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InsVZ - Wolters Kluwer Deutschland GmbH

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Haftungssprung Insolvenzreife – ein Plädoyer für die<br />

integrierte Unternehmensplanung<br />

Bernd Richter / Dr. Maximillian Pluta*<br />

I. Einleitung<br />

In der Sanierungspraxis scheitern Sanierungsversuche häufig an<br />

unzureichender Unternehmensplanung. 1 Die Symptome sind<br />

meist eindeutig: Mangels integrierter Unternehmensplanung2 werden Ertrags- und Liquiditätskrisen nicht rechtzeitig erkannt.<br />

Dementsprechend können Sanierungsmaßnahmen nicht rechtzeitig<br />

eingeleitet werden. Außerdem werden Sanierungsbemühungen<br />

bis zum vollständigen Aufzehren der Haftungsmasse<br />

fortgesetzt. Unternehmen stellen nur in 1% 3 der Fälle einen<br />

Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18<br />

InsO), obwohl gerade diese Regelung die Sanierung von Unternehmen<br />

durch frühere Insolvenzanträge verbessern sollte. 4<br />

Dieser Beitrag zeigt die Notwendigkeit einer gesetzlichen oder<br />

zumindest gesellschaftsinternen Regelung bezogen auf sorgfaltsgemäße,<br />

d.h. integrierte Unternehmensplanung, am Beispiel<br />

für Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit<br />

beschränkter Haftung.<br />

Für Geschäftsführer und Vorstände (Leitungsorgane) besteht<br />

vor Insolvenznähe faktisch keine Haftung wegen unzureichender<br />

Unternehmensplanung. Dafür verursacht der Eintritt<br />

der Insolvenzreife einen faktischen Haftungssprung.<br />

Denn erst in diesem Zeitpunkt wird die Verletzung von Planungspflichten<br />

tatsächlich sanktioniert (II.). Die frühzeitige<br />

Etablierung einer integrierten Unternehmensplanung kann<br />

die Haftungsgefahren senken und die Sanierungschancen im<br />

Vorfeld erhöhen. Ist erkennbar, dass die Sanierungsmaßnahmennichtausreichen,kann§18InsOeinMittelfürerfolgreiche<br />

Sanierung in der Insolvenz bieten (III.). Im Ergebnis werden<br />

Leitungsorgane ihrer Sorgfaltspflicht zur Unternehmensplanung<br />

nur mittels einer integrierten Unternehmensplanung<br />

gerecht (IV.).<br />

II. Haftungssprung: Sorgfaltspflichten für<br />

Unternehmensplanung<br />

Ein Grund für späte Insolvenzanträge liegt in der fehlenden<br />

tatsächlichen Sanktionierung für unzureichende Unternehmensplanung<br />

vor Insolvenzreife (1.). Die Planungspflicht<br />

wird erst zu einem Zeitpunkt sanktioniert, in dem es für die<br />

Implementierung eines Planungssystems regelmäßig zu spät<br />

ist. Dieser Haftungssprung führt zu erheblichen Haftungsgefahren<br />

für das Management. Denn die an das Vorliegen eines<br />

Insolvenzgrundes geknüpfte Haftung kann bereits bei objektivem<br />

Eintritt bzw. Erkennbarkeit der Insolvenzreife eintreten<br />

und nicht erst bei deren tatsächlichen Feststellung (2.). Die<br />

Entscheidung des Managements unterliegt umgekehrt auch<br />

der weiteren Haftungsgefahr, einen Insolvenzantrag verfrüht<br />

zu stellen und nicht alle Sanierungsmöglichkeiten ausgeschöpft<br />

zu haben (3.). Umso wichtiger wird für das Management<br />

daher die zutreffende Einschätzung der tatsächlichen<br />

Lage des Unternehmens. Im Sinne einer Entscheidungsgrundlage<br />

bedarf es der integrierten Unternehmensplanung<br />

daher sowohl zur Vermeidung von verspäteten, als auch zur<br />

Vermeidung verfrühter Insolvenzanträge.<br />

Haftungssprung Insolvenzreife<br />

1. Allgemeine Pflicht zur Unternehmensplanung<br />

Planungspflichten werden zwar gesetzlich vorausgesetzt, 5 aber<br />

nur unzureichend definiert und vor Insolvenznähe in der Praxis<br />

kaum sanktioniert.<br />

a) Leitungsfunktion und Geschäftsführung<br />

Die Pflicht zur Unternehmensplanung leitet sich aus der Leitungs-<br />

und Geschäftsführungsfunktion der Geschäftsführer<br />

und Vorstände (§ 76 Abs. 1, § 77 Abs. 1 AktG) ab: 6 Im Rahmen<br />

der Unternehmensleitung haben sie »den Vorteil der<br />

Gesellschaft zu wahren und den Schaden von ihr abzuwen-<br />

Der Deutsche Corporate Governance Kodex<br />

den«. 7<br />

(DCGK) 8<br />

setzt die »nachhaltige Wertschöpfung … im Unter-<br />

nehmensinteresse«, d. h. im Interesse der Aktionäre, Arbeitnehmer<br />

und sonstigen Stakeholder voraus. Damit trifft die<br />

Leitungsorgane insbesondere die Finanzierungsverantwortung<br />

für die Gesellschaft. 9<br />

Bei der Erstellung der erforderlichen Unternehmensplanung<br />

kann eine Unterstützung von Dritten erfolgen. Daraus abgeleitete<br />

Entscheidungen sind aber vom Organ selbst zu tref-<br />

fen. 10<br />

Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />

Es existiert allerdings keine gesetzliche Regelung über<br />

den Inhalt und den Umfang einer sorgfaltsgemäßen Planung<br />

vor Insolvenznähe. Vielmehr wird den Leitungsorganen ein<br />

pflichtgemäßes Ermessen zugesprochen, entsprechend der<br />

Unternehmensart und -größe eine Planung zu installieren. 11<br />

Das täuscht aber über die Haftungsgefahren für die Leitungsorgane<br />

hinweg, die bei mangelhafter Planung vor Insolvenznähe<br />

gegenüber der Gesellschaft entstehen können (§ 93<br />

Abs.2 AktG, §43 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G). Denn die Leitungsorgane<br />

haben zu beweisen, dass sie ihr Ermessen eingehalten und<br />

sorgfaltsgemäß geplant haben.<br />

* Bernd Richter, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Diplom-Kaufmann<br />

(Partner), Dr. Maximilian Pluta, Rechtsanwalt, Diplom-Kaufmann, Ernst &<br />

Young <strong>GmbH</strong> Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Hamburg.<br />

1 Vgl. Hamburger Thesenpapier »Agieren statt Reagieren – Restrukturierung auch<br />

mit Hilfe des Insolvenzverfahrens«, <strong>InsVZ</strong> 2009, 29 (in diesem Heft).<br />

2 Zum Begriff siehe III.1.).<br />

3 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2, R4.1 Dezember 2008 (Kapitalgesellschaften).<br />

4 Vgl. RegBegr InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.81, 84, 86, 114 f.<br />

5 Vgl.imFolgendenGroß/Amen WPg 2003, 1161 (1163–1168).<br />

6 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 76 Rn. 7; MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl.<br />

2008, § 76 Rn. 17; MüHdb-GesR/Marsch-Barner/Diekmann, Bd.3,3.Aufl.<br />

2009, § 44 Rn. 52; Fleischer ZIP 2003, 1 (5); Groß/Amen WPg 2003, 1161<br />

(1163f.); Kropf, NZG 1998, 613f.<br />

7 MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl. 2008, §93 Rn.25.<br />

8 Fassung v. 18. 06. 2009; DCGK fasst gesetzliche Regelungen für die Leitung<br />

und Überwachung sowie internationale Verhaltensstandards für Unternehmensführung<br />

börsennotierter Aktiengesellschaften zusammen; Vorstände<br />

haben gemäß § 161 AktG eine Entsprechenserklärung abzugeben, die der<br />

Abschlussprüfer gem. §285 Nr.16 i.V.m. §314 Abs.1 Nr.8 HGB zu berücksichtigen<br />

hat, allerdings ohne deren Inhalt zu prüfen, vgl. IDW PS 345 vom<br />

02.09.2008, Rn.3. Zur Problematik der haftungsrechtlichen Verbindlichkeit<br />

der DCGK siehe Hüffer, AktG, 8.Aufl. 2008, §161 Rn.25ff.<br />

9 Vgl.K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.1.20.<br />

10 Vgl. Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, §1 Rn.17.<br />

11 Vgl. Kropff NZG 1998, 613f.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 31

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