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I NTERGOUVERNEMENTALE SICHT INTERNATIONALER KOOPERATION 33<br />

Blick auf das so erweiterte Verständnis von Regieren stellt sich die Frage nach<br />

seiner demokratischen Qualität sowie nach der Problemlösungsfähigkeit der EU<br />

(Jachtenfuchs 2000). Trotz einiger Gemeinsamkeiten nationalen und transnationalen<br />

Regierens fehlt im letztgenannten der »Schatten der Hierarchie«. Er<br />

diente im Nationalstaat als Korrektiv, mit dem sich auch bei delegierten Entscheidungen<br />

Gemeinwohlorientierung statt partikularistischer Interessenpolitik<br />

einfordern ließ. Dagegen ignoriert der Governance-Ansatz allzu leicht die<br />

ungleich verteilten Einflusschancen verschiedener Interessen und die privilegierte<br />

Teilnahme durchsetzungsstarker Gruppen in Entscheidungsnetzwerken<br />

(Jachtenfuchs 2001: 258).<br />

Nachdem zuerst die Integrationsursachen beherrschendes Thema der Europaforschung<br />

waren, dann die Funktionsweise des politischen Mehrebenensystems,<br />

richtet sich die Aufmerksamkeit seit einigen Jahren auf die Rückwirkung<br />

der Integration auf die Mitgliedstaaten. Wie verändern sich nationale policies,<br />

politics und polities durch die Integration? Die nationalen Effekte der Integra tion<br />

bezeichnet der Begriff »Europäisierung«. 5 In einer Fülle von Studien wird untersucht,<br />

welche Anpassungen sich in den Mitgliedstaaten als Reaktion auf den<br />

Integrationsprozess vollziehen. 6 Während die Integrationstheorie durch eine<br />

Bottom-up-Perspektive bestimmt war – der Transfer von Entscheidungsbefugnissen<br />

von der nationalen auf die europäische Ebene –, verfolgen Europäisierungsstudien<br />

einen Top-down-Ansatz. 7 Dabei vernachlässigen sie ihrerseits die<br />

Ursachen für die logisch und zeitlich vorangegangene Integration (Eising 2003:<br />

409). Erst in jüngster Zeit wird der Zusammenhang zwischen Integra tion und<br />

Europäisierung erneut thematisiert (Börzel 2003). So untersucht Leiber (2005)<br />

die Auswirkung der Sozialpartnereinbindung sowohl in die Formulierung (bottom-up)<br />

als auch die Umsetzung (top-down) europäischer Richtlinien.<br />

Im Folgenden soll argumentiert werden, dass es eine wechselseitige Bedingung<br />

zwischen der Integration und ihrer Wirkung gibt. Erstens entscheidet die<br />

Wahl des Politikinstruments über die Stärke möglicher Effekte. Mit ihr werden<br />

5 In der Literatur wird dieser Begriff unterschiedlich gebraucht. Hier wird Eisings (2003: 396)<br />

Definition gefolgt: »Ich verwende im Folgenden den Begriff der Europäischen Integration für den<br />

Aufbau und die Entwicklung europäischer Institutionen und Politiken, weil er dafür bereits etabliert<br />

ist. … Der Begriff der Europäisierung verweist auf die Auswirkungen dieses Integrationsprozesses<br />

auf nationale Akteure, Strukturen und Prozesse« (Hervorhebungen im Original).<br />

6 Exemplarisch: Ladrech (1994), Knill/Lehmkuhl (1999), Börzel/Risse (2000), Goetz/Hix<br />

(2000), Dyson (2000) und Haverland (2003).<br />

7 Dabei bedeutet Europäisierung aber nicht – etwa in Analogie zu »Japanisierung« oder »Amerikanisierung«<br />

–, dass die Mitgliedstaaten auf ein einheitliches europäisches Modell konvergieren,<br />

da erstens ein solches Modell nicht existiert und zweitens nationale Anpassungen sich durchaus<br />

unterscheiden. Weshalb der Begriff trotz seines kontraintuitiven Gehalts verwendet wird, geht<br />

aus der Literatur nicht hervor.

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