VDV Das Magazin Ausgabe November 2017
Das Verbandsmagazin des VDV ist die redaktionelle Plattform für Unternehmen des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland. Konzept und Realisierung: AD HOC PR, Gütersloh.
Das Verbandsmagazin des VDV ist die redaktionelle Plattform für Unternehmen des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland.
Konzept und Realisierung: AD HOC PR, Gütersloh.
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Schutzgebühr: 3,20 Euro<br />
Was uns bewegt. Wen wir bewegen. <strong>Ausgabe</strong> <strong>November</strong> <strong>2017</strong><br />
Weichen stellen<br />
Wie Deutschland 2030 klimaschonend<br />
und verlässlich mobil sein kann Seite 6<br />
ÖPNV in Wien: Örtliche Abgabe<br />
treibt den Ausbau voran<br />
Seite 12<br />
Auf App-Ruf: In Duisburg<br />
kommt der Bus bei Bedarf<br />
Seite 20<br />
Karlsruhe: Seit 25 Jahren per<br />
Tram zwischen Stadt und Land<br />
Seite 22
6 Verkehrswende: Was die Branche<br />
von der Bundesregierung fordert<br />
20 Bus on demand: Duisburg testet<br />
einen nachfragebasierten ÖPNV.<br />
16 Weltklimakonferenz: Saubere Busse<br />
verkehren im Shuttledienst.<br />
22 Karlsruher Erfolgsmodell: Tram-Trains<br />
verbinden Stadt und Land seit 1992.<br />
12 U-Bahn-Steuer: Wie der Wiener<br />
ÖPNV finanziert wird<br />
3 Editorial<br />
Der Einstieg in die Verkehrswende<br />
muss jetzt kommen.<br />
4 <strong>VDV</strong> im Bild<br />
Gesucht: Deutschlands beste Fahrer<br />
6 Titelstory<br />
Verkehrswende: Die Zeit ist reif für<br />
mehr ÖPNV und Eisenbahnen.<br />
12 Grenzenlos<br />
Finanzspritze für Wiens ÖPNV<br />
16 Aktuell<br />
Mission Weltklima: Clean Shuttle<br />
befördert Konferenzteilnehmer.<br />
20 Aktuell<br />
Projekt in Duisburg: Am Wochenende<br />
kommt der Bus auf Abruf.<br />
2 05 | <strong>2017</strong>
EDITORIAL<br />
Der Einstieg in die<br />
Verkehrswende<br />
muss jetzt kommen<br />
Noch ist unklar, was im Koalitionsvertrag<br />
der neuen Bundesregierung stehen wird, fest<br />
steht aber: Im Verkehrssektor liegen immense<br />
Herausforderungen vor uns. <strong>Das</strong> gilt für die<br />
Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens<br />
wie für die Luftreinhaltung in unseren<br />
Städten. Der neu gewählte Bundestag und die<br />
Bundesregierung stehen in den kommenden<br />
vier Jahren vor zukunftsweisenden Weichenstellungen.<br />
Sie haben es in der Hand, nachhaltige<br />
Veränderungen nun endlich einzuleiten.<br />
Wir brauchen eine Mobilität, die das Klima<br />
und die Umwelt schont und dabei flexibel<br />
und verlässlich ist. Kurz gesagt: Wir brauchen<br />
die Verkehrswende. <strong>Das</strong> heißt, wir brauchen<br />
mehr ÖPNV und mehr Personen- und Güterverkehr<br />
auf der Schiene. Nur so lassen sich<br />
Klimaschutz, Luftreinhaltung und Mobilität<br />
in Einklang bringen. Konkrete Ziele und<br />
Maßnahmen müssen Bestandteil des Koalitionsvertrags<br />
werden. Wie die Verkehrswende<br />
zu schaffen ist, schlagen wir in unseren vier<br />
Handlungsempfehlungen für eine bessere<br />
Verkehrspolitik vor. Mehr dazu erfahren Sie<br />
auf den folgenden Seiten.<br />
Es geht dabei nicht nur um weniger CO2 in<br />
der Atmosphäre und weniger Stickoxide in<br />
der Großstadtluft – es geht auch um staatliche<br />
<strong>Das</strong>einsvorsorge. Die uneingeschränkte<br />
Mobilität von Menschen und Gütern muss gewährleistet<br />
sein, damit der Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland attraktiv und leistungsfähig<br />
bleibt. Für die Menschen muss die Lebensqualität<br />
gesichert bleiben. Aber dafür brauchen<br />
wir eine bessere Mobilität. Der Trend<br />
geht auch in Richtung Sharing Mobility. <strong>Das</strong><br />
Konzept ist für uns nicht neu: Wer Busse und<br />
Bahnen des öffentlichen Personenverkehrs<br />
gemeinsam mit anderen Fahrgästen nutzt, ist<br />
längst Teil eines seit Jahrzehnten erfolgreichen<br />
Systems von „Sharing“ im Verkehrsbereich.<br />
Jetzt kommt es darauf an, mit klugen<br />
Entscheidungen den Marktanteil des Öffentlichen<br />
Verkehrs deutlich zu erhöhen. Den politischen<br />
Entscheidern in Bund und Ländern<br />
stehen wir bei der großen Aufgabe Verkehrswende<br />
gerne und partnerschaftlich zur Seite.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Jürgen Fenske<br />
Seite 21: <strong>VDV</strong>-Geschäftsführer ÖPNV<br />
Dr. Jan Schilling im Interview<br />
22 Unterwegs im Netz<br />
Karlsruher Modell: Zwischen der City<br />
und der Region per Tram unterwegs<br />
26 Aus dem Verband<br />
<strong>VDV</strong>-Personalkongress:<br />
Wie arbeiten wir morgen?<br />
29 Aktuell<br />
Mitarbeiter mobil informieren<br />
30 Zu guter Letzt<br />
Vom Auto- zum ÖPNV-Fan<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />
als E-Paper unter:<br />
www.vdv-dasmagazin.de<br />
05 | <strong>2017</strong> 3
<strong>VDV</strong> IM BILD<br />
Gesucht: Deutschlands beste Fahrer<br />
Wie macht ein Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels auf sich aufmerksam?<br />
Die Verkehrsgemeinschaft Osnabrück (VOS) hat darauf ihre eigene<br />
Antwort gefunden – und zu einem ganz besonderen „Casting“ eingeladen: „Osnabrück<br />
sucht Deutschlands Super-FiF“ (Fachkraft im Fahrbetrieb). In verschiedenen<br />
Wettkämpfen stellten 17 Teams aus Verkehrsunternehmen in ganz<br />
Deutschland ihr Fahrgeschick im Linienbus unter Beweis. „Wir wollten uns<br />
und die VOS-Partner als leistungsstarke Ausbildungsbetriebe präsentieren<br />
sowie das Berufsbild der FiF vorstellen“, erklärte André Kränzke, Bereichsleiter<br />
Verkehrsbetrieb der Stadtwerke Osnabrück AG, als er das Projekt auf<br />
dem diesjährigen <strong>VDV</strong>-Personalkongress vorgestellt hat. Die Idee zu „OSDSF“<br />
war geboren. Erster in der Gruppenwertung wurde am Ende das Team der<br />
Regionalverkehr Münsterland GmbH. Alle anderen haben 2018 Gelegenheit<br />
zur Revanche: Dann wollen die VOS zur zweiten Runde einladen. Aktionen<br />
wie diese könnten Vorbildcharakter für andere Verkehrsunternehmen haben,<br />
so Kränzke auf dem Kongress. Dort war Employer Branding wieder ein großes<br />
Thema – neben den Fragen rund um Arbeit 4.0 (siehe Seite 26-28).<br />
4<br />
05 | <strong>2017</strong>
05 | <strong>2017</strong><br />
5
TITELSTORY<br />
Verkehrswende:<br />
Die Zeit ist reif<br />
Den Öffentlichen Personennahverkehr ausbauen, die Digitalisierung beschleunigen,<br />
die Finanzierung des Öffentlichen Verkehrs langfristig sichern und den<br />
Schienenverkehr stärken: Diese Kernforderungen richtet der <strong>VDV</strong> an die Abgeordneten<br />
des neu gewählten Bundestages und an die künftige Bundesregierung.<br />
Die Verkehrswende<br />
muss in<br />
Deutschland endlich<br />
ernsthaft angepackt<br />
werden: <strong>Das</strong> sieht der<br />
<strong>VDV</strong> als eine der wichtigsten<br />
Aufgaben der<br />
neuen Bundesregierung.<br />
In den nächsten<br />
vier Jahren gehe es<br />
darum, die Weichen für<br />
die Zukunft richtig zu<br />
stellen. Eine Mobilität, die das Klima und die<br />
Umwelt schont und dabei flexibel und verlässlich<br />
ist, müsse ganz oben auf der politischen<br />
Agenda stehen, so der <strong>VDV</strong>.<br />
Angesichts drohender Fahrverbote in Großstädten<br />
und der Chancen von neuen, digital<br />
gesteuerten Mobilitätsangeboten spürt die<br />
Verkehrsbranche Rückenwind. Ebenso bei<br />
der Nachfrage der Kunden: Im ersten Halbjahr<br />
<strong>2017</strong> legten die Fahrgastzahlen um 1,5 Prozent<br />
erneut deutlich zu. Damit bewegen sich Busse<br />
1,5<br />
MILLIARDEN EURO<br />
jährlich müsste der Bund im Rahmen eines<br />
Sonderprogramms für die nächsten zehn<br />
Jahre zur Verfügung stellen, um den kommunalen<br />
ÖPNV zu modernisieren und auszubauen,<br />
fordert der <strong>VDV</strong>.<br />
und Bahnen auch<br />
in diesem Jahr auf<br />
einen weiteren Fahrgastrekord<br />
zu. Für<br />
Jürgen Fenske ist das<br />
Potenzial des ÖPNV<br />
jedoch bei Weitem<br />
nicht ausgeschöpft:<br />
Der <strong>VDV</strong>-Präsident<br />
glaubt, dass ein<br />
Wachstum von jährlich<br />
sechs bis sieben<br />
Prozent möglich sei – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen<br />
stimmen. „Wir brauchen die<br />
Verkehrswende“, bringt er es auf den Punkt:<br />
„Nur mit mehr Bussen, Stadt-, Straßen-, U-<br />
und Eisenbahnen lassen sich die Herausforderungen<br />
beim Klimaschutz und bei der<br />
Luftreinhaltung meistern.“ Derzeit liegt der<br />
Marktanteil des öffentlichen Personenverkehrs<br />
bei elf Prozent. Bis 2030 müsse sich<br />
dieser Anteil jedoch verdoppeln. Bereits in 13<br />
Jahren soll Deutschland modern, effizient und<br />
klimaschonend mobil sein.<br />
6 05 | <strong>2017</strong>
Welche grundlegenden Entscheidungen<br />
die Politik für die Verkehrswende<br />
treffen und welche Schritte sie jetzt<br />
einleiten muss, erläutert der <strong>VDV</strong> anhand<br />
seiner vier zentralen Handlungsempfehlungen<br />
(siehe ab Seite 8). Vor<br />
allem der dringend erforderliche Ausbau<br />
des ÖPNV kann<br />
dem <strong>VDV</strong> zufolge<br />
Nur mit mehr ÖPNV und<br />
nur mit einem Sonderprogramm<br />
des<br />
Eisenbahnen lassen sich die<br />
Herausforderungen beim<br />
Bundes gestemmt<br />
Klimaschutz und bei der<br />
werden. Um den<br />
Luftreinhaltung meistern.<br />
kommunalen ÖPNV<br />
Jürgen Fenske,<br />
zu modernisieren<br />
<strong>VDV</strong>-Präsident<br />
und auszubauen,<br />
müssten über einen<br />
Zeitraum von zehn Jahren jährlich 1,5 Milliarden<br />
Euro sowie zusätzlich 500 Millionen<br />
Euro pro Jahr von Seiten der Länder investiert<br />
werden. Unterstützung vom Bund verspricht<br />
sich die Verkehrsbranche ebenfalls bei der<br />
Digitalisierung. Derzeit bauen die öffentlichen<br />
Verkehrsunternehmen und -verbünde<br />
ihre Plattform „Mobility inside“ auf. Ab 2019<br />
wird es mit ihr bundesweit möglich sein, eine<br />
Fahrt oder Reise unkompliziert zu planen, zu<br />
buchen und zu bezahlen.<br />
Ein Dauerthema bleiben Finanzierungsfragen.<br />
Sichergestellt werden muss, dass die<br />
Verkehrsinfrastruktur des kommunalen<br />
ÖPNV sowie der bundes- und nichtbundeseigenen<br />
Eisenbahnen langfristig und verlässlich<br />
finanziert wird. Schon heute ist der<br />
Schienenverkehr Vorreiter beim Klima- und<br />
Umweltschutz. Dennoch muss er im Vergleich<br />
zur Straße und Wasserstraße höhere Belastungen<br />
durch Trassenpreise sowie Energiesteuern<br />
und -umlagen tragen. Hier fordert<br />
der <strong>VDV</strong>, diese Wettbewerbsnachteile abzubauen<br />
und den Eisenbahnverkehr insgesamt<br />
zu stärken.<br />
LEITFADEN FÜR EINE<br />
BESSERE VERKEHRSPOLITIK<br />
Aktuell hat der <strong>VDV</strong> eine Broschüre herausgegeben, die die Handlungsempfehlungen<br />
für die 19. Legislaturperiode des Deutschen<br />
Bundestages ausführlich erläutert.<br />
Die Publikation mit<br />
dem Titel „Neue Mobilität für<br />
ein mobiles Land“ (Foto) enthält<br />
Deutschland mobil: Handlungsempfehlungen für die<br />
zudem umfangreiches Material<br />
an Daten und Fakten und<br />
19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages<br />
stellt Hintergründe umfassend<br />
dar. Die Broschüre steht zum<br />
Download im Internet zur<br />
Verfügung und kann auch als<br />
gedrucktes Exemplar beim<br />
<strong>VDV</strong>-Hauptstadtbüro Berlin<br />
bestellt werden.<br />
Bestellungen per Mail:<br />
hauptstadtbuero@vdv.de<br />
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05 | <strong>2017</strong><br />
7
Öffentlichen Personenverkehr ausbauen<br />
Gegen drohende Fahrverbote und für bessere Luft in den Städten gibt es nur ein wirksames Rezept: den ÖPNV auszubauen. <strong>Das</strong> geht jedoch<br />
nur mit einem Sonderprogramm des Bundes. Leise vor sich hin surrende Elektrobusse und neue Stadtbahnlinien, die am Stau vorbeifahren,<br />
machen den modernen ÖPNV zum Erlebnis. Wo Strecken ausgebaut wurden und neue Fahrzeuge im Einsatz sind, steigen die Fahrgastzahlen<br />
spürbar an. Unabhängig davon verzeichnen die Verkehrsunternehmen seit fast 20 Jahren in Folge neue Fahrgastrekorde. Von mehr als<br />
zehn Milliarden Fahrten jährlich finden acht Milliarden im kommunalen ÖPNV statt. Aber hier stecken Strecken, Stationen und Fahrzeuge<br />
im Investitionsstau der Vergangenheit. Der Bedarf für die Modernisierung und den Ausbau der kommunalen Verkehrsinfrastruktur summiert<br />
sich auf rund 15 Milliarden Euro, so das Ergebnis einer Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen des <strong>VDV</strong>. <strong>Das</strong> dringend benötigte<br />
Sonderprogramm des Bundes muss sich am tatsächlichen Bedarf und an klaren verkehrspolitischen Zielen orientieren. Über einen Zeitraum<br />
von zehn Jahren werden also 1,5 Milliarden Euro jährlich benötigt, um den kommunalen ÖPNV zu modernisieren und auszubauen.<br />
Unterstützung muss auch von den Ländern kommen: Sie sind aufgerufen, zusätzlich 500 Millionen Euro beizusteuern. Die Mittel müssen in<br />
den Kommunen direkt in den Aus- und Neubau der ÖPNV-Infrastruktur fließen sowie für den Kauf neuer Fahrzeuge verwendet werden.<br />
Fahrgäste * im ÖPNV<br />
(2007–2016)<br />
Fahrgäste<br />
(in Mio.)<br />
10.184<br />
10.000<br />
9.954<br />
10.004<br />
9.800<br />
9.600<br />
9.400<br />
9.487<br />
9.586<br />
9.595<br />
9.628<br />
9.691<br />
9.747<br />
9.825<br />
Index 100,0 101,0 101,1 101,5 101,5 102,7 104,3 104,9 105,4<br />
107,3<br />
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 20161<br />
Stand: Januar <strong>2017</strong> | *Unternehmensfahrten 1) Auf Basis der Unternehmensmeldungen des 1. bis 3. Quartals<br />
8 02 01 05 | <strong>2017</strong>
TITELSTORY<br />
Digitalisierung beschleunigen<br />
Über nur eine Mobilitätsplattform eine Fahrt unkompliziert planen, buchen und<br />
bezahlen – und das transparent und nach einheitlichen Regeln. Ab 2019 wird<br />
das branchenübergreifend und bundesweit möglich sein. Dann geht „Mobility<br />
inside“ an den Start – die digitale Lösung der Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen.<br />
Damit diese Plattform ein Erfolg wird, muss der Bund die<br />
Verkehrsbranche weiterhin dabei unterstützen, die unterschiedlichen Tarife,<br />
Tickets und Fahrplaninformationen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr<br />
zu vernetzen. Online-Angebote und Sharing-Dienste spielen schon heute eine<br />
immer wichtigere Rolle im Mobilitätsverhalten der Menschen. Rückgrat der<br />
vernetzten öffentlichen Mobilität sind die Busse und Bahnen. Von daher sind<br />
die Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde prädestiniert, verschiedene<br />
Mobilitätsangebote in den Städten und Gemeinden zu einem leistungsfähigen<br />
Gesamtangebot zusammenzuführen und verfügbar zu machen. Die Digitalisierung<br />
bietet die Chance, Zugangsbarrieren zum öffentlichen Personenverkehr<br />
abzubauen, und schafft die Voraussetzung für neue Angebotsformen. Automatisiertes<br />
und autonomes Fahren sind dabei ein wichtiges Zukunftsthema. In<br />
Verbindung mit Sharing-Diensten können sie einen Hochleistungs-ÖPNV vielversprechend<br />
ergänzen. Hier kommt es darauf an, diese Lösungen durch Forschung<br />
und entsprechende Pilotprojekte zu unterstützen und voranzutreiben.<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
9
Finanzierung sichern<br />
Der kommunale ÖPNV und die Eisenbahnunternehmen müssen ihre Verkehrsinfrastruktur<br />
ausbauen und modernisieren. Die langfristige Finanzierung dieser Vorhaben<br />
muss gewährleistet sein, vorhandene Finanzierungsinstrumente müssen angepasst und<br />
ergänzt werden. Dabei kann die neue Bundesregierung auf der Vorarbeit aus der vergangenen<br />
Legislaturperiode aufbauen.<br />
Bund und Länder haben ihre Finanzbeziehungen neu geordnet und die Mittel aus dem<br />
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) zwar bis 2025 fortgeschrieben, jedoch<br />
auf heutigem Niveau „versteinert“. Seit 1997 liegt die Höhe der Mittel für das<br />
GVFG-Bundesprogramm, aus dem Bauvorhaben im öffentlichen Nah- und Regionalverkehr<br />
ab einer Summe von 50 Millionen Euro finanziert werden, unverändert bei<br />
333 Millionen Euro pro Jahr. Für mehr klimafreundlichen Verkehr und den Ausbau<br />
in den Städten reicht das bei Weitem nicht. Die Folge: Bereits heute ist das Programm<br />
zwanzigfach überzeichnet. Deshalb fordert der <strong>VDV</strong>, das GVFG-Bundesprogramm<br />
in dieser Legislaturperiode an den tatsächlichen Bedarf anzupassen und zu erhöhen.<br />
Um die Leistungsfähigkeit und die Qualität des bundeseigenen Schienennetzes<br />
sicherzustellen, gibt es die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen (LuFV)<br />
zwischen dem Bund und der Deutschen Bahn – aus Sicht des <strong>VDV</strong> ein hervorragend<br />
geeignetes Instrument, das die Beteiligung des Bundes an notwendigen Ersatzinvestitionen<br />
vorsieht und von dem es bereits zwei bewährte „Auflagen“ gibt. In der laufenden<br />
Legislaturperiode muss nun die LuFV III für die Zeit nach 2019 abgeschlossen<br />
werden. Den nichtbundeseigenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen bietet das<br />
Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetz (SGFFG) eine gesicherte Finanzierungsbasis.<br />
In den nächsten vier Jahren müssen die Ausgestaltung des Gesetzes und die<br />
Fördermechanismen noch besser an die Bedürfnisse des Marktes angepasst werden.<br />
Investitionen des Staates in die Schieneninfrastruktur<br />
(in Euro pro Einwohner)<br />
36 37<br />
64 68<br />
133 136 151 170 198 378<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Spanien<br />
Frankreich<br />
Deutschland<br />
Italien<br />
Niederlande<br />
Dänemark<br />
Großbritannien<br />
Schweden<br />
Österreich<br />
Schweiz<br />
Quelle: Allianz pro Schiene auf Basis von BMVI, VöV, BMVIT, SCI Verkehr<br />
10 01 05 | <strong>2017</strong>
TITELSTORY<br />
Schienenverkehr stärken<br />
Wenn es darum geht, Menschen und Güter umweltfreundlich an ihr Ziel zu bringen, ist die<br />
Eisenbahn schon heute Vorreiter. Mehr als 90 Prozent ihrer Leistungen erbringt sie elektrisch<br />
angetrieben. In Deutschland nutzen jährlich 2,6 Milliarden Fahrgäste die Züge des Nah- und<br />
Fernverkehrs, 600 Millionen Tonnen Güter werden auf der Schiene transportiert. In puncto<br />
Umwelt im Vorteil, aber im Wettbewerb benachteiligt: Um sich vor allem gegenüber dem Lkw<br />
behaupten zu können, benötigt die Schiene bessere und faire Rahmenbedingungen. Anders<br />
als auf der Straße wird auf der Schiene im gesamten Netz eine Maut fällig – die Trassenpreise.<br />
In der vergangenen Legislaturperiode hat die Bundesregierung beschlossen, die Trassengebühren<br />
im Rahmen des Masterplans Schienengüterverkehr deutlich zu senken. Gleiches<br />
muss für den Personenverkehr folgen. Neben weiteren Maßnahmen zur Ertüchtigung des<br />
Schienennetzes für 740 Meter lange Güterzüge sollen Engpässe an den großen Verkehrsknoten<br />
beseitigt sowie Zulaufstrecken ausgebaut werden. Zudem fordert die Branche die Einführung<br />
des Deutschland-Taktes, ein Programm zur Elektrifizierung weiterer Strecken sowie<br />
Bundesprogramme für eine dauerhafte Forschungsförderung. Damit sollen Innovationen im<br />
Schienenverkehr wie effiziente Antriebstechnologien oder automatisiertes und vernetztes<br />
Fahren auf der „Schiene 4.0“ mit Blick auf die Verkehrswende vorangebracht werden.<br />
Trendanalyse – stetig anwachsender Mobilitätsmarkt<br />
(Verkehrsleistung Güterverkehr)<br />
+ 38 % (Tonnenkilometer)<br />
607,1 Mrd. tkm<br />
837,6 Mrd. tkm<br />
2010 2030<br />
Quelle: BMVI, Verkehrsverflechtungsprognose 2030<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
11
FÜR EINEN EFFIZIENTEN ÖPNV<br />
Wie soll Wien im Jahr 2025 aussehen? Im Stadtentwicklungsplan<br />
„Step 2025“ wurden dazu verschiedene Ziele und Visionen definiert<br />
und in sechs Fachkonzepten weiter ausgeführt. Dabei spielt<br />
auch das „Fachkonzept Mobilität“ eine zentrale Rolle auf dem Weg<br />
zur lebenswerten, umweltfreundlichen Großstadt. Die Mobilitätsangebote<br />
sollen demnach „fair, gesund, kompakt, ökologisch,<br />
robust und effizient“ sein, heißt es bei der Stadt. Ziel sei es, einen<br />
Modal-Split-Anteil des Umweltverbundes von 80 Prozent zu erreichen.<br />
Derzeit liegt er bei 72 Prozent. Dafür soll auch der ÖPNV<br />
gestärkt werden. Als tragende Säule gelten Verbesserungen im<br />
S- und U-Bahn-Netz. Bereits heute kommen in Wien auf 1.000<br />
Einwohner nur 381 Pkw – diese Zahl soll noch weiter sinken.<br />
Finanzspritze<br />
für Wiens ÖPNV<br />
Die U-Bahn in Wien wächst und wächst. Finanzierungsprobleme oder Vorbehalte der Bürger gegen Bauprojekte<br />
scheint der Öffentliche Verkehr dort nicht zu kennen. Woran liegt das? Nachdem „<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“ in<br />
der vergangenen <strong>Ausgabe</strong> bereits einen Blick nach Dänemark geworfen hat, geht es nun in die österreichische<br />
Hauptstadt. Hier hat sich vor allem die „Dienstgeberabgabe“ als wichtiges Finanzierungsinstrument erwiesen.<br />
12 01 05 | <strong>2017</strong>
GRENZENLOS<br />
Seit September fährt die U1 auch<br />
regulär bis nach Oberlaa. Weitere<br />
Ausbaumaßnahmen folgen – auch<br />
dank umfangreicher Förderung.<br />
Ziel ist es, das Netz Schritt für Schritt<br />
noch besser zu machen – durch<br />
Netzausbau, neues Wagenmaterial,<br />
bessere Intervalle und guten Service.<br />
Renate Brauner,<br />
Stadträtin für Finanzen, Wirtschaft und<br />
Internationales der Stadt Wien<br />
Samstag, 2. September, 10 Uhr früh: In<br />
der U-Bahnstation Reumannplatz<br />
drängen sich die Menschen. Am Gleis<br />
setzt sich ein Zug der Linie U1 in Bewegung.<br />
„Oberlaa“ steht in leuchtendem<br />
Orange vorne auf der Zielanzeige – eine<br />
Premiere im regulären Betrieb. An diesem<br />
Samstagmorgen ist ein 600-Millionen-Euro<br />
schweres Großprojekt nach<br />
gut fünf Jahren Bauzeit abgeschlossen<br />
worden. Wien feiert die Verlängerung<br />
seiner U1.<br />
Um fünf Stationen beziehungsweise<br />
4,6 Kilometer ist die U1 in Richtung<br />
Süden gewachsen. <strong>Das</strong> kommt vor<br />
allem den Menschen in Wiens einwohnerstärkstem<br />
Gemeindebezirk<br />
Favoriten zugute. 50.000 von ihnen<br />
leben im direkten Einzugsbereich der<br />
neuen U-Bahnstationen und sind nun<br />
deutlich besser ans Stadtzentrum angebunden.<br />
Viele weitere profitieren<br />
von der Anpassung des Busnetzes an<br />
die neue Linienführung der U1.<br />
Mit der Verlängerung umfasst das<br />
Liniennetz der erst 1978 eröffneten<br />
U-Bahn jetzt etwas mehr als 80 Kilometer.<br />
„Und es wächst immer weiter“,<br />
sagt Johanna Griesmayr, Sprecherin<br />
des kommunalen Verkehrsunternehmens,<br />
der Wiener Linien. „Aber das ist<br />
auch notwendig – schließlich legt auch<br />
unsere Stadt um 30.000 bis 40.000<br />
Einwohner pro Jahr zu.“<br />
Schon 2018 soll es weitergehen. Bis<br />
Ende der 2020er-Jahre will das Verkehrsunternehmen<br />
dann in zwei Ausbaustufen<br />
die U2 um sechs Kilometer<br />
verlängern und mit einer neuen U5 den<br />
17. Bezirk Hernals an die Innenstadt<br />
anschließen. Und das völlig autonom:<br />
Die U5 wird die erste vollautomatisch<br />
betriebene U-Bahn-Linie in der österreichischen<br />
Hauptstadt sein, verkünden<br />
Stadt und Wiener Linien. Und<br />
nebenbei werden auch die restlichen<br />
U-Bahn-Strecken weiter modernisiert.<br />
Es scheint, als könnte das Verkehrsunternehmen<br />
beim Erhalt und Ausbau<br />
seines U-Bahn-Netzes konsequent<br />
aus dem Vollen schöpfen. Und so ganz<br />
trügt der Eindruck nicht: In wenigen<br />
europäischen Großstädten wird der<br />
U-Bahn-Bau beziehungsweise der<br />
Öffentliche Verkehr generell so konsequent<br />
gefördert wie in Wien. Und das,<br />
obwohl – oder gerade weil – das Untergrundnetz<br />
zu den jüngeren Europas gehört.<br />
Erst Ende der 1960er-Jahre, und<br />
damit im Vergleich zu anderen Großstädten<br />
relativ spät, fiel der Entschluss,<br />
hier eine U-Bahn zu bauen. Doch Wien<br />
stand damals vor dem Verkehrsinfarkt.<br />
„Der Leidensdruck in der Innenstadt<br />
war wirklich groß. Überall gab es Stau,<br />
die Luft war nicht mehr zum Atmen“,<br />
so Johanna Griesmayr. Einkaufs-<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
13
GRENZENLOS<br />
DRITTNUTZERFINANZIERUNG<br />
IN DEUTSCHLAND<br />
Anders als in Österreich fehlt in Deutschland bisher der Rechtsrahmen<br />
zur Drittnutzerfinanzierung. Der <strong>VDV</strong> setzt sich deswegen für<br />
eine Anpassung der rechtlichen Grundlage ein. Denn ein moderner,<br />
leistungsfähiger ÖPNV und eine erfolgreiche Verkehrswende verlangen<br />
in Zukunft erhebliche finanzielle Anstrengungen in Sachen<br />
Modernisierung und Infrastrukturausbau. Aus Sicht des <strong>VDV</strong> stellt<br />
die Drittnutzerfinanzierung hierfür ein geeignetes Instrument dar.<br />
Denkbar wären etwa Beiträge von Immobilieneigentümern, Arbeitgebern,<br />
Autofahrern oder dem Handel, die von einem guten kommunalen<br />
ÖPNV profitieren. Auf freiwilliger Basis ist das übrigens nichts ganz<br />
Neues: Es gibt vereinzelte Übereinkünfte zwischen Verkehrsbetrieben<br />
und Unternehmen, die sich zum Beispiel an den Kosten für<br />
den Stadtbahnbau in einem neuen Gewerbegebiet beteiligen.<br />
zentren und Unternehmen zogen raus auf die grüne<br />
Wiese. „Die Wertschöpfung floss ab. Zum Glück hatte<br />
man dann recht bald realisiert, dass das Auto hier<br />
nicht zielführend war.“ Eine attraktivere Innenstadt,<br />
weniger Autoverkehr: Der Bau der U-Bahn sowie die<br />
Stärkung des ÖPNV insgesamt sollten dafür die Lösung<br />
sein. Auf die Frage nach einer Finanzierung fand<br />
man rasch eine Antwort: die Dienstgeberabgabe.<br />
Arbeitgeber zahlen<br />
Bei dieser „U-Bahn-Steuer“, so der Spitzname, werden<br />
die Arbeitgeber im Stadtgebiet zur Kasse gebeten.<br />
Für jeden Vollzeit-Mitarbeiter unter 55 Jahren zahlen<br />
sie heute zwei Euro pro Woche an die Stadt. 2016<br />
kamen so fast 72 Millionen Euro zusammen. Diese<br />
Mittel werden zweckgebunden für den U-Bahn-Bau<br />
verwendet. Wird der Topf in einem Jahr nicht ausgeschöpft,<br />
wird das Geld für künftige Investitionen<br />
zurückgestellt. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für<br />
diese Steuer: groß. Genauso wie für den ÖPNV und<br />
seinen Ausbau generell – egal, ob es um das U-Bahn-,<br />
Straßenbahn- oder Busnetz geht. „Neue Projekte<br />
werden grundsätzlich eher gefordert als abgelehnt“,<br />
sagt Johanna Griesmayr. Gerade die U-Bahn genieße<br />
ein sehr gutes Image – etwa aufgrund ihrer hohen<br />
Taktung.<br />
Eine solide Finanzierung, eine hohe Akzeptanz der<br />
Bürger gegenüber Baumaßnahmen: Aus Sicht manches<br />
Verkehrsunternehmens mag die Situation wie<br />
ein wahrgewordener Traum klingen. „Also mit Blick<br />
auf die Wertschätzung und den Fokus der Politik auf<br />
den Öffentlichen Verkehr ist unsere Wunschliste<br />
schon sehr kurz“, scherzt Johanna Griesmayr. „In<br />
Wien wird der ÖPNV gut finanziert.“<br />
Wichtigste Grundlage sind dabei die Finanzierungsvereinbarungen<br />
zwischen der Stadt und dem Verkehrsunternehmen,<br />
die immer über einen Zeitraum<br />
von 15 Jahren geschlossen werden. Die aktuelle gilt<br />
Fünf Jahre Bauzeit, fünf neue Stationen, fast fünf Kilometer länger: Der Ausbau der U1 war ein echtes Großprojekt. <strong>Das</strong> Netz wurde unter anderem um die<br />
Stationen Altes Landgut (l.) oder Alaudagasse (r.) erweitert. Vor allem der Gemeindebezirk Favoriten rückt so näher ans Stadtzentrum.<br />
14 05 | <strong>2017</strong>
Sanierungsarbeiten an der U4: Bis 2024 investieren Stadt und Wiener Linien insgesamt 335 Millionen Euro in die Modernisierung der Linie.<br />
seit diesem Jahr – ihr zufolge sollen bis 2032 insgesamt<br />
7,5 Milliarden Euro an Investitions- und<br />
Betriebskostenzuschüssen in U-Bahn, Bus und Straßenbahn<br />
fließen. Die Dienstgeberabgabe ist dabei<br />
nicht das einzige drittnutzerfinanzierte Instrument.<br />
Unter anderem fließen auch Einnahmen aus der<br />
Parkraumbewirtschaftung an den ÖPNV.<br />
Gefördert werden dabei nicht nur Ausbau und Erhalt,<br />
sondern auch das Angebot für die Kunden. <strong>Das</strong> Jahresticket<br />
kostet seit 2012 nur noch 365 statt 449 Euro<br />
– was die Zahl der Abonnenten entsprechend ansteigen<br />
ließ: von rund 400.000 auf aktuell über 735.000.<br />
„Solche Maßnahmen haben natürlich mit der politischen<br />
Zielsetzung zu tun“, so Johanna Griesmayr. Und<br />
in Wien wolle die Politik eben den ÖV stärken und<br />
seinen Anteil am Modal Split erhöhen. Der liegt aktuell<br />
bei 39 Prozent, der des Individualverkehrs bei<br />
27 Prozent. Bis 2025 soll das Auto nur noch 20 Prozent<br />
ausmachen, heißt es im maßgeblichen Mobilitätskonzept<br />
zum Stadtentwicklungsplan (Step) 2025<br />
(siehe Infokasten, Seite 12).<br />
„Unser erklärtes Ziel ist es, das Netz Schritt für Schritt<br />
noch besser zu machen – durch Netzausbau, neues<br />
Wagenmaterial, bessere Intervalle und guten Service“,<br />
sagt dazu Renate Brauner, Stadträtin für Finanzen,<br />
Wirtschaft und Internationales. Auch die günstigen<br />
Tickets gehören dazu. „Wir sind davon überzeugt,<br />
dass nur diese Kombination weitere Menschen davon<br />
überzeugt, die Öffis zu nutzen.“<br />
Auf einem guten Weg befindet sich die Stadt zumindest:<br />
2016 fuhren 954 Millionen Menschen mit dem<br />
ÖPNV. Spätestens 2020 soll die Grenze von einer Milliarde<br />
Fahrgäste fallen.<br />
Mehr Informationen zu Großprojekten im<br />
Wiener ÖPNV finden Sie online unter:<br />
tinyurl.com/yb2l5j2b<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
15
Mission<br />
Sauber<br />
DER LINIENVERLAUF DES CLEAN SHUTTLE<br />
SH1<br />
Flughafen Köln/Bonn –<br />
WCCB<br />
FLUGHAFEN<br />
KÖLN/BONN<br />
59<br />
SH5<br />
WCCB –<br />
Robert-Schuman-Platz<br />
WORLD CONFERENCE<br />
CENTER BONN (WCCB)/<br />
BULA-ZONE<br />
RHEIN<br />
562<br />
RHEINAUE<br />
UN CAMPUS<br />
SH4<br />
Kolumbusring –<br />
WCCB – UN Campus<br />
BONN-ZONE<br />
DEUTSCHES MUSEUM<br />
SHD<br />
Deutsches Museum –<br />
Bad Godesberg<br />
BAD GODESBERG<br />
16 05 | <strong>2017</strong>
AKTUELL<br />
Weltklima:<br />
durch Bonn<br />
Im <strong>November</strong> ist die Welt zu Gast in Bonn. Auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen wird darüber<br />
verhandelt, wie das Pariser Abkommen von 2015 konkret in die Tat umgesetzt wird. Möglichst treibhausgasneutral<br />
soll das Treffen verlaufen. Ihren Beitrag dazu leisten auch Verkehrsunternehmen aus<br />
ganz Deutschland und der <strong>VDV</strong>. Sie ermöglichen den mehr als 20.000 Teilnehmern einen emissionsfreien<br />
Bustransfer – den Clean Shuttle.<br />
Anlässlich der Weltklimakonferenz<br />
organisieren wir gemeinsam mit dem<br />
<strong>VDV</strong> einen emissionsfreien Shuttleverkehr<br />
für die Kongressteilnehmer,<br />
um ein Zeichen dafür zu setzen, dass<br />
Öffentlicher Personennahverkehr zukünftig<br />
eine noch größere nachhaltige<br />
Rolle spielen kann bei der Erreichung<br />
der gesetzten Klimaschutzziele.<br />
Anja Wenmakers,<br />
Geschäftsführerin der<br />
SWB Bus und Bahn<br />
<strong>Das</strong>s ein leistungsfähiger und umweltfreundlicher<br />
Verkehr mit<br />
alternativen Antrieben schon heute<br />
möglich ist, wollen die Verkehrsunternehmen<br />
während der UN-Klimakonferenz<br />
(COP 23) in Bonn unter Beweis<br />
stellen. Gemeinsam haben der <strong>VDV</strong><br />
und SWB Bus und Bahn einen „Clean<br />
Shuttle“ organisiert. Wenn unter der<br />
Präsidentschaft der Republik Fidschi<br />
die Delegierten aus 197 Nationen und<br />
mehr als 20.000 Konferenzteilnehmer<br />
zusammenkommen, werden emissionsfreie<br />
Fahrzeuge von verschiedenen<br />
Verkehrsunternehmen im Einsatz sein.<br />
Die Bogestra, der Regionalverkehr Köln<br />
(RVK), die Kölner Verkehrs-Betriebe<br />
(KVB), die Düsseldorfer Rheinbahn, die<br />
Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), die<br />
Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG)<br />
und als Gastgeber die Stadtwerke Bonn<br />
(SWB) stellen bis zu 15 Fahrzeuge mit<br />
alternativen Antrieben zur Verfügung.<br />
Dazu zählt auch ein Bus des Herstellers<br />
Sileo, der bei der Bremer BSAG<br />
im Einsatz ist. Auf vier eigens eingerichteten<br />
Linien verkehren Elektro-,<br />
Wasserstoff- und Hybridbusse. Sie<br />
sollen die Teilnehmer und Besucher<br />
schnell und umweltfreundlich an die<br />
beiden Hauptschauplätze der Konferenz<br />
bringen und den Flughafen Köln/<br />
Bonn, den neuen DB-Haltepunkt „UN<br />
Campus“ sowie die Bonner Innenstadt<br />
anbinden. Unterstützt wird der Shuttle<br />
vom internationalen Dachverband<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
17
AKTUELL<br />
DREI FRAGEN AN<br />
Ingo Wortmann,<br />
<strong>VDV</strong>-Vizepräsident<br />
für den Bereich Bus<br />
» Ist der E-Bus das Patentrezept für Klimaschutz<br />
und Luftreinhaltung?<br />
Ingo Wortmann: Ich möchte vor übertriebenen<br />
Hoffnungen warnen. Denn der Anteil des<br />
ÖPNV an den klimaschädlichen Emissionen im<br />
Straßenverkehr ist vergleichsweise gering. Eine<br />
Antriebswende hin zur E-Mobilität bei Bussen<br />
wäre bei Weitem noch keine Verkehrswende.<br />
Für diese benötigen wir zusätzliche Milliardeninvestitionen,<br />
um ein attraktives Angebot mit<br />
mehr ÖPNV – dichtere Takte, moderne Fahrzeuge,<br />
erweiterte Netze – zu schaffen. Alternative<br />
Antriebe können jedoch Teil eines Gesamtkonzepts<br />
zur Verkehrswende sein.<br />
der Verkehrsunternehmen UITP und<br />
der Nationalen Organisation Wasserstoff-<br />
und Brennstoffzellentechnologie<br />
(NOW). <strong>Das</strong> Bundesumweltministerium<br />
stellt zudem 600 Fahrräder und einen<br />
E-Shuttle durch die Rheinaue bereit,<br />
um die Tagungsbereiche „Bonn“- und<br />
„Bula“-Zone mit emissionsfreien Pkw<br />
und Kleinbussen zu verbinden. „Bula“<br />
steht übrigens für eine fidschianische<br />
Grußformel.<br />
„Die Bundesstadt Bonn nimmt als<br />
Sitz des Klimasekretariats der Vereinten<br />
Nationen ihre besondere<br />
Verantwortung für den Klimaschutz<br />
durch die Umsetzung konkreter Klimaschutzmaßnahmen<br />
wahr“, betont<br />
Anja Wenmakers, Geschäftsführerin<br />
der SWB Bus und Bahn: „Auch der<br />
Einsatz innovativer, C02-neutraler<br />
Batteriebusse im Linienverkehr trägt<br />
dazu deutlich bei.“ Schon seit Jahren<br />
befassen sich die Stadtwerke Bonn<br />
intensiv mit dem Thema Elektromobilität<br />
und dem Einsatz von E-Bussen<br />
im Nahverkehr. Damit sind sie innerhalb<br />
der deutschen Verkehrsbranche<br />
einer der Vorreiter.<br />
Die Elektromobilität auf Straße und<br />
Schiene stand bereits am Tag vor der<br />
Eröffnung der UN-Klimakonferenz<br />
im Fokus. In Bonn fand in diesem Jahr<br />
auch die zentrale Veranstaltung zum<br />
Deutschland-Tag des Nahverkehrs<br />
statt. Um das Engagement der ÖPNV-<br />
Unternehmen für den umweltfreund-<br />
» Was muss passieren, um alternativen Antrieben<br />
zum Durchbruch zu verhelfen?<br />
Bis auf Weiteres können die Verkehrsunternehmen<br />
ihre Fahrzeuge mit alternativen Antrieben<br />
weniger wirtschaftlich betreiben als ihre klassischen<br />
Busse. Auch deswegen sind wir weiterhin<br />
auf öffentliche Förderung angewiesen. Die<br />
E-Busse müssten noch zuverlässiger und wirtschaftlicher<br />
werden, um im direkten Vergleich<br />
mit dem Euro-6-Dieselbus bestehen zu können.<br />
Bis 2020 wollen wir hinreichende Erkenntnisse<br />
darüber sammeln, welche Betriebskosten und<br />
Investitionen mit der Einführung von E-Bussen<br />
verbunden sind und wie sie sich im Alltag bewähren.<br />
Auf diesen Erfahrungen müssen weitere<br />
Förderprogramme aufgebaut werden, auf die wir<br />
zwingend angewiesen sein werden.<br />
» Ist der Dieselbus ein Auslaufmodell?<br />
Sicherlich nicht. Moderne Euro-6-Fahrzeuge<br />
– genauso wie Erdgasbusse – erfüllen alle umweltpolitischen<br />
Anforderungen und Auflagen.<br />
Den Dieselbus weiterzuentwickeln und an der<br />
Technik weiter zu forschen, wird auch künftig<br />
ein Thema sein. Der Bus ist das Rückgrat des<br />
Personennahverkehrs, und der Personennahverkehr<br />
ist der Schlüssel zu Klimaschutz und<br />
Luftreinhaltung. Mit dem Elektroantrieb kann<br />
der Bus seine ohnehin schon gute Umweltbilanz<br />
jedoch künftig weiter verbessern.<br />
Nachdem die Klimakonferenz<br />
in Reichweite<br />
unserer Busse stattfindet,<br />
war es für die SSB selbstverständlich,<br />
dem Wunsch<br />
des <strong>VDV</strong> zu entsprechen<br />
und Brennstoffzellenbusse<br />
nach Bonn zu entsenden.<br />
Wolfgang Arnold,<br />
Technischer Vorstand und<br />
Vorstandssprecher der SSB<br />
In Zeiten des Klimawandels<br />
sind wir uns unserer Verantwortung<br />
bewusst. In unseren<br />
Verkehrsgebieten setzen wir<br />
jeweils die ökologisch und<br />
betrieblich sinnvollste alternative<br />
Antriebsform ein, um<br />
unseren Beitrag zum Umwelt-<br />
und Klimaschutz und<br />
insbesondere zur Luftqualität<br />
zu leisten. Mit Wasserstoff<br />
betriebene Brennstoffzellen-Hybridbusse<br />
sind dabei<br />
von besonderer Bedeutung.<br />
Eugen Puderbach,<br />
Geschäftsführer der<br />
Regionalverkehr Köln GmbH<br />
18 05 | <strong>2017</strong>
lichen Verkehr zu verdeutlichen, wurde<br />
symbolisch ein Staffelstab zwischen<br />
der Schiene und den Beteiligten des<br />
Clean Shuttle übergeben. Dazu reiste<br />
eigens ein Tram-Train aus Karlsruhe<br />
an – eine Straßenbahn, die sowohl das<br />
Netz der Eisenbahn als auch der Stadtbahn<br />
nutzen kann (siehe Beitrag Seite<br />
22). Im Sonderzug fuhren unter anderem<br />
Baden-Württembergs Verkehrsminister<br />
Winfried Hermann, der Karlsruher<br />
Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup<br />
sowie zahlreiche Vertreter aus Politik,<br />
Wirtschaft und Verkehrsunternehmen<br />
mit. Ihr Ziel: die Eröffnungsfeier am<br />
neuen DB-Haltepunkt „UN Campus“ an<br />
der linken Rheinstrecke zwischen Bonn<br />
und Bad Godesberg. An der Veranstaltung<br />
nahmen zudem weitere Politiker<br />
aus Bund und Ländern teil. Ursprünglich<br />
sollte die überwiegend mit Mitteln des<br />
Landes Nordrhein-West falen gebaute<br />
Station erst im Dezember in Betrieb<br />
gehen. Nachdem im <strong>November</strong> 2016<br />
Bonn kurzfristig als Austragungsort der<br />
UN-Weltklimakonferenz ausgewählt<br />
worden war, übernahm der Nahverkehr<br />
Rheinland die Zusatzkosten für die beschleunigte<br />
Fertigstellung. Nach dem<br />
Ende von COP 23 wird die Station vor<br />
allem Pendlern den Zugang zum Schienenpersonennahverkehr<br />
erleichtern.<br />
Mehr Informationen<br />
finden Sie online unter:<br />
www.cop23.de<br />
E-BUSSE FAHREN<br />
MIT ÖKOSTROM<br />
Die Elektrobusse, die während der UN-Klimakonferenz<br />
im Clean Shuttle eingesetzt werden,<br />
fahren mit Ökostrom der Stadtwerke Bonn. Der<br />
Strom ist mit dem von Umweltverbänden vergebenen<br />
Gütesiegel „Grüner Strom“ zertifiziert<br />
und besteht zu 100 Prozent aus regenerativen<br />
Energien. Damit werden auch die sechs<br />
E-Busse, die die SWB Bus und Bahn regulär<br />
einsetzen, CO2-neutral betrieben.<br />
Wir präsentieren<br />
in Bonn alternative<br />
Antriebe, weil Klimaschutz<br />
konkret machbar<br />
ist und nicht nur auf dem<br />
Papier stehen darf. Vor<br />
allem laden wir die Welt<br />
ein, gelebte E-Mobilität<br />
auf unserer Linie 133 in<br />
Köln zu erfahren.<br />
Jörn Schwarze,<br />
Vorstand Technik der<br />
Kölner Verkehrs-Betriebe<br />
Vor dem Hintergrund der<br />
aktuellen NOx-Diskussion<br />
beschleunigen wir die Erneuerung<br />
unserer Busflotte.<br />
<strong>Das</strong> untermauern wir auch<br />
mit den Fahrzeugen, die wir<br />
nach Bonn schicken. Insgesamt<br />
investieren wir in den<br />
nächsten vier Jahren über<br />
70 Millionen Euro, auch<br />
in elektrisch angetriebene<br />
Busse.<br />
Michael Clausecker,<br />
Vorstandssprecher Rheinbahn<br />
Der erste Hybridbus<br />
fährt bei uns seit 2008,<br />
heute betreiben wir die<br />
größte Hybridbusflotte<br />
NRWs. Durch den Einsatz<br />
moderner Technik ist es<br />
gelungen, im Busbereich<br />
seit 2014 circa 3.800<br />
Tonnen CO2 einzusparen.<br />
Gisbert Schlotzhauer,<br />
Vorstand Bogestra<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
19
TITELSTORY<br />
AKTUELL<br />
Bus auf App-Ruf<br />
Kein Fahrplan, keine festen Strecken und Haltestellen: Die Duisburger<br />
Verkehrsgesellschaft (DVG) testet ein nachfrageorientiertes Bus-Konzept.<br />
Am Wochenende ergänzen nun Kleinbusse das bestehende ÖPNV-Angebot.<br />
In Duisburg bringt der ÖPNV Nachtschwärmer jetzt von<br />
Tür zu Tür: Seit Ende September testet das städtische<br />
Verkehrsunternehmen den On-demand-Bus – den Bus auf<br />
Abruf. In den Nächten am Wochenende sowie tagsüber an<br />
Sonntagen gibt es nun „Mybus“ als zusätzliches Angebot im<br />
Nahverkehr. Fünf silber-rote Vans können jeweils bis zu<br />
fünf Fahrgäste individuell abholen und sie zum Wunschziel<br />
bringen. Neu ist, dass die DVG dafür eine digitale Plattform<br />
samt App einsetzt. Entwickelt wurde die technische Grundlage<br />
vom Berliner Start-up „Door2Door“. „Die Technik, die<br />
dahintersteckt, hätten wir nur mit sehr viel Aufwand selbst<br />
auf die Beine stellen können. Deshalb hat sich eine Kooperation<br />
mit einem Start-up angeboten, das genau auf diese<br />
Lösung spezialisiert ist“, sagt Ingo Blazejewski, Leiter der<br />
Konzernkommunikation der Duisburger Versorgungs- und<br />
Verkehrsgesellschaft.<br />
Unter den deutschen Verkehrsunternehmen nimmt die<br />
DVG mit ihrem datenbasierten Mobilitätskonzept<br />
eine Vorreiterrolle<br />
ein. „Einerseits wollen wir<br />
neue Kunden für den<br />
ÖPNV gewinnen“, berichtet<br />
Birgit Adler, die<br />
das Projekt sowie den<br />
Bereich Betrieb und<br />
Markt verantwortet.<br />
„Andererseits bietet<br />
sich mit ,Mybus‘<br />
künftig eine Option, die Verkehrsleistung in Randgebieten<br />
oder zu Schwachverkehrszeiten flexibler zu gestalten und<br />
auf die individuelle Nachfrage der Fahrgäste anzupassen.“<br />
Angebot passt sich in Echtzeit der Nachfrage an<br />
In der Testphase bedienen die Kleinbusse ein Gebiet von<br />
etwa sechs Quadratkilometern rund um den Hauptbahnhof.<br />
<strong>Das</strong> Prinzip ist einfach: Der Nutzer gibt in sein Smartphone<br />
den Start- und Endpunkt seiner Fahrt sowie die Anzahl der<br />
Personen ein. <strong>Das</strong> System ermittelt dann den kürzesten Weg<br />
zum Ziel. Wollen weitere Nutzer an anderer Stelle zusteigen,<br />
rechnet ein Algorithmus die Anfragen in die Route ein. Auf<br />
diese Weise passt sich das Angebot in Echtzeit der Nachfrage<br />
an. Größtmögliche Flexibilität gilt jedoch nur für den Kunden,<br />
nicht für den Fahrer. Er darf keinesfalls vermeintliche<br />
Abkürzungen nehmen, die den Algorithmus durcheinanderbringen<br />
würden, sondern muss sich genau an die Vorgaben<br />
seines Navis halten. Zeitgleich zeigt das Handy des warten-<br />
PERSONENBEFÖRDERUNGSGESETZ<br />
<strong>Das</strong> Personenbeförderungsgesetz (PBefG) regelt, unter welchen Voraussetzungen<br />
Unternehmen mit ihren Bussen, Straßen-, Stadt- und<br />
U-Bahnen sowie Taxen Fahrgäste befördern dürfen. Neue Marktteilnehmer<br />
wie Uber oder Mytaxi, die Ridesharing und Rideselling<br />
anbieten, kritisieren insbesondere die Regelungen zu Taxi- und<br />
Mietwagenverkehren als nicht mehr zeitgemäß und unflexibel.<br />
Nach Auffassung des Taxigewerbes schützt das PBefG dagegen<br />
Unternehmen und Kunden vor Dumping und unlauterem Wettbewerb.<br />
Innovationen im Personenverkehr wie der von der DVG angebotene<br />
„Mybus“ – er gilt im Sinne des PBefG als Mietwagen mit<br />
Fahrer – und bestehende gesetzliche Regelungen stehen nicht im<br />
Widerspruch. <strong>Das</strong> PBefG sei „nicht per se innovationsfeindlich“, betont<br />
Dr. Jan Schilling, <strong>VDV</strong>-Geschäftsführer ÖPNV (siehe Interview<br />
Seite 21). Wenn sie öffentlichen Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen,<br />
erlaubt das Gesetz auch „atypische“ Verkehrsformen<br />
(Paragraf 2, Abs. 6). <strong>Das</strong> sind Angebote, die vom klassischen Linienverkehr<br />
abweichen. Zudem gibt es zur praktischen Erprobung neuer<br />
Verkehrsarten eine „Experimentierklausel“ (Paragraf 2, Abs. 7).<br />
www.gesetze-im-internet.de/pbefg/index.html<br />
20 02 01 05 | <strong>2017</strong>
DREI FRAGEN AN<br />
Dr. Jan Schilling,<br />
<strong>VDV</strong>-Geschäftsführer<br />
für den Bereich ÖPNV<br />
den Kunden<br />
an, wo<br />
sich sein Bus befindet<br />
und wann er bei ihm eintrifft.<br />
Die DVG verspricht: Nicht länger als 20 Minuten soll<br />
ein Fahrgast auf seinen Bus warten und keine Umwege von<br />
mehr als einer Viertelstunde in Kauf nehmen müssen.<br />
Bis Ende Oktober war das Angebot für die 1.000 registrierten<br />
freiwilligen Testkunden kostenlos. Mittlerweile können<br />
es alle Duisburger zum Preis von 3,20 Euro für die einfache<br />
Fahrt im Stadtgebiet nutzen. Kunden mit Abo oder Zeitkarten<br />
sowie Kinder zahlen 2,50 Euro. Abgerechnet wird<br />
ebenfalls über die App. Die Testphase mit dem begrenzten<br />
Bediengebiet und den auf das Wochenende beschränkten<br />
Betriebszeiten läuft bis Ende 2020. „Unser Ziel ist es, ein bedarfsgerechtes<br />
Zusatzangebot dauerhaft zu etablieren und in<br />
unser bestehendes ÖPNV-System zu integrieren“, erläutert<br />
Projektleiterin Birgit Adler: „Da es sich um ein völlig neues<br />
System handelt, werden wir zunächst Erfahrungen sammeln<br />
müssen.“ Wie die aussehen, interessiert bereits andere Verkehrsunternehmen.<br />
An den ersten Wochenenden lief das<br />
System stabil. Ingo Blazejewski: „Viele waren überrascht,<br />
dass es so funktioniert, wie wir angekündigt haben.“<br />
Mehr Informationen finden Sie online unter:<br />
www.dvg-mybus.de<br />
» Macht sich der ÖPNV mit Angeboten wie Bus-on-demand<br />
jetzt selbst Konkurrenz?<br />
Dr. Jan Schilling: Keineswegs, neue Angebote haben das<br />
Potenzial, die Leistungen von Verkehrsunternehmen als<br />
Mobilitätsdienstleister zu erweitern und zu ergänzen. Viele<br />
Unternehmen sind hier aktiv und beschäftigen sich intensiv<br />
mit dem Thema. Darüber hinaus zeigt das aktuelle Beispiel<br />
aus Duisburg, dass solche Innovationen auch im Rahmen<br />
der bestehenden gesetzlichen Regelungen möglich sind. Der<br />
bestehende Rechtsrahmen reicht derzeit völlig aus. Anders<br />
als von manchen Anbietern digitaler Plattformen gefordert,<br />
brauchen wir keine Liberalisierung des PBefG. Denn es ist<br />
nicht per se innovationsfeindlich.<br />
» Dennoch dauert es, bis innovative Angebote in die Praxis<br />
umgesetzt werden. Woran liegt das?<br />
Sehr viel Zeit geht beispielsweise durch intensive Diskussionen<br />
mit den Genehmigungsbehörden verloren. Wünschenswert<br />
wäre es, die Verfahren einheitlicher zu gestalten und administrative<br />
Hürden zu senken. Bislang sind meines Wissens jedoch<br />
alle innovativen Verkehrsformen, die beantragt wurden, auch<br />
genehmigt worden – wenngleich teilweise mit Einschränkungen.<br />
Wenn wir Innovationen wollen, wäre eine Debatte um das<br />
PBefG gegebenenfalls auch kontraproduktiv. Denn in der damit<br />
verbundenen langen Phase der Verunsicherung würden wir<br />
eher weniger als mehr Innovationen sehen.<br />
» Welche Auswirkungen befürchten Sie, wenn die Änderung<br />
des bestehenden Ordnungsrahmens zur Debatte steht?<br />
Wir sind gerade in einer Phase, in der viele Anbieter mit<br />
Lösungen experimentieren und Erfahrungen sammeln. <strong>Das</strong><br />
ist gut so, denn wir brauchen am Ende passgenaue Lösungen.<br />
„One size fits all“ gibt es nicht. Aber auch neue Mobilitätsangebote<br />
müssen sich einfügen und die Spielregeln<br />
des Verkehrssektors anerkennen. <strong>Das</strong> PBefG gibt uns eine<br />
Marktordnung, die diese öffentlichen Verkehrsinteressen berücksichtigt<br />
und ein entsprechendes Abstandsgebot zwischen<br />
allen Marktteilnehmern im Interesse der <strong>Das</strong>einsvorsorge und<br />
gleichwertiger Lebensverhältnisse vor Ort absichert.<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
21
UNTERWEGS IM NETZ<br />
Bessere Bahn<br />
zwischen<br />
Stadt und Land<br />
Mit der Straßenbahn aus der City auf die Schienen in der Region:<br />
<strong>Das</strong> ist das „Karlsruher Modell“. Gerade wurde das national wie<br />
international kopierte „Tram-Train“-Konzept der Albtal-<br />
Verkehrs-Gesellschaft (AVG) 25 Jahre alt. Und nun haben sich<br />
Betreiber und öffentliche Geldgeber geeinigt, wie sie die Zukunft<br />
des attraktiven Nahverkehrsangebots sichern wollen.<br />
Systemübergang: Ohne dass<br />
die Fahrgäste etwas merken,<br />
wechselt die Stadtbahn zwischen<br />
Gleichspannung über eine kurze<br />
neutrale Strecke ohne Spannung<br />
auf Wechselstrom.<br />
Anfangs traute mancher Intercity-Lokführer<br />
auf der Reise nach Basel seinen Augen nicht<br />
mehr: Da kam ihm doch kurz hinter Karlsruhe auf<br />
dem anderen Gleis wahrhaftig eine Straßenbahn<br />
entgegen! Mehr noch würden die Hochgeschwindigkeitspiloten<br />
gestaunt haben, wenn sie den<br />
weiteren Weg der Bahn hätten verfolgen können:<br />
Im Gleisvorfeld des Karlsruher Hauptbahnhofs<br />
schlängelten sich – und schlängeln sich heute – die<br />
rot-gelben Stadtbahnen der AVG durch die Weichenstraßen<br />
in den Albtalbahnhof. Wechseln dann<br />
ins innerstädtische Gleisnetz der Straßenbahn,<br />
halten brav an Ampeln, rollen durch die belebte<br />
Fußgängerzone bis zum Marktplatz mitten in der<br />
City. Und das nun schon seit September 1992.<br />
Hauptbahnhof in Randlage<br />
„Man muss die Bahn zu den Menschen bringen<br />
und nicht die Menschen zur Bahn.“ Wie<br />
ein Mantra hatte Dieter Ludwig, langjähriger<br />
Chef der AVG und der Verkehrsbetriebe Karlsruhe<br />
(VBK), seit Mitte der 1980er-Jahre diesen<br />
Satz stets parat, wenn er in der Politik für sein<br />
Modell eines besseren ÖPNV warb. Und das aus<br />
gutem Grund: In einer Zeit des ungebremsten<br />
motorisierten Individualverkehrs verlor der<br />
Schienenpersonennahverkehr allenthalben<br />
massiv an Kundschaft; Bahnhöfe verfielen,<br />
Strecken verrosteten und wurden stillgelegt.<br />
Ludwig, lange Jahre Präsident des <strong>VDV</strong>, hatte<br />
früh eines der zentralen Probleme seiner Region<br />
erkannt: Der Hauptbahnhof von Karlsruhe liegt<br />
am Rande der Innenstadt – mit der Folge, dass<br />
Bahnreisende in die Residenzstadt vom Zug<br />
immer noch in örtliche Busse und Bahnen um-<br />
22 05 | <strong>2017</strong>
Knotenpunkt Hauptbahnhof: Die Grundidee des Karlsruher Modells war es, das gut ausgebaute innerstädtische<br />
Straßenbahnnetz mit den vorhandenen Eisenbahnstrecken in der Region zu verbinden.<br />
steigen mussten. Da nahmen viele potenzielle<br />
Kunden lieber das Auto.<br />
Für den durchgehend umsteigefreien Bahnverkehr<br />
zwischen City und dem Umland mussten<br />
technische Probleme gelöst werden. Zum Beispiel<br />
die Energieversorgung: Die Karlsruher<br />
Tram fährt mit 750 Volt Gleichspannung, die<br />
Deutsche Bahn mit 15.000 Volt und Wechselstrom.<br />
Karlsruhe musste deshalb Zwei-System-Fahrzeuge<br />
entwickeln und beschaffen,<br />
die nun an den drei eigens gebauten Gleisverbindungen<br />
zwischen den Schienennetzen automatisch<br />
auf die richtige Energieeinspeisung<br />
umschalten. Es mussten Radsätze gewählt werden,<br />
die beides „können“ – auf dem schmalen<br />
Rillengleis in der Straße sowie auf Vollbahngleisen<br />
rollen. Ein- und Ausstiege benötigen ausfahrbare<br />
Schrittstufen, damit die Fahrgäste aus<br />
den schmaleren Trams gefahrlos die Bahnsteigkanten<br />
erreichen können. Ein weiteres zentrales<br />
Problem: Die Umlandstrecken waren längst<br />
nicht alle elektrifiziert. So wurde damals die 30<br />
Kilometer lange Pilotstrecke von Karlsruhe nach<br />
Bretten mit Fahrdraht und Stromversorgung<br />
ausgestattet – ein 80-Millionen-D-Mark-Projekt.<br />
Gegenüber klassischen Nahverkehrszügen<br />
hatte die Tram dort aber einen entscheidenden<br />
Vorteil: Sie war leichter, beschleunigte schneller<br />
und bremste kürzer. <strong>Das</strong> schuf Reisezeitgewinne,<br />
die in zusätzliche Haltepunkte investiert<br />
wurden. So entstanden – nah an den Kunden –<br />
allein an der Pilotstrecke mehr als ein Dutzend<br />
zusätzlicher Stopps.<br />
„Ludwigs Bahn“<br />
Von der Eröffnung an war die neue Bahn ein<br />
Renner, die Fahrgastzahlen vervielfachten sich<br />
in wenigen Monaten. Und so fiel es Dieter Ludwig,<br />
der seit den Tagen seines Ingenieurstudiums<br />
die Lizenz als Tramführer hatte und immer<br />
wieder selbst in den Führerstand stieg, nicht<br />
allzu schwer, mit der guten Idee des Karlsruher<br />
Modells weiter zu werben. Am Ende stand ein<br />
S-Bahn-Netz von über 600 Kilometern Länge,<br />
mit Endpunkten beispielsweise in Heilbronn,<br />
Bad Wildbad, Bietigheim-Bissingen, Germersheim,<br />
Freudenstadt, Baden-Baden und Achern.<br />
Nur ein Teil der Strecken gehört der Albtalbahn.<br />
Gefahren wird auch auf Gleisen nichtbundeseigener<br />
Eisenbahnen ebenso wie im DB-Netz.<br />
Und einige Linien, wie die Gebirgsbahn durch<br />
das Murgtal hinauf in den Schwarzwald nach<br />
Baiersbronn und Freudenstadt, wurden von<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
23
UNTERWEGS IM NETZ<br />
170<br />
MILLIONEN<br />
So viele Fahrgäste nutzen jedes Jahr die<br />
Straßenbahnen in und um Karlsruhe.<br />
Zum Start des Modells vor 25 Jahren<br />
waren es 100 Millionen.<br />
der AVG für Jahrzehnte gepachtet,<br />
elektrifiziert und für den<br />
Stadtbahnbetrieb ausgebaut.<br />
„Ludwigs Bahn“ – wie eine Fachzeitschrift<br />
seinerzeit das Karlsruher<br />
Modell anerkennend in<br />
Reminiszenz an die „Ludwigsbahn“,<br />
die erste deutsche Eisenbahn<br />
zwischen Nürnberg und<br />
Fürth, betitelte – sorgte schnell<br />
für ein verändertes Kundenverhalten.<br />
Dank der durchgehenden<br />
Stadt-Umland-Verbindungen<br />
mit modernen Stadtbahn-Triebwagen<br />
stieg die Zahl der Fahrgäste<br />
in den 25 Jahren von 100<br />
Millionen auf 170 Millionen im<br />
Jahr, berichtet Dr. Alexander Pischon,<br />
heute Vorsitzender der<br />
Geschäftsführung von AVG und<br />
VBK: „<strong>Das</strong> Karlsruher Modell<br />
hat sich hervorragend bewährt,<br />
Eine Stadtbahn vom Typ Flexity Swift überquert<br />
den Vorplatz des Karlsruher Hauptbahnhofs.<br />
und inzwischen haben wir auch<br />
die Weichen für eine erfolgreiche<br />
Zukunft gestellt.“ Zunächst<br />
durch ein ambitioniertes Infrastrukturprojekt:<br />
Die Stadt leistet<br />
sich zwei derzeit im Bau befindliche,<br />
insgesamt gut vier Kilometer<br />
lange Tunnelabschnitte<br />
mitten im Zentrum mit sieben<br />
unterirdischen Haltestellen, die<br />
bis 2021 in Betrieb gehen sollen.<br />
„Mit der Fertigstellung des Innenstadttunnels<br />
können wir mit<br />
einem noch attraktiveren Angebot<br />
weitere Fahrgäste hinzugewinnen“,<br />
ist Pischon überzeugt.<br />
Modell in andere<br />
Städte übertragen<br />
Zugleich wurden in Karlsruhe<br />
erste Schritte unternommen,<br />
das bewährte System auf den li-<br />
24 05 | <strong>2017</strong>
Tennetschlucht bei Forbach: Die Zwei-System-Fahrzeuge der<br />
AVG haben die Zulassung für Steilstrecken und können das<br />
Murgtal hinauffahren.<br />
VIER FRAGEN AN<br />
die AVG-Geschäftsführer<br />
Dr. Alexander Pischon (l.)<br />
und Ascan Egerer<br />
» Wie groß ist das künftige Direktvergabe-Netz der AVG?<br />
Alexander Pischon: <strong>Das</strong> lässt sich noch nicht im Detail sagen.<br />
Nach heutigem Stand „wegfallen“ werden die Stadtbahn-<br />
Streckenäste von Baden-Baden in Richtung Achern sowie von<br />
Forbach in Richtung Freudenstadt. Bereits im Wettbewerb<br />
vergeben sind die Strecken Bruchsal – Mühlacker und Pforzheim<br />
– Bietigheim-Bissingen (Betriebsaufnahme 2019). Diese<br />
werden in Zukunft nicht mehr von AVG-Stadtbahnfahrzeugen<br />
bedient. Die AVG wird im Gegensatz zu der heutzutage<br />
erbrachten Verkehrsleistung bis zu 30 Prozent weniger an<br />
Zugkilometern zu erbringen haben.<br />
» Inwieweit kann die Fahrzeugflotte nach 2022 verkleinert<br />
werden? Wie wirkt sich das auf die Personalsituation aus, wie<br />
auf die Instandhaltungsinfrastruktur und deren Mitarbeiterbestand?<br />
Ascan Egerer: Grundsätzlich ist geplant, ältere Fahrzeuge<br />
sukzessive auszumustern und durch neue zu ersetzen.<br />
Der künftige Bestand wird erst durch den zu schließenden<br />
Verkehrsvertrag und die darin zu vereinbarenden Fahrzeugkapazitäten<br />
festgelegt. Wir gehen davon aus, dass die AVG in<br />
den kommenden Jahren zunehmend erforderliche Instandhaltungs-<br />
und Serviceleistungen für Dritte anbieten kann. Hierfür<br />
werden die Fachkräfte der AVG aus den unterschiedlichsten<br />
Bereichen selbstverständlich auch weiterhin benötigt. Vor<br />
diesem Hintergrund soll es keinen Personalabbau geben.<br />
beralisierten Verkehrsmarkt auszurichten. In einem<br />
Eckpunktepapier verständigten sich die Stadt Karlsruhe<br />
und das Land Baden-Württemberg darauf, das<br />
Modell auf seinen qualitativen Ursprung zurückzuführen.<br />
Nach dem Auslaufen der derzeitigen Betreiberverträge<br />
im Jahr 2022 will das Land alle Linien,<br />
die mit Zwei-System-Fahrzeugen umsteigefrei zwischen<br />
Stadt und Region bedient werden, per Direktvergabe<br />
bis zunächst 2035 von der AVG betreiben<br />
lassen. Vier reine Eisenbahn-Verbindungen dagegen<br />
werden dann EU-konform als klassischer SPNV<br />
europaweit ausgeschrieben und nicht mehr mit den<br />
rot-gelben Stadtbahnzügen bedient.<br />
Seit den Anfängen lockt das Verkehrskonzept bis<br />
heute Tram-Train-Experten aus aller Welt nach<br />
Karlsruhe. <strong>Das</strong> Modell wurde vielfach in ähnlicher<br />
Form realisiert, zum Beispiel in Kassel, Chemnitz und<br />
Saarbrücken, in französischen und britischen Stadtregionen<br />
von Straßburg bis Sheffield. Und auch bei<br />
der Renaissance des Schienennahverkehrs in Nordamerika<br />
gibt es erste vergleichbare Angebote eines<br />
besseren ÖPNV.<br />
» Beim Ausbau der Fernlinien wurden vielfach – zum Beispiel<br />
Richtung Bretten – zusätzliche stadtnahe Haltestellen<br />
eingerichtet. Entfällt deren Bedienung im künftigen reinen<br />
Eisenbahnverkehr?<br />
Pischon: Nein, auch nach der Umstellung werden diese Haltestellen<br />
von den Stadtbahnen weiterhin bedient. Zudem hat<br />
das Land Baden-Württemberg zugesagt, auf den durch reine<br />
Eisenbahnleistungen bedienten Streckenabschnitten alle<br />
Halte auch in Zukunft zu bedienen.<br />
» Die AVG hat ihre Fernlinien und die Infrastruktur dafür erheblich<br />
ausgebaut. Bleiben die Strecken und Infrastruktur wie<br />
Bahnhofsgebäude, die heute im Eigentum der AVG sind, weiterhin<br />
beim Unternehmen und erhält sie künftig von Dritten<br />
Trassenpreise auf den nicht mehr von ihr bedienten Strecken?<br />
Egerer: Ja, diese Strecken und die Infrastruktur bleiben im Eigentum<br />
des Unternehmens. Die Pachtstrecken sind über lang<br />
laufende Verträge bis ins Jahr 2045 von der AVG gepachtet<br />
worden. Dort, wo Dritte auf dieser AVG-Infrastruktur verkehren,<br />
erhält die AVG Trassenpreise und Stationsentgelte.<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
25
AUS DEM VERBAND<br />
1<br />
2<br />
Digitalisierung:<br />
Wie arbeiten<br />
wir morgen?<br />
4<br />
Industrie 4.0, Mobilität 4.0: All das steht auch für die Digitalisierung und Vernetzung ganzer<br />
Wirtschafts- und Lebensbereiche. Doch was bedeutet der digitale Wandel für die Mitarbeiter<br />
der Verkehrsbranche? Und wie lassen diese sich mitnehmen? Der <strong>VDV</strong>-Personalkongress<br />
wollte auf diese Fragen erste Antworten geben – und vor allem einen weitergehenden Strategiediskurs<br />
in Sachen Human Ressources (HR) starten.<br />
„<br />
Arbeit, Kultur, Technik: Die Chancen des digitalen<br />
Wandels für die Verkehrsbranche nutzen“ lautete<br />
der Titel der diesjährigen Veranstaltung, die von der<br />
<strong>VDV</strong>-Akademie und der Rheinbahn in Düsseldorf<br />
ausgerichtet worden war. Damit hatte der Kongress<br />
einen weiten Bogen zu schlagen: von der Vision der<br />
Mobilität 4.0 und des vernetzten, autonomen ÖPNV<br />
„on demand“ bis hin zu den vielfältigen Folgen, die<br />
diese Entwicklung für die Mitarbeiter haben wird.<br />
„Der digitale Wandel ist disruptiv“, betonte etwa<br />
Prof. Dr. Ewald Wessling, Professor für Neue Kommunikationsformen<br />
an der Hochschule Hannover,<br />
in seinem Impulsvortrag. Disruptiv – das heißt umbrechend.<br />
Neue Geschäftsmodelle ersetzen die alten.<br />
Und so wie einst die MP3 den gesamten Musikmarkt<br />
umkrempelte, seien es heute die Plattformen, die den<br />
Umbruch bedeuten. Doch der digitale Wandel verändere<br />
nicht nur die Welt außerhalb, sondern auch<br />
innerhalb der Unternehmen. „Die Werte sind heute<br />
ganz andere“, so Wessling. Während Ältere etwa auf<br />
Qualität, Sicherheit und Datenschutz achteten, gehe<br />
es den Jungen um Offenheit, Transparenz und Schnelligkeit.<br />
„Sie müssen neue Wege finden, miteinander<br />
zu kommunizieren“, appellierte Wessling deshalb an<br />
die über 200 Teilnehmer, die vor allem aus den Personalabteilungen<br />
der Verkehrsunternehmen stammten.<br />
<strong>Das</strong>s die Digitalisierung den Markt für den Öffentlichen<br />
Verkehr massiv verändert, davon ist auch Dr. Jan<br />
Schilling, Geschäftsführer ÖPNV im <strong>VDV</strong>, überzeugt.<br />
Neue Geschäftsmodelle führen wiederum zu neuen<br />
Arbeitswelten – und Personal und Führung spielten<br />
bei diesem Wandel eine Schlüsselrolle, so Schilling:<br />
„Wenn Sie im Unternehmen keine Kultur haben, die<br />
den Wandel unterstützt, wird ein anderer gewinnen.<br />
Sie brauchen Leute, die diesen Wandel jenseits aller<br />
technischen Fragen gestalten.“<br />
Die Mitarbeiter mitzunehmen durch den digitalen<br />
Wandel, war deshalb ein zentrales Thema des Personalkongresses<br />
– ebenso wie die Frage, wie sich in<br />
Zeiten des Fachkräftemangels qualifizierte neue Kollegen<br />
finden lassen. Eine besondere Rolle, da waren<br />
sich alle Referenten einig, komme hier den Personalern<br />
zu. Sie müssen ihre Mitarbeiter einerseits stärker<br />
begleiten und ihnen die Ängste vor dem digitalen<br />
26 05 | <strong>2017</strong>
1: Prof. Dr. Ewald Wessling erklärte, wie Unternehmen Arbeit<br />
neu denken können. 2 & 3: Die Teilnehmer diskutierten über<br />
die Anforderungen des digitalen Wandels im Personalbereich.<br />
4: Für Abwechslung sorgte Poetry-Slammer Bas Böttcher. Er<br />
reimte über Bus und Bahn.<br />
3<br />
KREATIVES PERSONALMANAGEMENT<br />
Welche Verkehrsunternehmen haben die spannendsten Personal- und Organisationskonzepte<br />
entwickelt? <strong>Das</strong> sollte der „Innovatoren- und Best-Practice-<br />
Pitch“ beim <strong>VDV</strong>-Personalkongress zeigen. Fünf Finalisten präsentierten<br />
ihre Projekte. Am Ende entschied das Publikum, welches das Beste war.<br />
Wandel nehmen, hieß es. Andererseits sollen<br />
sie eine neue Unternehmenskultur vorantreiben,<br />
um ihren Betrieb fit für die Arbeit 4.0<br />
und attraktiv für den Nachwuchs zu machen.<br />
Starre Hierarchien und die klassische Führung<br />
von oben nach unten hätten ausgedient.<br />
Der Nachwuchs verlange heute flexible Arbeitsformen,<br />
über alle Hierarchiestufen und<br />
Bereichsgrenzen hinweg. Führungskräfte<br />
hingegen werden zu Beratern und Unterstützern.<br />
Damit Personaler diesen Wandel<br />
angehen und die Mitarbeiter sowie Führungskräfte<br />
gleichermaßen begleiten können,<br />
benötigen sie Zeit: „Bei der Rheinbahn<br />
rüsten wir deshalb den Personalbereich digital<br />
auf“, beschrieb etwa Rheinbahn-Vorstand<br />
und Arbeitsdirektor Klaus Klar. Dies solle die<br />
nötigen Freiräume schaffen.<br />
<strong>Das</strong>s man den Wandel annehmen und aktiv<br />
angehen sollte, betonte auch Udo-Ernst<br />
Haner vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft<br />
und Organisation IAO. „Warum<br />
Sie das tun sollten? Weil Mitarbeiter heute<br />
die Freiheit haben zu entscheiden, wo sie<br />
arbeiten wollen“, so der Leiter des Teams<br />
„Information Work Innovation“ beim IAO.<br />
Stichwort: Fachkräftemangel.<br />
Vor möglichen negativen Folgen warnte<br />
indes Dr. Norbert Huchler, Vorstandsmitglied<br />
im Institut für Sozialwissenschaftliche<br />
Forschung in München. Arbeit 4.0 bedeute<br />
vor allem Selbstorganisation und Selbst-<br />
1. Deutsche Bahn<br />
Die Bahn im 360-Grad-Film: Um<br />
sich als attraktiver Arbeitgeber zu<br />
präsentieren und einen Blick hinter<br />
die Kulissen zu ermöglichen, setzt<br />
die DB in der Personalgewinnung auf<br />
Virtual Reality. Bahnberufe werden<br />
so hautnah erlebbar. Die innovative<br />
Technik setzt die DB unter anderem<br />
erfolgreich auf Berufsmessen (Foto)<br />
ein – und landete damit auf Platz eins.<br />
2. Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)<br />
Mit ihrer „Agilen Toolbox“, die den<br />
Rahmen für agiles Arbeiten bei der BVG definiert, landeten die Berliner auf<br />
Platz zwei. Die BVG setzt verstärkt auf die Ideen der eigenen Mitarbeiter – zum<br />
Beispiel für neue Produkte und Services. In interdisziplinären, agilen Teams<br />
treiben sie selbst Innovationen voran. Die BVG stattet sie dafür mit zeitlichen<br />
und finanziellen Ressourcen aus. Bisher wurden damit neun Projekte realisiert.<br />
3. MEV Eisenbahn-Verkehrsgesellschaft mbH<br />
Die drittplatzierten Mannheimer setzen im E-Learning auf 360-Grad-<br />
Videos. Mit „Trainscape Engine“ hat das Eisenbahnunternehmen eine<br />
interaktive Baureihenkunde für Tablet und Desktop-PC entwickelt.<br />
Angehende Lokführer können damit Fahrzeuge verschiedener Baureihen<br />
„begehen“. Der trockene Lehrstoff soll so spannender werden.<br />
4. Leipziger Verkehrsbetriebe<br />
Mehr Effizienz und Effektivität: Mit diesem Ziel vor Augen hat<br />
die Leipziger Gruppe, zu der auch die LVB gehören, ihren HR-Bereich<br />
umgekrempelt. Dabei ging es vor allem um die Standardisierung<br />
von Prozessen in der Personalabteilung. Dies soll Freiräume<br />
schaffen – vor allem für beratende und strategische Aufgaben.<br />
5. Üstra<br />
<strong>Das</strong> neue „Kulturbarometer“ der Üstra soll einen Wandel in der Unternehmenskultur<br />
ermöglichen. Insgesamt wurden acht Werte definiert<br />
– wie „Fehler zulassen“ oder „Beteiligung leben“. <strong>Das</strong> Kulturbarometer<br />
überwacht die Einhaltung dieser Werte: In Fragebögen werden Teams<br />
und Führungskräfte einmal im Jahr dazu befragt. Die Ergebnisse werden<br />
besprochen und Verbesserungspotenziale ausgemacht.<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
27
AUS DEM VERBAND<br />
motivation – aber auch das<br />
Risiko der Selbstausbeutung.<br />
„Die größte Gefahr<br />
ist die Zunahme von psychosozialen<br />
Belastungen,<br />
weil wir noch nicht gelernt<br />
haben, mit all dem umzugehen“,<br />
sagte er beispielsweise über die ständige Erreichbarkeit<br />
per Smartphone. „Dafür müssen wir die Leute qualifizieren.“<br />
Doch was heißt all das für die Verkehrsbranche? Michael<br />
Weber-Wernz, Geschäftsführer der <strong>VDV</strong>-Akademie, und<br />
1 2<br />
1: Mit über 200 Teilnehmer<br />
war der Kongress<br />
ausgebucht. 2: Dr. Oliver<br />
Stettes (l.) und Michael<br />
Weber-Wernz widmeten<br />
sich der Arbeit 4.0.<br />
Die Branche steht an einem Punkt, an dem<br />
sich große Chancen ergeben, wenn wir die<br />
Mitarbeiter mitnehmen und die richtigen<br />
Aus- und Fortbildungen schaffen.<br />
Gisbert Schlotzhauer,<br />
Bogestra-Vorstand und Vorsitzender des<br />
<strong>VDV</strong>-Personalausschusses<br />
Dr. Oliver Stettes vom Institut<br />
der deutschen Wirtschaft, stellten<br />
dazu die Ergebnisse eines<br />
Workshops aus dem Frühjahr<br />
<strong>2017</strong> vor, in dem sich Experten<br />
aus den Verkehrsunternehmen<br />
bereits mit Fragen und Perspektiven<br />
rund um die Zukunft der Arbeitslandschaft auseinandergesetzt<br />
haben. Wie geht man zum Beispiel mit den Ängsten<br />
der Mitarbeiter aus dem Fahr- und Kundendienst um, die befürchten,<br />
von autonomen Fahrzeugen und virtuellen Servicestellen<br />
ersetzt zu werden? Für sie bedeuten<br />
neue Berufsbilder eine Chance: „Die klassische<br />
Kundenberatung wird es nicht mehr<br />
geben“, ist sich Weber-Wernz sicher. „Aber<br />
dafür werden andere Formen der Beratung<br />
entstehen. Und falls nur noch kleine, automatisierte<br />
On-demand-Busse unterwegs<br />
sind, dann müssen die gemanagt werden.“<br />
Diesen Findungsprozess würden die Mitarbeiter<br />
aber nur mithilfe der Personalberater<br />
schaffen. Zudem erlange das Thema Qualifizierung<br />
und Fortbildung eine noch größere<br />
Bedeutung als heute schon.<br />
Praktische Ansätze<br />
Doch bei aller Theorie müssen die Verkehrsunternehmen<br />
den Herausforderungen<br />
BESTE NACHWUCHSKRÄFTE AUSGEZEICHNET<br />
Volle Punktzahlen, glatte Einsen: Der Nachwuchs in der Branche hat es<br />
drauf. Die Erfolgreichsten wurden beim <strong>VDV</strong>-Personalkongress ausgezeichnet<br />
– im Rahmen des Wettbewerbs „Unser bester Nachwuchs“<br />
von <strong>VDV</strong> und <strong>VDV</strong>-Akademie. Teilnehmen durfte jeder, der 2016 oder<br />
<strong>2017</strong> den Abschluss gemacht hatte.<br />
In der Kategorie „Gewerblich-technische Berufe“ gewann Kfz-Mechatroniker<br />
Moritz Scheer (Rheinbahn) vor Björn Ostermann, Elektroniker<br />
für Betriebstechnik (Stadtwerke Bielefeld), und<br />
Systeminformatiker Sven Hoppe (BVG). Moritz Scheer war<br />
gleichzeitig bester Absolvent einer Lehreplus. Zusätzlich<br />
zu seiner Lehre legte er weitere Qualifizierungen wie den<br />
„Fachkaufmann (HWK)“ ab.<br />
Bei den verkehrsspezifischen Berufen hatte Julia Müller, Eisenbahnerin<br />
im Betriebsdienst (DB Netz AG), die Nase vorn.<br />
Auf Platz zwei und drei folgten die Fachkräfte im Fahrbetrieb<br />
Julius Riediger (Padersprinter) und Sebastian Heidmann<br />
(Rostocker Straßenbahnen). Julia Müller wurde in diesem Bereich<br />
zudem als beste weibliche Absolventin geehrt.<br />
Bei den kaufmännischen Berufen (Foto) teilten sich die<br />
Kauffrauen für Büromanagement Carina Leymann (Bogestra)<br />
und Ewa Joanna Szyszka (Vestische Straßenbahnen)<br />
Platz eins. Auf Rang zwei landeten die Industriekauffrauen<br />
Melina Gerbracht (Evag), Yasmine Demmer und Nicole Magner (beide<br />
Stadtwerke Bielefeld). Annika Heinze (Regiobus Hannover), Kauffrau<br />
für Büromanagement, wurde Dritte.<br />
Als bester dualer Student wurde Max Lukas Ellger, Wirtschaftsingenieur<br />
für Eisenbahnwesen (DB Netz AG), ausgezeichnet. Beste weibliche<br />
Absolventin im gewerblich-technischen Bereich ist Bettina Hansen,<br />
Elektronikerin für Geräte und Systeme (Hamburger Hochbahn).<br />
28 05 | <strong>2017</strong>
AKTUELL<br />
Mitarbeiter mobil<br />
informieren<br />
Mit mehr als 14.000 Mitarbeitern sind die Berliner Verkehrsbetriebe<br />
(BVG) einer der größten Arbeitgeber im deutschen ÖPNV. Die interne<br />
Kommunikation stellt das vor besondere Herausforderungen. Wie lassen<br />
sich alle dezentralen Kollegen entsprechend einbinden? Die Antwort:<br />
eine App speziell für Mitarbeiter. Seit Ende 2016 bietet die BVG<br />
ihren Mitarbeitern eine solche Anwendung für Smartphones an.<br />
„Allein über 6.600 Fahrer sind tagtäglich auf Berlins Straßen und Schienen<br />
unterwegs, verfügen daher über keine Schreibtischarbeitsplätze und somit<br />
über keinen direkten Zugang zum Intranet oder zu E-Mails“, heißt es dazu<br />
bei der BVG. Per App können sie nun über alle Neuigkeiten aus dem Unternehmen<br />
auf dem Laufenden gehalten werden. Push-Nachrichten ermöglichen<br />
es der BVG, gezielt auf wichtige Nachrichten aufmerksam zu machen.<br />
Die Berliner sind indes nicht das einzige Verkehrsunternehmen in Deutschland,<br />
das auf mobile interne Kommunikation setzt. Die Leipziger Verkehrsbetriebe<br />
statten ihre 1.200 Mitarbeiter im Fahrbetrieb derzeit mit Tablets aus, die nach<br />
ähnlichem Prinzip funktionieren und die direkte Kommunikation zwischen<br />
Unternehmen und Fahrern ermöglichen. Zudem bieten die Tablets weitere<br />
Funktionen, etwa die Darstellung von Schicht- oder Kursfahrplänen. Die bislang<br />
aufwendigen Kursmappen aus Papier werden nun ebenfalls digital geführt.<br />
der Arbeit 4.0 auch in der Praxis begegnen.<br />
An diesem Punkt will der neue<br />
„Innovationskreis Arbeiten 4.0“ aus<br />
Branchenvertretern ansetzen, der sich<br />
kurz nach dem Kongress erstmals getroffen<br />
hat. Er knüpft unter anderem an<br />
den Workshop vom Frühjahr an. Doch<br />
auch die Teilnehmer des Personalkongresses<br />
konnten sich an sogenannten<br />
Thementischen genauer mit den Workshop-Ergebnissen<br />
auseinandersetzen<br />
– und ihrerseits Input für den Innovationskreis<br />
formulieren. Zeitgleich<br />
arbeiten <strong>VDV</strong>, <strong>VDV</strong>-Akademie und<br />
verschiedene Verkehrsunternehmen<br />
weiter an ihrer Arbeitgeber-Imagekampagne, die im Frühjahr<br />
2018 starten soll. Sie soll den Verbandsunternehmen als Dach<br />
für deren Recruiting- und Employer-Branding-Aktivitäten<br />
dienen. Zudem können sie sich durch den <strong>VDV</strong> beraten lassen.<br />
<strong>Das</strong>s der geplante Instrumenten-Baukasten nicht nur theoretischer<br />
Natur ist, sondern auch konkrete Ideen für die Praxis<br />
umfasst, zeigten die Vorträge von drei Verkehrsunternehmen,<br />
die sich in der Kampagne engagieren. Sie präsentierten ihre<br />
Best-Practice-Beispiele aus dem Bereich Personalmarketing:<br />
die Aktion „Osnabrück sucht Deutschlands Super-FiF“<br />
(siehe Seite 4/5), die überarbeiteten Markenbotschaften der<br />
Kölner Verkehrs-Betriebe sowie die Recruiting-Maßnahmen<br />
der KSW Kreisbahn Siegen-Wittgenstein. <strong>Das</strong> kleine<br />
Unternehmen des Schienengüterverkehrs<br />
beschäftigt 51 Mitarbeiter – und<br />
sich im Wettbewerb gegenüber anderen<br />
Arbeitgebern zu behaupten, sei<br />
nicht leicht, beschrieb Geschäftsführer<br />
Christian Betchen. Dennoch bewies<br />
die KSW, dass erfolgreiches Personalmarketing<br />
nicht Millionen Euro kosten<br />
muss. Sie stellte einen internen Ausund<br />
Weiterbildungsplan auf, der den<br />
Mitarbeitern neue Karrierepfade ermöglicht<br />
– von der Lok in die Verwaltung.<br />
2014 ließ sich die KSW zudem als<br />
Dr. Norbert Huchler warnte vor den Nachteilen<br />
des digitalen Wandels für die Mitarbeiter. „Best place to learn“ zertifizieren. Hinzu<br />
kämen klassische Werbemaßnahmen<br />
wie Zeitungsanzeigen und Stände auf Ausbildungsmessen. All<br />
das zeige Erfolg, die Lage habe sich entspannt, so Betchen. Und<br />
als kürzlich ein Lokführer gekündigt habe, konnte die KSW die<br />
offene Stelle noch innerhalb der Kündigungsfrist neu besetzen,<br />
berichtete er: im hart umkämpften Wettbewerb um das<br />
Fahrpersonal ein Volltreffer.<br />
Mehr Informationen finden Sie online unter:<br />
www.vdv-akademie.de<br />
05 | <strong>2017</strong><br />
29
ZU GUTER LETZT<br />
Vom Auto- zum ÖPNV-Fan<br />
ÖPNV oder Pkw – bei überzeugten Fans des einen oder des anderen ist das<br />
oft eine „Entweder-oder“-Frage. Doch dass sich selbst große Autoliebhaber<br />
vom öffentlichen Nahverkehr begeistern lassen, zeigt das Beispiel von Nicolas<br />
Silbermann (Foto). Vor gut einem Jahr ist der Geschäftsführer der AEB –<br />
Absicherung und Eisenbahnbau in Berlin GmbH mehr oder weniger unfreiwillig<br />
auf die BVG umgestiegen.<br />
„Eigentlich bin ich kein Raser“, erzählt Nicolas Silbermann. „Aber auf der<br />
Autobahn habe ich ein Tempolimit-Schild übersehen – und bin dann geblitzt<br />
worden.“ Die Folge: zwei Monate Führerscheinentzug. Ab Anfang Dezember 2016<br />
fuhr der 49-Jährige deswegen zwangsweise mit dem ÖPNV zur Arbeit. Und war,<br />
beschreibt er, „begeistert“. „Und zwar so, dass ich mir schon wenige Wochen<br />
später eine Jahreskarte der BVG gekauft habe. Seitdem fahre ich im Stadtverkehr<br />
nur noch selten Auto.“ Dabei sei<br />
er vorher immer „praktizierender<br />
Autofahrer“ gewesen. „Ich dachte<br />
mir immer: Wozu brauche ich eine<br />
Monats- oder Jahreskarte, wenn ich<br />
einen Dienstwagen habe?“<br />
Doch der ÖPNV hatte bei ihm<br />
gepunktet. „Über alle Fahrten<br />
gesehen ist er sehr zuverlässig“,<br />
sagt Nicolas Silbermann. Mit dem<br />
Auto wäre er zwar wenige Minuten<br />
schneller bei der Arbeit, dafür spart<br />
er sich die mühselige Parkplatzsuche<br />
und die verstopften Straßen im<br />
Berliner Berufsverkehr. „Zudem<br />
kann ich lesen, Mails beantworten<br />
oder schon etwas vorarbeiten.“ Und<br />
das hat der ÖPNV dem Auto nun<br />
einmal meilenweit voraus.<br />
Termin<br />
23. bis 24. Januar 2018<br />
11. BME/<strong>VDV</strong>-Forum<br />
SGV in Bonn<br />
<strong>Das</strong> Forum fördert den Dialog<br />
zwischen Verladern, Speditionen und<br />
Eisenbahnen. Im Fokus stehen Kundenanforderungen<br />
sowie die Möglichkeiten<br />
zur Verkehrsverlagerung auf die Schiene.<br />
Themenschwerpunkt ist diesmal die Papier-,<br />
Zellulose- und Holzlogistik.<br />
www.vdv.de/termine.aspx<br />
Termin<br />
28. Februar bis<br />
1. März 2018<br />
8. AEE-Fachtagung<br />
in Dresden<br />
Die Fachtagung des<br />
<strong>VDV</strong>-Ausschusses für elektrische Energieanlagen<br />
(AEE) gilt als Branchentreffen<br />
der „ortsfesten Gleichstrombahner“. Neu<br />
im Programm sind diverse Workshops,<br />
in denen sich die Teilnehmer gezielt zu<br />
einzelnen Themen informieren können.<br />
www.vdv.de/termine.aspx<br />
Die nächste <strong>Ausgabe</strong> von<br />
„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“<br />
erscheint Mitte Dezember <strong>2017</strong>.<br />
Impressum<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />
Herausgeber:<br />
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (<strong>VDV</strong>),<br />
Kamekestraße 37-39, 50672 Köln,<br />
Tel. 02 21/5 79 79-0,<br />
E-Mail: info@vdv.de,<br />
Internet: www.vdv.de<br />
Redaktion <strong>VDV</strong>:<br />
Lars Wagner (V.i.S.d.P.),<br />
Pressesprecher und Leiter Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (<strong>VDV</strong>),<br />
Redaktion „<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“,<br />
Leipziger Platz 8, 10117 Berlin,<br />
vdv-magazin@adhocpr.de<br />
Realisierung, Text und Redaktion:<br />
AD HOC PR, Gütersloh: Stefan Temme (Lt.),<br />
Elena Grawe, Christian Jung<br />
Mitarbeit:<br />
Eberhard Krummheuer<br />
Gesamtleitung und Anzeigen:<br />
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Laut Mediadaten <strong>2017</strong><br />
Für Anregungen, Themenvorschläge, Lob und Kritik erreichen Sie uns unter: vdv-magazin@adhocpr.de<br />
Bildnachweise:<br />
Titelmotiv: Fotolia/reinobjektiv<br />
AVG/Archiv (2, 22, 23, 24, 24/25, 25); David Bohmann/<br />
PID (13); Bogestra/Michael Grosler (19); BVG (29);<br />
Deutsche Bahn (27); DVG (2, 20/21); Fotolia/adam121<br />
(16/17); Fotolia/Jan Becke (30); Fotolia/cpauschert (20/21);<br />
Fotolia/djama (8); Fotolia/fixe1501 (11); Fotolia/Jörg<br />
Hackemann (30); Fotolia/siraanamwong (10); Fotolia/<br />
weyo (10); iStock/Dean Mitchell (9); iStock/LeoPatrizi<br />
(2, 6); iStock/Fabian Wentzel (11); KVB (19); Rheinbahn<br />
(19); RVK (18); Stadtwerke Osnabrück AG/Simon Schrenk<br />
(4/5); SWB (2, 16, 17); Nicolas Silbermann (30); <strong>VDV</strong> (3,<br />
7, 16, 18, 21); <strong>VDV</strong>/Michael Fahrig (7); <strong>VDV</strong>-Akademie<br />
(26, 27, 28, 29); Wiener Linien/Manfred Helmer (2);<br />
Wiener Linien/Johannes Zinner (12/13, 14, 15)<br />
„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“ erscheint alle zwei Monate (sechsmal<br />
im Jahr). Alle im <strong>Magazin</strong> erscheinenden Beiträge und<br />
Bilder sind urheberrechtlich geschützt. Außerhalb der<br />
Grenzen des Urheberrechts ist die Verwertung ohne die<br />
Zustimmung des Herausgebers nicht zulässig. <strong>Das</strong> gilt vor<br />
allem für Vervielfältigungen, Übersetzungen sowie die<br />
elektronische Speicherung und Verarbeitung.<br />
30 05 | <strong>2017</strong>
mittendurch<br />
statt drumherum<br />
electric.volvobuses.com<br />
Der Volvo 7900 Electric ist weitaus mehr als nur ein Bus mit Elektroantrieb. Er leitet einen Paradigmenwechsel<br />
im Öffentlichen Personennahverkehr ein. Mit leisen und emissionsfreien Bussen können Sie Strecken<br />
gestalten, die sich die Bürger Ihrer Stadt wünschen. Wie zum Beispiel Haltestellen in Einkaufszentren oder in<br />
verkehrsberuhigten Stadtbezirken, Sicherheits- und Umweltzonen, und zwar sowohl bei Tag als auch bei Nacht.<br />
Den Volvo 7900 Electric bieten wir als All-Inclusive-Komplettlösung an. Gemeinsam mit Ihnen defi nieren wir für<br />
die ausgewählten Streckenverläufe die spezifi schen Rahmenbedingungen, die erforderlichen Voraussetzungen und<br />
die benötigten Kapazitäten. Wir garantieren die planmäßige Verfügbarkeit lückenlos gewarteter und voll funktionsfähiger<br />
Fahrzeuge zum vereinbarten Kilometerpreis.<br />
Willkommen in der umweltfreundlichen Zone: Sie und Ihre Stadt profi tieren vom umweltbewussten Denken<br />
von Volvo.<br />
Introducing the new<br />
VOLVO 7900 ELECTrIC<br />
Oskar-Messter-Str. 20 • D-85737 Ismaning • www.volvobusse.de<br />
Telefon +49 (0) 89 800 74-0 • Fax +49 (0) 89 800 74-551
WIR<br />
SIND DAS<br />
GEGENTEIL<br />
VON FAHR-<br />
VERBOT.<br />
Busse und Bahnen fahren. Immer. Weil sie schon heute die umweltfreundliche<br />
Alternative sind. Beim klimaschädlichen Kohlendioxid beispielsweise sparen die<br />
öffentlichen Verkehre in Deutschland in einem Jahr die gesamte Emission einer<br />
Großstadt ein: rund 15 Millionen Tonnen CO2.<br />
Mehr dazu: www.deutschland-mobil-2030.de