Neue Szene Augsburg 2017-09
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung
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SPORT<br />
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<strong>2017</strong>/18<br />
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Jürgen Klopp hat mal gesagt, dass er oft erschrickt, wenn er sich selber<br />
im TV sieht. Du bist ja ein sehr impulsiver Präsident, ich würde sogar<br />
so weit gehen, dass es im Profifußball nur wenige Kollegen gibt, die mit<br />
so einem Fan-Gen ausgestattet sind wie du. Geht es dir manchmal auch<br />
wie Klopp?<br />
Ich weiß schon, wie ich im TV rüberkomme. Aber ich bin dann doch<br />
eher überrascht, weil ich es noch schlimmer erwartet habe. Doch ich arbeite<br />
an mir (lacht) und meine Wortwahl ist im Lauf der Zeit sicher gemäßigter<br />
geworden. Die Situation letztes Jahr im April und Mai hat allerdings schon<br />
extrem an mir genagt.<br />
Bist du sehr abergläubisch?<br />
Seltsamerweise nur, wenn es um den FCA geht, sonst gar nicht. Das<br />
macht sich auch bei der Wahl meiner Kleidung bemerkbar. Letzte Saison<br />
hab ich vor dem Initialspiel gegen den 1. FC Köln vormittags eine neue Hose<br />
gekauft und das hat auch funktioniert. Danach hab ich das Prozedere immer<br />
erfolgreich wiederholt. Wenn es immer so einfach ginge, dann wären meine<br />
Ausgaben gut investiert (lacht).<br />
Max Eberl, Manager von Borussia Mönchengladbach, kritisiert die lange<br />
Wechselfrist in Deutschland. Er spricht sogar vom „Betrug am Fan“, weil<br />
sich die Leute auch wegen bestimmten Spielern ihre Dauerkarten zulegen,<br />
die dann aber plötzlich weg sind. Mannschaftsfotos sind oft nur<br />
Makulatur, wenn Ende August sechs bis sieben Spieler gar nicht mehr<br />
im Kader sind. Muss man dieses Modell überdenken?<br />
Das hab ich letztes Jahr schon kritisiert, es ist eine unerträgliche Situation.<br />
Trainer können letztendlich gar nicht mehr vernünftig planen. Es gibt<br />
vielleicht weltweit zehn Clubs, denen das egal ist, weil sie finanziell unabhängig<br />
sind. Alle anderen Vereine können bis zum Stichtag am 31.08. gar<br />
kein Saisonziel formulieren. Max Eberl hat da zu tausend Prozent recht, in<br />
England denkt man da inzwischen schon weiter, dort wird konkret darüber<br />
nachgedacht, die Transferperiode am 01.08. zu schließen. Aber so etwas muss<br />
UEFA-übergreifend geschehen.<br />
Beim Team hat nach den etwas überraschenden Abgängen von Altintop,<br />
Bobadilla und vor allem von Verhaegh der Verjüngungsprozess unfreiwillig<br />
früher eingesetzt. Gerade die „Alten“ waren es, welche die Hebel<br />
kurz vor Saisonende noch einmal in Bewegung gesetzt haben.<br />
Ohne Frage, wir haben in den letzten zwölf Monaten mit Spielern wie<br />
Paul Verhaegh, Halil Altintop oder auch Tobi Werner wichtige Führungsspieler<br />
verloren und in jedem einzelnen Fall war deren Entscheidung auch nachvollziehbar.<br />
Ich hätte es natürlich liebend gern gesehen, wenn Verhaegh seine<br />
Karriere beim FCA beendet hätte, aber das sind nun mal Gründe, die wir<br />
verstehen. Ich widerspreche aber der weitläufigen Meinung, dass die Alten<br />
oder die Jungen den Karren aus dem Dreck gezogen haben. Es war vor allem<br />
die geschlossene Mannschaftsleistung und die Rückkehr von verletzten Spielern<br />
wie Gouweleeuw, Finnbogason, Caiuby oder Bobadilla. Wir haben kein<br />
Hierarchie-Problem.<br />
Same procedure as every year: Der FCA wird in den Sportgazetten als<br />
heißer Abstiegskandidat gehandelt. Selbst die 11 Freunde, die uns jahrelang<br />
so wohlwollend behandelt haben, sehen das so.<br />
Ich lese kaum noch Zeitungen, das ist verlorene Zeit. Wir haben den<br />
zweitkleinsten Etat in der Liga und keine Sondersituation wie beim HSV, der<br />
von einem Privatinvestor kräftig unterstützt wird oder beim VfB Stuttgart,<br />
der durch die Ausgliederung der Profis einen immensen finanziellen Aufschub<br />
bekommen hat. Es ist klar, dass der FCA und ein paar andere Clubs<br />
in Sachen Abstieg genannt werden. Und das ist auch nicht weiter schlimm,<br />
denn das sind wir gewohnt. Ich liege oft nachts im Bett und grüble, wer am<br />
Ende hinter uns bleiben wird. Aber es werden sicher noch Teams nach unten<br />
reinrutschen, die damit im Moment noch gar nicht rechnen.<br />
Dein Vorgänger Walther Seinsch attestiert dem FCA eine vorbildliche<br />
Arbeit, trotz allem muss man sich seiner Meinung nach auch mal auf<br />
einen Abstieg einstellen. Wie schlimm wäre es, wenn es tatsächlich einmal<br />
so kommen sollte?<br />
Wir beschäftigen uns jeden Tag damit. Finanziell würden wir einen<br />
Abstieg schon erst einmal verkraften, weil wir jahrelang super gewirtschaftet<br />
haben und weil wir nie größenwahnsinnig geworden sind. Für mich persönlich<br />
wäre ein Abstieg aber sehr schlimm, denn jeder Spieltag in der Bundesliga<br />
ist für den FCA ein Feiertag, was auch ein Verdienst von Walther Seinsch<br />
ist, keine Frage. Aber ich kenne ihn ja gut und ich möchte nicht wissen, wie<br />
es ihm gehen würde, wenn Preußen Münster von der 3. in 4. Liga absteigen<br />
würde. Aber ich weiß ja, wie er es meint.<br />
Du bist ein Präsident, der gerne mal Klartext über die Situation im Profifußball<br />
spricht. Legendär ist dein Satz: „Seit viereinhalb Jahren freue<br />
ich mich über jede Leipziger Niederlage und trinke darauf ein Bier.“ War<br />
leider ein sehr abstinentes Jahr für dich in der letzten Saison.<br />
Jaja, das stimmt (lacht). Es ist ja inzwischen anscheinend nicht mehr