2017_2_franziskaner
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Widerspruch vermieden werden, und auch sachliche Einreden<br />
und Korrekturen finden kaum statt, weil der Zusammenhalt der<br />
Gruppe, der Korpsgeist, immer wichtiger ist.<br />
Neben der Funktion des Internets als zentralem Kommunikationskanal<br />
gibt es auch bestimmte Gruppierungen, die Kongresse<br />
abhalten, die als große Heerschau dienen, wo man sich dann<br />
auch Face-to-Face sieht und Verabredungen trifft.<br />
Dann gibt es das Forum Deutscher Katholiken, in dem man eine<br />
Häufung von Rechtskatholiken erleben kann, neben anderen, die<br />
einfach nur traditionell fromm und konservativ sind; aber doch<br />
auch einige, die durch eine gewisse Nähe zu Rechtspopulisten,<br />
zu Putin oder zur AfD aufgefallen sind.<br />
Was wäre nötig, um dem Rechtspopulismus und dem mit ihm<br />
verbündeten Rechtskatholizismus in Deutschland erfolgreich<br />
entgegentreten zu können?<br />
Wichtig wäre aus meiner Sicht, die Sozialethik nicht als ein im<br />
Grunde unbedeutendes theologisches Nebenfach zu begreifen.<br />
Jesus ist zwar nicht für ein politisches Programm angetreten, aber<br />
es ist selbstverständlich, dass die christliche Lehre politische<br />
Konsequenzen hat. Wenn ich sage, »was ihr dem geringsten meiner<br />
Brüder getan habt, das habt ihr mir getan«, dann muss ich<br />
mich natürlich auch in meinem Tun um die Bestandsvoraussetzungen<br />
eines humanen politischen Systems sorgen. Die Kirche<br />
hat hierfür ja mit ihren Sozialprinzipien »Personalität, Solidarität,<br />
Subsidiarität, Gemeinwohl, Nachhaltigkeit« auch ein Instrumentarium.<br />
Ich meine, das gehört zum Tafelsilber der Theologie und<br />
ist keine Nebenspielwiese, die man vernachlässigen kann.<br />
Der im vergangenen Monat veröffentlichte<br />
Essayband unseres Interviewpartners setzt<br />
sich mit den Versuchungen einer<br />
schrumpfenden katholischen Kirche<br />
auseinander und bricht eine<br />
Lanze für die Ökumene.<br />
Andreas Püttmann<br />
Wie katholisch ist Deutschland …<br />
… und was hat es davon?<br />
Bonifatius, 16,90 €, ISBN 978-3-89710-712-0<br />
Die sozialethischen Kriterien für das politische Handeln müssen<br />
klar herausgearbeitet werden. Dass man für Flüchtlingshilfe und<br />
gegen Antisemitismus und gegen Rassismus ist, ist selbstverständlich.<br />
Aber was man speziell nacharbeiten muss, ist etwas,<br />
was ich in aller Vorsicht »Theologie der Demokratie« nennen<br />
würde: dass ein politisches System aus katholischer Sicht sich<br />
nicht vor allem dadurch legitimiert, was es an katholischen Gesetzen<br />
hervorbringt. Sondern dass die Demokratie – selbst wenn<br />
sie gelegentlich unchristliche Gesetze hervorbringt – als korrekturfähiges<br />
System, das den Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt<br />
stellt, einen Eigenwert hat, der der christlichen Anthropologie<br />
nähersteht als alle anderen Gesellschaftssysteme.<br />
Hier müsste die Kirche noch etwas deutlicher werden.<br />
Wichtig wäre zudem die Verstärkung der politischen Bildungsarbeit<br />
in den zahlreichen kirchlichen Bildungseinrichtungen.<br />
Hier besteht ein großer Bedarf, wenn man<br />
sich die Untersuchungen zur Politikverdrossenheit anschaut<br />
oder zur Haltung gegenüber unserem repräsentativen<br />
System, zur Gewaltenteilung.<br />
Was sind die schönsten Früchte des Christentums, gleichsam<br />
seine DNA? »Empathie, Demut und Gelassenheit«.<br />
Was sind die hervorstechendsten Eigenschaften des<br />
Rechtspopulismus? »Empathielosigkeit, rabiater, individueller<br />
oder kollektiver Egoismus und Sozialdarwinismus,<br />
Hybris und Daueraufgeregtheit«. Man kann den Rechtspopulismus<br />
beschreiben als nahezu vollständige Leugnung<br />
eines christlichen Selbstverständnisses oder einer christlichen<br />
Tugendethik.<br />
Dies deutlich herauszuarbeiten, wäre aus meiner Sicht<br />
Aufgabe kirchlicher Bildungsarbeit.<br />
Sollten Kirche und Christen mit der AfD sprechen?<br />
Man sollte kein Podium für die AfD bieten. Das heißt,<br />
einerseits Dialogbereitschaft zu zeigen, wenn etwa AfD-<br />
Parla mentarier beim katholischen Büro anklopfen und<br />
sprechen wollen, dann soll man mit ihnen sprechen. Genau<br />
wie jeder Katholik und jeder Protestant mit Freunden, im<br />
Bekanntenkreis, in der Verwandtschaft sein Zeugnis geben<br />
muss und nicht nur sein Glaubenszeugnis, sondern auch<br />
sein ethisches Zeugnis. Also keine Dialogverweigerung!<br />
Aber man muss einer solchen Partei nicht neue Räume<br />
für die Verbreitung ihrer »Wahrheiten« eröffnen in der<br />
Hoffnung, man werde sie schon entzaubern. Die Vorstellung,<br />
man müsse sie nur einmal öffentlich beim Katholikentag<br />
reden lassen und dann seien sie demaskiert, ist völlig<br />
naiv und unterschätzt massiv das demagogische Potenzial<br />
dieser Leute.<br />
Ich halte es zudem für wichtig, dass konservative Katholiken<br />
und Protestanten im kirchlichen Mainstream nicht an den<br />
Rand gedrängt werden. Ich habe das früher auch selbst<br />
erfahren, als eher konservativer Vertreter. Es wurde nach<br />
dem Motto verfahren: »Wer einmal beim Forum Deutscher<br />
Katholiken gesprochen hat, ist verstrahlt und taugt nicht<br />
mehr als Referent.« Solche Ausgrenzungsmechanismen<br />
gegenüber Konservativen treiben diese Leute, die eigentlich<br />
gar nicht rechtskonservativ oder rechtsradikal werden<br />
müssten, in die Hände der politischer Rattenfänger. n<br />
interview und bearbeitung: thomas meinhardt (60)<br />
Der Redakteur des Franziskaner ist<br />
Diplom-Soziologe und lebt in Idstein im Taunus<br />
Das vollständige Interview mit Dr. Andreas Püttmann<br />
33www.zeitschrift.<strong>franziskaner</strong>.de<br />
16 rechtspopulismus