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Colours of Happiness Die 5 Prinzipien erfolgreicher Veränderung - Dodo Kresse - Edition Summerhill - Blick ins Buch

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<strong>Colours</strong> <strong>of</strong> <strong>Happiness</strong><br />

<strong>Dodo</strong> <strong>Kresse</strong><br />

<strong>Die</strong> 5 <strong>Prinzipien</strong> <strong>erfolgreicher</strong> <strong>Veränderung</strong><br />

Nach einem Entwicklungsmodell von<br />

Univ.Pr<strong>of</strong>. DI Kurt Völkl und<br />

Dr. Heinz Peter Wallner<br />

<strong>Edition</strong> <strong>Summerhill</strong><br />

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INHALTSVERZEICHNIS<br />

Das Prinzip Anfang<br />

DANIEL FLIRTET MIT DEM ANFANG Seite 07<br />

<strong>Die</strong> Zeichen deuten Seite 11<br />

Das Prinzip Resonanz<br />

DANIEL KOMMT IN RESONANZ Seite 13<br />

Auf der Welle reiten Seite 19<br />

Das Prinzip Polarität<br />

DANIEL SCHMECKT POLARITÄTEN Seite 21<br />

<strong>Die</strong> duale Welt begreifen Seite 33<br />

Doppelte Entscheidung<br />

DANIEL TRIFFT EINE DOPPELTE ENTSCHEIDUNG Seite 35<br />

Mit dem Herzen entscheiden Seite 55<br />

Prinzip Wiederholung<br />

DANIEL WIEDERHOLT SEINE ENTSCHEIDUNG Seite 57<br />

Glück ist eine unaufhörliche Aufgabe Seite 61<br />

Zur Vertiefung Seite 64<br />

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Daniel flirtet mit dem Anfang<br />

In jeder Faser seines Körpers konnte er es spüren: das würde kein normaler Tag werden. Normal<br />

in dem Sinn, als er mit den vorherigen Tagen des Einerleis in eine Reihe zu stellen gewesen<br />

wäre. Dañiel streckte seinen Körper, gähnte und atmete tief ein. Es war ungewöhnlich still für<br />

acht Uhr. <strong>Die</strong> Sonne schickte einen Strahl beim Fenster herein, in dem aufgewirbelte Staubpartikel<br />

einer geheimnisvollen Choreographie folgten.<br />

Exakt fünfzehn Minuten reservierte er täglich für sein Morgenritual: fünf Minuten duschen,<br />

zwei Minuten zähneputzen, eine Minute gurgeln, fünf Minuten rasieren und zwei Minuten<br />

frisieren. Über dem stummen <strong>Die</strong>ner hing sein Anzug und das Hemd, das er gestern abend<br />

für den heutigen Tag bereit gelegt hatte. Sorgsam zog er sich an und entfernte mit einem Fusselroller<br />

drei Katzenhaare vom linken Hosenbein. Dann breitete er die Tagesdecke über das Bett,<br />

strich sie sorgfältig glatt, erfrischte die Luft mit einem Sprühstoß Desinfektionsspray und ging in<br />

die Küche. Als er eine Kapsel in die Kaffeemaschine drückte, hörte er plötzlich ein leises Rascheln<br />

aus der anderen Ecke des Zimmers. Doch es war nicht die Katze, wie er anfangs vermutete,<br />

denn sie lag eingerollt, mit geschlossenen Lidern, auf dem Klavierdeckel und rührte sich nicht.<br />

Angestrengt suchte er nach der Ursache des Geräusches und entdeckte ein weißes Kuvert, das<br />

auf dem Boden lag. Das hatte doch vorhin noch nicht hier gelegen oder doch? Verwundert öffnete<br />

er es, entnahm ihm einen Bogen Papier, faltete ihn auseinander und las eine einzige Zeile,<br />

die quer über das Blatt geschrieben stand: „Pfeif auf deine Gewohnheiten!“ Neugierig drehte<br />

er den Zettel um, es stand aber nichts weiter darauf. Hätte er denselben Satz als Post in der<br />

Timeline seines Facebook-Accounts gelesen, wäre ihm dazu nichts weiter eingefallen, er hätte<br />

genervt weitergescrollt und auf gehaltvollere Inspirationen geh<strong>of</strong>ft. Doch hier hatte sich jemand<br />

die Mühe gemacht und mit einem realen Bleistift (wer benutzt heutzutage noch einen Bleistift?)<br />

eine reale Aufforderung verfasst und leider nicht dazugeschrieben, wer derjenige sein sollte, der<br />

seinen Gewohnheiten-Tempel verlassen sollte. Genausowenig konnte er über die Identität des<br />

Absenders herausfinden. <strong>Die</strong> Rückseite des Kuverts war unbeschriftet und unter dem launigen<br />

Befehl stand keine Unterschrift. Und wenn Luise...? Er lächelte bei dem Gedanken an seine Frau.<br />

Sollte sie vielleicht? Nein, weder die Handschrift ähnelte der ihren, noch war sie der Typ zu anonymen<br />

Briefen. Obendrein war sie - so h<strong>of</strong>fte er - froh, dass er nicht zu den Männern gehörte,<br />

die auf irgendetwas pfiffen. Nachdenklich setzte er die Kaffeemaschine in Gang, den Brief in der<br />

Hand haltend. Mit einem Zischen lief der Kaffee in die Tasse und verbreitete angenehmen Duft.<br />

Normalerweise ging Dañiel an Montagen, wie dieser einer war, um halb acht <strong>ins</strong> Büro. Er<br />

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arbeitete als technischer Zeichner in einem Architekturbüro. Obwohl er seinen Job mochte, war<br />

er nun sehr froh, heute erst um neun beginnen zu müssen. Luise war zwei Stunden vor ihm aufgestanden<br />

und bereits <strong>ins</strong> Spital gefahren, wo sie als Krankenschwester arbeitete.<br />

In der Nacht hatte es zu schneien begonnen. Er sah aus dem Fenster. <strong>Die</strong> Weinberge vor Wien<br />

schliefen unter einem zuckrigen Teppich. Jedes Jahr fühlte er diese kindliche Freude über den<br />

ersten Schnee. Dazu gesellte sich heute ein neues Gefühl, das so gar nicht in seine Routine passen<br />

wollte. Er wußte es nicht recht zu deuten, es schien ihm wie die Ahnung eines „Anfangs“. <strong>Die</strong><br />

wunderbare, leicht nervöse Erregung des „Beginns“ nahm langsam von ihm Besitz. Dabei konnte<br />

er nicht ahnen, was heute seinen Anfang nehmen würde. Irgendwo, ganz hinten in den Katakomben<br />

seiner Erinnerungen, lag eine Sehnsucht verborgen, die sich nun, Schicht um Schicht,<br />

ans Licht arbeitete. Dañiel hatte das Gefühl, als würde sich der Tag vor ihm ausbreiten wie der<br />

Schnee, der auf den Hügeln lag: makellos und ohne Spuren. Nicht ein Wort, nicht ein Zeichen<br />

war zu lesen - nur ein Blatt Schnee voller Möglichkeiten.<br />

Sachte, wie auf Hasenpfoten, kam ihm der Gedanke, dass es nur an ihm liegen würde, wie<br />

und wodurch diese Unberührtheit von ihm belebt werden könnte. In den vergangenen Monaten<br />

hatte er <strong>of</strong>t daran gedacht, etwas völlig Neues zu beginnen. Er wollte sich an das Gefühl des Anfangs<br />

und der Frische schmiegen und nochmals einer überraschenden Leidenschaft begegnen,<br />

hatte sich aber dagegen gesträubt, denn er war glücklich mit Luise und führte ein zufriedenes<br />

Leben. An diesem Morgen aber klärte sich der ambivalente Zustand durch die Entdeckung, dass<br />

es gar nicht um eine Leidenschaft in diesem banalen Sinne ging. Etwas anderes wollte entdeckt<br />

werden. Mit dieser Beruhigung im Hinterkopf tastete er weiter: Wenn er nun tatsächlich seine<br />

Gewohnheiten ändern würde? Nur für heute? Einfach so?<br />

Er hielt inne und stellte den Kaffee, den er eben trinken wollte, wieder ab. <strong>Die</strong> Entscheidung,<br />

die Dañiel nun traf, sollte sein Leben verändern: Gut, dachte er, ändern wir also unsere Gewohnheiten.<br />

Er müsse gleich damit beginnen, sagte er sich, und statt des üblichen Espresso etwas<br />

anderes trinken. Nach kurzem Zögern öffnete er ein Regal und holte eine Dose hervor. Er wärmte<br />

etwas Milch und streute Kakaopulver hinein. Heiß dampfte die schokoladenduftende Milch in<br />

der Schale und er musste die Oberfläche anblasen, damit er sie trinken konnte. Überrascht von<br />

den angenehmen Empfindungen, die das Getränk in ihm auslöste, setzte er sich an den Küchentisch.<br />

Wann hatte er zuletzt Kakao getrunken? Als kleiner Junge? Er gr<strong>ins</strong>te, steckte den Brief in<br />

seine Hose, nahm seine Tasche und verließ das Haus.<br />

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Das Prinzip Anfang - die Zeichen deuten<br />

<strong>Die</strong> Magie des Anfangs bestimmt den weiteren Verlauf entscheidend mit. Wie fühlt sich das an, etwas zum<br />

„ersten Mal“ zu tun? Ist dabei nicht immer eine schnellerer Herzschlag, der Anflug von Freude und eine Art<br />

kindliche Heiterkeit zu verspüren? Das Abstreifen der bedrückenden Monotonie versetzt uns in wunderbare<br />

Leichtigkeit. Deshalb tut es so gut, etwas zum „ersten Mal“ zu tun, etwas zu entdecken, etwas zu beginnen. Was<br />

immer wir uns vornehmen, ein Vorhaben wird sich so entwickeln, wie wir es begonnen haben. Durch einen<br />

gut überlegten Anfang können wir die Chancen für eine gute Entwicklung deutlich erhöhen. Deshalb feiern<br />

wir den Jahresbeginn mit leuchtenden Raketen und Musik und unser neues Lebensjahr, indem wir Kerzen<br />

anzünden und uns neue Ziele überlegen. Jeder Neuanfang kann eine entscheidende Kursänderung für unser<br />

Leben bringen.<br />

Der Zauber des Anfangs und die Freude am Ende sind e<strong>ins</strong><br />

Was Sie vom Prinzip Anfang für unser Leben lernen können: Schenken Sie jedem Neuanfang, was immer Sie<br />

auch neu in Ihr Leben bringen wollen, ganz besondere Beachtung! Zelebrieren Sie den Neuanfang und freuen<br />

Sie sich auf einen guten Entwicklungsweg. Nutzen Sie den Neubeginn für eine Reflexion Ihrer bisherigen Entwicklung.<br />

Danach: durchatmen und neue Kraft für den Lebensweg schöpfen durch das Schmieden von Plänen<br />

und das Setzen neuer Ziele.<br />

Ein zweiter Aspekt des Prinzips Anfang führt uns zu unserer Intuition. Sind es nicht die allerersten Eingebungen,<br />

die ersten Gefühle, die allerersten Gedanken, die sich schlussendlich als die maßgeblichen herauskristallisieren?<br />

Wenn wir wieder lernen, unserer Intuition zu folgen, eröffnet sich eine Quelle der Weisheit für<br />

unser Leben. Vertrauen Sie dem ersten Gefühl, wenn Sie eine Beziehung beginnen, dem ersten Gedanken,<br />

wenn Sie eine Entscheidung treffen müssen und dem ersten Eindruck über einen Menschen.<br />

Sie verfügen mit Ihrer Intuition über ein Werkzeug, das Sie rasant mit jenem innerem Wissen versorgt, das<br />

Sie kaum in Büchern oder im Internet finden können. Lernen Sie wieder auf die ersten leisen Töne zu hören<br />

und vertrauen Sie auf Ihre ersten Gedanken. Und versuchen Sie, so <strong>of</strong>t wie möglich etwas Neues zu beginnen,<br />

das hält die Seele jung und den Geist elastisch.<br />

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DANIEL KOMMT IN RESONANZ<br />

<strong>Die</strong> Straßenbahn war gut geheizt, er saß bequem auf dem vordersten Sitz und betrachtete die<br />

winterliche Szenerie: Touristen strömten trotz Kälte schnatternd und gestikulierend Richtung<br />

Burggarten und Heldenplatz, ein paar Radfahrer fuhren den von Platanen gesäumten Ringradweg<br />

entlang, Kinder versuchten aus den spärlichen Schneemengen Schneebälle zu formen<br />

und einige junge Mädchen trugen immer noch sommerliche Ballerinas und litten sichtlich. Sie<br />

hüpften von einem Bein aufs andere, um sich halbwegs warm zu halten. Dañiel lächelte und<br />

dachte an seine Tochter, die gerade zu Besuch bei ihrer Tante in Berlin war. Auch seine Steffi fror<br />

draußen in Ballerinas und schwitzte im Haus in pelzigen Boots.<br />

<strong>Die</strong> Straßenbahn ruckelte, er betrachtete die Hausfassaden und Portallösungen, die langsam<br />

an ihm vorüberzogen. Da er im Büro gerade an einem Portal für ein Mehrfamilienhaus arbeitete,<br />

sah er sich die verschiedenen Eingänge der Häuser noch genauer an. Sein <strong>Blick</strong> blieb an<br />

einem Fenster hängen und ohne es zu wollen, beobachtete er hinter der Scheibe eine Gruppe von<br />

Menschen, die sich um ein Aktmodell versammelt hatten. Sein Interesse galt nicht dem Modell,<br />

sondern den Schülern, die vor ihren Staffeleien standen und mit geneigten Köpfen und ausgestreckten<br />

Daumen die Proportionen maßen. Ihre Gesichter waren gleichermaßen konzentriert<br />

wie entspannt. Trotz der Distanz konnte er sehen, wie einer einen gekonnten Strich auf seine<br />

Leinwand setzte und damit seine Figur zum Leben erweckte. Rechts neben der Biedermeier-<br />

Haustüre hing ein Schild, von dem er gerade noch die ersten Zeilen entziffern konnte, bevor die<br />

Straßenbahn wieder anfuhr und die Station verließ: „Kunstkurse - Öl - Acryl - Tempera“, darunter<br />

der Satz „Come as you are“ mit einem dicken Filzstift rasch dazugefügt. Er spürte eine leichte<br />

Zerrung im Nacken, als er sich nach dem Schild umdrehte, das nun kleiner und kleiner wurde.<br />

Nach einem <strong>Blick</strong> auf die Uhr sprang er zum Ausgang und drückte den Halte-Knopf. <strong>Die</strong> vorige<br />

Station war bloß zweihundert Meter entfernt, sodass er die Strecke bis zur Haustüre in ein paar<br />

Minuten wieder zurückgelegt hatte. Außer Atem kam er vor dem Fenster, in das er vorher hinein<br />

gestarrt hatte, zu stehen. Fasziniert betrachtete er das Treiben der Kunststudenten. Plötzlich sah<br />

er sich um und schämte sich für seine Indiskretion. Aber keiner der Passanten interessierte sich<br />

für ihn. Nochmals sah er auf die Uhr und musste feststellen, dass er, wenn er sich nun beeilte,<br />

gerade noch rechtzeitig <strong>ins</strong> Büro kommen würde. <strong>Die</strong> morgendliche Karte fiel ihm ein. Ganz gegen<br />

seine Liebe zur Pünktlichkeit entschloss er sich dazu, sein Smartphone herauszukramen und<br />

die Nummer seines Büros anzuwählen. Nachdem er der Sekretärin seine Verspätung bekannt<br />

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gegeben hatte, stieß er die Haustüre auf und folgte einem weiteren Schild, das den Malkurs im<br />

Mezzanin ankündigte.<br />

<strong>Die</strong> Vorzimmerdame des Ateliers übte sich im Yogasitz und schien zu meditieren. Als er<br />

nähertrat, öffnete sie langsam die Augen und sah ihn überrascht an: „Bitte?“<br />

Dañiel stotterte etwas von Kurs und Malen und wußte nicht recht, was er sagen sollte.<br />

„Wollen Sie sich e<strong>ins</strong>chreiben?“, fragte sie.<br />

„Naja“, sagte Dañiel und sah sie hilfesuchend an.<br />

Sie schob ihm ein Formular entgegen und bat ihn, es rasch auszufüllen. Dann könne er noch in<br />

den Kurs hinein, er hätte erst vor einer halben Stunde angefangen.<br />

„Ich habe nichts mit“, wandte Dañiel ein, doch die fürsorgliche Empfangsdame hatte ihm schon<br />

einen großen Skizzenblock, ein paar P<strong>ins</strong>el und einen Kasten mit Acrylfarbe in kleinen Tuben<br />

bereit gelegt.<br />

„Das macht nichts, mein Herr“, lachte sie, „für‘s erste werden sie damit klarkommen, wir<br />

sind hier nicht so streng. <strong>Die</strong> Ausrüstung für das nächste Mal steht auf dem Beiblatt aufgelistet.<br />

Am besten sie gehen dazu in einen der großen Künstlerbedarfsmärkte am Rande der Stadt.“<br />

Und ehe er es sich versah, stand er mitten unter den Malenden an einer Staffelei und versuchte,<br />

Körperproportionen halbwegs stimmig aufs Papier zu bringen. Seine Ausbildung kam ihm dabei<br />

durchaus zu Hilfe, in Sachen Perspektive war er ziemlich gut, doch sobald es um Farben ging,<br />

wußte Dañiel nicht weiter. „Schauen Sie genau hin“, empfahl der Pr<strong>of</strong>essor, „es gibt kein Hautfarben.<br />

<strong>Die</strong> Haut hat tausend unterschiedliche Farben. Da, wo die Adern verlaufen, geht sie <strong>ins</strong><br />

Bläulich-Grünliche, dort, wo sie von Pigmentflecken unterbrochen wird, <strong>ins</strong> Bräunliche, bei den<br />

Falten <strong>ins</strong> Umbra und dort, wo das Licht hinfällt, scheint sie geradezu unverschämt gelb, und am<br />

Rand hier, das sieht doch nach einem Türkis aus, was meinen Sie?“<br />

Dañiel nickte und runzelte die Stirn. Er sah genau hin und kniff die Augen zusammen.<br />

„So ist es gut“, lobte der alte Pr<strong>of</strong>essor, „und nun versuchen Sie ganz gezielt Farben zu<br />

verwenden, die sie nicht wirklich sehen, sondern eher fühlen. Etwa ein Violett hier an der Hüftkante<br />

und ein Orange am Oberschenkel entlang. Mischen Sie sorgfältig auf der Palette, solange,<br />

bis sie das Gefühl haben, dass sie die Farbe einfach unwiderstehlich finden. Sie haben mich schon<br />

richtig verstanden: Unwiderstehlich. Das ist wichtig. Sie müssen davon ganz durchdrungen sein.<br />

Sich fast ein bisschen lächerlich dabei vorkommen, wie begeistert sie in diesem Augenblick von<br />

ihrer Farbmischung sind. Nur dann wird es auch funktionieren.“ Der Pr<strong>of</strong>essor nahm ihm die<br />

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Palette aus der Hand, drückte etwas Preußischblau aus einer Tube darauf und holte sich etwas<br />

Grün dazu. Mit raschem P<strong>ins</strong>el zauberte er ein paar ungewöhnliche Farbfelder auf Dañiels Skizze<br />

und lachte leise: „Sehen Sie, was ich meine?“<br />

Dañiel sah beeindruckt auf seine Zeichnung und nickte.<br />

„Wir sind nicht mehr in der spanischen Inquisition, wo Farbverzicht etwas Frommes an<br />

sich hatte“, erklärte der Pr<strong>of</strong>essor weiter und zwinkerte mit den Augen:, „schalten Sie Ihr Gehirn<br />

aus und vertrauen Sie Ihrem Gefühl, dann kommt alles in Ordnung. Und legen Sie das Titanweiß<br />

aus der Hand. Jede Farbe wird damit milchig und unbrauchbar, heben Sie sich das auf - für ein<br />

paar Lichtreflexe am Schluss. Für das Mischen nehmen Sie am besten Zinkweiß, das ist verträglicher!“<br />

Während seiner Lehrjahre im Planungsbüro war Daniel regelmäßig mit dem Thema Farbe<br />

konfrontiert worden, hatte sich aber immer dagegen gewehrt. Es war ihm zu vielschichtig<br />

erschienen. Wenn man im Schwarzweiß-Bereich bliebe, mit ein paar Naturtönen gemischt, war<br />

man immer auf der sicheren Seite, ganz gleich worum es sich handelte. Ob es sich um Entwürfe<br />

für Package-Design, architektonische Besonderheiten, Grafiken, Einrichtungsstile oder Kleiderordnungen<br />

handelte - schlicht und puristisch bleiben hieß seine Maxime. Sogar seine Colorationen,<br />

die er manchmal bei technischen Skizzen eingesetzt hatte, wirkten seltsam unbunt. Doch<br />

plötzlich schien ihm diese E<strong>ins</strong>tellung feige und langweilig. Er begann rote und blaue Farbe auf<br />

seiner Palette zu mischen, fügte etwas Mischweiß dazu, ein bisschen Pink und nochmals Kardinalrot.<br />

<strong>Die</strong> Farbmischung glänzte und lockte, wurde immer röter und lebendiger, bis sie das<br />

zu sein schien, was der Pr<strong>of</strong>essor mit „unwiderstehlich“ betitelt hatte. Das nennt man wohl in<br />

Resonanz geraten, dachte Dañiel noch mit einem Rest von Sachlichkeit, bis ihn die Begeisterung<br />

vollends mitriss und kleine Entzückensseufzer ausstoßen ließ.<br />

„Was für eine Kraft hat doch dieses Kadmiumrot!“, flüsterte er zu sich selbst und tauchte<br />

die Borsten des P<strong>ins</strong>els erneut in den Batzen Farbe, „So dominant und lebendig, als wäre es reines<br />

Blut.“<br />

So fuhr er fort, kleine Inseln unwiderstehlicher Farben auf seiner Palette zusammen zu<br />

mischen und merkte kaum, wie die Zeit verflog.<br />

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