01-60-Fraenkische-Nacht-Dezember-2017-Komplett
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Erzbischof Schick über Ware<br />
und wahre Weihnachten,<br />
Kirchenaustritte und seinen<br />
Heiligen Abend<br />
Käme Jesus<br />
heute in einem<br />
Flüchtlingsboot<br />
zur Welt?<br />
„Der Erzbischof hat mehr Sportabzeichen als Kreuze daheim“,<br />
wird im Dunstkreis des Doms nach ein paar Seidla<br />
zuviel gerne mal gelästert. Auch wenn sich der Wahrheitsgehalt<br />
solcher bierseliger Aussagen nicht verifizieren lässt, gilt<br />
Dr. Ludwig Schick, Bambergs oberster Hirte, auch mit seinen<br />
68 Jahren noch als Sportskanone. Die 3 000 Meter legt<br />
er in respektablen 17:22 Minuten zurück. Einen langen Atem<br />
braucht er auch für seinen Job. Da er unbequeme Worte<br />
nicht scheut, steht er öfters im Kreuzfeuer der Kritik. So<br />
stieß die Forderung des im Volksmund „Erdbeer-Schorsch“<br />
genannten Erzbischofs, Gotteslästerung unter Strafe zu<br />
stellen, bei FDP, SPD und Grünen auf harsche Ablehnung.<br />
Und als Schick erklärte, dass die katholische Kirche einen<br />
mit demokratischer Mehrheit gewählten Moslem als Bundeskanzler<br />
akzeptieren würde, wurde er mit Hasstiraden<br />
und Morddrohungen überzogen. Auch im Interview mit<br />
der FN hatte der gebürtige Hesse klare Botschaften.<br />
Weltweit verfallen in der<br />
Weihnachtszeit Millionen<br />
Menschen einem kollektiven<br />
Kaufrausch, Coca Cola-Weihnachtstrucks<br />
brummen mit<br />
dem Santa Claus durch deutsche<br />
Lande, um festliche Stimmung<br />
zu verbreiten. Hat die<br />
Kommerzialisierung von Weihnachten<br />
das ursprüngliche Fest<br />
der Liebe und der Geburt Jesu<br />
sowie die Zeit der Besinnung<br />
unwiderruflich verdrängt?<br />
Dr. Ludwig Schick: In vielen Bereichen,<br />
ja. Die wahre Weihnacht<br />
ist zur Ware Weihnacht geworden.<br />
Aber es gibt auch Familien,<br />
Gruppen und Einzelpersonen, die<br />
die Ankunft Gottes im Kinde von<br />
Betlehem, den Frieden und die<br />
Freude, die es ausstrahlt, echt<br />
und gern feiern; andernfalls wären<br />
die Weihnachtsgottesdienste<br />
nicht so voll und Weihnachtskrippen<br />
nicht so ansprechend!<br />
Im vergangenen Jahr verzeichnete<br />
die katholische Kirche<br />
162 000 Kirchenaustritte,<br />
die evangelische Kirche sogar<br />
190 000. Ist Weihnachten so etwas<br />
wie der letzte Rettungsreifen<br />
geworden, um wenigstens<br />
ein bisschen Christentum zu<br />
bewahren?<br />
Wir bedauern jeden Kirchenaustritt<br />
und möchten jeden gern<br />
rückgängig machen, weil die Kirche<br />
den einzelnen Menschen und<br />
der Gesellschaft Werte vermittelt<br />
und Hilfe vom Kindergarten bis<br />
zum Hospiz anbietet. An Weihnachten<br />
spüren viele Menschen<br />
den Segen des Christentums und<br />
der Kirche für ihr Leben. Sie erfahren,<br />
dass das Christfest ihr<br />
Leben und das der Gesellschaft<br />
verändert: mehr Freundlichkeit,<br />
Solidarität, Wohlwollen, freigiebiges<br />
Schenken werden erlebt.<br />
Schön wäre es, wenn das ganze<br />
Jahr weihnachtlicher wäre. Weihnachten<br />
kann auch bewirken,<br />
dass die Menschen bei der Kirche<br />
bleiben, weil sie den Wert der<br />
Kirche erfahren.<br />
Nur zu Weihnachten und<br />
Ostern, bei Sterbefällen und<br />
Hochzeiten sind die Kirchen<br />
noch richtig voll. Ärgert Sie das<br />
manchmal auch persönlich?<br />
Es freut mich, dass die Leute wenigstens<br />
da kommen. Es macht<br />
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