kompakt 7-9_2017
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FRAUEN<br />
Frauen sollen sich<br />
auf das Pensionssystem<br />
verlassen<br />
können<br />
Ulrike Ernstbrunner<br />
Vors. GPF-Frauen<br />
© foto-begsteiger.com<br />
Frauen profitieren nicht von höherem<br />
Pensionsantrittsalter<br />
„Frauen bekommen um 43 Prozent weniger Pension<br />
als Männer. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn<br />
man ihr Pensionsantrittsalter erhöht. Und auch von einem<br />
Ausbau der zweiten Säule würden sehr viele Frauen<br />
kaum profitieren: In den Zeiten der Kinderbetreuung<br />
oder der Arbeitslosigkeit würde ja niemand für ihre Betriebspension<br />
einzahlen“, sagt Renate Anderl, ÖGB-Vizepräsidentin<br />
und Frauenvorsitzende, anlässlich der Vorschläge<br />
von Bernd Marin im Ö1-Morgenjournal.<br />
Es sei sehr zu begrüßen, dass sich immer mehr Parteien<br />
von der Idee verabschieden, das Frauenpensionsalter<br />
schneller zu erhöhen, als das ohnehin gesetzlich fixiert<br />
ist: stufenweise ab 2024. „Die Zeit bis dahin müssen wir<br />
für jene Maßnahmen nutzen, die die Frauenpensionen<br />
wirklich erhöhen. Das sind auf der einen Seite Reformen<br />
direkt im Pensionssystem, vor allem aber am Arbeitsmarkt<br />
und in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik“,<br />
sagt Anderl.<br />
„Frauen können übrigens auch nach derzeitiger<br />
Rechtslage bis 65 oder noch länger arbeiten und erst<br />
dann in Pension gehen“, erinnert Anderl. Sie verweist<br />
außerdem darauf, dass es dank der Judikatur den Arbeitgebern<br />
nicht erlaubt ist, Frauen aufgrund der Erreichung<br />
des niedrigeren gesetzlichen Antrittsalters zu kündigen.<br />
Niedrige (Teilzeit-)Einkommen<br />
führen zu Altersarmut<br />
Im Pensionsrecht muss klargestellt werden, dass für<br />
die Zeiten der Kindererziehung höhere Gutschriften auf<br />
das Pensionskonto gutgeschrieben werden. Ein weiterer<br />
Grund für weibliche Altersarmut ist, dass Frauen häufig<br />
Teilzeit arbeiten und entsprechend wenig verdienen –<br />
und dass sie auch bei Vollzeit noch immer um ein Fünftel<br />
weniger verdienen als Männer. Anderl: „Frauen arbeiten<br />
also einen Tag in der Woche gratis. Das wirkt sich natürlich<br />
auf die Pensionshöhe aus.“<br />
Fünf Jahre später in Pension bedeutet<br />
nicht, fünf Jahre länger einen Arbeitsplatz<br />
zu haben<br />
Natürlich stimmt es, dass fünf Jahre länger arbeiten<br />
auch für eine entsprechend höhere Pension sorgen würde.<br />
„In der derzeitigen Arbeitsmarktlage würde aber für<br />
viele Frauen ein höheres gesetzliches Pensionsantrittsalter<br />
bedeuten, fünf Jahre länger arbeitslos zu sein“, warnt<br />
Anderl. Gerade bei den über 50-jährigen Frauen ist die<br />
Arbeitslosigkeit sehr hoch. Auch Wifo-Pensionsexpertin<br />
Christine Mayerhuber hat vor kurzem im „Standard“ darauf<br />
hingewiesen, dass diese Gruppe nichts von einem<br />
höheren Pensionsalter haben würde.<br />
Kinderbetreuung ausweiten,<br />
für Arbeitsplätze sorgen<br />
„Das Angebot an Kinderbildungseinrichtungen muss<br />
– besonders am Land – dringend ausgebaut werden, damit<br />
Mütter die Möglichkeit bekommen, Vollzeit zu arbeiten<br />
oder zumindest ihre Arbeitsstunden aufzustocken“,<br />
fordert Anderl: „Und die Wirtschaftspolitik sowie die Arbeitsmarktförderung<br />
müssen alles daran setzen, dass<br />
sich Österreich wieder der Vollbeschäftigung nähert. Davon<br />
profitieren Frauen, nicht von weiteren Sparmaßnahmen<br />
im Pensionsrecht.“<br />
Nr. 7–9 / <strong>2017</strong><br />
gpf <strong>kompakt</strong> 11