20.11.2017 Aufrufe

download - Campus Verlag

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

I NTERGOUVERNEMENTALE SICHT INTERNATIONALER KOOPERATION 43<br />

allgemeinern ließ und die aufwändige Harmonisierung rechtlicher Vorschriften<br />

als Vorbedingung des Binnenmarktes erübrigte. Wechselseitige Anerkennung<br />

konnte von der Kommission und Liberalisierungsbefürwortern als fokaler Punkt<br />

genutzt werden, um ihre Interessen durchzusetzen. In dieser Sicht besteht kein<br />

Gegensatz zwischen Ideen und Interessen, sondern eine enge Verbindung:<br />

More generally, the force of ideas is neither random nor independent. Only certain ideas have<br />

properties that may lead to their selection by political actors and to their institutionalization<br />

and perpetuation. It is not something intrinsic to ideas that gives them their power, but their<br />

utility in helping actors achieve their desired ends under prevailing constraints. Given the<br />

complexity and uncertainty of most political economic interactions, appropriate ideas may<br />

serve as pivotal mechanisms for coordinating expectations and behavior.<br />

(Garrett/Weingast 1993: 178)<br />

Neo-gramscianische Autoren verbinden ausdrücklich Ideen (hier eher als Ide ologien<br />

verstanden) und Macht. Sie begreifen die europäische Integration als Herausbildung<br />

einer neuen »Gesellschaftsformation« (Bieling/Deppe 2003: 520–521).<br />

Die Hegemonie wirtschaftsliberaler Ideen mündet im »neuen Konstitutionalismus«<br />

(Gill 1998), der eine Abkehr vom alten Integrationsprojekt be deutet, in<br />

dem nationale Entwicklungspfade und Wohlfahrtsstaatsmodelle noch abgesichert<br />

waren. Seit der EEA können immer weniger Politikfelder dem Wettbewerbsdruck<br />

entzogen werden (Ziltener 1999: 57). Die Sozialpolitik wird zunehmend<br />

zum Standortfaktor (Deppe/Felder/Tidow 2000: 36). Ideen dienen in<br />

diesem Verständnis der Legitimierung einer einseitigen Interessenpolitik.<br />

Eine dreigliedrige Unterscheidung von Ideen treffen Goldstein und Keohane<br />

(1993: 8–11). Sie nennen »world views«, »principled beliefs« und »causal<br />

beliefs«. Die ersten beiden Arten von Ideen betreffen grundlegende kulturelle<br />

Interpretationsschemata und normative Überzeugungen, die über lange Zeiträume<br />

stabil sind. Sie bilden den Rahmen interessengeleiteten Handelns. Der dritten<br />

Kategorie, causal beliefs, kommt in diesem Buch am meisten Bedeutung zu.<br />

Sie sind »cause-effect relationships« (Goldstein/Keohane 1993: 10), also vermutete<br />

Wirkungszusammenhänge, die zweckrationales Handeln anleiten. Die<br />

Bretton-Woods-Architekten unterschieden sich grundlegend in ihrem Verständnis<br />

ökonomischer Wirkungszusammenhänge von den Teilnehmern des Delors-<br />

Komitees, in dem die Vorlage für die Europäische Währungsunion erarbeitet<br />

wurde. In beiden Fällen gab es eine starke Konvergenz der causal beliefs in von der<br />

Öffentlichkeit abgeschotteten Expertengemeinschaften. Solche »epistemische<br />

Gemeinschaften« können, so das Argument von Haas (1992), in schwierigen<br />

Problemfeldern die Kooperation erleichtern, weil sie eine entpolitisierte, technische<br />

Sicht der Problemlösung anbieten. Wenn der oben erwähnte »Schatten<br />

der Ungewissheit« über Entscheidungen liegt, gewinnt der Rat wissenschaftlicher<br />

Experten an Bedeutung.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!