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Vater abends nach Hause kam, hob er Yara in die Luft, so hoch, dass Mama rief, pass auf!<br />
Es gab kein Geflüster vor dem Fernseher, das die Kinder nicht hören durften, nie musste<br />
Mama den schwarzen Niqab tragen, aus dem nur ihre dunklen, traurigen Augen<br />
hervorschauten.<br />
Damaskus, 2010, vor der Umayyad Moschee und der Ruine des Jupiter Tempels<br />
Als die Lichter des Bahnhofs zu sehen waren, rannte sie fast, so erleichtert war sie,<br />
ihn zu sehen. Sie zitterte jetzt, ob vor Kälte oder Angst, wusste sie nicht. Neben ihr tauchte<br />
plötzlich ein Mann mit einem Hund auf, so nah, dass sie seinen Geruch wahrnahm, einen<br />
Geruch wie von dem Mann, der sie auf den Lastwagen gehoben und dabei unter ihr Kleid<br />
gefasst hatte. Sie erstarrte – doch weder Mann noch Hund nahmen Notiz von ihr. Kaum<br />
waren sie hinter der nächsten Straßenecke verschwunden, stürzte Yara auf den Bahnhof<br />
zu.<br />
Vor dem Eingang standen zwei Polizisten und rauchten, im Inneren der Halle war<br />
bis auf einen Mann vom Reinigungspersonal, der lustlos seinen Wagen über die Fliesen<br />
schob, niemand zu sehen. Yara betrachtete die Abfahrtspläne, doch die Züge Richtung<br />
Süden fuhren nur bis München, Stuttgart, Prag. Sie hatte sich die Karte von Europa, die in<br />
ihrem Klassenzimmer hing, schon oft angesehen und wusste genau, wo die sogenannte<br />
Balkanroute verlief. Von Prag müsste sie weiter nach Wien und Budapest, dann Belgrad,<br />
Sofia, Istanbul. Sie wusste, inzwischen gab es Zäune, die Balkanroute, so hatte es in der<br />
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