InsVZ - Wolters Kluwer Deutschland GmbH
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Kaufvertrag nachkommen zu können. Auf fallende Kurse<br />
kann er sich nicht verlassen, weil dies Spekulation wäre, die<br />
ihm verboten ist. Zwar könnten die Verluste einen Schadensersatzanspruch<br />
begründen. Ob dieser aber werthaltig ist,<br />
dürfte insbesondere dann zweifelhaft sein, wenn er sich gegen<br />
Schuldner mit schlechter Bonität richtet. Das wird insbesondere<br />
bei Sub-Prime-Papieren der Fall sein.<br />
3. Nur mit Einschränkungen zulässig: »Stopp loss«-<br />
Weisungen<br />
»Stop loss«-Weisungen sind nur unter Hinzuziehung eines<br />
sachverständigen Dritten und unter Abwägungen des Verlustrisikos<br />
bei größeren Kursschwankungen zulässig: Mit<br />
einer »Stop loss«-Weisung bestimmt der über die Wertpapiere<br />
Verfügungsberechtigte einen Kurs (typischerweise<br />
unterhalb des aktuellen Marktpreises), mit dem ein Verkaufsauftrag<br />
für das jeweilige Wertpapier ausgelöst wird.<br />
Problematisch ist hierbei, dass nur der Zeitpunkt bestimmbar<br />
ist, zu dem verkauft werden soll, nämlich dann, wenn<br />
der Kurs einen bestimmten Marktpreis unterschreitet.<br />
Dagegen kann nicht bestimmt werden, welcher Verkaufspreis<br />
dabei realisiert wird. Die »Stop loss«-Weisung kann<br />
daher das Problem, das bereits für die Veräußerung »ins<br />
Blaue hinein« bestehen könnte, noch verstärken: Es wird<br />
möglicherweise nicht nur eine so große Zahl an Wertpapieren<br />
veräußert, die negativen Einfluss auf den Marktpreis<br />
nimmt, sondern dies geschieht auch zu einem Zeitpunkt, zu<br />
dem der Marktpreis bereits fällt. Denn ohne fallende<br />
Marktpreise führen »Stop loss«-Weisungen nicht zu einem<br />
Verkaufsauftrag.<br />
4. Einzelheiten zu Optionsgeschäften<br />
Das Optionsgeschäft ist ein zulässiges Kurssicherungsgeschäft.<br />
Damit erwirbt der Insolvenzverwalter gegen Zahlung<br />
einer Prämie an den Kontraktpartner die Möglichkeit zu späterer<br />
Verwertung. Schließt der Insolvenzverwalter solche<br />
Optionsgeschäfte vor Berichtstermin ab, so bringen sie jedenfalls<br />
einen rechtlichen Vorteil mit sich: Anders als beim Termingeschäft<br />
stünde dem Nachteil der Kosten für die Prämie<br />
der Vorteil gegenüber, dass die Gläubigerversammlung gemäß<br />
§159 InsO im Berichtstermin die Entscheidung über das weitere<br />
Vorgehen bei der Verwertung fällen könnte; bis dahin<br />
müsste nicht mit Kursverlusten gerechnet werden. Hierbei ist<br />
jedoch Folgendes zu beachten:<br />
a) Abwägung nach pflichtgemäßem Ermessen<br />
Die Entscheidung, ob der rechtliche Vorteil den dargestellten<br />
wirtschaftlichen Nachteil überwiegt, muss der Insolvenzverwalter<br />
nach seinem pflichtgemäßem Ermessen treffen:<br />
Da das Optionsgeschäft wirtschaftlich einer Versicherung<br />
auf den Kurs eines Wertpapiers entspricht, liegt es<br />
nahe, hier vergleichbare rechtliche Maßstäbe wie für den<br />
Abschluss einer Versicherung anzulegen. Bei Sachversicherungen<br />
für Gegenstände des Schuldnervermögens gilt, dass<br />
der Insolvenzverwalter bei Abschluss neuer Versicherungsverträge<br />
das Risiko des Schadenseintritts und die mutmaßlicheSchadenshöhegegendieBelastungen<br />
der Masse abzuwägen<br />
hat. 32 Sind die Kosten unverhältnismäßig, muss die<br />
Belastung der Masse unterbleiben. Sind die Kosten verhältnismäßig,<br />
kann und muss der Insolvenzverwalter sie ergreifen.<br />
33 Hier ist also zu berücksichtigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit<br />
welche Kursverluste zu befürchten sind.<br />
6<br />
Unternehmensinsolvenz Großportfolios unter Insolvenzverwaltung<br />
b) Kaufmännische Abwägung<br />
Die Abwägung von Wahrscheinlichkeit und Höhe möglicher<br />
Wertverluste durch Kursverluste einerseits und Kosten eines<br />
Optionsgeschäfts andererseits muss notwendigerweise kaufmännische<br />
Aspekte enthalten. Dabei dürften (neben den<br />
kunstgerecht ermittelten Wahrscheinlichkeiten für Kursverläufe<br />
und damit korrespondierende Wertrisiken) folgende<br />
Aspekte eine Rolle spielen:<br />
Der Kurs von Wertpapieren (anders als Schäden, die Sachversicherungen<br />
abdecken) kann sich wieder erholen. Darauf darf<br />
der Insolvenzverwalter zwar nicht spekulieren, weil ihm dies<br />
durch das Spekulationsverbot untersagt ist. Bei der Abwägung,<br />
ob die Kosten für Optionsgeschäfte in einem angemessenen<br />
Verhältnis zum Kursverlustrisiko stehen, kann diese<br />
Überlegung aber nicht unberücksichtigt bleiben. Auch die<br />
Wahrscheinlichkeit einer solchen »Kurserholung« sollte<br />
kunstgerecht ermittelt und in die Abwägung mit einbezogen<br />
werden.<br />
Optionsgeschäfte nehmen (jedenfalls bei Wertpapieren) ab<br />
einem bestimmten Umfang selbst Einfluss auf die Kursentwicklung.<br />
Das beeinträchtigt den Insolvenzverwalter bei der<br />
Suche entsprechender Kontraktpartner: Gelangt die Information<br />
über die Suche nach entsprechenden Kontraktpartnern<br />
für Optionsgeschäfte in den Markt, dürfte dies den Kurs der<br />
Wertpapiere, auf die sich die Optionsgeschäfte beziehen,<br />
beeinflussen. Demgemäß besteht die Gefahr, dass die Suche<br />
nach Kontraktpartnern selbst bereits die Kosten für Optionsgeschäfte<br />
in die Höhe treibt und dass sich Kursverluste bereits<br />
vor Abschluss der Optionsgeschäfts realisieren könnten.<br />
c) Business Judgement Rule<br />
Ob der Insolvenzverwalter bei seiner kaufmännischen Abwägung<br />
von der Business Judgement Rule nach §93 Abs.1 Satz 2<br />
AktG profitiert, ist fraglich: Im Schrifttum zeichnet sich eine<br />
Tendenz ab, die dem Insolvenzverwalter das Haftungsprivileg<br />
bei Geschäften der Betriebsfortführung gewähren will34,esihm aber bei Abwicklungsmaßnahmen verwehrt35. Bei Optionsgeschäften<br />
handelt es sich jedoch um eine Maßnahme der Massesicherung,<br />
die weder Betriebsfortführung noch Masseabwicklung<br />
ist. Die besseren Gründe sprechen allerdings dafür, dass<br />
der Insolvenzverwalter hier in den Anwendungsbereich der<br />
Business Judgement Rule fällt. Denn der Abschluss von Optionsgeschäften<br />
ist als unternehmerische Entscheidung zu<br />
behandeln. 36 Die unternehmerische Entscheidung im Sinne<br />
von §93 Abs.1 Satz 2 AktG zeichnet sich nämlich dadurch aus,<br />
32 OLG Köln, Urt. vom 14.05.1982, 6 U 221/81, ZIP 1982, 977; MüKo-<br />
InsO/Brandes (o. Fn. 2), §§ 60, 61 Rn. 15; Uhlenbruck/Uhlenbruck<br />
(o. Fn. 30), § 148 Rn. 26.<br />
33 MüKo-InsO/Brandes (o.Fn.2),§§60,61Rn.15.<br />
34 Ausdrücklich für die Betriebsfortführung: Berger/Frege ZIP 2008, 204 (206ff.);<br />
MüKo-InsO/Füchsl/Weihäupl (o. Fn. 2), §148 Rn.58.<br />
35 Bejahend für Betriebsfortführung und ablehnend für Masseabwicklung: Nerlich/Römermann/Abeltshauser,<br />
InsO, §60 Rn.35 f.<br />
36 Instruktiv zur unternehmerischen Entscheidung als Anwendungsvoraussetzung<br />
für die Business Judgement Rule vgl. Arbeitskreis »Externe und interne<br />
Überwachung der Unternehmung« der Schmalenbach Gesellschaft für Betriebswirtschaft<br />
e. V. DB 2006, 2189 ff.; Fleischer ZIP 2004, 685 ff.; Hauschka<br />
<strong>GmbH</strong>R 2007, 11 (12ff.); Schneider DB 2005, 707.<br />
<strong>InsVZ</strong> 1 · 2009