Download - Bezirksjagdverband Regensburg eV
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Mein erster Gamsbock<br />
Unser Dom war nebelverhangen<br />
und der leichte Regen noch<br />
dazu, das machte ihn unsichtbar.<br />
Ich war wieder unterwegs<br />
in Richtung Wien, um einer Einladung<br />
auf Gams nachzukommen.<br />
Ein Freund von dort hatte<br />
mich im Mai schon auf einen<br />
Bock eingeladen. Oft sind solche<br />
Einladungen ja schnell ausgesprochen<br />
und wenn die Zeit<br />
da ist, schon wieder vergessen.<br />
Nicht so bei Engelbert. Sein<br />
Revier ist zwar nicht allzu groß,<br />
aber ein Paradies. Weit weg von<br />
jeglichem Tourismus und wohl<br />
behütet von staatlichen Forstbeamten.<br />
Ich fuhr auf der Autobahn in<br />
Richtung Wien bis St. Pölten, ca.<br />
60 km vor Wien bog ich dann<br />
nach Süden ab. Der Regen hatte<br />
mich bis fast hier her begleitet,<br />
mit einer Ausnahme, Kloster<br />
Melk. Hier war ein Loch in<br />
der Wolkendecke und die Sonnenstrahlen<br />
trafen genau die<br />
1000 Jahre alte Benediktiner-<br />
Abtei. Man hatte die Mauern<br />
frisch gelb gestrichen und nun<br />
leuchteten sie weit unter einem<br />
sonst grau-schwarzen Himmel.<br />
Der liebe Gott schaut wirklich<br />
auf sein Zeug. Das Radio hatte<br />
auch schon vereinzelt Schneefall<br />
angekündigt. Wir hatten ja<br />
fast Ende November. Um das<br />
Bild noch akustisch zu vollenden,<br />
spielte der österreichische<br />
Rundfunk gerade Szenen aus<br />
der Wolfsschlucht, Oper „Der<br />
Freischütz“ von Carl Maria von<br />
Weber.<br />
Bis Thürnitz waren es noch<br />
35 km. Das Wetter wurde nicht<br />
besser. Von den Bergen war<br />
nichts zu sehen. Treffpunkt war<br />
der „Schwarze Adler“ in Thyrnitz.<br />
In diesem Gasthof sagte<br />
man mir: „Da Dokta hot Zimmer<br />
bstoit.“ Das bedeutete,<br />
dass die untere Hütte nicht<br />
mehr mit dem Auto erreichbar<br />
war, von der oberen gar nicht<br />
zu sprechen. E. und sein Jäger<br />
kamen fast zur gleichen Zeit.<br />
Der Jäger hieß auch noch Jäger<br />
Hanns.<br />
„Es schneit jetzt ganz schön,<br />
da ist mit dem Mercedes nichts<br />
mehr zu machen“, so Engelberts<br />
Kommentar.<br />
Am nächsten Morgen fuhren<br />
wir mit zwei Autos los. Der VW<br />
schaffte es gerade noch bis zur<br />
unteren Hütte, aber E.s Merce-<br />
des war achsentief im Schnee<br />
versunken und nichts ging<br />
mehr und das 100 m vor dem<br />
Ziel. Über eine Stunde Be -<br />
mühungen, mit Schieben und<br />
Kettenmontage, waren erfolglos.<br />
Der Neuschnee hatte das<br />
große „Aus“ diktiert. E. nahm<br />
den VW um einen Traktor zu<br />
holen und wir bekamen die Or -<br />
der aufzusteigen.<br />
Wir waren an der unteren<br />
Hütte angelangt. Sie lag wunderbar<br />
geschützt am Ende eines<br />
kleinen Tales, rundum von mit<br />
Hochwald bestandenen Steilhängen<br />
umgeben und nur nach<br />
Süden offen. Ich fragte ganz<br />
schüchtern, ob es denn von hier<br />
einen Weg nach oben gäbe?<br />
Weg wäre da keiner, bekam ich<br />
zur Antwort, aber ein Steig sei<br />
da, nur könnte man den jetzt<br />
nicht sehen, da ein halber Meter<br />
Neuschnee drauf läge. Jäger<br />
Hanns ging dann sofort an eine<br />
Stelle, wo der Steig begann,<br />
lachte und sagte zu mir: „Iazt<br />
ziagst erscht amoi ois aus wost<br />
oh host.“ Somit kamen Pullover,<br />
Schal und Jacke in oder<br />
auf den Rucksack. Es blieb nur<br />
Hemd und Wetterfleck am Körper.<br />
Fast war alles nicht mehr<br />
unterzubringen, denn Kamera,<br />
Brotzeit, Thermos und eine<br />
Wäschegarnitur zum Wechseln,<br />
waren auch noch da. Es ging<br />
steil, um nicht zu sagen fast<br />
senkrecht, bergauf. Der Schnee<br />
rieselte leise. Es herrschte eine<br />
so andächtige Stille, dass man<br />
geradezu die Schneeflocken an<br />
den Bäumen an stoßen hörte.<br />
Jäger Hanns stieg vor mir oder<br />
nahezu über mir, langsam und<br />
bedächtig im Zickzack nach<br />
oben. Nach einer dreiviertel<br />
Stunde meinte ich, vielleicht<br />
sollte man ein paar Äpfel essen,<br />
dann würde der Rucksack um<br />
ein paar Pfund leichter. Hanns<br />
schüttelte ablehnend den Kopf<br />
und meinte, wir seien doch erst<br />
so kurz unterwegs, da könnten<br />
wir doch noch keine Pause einlegen.<br />
Schließlich fragte ich, ob<br />
wir den selben Weg wieder<br />
zurückkämen, dann hätte ich<br />
nämlich meinen Rucksack<br />
abgelegt. Das mit dem Rucksack<br />
hier lassen habe ich natürlich<br />
nicht kund getan. Zurück<br />
würden wir einen anderen Weg<br />
nehmen, denn der Abstieg wäre<br />
hier zu gefährlich. Der Ruck-<br />
26<br />
sack blieb also am Buckel, das<br />
Gewicht das Gleiche. Nach<br />
einer weiteren dreiviertel Stunde<br />
war ich entschlossen zu<br />
streiken, aber Hanns meinte, es<br />
wäre nicht mehr allzu weit und<br />
wir seien gleich oben, dann<br />
würde es eben werden. Man<br />
muss sich vorstellen, das war<br />
kein normales Steigen mehr,<br />
das war schon manchmal mehr<br />
ein Kriechen auf allen Vieren,<br />
fast klettern. Auf einmal war<br />
Hanns über mir verschwunden.<br />
Ich war bislang 20 m unter ihm<br />
gestiegen. Nun beeilte ich mich,<br />
den Anschluss wieder herzustellen.<br />
Die letzten Meter zog<br />
ich mich buchstäblich an den<br />
überhängenden Ästen hoch. Da<br />
war er wieder und es war eben<br />
geworden. Einen Trost hatte ich<br />
wenigstens, Hanns schwitzte<br />
genauso wie ich. Vor uns waren<br />
ganz frische Gamsfährten im<br />
Schnee. Diese waren höchstens<br />
10 Minuten alt und noch warm,<br />
wie man so schön sagt.<br />
Der Schneefall hatte aufgehört<br />
und es fing an aufzuklaren.<br />
Die Sonne zeigte sich und man<br />
konnte endlich sehen, wo man<br />
jagte.<br />
Wir hatten einige hundert<br />
Höhenmeter überwunden und<br />
nun tat sich vor uns eine steile<br />
Mulde auf. Ganz am Rande<br />
stand eine kleine Bodenhütte.<br />
Vor dieser Hütte zogen wir uns<br />
erst einmal aus. Der Wetterfleck<br />
diente als Stehunterlage. Unterhemd<br />
und Unterhose konnte<br />
man fast nicht ablegen, so klebten<br />
sie am Körper. Es war schon<br />
sehr frisch hier oben, so im<br />
Adamskostüm. Auch die<br />
Wäsche zum Wechseln war eiskalt,<br />
aber trocken. Als wir wieder<br />
angezogen waren, nun auch<br />
mit Pullover und Jacke, durchströmte<br />
uns bald eine wohlige<br />
Wärme.<br />
Hanns klappte den hinteren<br />
Teil der Hütte auf und wir stiegen<br />
hinein. Man konnte gerade<br />
zu zweit darin sitzen. Die<br />
Rucksäcke mussten draußen<br />
bleiben, nur die Jause und die<br />
Thermosflasche kam mit herein.<br />
Dann wurde die hintere Klappe<br />
zugemacht und die vordere<br />
geöffnet. Wir hatten einen herrlichen<br />
Rundblick. Unter uns die<br />
Mulde, oder das Kar, daran<br />
anschließend ein enges Tal mit<br />
Hochwald bis zur Baumgrenze,<br />
wo dann massive Felsen ins<br />
Bild kamen. All dies war von<br />
reinstem Weiß überzogen. Ein<br />
paar tiefe Wolken hingen noch<br />
über der Landschaft, die sich<br />
aber mit der stärker werdenden<br />
Sonne in nichts auflösten.<br />
Die Äpfel und das erste Brot<br />
mit Geselchtem schmeckten ausgezeichnet.<br />
Der Tee mit Rum,<br />
oder der Rum mit Tee, ließen uns<br />
die vorhergegangene Strapaze<br />
vergessen. Wir saßen noch keine<br />
halbe Stunde, als eine Gamsgeiß<br />
mit Kitz erschien. Ein herrlicher<br />
Anblick diese schwarzbraunen<br />
Tiere im Schnee, in der inzwischen<br />
strahlenden Sonne. Drum<br />
herum verschneite Felsen und<br />
vereinzelt Fichten, die unter der<br />
Last des Neuschnees noch ein<br />
wenig dunkles Grün zeigten. In<br />
diese Betrachtung hinein schoben<br />
sich plötzlich sieben weitere