Sachwert Magazin Ausgabe 62, Dezember 2017
WOLFGANG BOSBACH: Man sollte nicht nur meinung haben, sondern auch ahnung CLAUS VOGT: US-Wirtschaft wird weiter schön geredet
WOLFGANG BOSBACH: Man sollte nicht nur meinung haben, sondern auch ahnung
CLAUS VOGT: US-Wirtschaft wird weiter schön geredet
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Immobilien<br />
Wolfgang Bosbach: »Nicht nur Meinung,<br />
sondern auch Ahnung haben.«<br />
Im Interview auf der Deutschen Immoblilienmesse 2016 mit<br />
Helge Norbert Ziegler vom BVFI und Verleger Julien Backhaus<br />
Herr Bosbach, Sie sind ja nicht als Politiker<br />
geboren. Sie sind ja Einzelhandelskaufmann<br />
und haben auch einmal<br />
eine Supermarktfiliale geleitet. Sie<br />
sind also, im Gegensatz zu vielen Ihrer<br />
Kollegen, ein echter Praktiker. Sie haben<br />
dann Betriebswirtschaftslehre und<br />
Jura studiert. Sie wissen also, wie der<br />
wirtschaftliche Hase momentan läuft.<br />
Im Vergleich zu den meisten westlichen Industrienationen<br />
hat Deutschland eine sehr<br />
gute, stabile Konjunktur. Nicht nur, weil<br />
das Exportgeschäft boomt, sondern weil<br />
die Binnennachfrage nach wie vor gut ist.<br />
Wir haben gute Daten auf dem Arbeitsmarkt.<br />
Vor allem bei der Bekämpfung der<br />
Jugendarbeitslosigkeit ist Deutschland beeindruckend<br />
erfolgreich. Aber wir leben in<br />
einer Zeit, die sich rasant ändert mit dem<br />
Übergang von der Industriegesellschaft zur<br />
Wissensgesellschaft. Da gibt es viele Bereiche,<br />
in denen uns andere Länder nicht<br />
nur eingeholt, sondern überholt haben.<br />
In den klassischen Industrien wie Maschinenbau,<br />
Elektroindustrie, Kfz-Bau sind wir<br />
immer noch absolute Weltklasse. Aber von<br />
den 100 größten Softwareschmieden auf<br />
der Welt nur eine einzige in Deutschland<br />
ist, dann müssen wir in Bildung und Forschung<br />
schon mehr investieren.<br />
Sie selbst haben ja immer versucht,<br />
sich weiterzubilden und auf einem<br />
sehr hohen Niveau zu qualifizieren.<br />
Sind Bildung und Weiterbildung generell<br />
Erfolgsgaranten?<br />
Ich habe mehrere Schulabschlüsse, Betriebswirtschaft<br />
gelernt, zwei juristische<br />
Staatexamina und jedes Mal habe ich gedacht:<br />
„So, jetzt hat das Lernen ein Ende,<br />
jetzt wird Geld verdient!“ Ich bin jeden Tag<br />
eines Besseren belehrt worden. Ich lerne<br />
auch heute noch jeden Tag dazu. Ich lese<br />
unglaublich viel, weil ich die altmodische<br />
Auffassung habe, ich muss nicht nur eine<br />
Meinung, sondern auch Ahnung haben<br />
von dem was ich sage, wenn ich ins<br />
Plenum gehe. Dazu gehört auch, dass ich<br />
mir jeden Tag Fakten aneigne, lerne, wie<br />
sich die Welt verändert.<br />
Es gibt ja einerseits die harten Fakten<br />
und andererseits Softskills. Man sagt<br />
Ihnen ja nach, dass Sie ein Naturtalent<br />
sind, oder versuchen Sie auch in<br />
solchen Bereichen bildungstechnisch<br />
voranzukommen, also, haben Sie mal<br />
einen Rethorikkurs belegt?<br />
Ich? Nein! Aber das erinnert mich an meine<br />
erste Zeit als Supermarktleiter. Der erste<br />
Supermarkt, den ich geleitet habe, war<br />
ausgerechnet der, in dem ich Jahre vorher<br />
als Lehrling angefangen hatte. Und ich<br />
wusste als Chef noch genau, wer zu dem<br />
Lehrling Bosbach freundlich gewesen war,<br />
die waren ja alle noch da. Und die hatten<br />
ein gutes Leben bei mir. Damals war es der<br />
Umgang mit Kunden, mit Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern. Ich war zwar der Chef,<br />
aber der zweitjüngste im ganzen Betrieb.<br />
Da musst du dir dann Respekt erarbeiten<br />
und das geht nur durch Leistung. Heute ist<br />
es eben der Umgang mit Bürgerinnen und<br />
Bürgern. Also: Softskills sind wichtig, aber<br />
das Handwerk musst du auch beherrschen.<br />
Backhaus:Sie als Politiker wollen ja<br />
nicht immer alles nur beim Alten belassen,<br />
sondern es immer besser machen.<br />
Wie kämpft man denn eigentlich professionell<br />
als Politiker gegen Widerstände<br />
der Menschen, ihrer Angst vor<br />
Veränderungen?<br />
Dass es Widerstände gibt, verwundert<br />
mich nicht. Sie wissen ja, was sie jetzt haben,<br />
sie wissen aber nicht, was sie bekommen<br />
werden. Wir können ein Bauprojekt ja<br />
nicht erst im Maßstab 1:1 bauen, dann fragen:<br />
„Gefällt Ihnen das? Gut, dann bauen<br />
wir das richtig“, sondern es gibt ja nur die<br />
Pläne auf dem Papier. Wie man Widerständen<br />
begegnet? Mit absoluter Transparenz<br />
und Offenheit. Man darf nie versuchen,<br />
das Publikum zu täuschen. Man darf keine<br />
falschen Erwartungen wecken. Zweitens,<br />
immer deutlich die Alternativen aufzeichnen.<br />
Die gibt es immer, die Frage ist nur,<br />
welche ist die beste. Darüber muss man<br />
mit den Bürgern ernsthaft diskutieren und<br />
mit guten Argumenten belegen können,<br />
warum man sich gerade für diese Alternative<br />
entscheidet und nicht für eine andere.<br />
Ziegler: Wir als Deutschland sind ja<br />
das größte Land in Europa, haben eigentlich<br />
die Aufgabe, die Führung zu<br />
übernehmen und auch die Staaten, die<br />
nicht diese Kraft haben, mitzunehmen.<br />
Wie können wir Europa wieder nach<br />
vorne bringen? Wie können wir die<br />
Sympathie der Menschen gewinnen<br />
und sie wieder mitnehmen?<br />
Was die Stärke Deutschlands ausmacht<br />
ist nicht nur unsere wirtschaftliche Stärke.<br />
Das wissen die anderen alle. Das heißt,<br />
durch unsere Körpersprache sollten wir<br />
nicht jedes Mal signalisieren: Achtung, hier<br />
kommt die Chefin! Grade Helmut Kohl hat<br />
immer Wert darauf gelegt, dass auch die<br />
kleineren Mitgliedstaaten auf Augenhöhe<br />
mit uns sprechen und verhandeln. Dazu<br />
haben wir eine große gesellschaftliche<br />
Stabilität. Wir selber sehen ja unser Land<br />
sehr kritisch. In 50 Ländern dieser Erde ist