeneRegelung,weilsie<br />

darauf beruht, dass der Erwerber auf den Gang des Grundbuchverfahrens<br />

keinen Einfluss hat (Jaeger/Windel, a.a.O.).<br />

Diese Regel ist bei §82 InsO ebenso wenig anwendbar wie bei<br />

den §§ 2366, 2367 BGB (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 12.Oktober<br />

1970 – III ZR 254/68, WM 1971, 54; ferner BGHZ 57,<br />

341, 343).<br />

[15] 2. Danach konnte die Beklagte nur dann von der Verpflichtung<br />

zur erneuten Leistung frei werden, wenn sie zu<br />

dem Zeitpunkt, bis zu dem sie die Einlösung des Schecks<br />

noch durch dessen Sperrung verhindern konnte, keine Kenntnis<br />

von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte. Dies ist<br />

auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags nicht der Fall.<br />

[16] a) Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation<br />

muss im Rahmen des ihr Zumutbaren sicherstellen, dass die<br />

ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen<br />

unverzüglich an die entscheidenden Personen weitergeleitet<br />

und von diesen zur Kenntnis genommen werden<br />

(BGHZ 140, 54, 62; BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005 – IX<br />

ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140 Rn. 13). Entgegen der Auffassung<br />

der Revision beschränkt sich diese Rechtsprechung<br />

nichtaufdenBankenbereich(vgl.BGHZ140,54).Obsich<br />

die Organisation, wenn es an einem derartigen internen<br />

Rechtsprechung<br />

Informationssystem fehlt, das Wissen einzelner Mitarbeiter,<br />

die nicht zu den Entscheidungsträgern gehören, etwa bei der<br />

Posteingangsstelle beschäftigt sind, unmittelbar zurechnen<br />

lassen muss (vgl. BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005, a.a.O.),<br />

mag dahinstehen. Jedenfalls müssen sich die Entscheidungsträger<br />

so behandeln lassen, als hätten sie das Wissen gehabt,<br />

wenn die Zeit verstrichen ist, die bei Bestehen eines effizienten<br />

internen Informationssystems benötigt worden wäre, um<br />

ihnen die Kenntnis zu verschaffen. Diese Zeitspanne ist angesichts<br />

des Standes der modernen Büro- und Kommunikationstechnik<br />

als gering zu veranschlagen.<br />

[17] b) Nach dem Vortrag der Beklagten sei es von ihr innerhalb<br />

der »assekuranzüblichen und angemessenen Bearbeitungszeit<br />

von mindestens neun Arbeitstagen« nicht zu erwarten<br />

gewesen, nach Erhalt der Eröffnungsanzeige des Klägers<br />

am 3.März 2005 geeignete Maßnahmen gegen die drohende<br />

Scheckeinlösung zu ergreifen. Die Beklagte hat damit nicht<br />

vorgetragen,dasssieeineOrganisationsstruktur geschaffen<br />

hat, die eine kurzfristige Kenntnisnahme des Inhaltes eilbedürftiger<br />

Schreiben durch die Entscheidungsträger ermöglicht.<br />

Dies hat nichts mit der Frage nach der angemessenen<br />

Bearbeitungsfrist für den eine Sachverhaltsaufklärung erfordernden<br />

Leistungsantrag eines Versicherten zu tun (hierzu LG<br />

Köln VersR 1982, 389). Aus dem Nachweis der Insolvenzeröffnung<br />

ergab sich vielmehr unmittelbar, dass laufende Zahlungsvorgänge<br />

an die Schuldnerin sofort anzuhalten waren.<br />

Ob es solche Vorgänge gab, konnte auf dem Bildschirm in<br />

kürzester Zeit festgestellt werden. Da diese Kenntnisnahme<br />

mangels entsprechender organisatorischer Vorsorge nicht<br />

gewährleistet war, muss sich die Beklagte so behandeln lassen,<br />

wie wenn sie am 7.März 2005, als sie den am Folgetag eingelösten<br />

Scheck noch sperren lassen konnte, Kenntnis von der<br />

Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehabt hätte.<br />

[18] III. Der Ausspruch zur Zinshöhe hält rechtlicher Überprüfung<br />

nicht stand. Das Amtsgericht hat dem Kläger Zinsen<br />

nach § 288 Abs. 2 BGB zuerkannt. Bei der Klageforderung<br />

handelt es sich indes nicht um eine Entgeltforderung nach<br />

dieser Vorschrift. § 286 Abs. 3 BGB setzt die Vorgaben der<br />

Richtlinie 2000/35/EG vom 29.Juni 2000 um (Palandt/Grüneberg,<br />

a.a.O. § 286 Rn. 1). Nach Erwägungsgrund 13 der<br />

Richtlinie unterfallen ihr nicht Zahlungen von Versicherungsgesellschaften.<br />

Es bewendet daher bei der Zinshöhe des<br />

§288 Abs.1 Satz 2 BGB.<br />

AG Hamburg: Sonderinsolvenzverfahren<br />

über das Vermögen einer voll beendeten<br />

GbR<br />

§§11, 35 InsO; §738 BGB<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

Leitsatz der Redaktion:<br />

Über das Vermögen einer voll beendeten GbR kann ein Sonderinsolvenzverfahren<br />

eröffnet werden. Treuhänderischer<br />

Vermögensträger ist der letztverbleibende Gesellschafter<br />

(Abgrenzung zu BGH ZInsO 2008, 973).<br />

AG Hamburg, Beschluss vom 08.07.2009, 67a IN 220/09<br />

Gründe: I. Am 15. 04. 2009 beantragte der Beteiligte die<br />

Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 23


Unternehmensinsolvenz Rechtsprechung<br />

F-GbR. Die F-GbR, die bis zum Juli 2008 ein bzw. zeitweilig<br />

zwei Fitnessstudios betrieb, wurde von ihren beiden Gesellschaftern<br />

P. W. und F. F. mit Gesellschaftsvertrag vom<br />

30.Dezember 2001 gegründet. Beide Gesellschafter waren zu<br />

jeweils 50 Prozent an der Gesellschaft beteiligt. In § 9 Abs. 3<br />

des Gesellschaftsvertrages heißt es: »Für den Fall der Eröffnung<br />

oder der Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens<br />

über das Vermögen eines der Gesellschafter oder der<br />

Abgabe der eidesstattlichen Versicherung einer der beiden<br />

Gesellschafter scheidet dieser mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

oder mit der Ablehnung der Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens bzw. mit der Abgabe der eidesstattlichen<br />

Versicherung aus der Gesellschaft aus.« Beide Gesellschafter<br />

gaben am 02. 06. 2008 (F. F.) und 11. 06. 2008 (P. W.) die<br />

eidesstattliche Versicherung ab. Auch wurde über das Vermögen<br />

beider Gesellschafter mit Beschluss vom 18. 03. 2009<br />

(F. F.) und 08. 05. 2009 (P. W.) das Insolvenzverfahren eröffnet.<br />

Mit Beschluss vom 17. 04. 2009 hat das Insolvenzgericht die<br />

vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Der vorläufige<br />

Insolvenzverwalter kam in seinem SachverständigengutachtenzudemErgebnis,dassdieVoraussetzungen<br />

für die Durchführung<br />

eines Insolvenzverfahrens vorliegen. Daraufhin hat<br />

das Insolvenzgericht am 08. 07. 2009 beschlossen, ȟber das<br />

Sondervermögen der aufgelösten und beendeten F. GbR, ehemals<br />

(…) Straße 4, Hamburg, Beteiligter: P. W., (…), Hamburg,<br />

als treuhändischer Träger des Sondervermögens«, das<br />

Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit zu eröffnen.<br />

II.DerAntragaufEröffnungdesInsolvenzverfahrensistzulässig<br />

und begründet. Zwar ist die F-GbR selbst nicht mehr insolvenzfähig,<br />

da sie nicht nur aufgelöst, sondern auch bereits voll beendet<br />

ist. In Analogie zu den §§35ff., 332, 333f. und 354ff. InsO<br />

kann jedoch ein Sonderinsolvenzverfahren eigener Art<br />

beschränkt auf das von der F-GbR auf den Beteiligten übergegangene<br />

Vermögen durchgeführt werden. Nur so hat der Beteiligte<br />

seinen Antrag auch gemeint. Im Einzelnen:<br />

DieF-GbRwarbereitsvorderStellungdeshierinRedestehenden<br />

Insolvenzantrages nicht nur aufgelöst, sondern voll<br />

beendet. Der Gesellschafter F. F. schied unmittelbar nach<br />

Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 02. 06. 2008,<br />

spätestens jedoch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über<br />

sein Vermögen am 18. 03. 2009 gemäß § 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages<br />

aus der Gesellschaft aus. Dies führte gemäß<br />

§ 738 BGB dazu, dass seine Gesellschaftsanteile dem verbliebenen<br />

Mitgesellschafter, also dem Beteiligten, zugewachsen<br />

sind. Mit dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters<br />

einer Personengesellschaft entfällt der Tatbestand einer<br />

Gesellschaft. Haben sich nämlich sämtliche Gesellschaftsanteile<br />

in der Hand eines Gesellschafters vereinigt, ist die Gesellschaft<br />

liquidationslos beendet unter Gesamtrechtsnachfolge<br />

des letzten verbliebenen Gesellschafters (BGH, ZInsO 2008,<br />

24<br />

973 ff.; HambKomm/Wehr, 3. Auflage, § 12 Rn. 52; MünchKommInsO-Ott/Vuia,2.Auflage,§11Rn.71b).<br />

Gleichwohl kann zugunsten der Gesellschaftsgläubiger weiterhin<br />

ein Insolvenzverfahren über noch vorhandenes Gesellschaftsvermögen<br />

in Form eines Sonderinsolvenzverfahrens<br />

eigener Art durchgeführt werden (LG Dresden, ZInsO 2005,<br />

384 f.; HambKomm/Wehr, a. a. O.; MünchKommInsO-Ott/<br />

Vuia, a.a.O.). Zweck dieses Sonderinsolvenzverfahrens ist es,<br />

das Vermögen der früheren Gesellschaft zur Befriedigung von<br />

deren Gläubigern zu verwenden (MünchKommInsO-Ott/<br />

Vuia, a.a.O.) Ohne die Durchführung eines solchen Sonderinsolvenzverfahrens<br />

wäre das Vermögen der ehemaligen<br />

Gesellschaft einer gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer<br />

Gläubiger in einem geregelten Verfahren nicht zugänglich.<br />

Die gesellschaftsvertraglichen und gesetzlichen Vorschriften<br />

über das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft<br />

führen zu unangemessenen und ungewollten<br />

Rechtsfolgen, sobald nicht nur ein Gesellschafter in Vermögensverfall<br />

gerät, sondern dies auch die Gesellschaft als solche<br />

betrifft. Sinn und Zweck der gesellschaftsvertraglichen und<br />

gesetzlichen Vorschriften über das Ausscheiden eines Gesellschafters<br />

ist der Zusammenhalt des Gesellschaftsvermögens<br />

und die Erhaltung und Fortsetzung des etwa vorhandenen,<br />

fortführungsfähigen und solventen Geschäftsbetriebes trotz<br />

Vermögensverfalles bei einem Gesellschafter. Das naturgemäße<br />

Interesse der Gläubiger des vermögenslosen GesellschaftersandessenGeschäftsanteil<br />

und der Zerschlagung des<br />

Gesellschaftsvermögens soll hinter dem betriebs- und volkswirtschaftlich<br />

motivierten Interesse an dem Fortbestand von<br />

Geschäftsbetrieben zurückstehen. Gerät – wie vorliegend –<br />

auch die Gesellschaft selbst in Vermögensverfall und entfällt<br />

ihre Erhaltungs- und Fortführungswürdigkeit, steht dies im<br />

Widerspruch zu Sinn und Zweck der in dem Gesellschaftsvertrag<br />

für den bloßen Fall des Vermögensverfalls nur eines<br />

Gesellschafters vorgesehenen Regelungen. Aus diesem Grund<br />

ist die Durchführung eines Sonderinsolvenzverfahrens über<br />

das Vermögen der ehemaligen Gesellschaft, dessen treuhändischer<br />

Vermögensträger der letzte verbliebene Gesellschafter,<br />

vorliegend mithin der Beteiligteist,durchzuführen.Dem<br />

steht auch nicht die Entscheidung des BGH vom 07.07.2008<br />

(ZInsO 2008, 973 ff.) entgegen, wonach der Beschluss über<br />

die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen<br />

einer voll beendeten BGB-Gesellschaft nichtig ist und die<br />

Prozessgerichte nicht bindet. Anders als in der vorstehend<br />

zitierten Entscheidung wird hier gerade nicht über das Vermögen<br />

der voll beendeten F-GbR das Insolvenzverfahren<br />

eröffnet, sondern über das dem Beteiligten angewachsene und<br />

vondessenprivatemVermögenabzugrenzendeSondervermögen<br />

der ehemaligen Gesellschaft.<br />

(mitgeteilt von Dr. Antje Hoffmann, Richterin<br />

am AG Hamburg)<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


Top Ten: Rechtsprechung des BGH zur Unternehmensinsolvenz<br />

Die wichtigsten Entscheidungen des BGH aus dem Jahr<br />

2009–ausgewähltvonDr. Andreas Schmidt<br />

Die Auswahl erfolgt allein nach der subjektiven Einschätzung<br />

des Verfassers. Die Reihenfolge orientiert sich am Datum, an<br />

dem die jeweilige Entscheidung ergangenist.DerIX.Zivilsenat<br />

(»Insolvenzrechtsenat«) ist sechsmal, der II. Zivilsenat<br />

(»Gesellschaftsrechtsenat«) viermal vertreten.<br />

1. Eigenkapitalersatz: Fortgeltung des alten Rechts<br />

für sog. »Altfälle« (Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens vor dem 01.11.2008)<br />

BGH, Urteil vom 26. 01. 2009, II ZR 260/07 (»Gut<br />

Buschow«)<br />

Anmerkung: Für einen »Neufall« (Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

nach dem 31.10.2008) liegt noch keine BGH-Entscheidung<br />

vor. Instruktiv zur möglichen Behandlung solcher Fälle Rellingmeyer/Gröblinghoff<br />

ZIP 2009, 1938.<br />

2. Gesellschafterhaftung: Sacheinlagefähigkeit eines<br />

Gegenstandes und Präzisierung des sog. Hin- und<br />

Herzahlens<br />

BGH, Urteil vom 16.02.2009, II ZR 120/07 (»Qivive«)<br />

Anmerkung: Siehe dazu den Beitrag von Kuleisa, »Kapitalaufbringung<br />

nach dem MoMiG unter Berücksichtigung neuester<br />

BGH-Rechtsprechung« (<strong>InsVZ</strong> 2009, 8, in diesem Heft).<br />

3. Insolvenzanfechtung: Anfechtbarkeit von<br />

Lohnzahlungen<br />

BGH, Urteil vom 19.02.2009, IX ZR 62/08<br />

Anmerkung: Die Frage nach der Anfechtbarkeit von Lohnzahlungen<br />

hat zu kontroversen Diskussion auch innerhalb der Insolvenzverwalterschaft<br />

geführt (s. etwa INDat-Report, Heft 2-<br />

2009, dessen Titel lautete: »Hui oder pfui? Anfechtung von<br />

Lohnzahlungen«).DerBGHhatindieserEntscheidungmitviel<br />

Augenmaß hohe Anforderungen an die Kenntnis des Arbeitnehmers<br />

von der Zahlungsunfähigkeit (§ 130 Abs. 2 InsO) gestellt<br />

und so die Anfechtungsmöglichkeiten auf ein sozial verträgliches<br />

Maß beschränkt.<br />

4. Insolvenzanfechtung: Rechtshandlung des<br />

Schuldners i.S.d. §133 InsO bei<br />

Zwangsvollstreckungsmaßnahmen<br />

BGH, Beschluss vom 19.02.2009, IX ZR 22/07<br />

Top Ten: Rechtsprechung des BGH zur Unternehmensinsolvenz<br />

Anmerkung: Es sind weitere Verfahren zum Fragenkreis »Rechtshandlung<br />

des Schuldners i.S.d. § 133 InsO« beim BGH anhängig.<br />

Insbesondere ist auf die Revision zu OLG Karlsruhe, Urt.<br />

vom 24. 06. 2008, 8 U 186/07 hinzuweisen, die beim BGH<br />

unter dem Az. IX ZR 128/08 geführt wird. Mit einer Entscheidung<br />

des BGH ist in Kürze zu rechnen.<br />

5. Insolvenzanfechtung: Internationale Zuständigkeit<br />

für Anfechtungsklagen<br />

BGH, Urteil vom 19. 05. 2009, IX ZR 39/06 (»Deko Marty<br />

Belgium«)<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

Anmerkung: Durch seine Auslegung des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO<br />

ermöglicht der BGH, dass Insolvenzanfechtungsklagen gegen<br />

Anfechtungsgegner, die ihren satzungsmäßigen Sitz in einem<br />

anderen Mitgliedstaat haben, im Inland geführt werden können<br />

(sog. »Heimspiel-Rechtsprechung«).<br />

6. Geschäftsführerhaftung: Haftung des<br />

Geschäftsführers aus §64 Satz 1 <strong>GmbH</strong>G für<br />

Zahlungen von Arbeitgeberbeiträgen nach<br />

Insolvenzreife der Gesellschaft<br />

BGH, Urteil vom 08.06.2009, II ZR 143/08<br />

Anmerkung: Konsequente Fortführung der Rechtsprechung: Nur<br />

die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge ist mit Blick auf § 266 a<br />

StGB mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§64<br />

Satz 2 <strong>GmbH</strong>G) vereinbar (BGH, Urt. vom 14.05.2007, II ZR<br />

48/06).<br />

7. Insolvenzanfechtung: Indizwirkung der<br />

Inkongruenz bei Zahlungen, die unter dem Druck<br />

eines Insolvenzantrages geleistet werden<br />

BGH, Urteil vom 18.06.2009, IX ZR 7/07<br />

Anmerkung: Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung zu § 133<br />

InsO. Damit ist es dem Insolvenzverwalter auch weiterhin möglich,<br />

Zahlungen, die unter dem Druck eines Insolvenzantrages<br />

geleistet wurden, erfolgreich anzufechten.<br />

8. Wirkungen der Insolvenzeröffnung:<br />

Informationspflicht für Unternehmen, die<br />

Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem<br />

Schuldner haben<br />

BGH, Urteil vom 16.07.2009, IX ZR 118/08<br />

Anmerkung: Die Entscheidung ist im Volltext auf S. 21 dieses<br />

Heftes abgedruckt. Siehe dazu auch die Anmerkung von Rendels,<br />

INDat-Report, Heft 7-2009, S. 4, der zutreffend u.a. darauf<br />

hinweist, dass die Entscheidung wegen des Verweises in §24 InsO<br />

auf §82 InsO auch für das Eröffnungsverfahren relevant ist.<br />

9. Gesellschafterhaftung: Abgrenzung von verdeckter<br />

Sacheinlage und Hin- und Herzahlen im Cash-Pool<br />

BGH, Urteil vom 20.07.2009, II ZR 273/07 (»Cash-Pool II«)<br />

Anmerkung: Siehe dazu den Beitrag von Kuleisa, »Kapitalaufbringung<br />

nach dem MoMiG unter Berücksichtigung neuester<br />

BGH-Rechtsprechung« (<strong>InsVZ</strong> 2009, 8, in diesem Heft).<br />

10. Insolvenzanfechtung: Gläubigerbenachteiligung<br />

auchbeiZahlungendesSchuldnersausdembloß<br />

geduldeten Überziehungskredit<br />

BGH, Urteil vom 06.10.2009, IX ZR 191/05<br />

Anmerkung: Wichtige Änderung der Rechtsprechung, die zu<br />

einer beträchtlichen Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeiten<br />

für den Insolvenzverwalter führt! Die Entscheidung wird im<br />

Volltext abgedruckt in <strong>InsVZ</strong> Heft 1/2010. Hingewiesen sei auch<br />

auf den Aufsatz von Rogge, der ebenfalls in <strong>InsVZ</strong> Heft 1/2010<br />

erscheinen wird.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 25


Privatinsolvenz Rechtsprechung<br />

BGH: Dreijährige Sperre für Schuldner im<br />

zweiten Insolvenzverfahren bei<br />

Versagung der Restschuldbefreiung im<br />

ersten Verfahren<br />

§4a, §289 Abs.1 Satz 2, §290 Abs.1 Nr.3 und 5 InsO<br />

Der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung ist unzulässig,<br />

wenn er innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger<br />

Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren<br />

wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung<br />

seiner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten<br />

gestellt worden ist. Eine Stundung der Verfahrenskosten für<br />

einen solchen Antrag scheidet aus.<br />

BGH, Beschluss vom 16.07.2009, IX ZB 219/08<br />

(Vorinstanzen: LG Oldenburg, 15.02.2008, 6 T 156/08;<br />

AG Oldenburg/Oldenburg, 22.01.2008, 8 IN 68/07)<br />

Gründe: [1] I. Dem Schuldner wurde in einem früheren, auf<br />

Eigenantrag eröffneten Insolvenzverfahren durch rechtskräftigen<br />

Beschluss vom 20. September 2006 die Ankündigung<br />

der Restschuldbefreiung nach §289 Abs.1 Satz 2, §290 Abs.1<br />

Nr. 5 InsO versagt, weil er seinen Auskunftspflichten gemäß<br />

§97 InsO nicht hinreichend nachgekommen war. Das Insolvenzverfahren<br />

wurde am 21.November 2006 aufgehoben.<br />

[2] Am 16. November 2007 stellte ein Gläubiger Antrag auf<br />

Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Anschluss daran stellte<br />

der Schuldner am 28.Dezember 2007 wiederum einen Eigenantrag;<br />

außerdem beantragte er die Restschuldbefreiung und<br />

Stundung der Verfahrenskosten. Insolvenzgericht und<br />

Beschwerdegericht haben die Verfahrenskostenstundung für<br />

das neue Verfahren abgelehnt. Dagegen wendet sich der<br />

Schuldner – nach Gewährung von Prozesskostenhilfe – mit<br />

seiner Rechtsbeschwerde.<br />

[3] II. Dem Schuldner ist wegen der Versäumung der Frist zur<br />

Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung<br />

in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 234<br />

Abs.2, §575 ZPO).<br />

[4] Die Fristversäumung ist unverschuldet (§233 ZPO), weil<br />

der Schuldner wegen seiner Mittellosigkeit außerstande war,<br />

durch die Beauftragung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen<br />

Rechtsanwalts die Einlegungs- und Begründungsfrist<br />

einzuhalten. Die Wiedereinsetzungsfrist ist gewahrt: Nach<br />

Zustellung des Senatsbeschlusses über die Bewilligung von<br />

Prozesskostenhilfe hat der Schuldner die Rechtsbeschwerde<br />

innerhalb der zweiwöchigen Frist des §234 Abs.1 Satz 1 ZPO<br />

eingelegt und innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1<br />

Satz 2 ZPO begründet.<br />

[5] III. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6<br />

Abs.1, §4d Abs.1 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig<br />

(§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), bleibt aber in der Sache ohne<br />

Erfolg.<br />

[6] 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Amtsgericht<br />

habe den Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten mit<br />

Recht zurückgewiesen. Dem Schuldner fehle für seinen neuerlichen<br />

Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, weil ihm in dem<br />

früheren Verfahren wegen Verletzung seiner Auskunfts- und<br />

Mitwirkungspflichten die Restschuldbefreiung versagt worden<br />

sei. Sehe man den erneuten Antrag als zulässig an, blieben<br />

26<br />

die Unredlichkeit des Schuldners und die daraus resultierende<br />

rechtskräftige Versagung der Restschuldbefreiung folgenlos.<br />

Es sei unerheblich, dass zwischenzeitlich neue Gläubiger hinzugetreten<br />

seien und ein Fremdantrag gestellt worden sei.<br />

Sowohl die Entstehung neuer Forderungen als auch die Stellung<br />

eines Fremdantrags sei durch den Schuldner steuerbar.<br />

Ob dem Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis dauerhaft zu<br />

versagen sei, könne offen bleiben. Jedenfalls sei nach rechtskräftiger<br />

Versagung noch keine angemessene Frist verstrichen,<br />

die einen neuerlichen Eigenantrag schutzwürdig erscheinen<br />

lasse.<br />

[7] 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung im<br />

Ergebnis stand.<br />

[8] Nach §290 Abs.1 Nr.3 InsO ist dem Schuldner die Restschuldbefreiung<br />

zu versagen, wenn ihm in den letzten zehn<br />

Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder<br />

nach §296 oder §297 InsO versagt worden ist. Eine Sperrfrist<br />

für eine erneute Antragstellung im Fall der Versagung der<br />

Restschuldbefreiung nach § 289 Abs. 1 Satz 2, § 290 Abs. 1<br />

Nr. 5 InsO sieht das Gesetz nicht vor. Ein Rechtsschutzbedürfnis<br />

für die Stellung eines erneuten Antrags auf Restschuldbefreiung<br />

ist gleichwohl nur gegeben, wenn seit<br />

Rechtskraft der Entscheidung über die Versagung nach den<br />

vorgenannten Vorschriften drei Jahre vergangen sind. § 290<br />

Abs.1Nr.3InsOenthältfürdenFallderVersagungderRestschuldbefreiung<br />

im Schlusstermin eine Regelungslücke, die<br />

bei Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten in<br />

einem früheren Verfahren durch eine Sperrfrist zu schließen<br />

ist, die sich an der Frist für die Berücksichtigung von Falschangaben<br />

des Schuldners im Rahmen des § 290 Abs. 1<br />

Nr.2 InsO orientiert (vgl. AG Hamburg ZVI 2009, 224).<br />

[9] a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs<br />

fehlt dem Schuldner, der in einem früheren Verfahren<br />

versäumt hat, rechtzeitig Restschuldbefreiung zu beantragen,<br />

oder dem diese rechtskräftig versagt worden ist, das<br />

Rechtsschutzbedürfnis für einen erneuten Antrag auf Restschuldbefreiung<br />

»jedenfalls dann«, wenn seit Abschluss des<br />

früheren Verfahrens keine weiteren Gläubiger hinzugekommen<br />

sind (BGH, Beschl.v. 6. Juli 2006 – IX ZB 263/05,<br />

ZInsO 2006, 821; v. 11. Oktober 2007 – IX ZB 270/05,<br />

ZInsO 2007, 1223). Zur Begründung dieser Rechtsprechung<br />

hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, durch die Befugnis zu<br />

einer uneingeschränkten Antragswiederholung würde die<br />

Rechtskraft einer die Restschuldbefreiung versagenden Entscheidung<br />

zur Disposition des Schuldners gestellt. Dieser<br />

könnte nach Belieben immer neue Verfahren einleiten. Ein<br />

unredlicher Schuldner würde dadurch in den Stand gesetzt,<br />

im Anschluss an eine zu Recht ergangene Versagung der Restschuldbefreiung<br />

durch eine Anpassung der tatsächlichen<br />

Grundlagen nachträglich eine Restschuldbefreiung zu erwirken.<br />

Mit Hilfe einer erneuten Antragstellung könnte er die an<br />

zeitliche Fristen geknüpften Versagungsgründe des § 290<br />

Abs.1Nr.2bis4InsOumgehen.SelbsteinSchuldner,dem<br />

wegen Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten<br />

die Restschuldbefreiung versagt wurde (§ 290 Abs. 1 Nr. 5<br />

und 6 InsO), könnte durch Wohlverhalten in einem neuen<br />

Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung erlangen. Es<br />

bedürfe keiner näheren Darlegung, dass die Versagungsgründe<br />

des §290 Abs.1 Nr.5 und 6 InsO ihrer verfahrensför-<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


dernden Funktion beraubt würden, wenn Verstöße des<br />

Schuldners wegen der Befugnis zur Einleitung eines weiteren<br />

Insolvenzverfahrens nicht dauerhaft sanktioniert würden.<br />

Vielmehr bestünde geradezu ein Anreiz, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten<br />

nicht allzu genau zu nehmen, weil stets<br />

aufs Neue die Möglichkeit eines weiteren Antrags eröffnet<br />

wäre. Damit wäre der Zweck der Versagungsgründe des §290<br />

Abs. 1 InsO, nur einem redlichen Schuldner die Vergünstigung<br />

einer Restschuldbefreiung zuteil werden zu lassen, verfehlt<br />

(BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2007 a.a.O. S. 1224<br />

Rn.12).<br />

[10] b) Im vorliegenden Fall gibt es zwar einen neuen Gläubiger.<br />

Die Gründe, die nach den vorzitierten Entscheidungen<br />

das Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners für einen Folgeantrag<br />

in Frage stellen, gelten aber auch hier. Das Beschwerdegericht<br />

führt mit Recht aus, dass es der Schuldner in der Hand<br />

hätte, durch Begründung neuer Forderungen und erforderlichenfalls<br />

Herbeiführung eines Fremdantrags die Rechtskraft<br />

des die Restschuldbefreiung versagenden Beschlusses zu<br />

unterlaufen (zutreffend insofern AG Göttingen ZVI 2005,<br />

278, 279; AG Leipzig ZVI 2007, 280, 281; Hackenberg ZVI<br />

2005, 468, 469 f.; Büttner ZVI 2007, 229, 231f.; jeweils<br />

gegen LG Koblenz ZVI 2005, 91). Würde allein das Vorhandensein<br />

eines neuen Gläubigers ausreichen, um das Rechtsschutzbedürfnis<br />

des Schuldners für einen erneuten Antrag zu<br />

bejahen, könnte der Zweck der Versagungsgründe nicht<br />

erreicht werden. Die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung<br />

von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§290 Abs.1<br />

Nr.5InsO)ineinemvorausgegangenenVerfahrensowievorsätzliche<br />

oder grob fahrlässige unrichtige oder unvollständige<br />

Angaben in den Verzeichnissen des Schuldners (§ 290 Abs. 1<br />

Nr.6 InsO) blieben ohne Konsequenzen, weil sie dem Schuldner<br />

in einem nachfolgenden Verfahren nicht mehr vorgehalten<br />

werden könnten. Dem Schuldner müssten die Verfahrenskosten<br />

innerhalb kurzer Zeit ein weiteres Mal gestundet<br />

werden,selbstwennindemfrüherenVerfahren–wieimvorliegenden<br />

Fall – die Kostenstundung aufgrund seines unredlichen<br />

Verhaltens aufgehoben und ihm die Restschuldbefreiung<br />

versagt worden ist. Der Schuldner könnte sein Interesse<br />

an der Durchführung des neuen Verfahrens – wie hier – sogar<br />

auf die nach Aufhebung der Verfahrenskostenstundung nicht<br />

bezahlten Kosten des vorangegangenen Verfahrens stützen.<br />

[11] c) Auch im Anschluss an eine Versagung der Restschuldbefreiung<br />

nach § 289 Abs. 1 Satz 2, § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO<br />

besteht deshalb ein unabweisbares Bedürfnis für eine Sperrfrist.<br />

Die bestehende Regelungslücke kann nur geschlossen<br />

werden, indem die Vorschrift des §290 Abs.1 Nr.3 InsO entsprechend<br />

angewendet wird.<br />

[12] aa) Zwar wird eine analoge Anwendung der Vorschrift<br />

auf diesen Fall in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend<br />

abgelehnt oder nicht in Erwägung gezogen (vgl. LG<br />

Duisburg ZInsO 2009, 110 f.; AG Bremen ZVI 2009, 254;<br />

AG Potsdam ZInsO 2006, 1287; FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl.<br />

§ 290 Rn. 31; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 290 Rn.14; HK-<br />

InsO/Landfermann, 5.Aufl. §290 Rn.17; HmbKomm-InsO/<br />

Streck, 3. Aufl. § 290 Rn. 22; MünchKomm-InsO/Stephan,<br />

2.Aufl., §290 Rn.54ff; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12.Aufl.<br />

§ 290 Rn. 47; Hackenberg ZVI 2005, 468, 470; Hackländer<br />

ZInsO 2008, 1308 ; einschränkend nur für den Fall des §290<br />

Abs.1Nr.1InsOWenzel in: Kübler/Prütting/Bork, InsO<br />

Rechtsprechung<br />

Privatinsolvenz<br />

§ 290 Rn. 14; Graf-Schlicker/Livonius, Restschuldbefreiung<br />

und Verbraucherinsolvenz 1999 Rn. 276). Von diesen Stimmen<br />

wird aber nicht berücksichtigt, welche Konsequenzen es<br />

für das auf die der Redlichkeit des Schuldners bauende System<br />

der Restschuldbefreiung hat, wenn – abgesehen von dem vom<br />

Senat bereits entschiedenen Fall des Fehlens neuer Gläubiger–derFolgeantragdesSchuldners<br />

im Anschluss an eine<br />

Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO uneingeschränkt als<br />

schutzwürdig angesehen wird. Dem Schuldner müssten trotz<br />

seines unredlichen Verhaltens alsbald erneut die Verfahrenskosten<br />

für den weiteren Versuch einer Restschuldbefreiung<br />

gestundet werden. Die Gerichte würden sofort wieder mit<br />

einem erneuten Verfahren belastet, und die Staatskasse müsste<br />

die Verfahrenskosten ein weiteres Mal aufbringen. Dies ist mit<br />

dem Sinn und Zweck der Versagungsvorschriften, die eine<br />

fühlbare Sanktion für die Unredlichkeit des Schuldners darstellen<br />

sollen, nicht zu vereinbaren.<br />

[13] bb) Soweit der Senat in einem Beschluss vom<br />

21.Februar 2008 (IX ZB 52/07, ZInsO 2008, 319) entschieden<br />

hat, dass es der Bewilligung von Restschuldbefreiung und<br />

damit auch der Stundung der Verfahrenskosten in einem späteren<br />

Verfahren nicht entgegenstehe, wenn dem Schuldner<br />

die Restschuldbefreiung in einem Beschluss zur Ankündigung<br />

der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren versagt<br />

worden sei, hält er an dieser Entscheidung nicht fest. Die Verletzung<br />

der Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten in einem<br />

früheren Verfahren kann nicht deshalb folgenlos bleiben, weil<br />

nach Beendigung dieses Verfahrens ein erneuter Antrag auf<br />

Restschuldbefreiung gestellt wird.<br />

[14] d) Die Voraussetzungen für eine Analogie zu §290 Abs.1<br />

Nr. 3 InsO liegen vor. Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke<br />

im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes<br />

voraus. Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt<br />

des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht<br />

zu beurteilen (BGHZ 149, 165, 174; vgl. auch<br />

BGH, Urt. v. 26. November 2008 – VIII ZR 200/05, ZIP<br />

2009, 176, 178 Rn. 22 ff.; v. 19. Mai 2009 – IX ZR 39/06,<br />

ZInsO 2009, 1270, 1271f. Rn. 18). Für das Vorliegen einer<br />

planwidrigen Regelungslücke, die durch Rechtsfortbildung<br />

zu schließen ist, kann auch sprechen, dass der Gesetzgeber<br />

beabsichtigt, ein planwidrig unvollständiges Gesetz durch<br />

eine Reform zu schließen (vgl. BGH, Urt. v. 26. November<br />

2008 a.a.O.). Diese Voraussetzung ist hier gegeben.<br />

[15] aa) Die planwidrige Regelungslücke folgt aus der oben<br />

dargelegten Unvollständigkeit des Gesetzes für den Fall der<br />

Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin auf<br />

Grund der Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten<br />

des Schuldners. Die Gründe, die eine »vorweggenommene<br />

Versagung« nach § 290 Abs. 1 InsO rechtfertigen,<br />

wiegen nicht leichter als die dieselbe Sanktion (§§ 295,<br />

296 InsO) auslösenden Verstöße in der Wohlverhaltensphase.<br />

Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass nur Letztere zu<br />

einer Sperre nach §290 Abs.1 Nr.3 InsO führen, während die<br />

Versagungnach§289Abs.1Satz2,§290Abs.1Nr.5InsO<br />

folgenlos bleibt.<br />

[16] bb) Der Gesetzgeber hat seine Absicht, den Katalog des<br />

§290 Abs.1 InsO um einen Versagungstatbestand »Nr.3a« zu<br />

erweitern, im »Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung<br />

mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte<br />

sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizen-<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 27


Privatinsolvenz Rechtsprechung<br />

zen« vom 22. August 2007 (abgedruckt als Beilage 2 zu ZVI<br />

Heft 8/2007) zu erkennen gegeben. Danach sollte der Schuldner<br />

auch dann keine Restschuldbefreiung erlangen können,<br />

wenn ihm in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung<br />

des Insolvenzverfahrens oder danach Restschuldbefreiung<br />

nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 versagt wurde. In der<br />

Begründung zu diesem Entwurf (RegE S. 68 f) wird ausgeführt:<br />

»Mit dem Versagungsgrund des §290 Abs.1 Nr.3 InsO wird<br />

eine Sperre gegenüber einem missbräuchlich wiederholten<br />

Restschuldbefreiungsverfahren geschaffen. Würde jedoch<br />

§ 290 InsO insgesamt in den Katalog der Versagungsgründe<br />

der Nummer 3 aufgenommen, so würde sich bei den Gründen<br />

nach §290 Abs.1 Nr.1, 1a und 4 InsO-E eine unverhältnismäßig<br />

lange Sperrfrist ergeben, da die jeweils dem Tatbestand<br />

eigenen Fristen noch hinzugerechnet werden müssten.<br />

So wird eine rechtskräftige Verurteilung in Abhängigkeit von<br />

der registerrechtlichen Löschungsfrist unter Umständen noch<br />

zehn Jahre berücksichtigt. Eine Einbeziehung dieser Tatbestände<br />

– auch über § 297 a InsO-E – in Nummer 3 verbietet<br />

sich deshalb von selbst. Allerdings besteht [im Falle] einer Versagung<br />

der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5<br />

und 6 InsO das Bedürfnis nach einer Sperrfrist. Durch<br />

Schuldner, die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Verfahren<br />

verletzen und auch sonst unzutreffende Angaben<br />

machen, werden die Gerichte in nicht gerechtfertigter Weise<br />

belastet, wenn alsbald nach der Versagung der Restschuldbefreiung<br />

erneute Restschuldbefreiungsanträge gestellt werden.<br />

Aus diesem Grunde ist es gerechtfertigt, für diese Versagungsgründe<br />

in §290 Abs.1 Nr.3a InsO-E eine Sperrfrist vorzusehen,<br />

deren Länge allerdings wegen der bloßen Verletzung verfahrensrechtlicher<br />

Pflichten nur drei Jahre beträgt. Damit<br />

werden letztlich auch die von Nummer 1 und 1 a erfassten<br />

Fälle abgedeckt; denn es entspricht der Lebenserfahrung, dass<br />

bei der Begehung von Straftaten gegen einzelne oder alle<br />

Insolvenzgläubiger auch regelmäßig unrichtige Angaben im<br />

Insolvenzverfahren gemacht werden. Weil vorgesehen ist, dass<br />

auch nach der Ankündigung der Restschuldbefreiung gemäß<br />

§297a InsO-E diese nachträglich versagt werden kann, war in<br />

Nummer 3a zur Schaffung eines Gleichlaufs der Versagungstatbestände<br />

auch § 297 a InsO-E einzubeziehen, jedoch nur<br />

dann, wenn die nachträgliche Versagung auf die Gründe nach<br />

§ 290 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 InsO-E gestützt worden ist. Nummer3aistimÜbrigenandenWortlautderNummer3angeglichen;<br />

erfasst werden damit auch Insolvenzverfahren, die<br />

freigegebene Massegegenstände aus einem früheren Insolvenzverfahren<br />

oder Neuerwerb des Schuldners zum Gegenstand<br />

haben und in denen die Entscheidung über die Restschuldbefreiung<br />

zeitlich nach Stellung des Antrags auf Eröffnung<br />

des Insolvenzverfahrens getroffen wird, in dem<br />

Nummer 3a zur Anwendung kommt.«<br />

[17] Diese Begründung – soweit sie die Einführung einer<br />

Sperrfrist im Fall der Versagung wegen Verletzung der Pflichten<br />

des Schuldners aus §290 Abs.1 Nr.5 und 6 InsO<br />

betrifft –, rechtfertigt es, schon vor Verabschiedung eines<br />

Gesetzes, die derzeit nicht absehbar ist, im Wege der richterlichen<br />

Rechtsfortbildung eine entsprechende Sperrfrist zu<br />

bestimmen. Dies gilt auch für die Frist, innerhalb derer ein<br />

neuer Restschuldbefreiungsantrag unzulässig sein soll, wenn<br />

dem Schuldner die Restschuldbefreiung aus einem der beiden<br />

28<br />

genannten Gründe versagt worden ist. Sie beginnt mit<br />

Rechtskraft der Versagungsentscheidung in dem früheren<br />

Verfahren zu laufen und beträgt drei Jahre bis zur erneuten<br />

Antragstellung. Im Hinblick auf die Verletzung verfahrensrechtlicher<br />

Fristen wäre es nicht angemessen, den Schuldner<br />

mit einer längeren Sperre – in Betracht kämen etwa zehn Jahre<br />

entsprechend dem Wortlaut des §290 Abs.1 Nr.3 InsO – zu<br />

belegen.EinekürzereSperrewürdeihrenZweckverfehlen.<br />

[18] cc) Die Einführung einer Sperrfrist im Wege der richterlichen<br />

Rechtsfortbildung ist erforderlich, um die für die Beurteilung<br />

der Zulässigkeit von Folgeanträgen notwendige<br />

Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen. Wird dem Schuldner<br />

wegen der Verwirkung von Versagungsgründen in früheren<br />

Verfahren das Rechtsschutzbedürfnis für einen erneuten<br />

Antrag versagt, kann dies nicht zeitlich unbegrenzt gelten.<br />

Dies belegt § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Im unmittelbaren<br />

Anwendungsbereich dieser Regelung kann der Schuldner<br />

nach Ablauf von zehn Jahren erneut ein Restschuldbefreiungsverfahren<br />

einleiten, ohne dass die Versagung in dem früheren<br />

Verfahren dem noch entgegensteht. Weitere besondere<br />

Voraussetzungen für die wiederholte Stellung eines Restschuldbefreiungsantrags<br />

nach Ablauf der Frist sind dem<br />

Gesetz nicht zu entnehmen. Entsprechendes muss auch im<br />

Anschluss an die Drei-Jahres-Sperre analog der Vorschrift gelten.<br />

Andere Anknüpfungspunkte, wie etwa die zwischenzeitliche<br />

Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners<br />

(vgl. AG Duisburg ZVI 2008, 306, 307f.) oder die Feststellung,<br />

dass für ein weiteres Verfahren verwertbares Vermögen<br />

zur Verfügung steht (so Hackländer ZInsO 2008, 1308,<br />

1315), finden im Gesetz keine Stütze und sind nicht geeignet,<br />

die erforderliche Rechtssicherheit herbeizuführen.<br />

AG Hamburg: Zur Obliegenheitsverletzung<br />

i.S.d. §295 Abs.2 InsO<br />

eines 67-jährigen Schuldners, der als<br />

Handelsvertreter selbständig tätig ist<br />

§295 Abs.2 InsO<br />

Leitsatz der Redaktion:<br />

Ein 67-jähriger Schuldner, der während der sog. Wohlverhaltensperiode<br />

Provisionszahlungen aus seiner selbständigen<br />

Tätigkeit als Handelsvertreter erhält und diese dem<br />

Treuhänder nicht anzeigt, verletzt keine Obliegenheit<br />

gemäß §295 Abs.2 InsO, weil sein allein maßgeblicher fiktiver<br />

Verdienst als Angestellter mit € 0,– anzusetzen ist.<br />

AG Hamburg, Beschluss vom 26.08.2009, 67g IN 431/02<br />

Gründe: I. Der Schuldner ist 1937 geboren. Nachdem er<br />

Ende der 50iger Jahre ein Studium zum Diplom-Agraringenieur<br />

absolviert hatte, ließ er sich Anfang der 60er Jahre zum<br />

landwirtschaftlichen Großhandelskaufmann weiterbilden<br />

und arbeitete bis 1970 in abhängiger Beschäftigung als Verwalter<br />

bei einem größeren landwirtschaftlichen Betrieb. Von<br />

April 1970 bis zum 31. 12. 2000 war der Schuldner als selbständiger<br />

Handelsvertreter für die Wüstenrot Bausparkassen<br />

AG (ehemals Leonberger Bausparkasse) tätig.<br />

Mit Beschluss vom 08.10.2002 wurde über das Vermögen des<br />

Schuldners auf seinen Antrag vom 04.10.2002 das Insolvenz-<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


verfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet. Zum Insolvenzverwalter<br />

wurde Rechtsanwalt Dr. Bernd Ruge bestellt.<br />

Die Gläubigerin hat zur Insolvenztabelle Forderungen in<br />

Höhe von ca. 304.000 a angemeldet; diese wurden nachher<br />

festgestellt.<br />

Gegenüber dem Insolvenzverwalter gab der Schuldner an, die<br />

Tätigkeit als Handelsvertreter zum 31.12.2000 aufgrund seines<br />

Alters und wegen zurückgehender Umsätze aufgegeben zu<br />

haben. Auf das Gutachten des Insolvenzverwalters vom<br />

02.05.2003 wird verwiesen.<br />

Mit Beschluss vom 04. 10. 2004 wurde dem Schuldner die<br />

Restschuldbefreiung angekündigt. Gegen diesen Beschluss<br />

wurdediesofortigeBeschwerdenichteingelegt.<br />

Mit Schreiben vom 18. 03. 2009 stellt die Gläubigerin den<br />

Antrag, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen.<br />

Die Gläubigerin behauptet, der Schuldner habe Provisionszahlungen<br />

im Jahr 2004 in Höhe von 52.500a, im Jahr 2005<br />

in Höhe von 32.102,55 a und im Jahr 2006 in Höhe von<br />

37.364,80a erhalten, die er gegenüber dem Treuhänder nicht<br />

angegeben habe. Außerdem habe er eine monatliche Rente in<br />

Höhe von 91,76a fürdieJahre2004bis2006erhalten,dieer<br />

ebenfalls nicht angegeben habe. Schließlich habe der Schuldner<br />

gegenüber dem Treuhänder nicht offen gelegt, dass er eine<br />

Lebensversicherung habe. Auf den Versagungsantrag der<br />

Gläubigerin vom 18.03.2009 wird verwiesen.<br />

II. Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist<br />

unzulässig. Die Gläubigerin hat eine Obliegenheitsverletzung<br />

des Schuldners nicht glaubhaft gemacht. Es fehlt an der Darlegung<br />

und Glaubhaftmachung einer Verletzung der in §295<br />

InsO für die Wohlverhaltensperiode abschließend aufgezählten<br />

Obliegenheiten des Schuldners.<br />

Ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses über die<br />

Ankündigung der Restschuldbefreiung sind die Gläubiger<br />

mit den Versagungsgründen des §290 InsO präkludiert. Dies<br />

gilt selbst dann, wenn ein Versagungsgrund nach §290 InsO<br />

erst später bekannt wird. Ab diesem Zeitpunkt kann die Restschuldbefreiung<br />

nur noch nach §295 InsO versagt werden.<br />

Da der Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung<br />

am 18. 10. 2004 rechtskräftig wurde, kommt es für<br />

den Versagungsantrag der Gläubigerin vom 18. 03. 2009<br />

darauf an, ob der Schuldner eine Obliegenheit nach § 295<br />

InsO verletzt hat. Insofern ist es unerheblich, ob der SchuldnerbereitsvorAnkündigungderRestschuldbefreiungunrichtige<br />

Angaben bzgl. seiner Vermögensverhältnisse gemacht hat.<br />

Auch wenn die Gläubigerin von diesem Umstand erst jetzt<br />

Kenntnis erlangt hat, finden die Versagungsgründe des §290<br />

InsO in der Wohlverhaltensperiode keine Anwendung.<br />

DiedurchdieGläubigerinvorgetragenenUmständerechtfertigen<br />

keine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 295<br />

Abs. 2 InsO. Andere Versagungsgründe hat die Gläubigerin<br />

nichtvorgetragen.Nach§295Abs.2InsOobliegtesdem<br />

Rechtsprechung<br />

Privatinsolvenz<br />

Schuldner, der eine selbständige Tätigkeit ausübt, die Insolvenzgläubiger<br />

durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen,<br />

wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen<br />

wäre. Dieser fiktive Verdienstanteil, der zugunsten der<br />

Gläubiger an den Treuhänder abzuführen ist, ist von dem tatsächlichen<br />

erzielten Erlös aus der selbständigen Tätigkeit<br />

abgekoppelt und bemisst sich ausschließlich nach dem Verdienst,<br />

den der Schuldner bei einer angemessenen abhängigen<br />

Beschäftigung erzielt hätte.<br />

Der über den fiktiven Verdienst hinausgehende Erlös muss<br />

nach §295 Abs.2 InsO nicht an die Gläubiger abgeführt werden<br />

(so Ahrens in: Frankfurter Kommentar InsO, 5. Auflage,<br />

2009, §295 Rn.64; Streck in: Hamburger Kommentar InsO,<br />

3.Auflage, 2009, §295 Rn.23; Landfermann in: Heidelberger<br />

Kommentar InsO, 5. Auflage, 2008, § 295 Rn. 12; Münchener<br />

Kommentar InsO, 2.Auflage, 2008, §295 Rn.109). Dass<br />

der Mehrerlös dem Schuldner zustehen soll, beruht auf einer<br />

bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. In der endgültigen<br />

Gesetzesfassung des § 295 Abs. 2 InsO wurde der Vorschlag<br />

des Bundesrates, analog §295 Abs.1 Nr.2 InsO die Obliegenheit<br />

zur Herausgabe der Hälfte des erwirtschafteten Gewinns<br />

zu schaffen, nicht übernommen. Auch Sinn und Zweck sprechen<br />

dafür, dass der über den fiktiven Verdienst hinausgehende<br />

Erlös während der Wohlverhaltensperiode dem<br />

Schuldner zustehen soll. § 295 Abs. 2 InsO bürdet dem<br />

Schuldner das Risiko auf, dass der wirtschaftliche Erfolg bei<br />

selbständiger Tätigkeit unter dem fiktiven Verdienst liegt, den<br />

der Schuldner bei angemessener abhängiger Beschäftigung<br />

hätte erzielen können. Umgekehrtbedeutetdies,dassdem<br />

Schuldner auch die Chancen aus der selbständigen Beschäftigung<br />

zustehen müssen. Dies bedeutet keine Benachteiligung<br />

der Gläubiger. Ihren Interessen wird die Regelung dadurch<br />

gerecht, dass sie für den Schuldner einen Leistungsanreiz setzt<br />

und dadurch zur Vermehrung der Masse beiträgt.<br />

Danach musste der Schuldner keine Zahlungen nach § 295<br />

Abs. 2 InsO an den Treuhänder abführen. Der fiktive Verdienst<br />

ist mit Null anzusetzen. Die Provisionszahlungen stellen<br />

in voller Höhe einen nicht an die Gläubiger abzuführenden<br />

Mehrerlös dar.<br />

Im Jahr 2004, als der Schuldner die erste von insgesamt drei<br />

der in Frage stehenden Provisionszahlungen erhielt, war er<br />

bereits 67 Jahre alt. Die Aussicht auf eine Beschäftigung in<br />

abhängiger Tätigkeit war in Hinblick auf das fortgeschrittene<br />

Alter des Schuldners unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktsituation<br />

aussichtslos. Auch unter Berücksichtigung seiner<br />

30-jährigen Erwerbstätigkeit als Selbständiger waren die<br />

Chancen auf Anstellung in abhängiger Beschäftigung gering.<br />

Diese beiden Aspekte zusammen lassen die Aussicht auf<br />

Anstellung des Schuldners als ausgeschlossen erscheinen.<br />

Gesichtspunkte, aus denen sich eine abweichende Beurteilung<br />

ergeben könnte, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen<br />

noch sind sie sonst ersichtlich. (sch)<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 29


Sanierungs- und Insolvenzberatung Hamburger Thesenpapier<br />

Dokumentation:<br />

Hamburger Thesenpapier »Agieren statt Reagieren –<br />

Restrukturierung auch mit Hilfe des Insolvenzverfahrens«<br />

Die Hamburger Restrukturierungs- und Insolvenzexperten<br />

Dr. Thorsten Bieg (Brinkmann & Partner), Frank Grell<br />

(Latham & Watkins), Dr. Steffen Koch (hww wienberg wilhelm),<br />

Bernd Richter (Ernst & Young), Dr. Sven-Holger<br />

Undritz (White & Case) und Dr. Lars Westpfahl (Freshfields<br />

Bruckhaus Deringer) weisen mit diesem Thesenpapier auf<br />

den notwendigen Handlungsbedarf für erfolgreiche Restrukturierungen<br />

hin: 1<br />

1. Mangelhafte oder fehlende Unternehmensplanungen –<br />

weil gesetzlich unzureichend gefordert und präzisiert –<br />

münden in mangelhaftes Ertrags- und Liquiditätsmanagement.<br />

2. Fehlende Ertrags- und Liquiditätsplanung (Fahren auf<br />

Sicht) verhindert rechtzeitiges und angemessenes Agieren<br />

in oder vor allem vor der Krise.<br />

3. Ein spätes Handeln birgt unmittelbare und unkalkulierbare<br />

Risiken für die handelnden Organe in Bezug auf die<br />

Verletzung von Sorgfaltspflichten bis hin zur strafrechtlich<br />

bewehrten Insolvenzverschleppung.<br />

4. NurbeiHerstellungvon rechtzeitigerTransparenzundSimulation<br />

verschiedener Ertrags- und Liquiditätsszenarien ergeben<br />

sich für die verantwortlichen Organe Handlungsoptionen,<br />

die aus einer Position der Stärke heraus vertreten werden<br />

können. Hierzu gehören auch eine unternehmensseitig<br />

durchgeführte rechtzeitige Evaluierung der Gläubigerpositionen<br />

und -rechte für den Fall einer Insolvenz, um in entsprechenden<br />

vorinsolvenzlichen Verhandlungen mögliche Folgen<br />

einer Insolvenz aufzeigen zu können und von einer Insolvenz<br />

nicht unvorbereitet getroffen zu werden.<br />

5. Soweit – trotz erkennbarer Schwierigkeiten – Gläubigergruppen<br />

auf solche Lösungsansätze nicht reagieren, sollten<br />

Schuldnerunternehmen (Geschäftsführung und Gesellschafter)<br />

die Möglichkeiten einer Planinsolvenz oder eines<br />

Regelinsolvenzverfahrens prüfen.<br />

6. Im Rahmen der Planinsolvenz oder eines Regelinsolvenzverfahrens<br />

können Gesellschaft und Gesellschafter als Agierende<br />

die Sanierung vorantreiben und aufgrund der – noch<br />

vorhandenen – Liquidität eine Lösung erarbeiten, die bei<br />

ansonsten weiter aufgezehrter Liquidität nicht mehr möglich<br />

wäre.<br />

7. Die rechtzeitige Planinsolvenz ermöglicht damit ein »Vergleichsverfahren«<br />

im Rahmen der Insolvenzordnung, in<br />

dem mit gerichtlicher Kontrolle eine finanzierbare Sanierung<br />

der Unternehmen unter Mitwirkung aller Gläubiger<br />

sowie des Schuldnerunternehmens und deren Eigentümer<br />

ggf. in Verbindung mit einer Eigenverwaltung möglich ist.<br />

Ein rechtzeitig eingeleitetes Regelinsolvenzverfahren ermöglicht<br />

durch die Person des Insolvenzverwalters und<br />

dessen Zusammenarbeit mit sämtlichen Beteiligten einschließlich<br />

der vorinsolvenzlich bereits tätigen Berater ein<br />

hervorragendes Instrumentarium zur Sanierung/Restrukturierung<br />

des kriselnden Geschäftsbetriebes. Durch Nutzung<br />

des weltweit einzigartigen Instruments des Insolvenzgeldes<br />

wird dabei erheblicher zusätzlicher Spielraum für die<br />

Restrukturierung geschaffen.<br />

30<br />

8. Der verantwortliche Einsatz der Planinsolvenz kann je<br />

nach Fallkonstellation dem Gläubigerschutzprinzip mehr<br />

dienen als ein »Zuwarten« auf eine Lösung, und damit<br />

einem vermeidbaren Verzehr der verbliebenen Unternehmenssubstanz<br />

entgegen wirken. Das Gleiche gilt für eine<br />

frühzeitig beantragte Regelinsolvenz.<br />

9. Ein zeitliches Vorziehen des Insolvenzantrages – auf Basis<br />

der Regelung des § 18 InsO – kann die Sanierungsaussichten<br />

deutlich erhöhen. Vor dem Hintergrund eines<br />

absehbaren Substanzverzehrs kann es Konstellationen<br />

geben, in denen die Organe ihren Sorgfaltspflichten am<br />

besten genügen, wenn sie rechtzeitig – trotz oder gerade<br />

wegen noch vorhandener Liquidität – einen Insolvenzantrag<br />

wegen drohender Zahlungsunfähigkeit stellen.<br />

10. Um das Insolvenzverfahren noch sanierungsfreundlicher<br />

zu gestalten, sollen die folgenden – an anderer Stelle ausführlich<br />

dargelegten – Änderungen der Insolvenzordnung<br />

vorgenommen werden: Einführung eines fakultativen<br />

einheitlichen Konzerninsolvenzgerichtsstandes;<br />

Möglichkeit der Beteiligung des Schuldners und der<br />

Gläubiger bei der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters;<br />

Einführung der Möglichkeit, in die Anteilseignerrechte<br />

durch Insolvenzplan einzugreifen; Einführung<br />

der automatischen Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen.<br />

1 AndiesenThesenorientiertsichderBeitragvonRichter/Pluta, Haftungssprung<br />

Insolvenzreife – ein Plädoyer für die integrierte Unternehmensplanung, <strong>InsVZ</strong><br />

2009, 30 (in diesem Heft).<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


Haftungssprung Insolvenzreife – ein Plädoyer für die<br />

integrierte Unternehmensplanung<br />

Bernd Richter / Dr. Maximillian Pluta*<br />

I. Einleitung<br />

In der Sanierungspraxis scheitern Sanierungsversuche häufig an<br />

unzureichender Unternehmensplanung. 1 Die Symptome sind<br />

meist eindeutig: Mangels integrierter Unternehmensplanung2 werden Ertrags- und Liquiditätskrisen nicht rechtzeitig erkannt.<br />

Dementsprechend können Sanierungsmaßnahmen nicht rechtzeitig<br />

eingeleitet werden. Außerdem werden Sanierungsbemühungen<br />

bis zum vollständigen Aufzehren der Haftungsmasse<br />

fortgesetzt. Unternehmen stellen nur in 1% 3 der Fälle einen<br />

Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18<br />

InsO), obwohl gerade diese Regelung die Sanierung von Unternehmen<br />

durch frühere Insolvenzanträge verbessern sollte. 4<br />

Dieser Beitrag zeigt die Notwendigkeit einer gesetzlichen oder<br />

zumindest gesellschaftsinternen Regelung bezogen auf sorgfaltsgemäße,<br />

d.h. integrierte Unternehmensplanung, am Beispiel<br />

für Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit<br />

beschränkter Haftung.<br />

Für Geschäftsführer und Vorstände (Leitungsorgane) besteht<br />

vor Insolvenznähe faktisch keine Haftung wegen unzureichender<br />

Unternehmensplanung. Dafür verursacht der Eintritt<br />

der Insolvenzreife einen faktischen Haftungssprung.<br />

Denn erst in diesem Zeitpunkt wird die Verletzung von Planungspflichten<br />

tatsächlich sanktioniert (II.). Die frühzeitige<br />

Etablierung einer integrierten Unternehmensplanung kann<br />

die Haftungsgefahren senken und die Sanierungschancen im<br />

Vorfeld erhöhen. Ist erkennbar, dass die Sanierungsmaßnahmennichtausreichen,kann§18InsOeinMittelfürerfolgreiche<br />

Sanierung in der Insolvenz bieten (III.). Im Ergebnis werden<br />

Leitungsorgane ihrer Sorgfaltspflicht zur Unternehmensplanung<br />

nur mittels einer integrierten Unternehmensplanung<br />

gerecht (IV.).<br />

II. Haftungssprung: Sorgfaltspflichten für<br />

Unternehmensplanung<br />

Ein Grund für späte Insolvenzanträge liegt in der fehlenden<br />

tatsächlichen Sanktionierung für unzureichende Unternehmensplanung<br />

vor Insolvenzreife (1.). Die Planungspflicht<br />

wird erst zu einem Zeitpunkt sanktioniert, in dem es für die<br />

Implementierung eines Planungssystems regelmäßig zu spät<br />

ist. Dieser Haftungssprung führt zu erheblichen Haftungsgefahren<br />

für das Management. Denn die an das Vorliegen eines<br />

Insolvenzgrundes geknüpfte Haftung kann bereits bei objektivem<br />

Eintritt bzw. Erkennbarkeit der Insolvenzreife eintreten<br />

und nicht erst bei deren tatsächlichen Feststellung (2.). Die<br />

Entscheidung des Managements unterliegt umgekehrt auch<br />

der weiteren Haftungsgefahr, einen Insolvenzantrag verfrüht<br />

zu stellen und nicht alle Sanierungsmöglichkeiten ausgeschöpft<br />

zu haben (3.). Umso wichtiger wird für das Management<br />

daher die zutreffende Einschätzung der tatsächlichen<br />

Lage des Unternehmens. Im Sinne einer Entscheidungsgrundlage<br />

bedarf es der integrierten Unternehmensplanung<br />

daher sowohl zur Vermeidung von verspäteten, als auch zur<br />

Vermeidung verfrühter Insolvenzanträge.<br />

Haftungssprung Insolvenzreife<br />

1. Allgemeine Pflicht zur Unternehmensplanung<br />

Planungspflichten werden zwar gesetzlich vorausgesetzt, 5 aber<br />

nur unzureichend definiert und vor Insolvenznähe in der Praxis<br />

kaum sanktioniert.<br />

a) Leitungsfunktion und Geschäftsführung<br />

Die Pflicht zur Unternehmensplanung leitet sich aus der Leitungs-<br />

und Geschäftsführungsfunktion der Geschäftsführer<br />

und Vorstände (§ 76 Abs. 1, § 77 Abs. 1 AktG) ab: 6 Im Rahmen<br />

der Unternehmensleitung haben sie »den Vorteil der<br />

Gesellschaft zu wahren und den Schaden von ihr abzuwen-<br />

Der Deutsche Corporate Governance Kodex<br />

den«. 7<br />

(DCGK) 8<br />

setzt die »nachhaltige Wertschöpfung … im Unter-<br />

nehmensinteresse«, d. h. im Interesse der Aktionäre, Arbeitnehmer<br />

und sonstigen Stakeholder voraus. Damit trifft die<br />

Leitungsorgane insbesondere die Finanzierungsverantwortung<br />

für die Gesellschaft. 9<br />

Bei der Erstellung der erforderlichen Unternehmensplanung<br />

kann eine Unterstützung von Dritten erfolgen. Daraus abgeleitete<br />

Entscheidungen sind aber vom Organ selbst zu tref-<br />

fen. 10<br />

Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />

Es existiert allerdings keine gesetzliche Regelung über<br />

den Inhalt und den Umfang einer sorgfaltsgemäßen Planung<br />

vor Insolvenznähe. Vielmehr wird den Leitungsorganen ein<br />

pflichtgemäßes Ermessen zugesprochen, entsprechend der<br />

Unternehmensart und -größe eine Planung zu installieren. 11<br />

Das täuscht aber über die Haftungsgefahren für die Leitungsorgane<br />

hinweg, die bei mangelhafter Planung vor Insolvenznähe<br />

gegenüber der Gesellschaft entstehen können (§ 93<br />

Abs.2 AktG, §43 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G). Denn die Leitungsorgane<br />

haben zu beweisen, dass sie ihr Ermessen eingehalten und<br />

sorgfaltsgemäß geplant haben.<br />

* Bernd Richter, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Diplom-Kaufmann<br />

(Partner), Dr. Maximilian Pluta, Rechtsanwalt, Diplom-Kaufmann, Ernst &<br />

Young <strong>GmbH</strong> Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Hamburg.<br />

1 Vgl. Hamburger Thesenpapier »Agieren statt Reagieren – Restrukturierung auch<br />

mit Hilfe des Insolvenzverfahrens«, <strong>InsVZ</strong> 2009, 29 (in diesem Heft).<br />

2 Zum Begriff siehe III.1.).<br />

3 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2, R4.1 Dezember 2008 (Kapitalgesellschaften).<br />

4 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.81, 84, 86, 114 f.<br />

5 Vgl.imFolgendenGroß/Amen WPg 2003, 1161 (1163–1168).<br />

6 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 76 Rn. 7; MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl.<br />

2008, § 76 Rn. 17; MüHdb-GesR/Marsch-Barner/Diekmann, Bd.3,3.Aufl.<br />

2009, § 44 Rn. 52; Fleischer ZIP 2003, 1 (5); Groß/Amen WPg 2003, 1161<br />

(1163f.); Kropf, NZG 1998, 613f.<br />

7 MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl. 2008, §93 Rn.25.<br />

8 Fassung v. 18. 06. 2009; DCGK fasst gesetzliche Regelungen für die Leitung<br />

und Überwachung sowie internationale Verhaltensstandards für Unternehmensführung<br />

börsennotierter Aktiengesellschaften zusammen; Vorstände<br />

haben gemäß § 161 AktG eine Entsprechenserklärung abzugeben, die der<br />

Abschlussprüfer gem. §285 Nr.16 i.V.m. §314 Abs.1 Nr.8 HGB zu berücksichtigen<br />

hat, allerdings ohne deren Inhalt zu prüfen, vgl. IDW PS 345 vom<br />

02.09.2008, Rn.3. Zur Problematik der haftungsrechtlichen Verbindlichkeit<br />

der DCGK siehe Hüffer, AktG, 8.Aufl. 2008, §161 Rn.25ff.<br />

9 Vgl.K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.1.20.<br />

10 Vgl. Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, §1 Rn.17.<br />

11 Vgl. Kropff NZG 1998, 613f.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 31


Sanierungs- und Insolvenzberatung Haftungssprung Insolvenzreife<br />

Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die<br />

Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters<br />

anzuwenden (§93 Abs.1 Satz 1 AktG). Eine Pflichtverletzung<br />

ist ausgeschlossen, 12 wenn ein Vorstandsmitglied bei<br />

einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise<br />

annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information<br />

zum Wohle der Gesellschaft zu handeln13 (§ 93 Abs. 1<br />

Satz 2 AktG, »Business Judgement Rule« 14).<br />

Dadurch soll<br />

unternehmerisches Handeln, das in der Regel Entscheidungen<br />

unter Unsicherheit15 notwendig macht, nicht nachträglich<br />

einem zu strengen Haftungsmaßstab unterzogen werden.<br />

Damit bezieht sich aber das haftungsprivilegierte Ermessen<br />

nur bedingt auf die Informationsgewinnung16 (d. h. die Planung).<br />

Mit der Kodifikation der Business Judgement Rule hat<br />

der Gesetzgeber zwar die Haftung für den Bereich des Ermessens<br />

sehr weitgehend entschärft; gewissermaßen als Korrelat<br />

dazu bestehen aber nun hohe Anforderungen an die Informationsgewinnung,<br />

-aufbereitung und ihre Auswertung.<br />

Entsprechendes gilt auch für Geschäftsführer einer <strong>GmbH</strong> im<br />

Rahmen des §43 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G: Der Geschäftsführer hat die<br />

Einhaltung seines »grundsätzlich weiten unternehmerischen<br />

Ermessensspielraums« 17 nachzuweisen. 18<br />

Das setzt voraus, dass<br />

er»inderkonkretenEntscheidungssituationalleverfügbaren<br />

Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpft<br />

und auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der<br />

bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abschätzt und den<br />

erkennbaren Risiken Rechnung trägt«. 19 Aufgrund der Pflichtenbindung<br />

gegenüber den Gesellschaftern der <strong>GmbH</strong> sind die<br />

Geschäftsführer insoweit in ihrem Ermessen beschränkt, als<br />

dass sie für wesentliche Entscheidungen die Zustimmung der<br />

Gesellschafter einholen müssen. 20<br />

In beiden Fällen muss der Mindeststandard einer Unternehmensplanung<br />

aber den Nachweis über die Aufrechterhaltung<br />

der Zahlungsfähigkeit im laufenden und im folgenden<br />

Geschäftsjahr zum Ziel haben. 21 Andernfalls wäre weder der<br />

Nachweis über das Nichtvorliegen von Insolvenzgründen<br />

noch die Beurteilung der going concern Prämisse in der<br />

Rechnungslegung gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB möglich<br />

(dazu s.u.).<br />

Die Haftung aus unzureichender Planung ist zunächst eine<br />

Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft. Verletzen Vorstände<br />

einer Aktiengesellschaft »gröblich« ihre Sorgfaltspflichten,<br />

können gemäß § 93 Abs. 5 AktG auch Gläubiger<br />

diesen Anspruch geltend machen, soweit sie von der Gesellschaft<br />

keine Befriedigung erlangen können.<br />

Darüber hinaus kann für Vorstände und Geschäftsführer bei<br />

mangelnder oder gänzlich fehlender Unternehmensplanung<br />

aufgrund ihrer Vermögensbetreuungspflicht 22 gegenüber dem<br />

Gesellschaftsvermögen die Gefahr für eine Strafbarkeit wegen<br />

Untreue gemäß §266 StGB bestehen.<br />

b) Informations- und Überwachungspflichten<br />

Der Aufsichtsrat hat die durch den Vorstand weisungsfrei ausgeübte<br />

Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 Abs. 1<br />

AktG). 23<br />

Um dieser Überwachungspflicht auch schon<br />

zukunftsgerichtet nachkommen zu können, hat der Vorstand<br />

dem Aufsichtsrat mindestens jährlich gemäß § 90 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr.1 AktG über die beabsichtigte Geschäftspolitik und<br />

32<br />

andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung zu<br />

berichten. 24 Dies beinhaltet unter anderem Informationen<br />

über aktuelle Finanz-, Investitions- und Personalplanungen<br />

sowie über eingetretene Plan-Ist-Abweichungen.<br />

Damit der Aufsichtsrat seiner Überwachungsfunktion angemessen<br />

nachkommen kann, muss zumindest eine kurzfristige<br />

Planung vorliegen. 25 Solange Planungspflichten nicht gesetzlich<br />

konkretisiert sind, bietet lediglich eine Geschäftsordnung<br />

(Informationsordnung) 26,<br />

die Art und Umfang der Unternehmensplanung<br />

regelt, Sicherheit für den Aufsichtsrat. In der<br />

Satzung kann zudem vorgesehen werden, dass die Unternehmensplanung<br />

ein zustimmungspflichtiges Geschäft gemäß<br />

§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG darstellt. 27 Aufsichtsräte können<br />

Vorstände dann zu einer Planung entsprechend der Informationsordnung<br />

anhalten. 28<br />

Bei einer Verletzung der Informationspflichten kann ebenfalls<br />

ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Gesellschaft<br />

gemäß §93 Abs.2 AktG entstehen. Darüber hinaus kann der<br />

Informationsanspruch im Zwangsgeldverfahren (§407 Abs.1<br />

AktG) 29 durchgesetzt werden. Die Verletzung der Überwachungspflicht<br />

durch die Aufsichtsräte ist sanktioniert durch<br />

einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft, den der Vorstand<br />

geltend zu machen hat (§116 Satz 1, §93 AktG). 30 Die<br />

Aufsichtsräte haben darzulegen und zu beweisen, dass sie die<br />

12 Einschränkung der Pflichtwidrigkeit: Semler/v.Schenck/P.Doralt/W.Doralt,<br />

Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 3.Aufl. 2009, §13 Rn.70; Hüffer,<br />

AktG, 8.Aufl.2008, §93 Rn.4c.<br />

13 RegBegr UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11 f.; Kodifizierung des BGH-<br />

Urteils: BGHZ 135, 244 (253) (ARAG/Garmenbeck); Ihrig WM 2004, 2098<br />

(2101f.); Schäfer ZIP 2005, 1253 (1254).<br />

14 Vgl. Semler/v.Schenck/P.Doralt/W.Doralt, Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl.<br />

2009, §13 Rn.64ff.; Fleischer, Vorstandsrecht, 2006, §7, Rn.46ff.<br />

15 Vgl. Hüffer, AktG, 8.Aufl. 2008, §93 Rn.4f.<br />

16 Vgl. Semler/v.Schenck/P.Doralt/W.Doralt, Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl.<br />

2009, §13 Rn.74; str., einschränkend: Kropff NZG 1998, 613; Hüffer,AktG,<br />

8.Aufl. 2008, §93 Rn.4f.<br />

17 Entsprechend § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bzw. zuvor BGHZ 135, 244 (253)<br />

(ARAG/Garmenbeck); vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, <strong>GmbH</strong>G,17.Aufl.<br />

2009, §43 Rn.16.<br />

18 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, <strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §43 Rn.43.<br />

19 BGH, Beschl. vom 14.07.2008, II ZR 202/07, NJW 2008, 3361.<br />

20 Vgl. K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4.Aufl. 2002, §36 II 4a), S. 1079; Lutter/<br />

Hommelhoff/Kleindiek, <strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §43 Rn.28.<br />

21 So auch Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1169 f.); Handelsrechtsausschuss DAV<br />

ZIP 1997, 163f.<br />

22 Zum Kontext unternehmerischer Leitungsaufgaben und einer daraus resultierenden<br />

Vermögensbetreuungspflicht vgl. BGH, Urt. vom 22.11.2005, 1 StR<br />

571/04, WM 2006, 322 (324).<br />

23 Gemäß DCGK 4.1.2 hat der Vorstand die strategische Ausrichtung des<br />

Unternehmens zu entwickeln, mit dem Aufsichtsrat abzustimmen und für die<br />

Umsetzung zu sorgen.<br />

24 RegBegr KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S.15; Semler/v.Schenck/v.Schenck,<br />

Aufsichtsratsmitglieder, 3.Aufl. 2009, §7 Rn.44ff., für <strong>GmbH</strong> gilt die gesetzliche<br />

Regelung nicht, ebd., Rn.47.<br />

25 RegBegr KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Groß/Amen WPg 2003,<br />

1163.<br />

26 RegBegr KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Semler/v.Schenck/Kropff,<br />

Aufsichtsratsmitglieder,3.Aufl.2009,§8Rn.31ff.,63ff.;Bsp.:ebd.,Anl.§8-<br />

1; Groß/Amen WPg 2003, 1163f.<br />

27 Vgl. Semler/v.Schenck/Kropff, Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl. 2009, § 8<br />

Rn.32ff.<br />

28 Vgl. Semler/v.Schenck/Kropff, Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl. 2009, § 8<br />

Rn.35ff.<br />

29 Zu den Einzelheiten und weiteren Sanktionen siehe Hüffer, AktG,8.Aufl.<br />

2008, §407 Rn.15.<br />

30 Vgl. Wellhöfer/Peltzer/Müller/Peltzer, Haftung Vorstand Aufsichtrat Wirtschaftsprüfer,<br />

2008, §16.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


Vorstände pflichtgemäß überwacht haben (§§ 116, 93 Abs. 1<br />

Satz 2 AktG). Das ihnen bei präventiver Kontrolle zustehende<br />

Ermessen setzt allerdings eine ausreichende Informationsgrundlage<br />

voraus. 31<br />

c) Organisationspflicht und Kontrollinstrument<br />

Der Vorstand hat gemäß §91 Abs.2 AktG32 Maßnahmen, insbesondere<br />

ein Überwachungssystem zur Früherkennung<br />

bestandsgefährdender Entwicklungen einzurichten. Für<br />

Geschäftsführer einer <strong>GmbH</strong> wird bei entsprechender Unternehmensgröße<br />

Vergleichbares gelten. 33 Sicherheit bietet jeweils<br />

nur eine ordnungsgemäße Unternehmensplanung. 34<br />

d) Handelsrechtliche Voraussetzungen und<br />

Abschlussprüfung<br />

Darüber hinaus ist Unternehmensplanung auch wesentlich<br />

im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses: Nur durch<br />

sorgfältig hinterlegte Planungsrechnungen lässt sich Sicherheit<br />

für die going-concern Prämisse des Unternehmens und<br />

damit für den Bilanzansatz zu Fortführungswerten gemäß<br />

§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB gewinnen. Die Fortführungsprognose<br />

unterscheidet sich von der Fortbestehensprognose im<br />

Rahmen der Überschuldungsprüfung gemäß § 19 Abs. 2<br />

Satz 1 InsO dahingehend, dass auch das Vorliegen einer drohenden<br />

bilanziellen Überschuldung mittels einer Reinvermögensvorschau<br />

35 über den Planungszeitraum der Fortführungsannahme<br />

des Unternehmens entgegensteht. Der Abschlussprüfer<br />

hat dazu Stellung zu nehmen36 und bei Zweifeln die<br />

Planungsunterlagen des Unternehmens daraufhin zu analysieren,<br />

ob im Betrachtungszeitraum der Eintritt einer bilanziellen<br />

Überschuldung oder der Eintritt von Insolvenzgründen<br />

droht. 37 Schließlich ist eine Unternehmensplanung auch notwendig<br />

für die Prüfung des Prognoseberichts im Lagebericht<br />

(§289 Abs.2 Nr.2 HGB), die Risikoberichterstattung (§289<br />

Abs. 1 HGB) und das Risikofrüherkennungssystem (§ 91<br />

Abs.2 AktG, s.o.). 38<br />

sowohl in ihrem Detaillierungsgrad als auch im Haftungsumfang<br />

aus. Sie müssen stets das Vorliegen der Insolvenzgründe<br />

Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 19<br />

Abs.2 Satz 1 InsO) überwachen.<br />

e) Praxis<br />

In der Praxis werden allerdings die genannten Sanktionen für<br />

mangelhafte Unternehmensplanung im Vorfeld der Insolvenz<br />

kaum durch tatsächliche Verfolgung der Haftungsansprüche<br />

oder durch Strafverfolgung sanktioniert.<br />

40 In zeitlicher Hinsicht müssen<br />

die Mitglieder der Vertretungsorgane ohne schuldhaftes<br />

Zögern, spätestens aber drei Wochen nach objektivem Eintritt<br />

der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag<br />

stellen. 41 Diese Zeitspanne ist zu knapp und nicht<br />

dafür vorgesehen, um Sanierungsmaßnahmen neu zu planen<br />

und durchzuführen (z. B. Kredite oder Kapitalerhöhung).<br />

Vielmehr dient die Frist lediglich dazu, bereits laufende und<br />

kurz vor Vollendung stehende Sanierungsmaßnahmen noch<br />

umzusetzen. 42 Damit wird klar, dass die Verantwortlichen<br />

angehalten werden sollen, Risikoerkennungsmechanismen zu<br />

etablieren und frühzeitig zu agieren. Hintergrund des § 15 a<br />

InsO ist die »ungeschriebene unternehmensrechtliche Regel,<br />

das Gebot der Krisenvermeidung, der Krisenfrüherkennung<br />

und der Krisenüberwindung durch frühe Sanierung«. 43<br />

a) Sanktionen<br />

Mit Insolvenzreife erfolgt eine tatsächliche Sanktionierung,<br />

d. h. eine Durchsetzung der Ansprüche, da ein Schaden für<br />

Gesellschaft und Gläubiger unmittelbar droht.<br />

Zu den Haftungsansprüchen gegenüber der Gesellschaft treten<br />

nun z. B. Ansprüche wegen Zahlungen, die bei Vorliegen<br />

der Zahlungsunfähigkeit bzw. (Erkennbarkeit 44)<br />

der Überschuldung<br />

aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet wurden<br />

(§64Satz1<strong>GmbH</strong>G,§92Abs.2Satz1AktG). 45 Das Zahlungsverbot<br />

greift insoweit bereits mit Eintritt der Insolvenzreife<br />

und nicht erst mit Ablauf der Insolvenzantragsfrist. 46<br />

Den Leitungsorganen obliegt die Darlegungs- und Beweislast,<br />

dass sie trotz sorgfältiger Planung die Insolvenzreife nicht<br />

erkennen konnten: Denn in diesem Sinne handelt fahrlässig,<br />

wer sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen<br />

und die für die Insolvenzantragspflicht erforderlichen Kenntnisse<br />

verschafft hat. 47<br />

2. Pflicht zur Unternehmensplanung wegen<br />

Insolvenzreife<br />

Leitungsorgane sollten im eigenen Interesse zur Haftungsvermeidung<br />

bereits vor der Insolvenznähe eine integrierte Unternehmensplanung<br />

einführen, um damit Unternehmenskrisen<br />

frühzeitig zu erkennen und Haftungsrisiken zu vermeiden.<br />

Denn der Übergang von der allgemeinen Sorgfaltspflicht der<br />

Unternehmensleitung zu den zivil- und strafrechtlichen Sanktionen<br />

bei Verletzung der Insolvenzantragspflichten ist<br />

sprunghaft:<br />

Bereits mit der Aufzehr der Hälfte des Stammkapitals (§ 49<br />

Abs. 3 <strong>GmbH</strong>G) bzw. der Hälfte des Grundkapitals (§ 92<br />

Abs.1AktG)steigendieinhaltlichenAnforderungenandie<br />

Unternehmensplanung, da eine laufende Überwachung der<br />

Eigenkapitalsituation erforderlich wird. 39<br />

In Insolvenznähe der Gesellschaft weiten sich die Sorgfaltspflichten<br />

zur Unternehmensplanung für die Leitungsorgane<br />

Haftungssprung Insolvenzreife<br />

Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />

31 Vgl. BGH, Urt. vom 11.12.2006, II ZR 243/05, BB 2007, 283ff.<br />

32 DCGK 4.1.4 erweitert diese Pflichten auf Konzernbeziehungen, vgl. Pfitzer/<br />

Oser/Orth, Deutscher Corporate Governance Kodex, 2. Aufl. 2005, DCGK<br />

4.1.4, 114f.<br />

33 RegBegr KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S.15.<br />

34 Vgl. Groß/Amen WPg 2003, 1161, 1166; einschränkend: MüKo-AktG/<br />

Spindler, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 16f. m.w. N.: Ermessenspielraum für geeignete<br />

Maßnahmen.<br />

35 Vgl. IDW ES 6 vom 01.08.2008, Rn.11, 73.<br />

36 §321 Abs.1 Satz 2 HGB, IDW PS 450 vom 08.12.2005, Rn.32.<br />

37 IDW PS 270 vom 08.03.2006, Rn.9ff.<br />

38 Vgl. dazu ausführlich Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1168).<br />

39 Vgl. MüKo-AktG/Spindler, 3. Aufl. 2008, § 92 Rn. 8; Fleischer, Vorstandsrecht,<br />

2006, §20 Rn.40 m.w.N.<br />

40 BGH, Urt. vom 14.05.2007, II ZR 48/06, BB 2007, 1801 (1803).<br />

41 §15Abs.1Satz1i.V.m.§15aAbs.1Satz1InsO.<br />

42 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.1.111.<br />

43 K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.1.110.<br />

44 Für Geschäftsführer: Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, <strong>GmbH</strong>G, 17. Aufl.<br />

2009, §64 Rn.7, 14.<br />

45 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.11.30ff.;<br />

Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der<br />

<strong>GmbH</strong>, 2005, 126ff.<br />

46 BGH, Urt. vom 16.03.2009, II ZR 280/07, NZG 2009, 550f.<br />

47 BGH, Urt. vom 14.05.2007, II ZR 48/06, BB 2007, 1801 (1802f.).<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 33


Sanierungs- und Insolvenzberatung Haftungssprung Insolvenzreife<br />

Eine entsprechende Haftung trifft gemäß §§ 116, 93 Abs. 3<br />

Nr. 6 AktG auch Aufsichtsräte: Diese müssen aufgrund ihrer<br />

Informations- und Überwachungspflicht darauf hinwirken,<br />

dass Vorstände rechtzeitig Insolvenzantrag stellen. 48 Sie müssen<br />

sich daher ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation<br />

der Gesellschaft verschaffen und insbesondere in einer<br />

Krisensituation alle ihnen nach §90 Abs.3, §111 Abs.2 AktG<br />

zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen. Im<br />

Streitfall müssen Aufsichtsräte gemäß §§116, 93 Abs.2 Satz 2<br />

AktG darlegen und beweisen, dass sie diese Pflichten erfüllt<br />

haben bzw. dass sie an der Nichterfüllung kein Verschulden<br />

trifft. Ohne die Bestimmung konkreter Planungspflichten<br />

und der Implementierung von Überwachungssystemen,<br />

gehen Aufsichtsräte eine hohe Haftungsgefahr ein. 49<br />

Gegenüber den Gläubigern haften Leitungsorgane wegen<br />

Schäden, die aufgrund der verspäteten Insolvenzantragstellung<br />

entstanden sind (§ 15a Abs. 1 InsO i.V. m. §823 Abs. 2<br />

BGB). 50<br />

Schließlich besteht für die Leitungsorgane die Gefahr<br />

einer strafrechtlichen Verantwortung für einen verspäteten<br />

Insolvenzantrag, z. B. wegen Insolvenzverschleppung (§ 15 a<br />

Abs.4, 5 InsO) oder wegen Insolvenzstraftaten (§§283-283d<br />

StGB).<br />

b) Planungspflichten<br />

Die für die Feststellung der Insolvenzgründe notwendigen<br />

Planungsschritte müssen daher den Mindeststandard für<br />

Unternehmensplanung festlegen. Die Ermittlung der Insolvenzgründe<br />

ist überwiegend liquiditätsorientiert und erfordert<br />

Finanzpläne, die sich lediglich in ihrer Fristigkeit der Planung<br />

unterscheiden. 51<br />

aa) Zahlungsunfähigkeit<br />

Zahlungsunfähigkeit liegt gemäß §17 Abs.2 Satz 1 InsO vor,<br />

wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, seine fälligen<br />

Zahlungspflichten zu erfüllen. Lässt sich aus einem zum aktuellen<br />

Zeitpunkt aufgestellten Finanzstatus eine Unterdeckung<br />

ermitteln (Zeitpunktilliquidität), ist mittels eines Finanzplans52<br />

zu ermitteln, ob die Unterdeckung nicht innerhalb<br />

eines Zeitraums von maximal drei Wochen beseitigt werden<br />

kann. 53<br />

Ist das nicht der Fall, muss mittels eines fortgeschrie-<br />

benen Finanzplans ermittelt werden, ob die Unterdeckung<br />

innerhalb von drei Wochen, in Ausnahmefällen in drei bis<br />

maximal sechs Monaten, vollständig beseitigt werden kann<br />

(Zeitraumilliquidität). 54<br />

Der IDW Prüfungsstandard 800<br />

(vom 08.03.2009) fordert für den Finanzplan eine aus einem<br />

Unternehmenskonzept abgeleitete und ausreichend dokumentierte,<br />

integrierte Unternehmensplanung. 55<br />

bb) Drohende Zahlungsunfähigkeit<br />

Ist die Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten, droht<br />

diese aber in absehbarer Zeit, so sind die Mitglieder der Vertretungsorgane56<br />

berechtigt, einen Insolvenzantrag wegen<br />

drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen. 57 Eine drohende<br />

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner »voraussichtlich<br />

nicht mehr in der Lage sein wird, die bestehenden<br />

Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen«<br />

(§18 Abs.2 InsO).<br />

Ausgangspunkt für die Ermittlung der drohenden Zahlungsunfähigkeit<br />

ist ein Finanzplan, in dem die Stichtagsliquidität<br />

im Prüfungszeitpunkt und die gesamte finanzielle Entwick-<br />

34<br />

lung des Schuldnerunternehmens für den Planungszeitraum<br />

dargestellt werden. 58 Das umfasst auch Verbindlichkeiten, die<br />

erst im Planungszeitraum entstehen und fällig werden. 59 Nur<br />

die vollständige Erfassung aller Zahlungsverpflichtungen und<br />

Zahlungseingänge lässt eine Beurteilung zu, ob im Rahmen<br />

der künftigen Liquiditätsentwicklung Zahlungsunfähigkeit<br />

droht. Der Planungszeitraum richtet sich grundsätzlich nach<br />

der spätesten Fälligkeit einer bereits entstandenen Verbindlichkeit.<br />

60 In der Regel wird der Planungszeitraum aber auf<br />

das laufende und das folgende Geschäftsjahr beschränkt<br />

sein. 61 Planannahmen werden dabei insoweit aufgenommen,<br />

soweit sie voraussichtlich, d.h. überwiegend wahrscheinlich62, eintreten.<br />

Die Prüfung umfasst daher sowohl die Prüfung der Zeitpunkt-<br />

als auch der Zeitraumliquidität. Entsprechend zu dem<br />

Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§17 InsO) bleiben<br />

vorübergehende Zahlungsstockungen und ganz geringfügige<br />

Liquiditätslücken außer Betracht. 63 Die Zeitpunktliquidität<br />

lässt sich anhand der gesetzlich geregelten handelsrechtlichen<br />

Rechnungslegungspflichten bestimmen. Die Ermittlung der<br />

Zeitraumliquidität (Finanzplan) ist gesetzlich nicht geregelt.<br />

Drukarczyk legt überzeugend dar, dass der Finanzplan in der<br />

Regel mit Plan Gewinn- und Verlustrechnung und der Plan<br />

Bilanz verknüpft sein, d.h. es sich um eine integrierte Unternehmensplanung<br />

handeln sollte. 64<br />

cc) Überschuldung<br />

Die Fortbestehensprognose der Überschuldungsprüfung<br />

gleicht der Zahlungsfähigkeitsprognose bei drohender Zahlungsunfähigkeit.<br />

65<br />

48 Vgl. im Folgenden BGH, Urt. vom 16.03.2009, II ZR 280/07, NZG 2009,<br />

550 ( 551).<br />

49 So auch Anm. zu BGH, Urt. vom 16. 03. 2009, II ZR 280/07, NZG 2009,<br />

550ff.: Poertzgen NZI 2009, 493ff.; Commandeur/Nienerza NZG 2009, 860.<br />

50 Verschuldensvermutung für Geschäftsführer mit Exkulpationsmöglichkeit,<br />

K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4. Aufl. 2009, Rn. 11.10 u.<br />

11.43; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, <strong>GmbH</strong>G, 17. Aufl. 2009, § 64 Rn. 7,<br />

14u. Anh zu §64, Rn.64; Grigoleit/Rieder, <strong>GmbH</strong>-Recht nach dem MoMiG,<br />

2009, Rn.292.<br />

51 Vgl. IDW PS 800 vom 06.03.20009, Rn.21, Fn.21.<br />

52 Vgl. IDW PS 800, Rn.42ff. und Anhang.<br />

53 Vgl. BGH, Urt. vom 24. 05. 2005, IX ZR 123/04, BB 2005, 1923 ff.;<br />

K.Schmidt/Uhlenbruck/Uhlenbruck, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.12ff.; Pape<br />

WM 2008, 1949 (1951ff.).<br />

54 Vereinfacht dargestellt, zu Details vgl. BGH, Urt. vom 24. 05. 2005, IX ZR<br />

123/04, BB 2005, 1923 ff.; BGH, Urt. vom 12. 10. 2006, IX ZR 228/03,<br />

WM 2006, 2312; BGH, Beschl. vom 19.07.2007, IX ZB 36/07, NZI 2007,<br />

579 (581); IDW PS 800, Rn. 10, 25 ff.; Beweislastverteilung vgl. Pape WM<br />

2008, 1949 (1951ff.).<br />

55 Vgl. IDW PS 800, Rn.21.<br />

56 Unter Beachtung des §18 Abs.3 InsO.<br />

57 §18Abs.1i.V.m.§15Abs.1Satz1InsO.<br />

58 Vgl. MüKo-InsO/Drukarczyk, 2. Aufl. 2007, § 18 Rn. 16: »vollständig, termingenau,<br />

unsaldiert«; ähnlich IDW PS 800, Rn.49.<br />

59 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.114f.; MüKo-InsO/Drukarzcyk,<br />

2. Aufl. 2007, § 18 Rn. 42 f.; str., vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K. Schmidt,<br />

<strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.47 m.w.N.<br />

60 Vgl. IDW PS 800, Rn.51.<br />

61 Vgl. IDW PS 800, Rn.51.<br />

62 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.115.<br />

63 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.114.<br />

64 Vgl. MüKo-InsO/Drukarczyk, 2. Aufl. 2007, § 18 Rn. 16 ff.; IDW PS 800,<br />

Rn.50i.V.m.IDWES6,Rn.122ff.<br />

65 Vgl. MüKo-InsO/Drukarczyk, 2. Aufl. 2007, § 18 Rn. 52 ff.; IDW PS 800,<br />

Rn.50.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


Die Überschuldungsprüfung gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO<br />

bedarf sowohl in der Fassung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes66<br />

als auch in der voraussichtlich ab dem 01.01.2014<br />

geltenden Fassung67 in der ersten Stufe einer Fortbestehensprognose.<br />

Dafür ist aus einem Unternehmenskonzept eine<br />

Unternehmensplanung abzuleiten. 68 Die Fortbestehensprognose<br />

ist positiv, wenn im Planungszeitraum (laufendes und<br />

folgendes Geschäftsjahr69) die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens<br />

überwiegend wahrscheinlich gesichert ist. 70<br />

Ist die Fortbestehensprognose positiv, liegt nach der aktuell<br />

geltenden Fassung des § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO keine Überschuldung<br />

vor; ein Überschuldungsstatus muss nicht erstellt<br />

werden. Nach der voraussichtlich ab dem 01.01.2014 geltenden<br />

Fassung (s.o.) ist in diesem Fall ein Überschuldungsstatus<br />

zu Fortführungswerten aufzustellen.<br />

Ist die Fortbestehensprognose negativ, ist in beiden Fassungen<br />

ein Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten aufzustellen.<br />

Eine Überschuldung liegt jeweils dann vor, wenn die Verbindlichkeiten<br />

die Vermögenswerte übersteigen.<br />

Der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit<br />

behält daher nur in den Fällen eine eigene Bedeutung, in<br />

denen die Finanzierung für das laufende und das folgende<br />

Geschäftsjahr zwar nicht sichergestellt ist, bei Erstellung des<br />

Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten aber noch kein<br />

negatives Eigenkapital vorliegt. 71<br />

3. Haftung für verfrühte Insolvenzantragstellung<br />

gegenüber der Gesellschaft<br />

Die Leitungsorgane einer Gesellschaft sehen sich darüber<br />

hinaus bei Vorliegen drohender Zahlungsunfähigkeit gemäß<br />

§ 18 InsO regelmäßig dem Konflikt zwischen der Verletzung<br />

der Sanierungspflicht (§43 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G bzw. §91 Abs.2,<br />

§ 93 Abs. 1 AktG) einerseits und der Insolvenzantragspflicht<br />

(§ 15 a InsO) andererseits ausgesetzt. 72 Die Sanierungspflicht<br />

gibt den Leitungsorganen auf, alle möglichen Sanierungsmaßnahmen<br />

zu erörtern und gegebenenfalls umzusetzen. Das<br />

setzt jedoch eine Unternehmensplanung voraus. Geschäftsführer<br />

einer <strong>GmbH</strong> haben bei der Entscheidung außerdem<br />

die Gesellschafter einzubinden. 73<br />

Schließlich obliegt dem Schuldner aufgrund der Beweislastregel<br />

des § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO zum Insolvenztatbestand der<br />

Überschuldung der Nachweis, dass die Fortbestehensprognose<br />

positiv ist. Ohne geeignete Unternehmensplanung<br />

kann der Schuldner diesen Nachweis in der Regel nicht<br />

erbringen. Damit besteht zum einen tendenziell die Gefahr,<br />

dass der Schuldner zu früh Insolvenz wegen Überschuldung<br />

anmeldet bzw. bei Gläubigerantrag die positive Fortbeste-<br />

hensprognose nicht darlegen kann. 74<br />

Neben potenziellen<br />

Schadensersatzansprüchen gegenüber Gesellschaft und Gläubigern<br />

besteht zum anderen die Gefahr der Strafbarkeit durch<br />

»nicht richtiges« Stellen eines Insolvenzantrags gemäß § 15 a<br />

Abs.4 InsO.<br />

4. Fazit<br />

Leitungsorgane sind aufgrund ihrer Leitungsfunktion und<br />

Geschäftsführung verpflichtet, durch Planung die Finanzierung<br />

der Gesellschaft sicherzustellen; Art und Umfang der<br />

Planung ist gesetzlich nicht definiert. Im Unternehmensinte-<br />

Haftungssprung Insolvenzreife<br />

Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />

resse ist dem Leitungsorgan eine möglichst vorausschauende<br />

Planung auferlegt, um seiner Pflicht zur Schadensvermeidung<br />

und Gewinnmaximierung zu genügen. Mangels faktischer<br />

Durchsetzung von Ansprüchen gegen Vorstände wegen unzureichender<br />

Unternehmensplanung im Vorfeld der Insolvenz,<br />

fehlt es in der Praxis oftmals an ausreichenden Planungsinstrumenten.<br />

Dadurch wird die Aufsichtsmöglichkeit der Aufsichtsräte<br />

erheblich eingeschränkt. Die Einrichtung einer<br />

integrierten Unternehmensplanung kostet in Insolvenznähe<br />

wertvolle Zeit. Ab Insolvenzreife ergibt sich für die Leitungsorgane<br />

und Aufsichtsräte ein faktischer Haftungssprung.<br />

III. Maßnahmen<br />

Die Sanierungshemmnisse der unzureichenden Unternehmensplanung<br />

und damit zusammenhängend der faktische<br />

Haftungssprung sowie späte Insolvenzanträge können durch<br />

zwei Maßnahmen eingedämmt werden: Erstens müssen die<br />

Anforderungen an die Pflicht zur Unternehmensplanung<br />

konkretisiert werden (1.). Zweitens sollte der Insolvenzgrund<br />

der drohenden Zahlungsunfähigkeit als Sanierungsoption<br />

wahrgenommen werden (2.).<br />

1. Integrierte Unternehmensplanung als<br />

Pflichtenmaßstab<br />

Der Maßstab für die Pflicht zur Unternehmensplanung für<br />

Vorstände und Geschäftsführer richtet sich nach der objektivierten<br />

»Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften<br />

Geschäftsleiters« (§93 Abs.1 Satz 1 AktG, ähnlich §42 Abs.1<br />

<strong>GmbH</strong>G). Aufgrund seiner einem Treuhänder für fremde<br />

Vermögensinteresse entsprechenden Stellung, obliegt ihm<br />

eine erhöhte Sorgfaltspflicht. 75 Bereits vor Insolvenznähe liegt<br />

es im Interesse der Gesellschaft und insbesondere auch der<br />

Aufsichtsräte, den Sorgfaltsmaßstab für Unternehmensplanung<br />

– bezogen auf die Besonderheiten des Unternehmens –<br />

festzulegen und Abweichungen auch tatsächlich zu sanktionieren.<br />

Mindestmaß einer Planung ist daher wie gezeigt (s.o.) in<br />

jedem Fall das laufende und das darauf folgende Geschäftsjahr,<br />

damit das Vorliegen von Insolvenzgründen und die<br />

going-concern Prämisse geprüft werden kann. Ab relevanter<br />

Unternehmensgröße wird auch für Vorstände und Geschäftsführer<br />

nur eine integrierte Unternehmensplanung, die den<br />

Grundsätzen ordnungsgemäßer Planung entspricht, dem für<br />

sie geltenden Sorgfaltsmaßstab gerecht. 76 Diesen Standard<br />

haben Wirtschaftsprüfer zu beachten, die Sanierungskon-<br />

66 Art.6Abs.2Satz2FMStG.<br />

67 Vgl. Art.6 Abs.2 i.V.m. Art.7 Abs.2 FMStG i.V.m. Gesetz zur Erleichterung<br />

der Sanierung von Unternehmen v. 24.09.2009, BGBl.I 2009, S.3151.<br />

68 Vgl. BGH, Beschl. vom 09. 10. 2006, II ZR 303/05, BB 2007, 125; IDW<br />

ES 6, Rn.72, IDW FAR 1/1996, S.20f.<br />

69 Vgl. IDW ES 6, Rn.72 i.V.m. IDW FAR 1/1996, S.21.<br />

70 Vgl. BGH, Beschl. vom 09. 10. 2006, II ZR 303/05, BB 2007, 125; IDW<br />

ES 6, Rn.72 i.V.m. IDW FAR 1/1996, S.20f.<br />

71 Vgl. zu den Fallgestaltungen MüKo-InsO/Drukarczyk, 2. Aufl. 2007, § 18<br />

Rn.52ff.<br />

72 Vgl. Gottwald/Uhlenbruck, Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl. 2006, § 8<br />

Rn.26.<br />

73 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.50.<br />

74 Zur Darlegungs- und Beweislast bei Zahlungsunfähigkeit: Pape WM 2008,<br />

1949 (1954).<br />

75 Vgl. MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl. 2008, §93 Rn.24 m.w.N.<br />

76 Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1169 f.); siehe auch K.Schmidt/Uhlenbruck/<br />

Wellensiek/Schluck-Amend, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.1.85ff. m.w.N.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 35


Sanierungs- und Insolvenzberatung Haftungssprung Insolvenzreife<br />

zepte zu erstellen und darin das Vorliegen von Insolvenzgründen<br />

oder going concern Annahmen zu prüfen haben. 77 Entsprechende<br />

Anforderung gilt dann auch für ein durch das Leitungsorgan<br />

erstelltes Sanierungskonzept, das durch einen<br />

Wirtschaftsprüfer plausibilisiert werden soll.<br />

Die Planung muss darauf ausgerichtet sein, Vorständen und<br />

Geschäftsführern die vorausschauende Unternehmensleitung<br />

zu ermöglichen, um Handlungsbedarf frühzeitig zu erkennen<br />

(a). Nur die integrierte Unternehmensplanung bietet dabei<br />

ein Planungs- und Controllinginstrument, das sich mit der<br />

Rechnungslegung abstimmen lässt, das in sich konsistent ist<br />

und das die relevanten Informationen abbilden kann (b). Die<br />

Grundsätze ordnungsgemäßer Planung sollen dabei sicherstellen,<br />

dass ein zieladäquates und für Dritte nachvollziehbaresErgebniserreichtwird(c).<br />

a) Ziele der Planung<br />

Planung ist essenzieller Bestandteil für die Unternehmensleitung.<br />

Ziele der Planung sind erstens eine möglichst genaue<br />

Vorhersage der zukünftig möglichen Leistungserbringung<br />

und des damit zusammenhängenden Finanz-, Personal-,<br />

Sachmittel- und Investitionsbedarfs. Durch Sensitivitätsanalysen<br />

lässt sich die Belastbarkeit der Planung ermitteln,<br />

anhand von Plan-Szenarien können alternative Handlungswege<br />

durchdacht werden. 78 Zweitens können aus der Planung<br />

bereits im Vorfeld mögliche Effekte aus RestrukturierungsmaßnahmeninderPlanungberücksichtigtwerden.Nurso<br />

lässt sich rechtzeitig Handlungs- oder Korrekturbedarf erkennen.<br />

Drittens kann im Zeitablauf durch regelmäßig durchgeführte<br />

Plan-/Ist-Abweichungsanalysen weiterer Handlungsbedarf<br />

ermittelt werden. 79 Viertens schließlich dient die Planung<br />

auch als notwendiges Informationspotenzial gegenüber<br />

Investoren oder Banken, um Zugang zu neuen oder eine Verbesserung<br />

bestehender Finanzierungen zu erhalten (§ 18<br />

Abs.1 KWG, Rating, Konditionen).<br />

b) Aufbau und Vorteile einer integrierten<br />

Unternehmensplanung<br />

Ausgangspunkt der integrierten Unternehmensplanung ist<br />

die langfristige strategische Ausrichtung des Unternehmens<br />

(Unternehmenskonzept), aus dem kurz- und mittelfristige<br />

Teilpläne (Absatzplanung, Investitionsplanung, Personalkostenplanung<br />

usw.) 80 abgeleitet werden. Die Teilpläne werden<br />

anschließend in die Erfolgs-, Vermögens und Liquiditätspla-<br />

nung übergeleitet, 81<br />

d. h. »integriert«. 82<br />

Dabei werden die<br />

geplanten Aufwendungen und Erträge aus den Teilplänen<br />

zunächst betragsmäßig auf den jeweiligen Zeitpunkt im<br />

Betrachtungszeitraum der Plan Gewinn- und Verlustrechnung<br />

zugeordnet. 83 Darauf aufbauend wird die Finanz- und<br />

die Vermögensplanung entwickelt.<br />

Nur wenn alle wesentlichen wechselseitigen Auswirkungen<br />

der jeweiligen Planungsteile in die Planung einbezogen werden,<br />

lässt sich ein verlässliches und zieladäquates Ergebnis<br />

erzielen. Die Plangeschäfte und -annahmen sind im Planungssystem<br />

so abzubilden wie Ist-Geschäftsvorfälle, d. h.<br />

nach dem Prinzip der doppelten kaufmännischen Buchführung.<br />

Der jeweilige Detaillierungsgrad sowie die Organisation<br />

und Intensität der Planung hängen von der Unternehmensgröße,<br />

der Komplexität und dem Grad der Bestandsgefährdung<br />

ab. 84<br />

36<br />

aa) Aufsatzpunkt<br />

Die Planungsrechnung sollte möglichst auf einer geprüften<br />

Bilanz aufsetzen, die Vermögen und Schulden mit hinreichender<br />

Genauigkeit und Verlässlichkeit darstellt. Oftmals<br />

liegen zu Beginn des Planungszeitraums keine aktuellen<br />

geprüftenZahlenvor,sodassvorhandeneAbschlusszahlenauf<br />

den jeweiligen Beginn des Planungszeitraums fortgeschrieben<br />

werden müssen.<br />

bb) Unternehmenskonzept und Teilpläne<br />

Zunächst sind aus dem Unternehmenskonzept jeweils aufeinander<br />

abgestimmte Teilpläne abzuleiten, die über die Ergebnisplanung<br />

in der Vermögens- und Finanzplanung münden.<br />

Eine Planung ist allerdings nur dann integriert, wenn die Planungsprämissen<br />

für die Ermittlung der Teilpläne konsistent<br />

sind und die Kapazitätsrestriktionen in den Teilplänen eingehalten<br />

werden. 85 Die kritischen Planprämissen (z.B. Entwicklung<br />

der Rohstoffpreise) sind hervorzuheben. 86<br />

Der kurzfristige Zeithorizont, in der Regel das laufende und<br />

das folgende Geschäftsjahr, ist zwingend (s.o.) und wird in der<br />

Regel auf Monatsbasis abgebildet. Darüber hinaus genügt<br />

aber nur ein zusätzlicher mittelfristiger Planungshorizont<br />

(zwei bis drei Jahre, Abbildung in der Regel zu Quartals- oder<br />

Jahreswerten) dem entscheidenden Informationsbedürfnis<br />

der Unternehmensleitung gegenüber den Eigen- und Fremdkapitalgebern:<br />

Kann das Unternehmen unter Verfolgung<br />

einer langfristigen Strategie im mittelfristigen Planungszeitraum<br />

die für das Eigenkapital geforderte Rendite erzielen?<br />

Deutlich wird das auch durch IDW ES 6: Die Sanierungsfähigkeit<br />

eines Unternehmens setzt neben der Überwindung<br />

der verschiedenen Krisenstadien voraus, dass das Unternehmen<br />

anschließend mindestens eine nachhaltige durchschnittliche<br />

branchenübliche Umsatzrendite und Eigenkapitalquote<br />

aufweist (Leitbild des sanierten Unternehmens). 87 Dieses Ziel<br />

sollte auch ein sorgfältig handelndes Leitungsorgan anstre-<br />

und durch Planung belegen können.<br />

ben 88<br />

77 Vgl. IDW ES 6, Rn. 2-5, Rn.122ff.<br />

78 Vgl. IDW ES 6, Rn.124.<br />

79 Vgl. Informationspflicht gem. §90 Abs.1 Satz 1 Nr.1 AktG sowie Hinweis in<br />

IDW ES 6, Rn.127.<br />

80 IDW ES 6, Rn.122; ähnlich §90 Abs.1 Satz 1 Nr.1 AktG; MüKo-InsO/Drukarczyk,<br />

2.Aufl. 2007, §18 Rn.16, 20f.<br />

81 Dieses Vorgehen entspricht: § 229 InsO für den Insolvenzplan (IDW S 2<br />

vom 10.02.2000, Rn.15); BGH, Beschl. vom 09.10.2006, II ZR 303/05, BB<br />

2007, 125 für die Fortbestehensprognose bei der Überschuldungsprüfung<br />

gem. § 19 Abs. 2 InsO; IDW ES 6, Rn. 122 ff. für Sanierungskonzepte und<br />

Fortbestehens-/Fortführungsprognosen (ebd., Rn. 2-5) sowie IDW PS 800,<br />

Rn. 21 für die Prüfung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit, s. dazu auch<br />

MüKo-InsO/Drukarczyk, 2.Aufl. 2007, §18 Rn.16.<br />

82 Vgl. Chmielewicz, Integrierte Finanz- und Erfolgsplanung – Versuch einer<br />

dynamischen Mehrperiodenplanung, 1972, S.42ff.<br />

83 Zur Abbildung der Gesamtplanung/Planungsrechnung vgl. Perridon/Steiner,<br />

Finanzwirtschaft der Unternehmung, 9.Aufl. 1997, S.625.<br />

84 Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1170).<br />

85 Vgl. Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1175).<br />

86 IDW ES 6, Rn.123.<br />

87 IDW ES 6, Rn.77ff.; ähnlich IDW S 2, Rn.28 für Insolvenzpläne: »nachhaltige<br />

Einnahmeüberschüsse erwirtschaften und finanzielles Gleichgewicht<br />

sichern«.<br />

88 Vgl. MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl. 2008, §76 Rn.73f.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


cc) Plan Gewinn- und Verlustrechnung<br />

(Ergebnisplan) 89<br />

In dem Ergebnisplan werden die Umsätze, Aufwendungen<br />

und Erträge entsprechend den verschiedenen Teilplänen fortgeschrieben.<br />

Ausgangspunkt kann z.B. die um außerordentliche<br />

Geschäfte (Einmalaufwendungen und -erträge) bereinigte<br />

Gewinn- und Verlustrechnung der Vergangenheit (normalisierter<br />

Ergebnisplan) sein. Eine Fortschreibung erfolgt dann<br />

unter Berücksichtigung der Restriktionen, Planprämissen<br />

und der (erwarteten) Saisonalisierung. Durch den Ergebnisplan<br />

lässt sich die Veränderung des Eigenkapitalbestands ohne<br />

Außenfinanzierungsmaßnahmen ablesen. Gleichzeitig dient<br />

das so ermittelte Periodenergebnis als Ausgangspunkt für die<br />

Berechnung des Periodencashflows (Liquiditätsplan).<br />

dd) Plan Bilanz (Vermögensplan)<br />

Die Ist-Bilanz (Aufsatzpunkt) stellt die Basis für den Vermögensplan<br />

dar. Durch den Finanz- und den Ergebnisplan wird<br />

diese Ist-Bilanz fortgeschrieben. Die Veränderung des Liquiditätsbestandes<br />

ergibt sich aus dem Cashflow, die Veränderung<br />

des Eigenkapitalbestandes (ohne Außenfinanzierungsmaßnahmen)<br />

ergibt sich aus dem Jahresergebnis im Ergebnisplan.<br />

ee) Plan Cashflow (Liquiditäts- bzw. Finanzplan)<br />

Der Liquiditätsplan zeigt die Veränderung des Liquiditätsbestandes<br />

in den einzelnen Planungsperioden. Dabei muss der<br />

Finanzmittelbestand am Anfang der Periode (Bilanz der Vorperiode)<br />

addiert mit dem Cashflow der Periode den Finanzmittelbestand<br />

am Ende der Periode in der Bilanz ergeben.<br />

Durch diese Darstellung lassen sich die jeweiligen Tiefst- und<br />

Höchststände der verfügbaren Finanzmittel in den jeweiligen<br />

Planungsperioden ablesen.<br />

Haftungssprung Insolvenzreife<br />

ff) Sanierungsmaßnahmen im Planansatz<br />

Auch die Auswirkungen der Sanierungsmaßnahmen auf die<br />

integrierte Sanierungsplanung eines Sanierungskonzeptes<br />

sind zu integrieren. 90 In der Praxis bedeutet dies zunächst eine<br />

Ermittlung aller Maßnahmen, die Auswirkungen auf die<br />

Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und den Cashflow der<br />

Gesellschaft haben. Anschließend sind die Maßnahmen einzeln<br />

daraufhin zu untersuchen, welche Positionen sie in der<br />

integrierten Planung jeweils betreffen. Dabei bedarf es sowohl<br />

einer zeitlichen als auch einer betragsmäßigen Zuordnung.<br />

Die Vielfalt für Restrukturierungsmaßnahmen ist groß und<br />

lässt sich grob einteilen in: Kapitalmaßnahmen (Aufnahme<br />

von Fremd- oder Eigenkapital), Restrukturierungsmaßnahmen<br />

zur Liquiditätssicherung (z.B. Veräußerung von Vermögensgegenständen,<br />

Factoring) sowie Restrukturierungsmaßnahmen<br />

zur Ertragsverbesserung (z.B. Schließung von Teilbetrieben).<br />

Verspätete Insolvenzanträge gehen oft darauf zurück, dass<br />

Sanierungsmaßnahmen entweder erst bei »objektiver« Aussichtslosigkeit<br />

geplant und durchgeführt werden oder zwar<br />

rechtzeitig geplant, aber die Pläne nicht durchgeführt werden.<br />

Das liegt daran, dass das Ermessen der Unternehmensleitung<br />

(s.o. Business Judgement Rule 91)<br />

nur eingeschränkt überprüfbarist.InderPraxisistdaherderSpielraumfürdiePlanung<br />

von Sanierungsmaßnahmen bisher groß. Hier liegt es an den<br />

Kapitalgebern und Anteilseignern, die bestehenden Kontrollmöglichkeiten<br />

besser zu nutzen und tatsächlich durchzuset-<br />

Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />

zen. Kapitalgeber sollten daher auf eine möglichst präzise<br />

Dokumentation der geplanten Maßnahmen achten. Außerdem<br />

sollte begleitend zu den jeweiligen Maßnahmen ein<br />

Umsetzungsplan erstellt werden, in dem die verschiedenen<br />

Aufgaben auch entsprechend verantwortlichen Personen<br />

zugeteilt sind (»controllingfähiger Maßnahmenkatalog«) 92.<br />

Im Ergebnis entstehen mit zunehmender Insolvenznähe weitere<br />

Anforderungen an die Ausübung des Ermessens der<br />

Unternehmensführung. Dies betrifft die Anforderungen an<br />

die Dokumentation, die Publizität und die Überprüfung der<br />

Entscheidungen. Eine Ermessensentscheidung kann nur<br />

dann getroffen werden, wenn die notwendige Entscheidungsgrundlage<br />

in Form einer integrierten Unternehmensplanung<br />

vorliegt. Gerade Kredit- und Kapitalgeber sollten bei der Vergabe<br />

von neuem Kapital auf diesen Punkt Wert legen und auf<br />

vertragliche Default-Regelungen und Control-Rechte drängen.<br />

gg) Planung Insolvenzszenario<br />

(Insolvenzplanverfahren)<br />

Bestehen Zweifel an der going-concern Annahme (ist z. B.<br />

eine drohende bilanzielle Überschuldung im laufenden oder<br />

folgenden Geschäftsjahr voraussichtlich nicht durch Restrukturierungsmaßnahmen<br />

zu beheben) bzw. liegt bereits eine<br />

drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß §18 InsO vor, so sollten<br />

die Leitungsorgane ein Insolvenzszenario für die Unternehmensplanung<br />

vorbereiten. 93 Nur so kann eine Insolvenz<br />

ohne unnötige Reibungsverluste z.B. durch einen Eigeninsolvenzantrag<br />

mit pre-packaged Insolvenzplan und Antrag auf<br />

Eigenverwaltung rechtzeitig eingereicht werden. In Insolvenznähe<br />

bzw. bei drohender Zahlungsunfähigkeit, sollten Leitungsorgane<br />

ein Insolvenzplanszenario in die Planung aufnehmen(dazus.III.2.).<br />

In der Unternehmensplanung sind die Besonderheiten des<br />

vorläufigen Insolvenzverfahrens, des Insolvenzplanverfahrens<br />

und nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen.<br />

Insbesondere die Effekte aus einer beabsichtigten Vorfinanzierung<br />

von Insolvenzgeld für die Arbeitnehmer, des<br />

geänderten Zahlungsverhaltens der Kunden und gegenüber<br />

Lieferanten, der Insolvenzkosten, der Begleichung der Masseverbindlichkeiten<br />

vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens<br />

(§258 Abs.2 InsO), der quotalen Befriedigung der Gläubiger<br />

sind jeweils in die einzelnen Auswirkungen auf die Ertrags-,<br />

Finanz- und Vermögensplanung aufzugliedern und zu integrieren.<br />

Im Ergebnis kann nur durch Berücksichtigung aller<br />

Effekte in einem integrierten Planungssystem eine verlässliche<br />

Entscheidungsgrundlage für Leitungsorgane, (vorläufigen)<br />

Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter und Investoren<br />

geschaffen werden.<br />

hh) Vorteile<br />

Die integrierte Unternehmensplanung knüpft an die Rechnungslegung<br />

und das darin geltende in sich geschlossene System<br />

zwischen Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie<br />

89 Vgl. im Folgenden Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1175f.).<br />

90 Vgl. IDW ES 6, Rn.116ff.<br />

91 Vgl.§93Abs.1Satz2AktG.<br />

92 Vgl. IDW ES 6, Rn.119.<br />

93 Vgl. auch Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1170).<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 37


Sanierungs- und Insolvenzberatung Haftungssprung Insolvenzreife<br />

Cashflowrechnung an. 94 Diese Anknüpfung führt dazu, dass<br />

Vergangenheitsdaten mit Zukunftsdaten verglichen (notwendig<br />

für Plan-/Ist-Abweichungen) bzw. übergeleitet werden<br />

können. Für die begleitende interne Unternehmensüberwachung,<br />

etwa durch Aufsichtsräte und Beiräte kann die integrierte<br />

Unternehmensplanung damit eine zentrale Informationsgrundlage<br />

bieten, die neben der zukunftsorientierten<br />

Planung und Überwachung auch den Abgleich zwischen<br />

Planszenarien und in der Folge tatsächlich eingetretenem Verlauf<br />

erleichtert. Mit der Anknüpfung an die Rechnungslegung<br />

lassen sich, nebenbei, im Sinne effizienter Unternehmensführung,<br />

die zusätzlichen Kosten eingrenzen. Außerdem können<br />

bei rollierenden Planungen die Abweichungen zwischen den<br />

zeitlich verschiedenen Planungen übergeleitet werden. Auch<br />

daraus ergeben sich wertvolle Informationen zur verbesserten<br />

Planung.<br />

Darüber hinaus lässt sich die integrierte Unternehmensplanung<br />

modular aufbauen. Dementsprechend kann eine<br />

Grundplanung um zusätzliche Maßnahmen, verschiedene<br />

Szenarien und gegebenenfalls auch um Insolvenzeffekte<br />

erweitert werden.<br />

Schließlich kann mittels einer integrierten Unternehmensplanung<br />

den in Teil II. beschriebenen Pflichten zur Unternehmensplanung<br />

entsprochen werden. Beispielsweise kann eine<br />

drohende bilanzielle Überschuldung (going-concern) im<br />

Vermögensplan, Liquiditätsengpässe können im Liquiditätsplan<br />

abhängig vom Planungszeitraum frühzeitig erkannt werden.<br />

c) Grundsätze ordnungsmäßiger<br />

Unternehmensplanung<br />

Eine integrierte Unternehmensplanung muss den Grundsätzen<br />

ordnungsmäßiger Unternehmensplanung Vollständigkeit,<br />

Wesentlichkeit, Folgerichtigkeit und Dokumentati-<br />

on 95<br />

entsprechen: Durch eine vollständige Berücksichtigung<br />

aller planungsrelevanten Umstände soll der praktische Nutzen<br />

der Planung und deren Aussagekraft gesichert werden. Damit<br />

die Komplexität der Planung reduziert werden kann, sollen<br />

nur wesentliche Sachverhalte in die Planung einbezogen werden.<br />

Alle Planungsschritte und -bestandteile müssen rechnerisch<br />

und sachlich richtig und in sich konsistent, d. h. folgerichtig<br />

sein. Schließlich dient die Dokumentation der Planung<br />

dazu, die Planung für Dritte nachvollziehbar zu machen<br />

und Haftungsgefahren für die Leitungs- und Aufsichtsorgane<br />

zu vermeiden.<br />

2. Sanierungsoption bei drohender<br />

Zahlungsunfähigkeit<br />

a) Sanierungsoption<br />

Bei drohender Zahlungsunfähigkeit besteht für die Leitungsorgane<br />

eine Sanierungsoption in Form eines vorbereiteten<br />

Insolvenzplanverfahrens mit dem Antrag auf Eigenverwaltung.<br />

Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung hat mit dem<br />

Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18<br />

InsO) in Verbindung mit dem Insolvenzplanverfahren ein an<br />

das US-amerikanische Chapter-11 Verfahren angelehntes<br />

Instrumentarium bereitgestellt. Es sollte eine Möglichkeit für<br />

frühere Insolvenzanträge geschaffen werden. 96 Bereits vor<br />

dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sollen verfahrensrecht-<br />

38<br />

liche Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. 97 Mit<br />

der Ausgestaltung als alleiniges Recht des Schuldners sollte<br />

verhindert werden, dass Gläubiger den Schuldner mit Insolvenzanträgen<br />

unter Druck setzen können. Bemühungen um<br />

außergerichtliche Sanierungen sollen in diesem Stadium nicht<br />

verhindert werden. 98<br />

Durch die frühere Insolvenzauslösung sollen – soweit möglich<br />

– Sanierungen des Rechtsträgers (bzw. des Unternehmens)<br />

erleichtert werden. Der Sanierungsgedanke der Insolvenzordnung<br />

wird in §1 Satz 1 InsO erwähnt. Demnach können<br />

in einem Insolvenzplan von der Verwertung abweichende<br />

Regelungen zum Erhalt des Unternehmens getroffen werden.<br />

In Verbindung mit der Eigenverwaltung (§§270ff. InsO) soll<br />

ein Anreiz für die Schuldner gesetzt werden, Insolvenzen früh,<br />

d. h. bereits bei Vorliegen der noch nicht eingetretenen, aber<br />

nach vernünftiger Einschätzung nicht mehr abzuwendenden<br />

Zahlungsunfähigkeit, auszulösen. 99<br />

Durchgesetzt hat sich der Insolvenzgrund in der Praxis bisher<br />

nicht. Das liegt sicherlich zum einen an der schlechten Unternehmensplanung<br />

– die drohende Zahlungsunfähigkeit wird<br />

nicht erkannt – und zum anderen an den in der Literatur<br />

erkannten Hindernissen und Risiken u.a. des Insolvenzplanverfahrens<br />

unter Eigenverwaltung sowie strafrechtlicher Tat-<br />

bestände. 100<br />

Der Gesetzgeber könnte diese Sanierungsbarrie-<br />

ren aber beseitigen. Dann böte §18 InsO verbunden mit dem<br />

Insolvenzplanverfahren unter Eigenverwaltung eine geeignete<br />

Möglichkeit zur Begründung rechtzeitiger Insolvenzanträge<br />

im Interesse der Gesellschaft und der Gläubiger.<br />

b) Insolvenzantragspflicht<br />

Sind bei drohender, aber noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit<br />

und Überschuldung, offensichtlich keine<br />

Restrukturierungsmaßnahmen mehr absehbar, mittels derer<br />

der spätere Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vermieden werdenkönnte,bestehtdiePflichtfürdieLeitungsorgane,einen<br />

Insolvenzantrag zu stellen, um den weiteren Verzehr von Haftungsvermögen<br />

aufzuhalten. Diese Pflicht lässt sich zwanglos<br />

aus der Verantwortung der Leitungsorgane gegenüber der<br />

Gesellschaft, genauer aus deren Pflicht im Interesse der<br />

Gesellschaft zu handeln (§43 <strong>GmbH</strong>G, §93 AktG), ableiten.<br />

Da es hier um die Situation geht, in der weder Zahlungsunfähigkeit<br />

noch Überschuldung vorliegen, besteht die Pflicht<br />

auch primär gegenüber der Gesellschaft und Sanktionen können<br />

nur intern durch die Gesellschaft geltend gemacht wer-<br />

Gläubiger hingegen sollen vor Eintritt der Zahlungs-<br />

den. 101<br />

94 Vgl. MüKo-InsO/Drukarczyk, 2.Aufl. 2007, §18 Rn.16.<br />

95 Vgl. im Folgenden Groß/Amen WPg 2003, 1161, 1176f.; a.A. Fleischer, Vorstandsrecht,<br />

2006, § 7 Rn. 36, der eine Rechtsverbindlichkeit dieser Grundsätze<br />

ablehnt.<br />

96 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.81 (84, 86); zu den Vorentwürfen<br />

s. MüKo-InsO/Drukarczyk, 2.Aufl. 2007, §18 Rn.4ff.<br />

97 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.114.<br />

98 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.114f.<br />

99 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 86; K.Schmidt/Uhlenbruck/<br />

K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4. Aufl. 2009, Rn. 1.110: »Aufruf zur selbstverantwortlichen<br />

Sanierungsprüfung«.<br />

100Vgl.dazuausführlich:K.Schmidt/Uhlenbruck/Uhlenbruck, <strong>GmbH</strong>,4.Aufl.<br />

2009, Rn. 5.49 m. w. N.; Uhlenbruck/Vallender NZI 2009, 1 (4-7); Vallender<br />

NZI 2007, 129 (136f.); Eidenmüller/Engert ZIP 2009, 541ff..<br />

101 »Interne Sanierungspflicht«, vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/Uhlenbruck,<strong>GmbH</strong>,<br />

4.Aufl. 2009, Rn.5.99 m.w.N.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009


unfähigkeit oder Überschuldung keine Insolvenz auslösen<br />

können, damit die Möglichkeit zu Sanierungsmaßnahmen im<br />

Vorfeld einer allfälligen Insolvenz gewahrt bleibt. 102 Stehen<br />

Maßnahmen nicht mehr in Aussicht, so sprechen trotzdem<br />

Gedanken der Publizität dafür, es bei einer internen Pflicht zu<br />

belassen.<br />

Die zugegebenermaßen schwierige Feststellung, ob tatsächlich<br />

nicht ausreichend Sanierungsmaßnahmen vorliegen und<br />

keine Alternativen bestehen, lässt sich entsprechend der<br />

Grundsätze der Business Judgement Rule lösen. Damit obläge<br />

den Leitungsorganen nicht der Nachweis, dass sie alle erdenklichen<br />

Maßnahmen versucht haben. Vielmehr müssten sie<br />

im Rahmen der konkreten Sanierungsverhandlungen auf<br />

Grundlage sorgfältig ausgewählter und dokumentierter Information<br />

zu dem Entschluss gelangen, dass die Sanierung überwiegend<br />

wahrscheinlich nicht erfolgreich sein wird.<br />

Einzelfragen sowohl der Haftung der Beteiligten als auch der<br />

Schadensbemessung sollen an dieser Stelle nur angedeutet<br />

werden, zumal sich hier die Rechtslage zwischen <strong>GmbH</strong> und<br />

AG unterscheidet: Soweit ein Insolvenzantrag der Billigung<br />

durch die Anteilseigner (Gesellschafter 103 oder Hauptversammlung104)<br />

bedarf, müssten diese aus Gesellschafts- und<br />

Gläubigerschutzgründen den vorgeschlagenen Insolvenzantrag<br />

billigen. 105 Da der rechtzeitige Insolvenzantrag im Interesse<br />

der Gesellschaft liegt, haben deren Anteilseigner über<br />

den Insolvenzantrag abzustimmen. Stimmen diese dem Insolvenzantrag<br />

nicht zu, wird das Leitungsorgan im InnenverhältnisregelmäßigvonderHaftungbefreitsein(vgl.§93Abs.4<br />

Satz 1 AktG), allerdings nur solange, wie nicht Insolvenzreife<br />

eintritt.DasLeitungsorgankanndannseinAmtniederlegen–<br />

dadurch verlagert sich die Gefahr des rechtzeitigen Insolvenzantrags<br />

entsprechend §15a Abs.3 InsO auf die Gesellschafter<br />

bzw. die Aufsichtsräte – oder, wenn keine Maßnahmen<br />

ersichtlich und zudem eine Überschuldung nicht mehr ausgeschlossen<br />

werden kann, entgegen der Weisung Insolvenzantrag<br />

gemäß § 18 InsO stellen. 106 Soweit Vorstände keine verbindliche<br />

Entscheidung gemäß § 119 Abs. 2 AktG verlangt<br />

haben, müssen sie Insolvenzantrag gemäß §18 InsO stellen.<br />

Problematisch und an diesem Punkt zu weitgehend ist die<br />

eventuelle Haftungsbegründung der <strong>GmbH</strong>-Gesellschafter<br />

vor Eintritt der Insolvenzreife, wenn sie die Billigung zum<br />

Insolvenzantrag verweigern. Anhaltspunkt kann ein aus ihrer<br />

Treuepflicht 107 gegenüber der Gesellschaft abgeleiteter Schadensersatzanspruch<br />

der Gesellschaft sein.<br />

Der Schaden, der durch einen pflichtwidrig nicht gestellten<br />

Insolvenzantrag der Gesellschaft entsteht (§ 43 Abs. 2<br />

<strong>GmbH</strong>G, § 93 Abs. 2 AktG), liegt in dem durch die verzögerte<br />

Antragstellung erlittenen Werteverzehr und gegebenenfalls<br />

in der dadurch entfallenden Sanierungsmöglichkeit in<br />

der Insolvenz. Denn die Sanierungschancen sind bei rechtzeitig<br />

gestelltem Insolvenzantrag größer, da z.B. noch Restliquidität<br />

vorhanden ist, die die Fortführung im Rahmen eines<br />

Insolvenzverfahrens wesentlich erleichtern oder überhaupt<br />

erst ermöglichen kann.<br />

c) Planungspflicht Insolvenzszenario<br />

In jedem Fall aber muss bei drohender Zahlungsunfähigkeit<br />

die Planung eines Insolvenzszenarios Pflicht und im Gesell-<br />

Haftungssprung Insolvenzreife<br />

schaftsinteresse sein. Bei Bedarf kann die Gesellschaft dann<br />

Insolvenzantrag mit einem pre-packaged Insolvenzplan und<br />

einem Antrag auf Eigenverwaltung stellen. Andernfalls verbliebe<br />

es bei der gängigen Praxis, dass Unternehmen vollkommen<br />

unvorbereitet Insolvenzantrag stellen. Die Sanierung im<br />

Insolvenzverfahren wird dadurch erheblich erschwert. Mittels<br />

des Insolvenzszenarios können gleichzeitig die Minimalpositionen<br />

für die Gläubiger evaluiert und in den laufenden Sanierungsverhandlungen<br />

als Argument berücksichtigt werden.<br />

Insbesondere Akkordstörer, d.h. Parteien, die eine freie Sanierung<br />

verhindern, um sich Sondervorteile zu verschaffen,<br />

könnten in ein Insolvenzplanverfahren eingebunden werden.<br />

108<br />

IV. Ergebnis<br />

Eine integrierte Unternehmensplanung erhöht die Sanierungschancen<br />

im Vorfeld der Insolvenz durch rechtzeitiges<br />

Erkennen von Krisenanzeichen. Damit werden die Leitungsorgane<br />

ihrer Leitungsfunktion gerecht, Schaden abzuwenden<br />

und den Gewinn zu maximieren.<br />

Gleichzeitig dient die integrierte Unternehmensplanung als<br />

Haftungsvermeidungsstrategie. Denn Vorstände und Geschäftsführer<br />

können mittels einer integrierten Unternehmensplanung,<br />

die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Planung<br />

entspricht, ihrer Darlegungs- und Beweislast für pflichtgemäßes<br />

Handeln genügen. Damit unterliegen sie wesentlich<br />

geringeren Haftungsgefahren aufgrund des bei Insolvenzreife<br />

der Gesellschaft eintretenden faktischen Haftungssprungs.<br />

Aus diesen Gründen sollte das System der integrierten Unternehmensplanung<br />

als »verbindlicher Pflichtmaßstab« angesehen<br />

werden. Lediglich der zeitliche und inhaltliche Detaillierungsgrad<br />

kann von den Leitungsorganen nach pflichtgemäßem<br />

Ermessen den Umständen des Unternehmens angepasst<br />

werden.<br />

Damit Leitungsorgane bereits im Vorfeld der Insolvenznähe<br />

ihrer Leitungsfunktion gerecht werden und Aufsichtsräte ihre<br />

Aufsicht angemessen ausüben können, sollte zumindest eine<br />

Informationsordnung durch Aufsichtsräte etabliert wer-<br />

den. 109<br />

Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />

In dieser Informationsordnung kann eine auf das<br />

jeweilige Unternehmen angepasste integrierte Unternehmensplanung,<br />

die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Planung<br />

entspricht, gefordert werden.<br />

In Insolvenznähe bzw. bei drohender Zahlungsunfähigkeit,<br />

sollten Leitungsorgane ein Insolvenzplanszenario in die Planung<br />

aufnehmen. Sind bei drohender Zahlungsunfähigkeit<br />

offensichtlich keine Restrukturierungsmaßnahmen mehr<br />

absehbar, mittels derer der spätere Eintritt der Zahlungsunfä-<br />

102 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.114f.<br />

103§49Abs.2<strong>GmbH</strong>G;s.K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>,4.Aufl.<br />

2009, Rn.2.468.<br />

104 Beschluss der Hauptversammlung gem. § 119 Abs. 2 AktG nur verbindlich,<br />

soweitEntscheidungverlangt,vgl.dazu:MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl. 2008,<br />

§93 Rn.23.<br />

105 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.43f.<br />

106 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.43f.<br />

107 Vgl. zu den Treupflichten K.Schmidt, GesR, 4. Aufl. 2002, S. 243 f., 552 ff.<br />

und 587ff.<br />

108 Vgl. MüKo-InsO/Eidenmüller, 2.Aufl. 2008, vor §§217-269 Rn.60 m.w.N.<br />

109 Für gesetzliche Konkretisierung: Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1173ff.).<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 39


higkeit vermieden werden könnte, besteht Insolvenzantragspflicht<br />

im Interesse der Gesellschaft. Zumindest <strong>GmbH</strong>-<br />

Geschäftsführer müssen zuvor eine Abstimmung mit den<br />

Gesellschaftern suchen.<br />

Im Hinblick auf die unzureichende gesetzliche Verpflichtung<br />

zur Aufstellung einer integrierten Unternehmensplanung sollten<br />

entsprechende Verpflichtungen für die Leitungsorgane in<br />

den Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung und/oder in Geschäftsordnungen<br />

aufgenommen werden, die den individuellen<br />

Bedürfnissen der jeweiligen Unternehmen gerecht werden.<br />

Impressum<br />

Verlag: <strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong>,<br />

Luxemburger Straße 449, 50939 Köln<br />

Telefon: 02 21/9 43 73 70 00<br />

Herausgeber und Schriftleitung:<br />

RiBGH Dr. Lutz Strohn, RiBGH Ilse Lohmann,<br />

RA/InsV Dr. Michael C. Frege, WP/StB Bernd Richter,<br />

RiAG Dr. Andreas Schmidt (Ltg.)<br />

Korrespondenz oder sonstige Kontaktaufnahmewünsche mit den Herausgebern<br />

oder der Schriftleitung richten Sie bitte an den Verlag.<br />

Redaktion im Verlag: Ass. jur. Heike Künnemann,<br />

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Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1.1.2010.<br />

Anzeigendisposition: Stefanie Szillat, Tel.: 02 21/ 9 43 73 71 38,<br />

E-Mail: sszillat@wolterskluwer.de<br />

Erscheinungsweise: monatlich.<br />

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Die über das Instrument der integrierten Unternehmensplanung<br />

erstellte Transparenz würde die Leitungsorgane in die<br />

vom Gesetzgeber beabsichtigte Lage versetzen, über §18 InsO<br />

Insolvenzanträge dann zu stellen, wenn:<br />

– dieSanierungschancenineinemgoing-concern Szenario<br />

nicht überwiegend wahrscheinlich sind,<br />

– aber andererseits noch ausreichende Substanz vorhanden<br />

ist, die Voraussetzung dafür ist, eine erfolgreiche Sanierung<br />

im Rahmen eines Insolvenzplan- oder Regelinsolvenzverfahrens<br />

durchzuführen.<br />

Bezugspreis: Jährlich 198,– €; Einzelheft 19,80 €; Kombi-Abo mit KTS<br />

jährlich 329,– €. Alle Preise zzgl. Versandkosten. Probeabo: 3 Hefte 20,– €<br />

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Tage nach Erhalt des letzten Probeheftes schriftlich gekündigt werden,<br />

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ISSN: 1869-4268<br />

Umschlag: ARTENREICH Werbeagentur <strong>GmbH</strong>, Köln<br />

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Druck: Wilhelm & Adam OHG, Heusenstamm<br />

Copyright: Luchterhand eine Marke der <strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong><br />

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Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Manuskripte<br />

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■ die durch SGB II und XII neu formulierte Sicherung des<br />

Existenzminimums der Schuldner während des Verfahrens,<br />

■ die praktische und rechtliche Bewertung von Abtretungsklauseln,<br />

mit denen laufendes Arbeitseinkommen auf einzelne Gläubiger<br />

übertragen wird,<br />

■ das Schicksal von Lebensversicherungsverträgen im Insolvenzverfahren,<br />

■ die neue Gestaltung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens,<br />

■ die Bedeutung von Erwerbsobliegenheiten in der Treuhandphase.<br />

Abgerundet wird die Darstellung der verfahrensrechtlichen Regelungen<br />

durch einen systematischen Überblick zum Thema Verschuldung vor<br />

§ 286 InsO und den erweiterten und aktualisierten Überblick über die<br />

Rechtsentwicklung in europäischen Nachbarstaaten.<br />

Zu beziehen über Ihre Buchhandlung oder direkt beim Verlag.<br />

Kohte / Ahrens / Grote<br />

Verfahrenskostenstundung,<br />

Restschuldbefreiung und<br />

Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

Kommentar<br />

4., vollständig überarbeitete Auflage<br />

2009, XXXVIII, 551 Seiten, gebunden,<br />

inkl. Online-Zugriff auf die Datenbank des<br />

Frankfurter Kommentars zum Insolvenzrecht<br />

ISBN 978-3-472-07436-6<br />

Mit Online-Zugriff auf<br />

die Datenbank des FK-InsO<br />

Kohte • Ahrens • Grote<br />

Verfahrenskostenstundung,Restschuldbefreiung<br />

und<br />

Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

4. Auflage<br />

NEU<br />

Die Kommentierung zeichnet sich vor allem durch eine Vielzahl<br />

flexibler und praktischer Lösungen aus, die die Autoren für die<br />

während des Verbraucherinsolvenzverfahrens auftauchenden<br />

Fragen und Probleme anbieten. Einer der Schwerpunkte liegt dabei<br />

auch in der Diskussion von Vergleichslösungen im gerichtlichen und<br />

außergerichtlichen Bereich.<br />

Das Werk ermöglicht darüber hinaus den Zugriff auf die Datenbank<br />

des Frankfurter Kommentars zum Insolvenzrecht:<br />

Unter www.FK-InsO.de verschaffen einschlägige insolvenzrechtliche<br />

Entscheidungen, Formulare und Vorschriften dem Praktiker eine<br />

spürbare Arbeitserleichterung.<br />

Die Autoren:<br />

Dr. Wolfhard Kohte, Professor an der Universität Halle-Wittenberg;<br />

Dr. Martin Ahrens, Professor an der Universität Göttingen;<br />

Dr. Hugo Grote, Professor am RheinAhrCampus in Remagen.<br />

<strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong> • Niederlassung Neuwied<br />

Postfach 2352 • 56513 Neuwied • Telefon 02631 801-2222<br />

www.wolterskluwer.de • E-Mail info@wolterskluwer.de


138A0809<br />

„Eine herausragende Stellung in der<br />

insolvenzrechtlichen Literatur“<br />

Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck zur Voraufl age, in: NZI 8/2007<br />

NEU!<br />

Graf-Schlicker (Hrsg.)<br />

InsO<br />

Kommentar zur Insolvenzordnung<br />

Herausgegeben von<br />

MinDir Marie Luise Graf-Schlicker<br />

2. Aufl age 2010<br />

Ca. 1.400 Seiten.<br />

Gebunden € 98,-<br />

ISBN 978-3-8145-8139-2<br />

Erscheinungstermin: November 2009<br />

Inhalt Herausgeberin<br />

Unverzichtbar für Praktiker: Die Neuaufl age des herausragenden InsO-Kommentars ist ein<br />

wertvolles Arbeitsmittel im insolvenzrechtlichen Alltag – gerade wenn die Folgen der Wirtschaftskrise<br />

den Beratungsbedarf noch einmal ansteigen lassen.<br />

Das Werk bietet:<br />

� Übersichtliche Kommentierung im handlichen Format<br />

� Von Praktikern für Praktiker: ausgewiesene und praxiserfahrene Kenner der<br />

Materie bilden das Autorenteam<br />

�� �Eindeutige Schwerpunktsetzung bei praktisch relevanten Vorschriften<br />

�� �Lösungsvorschläge zu streitigen oder noch ungeklärten Rechtsfragen<br />

�� �Umfassende Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung (über 1.500 Entscheidungen)<br />

� Einschließlich Kommentierung von InsVV und Internationalem Insolvenzrecht<br />

� Mit Vereinfachungsgesetz, Regierungsentwurf des Entschuldungsgesetzes sowie Änderungen<br />

durch das MoMiG und FMStG<br />

�� �Exklusiv für Käufer des Buches: Online-Zugang auf die gesamte Kommentierung und auf<br />

zusätzliche Inhalte unter www.graf-schlicker.de<br />

Bestellschein: Versandkostenfreie Bestellung unter www.rws-verlag.de<br />

____ Expl. Graf-Schlicker (Hrsg.), InsO, € 98,-<br />

ISBN 978-3-8145-8139-2<br />

Name Firma<br />

Straße PLZ/Ort<br />

Datum/Unterschrift E-Mail<br />

Mit Nennung meiner E-Mail-Adresse erkläre ich mich einverstanden, über dieses Medium Informationen des RWS Verlags zu erhalten.<br />

Marie Luise Graf-<br />

Schlicker leitet als Ministerialdirektorin<br />

im Bundesjustizministerium<br />

die<br />

Abteilung Rechtspfl ege,<br />

zu der auch das Insolvenzrecht<br />

gehört.<br />

Dorthin wechselte sie<br />

vom Landgericht Bochum, dessen Präsidentin<br />

sie lange Jahre war. Zuvor befasste<br />

sie sich im Justizministerium des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen mit der Umsetzung<br />

der Insolvenzrechtsreform und leitete u.a.<br />

die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“.<br />

Sie ist durch eine Vielzahl von Veröff<br />

entlichungen bestens ausgewiesen.<br />

RWS Verlag<br />

Kommunikationsforum<br />

<strong>GmbH</strong><br />

Erhältlich in Ihrer Buchhandlung oder direkt beim RWS Verlag · Postfach 270125 · 50508 Köln · Fax: (0221) 400 88-77 · E-Mail: vertrieb@rws-verlag.de · www.rws-verlag.de<br />


Aus erster Hand<br />

Zu beziehen über Ihre Buchhandlung oder direkt beim Verlag.<br />

Godehard Kayser<br />

Höchstrichterliche Rechtsprechung<br />

zum Insolvenzrecht<br />

Unternehmensinsolvenz und Insolvenzanfechtung<br />

4. Auflage 2010,<br />

424 Seiten, kartoniert,<br />

€ 69,-<br />

Aus erster Hand bietet das Werk eine systematische Darstellung<br />

der aktuellen Rechtsprechung des BGH zum Insolvenzrecht und<br />

bereitet sie für die Insolvenzpraxis fallbezogen auf.<br />

Neben den Schwerpunkten Unternehmensinsolvenz und Insolvenzanfechtung<br />

erschließt es seinen Lesern die maßgebliche Entwicklung<br />

der Rechtsprechung zu den Eröffnungsvoraussetzungen sowie<br />

zum Eröffnungs- und Insolvenzplanverfahren. Ebenso werden die<br />

neuen Leitentscheidungen des II. und IX. Zivilsenats an der Schnittstelle<br />

von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht berücksichtigt.<br />

Besondere Kapitel sind der Rechtsprechung zu den haftungsrechtlichen<br />

Risiken des Insolvenzverwalters gewidmet. Aktuell eingearbeitet<br />

sind außerdem die Auswirkungen des MoMiG auf die<br />

Unternehmensinsolvenz.<br />

Die zu Leitsätzen zusammengefassten Kernaussagen der Entscheidungen,<br />

die auf das Wesentliche komprimierten Tatbestände und<br />

zahlreiche weiterführende Hinweise nebst ausführlichem Sach- und<br />

Entscheidungsregister bieten dem Praktiker eine schnelle und<br />

effektive Arbeitshilfe.<br />

Bestellen Sie mit diesem Coupon per Fax oder Brief versandkostenfrei innerhalb <strong>Deutschland</strong>s. Sie können<br />

Ihre Bestellung innerhalb von 2 Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax,<br />

E-Mail) oder durch Rücksendung der Ware widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser<br />

Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Ware<br />

an die <strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong>, Heddesdorfer Str. 31a, 56564 Neuwied. Im Falle eines wirksamen<br />

Widerrufs oder einer wirksamen Rückgabe sind die beiderseits empfangenen Leistungen (Ware bzw.<br />

Kaufpreis) zurückzugewähren. Die Rücksendung ist für Sie in jedem Fall kostenfrei.<br />

Geschäftsführer: Dr. Ulrich Hermann · HRB 58843 Köln · DE 188836808<br />

Bitte ausschneiden und einschicken.<br />

Bestellung bitte per Fax oder per Post an:<br />

27632/001<br />

Fax (gebührenfrei): (0 800) 801 801 8<br />

<strong>Wolters</strong> <strong>Kluwer</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>GmbH</strong> • Niederlassung Neuwied<br />

Postfach 2352 • 56513 Neuwied • Telefon 02631 801-2222<br />

www.wolterskluwer.de • E-Mail info@wolterskluwer.de<br />

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______ Expl. Höchstrichterliche Rechtsprechung<br />

zum Insolvenzrecht<br />

Name / Vorname<br />

Straße / Hausnummer<br />

PLZ / Ort<br />

€ 69,- • ISBN 978-3-452-27157-0<br />

Datum Unterschrift<br />

Godehard Kayser<br />

Höchstrichterliche<br />

Rechtsprechung<br />

zum Insolvenzrecht<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

und Insolvenzanfechtung<br />

4. Auflage<br />

NEU<br />

Neuauflage 2010<br />

Der Autor:<br />

Prof. Dr. Godehard Kayser ist stellvertretender Vorsitzender des<br />

für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenats des BGH und<br />

Honorarprofessor an der Universität Münster. Auch aufgrund<br />

zahlreicher Veröffentlichungen zu Themen der Unternehmensinsolvenz<br />

und Insolvenzanfechtung sowie als gefragter Seminarreferent<br />

zählt er zu den renommiertesten deutschen Insolvenzrechtlern.<br />


Unterstützung nach § 153a StPO und<br />

Bewährungsauflage möglich und notwendig!<br />

Stiftung „DAV contra Rechtsextremismus und Gewalt“ I Commerzbank: Kto. 2 078 296 01 I BLZ 370 800 40<br />

Wir schauen nicht weg!<br />

Stiftung „DAV contra Rechtsextremismus und Gewalt“<br />

Politisch motivierte Straftaten und Gewalt passieren<br />

hierzulande täglich. Schmerzen und Scham der<br />

Opfer lassen sich kaum in Worte fassen. Meist<br />

bleiben die Betroffenen ohne Namen und Gesicht.<br />

Noch immer schauen die meisten weg, strafen<br />

die Gequälten durch Missachtung doppelt.<br />

Die Notwendigkeit der Stiftungsarbeit ergibt sich<br />

aus den zahlreichen Fällen. Die Tätigkeitsberichte<br />

und weitere Infos unter:<br />

www.anwaltverein.de/ueber-uns/stiftung<br />

DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt<br />

Eine Unterstützung der Stiftung durch Spenden und<br />

Auflage (§ 153a StPO und Bewährungsauflage) ist möglich.<br />

Der Stiftungsfond übernimmt die Kosten für die<br />

Rechtsberatung und Rechtsvertretung von hilfsbedürftigen<br />

Opfern politisch motivierter Straftaten.<br />

Die Stiftung appelliert an alle zu spenden.<br />

Zudem bittet sie jeden einzelnen anzuregen,<br />

dass die Stiftung bei Einstellung der Verfahren<br />

nach § 153a StPO und bei Bewährungsauflagen<br />

begünstigt wird.<br />

Rechtsanwalt Micha Guttmann<br />

Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung<br />

Kontoverbindung:<br />

Commerzbank<br />

Konto-Nummer: 2 078 296 01<br />

BLZ: 370 800 40


Krisenmanager<br />

Das <strong>GmbH</strong>-Recht hat sich seit<br />

der Vorauflage dieses großartigen<br />

Standardwerkes so gewaltig<br />

geändert, dass jeder Berater<br />

erleichtert aufatmen wird, wenn<br />

er die grundlegend überarbeitete<br />

Neuauflage in Händen hält.<br />

Allein die <strong>GmbH</strong>-Reform hat<br />

weite Teile des Werkes auf eine<br />

völlig neue Basis gestellt. Da -<br />

rüber hinaus wird der Sanierung<br />

jetzt größeres Gewicht als bisher<br />

beigemessen. Grenzüber -<br />

schrei tende Insolvenz und<br />

geschäftsführerlose <strong>GmbH</strong> sind<br />

als neue Themen hinzugekommen.<br />

Und die Unternehmen -<br />

steuerreform wurde natürlich<br />

eingearbeitet. Kurzum, das Buch<br />

ist auf dem neuesten Stand.<br />

Unverändert ist sein einzigar-<br />

Mit<br />

MoMiG<br />

Karsten Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg.) Die <strong>GmbH</strong> in<br />

Krise, Sanierung und Insolvenz Gesellschafts -<br />

recht, Insolvenzrecht, Steuerrecht, Arbeitsrecht,<br />

Bankrecht und Organisation bei Krisenvermeidung,<br />

Krisenbewältigung und Abwicklung. 4., neu bearbeitete<br />

und erweiterte Auflage 2009, 1.166 Seiten<br />

Lexikonformat, gbd. 119,– €.<br />

ISBN 978-3-504-32209-0<br />

Bestellschein ausfüllen und faxen (02 21) 9 37 38-9 43<br />

tiges Konzept ge blieben. Ers tens:<br />

Der chronolo gische Auf bau nach<br />

den einzelnen Kri sen sta dien.<br />

Zweitens: Die integrierte Dar -<br />

stellung aller beratungs re le vanten<br />

Aspekte, wozu Gesell schafts recht,<br />

In solvenz recht, Steuer recht,<br />

Bank recht und Arbeitsrecht<br />

gehören.<br />

Die hochkarätigen Autoren<br />

werden Ihnen also auch nach<br />

neuester Rechtslage wieder für<br />

jedes Krisenstadium der Gesell -<br />

schaft sämtliche Handlungs -<br />

alter nativen aufzeigen.<br />

Karsten Schmidt/Uhlenbruck<br />

(Hrsg.), Die <strong>GmbH</strong> in Krise,<br />

Sa nierung und Insolvenz: Be -<br />

stellen oder vorher Probe lesen?<br />

www.otto-schmidt.de<br />

�✘ Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht Karsten Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg.) Die <strong>GmbH</strong> in<br />

Krise, Sanierung und Insolvenz 4. Auflage, gbd. 119,– € plus Versandkosten.<br />

ISBN 978-3-504-32209-0<br />

_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________<br />

Name Straße PLZ Ort<br />

_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________<br />

Telefon Fax Datum Unterschrift 6/09<br />

Bestellen Sie bei Ihrer Buchhandlung oder beim Verlag Dr. Otto Schmidt · Postfach 51 10 26 · 50946 Köln<br />

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