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InsVZ 1/2009 Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung InsVZ 2009, 1–40 Unternehmensinsolvenz Großportfolios unter Insolvenzverwaltung Dr. Michael C. Frege / Dr. Sven-Holger Undritz* I. Einleitung Die Finanzkrise hat zu Insolvenzverfahren über das Vermögen vonWertpapierhandelshäuserngeführt.IndiesenFällenfindet der Insolvenzverwalter Wertpapierportfolios vor, die der Insolvenzschuldner im Rahmen des Eigenhandels erworben hat. Solche Portfolios können ein beachtliches Volumen besitzen. Bei ihrer Verwaltung und Verwertung stellen sich für den Insolvenzverwalter insolvenzrechtliche Fragen, auf die Rechtsprechung und Literatur bislang noch keine sicheren Antworten bieten. Der folgende Beitrag stellt sich den entsprechenden Fragen und skizziert Antworten, die insbesondere die wirtschaftliche Situation und Funktionsweise der Finanzmärkte berücksichtigen. II. Problemaufriss Bei der Insolvenzverwaltung eines Wertpapierhandelshauses drängt sich ein Bündel von Fragen auf: Wie ist mit Wertpapierportfolios, die in der Insolvenzmasse vorgefunden werden, umzugehen? Welche Maßgaben gelten für die Verwaltung, z.B. im Hinblick auf die Sicherung des jeweiligen Wertes gegen Währungs- oder Kursschwankungen und welche Maßgaben gelten für die Verwertung? Dabei ist zu berücksichtigen, dass solche Wertpapierportfolios ein beachtliches Volumen besitzen können. Ihre Verwertung kann signifikanten Einfluss auf den Marktwert der darin enthaltenen Wertpapiere nehmen. Das gilt besonders in Zeiten illiquider Märkte: Dann trifft ein durch die Insolvenz verursachtes großes Angebot gegebenenfalls auf wenig Nachfrage. Hinzu kommt, dass die Wertpapiermärkte in Krisenzeiten besonders volatil sind. Die Marktteilnehmer reagieren nervös. Preise schwanken beträchtlich und mit ihnen der Marktwert der Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist vor diesem Hintergrund mit der Frage konfrontiert, wie er pflichtgemäß verwaltet und verwertet. Jede Entscheidung des Insolvenzverwalters kann zu beachtlichen Wertschwankungen führen; dies bedeutet ein hohes Haftungsrisiko. Die Klärung rechtlicher Fragen tut hier also not. Gleichwohl bieten Rechtsprechung und Literatur, soweit ersichtlich, noch keine hinreichenden Lösungen, weil sich die Fragen vor der Finanzkrise kaum gestellt haben. III. Beginn der Verwertungsbefugnis Der Insolvenzverwalter muss sich die Frage stellen, wann er mit der Verwertung beginnen darf. Fest steht, dass der Verwalter mit der Verwertung beginnen darf, wenn der Berichtstermin (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO) stattgefunden hat (§ 159 InsO). Schwieriger zu beantworten ist jedoch die Frage, ob der Insolvenzverwalter auch schon im Zeitraum zwischen Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§27 InsO) und dem Berichtstermin verwerten darf. Dieser Zeitraum kann mehrere Monate umfassen. Diese Frage hat wirtschaftliche und haftungsrechtliche Bedeutung: In dieser Zeit können sich für Teile eines Wertpa- pierportfolios nämlich besonders günstige Veräußerungsgelegenheiten bieten. Die Veräußerung bestimmter Wertpapiere kann aus der ex ante-Perspektive aber auch geboten sein, um einen weiteren Wertverfall des Schuldnervermögens wegen möglicher weiterer Kursverluste zu verhindern (»Stop loss«- Veräußerung). Aus der ex post-Perspektive kann sich (gerade angesichts besonders volatiler Finanzmärkte) jedoch wiederum herausstellen, dass sich später noch günstigere Veräußerungsgelegenheiten geboten haben oder Kursverluste wieder aufgeholt worden sind, so dass sich die »Stop loss«-Veräußerung im Nachhinein als ungünstig erweist. Sollten einzelne Gläubiger dem Insolvenzverwalter dann vorwerfen, er hätte vor Berichtstermin gar nicht veräußern dürfen, würde sich die Haftungsfrage stellen. Ein solcher Vorwurf geht indes fehl. Vielmehr ist der Insolvenzverwalter auch vor dem Berichtstermin zur Veräußerung von Wertpapieren aus dem Vermögen eines Wertpapierhändlers befugt. Dies ergibt sich wie folgt: 1. § 80 Abs.1 InsO Gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Die Art und Weise der Verwertung des Vermögens liegt in seinem »pflichtgemäßen Ermessen« 1 und er kann die Aktiva des Schuldnervermögens grundsätzlich ebenso verwerten, wie der Schuldner dies ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens könnte. 2 2. Keine Einschränkung aus §§158, 159 InsO Aus §§ 158, 159 InsO folgt nichts anderes. Zwar sieht § 159 InsO vor, dass der Insolvenzverwalter »nach dem Berichtstermin [...] unverzüglich das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten« hat. Ein ausdrückliches Verbot, Vermögensgegenstände vor dem Berichtstermin zu verwerten, enthält die InsO demgegenüber nicht. Vielmehr ermöglicht §158 Abs.1 InsO gerade den Umkehrschluss. §158 Abs.1 InsO schreibt vor, dass der Insolvenzverwalter die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen hat, wenn * Dr. Michael C. Frege, Insolvenzverwalter und Partner der Sozietät CMS Hasche Sigle, Dr. Sven-Holger Undritz, Insolvenzverwalter und Partner der Sozietät White & Case. Die Autoren danken Herrn Rechtsanwalt Marco Buschmann von der Sozietät White & Case für seine Anregungen und die Bearbeitung des Manuskripts. 1 BGH, Urt. v. 25.04.2002, IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353; Kübler/Prütting/ Bork/Onusseit, InsO, Lfg. 4/08, § 159 Rn. 5; Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO, Lfg. 5/07, §159 Rn. 6; Bönner, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Insolvenzverwalters im Vergleich mit anderen gesetzlich geregelten Vermögens-Verwaltern, Diss. Münster 2009. 2 MüKo-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. 2008, §80 Rn.48. 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