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InsVZ - Wolters Kluwer Deutschland GmbH

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Die Überschuldungsprüfung gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO<br />

bedarf sowohl in der Fassung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes66<br />

als auch in der voraussichtlich ab dem 01.01.2014<br />

geltenden Fassung67 in der ersten Stufe einer Fortbestehensprognose.<br />

Dafür ist aus einem Unternehmenskonzept eine<br />

Unternehmensplanung abzuleiten. 68 Die Fortbestehensprognose<br />

ist positiv, wenn im Planungszeitraum (laufendes und<br />

folgendes Geschäftsjahr69) die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens<br />

überwiegend wahrscheinlich gesichert ist. 70<br />

Ist die Fortbestehensprognose positiv, liegt nach der aktuell<br />

geltenden Fassung des § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO keine Überschuldung<br />

vor; ein Überschuldungsstatus muss nicht erstellt<br />

werden. Nach der voraussichtlich ab dem 01.01.2014 geltenden<br />

Fassung (s.o.) ist in diesem Fall ein Überschuldungsstatus<br />

zu Fortführungswerten aufzustellen.<br />

Ist die Fortbestehensprognose negativ, ist in beiden Fassungen<br />

ein Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten aufzustellen.<br />

Eine Überschuldung liegt jeweils dann vor, wenn die Verbindlichkeiten<br />

die Vermögenswerte übersteigen.<br />

Der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit<br />

behält daher nur in den Fällen eine eigene Bedeutung, in<br />

denen die Finanzierung für das laufende und das folgende<br />

Geschäftsjahr zwar nicht sichergestellt ist, bei Erstellung des<br />

Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten aber noch kein<br />

negatives Eigenkapital vorliegt. 71<br />

3. Haftung für verfrühte Insolvenzantragstellung<br />

gegenüber der Gesellschaft<br />

Die Leitungsorgane einer Gesellschaft sehen sich darüber<br />

hinaus bei Vorliegen drohender Zahlungsunfähigkeit gemäß<br />

§ 18 InsO regelmäßig dem Konflikt zwischen der Verletzung<br />

der Sanierungspflicht (§43 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G bzw. §91 Abs.2,<br />

§ 93 Abs. 1 AktG) einerseits und der Insolvenzantragspflicht<br />

(§ 15 a InsO) andererseits ausgesetzt. 72 Die Sanierungspflicht<br />

gibt den Leitungsorganen auf, alle möglichen Sanierungsmaßnahmen<br />

zu erörtern und gegebenenfalls umzusetzen. Das<br />

setzt jedoch eine Unternehmensplanung voraus. Geschäftsführer<br />

einer <strong>GmbH</strong> haben bei der Entscheidung außerdem<br />

die Gesellschafter einzubinden. 73<br />

Schließlich obliegt dem Schuldner aufgrund der Beweislastregel<br />

des § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO zum Insolvenztatbestand der<br />

Überschuldung der Nachweis, dass die Fortbestehensprognose<br />

positiv ist. Ohne geeignete Unternehmensplanung<br />

kann der Schuldner diesen Nachweis in der Regel nicht<br />

erbringen. Damit besteht zum einen tendenziell die Gefahr,<br />

dass der Schuldner zu früh Insolvenz wegen Überschuldung<br />

anmeldet bzw. bei Gläubigerantrag die positive Fortbeste-<br />

hensprognose nicht darlegen kann. 74<br />

Neben potenziellen<br />

Schadensersatzansprüchen gegenüber Gesellschaft und Gläubigern<br />

besteht zum anderen die Gefahr der Strafbarkeit durch<br />

»nicht richtiges« Stellen eines Insolvenzantrags gemäß § 15 a<br />

Abs.4 InsO.<br />

4. Fazit<br />

Leitungsorgane sind aufgrund ihrer Leitungsfunktion und<br />

Geschäftsführung verpflichtet, durch Planung die Finanzierung<br />

der Gesellschaft sicherzustellen; Art und Umfang der<br />

Planung ist gesetzlich nicht definiert. Im Unternehmensinte-<br />

Haftungssprung Insolvenzreife<br />

Sanierungs- und Insolvenzberatung<br />

resse ist dem Leitungsorgan eine möglichst vorausschauende<br />

Planung auferlegt, um seiner Pflicht zur Schadensvermeidung<br />

und Gewinnmaximierung zu genügen. Mangels faktischer<br />

Durchsetzung von Ansprüchen gegen Vorstände wegen unzureichender<br />

Unternehmensplanung im Vorfeld der Insolvenz,<br />

fehlt es in der Praxis oftmals an ausreichenden Planungsinstrumenten.<br />

Dadurch wird die Aufsichtsmöglichkeit der Aufsichtsräte<br />

erheblich eingeschränkt. Die Einrichtung einer<br />

integrierten Unternehmensplanung kostet in Insolvenznähe<br />

wertvolle Zeit. Ab Insolvenzreife ergibt sich für die Leitungsorgane<br />

und Aufsichtsräte ein faktischer Haftungssprung.<br />

III. Maßnahmen<br />

Die Sanierungshemmnisse der unzureichenden Unternehmensplanung<br />

und damit zusammenhängend der faktische<br />

Haftungssprung sowie späte Insolvenzanträge können durch<br />

zwei Maßnahmen eingedämmt werden: Erstens müssen die<br />

Anforderungen an die Pflicht zur Unternehmensplanung<br />

konkretisiert werden (1.). Zweitens sollte der Insolvenzgrund<br />

der drohenden Zahlungsunfähigkeit als Sanierungsoption<br />

wahrgenommen werden (2.).<br />

1. Integrierte Unternehmensplanung als<br />

Pflichtenmaßstab<br />

Der Maßstab für die Pflicht zur Unternehmensplanung für<br />

Vorstände und Geschäftsführer richtet sich nach der objektivierten<br />

»Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften<br />

Geschäftsleiters« (§93 Abs.1 Satz 1 AktG, ähnlich §42 Abs.1<br />

<strong>GmbH</strong>G). Aufgrund seiner einem Treuhänder für fremde<br />

Vermögensinteresse entsprechenden Stellung, obliegt ihm<br />

eine erhöhte Sorgfaltspflicht. 75 Bereits vor Insolvenznähe liegt<br />

es im Interesse der Gesellschaft und insbesondere auch der<br />

Aufsichtsräte, den Sorgfaltsmaßstab für Unternehmensplanung<br />

– bezogen auf die Besonderheiten des Unternehmens –<br />

festzulegen und Abweichungen auch tatsächlich zu sanktionieren.<br />

Mindestmaß einer Planung ist daher wie gezeigt (s.o.) in<br />

jedem Fall das laufende und das darauf folgende Geschäftsjahr,<br />

damit das Vorliegen von Insolvenzgründen und die<br />

going-concern Prämisse geprüft werden kann. Ab relevanter<br />

Unternehmensgröße wird auch für Vorstände und Geschäftsführer<br />

nur eine integrierte Unternehmensplanung, die den<br />

Grundsätzen ordnungsgemäßer Planung entspricht, dem für<br />

sie geltenden Sorgfaltsmaßstab gerecht. 76 Diesen Standard<br />

haben Wirtschaftsprüfer zu beachten, die Sanierungskon-<br />

66 Art.6Abs.2Satz2FMStG.<br />

67 Vgl. Art.6 Abs.2 i.V.m. Art.7 Abs.2 FMStG i.V.m. Gesetz zur Erleichterung<br />

der Sanierung von Unternehmen v. 24.09.2009, BGBl.I 2009, S.3151.<br />

68 Vgl. BGH, Beschl. vom 09. 10. 2006, II ZR 303/05, BB 2007, 125; IDW<br />

ES 6, Rn.72, IDW FAR 1/1996, S.20f.<br />

69 Vgl. IDW ES 6, Rn.72 i.V.m. IDW FAR 1/1996, S.21.<br />

70 Vgl. BGH, Beschl. vom 09. 10. 2006, II ZR 303/05, BB 2007, 125; IDW<br />

ES 6, Rn.72 i.V.m. IDW FAR 1/1996, S.20f.<br />

71 Vgl. zu den Fallgestaltungen MüKo-InsO/Drukarczyk, 2. Aufl. 2007, § 18<br />

Rn.52ff.<br />

72 Vgl. Gottwald/Uhlenbruck, Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl. 2006, § 8<br />

Rn.26.<br />

73 Vgl. K.Schmidt/Uhlenbruck/K.Schmidt, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.5.50.<br />

74 Zur Darlegungs- und Beweislast bei Zahlungsunfähigkeit: Pape WM 2008,<br />

1949 (1954).<br />

75 Vgl. MüKo-AktG/Spindler, 3.Aufl. 2008, §93 Rn.24 m.w.N.<br />

76 Groß/Amen WPg 2003, 1161 (1169 f.); siehe auch K.Schmidt/Uhlenbruck/<br />

Wellensiek/Schluck-Amend, <strong>GmbH</strong>, 4.Aufl. 2009, Rn.1.85ff. m.w.N.<br />

<strong>InsVZ</strong> 1·2009 35

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