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Immobilien<br />
war noch geschockt, als ich ihr sagte:<br />
„Scherben bringen Glück. Einigen wir<br />
uns auf 74.000 Euro, und ich bezahle den<br />
Schaden.“ Gesagt, getan, und per Handschlag<br />
hatte ich den Kauf meiner ersten<br />
Wohnung besiegelt.<br />
Zu Weihnachten 2005 war ich in Colorado<br />
Skifahren. Yahoo war damals noch die<br />
führende Informationsplattform, und als<br />
ich die Finanznachrichten durchsah, entdeckte<br />
ich folgende Schlagzeile: „Deutsche<br />
Bank closes German Real Estate<br />
Fund: Big Problems in German Real Estate<br />
Market.“ Ich dachte mir: Wo es Probleme<br />
gibt, sind gute Geschäfte zu machen. Da<br />
ich während meiner Zeit bei McKinsey in<br />
Frankfurt gelebt hatte, fiel meine Wahl<br />
bei „German Real Estate“ auf Frankfurt.<br />
Auch die Eckdaten von Frankfurt sind gut:<br />
starke Wirtschaft, EZB, viele Banken, großer<br />
Flughafen und großer Bahnhof, also<br />
eine reiche Stadt mit wenig Platz und bester<br />
Verkehrsanbindung. Ich pilgerte somit<br />
Anfang 2006 regelmäßig nach Frankfurt,<br />
um Wohnungen zu besichtigen.<br />
Ein obskurer Makler rief mich im April<br />
2006 an, er hätte interessante Immobilien<br />
in Frankfurt. Zehn kleine Wohnungen plus<br />
vier Stellplätze, mit 48.000 Euro Jahresmiete<br />
für 480.000 Euro Kaufpreis. Nach<br />
den Wohnungsbesichtigungen folgte der<br />
Termin mit der Eigentümerin – wieder<br />
eine ältere Dame, die in einem Apartment<br />
im noblen Frankfurter Westend residierte,<br />
und den Makler und seinen vierbeinigen<br />
Riesen mit Verachtung bedachte. Laut ihren<br />
Ausführungen musste sie sehr wohlhabend<br />
sein, sie erzählte von Reisen mit<br />
der Concorde und von Safaris in Namibia.<br />
Ich hatte so meine Zweifel an diesen Erzählungen.<br />
Die Wohnung war nämlich<br />
auffallend kalt und leer, es sah aus, als<br />
wäre schon ein Gerichtsvollzieher da gewesen.<br />
Zudem knurrte der<br />
Hund des Maklers regelmäßig,<br />
wenn die Dame ihre Geschichten<br />
zum Besten gab.<br />
Nach mehrstündigen Gesprächen,<br />
oder besser gesagt<br />
Monologen der Verkäuferin<br />
sowie einiger weniger<br />
Wortwechsel über die Wohnungen,<br />
einigten wir uns auf<br />
den Kaufpreis. 4<strong>40</strong>.000 Euro,<br />
das entsprach elf Prozent<br />
Mietrendite. Bei Bankzinsen von 4,5 Prozent<br />
für den Kredit war das ein gutes Geschäft.<br />
Dass ich mit meiner Einschätzung<br />
über die finanzielle Lage der Dame richtiggelegen<br />
hatte, sah ich in der Kaufpreisfälligkeitsmitteilung<br />
des Notars. 439.700<br />
Euro mussten an die Bank der Verkäuferin<br />
gezahlt werden, 300 Euro an die Verkäuferin.<br />
Nun war ich Eigentümer von insgesamt elf<br />
Wohnungen. Es gab zwar immer wieder<br />
Ärger mit den Mietern, aber die Horrorgeschichten,<br />
die mir Verwandte, Bekannte<br />
und auch manche Banker über Immobilien<br />
erzählt hatten – im Jahr 2006 waren Immobilien<br />
immer noch nicht sexy und viele<br />
Banken sahen sie als relativ risikobehaftet<br />
an – traten nicht ein. Also ließ ich über<br />
mein Büro weitere Frankfurtreisen organisieren,<br />
besichtigte am Tag acht bis zehn<br />
Wohnungen und<br />
kaufte jene, die<br />
sich am meisten<br />
rechneten. Der<br />
Kauf von Wohnungen<br />
mit acht<br />
bis zehn Prozent Mietrendite in zentraler<br />
Stadtlage erschien mir ein lohnendes Geschäft<br />
zu sein: Die Miete tilgte den Kredit,<br />
die Nachfrage nach Wohnungen in<br />
Frankfurt sowie die Mieten waren hoch,<br />
und nach 15 bis 20 Jahren waren die<br />
Wohnungen abbezahlt und erwirtschaften<br />
passives Einkommen. Ich kalkulierte<br />
eigentlich kaum Wertsteigerungen in meine<br />
Investments ein und dachte nicht im<br />
Traum daran, welchen Boom der Immobilienmarkt<br />
in Deutschland noch erleben<br />
würde.<br />
»Wo es Probleme gibt, sind<br />
gute Geschäfte zu machen.«<br />
Bei den vielen Besichtigungen fiel mir<br />
auf, dass die meisten Makler weder Wissen<br />
noch Benehmen hatten. Es gab positive<br />
Ausnahmen wie eine elegante ältere<br />
Dame, die mich mit ihrem Jaguar durch<br />
Frankfurt chauffierte und der ich einige<br />
Wohnungen im dortigen Nordend abkaufte.<br />
Aber es gab auch Makler, die beschimpften<br />
mich wegen meiner niedrigen<br />
Kaufangebote, viele kamen zu spät, und<br />
kaum einer hatte auch nur einen Hauch<br />
von Wissen über das Immobiliengeschäft.<br />
Dafür waren schlecht sitzende Anzüge<br />
und Arroganz oft an der Tagesordnung.<br />
Im Herbst 2008 kam die Finanzkrise.<br />
Die Börsen sowie der Immobilienmarkt<br />
in vielen Ländern kollabierten,<br />
und fast jede Aktivität an den Finanz-<br />
und Investmentmärkten wurde<br />
kurzfristig gestoppt. Nach einer<br />
kurzen Verschnaufpause, in der ich<br />
die Ergebnisse an den Finanzmärkten<br />
verdaute, machte ich mich auf<br />
den Weg nach Frankfurt und London, um<br />
richtig günstige Immobilien im Zentrum<br />
der Städte zu finden. Allerdings wurde<br />
ich sehr schnell enttäuscht und von den<br />
lokalen Maklern eines Besseren belehrt:<br />
Immobilienpreise fallen vielleicht in Spanien,<br />
Irland oder Florida, aber Immobilien<br />
in Toplagen behalten ihren Wert auch in<br />
Krisenzeiten.<br />
Was Investmentbanking mit Immobilien<br />
zu tun hat<br />
Nach der Finanzkrise wurden Immobilien<br />
auch im Investmentbanking plötzlich bedeutsam.<br />
Viele Unternehmen benötigten<br />
Kapital, und die im Besitz des jeweiligen<br />
Unternehmens befindlichen Liegenschaften<br />
waren oft die einzige Möglichkeit, an<br />
Kapital zu kommen, ohne sich den Raubritterkonditionen<br />
von „Vulture Funds“<br />
und anderen Heuschrecken beugen zu<br />
müssen. Obwohl ich im Jahr 2009 nur ein<br />
begrenztes Wissen über Immobilien hatte,<br />
erkannte ich schnell, dass selbst dieses bescheidene<br />
Wissen mehr war als das, was<br />
die meisten Investmentbanker hatten.<br />
Immobilienbewertung, Immobilienverkauf<br />
und Immobilienvermietung hingegen<br />
waren üblicherweise das Revier von<br />
Immobilienmaklern, die wiederum wenig<br />
Ahnung von komplexen Unternehmensfinanzierungen<br />
und Strukturen hatten.<br />
Natürlich gab es auch Real Estate Investmentbanking-Abteilungen<br />
in den großen<br />
Banken, diese arbeiteten aber nur für sehr<br />
große Unternehmen.<br />
Nach kurzem Nachdenken war mir klar,<br />
dass die Kombination von Investmentbanking<br />
und Immobilien-Knowhow für<br />
mittelständische Unternehmen eine interessante<br />
Marktnische war, mit relativ<br />
wenig Wettbewerb. Bei Immobilientransaktionen<br />
geht es meistens um viel<br />
Geld, entsprechend attraktiv sind die<br />
Provisionen und Honorare, zudem gibt<br />
es für Immobilien eine Vielzahl von Finanzierungsmöglichkeiten.<br />
Ebenso spielen<br />
bei vielen Unternehmen die Qualität der<br />
Mietverträge (Laufzeit, Mieterhöhungen<br />
oder Kündigung bei Gesellschafterwechsel,<br />
Instandhaltungsregeln etc.) eine ganz<br />
wesentliche Rolle bei der Unternehmensbewertung:<br />
Eine Restaurantkette mit aus<br />
Mietersicht attraktiven Mietverträgen mit<br />
Weitergaberecht kann sehr viel Geld wert<br />
sein. Dieselbe Restaurantkette, bei der bei<br />
Gesellschafterwechsel die Mieten deutlich<br />
angehoben oder die Mietverträge gekündigt<br />
werden können, kann gar nichts<br />
wert sein. Ich spezialisierte mich daher<br />
auf diesen Bereich, zumal ich ohnedies<br />
einen signifikanten Teil meines Vermögens<br />
in Immobilieninvestments hatte.rteil<br />
für das Investmentbanking-Geschäft: Die<br />
Transaktionsgrößen werden schnell relativ<br />
groß, da das Immobiliengeschäft zu<br />
den kapitalintensivsten Märkten gehört,<br />
sieht man einmal von Infrastruktur und<br />
Biotech ab.<br />
SACHWERT MAGAZIN 1/2018 33