Fachtagung - proInnovation GmbH
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<strong>Fachtagung</strong> »Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?«<br />
Projekt »Gender Mainstreaming<br />
im Europäischen Sozialfonds«<br />
(GeM – ESF – BW)<br />
2. <strong>Fachtagung</strong><br />
» Gender Mainstreaming im ESF in Baden-Württemberg:<br />
Ausgangsbedingunen und Handlungsbedarf«<br />
2.6.05 in Stuttgart<br />
..
<strong>Fachtagung</strong> »Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?«<br />
Inhalt<br />
Fachvorträge<br />
Perspektivenwechsel im Verwaltungshandeln -<br />
zur Implementierung von Gender Mainstreaming<br />
in der Landesverwaltung Baden-Württemberg 5<br />
Dr. Diemer<br />
„… die Situation und Bedürfnisse von Frauen und<br />
Männern berücksichtigen …“ – was heißt das eigentlich?<br />
Stolpersteine und Widersprüche bei der Umsetzung von GeM 15<br />
Dr. Anne Rösgen<br />
Die Krise der Kerle.<br />
Männliche Lebensorientierung und<br />
der Wandel der Arbeitsgesellschaft 25<br />
Dr. Thomas Gesterkamp<br />
Wie kann eine Analyse des regionalen Arbeitsmarktes<br />
und geschlechtersensible Ermittlung von Zielgruppen gelingen? 33<br />
Dr. René Leicht<br />
Gesprächskreise (Protokolle)<br />
1. Merkwürdige Frauen und geschlechtslose Männer!?<br />
Wie kann der ESF alte geschlechtsspezifische<br />
Muster aufbrechen? 43<br />
2. Krise der Kerle - wie geht der ESF damit um? 45<br />
3. Warum der regionale Arbeits- und Beschäftigungsmarkt<br />
geschlechtsspezifisch analysiert werden muss und Statistik<br />
allein nicht ausreicht 47<br />
4. Mainstreaming Gender: Was kann der Mainstream aus<br />
den Frauenförderungsprojekten (Politikbereich E) lernen? 49<br />
ReferentInnen und ModeratorInnen 51<br />
..
<strong>Fachtagung</strong> »Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?«<br />
Perspektivenwechsel im Verwaltungshandeln –<br />
zur Implementierung von Gender Mainstreaming in der Landesverwaltung<br />
Baden-Württemberg<br />
Redemanuskript zur <strong>Fachtagung</strong> „Der Europäische Sozialfonds – nur ein<br />
Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?“<br />
am 2.6.05 in Stuttgart<br />
Dr. Susanne Diemer<br />
Referat Chancengleichheit für Frauen und Männer<br />
MINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES<br />
BADEN-WÜRTTEMBERG<br />
..
Perspektivenwechsel im Verwaltungshandeln<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Zur Implementierung von Gender Mainstreaming in der Landesverwaltung<br />
Baden-Württemberg<br />
Meine Aufgabe sehe ich heute darin, Ihnen als ESF-Kompetenzträgern und –trägerinnen<br />
Einblick zu geben in die Implementierungsprozesse von Gender Mainstreaming in der<br />
Landesverwaltung. Gleich vorweg: Ich möchte die mir zur Verfügung stehende Zeit nicht<br />
nutzen, um Ihnen eine komplette Auflistung aller Aktivitäten zu geben. Eine Auflistung<br />
können Sie nachlesen auf der Homepage des Ministeriums für Arbeit und Soziales. Dort<br />
finden Sie den Bericht über die 1. Phase der Umsetzung von Gender Mainstreaming in der<br />
Landesverwaltung.<br />
Einblick geben möchte ich vielmehr dahingehend, in welche Diskussionskontexte wir<br />
Gender Mainstreaming stellen könnten und sollten, welche Standortbestimmung wir vorzunehmen<br />
haben und welche Herausforderungen im Implementierungsprozess derzeit zu<br />
erkennen sind.<br />
Erwarten Sie also bitte eher einen Werkstatt- als einen Rechenschaftsbericht von mir.<br />
Die 1. These meines Werkstattberichtes lautet:<br />
Die konsequente Implementierung von Gender Mainstreaming kann für die<br />
Verwaltung nach Innen und das Verwaltungshandeln nach Außen ein hohes<br />
Innovationspotenzial entwickeln.<br />
Zur Ausgangslage:<br />
Die Verwaltung steht derzeit vor immensen Umbruchprozessen. Die Rahmenbedingungen<br />
für Verwaltungshandeln sind unumkehrbar in Bewegung geraten und oft sind es Konfliktstrukturen,<br />
unter denen Verwaltungshandeln stattfindet.<br />
Einige Beispiele:<br />
Verwaltungshandeln soll nachhaltig sein, gleichzeitig sind die gesellschaftlichen Pro-zesse<br />
und Lebenslagen, auf die Verwaltungshandeln eingehen soll und muss, in ei-nem ständigen<br />
Fluss. Komplexe gesellschaftliche Problemlagen erfordern aber auch einen komplexen Zugang<br />
durch Politik und Verwaltung.<br />
Weniger und qualitativ hochwertigere Richtlinien, Verordnungen und Gesetze sollen erlassen<br />
werden, gleichzeitig gab es historisch gesehen, wie Böhret (2005) aufzeigt, noch nie so<br />
viele Regelungsbereiche und Regelungsbedarfe.<br />
Die Verwaltung soll die Balance finden zwischen den Maßgaben der Politik und der gebotenen<br />
Fachlichkeit eines Themas.<br />
Der Erwartungsdruck der Bevölkerung an die Verwaltung im Bezug auf Nachvollzieh-barkeit<br />
und Transparenz nimmt legitimer Weise zu, gleichzeitig müssen immer mehr supranationale<br />
Anforderungen, etwa durch die EU, und Erfordernisse durch globale Prozesse<br />
beachtet werden, die selbst häufig der Transparenz und Nachvollziehbar-keit entbehren.<br />
Diese kurzen Andeutungen struktureller Umbrüche ließen sich fortsetzen, Sie alle kennen<br />
Beispiele. Sie wissen auch aus eigener Erfahrung, dass auf allen Verwal-tungsebenen und<br />
innerhalb von Institutionen seit geraumer Zeit mehr oder weniger systematisch nach angemessenen<br />
Antworten auf die Erfordernisse an eine moderne Verwaltung gesucht wird. Eine<br />
geradezu blühende Landschaft von Reformkonzepten und Innovationsmodellen überflutet<br />
die Verwaltung derzeit.<br />
Heute heißt das Zaubermittel Qualitätsmanagement, morgen BSC, es wird mit NSI operiert<br />
mit Rotationsmodellen und Wertanalysen, die Verwaltungsreform wird derzeit umgesetzt<br />
..<br />
Dr. Susanne Diemer<br />
Sozialministerium BW
Dr. Susanne Diemer<br />
..<br />
Perspektivenwechsel im Verwaltungshandeln<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
(und bindet Ressourcen), man macht Anleihen bei der freien Wirtschaft, der Systemtheorie<br />
usw.<br />
In dieser fast krisenhaften Situation kommt jetzt „auch noch“ Gender Mainstreaming daher<br />
– von Vielen in der Verwaltung wahrgenommen als zusätzliche und mithin exotische<br />
Stilblüte im Gerangel der Reform- und Organisationsentwicklungskonzepte.<br />
Die Gefahr ist groß, dass das Innovationspotenzial, das Gender Mainstreaming für Verwaltungshandeln<br />
nach Innen und Außen hat, nicht angemessen in den Blick gerät.<br />
Der von mir nur sehr grob skizzierte Situationsbericht aus der Verwaltung erfordert – und<br />
das verbindet meines Erachtens viele Innovationskonzepte - einen Perspektivenwechsel.<br />
Mit Perspektivenwechsel meine ich, dass die Akteure und Akteurinnen erstens ihren Blick<br />
konsequent und systematisch auf die „Endverbraucher“ und „Endverbraucherinnen“ ihres<br />
Handelns zu richten und zweitens das Prozesshafte des eigenen Handelns anzuerkennen<br />
haben.<br />
Neben der Implementierung anderer Reformkonzepte hat der Ministerrat des Landes Baden-<br />
Württemberg 2002 beschlossen, Gender Mainstreaming in der gesamten Landesverwaltung<br />
umzusetzen. Die Verantwortung liegt bei den jeweiligen Ressorts, die Geschäftsführung<br />
beim Ministerium für Arbeit und Soziales.<br />
Wie sehen nun die Argumente aus, mit denen wir dafür werben, dass<br />
Gender Mainstreaming als soziale Folgenabschätzung administrativen Handelns besonders<br />
geeignet ist, den genannten Perspektivenwechsel in Gang zu setzen?<br />
• Gender Mainstreaming erfordert einen analytischen Blick auf das eigene Han-deln.<br />
• Gender Mainstreaming erfordert eine Kontextualisierung des Verwaltungshan-delns,<br />
kann also möglichen Blickverengungen entgegensteuern.<br />
• Gender Mainstreaming setzt, wie m. E. jedes brauchbare Organisationsentwicklungskonzept,<br />
auf der Handlungsebene an.<br />
• Gender Mainstreaming setzt Zieldefinitionen voraus.<br />
• Gender Mainstreaming erfordert selbstreflexive Prozesse.<br />
• Gender Mainstreaming bezieht sich auf alle Handlungsebenen (und nicht wie die derzeitig<br />
heftig debattierte Gesetzesfolgenabschätzung lediglich auf Gesetzesvorhaben).<br />
Soweit zum Innovationspotenzial von Gender Mainstreaming für die Landesverwaltung.<br />
Sie haben sicher genau hingehört, meine erste These lautete: Gender Mainstreaming kann<br />
für die Verwaltung und das Verwaltungshandeln ein hohes Innovationspotenzial entwickeln.<br />
Ob sich dieses Innovationspotenzial auch gebührend entwickelt, wäre also die<br />
nächste Frage.<br />
Meine zweite These lautet:<br />
In Baden-Württemberg sind die Fundamente für diesen Innovationsprozess<br />
auf der organisatorischen Ebene gelegt.<br />
Handlungsleitend für die Implementierung einer Organisationsstruktur in der Verwal-tung<br />
war die Überlegung, dass Verantwortlichkeiten sowohl auf der Funktionsebene der Entscheidungsträger<br />
und -trägerinnen als auch auf der Arbeitsebene zu schaffen sind und dass<br />
externes Fachwissen hilfreich ist.<br />
So gibt es in der Landesverwaltung eine Lenkungsgruppe als strategisches Gremium, in<br />
dem Führungskräfte aller Ressorts vertreten sind.<br />
In einer Projektgruppe, die ebenfalls Vertreterinnen bzw. Vertreter aller Ressorts umfasst,<br />
wird konzeptionell gearbeitet und innerhalb der Ressorts wirken Multiplikatoren und<br />
Multiplikatorinnen als Kompetenzträger / -innen an der konkreten Umsetzung mit. Zwischenzeitlich<br />
wurden auch in den vier Regierungspräsidien je drei Multiplika-torinnen bzw.<br />
Multiplikatoren von den Regierungspräsidenten und der Regierungspräsidentin benannt.
Perspektivenwechsel im Verwaltungshandeln<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. Susanne Diemer<br />
Für alle diese Verantwortlichen fanden Workshops bzw. einschlägige Veranstaltungen statt,<br />
allerdings sehen wir, dass es hier noch Bedarfe gibt, auf die wir als Geschäftsführendes<br />
Ministerium auch eingehen werden.<br />
Begleitend wirkt ein externer Fachbeirat an der Implementierung von Gender Mainstreaming<br />
mit. Um einer Frage vorweg zu greifen: Bis auf den Fachbeirat, in dem keine<br />
Männer mitwirken, können wir auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in den Gremien<br />
blicken.<br />
Die gewählte Struktur aus Lenkungs-, Projektgruppe sowie Multiplikator(inn)en verdeutlicht<br />
auch, dass den Ressorts die eigenverantwortliche Umsetzung von Gender Mainstreaming<br />
obliegt und gleichzeitig Synergieeffekte durch regelmäßigen Erfahrungsaustausch gewährleistet<br />
werden sollen. Dies erfordert ein hohes Maß an Kommunikation und Organisation.<br />
In dem o.g. Bericht über die 1. Phase ist zu lesen, dass sich diese Organisationsstruktur<br />
bewährt hat und dieser Auffassung bin ich tatsächlich:<br />
Gerade weil Gender Mainstreaming als Top-Down-Ansatz realisiert werden soll, brauchen<br />
Sie innerinstitutionell eine flächige Struktur und möglichst auf allen Hierarchieebenen<br />
Kompetenzträgerinnen und –träger. Derzeit wollen wir für die Mitglieder der Projektgruppe<br />
und die Multiplikatoren und Multiplikatorinnen ein „Train-the-Trainer“ – Modul anbieten,<br />
um diese Personen in Stand zu setzen, in allen Ressorts fachspezifische Workshops anzubieten.<br />
Der ressortspezifische und gleichzeitig res-sortübergreifende Ansatz ist deshalb<br />
wichtig, weil die Akzeptanz von Gender Mainstreaming erst dann überhaupt erkennbar<br />
wird, so meine Erfahrung, wenn in den Workshops ein hohes Maß an Fachkompetenz zum<br />
Tragen kommt.<br />
Auf der organisatorischen Ebene neu ist, dass wir gemeinsam mit Vertreterinnen der kommunalen<br />
Verbände in einer Arbeitsgruppe Anregungen für die Umsetzung von Gender<br />
Mainstreaming in den Kommunen in Baden-Württemberg vorbereiten.<br />
Dies ist ein noch junges Projekt, mit dem versucht werden soll, der wachsenden Bedeutung<br />
der Kommunen – auch im Zuge des Verwaltungsstrukturreformgesetzes - gerecht zu werden.<br />
Die Arbeitsgruppe stützt sich dabei auf die positiven Beispiele, die es in den Stadt- und<br />
Landkreisen zum Thema bereits gibt (vgl. Deutscher Städtetag 2003). Gender Mainstreaming<br />
wird dabei als kommunaler Standortvorteil verstanden.<br />
Hier sehe ich konkrete Anknüpfungspunkte für eine Kooperation, weil in den Kommunen in<br />
den ESF-Projekten die Genderkompetenz gebündelt vorhanden ist. Ich würde mich freuen,<br />
wenn wir darüber ins Gespräch kommen.<br />
Organisatorisch steht die Landesverwaltung also gut da.<br />
Dass die Organisationsstruktur zwar die halbe, aber eben nur die halbe Miete ist, wis-sen<br />
Sie. Und ich komme bei meinem Werkstattbericht nun zum dem Teil, bei dem wir zwar auf<br />
gutem Weg sind, aber eben doch erst in den Anfängen.<br />
Meine dritte These lautet:<br />
Die gebotene Nachhaltigkeit entwickelt sich jedoch erst dann, wenn alle<br />
Akteure und Akteurinnen auf der strategischen, operativen und konzeptionellen<br />
Ebene die methodischen Anforderungen von Gender Mainstreaming<br />
in Verwaltungspraxis transferieren. Maßgeblich ist zudem die Verknüpfung<br />
von Gender Mainstreaming mit anderen Reform- und Innovationsprozessen.<br />
Die oben genannten Akteure und Akteurinnen unseres differenzierten Netzes von Zuständigen<br />
agieren in den Ressorts sehr unterschiedlich. Deutlich ist, dass dort, wo die Amtsspitzen<br />
das Konzept unterstützen, den Worten auch Taten folgen. Allerdings muss kritisch<br />
festgehalten werden, dass dieser Prozess erst nach mühsamer Arbeit meiner Kolleginnen<br />
und Kollegen in den Ressorts eine gewisse Dynamik entwickelt. Eine der größten Gefahren<br />
..
Dr. Susanne Diemer<br />
0 ..<br />
Perspektivenwechsel im Verwaltungshandeln<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
sehe ich darin, dass Nachhaltigkeit und Kontinuität keine Kategorien sind, die mit Gender<br />
Mainstreaming in Verbindung gebracht werden. So gibt es immer noch die Auffassung,<br />
eine allgemeine Info im internen Netz für die Mit-arbeiterinnen wäre ausreichend oder das<br />
Maximum sei die Mitarbeit in den genann-ten Gremien. Hier müssen wir noch deutlicher<br />
kommunizieren, dass verbale Willensbekundungen nicht genügen, sondern dass es um methodisches<br />
Know-How, Kontinuität und Nachhaltigkeit geht.<br />
Anwendungserfahrungen sind zwischenzeitlich vorhanden, aber sie sind faktisch noch<br />
eher singulär.<br />
Einige Beispiele:<br />
• Das ehemalige Landesinstitut für Erziehung und Unterricht hat im Auftrag des Ministeriums<br />
für Kultus, Jugend und Sport ein Modellprojekt Gender Mainstreaming in<br />
der Leseförderung durchgeführt. Ausgangspunkt waren die geschlechterdifferenten<br />
Ergebnisse der PISA - Studie im Bezug auf das Leseverhalten. Im Rahmen des Projektes<br />
wurden konkrete Maßnahmen und Qualitätsstandards für die Umsetzung von<br />
Gender Mainstreaming für den Gesamtkontext Schule und schulische Bildung erarbeitet.<br />
• Das Justizministerium ist mit dem Modellprojekt „Integration des Gendergedankens<br />
in fachliche Standards der Bewährungshilfe und der Führungsaufsicht“ an der<br />
Einführung von Gender Mainstreaming in der Landesverwaltung beteiligt. Auf der<br />
Basis einer analytischen Betrachtung der Geschlechtsspezifiken in der Bewährungshilfe<br />
wurde ein Passus in die Präambel der Richtlinien für das Bewährungshilfeverfahren<br />
und die Führungsaufsicht aufgenommen, demgemäß die Richtlinien das Ziel<br />
verfolgen, durch eine geschlechts- und sozialisationsspezifische Betrachtungsweise<br />
der Hilfe- und Betreuungsangebote der Bewährungshilfe die Chancengleichheit von<br />
männlichen und weiblichen Probanden der Bewährungshilfe zu fördern (Gender<br />
Mainstreaming) sowie dies in die Arbeit mit den Proband/inn/en zu integrieren.<br />
• Das Sozialministerium hat im Rahmen des Modellprojektes „Medienoffensive in der<br />
Jugendhilfe“ einen Schwerpunkt auf geschlechterspezifisches bzw. geschlechterdifferentes<br />
Medienverhalten gelegt und den Aspekt „Jungen, Mädchen und Koedukation“<br />
in die Schulungsinhalte der Medienpädagogischen Qualifizierungen gelegt.<br />
• Das Sozialministerium arbeitet zusammen mit dem Staatsministerium an einem Projekt<br />
„Gender Mainstreaming in Förderprogrammen“. Als konkretes Anwendungsfeld<br />
des Gender Mainstreamings sind Förderprogramme geeignet. Da Konsens bestand,<br />
nur neue Förderprogramme einzubeziehen, wurde Kontakt zur Landesstiftung aufgenommen<br />
mit dem Ziel, in Ausschreibungen von Förderprojekten Gender Mainstreaming<br />
als Fördervoraussetzung zu verankern.<br />
• Das Innenministerium hat das Modellprojekt „Gender Mainstreaming in der Vorschriftenanordnung“<br />
durchgeführt. Die Vorschriftenanordnung fasst die bisher in<br />
verschiedenen Verwaltungsvorschriften enthaltenen Regelungen zusammen. Zusätzlich<br />
wurde eine Regelungsfolgenabschätzung eingeführt. Dazu gehört auch die<br />
Prüfung der Auswirkung von Regelungsvorhaben auf die Lebenssituationen von<br />
Frauen und Männern. Die Ergebnisse der Prüfung sollen in einer für Entscheidungsträger<br />
nach-vollziehbaren, standardisierten und einfachen Form dargelegt werden.<br />
Hierfür enthält die Vorschriftenanordnung eine Anlage mit verschiedenen Prüffragen.<br />
Soweit Regelungsvorhaben dem Ministerrat vorzulegen sind, sind die gleichstellungspolitischen<br />
Auswirkungen auch in der Kabinettsvorlage darzulegen. Auch der<br />
Normenprüfungs-ausschuss wird künftig verstärkt darauf achten, dass dem Gender<br />
Mainstreaming Rechnung getragen wird.<br />
• Anlässlich der Novellierung der Landeshochschulgesetze wurde Gender Mainstreaming<br />
(Chancengleichheit als Leitprinzip) als Aufgabe der Hochschulen gesetzlich<br />
verankert.<br />
Alle Ressorts sind derzeit im Diskussionsprozess um weitere Anwendungsfelder. Wir bereiten<br />
dazu gerade mit einem Institut ein Arbeitsplatzbegleitprojekt vor, mit dem mögliche<br />
Anwendungsprojekte am Arbeitsplatz selbst professionell eruiert, initiiert und begleitet<br />
werden können.<br />
Wichtig ist uns dabei, dass wir von Modell- zu Anwendungsprojekten kommen, die verstetigt<br />
werden. Die Ressorts müssen sich verabschieden von der Fehlinterpretation, ein
Perspektivenwechsel im Verwaltungshandeln<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. Susanne Diemer<br />
Modellprojekt zu Gender Mainstreaming genüge der Pflicht zur systematischen Implementierung.<br />
Alle, die sich mit Gender Mainstreaming in der Umsetzungspraxis befassen, wissen, dass<br />
so einfach und harmlos die einschlägigen Leitfragen für die Umsetzung auch klingen mögen,<br />
so komplex und schwierig die konkrete Operationalisierung ist. Da tun sich plötzlich<br />
Welten auf bei der Zieldefinition, da fehlen die nötigen Daten, da werden Fachdiskussionen<br />
überlagert von Verteilungskonflikten, nicht zuletzt provoziert Gender Mainstreaming geradezu<br />
aufmüpfig Fragen nach der Qualität dessen, was wir bisher getan haben und wir sehen<br />
vor lauter blinden Flecken nur noch schwarz.<br />
Die Umsetzung von Gender Mainstreaming braucht den Mut, Fragen zuzulassen, Diskussionen<br />
einzufordern und auch Wissenslücken zuzugeben.<br />
Um auch die m. E. zentrale Organisationsentwicklungsdimension von Gender Mainstreaming<br />
zu vermitteln, ist es notwendig, das leider oft noch zu wenig abgestimmte Reform-<br />
Szenario, das ich einführend angedeutet habe, durch einen integrativen Ansatz abzulösen.<br />
Bei einer Veranstaltung für die Lenkungsgruppe, also das strategische Gremium, haben wir<br />
uns deshalb mit dem Thema „Gender Mainstrea-ming als Aspekt des Change Management“<br />
befasst.<br />
Im Übrigen wünsche ich mir gerade hinsichtlich der Verknüpfung von Gender Mainstreaming<br />
mit anderen Reform- und Innovationsprozessen auch von Seiten des Bundes etwas<br />
deutlichere Worte als sie in einem Text über die derzeit hochaktuelle Gesetzesfolgenabschätzung<br />
zum Ausdruck kommen. Dort heißt es in einem Exkurs zu Gender Mainstreaming<br />
und Gesetzesfolgenabschätzung: „Da es sich bei der Gleichstellung der Geschlechter<br />
um eine Querschnittsaufgabe der Politik und um ein Staatsziel handelt, wäre es wünschenswert,<br />
wenn die besondere Beachtung des Gender-Aspektes innerhalb der Gesetzesfolgenabschätzung<br />
sichergestellt werden könnte.“ (Bundesministerium des Inneren, 2002, 27).<br />
Unverbindlicher geht es kaum.<br />
Immer wieder zu verdeutlichen, dass es um ein fachliches Instrument geht, dass Me-thodenkompetenz<br />
das A und O sind und dass wir alles tun, den Geschlechterdiskurs als mögliche<br />
positive Perspektive für Männer und Frauen in die Verwaltung zu trans-portieren,<br />
scheint mir unabdingbar.<br />
Ich komme zu meiner vierten These:<br />
Dieser Transformationsprozess setzt voraus, dass alle Akteure und Akteurin-nen<br />
befähigt werden, Gender Mainstreaming anzuwenden. Dies sollte<br />
Teil des Wissensmanagements in der Verwaltung sein.<br />
Damit ist eine der größten Handlungsfelder zur Implementierung von Gender Mainstreaming<br />
in der Landesverwaltung benannt. Um Rhetorik in Praxis und vor allem in Alltagspraxis<br />
zu übersetzen, brauchen Sie auf allen Verwaltungsebenen ein hohes Maß an Methodenkompetenz<br />
und dazu müssen die Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter aktiv befähigt<br />
werden.<br />
Die politischen Willensbekundungen sind unabdingbar – ohne diese Bekenntnisse zum<br />
Amsterdamer- Vertrag und damit zum Gender Mainstreaming können die Prozesse gar<br />
nicht erst in Gang gesetzt werden. Die Befähigung oder das Empowerment muss aber gewährleistet<br />
werden, sollen die Bekundungen nicht im Sande verlaufen.<br />
Die Workshops, die bisher stattfanden, liefen ermutigend gut an und wir setzen derzeit auf<br />
das organisierte Schneeball-Prinzip. Das heißt wir bieten Workshops an und versuchen die<br />
Personen dabei zu befähigen, selbst in den Ressorts aktiv zu werden. Zum einen sind die<br />
Mittel, um externe Trainer und Trainerinnen einzusetzen sehr begrenzt, zum anderen hat<br />
sich gezeigt, dass die Verknüpfung von Fachwissen und Gender Mainstreaming-Kompetenz<br />
die Akzeptanz bei den Workshops maßgeblich erhöht.<br />
..
Dr. Susanne Diemer<br />
2 ..<br />
Perspektivenwechsel im Verwaltungshandeln<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Dass die Gender Mainstreaming – Kompetenz notwendig ist für alle Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter ist derzeit deshalb gut zu vermitteln, weil die bereits erwähnte Vor-schriftenanordnung<br />
verbindlich eine Gender-Prüfung vorsieht – anders ausgedrückt: eine gewisse<br />
extrinsische Motivation, sich mit dem Thema ernsthaft zu befassen, wurde durch die Vorschriftenanordnung<br />
geschaffen.<br />
Meine fünfte und letzte These lautet:<br />
Die weitere Implementierung von Gender Mainstreaming in die Verwaltung<br />
und das Verwaltungshandeln braucht als Rahmenbedingungen Lern- und<br />
Fehlerkul-turen sowie streitkulturelle Praxen auch für das Ziel der Chancengleichheit.<br />
Mike Pedler und John Boydell definieren ein lernendes Unternehmen folgenderma-ßen:<br />
„Ein lernendes Unternehmen ist eine Organisation, die allen ihren Mitgliedern ständiges<br />
Lernen ermöglicht und dabei sich selbst und ihr Umfeld verändert.“ (1997).<br />
Es geht also darum, das Lernen der Mitglieder und die Veränderungspraxis der Insti-tution<br />
dialogisch und nicht als Einbahnstraße zu verstehen.<br />
Die Erkenntnis, dass Veränderungen ein selbst veränderungsbereites Umfeld brau-chen,<br />
stellt derzeit eine der größten Herausforderungen für die Implementierung von Gender<br />
Mainstreaming dar.<br />
Während sich Frauenförderung, so zumindest meine frühere Erfahrung an der Hoch-schule,<br />
noch sehr einfach gettoisieren und den malestream relativ unberührt ließ, verweist Gender<br />
Mainstreaming sehr viel deutlicher auf die Frage nach dem Umfeld und der Gesamtverfassung<br />
der Institution bzw. Organisation.<br />
Die Landesverwaltung steht vor der Aufgabe, dieses dialogische Lernverständnis und die<br />
institutionelle Lernbereitschaft als ständige Aufgabe zu begreifen.<br />
Nun ist es einfach, sich mit quasi moralischem Impetus zu erheben und Stagnation und<br />
Beharrungsvermögen von Organisationen und Institutionen zu geißeln. Das hilft wenig<br />
konkret weiter.<br />
Diese Aussage verweist vielmehr auch auf die Kommunikation innerhalb der Frauen-politik:<br />
Mit dem Begriff „streitkultureller Praxis“ meine ich, dass wir Raum, Zeit und Erfahrungen<br />
brauchen, um Differenzen in den Zielen und Vorgehensweisen auch kontrovers zu<br />
erstreiten und diese unterschiedlichen Zugänge auch wertschätzen und respektieren sollten.<br />
Ich nehme an, dass hier viele Frauen vertreten sind, die sich der Frauenpolitik in der<br />
Verwaltung verpflichtet fühlen und ich denke, dass auch wir noch besser lernen müssen,<br />
den produktiven Streit um unterschiedliche Konzepte zur Erreichung des gemeinsamen<br />
Ziele Chancengleichheit gemeinsam zu führen.<br />
Wir sollten uns jedoch hüten, Frauenpolitik und Gender Mainstreaming gegeneinan-der<br />
auszuspielen, darin sehe ich eine wirkliche Gefährdung des Gesamtprojektes Chancengleichheit.<br />
Ernst zu nehmen sind die Befürchtungen von allen Seiten:<br />
die der frauenpolitisch Engagierten, auch in der Verwaltung, Gender Mainstreaming träte<br />
als Konkurrenzmodell auf, die der Anwenderinnen und Anwender, Fehler zu machen bei<br />
der Umsetzung.<br />
Ernst zu nehmen sind die Ursachen und Gründe für Widerstände gegen Veränderungen.<br />
Wer Gender Mainstreaming praktisch umsetzt, wird zwangsläufig Fragezeichen produzieren,<br />
das Terrain ist neu und auch die gleichstellungspolitischen Ziele müssen immer wieder<br />
neu ausgehandelt werden.
Perspektivenwechsel im Verwaltungshandeln<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. Susanne Diemer<br />
Doch wenn - so meine Vision - in einigen Jahren für Führungskräfte und Mitarbei-ter(innen)<br />
der Landesverwaltung im Kompetenzprofil Genderkompetenz als Qualifikationskriterium<br />
eingefordert wird, dann wäre doch schon etwas gewonnen.<br />
Literatur:<br />
Behning, Ute / Sauer, Birgit (eds.), 2005: Was bewirkt Gender Mainstreaming? Evalu-ierung<br />
durch Policy-Analysen Frankfurt / New York.<br />
Böhret, Carl, 2004/2005: Gesetzesfolgenabschätzung: Heutiger Stand der Methodik und<br />
Erfahrungen mit der Integration in die Gesetzesvorbereitung in Deutschland. In:<br />
Schäffer, Heinz (ed.), 2004/2005: Evaluierung / Gesetzesfolgenabschätzung in<br />
Öster-reich und im benachbarten Ausland. Wien.<br />
Bundesministerium des Inneren (ed.), 2002: Moderner Staat – Moderne Verwaltung. Praxistest<br />
zur Gesetzesfolgenabschätzung. Berlin. (www.staat-modern.de ).<br />
Chancengleichheit als Leitprinzip. Gender Mainstreaming in der Landesverwaltung. Bericht<br />
über Phase 1. Sozialministerium Baden-Württemberg, Stuttgart, September<br />
2004 www.sozialministerium-bw.de ).<br />
Deutscher Städtetag (ed.), 2003: Gender Mainstreaming. Best-Practice-Beispiele aus den<br />
Kommunen. ( www.staedtetag.de )<br />
Lang, Klaus / Mönig-Raane, Margret / Pettersson, Gisela / Sommer, Michael (eds.), 2004:<br />
Die kleine große Revolution. Gender Mainstreaming – Erfahrungen, Beispiele,<br />
Strategien aus Schweden und Deutschland. Hamburg.<br />
Netzwerk Gender Training (ed.), 2004: Geschlechterverhältnisse bewegen. König-stein.<br />
Pedler, Mike / Burgoyne, John / Boydell, Tom, 1997: The Learning Company. A Stra-tegy<br />
for Sustainable Development. London.<br />
Stuber, Michael, 2004: Diversity. Das Potenzial von Vielfalt – den Erfolg durch Offen-heit<br />
steigern. München.<br />
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<strong>Fachtagung</strong> »Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?«<br />
»...die Situationen und Bedürfnisse von<br />
Frauen und Männern berücksichtigen...«<br />
Was heißt das eigentlich?<br />
Vortrag zur <strong>Fachtagung</strong><br />
„Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?“<br />
am 2.6.05 in Stuttgart<br />
Dr. Anne Rösgen, <strong>proInnovation</strong> <strong>GmbH</strong><br />
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Stolpersteine & Widersprüche bei der Umsetzung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Guten Tag!<br />
„... „ die Situationen, Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Männern berücksichtigen“,<br />
dieser Teil der Definition von Gender Mainstreaming klingt harmlos und unstrittig<br />
– wer will das nicht? Aber dahinter stecken eine Menge Probleme. Nach unserer letzten<br />
<strong>Fachtagung</strong> schrieb jemand – offenbar ziemlich entnervt – in den Rückmeldungsbogen:<br />
Ich weiß, dass ich nichts weiß! Nach der GeM Schulung vor 2 Jahren dachte ich „toll, jetzt<br />
hab ich kapiert, was GM ist“, an guten praktischen Beispielen wie z.B. Lebenswirklichkeit<br />
von Frauen berücksichtigt werden kann (Teilzeit-Angebote, Anbindung an ÖPNV usw.). Heute<br />
höre ich nun, diese Berücksichtigung kann auch zu Zementierung bestehender Wirklichkeit<br />
führen; d.h. wer hilft mir aus dem Dilemma „wie man’s macht, ist es falsch?“<br />
In der Tat: ein Dilemma! Dazu ein Beispiel 1 : Die Förderung der Beschäftigung von Frauen<br />
in traditionellen Frauenberufen macht Sinn, „berücksichtigt“ die Nachfrage von Frauen,<br />
aber folgt auch dem Arbeitsmarktesbedarf. Den betreffenden Frauen wird dadurch<br />
der Berufseinstieg ermöglicht, die Beschäftigungschancen sind besser. ABER: gleichzeitig<br />
wird die horizontale Arbeitsmarktsegregation reproduziert und Frauen finden sich in den<br />
schlechter bezahlten Berufen mit den geringeren Aufstiegschancen und überdies in einem<br />
engen Spektrum. Bleibt man also bei diesem ersten Schritt – den sog. „pragmatischen“ oder<br />
praktischen Bedürfnissen stehen, können geschlechtsspezifische Ungleichheiten tatsächlich<br />
ungewollt zementiert werden. Gender Mainstreaming beinhaltet deshalb immer eine<br />
strategische Perspektive.<br />
Auf der linken Seite der Abb. 1 sehen Sie Beispiele für pragmatische oder praktische Bedürfnisse<br />
(von Frauen), die unmittelbare und kurzfristige Bedürfnisse widerspiegeln. Zur<br />
Verfolgung de Ziels Gleichstellung ist der pragmatische Ansatz alleine jedoch nicht ausreichend.<br />
Auf der rechten Seite der Abb.1 sehen Sie strategische Ansätze, die langfristig auf<br />
die Verringerung struktureller Ungleichheiten zielen – und dies sind im übrigen auch die<br />
gleichstellungspolitischen Ziele der EU.<br />
Abbildung 1<br />
Leider gibt es zu dem Dilemma pragmatische Bedürfnisse und strategische Perspektiven<br />
keine einfachen Lösungen. Im Idealfall ergänzen sich beide Ansätze, da pragmatische Förderung<br />
alleine langfristig zu kurz greift, strategische Maßnahmen jedoch ohne die Berücksichtigung<br />
unmittelbarer Problemlagen und Hemmnisse auf individueller Ebene zum<br />
Scheitern verurteilt sind (vgl. Pimminger, Irene, Wien 2001).<br />
Im ESF bewegen wir uns genau in diesem Spannungsverhältnis. Im folgenden Zitat aus<br />
der Mitteilung der EU Kommission (1996) wird noch einmal sehr deutlich, dass tatsächlich<br />
grundlegende Veränderungen angestrebt werden:<br />
1 In Anlehnung an Pimminger, Irene, Wien 2001, S. 17<br />
..<br />
Dr. Anne Rösgen<br />
<strong>proInnovation</strong>
Dr. Anne Rösgen<br />
..<br />
Stolpersteine & Widersprüche bei der Umsetzung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
„Die Förderung der Gleichstellung ist nicht einfach der Versuch, statistische Parität zu erreichen.<br />
Es geht darum, eine Weiterentwicklung der Elternrollen, der Familienstrukturen,<br />
der institutionellen Praxis, der Formen der Arbeitsorganisation und der Zeiteinteilung usw.<br />
zu fördern. Daher betrifft die Chancengleichheit nicht allein die Frauen, die Entfaltung ihrer<br />
Persönlichkeit und ihre Selbständigkeit, sondern auch die Männer und die Gesellschaft<br />
insgesamt (...)<br />
Daher ist es nicht hinnehmbar, dass bisher mit ESF Förderung sogar eher eine Verstärkung<br />
der geschlechtsspezifischen Muster und der Segregation stattgefunden hat, denn es gibt im<br />
wesentlichen Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in geschlechtstypischen Feldern.<br />
Es fehlen strategisch orientierte Projekte und die EU KOM sieht hier mögliche Maßnahmen<br />
zur Beseitigung des Lohngefälles, zum Aufstieg von Frauen in Entscheidungspositionen<br />
und in zukunftsträchtige Berufsfelder, Maßnahmen, die nicht nur Kinderbetreuung anbieten,<br />
sondern sich auch um das Problem der Pflege abhängiger Angehöriger bemühen und<br />
solche, die Männer ansprechen, z.B. im Hinblick auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf,<br />
ggf. Teilzeit (vgl. EU KOM 2002).<br />
Erster Schluss: Also müssen wir zusehen, dass wir es schaffen, mehr Gewicht auf die strategische<br />
Perspektive zu legen.<br />
Es gibt aber noch eine zweite Falle, wenn lediglich die kurzfristigen und praktischen Bedürfnisse<br />
berücksichtigt werden: Frauen erscheinen dann als „Problemgruppe“ mit spezifischen<br />
Schwierigkeiten. Diesen Eindruck bekommt man auch beim Lesen der ESF Projektbeschreibungen:<br />
Frauen sind diejenigen mit dem Vereinbarkeitsproblem, sie haben zudem<br />
unterbrochene Berufsbiographien, veraltete Qualifikationen – mit anderen Worten: kumulierende<br />
Vermittlungshemmnisse. Männer dagegen erscheinen als seltsam geschlechtslose<br />
Wesen, sie sind einfach arbeitslos 2 . Betrachtet man aber nicht nur unterschiedliche Bedürfnisse,<br />
sondern hinterfragt, was die Ursachen für diese Unterschiede zwischen Frauen und<br />
Männern sind, so stellt sich schnell heraus, dass nicht die Frauen das Problem sind, sondern<br />
die gesellschaftlichen Strukturen, die den Unterschieden zwischen den Geschlechtern zugrunde<br />
liegen.<br />
Diese Strukturen stammen aus der Industriegesellschaft, sind aber gegenwärtig durch den<br />
Übergang zur postindustriellen Gesellschaft oder dem Informationszeitalter im Umbruch<br />
begriffen. Also müssen wir beides betrachten: wie es wurde wie es ist und was sich nun<br />
ändert.<br />
Arbeitsteilung der Geschlechter in der Industriegesellschaft<br />
Nicht einmal der Begriff „Arbeit“ meint für Männer und<br />
Frauen dasselbe, denn während die einen dabei nur an die<br />
Erwerbstätigkeit denken, bedeutet Arbeit für die anderen<br />
bezahlte und unbezahlte Tätigkeiten.<br />
Dazu der Männerforscher Walter Hollstein:<br />
„Der Grundwiderspruch der Geschlechterverhältnisse ist die<br />
industriegesellschaftliche Arbeitsteilung zwischen Mann und<br />
Frau. Daraus resultiert die rigide Rollenerwartung und stereotype<br />
Eigenschaftszuweisung von männlicher Versorgungsfunktion<br />
und weiblicher Fürsorgefunktion“.<br />
http://www.walter-hollstein.de/krise.html<br />
Die Ausweitung des Industriekapitalismus bedeutete die Zunahme<br />
von außerhäuslicher Lohnarbeit und diese war nur<br />
möglich unter Rückgriff auf die Ressource der von Frauen<br />
ausgeübten Hausarbeit und emotionalen Versorgung (“Unabhängig<br />
von den Methoden, die zur Berechnung der Familienarbeit<br />
angewendet werden wird der Anteil der Haus- und Familienarbeit an der Wert-<br />
2<br />
In diesem Vortrag wird die Männerperspektive nur angedeutet, da der zweite Vortrag von Thomas Gesterkamp diese ausführlich<br />
bearbeitet.
Stolpersteine & Widersprüche bei der Umsetzung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. Anne Rösgen<br />
schöpfung der Volkswirtschaft von 30 bis 50 % ausgewiesen. (...)“ (Stolz-Willig, Brigitte, S.<br />
79) Dieser ökonomische Wert wird aber erst zögerlich zur Kenntnis genommen).<br />
Seit der verstärkten Erwerbsarbeit von Frauen ist auch der Arbeitsmarkt geprägt von der<br />
geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung:<br />
„Das massenhafte Einströmen von Frauen in bezahlte Arbeit ist einerseits auf die Informationalisierung,<br />
Vernetzung und Globalisierung der Wirtschaft zurückzuführen; andererseits<br />
auf die geschlechtsspezifische Segmentierung des Arbeitsmarktes, die sich die spezifische<br />
soziale Lage von Frauen zunutze macht (...) Castells: 170)<br />
Der Übergang (in die postindustrielle Gesellschaft) wurde nur geschafft, weil in den neuen<br />
Dienstleistungsbereichen vorwiegend Frauen beschäftigt wurden, das „die spezifische Lag<br />
soziale Lage von Frauen zunutze machen“ bedeutet aber noch mehr: Frauen bekommen für<br />
gleiche oder ähnliche Arbeit weniger Geld und Frauen sind flexiblere Arbeitskräfte z.B.<br />
durch ihren Wunsch nach bzw. ihre Einsetzbarkeit in Teilzeitarbeit.<br />
Es gibt also eine Geschlechterhierarchie in der Arbeitswelt:<br />
„Männliche Privilegierung in der Erwerbsarbeit ist so gesehen nicht nur die Dominanz in<br />
einem gesellschaftlichen Sektor unter anderem, die durch die etwaige Präsenz in anderen<br />
Bereichen, z.B. der Familie, ausgeglichen werden könnte. Vorherrschaft in diesem Bereich<br />
ist gleichbedeutend mit der Privilegierung im für unsere Gesellschaften wichtigsten Bereich.<br />
An ihr wird die grundsätzliche Überordnung von Männern und Unterordnung von Frauen im<br />
Geschlechterverhältnis sichtbar. In ihr mündet auch eine historische Entwicklung, in der im<br />
Zuge der Industrialisierung Erwerbsarbeit zum entscheidenden Mittel männlicher Vorherrschaft<br />
geworden ist. (Lehner 2002)<br />
Soweit einige Grundlagen zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Industriegesellschaft,<br />
gänzlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit.<br />
Postindustrielles oder Die neue Unübersichtlichkeit. Wechselwirkungen mit<br />
Kontinuität und Wandel in den Geschlechterverhältnissen<br />
Unstrittig ist, dass es z.Zt. umfassende gesellschaftliche, politische und ökonomische Transformationsprozesse<br />
gibt, die einerseits die Geschlechterverhältnisse beeinflussen oder aber<br />
Produkt von deren Wandel sind. Auf jeden Fall gibt es Wechselwirkungen.<br />
Nicht so klar ist, wie die Veränderungsprozesse mit Kontinuität und Wandel in den Geschlechterverhältnissen<br />
korrespondieren. Wir wissen beispielsweise nicht, ob Manuel Castells<br />
Recht behält, der nicht nur eine „Krise der Kerle“ sondern eine Krise des Patriarchats<br />
sieht. Richtig ist aber sicher:<br />
„Die massenhafte Einbeziehung von Frauen in die bezahlte Arbeit hat die Verhandlungsmacht<br />
von Frauen gegenüber Männern erhöht und die Legitimität der Herrschaft der Männer<br />
aufgrund ihrer Position als Ernährer der Familie untergraben“.<br />
Andere Geschlechterforschungen legen allerdings nahe, dass lediglich eine Modernisierung<br />
des Patriarchalismus stattfindet.<br />
Das industriearbeitsgesellschaftliche „Normalarbeitsverhältnis“ beruhte wesentlich auf einer<br />
klaren geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die jetzt zerbricht. Frauen übernahmen<br />
berufliche Aufgaben, die es zunehmend schwierig machen, neben der Erwerbsarbeit noch<br />
für die reproduktiven Arbeitsbereiche zuständig zu sein, die aber genauso wichtig für die<br />
gesellschaftliche Entwicklung sind wie die ökonomische Produktion.<br />
Ein weiteres Phänomen ist die „Verflüssigung von Zeit“ (vgl. Bertram): In allen bisherigen<br />
Gesellschaften galten klare Zeitrhythmen, die jetzt verschwinden. Die meisten Dienstleistungen<br />
folgen nicht mehr dem Arbeitsrhythmus der Produktion. Berufliche Zeit lässt sich<br />
nicht mehr in allen Fällen zusammenhängend organisieren (z.B. in 8 Stunden-Tagen z.B.).<br />
..
Dr. Anne Rösgen<br />
20 ..<br />
Stolpersteine & Widersprüche bei der Umsetzung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Gleichförmige Arbeitsrhythmen werden immer seltener, also ist viel Koordination und Balance<br />
erforderlich. Die industriegesellschaftliche Balance von Beruf und Privatleben hat<br />
für einen immer größeren Teil der Beschäftigten keine Gültigkeit mehr.<br />
Auch die Biografien ändern sich, wie Abb. 3 zeigt. Bisher galt die „Treppe“, bei der auf eine<br />
Phase der Ausbildung eine lange Zeit der Erwerbstätigkeit folgt und auf diese die Rente.<br />
Nun gibt es die sog. Patchworkbiografien, die diese drei Bereiche im Wechsel integrieren.<br />
Es findet eine Flexibilisierung und Intervallisierung von Lebensverläufen statt: daher gibt<br />
es neue Probleme der Abstimmung von Ausbildungszeiten, Familien- und Karriereplanung<br />
und der Organisation der<br />
Alltagszeit.<br />
Für Frauen sind unterbrocheneErwerbsarbeitsverläufe<br />
auch ein Problem,<br />
aber nicht neu. Eine<br />
selbstverständliche Reproduktion<br />
tradierter Männlichkeitsentwürfe<br />
ist aber<br />
immer weniger möglich.<br />
Gering oder gar nicht Qualifizierte<br />
nimmt der Arbeitsmarkt<br />
nicht mehr auf, hier<br />
sind Männer anders betroffen<br />
als Frauen, können sich<br />
nicht in die Familienrolle<br />
zurückziehen.<br />
Die emotionale Reproduktion des Mannes ist gefährdet, Identitätskrisen aller Art sind feststellbar.<br />
Eine Neudefinition der Geschlechterrollen zeichnet sich ab.<br />
„Im digitalen Kapitalismus sucht sich das Kapital seine Sozialformen quer durch die männliche<br />
und weibliche Welt. Die Folge ist der zweischneidige Segen der Befreiung von den<br />
traditionellen Einfassungen der Geschlechter. Die globalisierte Logik des Gewinnens und<br />
Verlierens kümmert sich nicht mehr um die Geschlechter“ (Böhnisch)<br />
Chancen für den Wandel der Geschlechterverhältnisse<br />
Die gegenwärtig stattfindenden Umbrüche in Arbeit und Beschäftigung bieten Chancen<br />
für den Wandel der Geschlechterverhältnisse.<br />
Allerdings verändert<br />
sich die geschlechtsspezifische<br />
Arbeitsteilung<br />
nicht von allein durch<br />
die sich wandelnden Arbeitsmarktstrukturen<br />
und<br />
–verhältnisse, es sind auch<br />
„Eigenleistungen der Subjekte“<br />
(Kahlert/Kajatin)<br />
und entsprechende gesellschaftlicheRahmenbedingungen<br />
nötig. Was ist darunter<br />
zu verstehen?
Stolpersteine & Widersprüche bei der Umsetzung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. Anne Rösgen<br />
Eigenleistungen der Subjekte<br />
„Es gilt die geschlechtlichen Identitäten neu zu bestimmen, in eine neue, egalitäre Beziehung<br />
zueinander zu setzen sowie entsprechende Repräsentationen zu entwickeln und zu verbreiten“<br />
(Kahlert, S. 67) Männer müssten bereit sein, den Geschlechtervertrag neu zu verhandeln<br />
(Kahlert/Katjatin). Dafür gibt es auch im Interesse von Männern viele gute Gründe,<br />
aber ob es passiert? Frauen müssen damit umgehen, dass sich andere Ungleichheitsverhältnisse<br />
(arm/reich, Nord/Süd) verstärken, und es mehr Unterschiede zwischen Frauen gibt.<br />
(Stichworte: die polnische Putzfrau, aber auch die tschechische Altenpflegerin...)<br />
Ich muss gestehen, dass mir im Zusammenhang mit der Frage, inwiefern sich auch Frauen<br />
verändern müssen (nicht nur die Männer) die Einschätzung von Barbara Vinken sehr zu<br />
denken gibt, die in ihrem Buch mit dem Titel „die deutsche Mutter“ – den langen Schatten<br />
dieses Mythos’ untersucht: von Luther, den sie übrigens als Hauptübeltäter ausmacht über<br />
Pestalozzi, die erste deutsche Frauenbewegung und den Nationalsozialismus:<br />
„Während man sich im übrigen Europa und in den USA darin einig ist, dass eine frühe Sozialisation<br />
unter Gleichaltrigen für die Kinder unverzichtbar ist, weil sie Selbständigkeit und<br />
Soziabilität fördert sieht man darin in DE (...) einen Notbehelf. Wofür hat man sich schließlich<br />
Kinder „angeschafft“, wenn man sie sofort wieder „abschiebt“? Die Ganztagskrippe ab<br />
sechs Monaten ist eine Provokation für die deutsche Mutter. Da könne sie es ja gleich zur<br />
Adoption freigeben, befindet sie und zählt drohend besorgt die lange Liste der Störungen auf,<br />
die ein solches, um Mutterliebe geprelltes Kind zwangsläufig befallen. (...) Man fragt sich,<br />
wie es dann kommt, dass französische, dänische und italienische Kinder als Erwachsene so<br />
schrecklich normal und nicht allesamt als krippengeschädigte Bindungsunfähige herumlaufen.<br />
Der deutsche Sonderweg schadet Kindern und Müttern gleichermaßen. Die fehlende<br />
Kinderbetreuung hat DE im internationalen Vergleich in Sachen Karriere von Frauen, Verdienstmöglichkeiten<br />
UND Geburtenrate ganz nach hinten katapultiert“(19)<br />
Relativierend muss gesagt werden, dass nicht alles, was nach Entscheidung von Männern<br />
und Frauen aussieht, wirklich freiwillig geschieht: Wohlfahrtsstaatliche Regulierungen<br />
wie beispielsweise die Familien- und Steuerpolitik oder Arbeitszeitregime und Betreuungsinfrastruktur<br />
setzen Arbeitsteilungsmuster voraus, was die Entscheidungen von Paaren<br />
vorstrukturiert (so verhalten sich Paare wirtschaftlich rationell, wenn SIE zuhause bleibt<br />
bei Kindsgeburt, weil sie in der Regel weniger verdient und der Staat die Hausfrauenehe<br />
finanziell stark fördert. Zu den Rahmenbedingungen gehören aber neben wohlfahrtsstaatlichen<br />
Regulierungen auch kulturell-normative Rahmungen, wie Leitbilder und Normalitätsvorstellungen<br />
von Familie, Geschlecht und geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung (...) Rüling<br />
S. 207<br />
Deutschland nimmt in Europa zunehmend eine Sonderrolle ein. Indem es am traditionellen/industriegesellschaftlichen<br />
Geschlechtervertrag festhält gilt es als idealtypisch für<br />
einen christdemokratisch oder<br />
konservativ genannten Sozialstaatstyp<br />
(Esping-Andersen<br />
1990 und Pfau-Effinger 2000,<br />
zit. nach Schmid, S. 142). Die Integration<br />
von Frauen in den Arbeitsmarkt<br />
ist immer noch „begrenzt“<br />
(überwiegend teilzeitig)<br />
und „widerruflich“ (s. Clement)<br />
und die familiale Arbeitsteilung<br />
zwischen Frauen und Männern<br />
ist über die Maßen stabil.<br />
„Leitbilder wie Regulierungen<br />
basieren in Deutschland noch<br />
weitgehend auf dem traditionellen<br />
Ernähermodell[1].“ (Rüling<br />
207). „Ein besonders eklatanter Fall in der BRD ist das Splittingsystem der Einkommensbesteuerung,<br />
das nach wie vor die Institution Ehe subventioniert, auch wenn sie kinderlos<br />
ist oder bleibt“ (Schmid, S. 157) „Dies wird noch einmal verstärkt durch die Regulierung der<br />
.. 2
Dr. Anne Rösgen<br />
22 ..<br />
Stolpersteine & Widersprüche bei der Umsetzung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Elternzeit, die in DE im Vergleich zu anderen Ländern in der zeitlichen Dimension zwar sehr<br />
großzügig, in de finanziellen Kompensation aber recht mager ist (Schmid S. 158)<br />
Es ist zu befürchten, dass aus der Familienpolitik, die in Deutschland nun verstärkt am Ziel<br />
der Erhöhung der Geburtenrate orientiert wird, wieder zunehmend sehr zweifelhafte Orientierungen<br />
kommen. Der Abschied vom Industrialismus geht in Deutschland also deutlich<br />
langsamer vonstatten als anderswo. In Europa sind – nicht zuletzt aus wirtschaftlichen<br />
Gründen - bereits andere Modelle maßgeblich. Dazu hat auch beigetragen, dass die am<br />
Ernährermodell hängenden Sozialen Sicherungssysteme deutlich strukturelle Unzulänglichkeiten<br />
aufweisen.<br />
Was kommt nach dem Ernährermodell?[1]<br />
Diese Frage ist im Rahmen der EU Beschäftigungsstrategie, insbesondere seit den Gipfeln<br />
von „Lissabon“ und „Barcelona“ bereits beantwortet. Neues Leitbild ist das „adult worker<br />
model“, bei dem es doppelterwerbstätige Eltern einerseits und Maßnahmen zur Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf für Männer und Frauen andererseits gibt. Alle erwachsenen<br />
Personen (müssen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen, um den eigenen Lebensunterhalt zu<br />
sichern und unterliegen somit einer Individualisierung bezüglich materieller Absicherung<br />
(vgl. Leitner/Ostner/Schratzenstaller 2004)<br />
Dieses Modell wird – wohlgemerkt – aus wirtschaftlichen Gründen favorisiert, denn Staaten<br />
mit höheren Erwerbsquoten haben weniger Arbeitslosigkeit, schaffen den Übergang zur<br />
Dienstleistungsgesellschaft besser und verschwenden – volkswirtschaftlich betrachtet –<br />
weniger Humanressourcen, indem sie die best ausgebildetste Frauengeneration aller Zeiten<br />
zum Einsatz bringen. Zur Erreichung der Ziele ist es nötig, auch Bevölkerungsgruppen, die<br />
bisher weniger hohe Erwerbsquoten haben, wie Mütter und Ältere besser einzubeziehen. Die<br />
Mitgliedsstaaten – und hier insbesondere immer wieder DE – werden aufgefordert, etwaige<br />
Negativanreize in Steuer- und Sozialsystemen abzubauen, auch das Benchmarking in der<br />
Kinderbetreuung dient der Durchsetzung des adult woker models.<br />
So wünschenswert dieses Modell auch ist – hier treffen sich ja alte Forderungen von Frauenbewegungen<br />
mit der EU Politik- so sehr müssen jedoch die Bedingungen seiner Umsetzung<br />
im Auge behalten werden. So wird zu Recht darauf hingewiesen, dass mit dem Rückzug des<br />
Staates in DE aus sozial- und familienpolitischen Aufgaben lediglich die Risiken individualisiert<br />
werden. Gleichzeitig verstärkt sich das Angewiesensein auf familiäre Strukturen und<br />
somit bedeutet es eher nicht die erhoffte Entlastung von Frauen, insbesondere, wenn all dies<br />
(im Unterschied zu den skandinavischen Ländern) in Deutschland ohnehin als Privatsache<br />
gehandelt wird. Dies legt auch weiterhin eine prekäre Kombination aus Erwerbs- und Familienarbeit<br />
nahe, die nicht geschlechtergerecht und für Frauen häufig leider nicht einmal<br />
existenzsichernd ist.<br />
Damit bin ich am Schluss angekommen und hoffe, dass es mir gelungen ist, wenigstens aufscheinen<br />
zu lassen, was gemeint ist, wenn von GeM als der „systematischen Einbeziehung<br />
der jeweiligen Situationen, der Prioritäten und der Bedürfnisse von Männern und Frauen“<br />
die Rede ist. Das alles wird ja noch fortgeführt durch die weiteren Vorträge. Ich freue mich<br />
auf den Gesprächskreis, bei dem wir dann sehen, wie wir diese Komplexität mit den Projekten<br />
und der Situation vor Ort in Verbindung bringen und klären, wie der ESF mehr sein<br />
kann als ein Spiegel der Verhältnisse. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Stolpersteine & Widersprüche bei der Umsetzung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. Anne Rösgen<br />
Literatur<br />
Baatz, Dagmar/Rudolph, Clarissa/Satilmis, Ayla (Hrsg.) 2004: Hauptsache Arbeit? Münster<br />
Bertram, Hans 2001: Statement anlässlich der Pressekonferenz „work & life<br />
balance“ am 5.6.01 in Bonn und in der Broschüre mit dem gleichnamigen Titel.<br />
Hrsg. Deutsche Telekom Böhnisch, Lothar 2003: Die Entgrenzung der Männlichkeit.<br />
Verstörungen und Formierungen des Mannseins im gesellschaftlichen<br />
Übergang, Opladen Castells, Manuel 2003: Das Ende des Patriarchalismus. In:<br />
Die Macht der Identität. Bd. 2 der Trilogie Das Informationszeitalter, Opladen.<br />
Dienel, Christiane 2004: Eltern, Kinder und Erwerbsarbeit: Die EU als familienpolitischer<br />
Akteur. In: Leitner, Sigrid/Ostner, Ilona/Schratzenstaller, Margit (Hrsg.) 2004, S.<br />
285 ff<br />
Esping-Andersen, G. 1990: The Three Worlds of Welfare Capitalism. Princeton<br />
Gesterkamp, Thomas 2004: Die Krise der Kerle, Männlicher Lebensstil und der Wandel der<br />
Arbeitsgesellschaft, Münster<br />
Kahlert, Heike/Kajatin, Claudia (Hg.) Arbeit und Vernetzung im Informationszeitalter. Wie<br />
neue Technologien die Geschlechterverhältnisse verändern. Frankfurt/New York<br />
Klammer/Klenner 2004: Geteilte Erwerbstätigkeit – gemeinsame Fürsorge. Strategien und<br />
Perspektiven der Kombination von Erwerbs- und Familienleben in Deutschland.<br />
In: Kahlert/Kajatin (Hg.) 2004, S. 177ff<br />
Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Chancengleichheit für Frauen und Männer<br />
in der Europäischen Union 2002, Luxemburg 2005<br />
Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission an den Rat,<br />
das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den<br />
Ausschuss der Regionen . Implementierung des Gender Mainstreaming in den<br />
Strukturfonds-Programmplanungsdokumenten 2000-2006. Brüssel 20.12.2002<br />
Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission. Einbindung<br />
der Chancengleichheit in sämtliche politischen Konzepte und Maßnahmen der<br />
Gemeinschaft, Brüssel 1996.<br />
Lehner, Erich 2002: Frauen-, Männer-, Geschlechterpolitik oder: Wer braucht Männerpolitik?<br />
In: Zulehner S. 226<br />
Leitner, Sigrid/Ostner, Ilona/Schratzenstaller, Margit (Hrsg.) 2004: Wohlfahrtsstaat und<br />
Geschlechterverhältnis im Umbruch. Was kommt nach dem Ernährermodell?<br />
Wiesbaden<br />
Meuser, Michael; Neusüß, Claudia 2004: Gender Mainstreaming. Konzepte – Handlungsfelder<br />
- Instrumente. Kann für EUR 2,-- bestellt werden bei der Bundeszentrale<br />
für Politische Bildung, www.bpb.de<br />
Oppen, Maria/Simon, Dagmar 2004: Verharrender Wandel. Institutionen und Geschlechterverhältnisse,<br />
Berlin.<br />
Pfau-Effinger, B. 2000: Kultur und Frauenerwerbstätigkeit in Europa. Theorie und Empirie<br />
des internationalen Vergleichs. Opladen<br />
Pimminger, Irene 2001: Handbuch Gender Mainstreaming in der Regionalentwicklung.<br />
Wien<br />
Rüling, Anneli 2004: Familiale Arbeitsteilung im Informationszeitalter: Egalitäre Arrangements<br />
von Arbeit und Leben als Herausforderung. In: Kahlert/Kajatin (Hg.)<br />
2004, S, 187 ff<br />
Schmid, Günther 2004: Gleichheit und Effizienz auf dem Arbeitsmarkt. In: Oppen, Ma-ria/<br />
Simon, Dagmar: Verharrender Wandel. Institutionen und Geschlechterverhältnisse,<br />
S. 139 ff Schratzenstaller, Margit 2004: Neue Dilemmata – neue Bedarfe:<br />
Synapse und Ausblick. In: Leitner, Sigrid/Ostner, Ilona/Schratzenstaller, Margit<br />
(Hrsg.) 2004, S. 381 ff Stolz-Willig, Brigitte 2004: Familie und Arbeit zwischen<br />
Modernisierung und (Re-) Traditionalisierung. In: Baatz/Rudolph/Satilmis<br />
(Hrsg.): Hauptsache Arbeit? S. 70 ff Vinken, Barbara 2001: Die deutsche Mutter.<br />
Der lange Schatten eines Mythos. Zürich Zulehner, Paul M. 2003: MannsBilder.<br />
Ein Jahrzehnt Männerentwicklung. Ostfildern<br />
.. 2
<strong>Fachtagung</strong> »Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?«<br />
»Krise der Kerle« -<br />
Männlicher Lebensstil und der Wandel der<br />
Arbeitsgesellschaft<br />
Vortrag zur <strong>Fachtagung</strong><br />
„Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?“<br />
am 2.6.05 in Stuttgart<br />
Dr. Thomas Gesterkamp, Journalist & Buchautor, Köln<br />
.. 2
Die Krise der Kerle<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Guten Tag.<br />
Ich arbeite als Journalist in Köln für Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunksender. Außerdem<br />
schreibe ich Bücher über Männer, genauer gesagt: über Männer und ihr Verhältnis zur<br />
Arbeit, über Männer zwischen Beruf und Familie. Im letzten Buch ging es um “die neue<br />
Balance von Arbeit und Liebe”, also um das “Vereinbarkeitsproblem” - aber eben nicht aus<br />
Frauen-, sondern aus Männersicht. Die “Krise der Kerle”, die dem heutigen Vortrag die Oberzeile<br />
geliefert hat, ist der popularisierte Titel meiner gerade erschienenen Dissertation über<br />
“Männliche Arbeits- und Lebensstile in der Informationsgesellschaft”.<br />
Angesichts der knappen Zeit will ich mich auf zwei Kernpunkte beschränken.<br />
Zum einen:<br />
Die Akteure der deutschen Arbeitsmarktpolitik - also die Initiatoren der Hartz-Gesetze,<br />
die Fachleute in den Wirtschaftsministerien, die Experten der politischen Parteien, aber<br />
auch viele Praktiker im Umfeld der Bundesagentur für Arbeit - sie alle denken und handeln<br />
weitgehend “geschlechtsblind”. Sie ignorieren die Gender-Aspekte des Themas, und vor<br />
allem ignorieren sie den wichtigsten gesellschaftlichen Wandel seit der Industrialisierung:<br />
die steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen und die Konsequenzen daraus für den Arbeitsmarkt.<br />
Meine zweite These:<br />
Das simple Erklärungsschema “männliche Täter, weibliche Opfer” bedarf gerade für die<br />
Arbeitsmarktpolitik einer Überprüfung. In der Logik der traditionellen Gleichstellungspolitik<br />
ist es einfach, Frauen zu den Hauptverliererinnen von “Hartz IV” zu erklären und<br />
den Männern die Rolle der weniger Betroffenen - oder gar der Profiteure - zuzuweisen.<br />
Tatsächlich aber entwickelt sich Arbeitslosigkeit in wachsendem Umfang zu einem männlichen<br />
Problem. Das ist ein Gender-Blick auf das Thema, mit dem ich auf frauenpolitischen<br />
Veranstaltungen manchmal auf Irritation und Abwehr stoße. Die “Krise der Kerle” ist eine<br />
Identitätskrise gerade der Industriearbeiter und zugleich der politischen Strukturen, die auf<br />
dem Mann als Haupternährer beruhen. Dazu später mehr.<br />
Zunächst zur “Geschlechtsblindheit” in der Arbeitsmarktpolitik. Politiker wie Journalisten<br />
halten diese für ein “hartes Thema” - im Gegensatz etwa zur “weichen” Frauen- und Familienpolitik.<br />
“Harte Themen” zeichnen sich dadurch aus, dass Männer sie ganz sachorientiert<br />
“in den Griff” bekommen wollen - wie die Lösung eines mathematischen Problems, ganz<br />
ohne “Gedöns” und ohne Berücksichtigung der leidigen Geschlechterfrage.<br />
Wie passt dazu das folgende Zitat? “Eine Voraussetzung für das Erreichen eines hohen Beschäftigungsstandes<br />
und einer sich ständig verbessernden Beschäftigungsstruktur ist die<br />
Chancengleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt”, hieß es im Bericht der<br />
Hartz-Kommission. Alle weiteren Schritte, so wörtlich, “müssen vor diesem Hintergrund<br />
detailliert überprüft werden, inwieweit sie dem Postulat der Gleichstellung Rechnung tragen<br />
bzw. direkt oder indirekt Benachteiligungen fortschreiben oder neue entstehen lassen.”<br />
Bravo! Das ist doch praktiziertes “Gender Mainstreaming” in Reinkultur! Noch Fragen? Wo<br />
liegt dann das Problem?<br />
Sie wissen es vermutlich aus eigener Erfahrung: Das Papier, auf dem das Wort “Gender<br />
Mainstreaming” steht, ist äußerst geduldig. Jeder Dorfbürgermeister schmückt sich mittlerweile<br />
mit diesem Etikett - nicht unbedingt, weil er geschlechterpolitisch besonders reflektiert<br />
ist, sondern weil sich auf diese Weise in Zeiten des eisernen Sparens so prima<br />
begründen lässt, dass seine Gemeinde auf eine eigene Frauenbeauftragte getrost verzichten<br />
kann. Ist doch längst im Mainstream angekommen, Bestandteil aller Ressorts!<br />
Und bei Hartz? Zumindest die erste, im Sommer 2002 vorgelegte Fassung der Empfehlungen<br />
dieses Gremiums verblüffte durch ein äußerst traditionelles Rollenbild. Etwa im “Modul 1“ ,<br />
das sich mit der so genannten “familienfreundlichen Quickvermittlung” beschäftigt - Peter<br />
Hartz liebt ja die blumigen Begriffe. Dort hieß es: “Jeden Montag erhalten die Leiter des<br />
Arbeitsamtes und der Vorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit eine Liste der arbeitslosen<br />
1 Siehe dazu auch die Homepage des Projektes: www.dji.de/kjhgender<br />
.. 2<br />
Dr. Thomas Gesterkamp<br />
Journalist & Buchautor
Dr. Thomas Gesterkamp<br />
2 ..<br />
Die Krise der Kerle<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Familienväter.” “Familienvater” - ein seltsam altmodisches Wort. Es impliziert automatisch<br />
den Ernährer - das können Sie schon daran erkennen, dass das Wort “Familienmutter” wenig<br />
Sinn macht. Ebensowenig wie umgekehrt der “berufstätige Vater”. Nur Frauen fragen<br />
sich im Gespräch vor dem Kindergartentor: “Sind Sie berufstätig?” Das würden sich Männer<br />
nie fragen, denn die sind immer “berufstätig” - oder arbeitslos.<br />
Zurück zum Modul 1 der Hartz-Kommission: Dass Mütter Wesentliches zum Haushaltseinkommen<br />
beitragen könnten, dass es auch alleinlebende und alleinerziehende Frauen gibt,<br />
lag offenbar jenseits des Horizontes dieser Herrenrunde. Zu Tage trat - eher unabsichtlich,<br />
aber gerade darum authentisch - die alte patriarchale Denkweise: Erwerbslose Männer, die<br />
ihre Versorgerrolle nicht mehr ausfüllen können, gelten als ein gesellschaftliches Problem<br />
ersten Ranges. Erwerbslose Frauen hingegen sind kein so großes Problem - sie können ja<br />
meist auf einen “Ernährer” zurückgreifen und einfach zu Hause bleiben. So denkt Mann<br />
offenbar in der Hartz-Kommission. Immerhin sorgte eine Art “Gender”-Prüfung durch die<br />
einzige Frau in dem 15-köpfigen Zirkel, einer Gewerkschafterin von ver.di, für eine sprachliche<br />
Korrektur. Nicht mehr “Familienväter” werden jetzt bevorzugt vermittelt - so stand es<br />
dann in der Endfassung des Hartz-Berichtes - sondern “Arbeitslose, die besondere Verantwortung<br />
für abhängige betreuungsbedürftige Personen oder Familienangehörige tragen”.<br />
Das klingt politisch korrekt. Verbale Entgleisungen, die unterschwellig die Rezepte des<br />
Stammtisches propagieren, werden heute also durch das Instrument des “Gender Mainstreaming”<br />
aufgefangen! Interessant an der Geschichte des “Modul 1“ ist aber weniger die<br />
sprachliche Verwandlung als der Subtext: das, was in der Regel nicht gesagt, sondern nur<br />
gedacht wird. Sehr schön hat das Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in einem Interview<br />
der Frankfurter Allgemeine Zeitung demonstriert. Darin gab er sich gewohnt optimistisch<br />
über die Zukunft des Arbeitsmarktes in Deutschland. “Wir können die Arbeitslosenquote<br />
in einem Jahrzehnt halbieren”, war das Gespräch überschrieben. Und an einer Stelle<br />
rutschte es raus, was der Vater von fünf Töchtern - mit “Familienmanagerin” zu Hause,<br />
selbstverständlich! - für den Kern des Problems hält. O-Ton Clement: “Wer genau hinschaut,<br />
der wird erkennen, daß die neuen Vermittlungs- und Zumutbarkeitsregelungen bewirken<br />
werden, daß wir uns auf die wirklichen Jobsucher konzentrieren können.” Dann kommt,<br />
wen Herr Clement nicht zu den “wirklichen Jobsuchern” zählt - neben den “Komatösen”, die<br />
ihm angeblich die Sozialämter untergeschoben haben. Zitat: “Einmal drastisch gesprochen:<br />
Die Ehefrauen gutverdienender Angestellter oder Beamter akzeptieren einen Mini-Job oder<br />
müssen aus der Arbeitsvermittlung ausscheiden.”<br />
Tja, da war “die Katze aus dem Sack”, wie der Deutsche Frauenrat in einem offenen Brief an<br />
den Minister formulierte. So was sollte man lieber nicht öffentlich äußern als Mitglied einer<br />
Regierung, die sich offiziell das Prinzip des “Gender Mainstreaming” zu eigen gemacht<br />
hat! Clements Bemerkung ist aber nur ein besonders verräterisches Beispiel für eine Sicht<br />
der Dinge, die in dem von Männerbündelei geprägten Politikbetrieb nach wie vor gang und<br />
gäbe ist. Der Kern dieser Denkweise besteht darin, das Thema “Arbeitsmarkt”, ebenso wie<br />
andere Politikfelder, als geschlechtsneutrales Problem zu betrachten - also das genaue Gegenteil<br />
dessen, was das Prinzip “Gender Mainstreaming” fordert.<br />
Die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland von registriert fünf Millionen, einschließlich der<br />
so genannten “stillen Reserve” eher sieben Millionen Menschen, lässt sich ohne den Blick<br />
auf die Kategorie “Geschlecht” kaum verstehen. Verkürzt formuliert: Wir haben heute gar<br />
nicht weniger Arbeitsverhältnisse als zu den im Rückblick glorifizierten Zeiten der “Vollbeschäftigung”.<br />
Geändert hat sich nicht das Angebot, sondern die Nachfrage nach Erwerbsarbeit.<br />
Die Zahl der nachfragenden Frauen ist deutlich gestiegen - gewachsene weibliche<br />
“Erwerbsneigung” nennen das die Wirtschaftswissenschaftler.<br />
“Erwerbsneigung” ist ein Wort, das nach Hobby klingt, nach “Neigungsfächern” in der<br />
Schule, die man wählen, aber auch vernachlässigen kann. Ich halte es für keinen Zufall,<br />
dass männliche Experten diesen Begriff benutzen, wenn sie den Umgang von Frauen mit<br />
bezahlter Beschäftigung beschreiben wollen. Konservative Ökonomen wie Meinhard Miegel<br />
haben für Westdeutschland vorgerechnet, dass es rund drei Millionen Erwerbspersonen weniger<br />
gäbe, wenn die Gruppe der berufsorientierten Frauen seit den sechziger Jahren nicht
Die Krise der Kerle<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. Thomas Gesterkamp<br />
deutlich gestiegen wäre. Eigentlich meinten sie damit: Würden die Mütter wie früher zu<br />
Hause bleiben, verschwänden rein statistisch zwei Drittel der Arbeitslosen.<br />
Von solcher Stammtisch-Arithmetik distanzieren sich offiziell alle Parteien. Die Parole<br />
“Frauen zurück an den Herd” gilt bei der Lösung der Arbeitsmarktkrise als nicht opportun.<br />
Doch indem die Politik die Kategorie “Geschlecht” weitgehend vermeidet, ignoriert sie den<br />
latent stets mitschwingenden Konflikt zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt.<br />
Denn das männliche Normalarbeitsverhältnis ließ sich - und lässt sich zum Teil bis<br />
heute - nur realisieren, wenn Ehefrauen die private Fürsorgearbeit leisten und ganz oder<br />
zeitweise zu Hause bleiben. Als Nebeneffekt entlasten sie auf diese Weise auch noch die<br />
Statistik - das gilt gerade hier im konservativen Südwesten mit seinen niedrigen Arbeitslosenquoten!<br />
Die Rezepte, die die Hartz-Gesetze offerieren, beruhen mithin auf unzureichenden Diagnosen<br />
- zumindest, was das Geschlechterverhältnis betrifft. Die alte “Vollbeschäftigung”,<br />
die Wolfgang Clement und seine Mitstreiter als Ziel bemühen, war in der Vergangenheit<br />
stets eine Vollbeschäftigung für Männer. Vollzeitarbeit für beide Geschlechter aber hat es<br />
zumindest in Westdeutschland nie gegeben und wird es voraussichtlich auch künftig nicht<br />
geben.<br />
Zum Syndrom der “geschlechterpolitischen Blindheit” gehört, dass die Arbeitsmarktprobleme<br />
im öffentlichen Raum kaum nach Männern und Frauen differenziert betrachtet werden.<br />
Von “geschlechtersensibler Ermittlung von Zielgruppen” - darüber wird gleich Rene<br />
Leicht reden - kann zumindest auf bundespolitischer Ebene keine Rede sein. Immerhin wird<br />
in der Statistik, wenn man sie genau liest, nach Männern und Frauen differenziert. Und da<br />
ist es interessant, die Erwerbslosenquoten von Männern und Frauen in einem Zehn-Jahres-<br />
Zeitraum zu vergleichen. Heraus kommt ein brisantes Ergebnis: Die männliche Arbeitslosenquote<br />
ist von 1992 bis 2002 von 7,1 Prozent auf 11,3 Prozent gestiegen. Im gleichen<br />
Zeitraum ist die Quote der Frauen mit 10,3 Prozent - 1992 waren es 10,2 Prozent - nahezu<br />
konstant geblieben.<br />
Ich gebe zu, ich habe einen besonders drastischen Vergleich gewählt. Und der Korrektheit<br />
halber sei auch angemerkt, dass es sich bei den Zahlen um die registrierten Arbeitslosen<br />
handelt. Die überwiegend von Frauen gefüllte “stille Reserve” - also jener, die sich gar nicht<br />
erst arbeitslos melden - bleibt ebenso unberücksichtigt wie die Tatsache, dass die weibliche<br />
Beschäftigung stärker auf Teilzeitarbeit und geringfügiger Entlohnung basiert.<br />
Selbstverständlich belegt der Blick in eine beliebige Führungsetage die fortbestehende<br />
männliche Vorherrschaft in den Spitzenpositionen von Wissenschaft, Technik und Industrie.<br />
Nach wie vor dominieren Männer die Erwerbsarbeit und bestimmen ihre Regeln. Der<br />
australische Männerforscher Robert Connell spricht vom “Macht-Mann” oder gar vom “globalisierten<br />
Mann” an der Spitze von Hierarchie und Einkommenspyramide. Dieser funktioniert<br />
als Leitbild für andere erwerbsorientierte Männer mit relativ guter Qualifikation, die<br />
sich erhoffen, so von der “patriarchalen Dividende”, wie es Connell nennt, zu profitieren.<br />
Der entsprechende berufliche Habitus, charakterisiert durch Leistungsorientierung, überlange<br />
Arbeitszeiten und die Abgabe sämtlicher Fürsorgepflichten an Frauen, findet sich<br />
als vorherrschendes Muster in den männlichen Lebensstilen der Mittelschicht. Der stolze<br />
“Alleinverdiener” mag vom “Haupternährer” mit Teilzeit-Gattin abgelöst worden sein. Das<br />
Leitbild des “Breadwinners” und entscheidenden Geldbeschaffers hat aber weiterhin eine<br />
hohe Priorität.<br />
Die Hegemonie von global agierenden Managern, Börsenspekulanten oder hochspezialisierten<br />
Programmierern verdeckt, dass andere Gruppen von Männern mit Rollenirritationen<br />
und sozialer Deklassierung konfrontiert sind. Statt fester Anstellung droht vor allem jungen<br />
Berufseinsteigern, Migranten und gering Qualifizierten die lebenslange Probezeit. An die<br />
Stelle des klassischen männlichen Musters “Vollzeit ohne Unterbrechung bis zur Rente” tritt<br />
für sie eine von beruflichen Brüchen und Phasen der Erwerbslosigkeit geprägte Biografie.<br />
Die “Giroväter” - wie Dieter Schnack und ich sie in unserem Buch “Hauptsache Arbeit?”<br />
genannt haben - bekommen damit Probleme, ihrer Familie eine verlässliche Perspektiven<br />
zu sichern. Es macht keinen Sinn, einen Bausparvertrag zu bedienen, wenn Mann nur einen<br />
.. 2
Dr. Thomas Gesterkamp<br />
0 ..<br />
Die Krise der Kerle<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Zeitvertrag in der Tasche hat. Der Stolz der Ernährer ist vor allem in den unteren sozialen<br />
Schichten angeknackst; das Band der Treue zwischen paternalistischem Unternehmertum<br />
und fleißiger Belegschaft ist zerrissen. Angelernte Industriearbeiter sind die Hauptverlierer<br />
des Wandels zur Dienstleistungsgesellschaft.<br />
Selbst in Ostdeutschland, einst eine Hochburg der erwerbslosen Frauen, sind inzwischen<br />
ebenso viele Männer ohne Job. “Starke Typen, aber keine Bräute”, überschrieb “Geo” im<br />
letzten Jahr einen Bericht, der ehemalige Braunkohlearbeiter mit verrußten Gesichtern in<br />
der Ruine ihrer ehemaligen Fabrik abbildete und im Text eine Studie über die demografische<br />
Entwicklung in Deutschland vorstellte: Im sächsischen Hoyerswerda kommen auf 100 Männer<br />
im Alter von 18 bis 29 Jahre nur noch 83 Frauen, im Landkreis Uecker-Randow sind es<br />
gar nur 76. In Mecklenburg-Vorpommern liegen halb verlassene Dörfer, in denen fast nur<br />
noch Alte und männliche Alkoholiker leben. Junge Frauen kehren deutlich häufiger als<br />
junge Männer den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands den Rücken und bauen<br />
sich im Westen eine neue Existenz auf. Zurück bleiben, wie es der “Spiegel” despektierlich<br />
nannte, die “arbeitslosen Stadtdeppen ohne Chance auf Paarbeziehung”.<br />
Die Fabrikjobs haben einst schlecht ausgebildeten Männern ermöglicht, vom aufmüpfigen<br />
Jugendlichen zum ehrbaren Familienvater aufzusteigen. Mit ihrer Hände Arbeit vermochten<br />
sie die hungrigen Mäuler zu Hause zu stopfen. Wer das nicht mehr bieten kann, hat in<br />
der Tat Schwierigkeiten, eine Partnerin zu finden. Von “Double losers” spricht der norwegische<br />
Männerforscher Oystein Holter. Das uralte Verfahren, die zornigen jungen Männer in<br />
der Ehe zu “zivilisieren”, funktioniert nicht mehr. “Sie bleiben in einer Peter-Pan-Welt des<br />
gelegentlichen Sex und der Kriminalität stecken”, überspitzt die britische Autorin Suzanne<br />
Franks. “Uneducated, unemployed, unmarried” - ohne Ausbildung, ohne Job, ohne Liebe,<br />
formuliert plakativ der Londoner “Economist”, der schon in den neunziger Jahren Ärger<br />
mit den Männern (“The trouble with men”) prognostizierte: Die einstigen Helden der Arbeit<br />
seien “Tomorrow’s second sex”, das zweitrangige Geschlecht von morgen.<br />
Die Krise am Arbeitsmarkt ist also auch eine Krise der Männlichkeit, eine “Krise der Kerle”.<br />
Die Basis, auf der Männer ihr Selbstbild aufgebaut haben, bröckelt; sozialer Abstieg und<br />
persönliche Verunsicherung sind die Folgen. Sozialarbeiter in den Brennpunkten des sozialen<br />
Wohnungsbaus berichten, dass es vor allem die arbeitslosen Männer sind, die ihnen<br />
Anlass zur Sorge geben. Diese kämen mit dem Leben ohne eine bezahlte Tätigkeit besonders<br />
schlecht zurecht. Sie ziehen sich sich vor den Bildschirm zurück und entwickeln sich zu<br />
“Virtuosen der Fernbedienung” - während sich die Frauen trotz ebenfalls fehlender Jobs<br />
immerhin weiter in gesellschaftliche Netzwerke einbinden lassen.<br />
Die Privilegien der “Kerle” schwinden in der Arbeitsmarktpolitik, wie sich etwa bei der<br />
Frühverrentung zeigt: Vorruhestand und Altersteilzeit waren und sind Instrumente, die<br />
ganz überwiegend von männlichen Industriearbeitern genutzt werden. Gesellschaftlich<br />
ist der berühmte “goldene Handschlag” auf Kosten der Sozialkassen längst nicht mehr so<br />
akzeptiert wie noch vor zehn Jahren. Und die rechtlichen Möglichkeiten, sich vor dem<br />
Erreichen der Altersgrenze ohne große Einbußen aus der Erwerbsarbeit zu verabschieden,<br />
werden nach und nach eingeschränkt<br />
Auch beim Thema Ausbildung sieht es für das männliche Geschlecht nicht günstig aus Das<br />
Risiko, arbeitslos zu werden, wächst bei geringer Qualifikation. In deutschen Haupt- und<br />
Sonderschulen sitzen doppelt so viele Jungen wie Mädchen. 60 Prozent der GymnasiastInnen<br />
sind weiblich, unter den StudienanfängerInnen überwiegen inzwischen ebenfalls die<br />
Frauen. Dass Mädchen die “moderneren” Kinder sind, wie es Jugendforscher formulieren,<br />
und umgekehrt die “kleinen Helden in Not” geraten, ist fast 15 Jahre nach dem gleichnamigen<br />
Buch von Dieter Schnack und Rainer Neutzling im publizistischen und politischen<br />
Mainstream angekommen. Illustrierte widmen dem Thema alarmierte Titelgeschichten.<br />
Die CDU-Bundestagsfraktion stellte vor einem Jahr eine Anfrage zur “Verbesserung der<br />
Zukunftsperspektive für Jungen” und monierte, die Bundesregierung habe hierfür “kein<br />
Gesamtkonzept”. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sorgt sich um die<br />
Leistungen männlicher Schüler: Die Vernachlässigung der Jungen habe - Zitat - “negative<br />
Konsequenzen für deren berufliche Perspektiven” und verursache “hohe gesellschaftliche<br />
Kosten”. Die Kultusminister, so fordern die Kammern, müssten sich mit dem Thema befas-
Die Krise der Kerle<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. Thomas Gesterkamp<br />
sen. Jungen müssten mit gezielter Förderung aus dem Abseits geholt werden. Sonst drohe,<br />
so wörtlich, ein “männliches Proletariat”.<br />
“Männer, jung, Hauptschule” - das war auch die Kurzzusammenfassung der Wahlforscher<br />
nach den Erfolgen der NPD in Sachsen. Und Mike Davis, ein US-amerikanischer Stadtsoziologe,<br />
hat nach der Wiederwahl von Präsident Bush die “American liberals”, also die Intellektuellen<br />
rund um die Demokratische Partei, aufgefordert ,“über die historischen Umstände<br />
nachzudenken, die aus den Helden der Arbeiterklasse von gestern die Barbaren vor den<br />
Stadttoren von heute gemacht haben”. Er hat das am Beispiel von West Virginia erläutert,<br />
eines alten Stahl- und Minenreviers mit hoher Arbeitslosigkeit und langer “demokratischer”<br />
Tradition - wo Kerry im letzten Herbst mit 13 Prozent Abstand verloren hat.<br />
Schon deswegen könnte nach dem Thema “Jungen” bald auch das Thema “sozial deklassierte<br />
Männer” aus dem Schatten der Randständigkeit treten und breitere Kreise erreichen.<br />
Zumindest für die gering Qualifizierten gilt: Beide Geschlechter sind nun mit jenen prekären<br />
Erwerbsverläufen konfrontiert, die für Frauen schon immer “normal” waren. Die<br />
Hartz-Gesetze nivellieren das Geschlechterverhältnis auf prekärem Niveau: Auch Männer<br />
werden in die Selbstständigkeit abgedrängt, müssen sich mit Niedriglöhnen, Mini-Jobs oder<br />
befristeter Beschäftigung auseinander setzen. Zur gleichen Zeit triumphiert an der Spitze<br />
der Hierarchie eine modernisierte Form der männlich-hegemonialen Organisationskultur<br />
- und diesem Arbeitshabitus, der auf private Belange wenig Rücksicht nimmt, verpflichten<br />
sich auch Teile der gut ausgebildeten - und häufig kinderlosen - Frauen.<br />
Welche Spielräume gibt es vor diesem Hintergrund für den Wandel traditioneller Männerbilder<br />
und - rollen? Und welche Konsequenzen hat das für die Beschäftigungspolitik, also<br />
für Ihre konkreten Arbeitsfelder?<br />
Männlichkeit ist in unserer Gesellschaft eng an Erwerbsarbeit gekoppelt.<br />
Gerade für junge und nicht besonders gut ausgebildete Männer wächst das Gefälle zwischen<br />
Anspruch und Realität: zwischen der immer noch mächtigen Erwartung, die Ernährerrolle<br />
auszufüllen, und ihren tatsächlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Darauf sind sie wenig<br />
vorbereitet.<br />
Folgt man den Ergebnissen von Jugendstudien, halten die Zwanzig- bis Dreißigjährigen die<br />
Geschlechterdifferenz nur noch für wenig relevant. Typisch männliche und typisch weibliche<br />
Lebensmuster haben sich in der Wahrnehmung der befragten Altersgruppe scheinbar<br />
aufgelöst. Das Lebensgefühl junger Frauen ist dabei von einem selbstverständlichen Anspruch<br />
auf gleiche Chancen geprägt. Erst mit der Realisierung des Kinderwunsches gerät<br />
dieses Selbstvertrauen ins Wanken. In einer späteren biografischen Phase als früher sind<br />
Frauen heute mit gravierenden Erfahrungen von Benachteiligung und Diskriminierung<br />
konfrontiert. Plötzlich müssen sie feststellen, dass Vollwerwerbstätigkeit und Familiengründung<br />
in Deutschland für sie nahezu unvereinbar sind. Betriebliche Hindernisse, noch<br />
mehr aber gesellschaftliche Normen und entsprechende politische Regularien legen Frauen<br />
dann für Jahre auf die Mutterrolle fest - und Männer umgekehrt auf die Rolle des “Haupternährers”.<br />
Schule wie auch beruflicher Qualifizierung und politischer Bildung kommt die Aufgabe<br />
zu, vor der entscheidenden Situation der Familiengründung einem “Realitätsschock” vorzubeugen.<br />
Jungen Frauen sollte zum Beispiel frühzeitig deutlich gemacht werden, welche<br />
persönlichen Risiken sie eingehen, wenn sie einen schlecht bezahlten “typischen” Frauenberuf<br />
wählen. Sie brauchen Ermunterung, ihre künftige Erwerbsarbeit ernst zu nehmen.<br />
Umgekehrt sind junge Männer wenig darauf vorbereitet, dass ihnen zwar gesellschaftlich<br />
weiterhin die Rolle des “Breadwinners” zugewiesen sind, sie an dieser Aufgabe aber in einer<br />
rapide umstrukturierten Erwerbswelt immer häufiger scheitern.<br />
Ganz selbstverständlich gehen die meisten von ihnen davon aus, auch künftig den Löwenanteil<br />
eines künftigen Familieneinkommens nach Hause zu bringen. Die Vaterrolle mit<br />
starkem Familienengagement auszufüllen, erscheint ihnen weit weniger attraktiv als die<br />
Verheißungen eines monetär erfolgreichen Erwerbslebens. Es liegt oft jenseits ihrer Vorstellungskraft,<br />
dass sie als Verlierer des gesellschaftlichen Wandels demnächst vielleicht<br />
weniger verdienen könnten als ihre gleich gut oder besser qualifizierte Partnerinnen. Noch<br />
seltener antizipieren sie die möglichen Konsequenzen: Eine “Ernährerin” im Rücken, sollen<br />
..
Dr. Thomas Gesterkamp<br />
2 ..<br />
Die Krise der Kerle<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
sie sich plötzlich um Haushalt und Kinder kümmern oder dabei einen Beitrag leisten, der<br />
über gelegentliches Assistieren hinausgeht.<br />
Die “Berufsvorbereitung” in den Schulen müsste junge Männer so besehen nicht nur auf<br />
eine künftige unregelmäßige Erwerbsbiografie, sondern auch auf die “Arbeit des Alltags”<br />
im Haushalt und bei der Kinderversorgung vorbereiten. Das vermittelte männliche Leitbild<br />
kann sich nicht mehr einseitig am “Berufsmann” orientieren. Doch es braucht Mut und<br />
Selbstbewusstsein, sich dem betrieblichen und gesellschaftlichen Druck zu entziehen und<br />
den Spott über andere männliche Lebensorientierungen als das zu betrachten, was er auch<br />
ist: Ausdruck einer tief sitzenden Irritation. Über die “Krise der Kerle” eben. Ich danke für<br />
Ihre Aufmerksamkeit.<br />
Erwähnte Literatur<br />
CDU-Bundestagsfraktion (2004): Verbesserung der Zukunftsperspektive für Jungen.<br />
Drucksache 15/3516<br />
Clement, Wolfgang: Wir können die Arbeitslosenquote in einem Jahrzehnt halbieren. In:<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.10.2003<br />
Connell, Robert (2000): Der gemachte Mann, Opladen<br />
Davis, Mike: Stahl statt Aspirin. Konservative Werte gegen den Lebensstil von “Sex and<br />
the city”. In: Die Zeit vom 10.11.2004<br />
The Economist: The trouble with men, vom 28.10.96<br />
Franks, Suzanne (1999): Frauen, Männer und die Zukunft der Arbeit, Stuttgart<br />
Geo: Starke Typen, aber keine Bräute. Heft 5/2004, S. 103<br />
Gesterkamp, Thomas (2004): Die Krise der Kerle - Männlicher Lebensstil und der Wandel<br />
der Arbeitsgesellschaft, Münster<br />
Gesterkamp, Thomas (2002): Gutesleben.de - Die neue Balance von Arbeit und Liebe,<br />
Stuttgart<br />
Hartz, Peter u.a (2002): Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - Bericht der Kommission,<br />
Berlin<br />
Holter, Oystein (2003): Can men do ist? Men and gender equality - the nordic experience,<br />
Kopenhagen<br />
Roth, Eva: Wirtschaft will Jungs aus dem Abseits holen. In: Frankfurter Rundschau vom<br />
10.8.2004<br />
Schnack, Dieter / Gesterkamp, Thomas (1998): Hauptsache Arbeit? Männer zwischen Beruf<br />
und Familie, Reinbek<br />
Schnack, Dieter / Neutzling, Rainer (1990, Neuauflage 2000): Kleine Helden in Not - Jungen<br />
auf der Suche nach Männlichkeit, Reinbek<br />
Der Spiegel: Angeknackste Helden. Heft 21/2004, S. 82
<strong>Fachtagung</strong> »Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?«<br />
Wie kann eine Analyse des regionalen Arbeitsmarktes<br />
und geschlechtersensible Ermittlung<br />
von Zielgruppen gelingen?<br />
Vortrag zur <strong>Fachtagung</strong><br />
„Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?“<br />
am 2.6.05 in Stuttgart<br />
Dr. René Leicht,<br />
Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim (ifm)<br />
..
Arbeitsmarkt und geschlechtersensible Zielgruppenermittlung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Schönen guten Tag, Frauen und Männer,<br />
die Frage “Wie kann eine Analyse des regionalen Arbeitsmarktes und eine geschlechtersensible<br />
Ermittlung von Zielgruppen gelingen?“ kann man eigentlich erst beantworten, wenn<br />
ein paar Worte dazu gefallen sind, warum eine solche Analyse überhaupt sinnvoll und<br />
erforderlich ist.<br />
Über allem schwebt die Erkenntnis, dass die Umsetzung von Gender Mainstreaming durch<br />
einen Mangel an aussagekräftigen und vor allem geschlechterdifferenzierten Daten behindert<br />
wird. Um diese Diagnose einschätzen zu können ist zunächst ein Blick auf die Zielebene<br />
erforderlich:<br />
• Das Ziel einer „Chancengleichheit von Frauen und Männern“ ist fast schon Allgemeingut,<br />
wenngleich auch noch weit entfernt.<br />
• Die Forderung, dass dies ein „integraler Bestandteil allen staatlichen Handelns“ sein<br />
sollte, hat mehr Implikationen als auf den ersten Blick ersichtlich: Dies setzt voraus,<br />
dass<br />
a) überhaupt gehandelt wird. D.h. ein Problem könnte eher das Nicht-Handeln sein.<br />
b) dem Staat, dem Land oder der regionalen Körperschaft bekannt ist, in welchen<br />
Bereichen gehandelt werden muss, und dass<br />
c) jeweils allen auch die Wirkungen ihres Handeln bewusst ist.<br />
Das heißt jeglicher Weg zu einem gewollten Soll-Zustand, setzt voraus, dass der Ist-Zustand<br />
und letztlich die Situation, in der wir uns im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit<br />
befinden, wirklich bekannt ist.<br />
• Deshalb fordert unter anderem die EU-Kommission die „Verfügbarkeit von nach Geschlecht<br />
aufgeschlüsselten Daten (Art. 36)“.<br />
• Soweit die Handlungsebene der Arbeitsmarkt ist, kommt in Baden-Württemberg eine<br />
Spezifika hinzu, da hier die ESF-Maßnahmen stark dezentralisiert sind, „weshalb<br />
Projekte auf Grundlage regionaler Arbeitsmarktanalysen“ erfolgen.<br />
Zweck von Daten und Analysen<br />
An dieser Stelle ist bereits anzumerken, dass die Forderung nach Daten und die nach Analysen<br />
zwar eine logische Abfolge bilden, aber nicht das gleiche meint.<br />
Eigentlich sprechen Daten nicht „für sich“, sondern erst durch die mit ihnen durchgeführten<br />
Analysen. Das wird schon deutlich, wenn wir nach dem Nutzen von Daten fragen. Daten<br />
dienen zunächst mal<br />
..<br />
Dr. René Leicht<br />
ifm
Dr. René Leicht<br />
6 ..<br />
Arbeitsmarkt und geschlechtersensible Zielgruppenermittlung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
• der „Beurteilung des Status Quo / Ungleichheitsstrukturen / Problemfelder“, ferner<br />
• der „Ermittlung benachteiligter Gruppen und der Zielbestimmung“,<br />
• der „Erkennung von Handlungsbedarf“ (was ich vorher bereits erwähnte) sowie letztlich<br />
• der „Entwicklung von Handlungsstrategien“<br />
Weniger analytisch als vielmehr deskriptiv ist der Nutzen von Daten, wenn es<br />
• um den „Nachweis gleichgewichtiger Beteiligung von Frauen und Männern an<br />
Maßnahmen“ geht. Dieser Anwendungszusammenhang ist voraussichtlich der am<br />
gebräuchlichste. Er assoziiert aber leider auch häufig eine verkürzte oder falsche Vorstellung<br />
von Gender-Mainstreaming.<br />
• Der letzte hier aufgelistete Punkt, die „Bewertung von Strukturfonds-Interventionen“,<br />
ist wohl eher ein Thema bzw. eine Sache der Evaluatoren.<br />
Anwendung von Daten im Kontext der „Doppelstrategie“<br />
Im Zusammenhang mit Gender Mainstreaming hat längst ein geflügeltes Wort um sich gegriffen:<br />
Das der sogenannten „Doppelstrategie“, deren Bedeutung Sie ja alle kennen. Aber<br />
welche Bedeutung haben Daten und Analysen in diesem Kontext? Und welche Rolle spielen<br />
Daten dann in den regionalen Arbeitskreisen?<br />
• Reagieren die AK eher in einer pragmatischen Form auf ein Problem oder ein Defizit,<br />
oder befördern in reaktiver Weise ein bestimmtes Projekt, dann erfüllen Daten vielleicht<br />
einen sehr spezifischen Zweck.<br />
Vorstellbar ist bspw., dass eine Region Computerkurse für Migranten durchführt und<br />
die Zahl der Teilnehmenden daher nach Geschlecht erfasst. Hier könnte sich dann<br />
rausstellen, dass 10 Türken, aber nur 2 Türkinnen teilnehmen. Eine logische Konsequenz<br />
wäre, dass man dann im weiteren Schritt Computerkurse speziell für türkische<br />
Frauen anbietet.<br />
• Würde man aber eine Arbeitsmarktanalyse durchführen und daher wissen, dass Frauen<br />
unter der türkischen Bevölkerung die Hälfte ausmachen, aber unter den Erwerbspersonen<br />
nur ein Drittel, dann könnte ein AK strategisch vorgehen bzw. eventuell zu<br />
anderen Schlussfolgerungen und daher zu anderen Projekten kommen.<br />
Um bei dem genannten Beispiel zu bleiben: Im Rahmen eines integrativen Gleichstellungsansatzes<br />
würde man feststellen, dass die türkischen Frauen überhaupt erst<br />
dann an einem Computerkurs teilnehmen, wenn sie auch die Möglichkeit haben, die
Arbeitsmarkt und geschlechtersensible Zielgruppenermittlung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. René Leicht<br />
Kenntnisse im Berufsleben anzuwenden. Dann würde der nächste Schritt vielleicht zu<br />
einer ganz anderen Maßnahme führen.<br />
• Ich sage bewusst „vielleicht“, weil die Arbeitsmarktanalyse nur dann vollständig und<br />
sinnvoll ist, wenn der AK bzw. die Region oder Kommune weiß, wohin sie denn überhaupt<br />
steuern möchte. Das heißt, wenn die Region bzw. der Arbeitskreis den Soll-Zustand<br />
im Diskurs definiert. Eine solche klare Zielbestimmung erfolgt leider nicht sehr<br />
häufig, denn sie geht im „Tagesgeschäft“ meist verloren.<br />
• Um jedoch den Soll-Zustand anvisieren zu können, ist eine Problemanalyse zum Status-Quo<br />
(Ist-Zustand) erforderlich.<br />
• Während also zu einem reaktiven Vorgehen eher ausgewählte Daten sinnvoll sind,<br />
die situativ nützen (Folie linkes Feld),<br />
• sind für eine strategische Vorgehensweise Daten und Analysen zum Geschlechterverhältnis<br />
generell und vor allem zu den Ungleichheitsstrukturen erforderlich (Folie<br />
rechtes Feld).<br />
Anmerkungen zur Entwicklung des Geschlechterverhältnisses:<br />
Kontinuität oder Wandel?<br />
Es wäre wünschenswert (bevor ich weiter auf den Gegenstand von Arbeitsmarktanalysen<br />
eingehe) zu diskutieren, in welchen Bereichen, sich das Geschlechterverhältnis konserviert<br />
hat und wo es sich gewandelt hat. Dazu fehlt mir jetzt hier im Vortrag aber dann doch die<br />
Zeit.<br />
..
Dr. René Leicht<br />
..<br />
Arbeitsmarkt und geschlechtersensible Zielgruppenermittlung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Vielleicht können wir im nachfolgenden Gesprächskreis diskutieren, ob - wenn überhaupt<br />
- ein Wandel<br />
• im privaten Bereich,<br />
• im Bereich von Recht und sozialer Sicherung<br />
• oder in der Beschaffenheit des Arbeitsmarktes<br />
• oder gar in der Politik zu verspüren ist.<br />
Sinn dieser hier vorgebrachten Frage ist nur, darauf hinzuweisen, dass sich natürlich längst<br />
auch ein Art „Gleichheitsrhetorik“ entwickelt hat. Das heißt: Um zu erkennen, ob wir es mit<br />
einem Wandel nur im Bewusstsein oder auch mit einem Wandel der objektiven Lage zu tun<br />
haben, sind – oder wären – wieder Daten erforderlich.<br />
Determinanten von Ungleichheitsstrukturen<br />
Eine grundlegende Prämisse für die Analyse von Arbeitsmärkten (zumal in der Perspektive<br />
von Gender Mainstreaming) ist die Identifizierung von Ungleichheitsstrukturen.<br />
Diesbezüglich können wir zunächst zwischen 3 Ebenen unterscheiden.<br />
1. Die erste Frage ist schon die, wer überhaupt am Arbeitsmarkt partizipiert. Das heißt<br />
wie sieht die Erwerbsbeteiligung aus? Wer zeigt aus welchem Grund welche Erwerbsorientierung?<br />
2. Aber auch wenn wir uns auf die Gruppe derjenigen beschränken, die partizipiert,<br />
besteht eine weitere Ungleichheit darin, wer durch Arbeitssuche<br />
3. und wer durch Beschäftigung am Arbeitsmarkt in Erscheinung tritt.<br />
Damit nicht genug: Auch die Beschäftigung kennt verschiedene Dimensionen bzw. Ungleichheiten:<br />
Wir haben es mit ArbeiterInnen, Angestellten, Selbständigen, Führungskräften,<br />
WerkvertragsnehmerInnen, Teilzeitkräften, Vollzeitkräften usw. usw. zu tun. Frauen<br />
nehmen hier jeweils spezifisch andere Positionen als Männer ein.<br />
Ungleichheitsstrukturen zeigen sich aber auch in der Arbeitslosigkeit, wenn wir nach ihrer<br />
Form und nach ihrer Dauer unterscheiden. Hier wird allerdings das Merkmal „Geschlecht“<br />
unter Umständen durch sog. Drittvariablen, d.h. durch den Einfluss weiterer Faktoren,<br />
überdeckt.<br />
Was sind die Determinanten bzw. die Bestimmungsfaktoren solcher Ungleichheiten? Ich<br />
möchte das zunächst mal nur hypothetisch aufzeigen, denn konkrete Ergebnisse sind – zumindest<br />
was die regionale Ebene in Baden-Württemberg betrifft – ja erst mit der Durchführung<br />
der Analysen zu erwarten. Ein Grundproblem der Analyse besteht darin, dass einzelne<br />
Elemente der Ungleichheitsstrukturen gleichzeitig sowohl abhängige als auch unabhängige<br />
Variablen im Erklärungszusammenhang sind.
Arbeitsmarkt und geschlechtersensible Zielgruppenermittlung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. René Leicht<br />
• Lebensformen: Bei Frauen und Männern haben sich die Ansprüche an die Gestaltung<br />
des Lebens im Zeitverlauf zwar angenähert, aber in ihrer Realisierung zeigen sich immer<br />
noch Unterschiede. So sind Frauen bspw. weit häufiger alleinerziehend, was nicht<br />
ohne Einfluss auf die Erwerbsmöglichkeiten oder die Balance von Arbeit und Leben<br />
ist.<br />
• Allem voran dürfte jedoch das tradierte Rollenverhalten und damit die geschlechtspezifische<br />
Arbeitsteilung eine zentrale Determinante von Ungleichheitsstrukturen<br />
sein. Trotz gestiegener Erwerbsbeteiligung von Frauen ist das männliche „Ernährermodell“<br />
noch immer ein weitverbreitetes Muster.<br />
• Entsprechend unterschiedlich ist auch die Arbeitsorganisation: Frauen arbeiten weit<br />
häufiger in Teilzeit oder von zuhause aus (z.B. Telearbeit), und daher oftmals in Arbeitsformen,<br />
die auch ihre Einkommenssituation bestimmen.<br />
• Eine zentrale Determinante der Ungleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt<br />
ist das Berufswahlverhalten bzw. die berufliche Segregation. Noch immer<br />
greifen Mädchen häufiger auf typische Frauenberufe und Studentinnen auf frauentypische<br />
Studienfächer zurück. Da Berufe aber die Chancen und Positionen im Erwerbsleben<br />
bestimmen, finden sich Frauen und Männer in unterschiedlichen betrieblichen<br />
Stellungen und in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen.<br />
• In punkto formaler „Bildung“ haben zumindest in den jüngeren Generationen die<br />
Frauen die Männer überholt. Der Anteil höherer Schulabschlüsse ist bei Frauen überproportional<br />
gestiegen. Da aber nicht nur formale Bildung, sondern auch Berufs- und<br />
Arbeitserfahrung für die Allokation von Arbeitsplätzen verantwortlich zeichnen,<br />
hinkt die Verwertung von Bildungsabschlüssen hinter der bei den Männern zurück.<br />
• Geschlechtsspezifische Charakteristika werden unter Umständen durch andere Disparitäten<br />
am Arbeitsmarkt verstärkt. So können auch regionale Besonderheiten oder<br />
bestimmte Bevölkerungsstrukturen (z.B. Migrantenanteil) vorhandene Ungleichgewichte<br />
noch verstärken.<br />
Schwerpunkte der Analysen<br />
Wenngleich hier nicht alle maßgeblichen Bestimmungsgrößen aufgelistet werden können,<br />
müssen sich die Analysen zur Identifizierung von Ungleichheitsstrukturen am Arbeitsmarkt<br />
zunächst an den dargestellten Faktorengruppen orientieren. Mit Blick auf die jeweiligen<br />
Gegebenheiten in den Regionen stellen sich also unter anderem folgende Fragen<br />
(wobei deren Reihenfolge nicht unbedingt auch ihren Stellenwert widerspiegelt):<br />
• Wie ist es um die Infrastruktur für eine work-life-balance in den Regionen bestellt?<br />
Wie ist die Kinderbetreuung geregelt bzw. in welcher Form tragen Landkreise, Gemeinden<br />
und Arbeitgeber für familienfreundliche Lebens- und Arbeitsbedingungen<br />
bei?<br />
• Welche Chancen haben bspw. BerufsrückkehrerInnen?<br />
• In welchem Umfang werden Teilzeitarbeitsplätze bereit gestellt und für wen? Bleibt<br />
Teilzeitarbeit in den Regionen eine „Frauenangelegenheit“? Wer übernimmt Familienverantwortung?<br />
..
Dr. René Leicht<br />
40 ..<br />
Arbeitsmarkt und geschlechtersensible Zielgruppenermittlung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
• Organisatorischer Wandel und die Flexibilisierung von Arbeit und Beschäftigung<br />
greifen in Tätigkeitsfeldern um sich, die zu einem hohen Anteil von Frauen eingenommen<br />
werden: In welchem Maße sind Frauen bspw. von der Ausweitung von<br />
Arbeitszeiten und Niedriglohnsektor oder der Befristung von Arbeitsverhältnissen<br />
betroffen?<br />
• Wie steht es um die Gründungs- und unternehmerischen Neigungen von Frauen? Wie<br />
stark ist das „gender gap“ in der beruflichen Selbständigkeit und in den betrieblichen<br />
Führungspositionen?<br />
• Das Ausmaß beruflicher Segregation wird ein zentraler Untersuchungsgegenstand<br />
regionaler Analysen sein. D.h. wie entwickelt sich die Ungleichheit zwischen den<br />
Geschlechtern in Bezug auf das Berufs- und Studienwahlverhalten?<br />
• Wie partizipieren Mädchen und Frauen an der Besetzung von Ausbildungsplätzen?<br />
• Wie stark ist das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern in den einzelnen Regionen?<br />
• Inwieweit korrelieren ethnienspezifische und geschlechtsspezifische Faktoren?<br />
• Gibt es Ansätze einer „geschlechtersensiblen“ Politik in den Regionen und welche<br />
Unterschiede zeigen sich?<br />
Instrumente, Methoden und Quellen<br />
Unser Vorschlag sieht zunächst die Erarbeitung eines Forschungsüberblicks zur Frage der<br />
geschlechtsspezifischen Ungleichheit am Arbeitsmarkt sowie – im Hinblick auf das Analyseinstrumentarium<br />
– einen Methodenmix aus quantitativen und qualitativen Analysen<br />
vor.<br />
Die vorgesehenen Methoden bzw. Arbeiten umfassen<br />
• Dokumentenanalysen und ExpdertInnengespräche.<br />
• Im Mittelpunkt wird aber sicher die Aufbereitung von Sekundärdaten stehen wobei<br />
• die Analysen sowohl auf der Basis von Aggregatdaten als auch von Mikrodaten (Individualdaten)<br />
erfolgen.<br />
Als Datenproduzenten bzw. Institutionen mit statistischen Ressourcen kommen vor allem<br />
• das Statistische Landesamt<br />
• die Bundesagentur für Arbeit,<br />
• ferner die Kommunen und<br />
• die Berufsorganisationen in Frage.<br />
Allerdings verfügen die beiden letztgenannten in der Regel nur über wenige aussagekräftige,<br />
Daten, was insbesondere die Geschlechterdifferenzierung betrifft.<br />
Denn natürlich steht die Differenzierbarkeit der Daten nach Geschlecht und Region im Vordergrund<br />
der Anforderungen.<br />
Mögliche Indikatoren einer regionalen Arbeitsmarktanalyse:<br />
Soziodemografische Merkmale Erwerbstätiger bzw. Beschäftigter innerhalb einer Region<br />
• Geschlecht<br />
• Alter<br />
• Qualifikation (Schul- und Berufsbildung)<br />
• Staatsangehörigkeit<br />
Betriebe, Beschäftigung und Qualifikationsbedarf auf regionaler Ebene<br />
• Verteilung und Entwicklung von Betrieben nach Wirtschaftszweig und Betriebsgröße<br />
• Struktur und Entwicklung der Beschäftigung (nach Wirtschaftszweig und Betriebsgröße)<br />
• Betrieblicher Qualifikationsbedarf<br />
Geschlechtsspezifische Erwerbsmuster innerhalb einer Region<br />
• Erwerbsbeteiligung von Frauen insgesamt<br />
• Geschlechterunterschiede in Bildung und Weiterbildung<br />
• Berufliche Segregation am Arbeitsmarkt<br />
• Einkommensverteilung<br />
• Besetzung von Führungspositionen
Arbeitsmarkt und geschlechtersensible Zielgruppenermittlung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Dr. René Leicht<br />
• Teilzeit und geringfügige sowie befristete Beschäftigung<br />
Arbeitslosigkeit<br />
• Entwicklung der Arbeitslosigkeit<br />
• Arbeitslosigkeit von Frauen und Männern<br />
• Arbeitslosigkeit von Migranten<br />
• Verteilung der Arbeitslosen nach Berufen, Qualifikationen und Branchen<br />
• Langzeitarbeitslose sowie zusätzliche Beeinträchtigungen<br />
Familienfreundlichkeit<br />
• Öffentliche und private Infrastruktur zur Betreuung<br />
• Betriebliche Politik zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für<br />
Frauen und Männer<br />
• Existenz von lokalen Netzwerken<br />
Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung auf regionaler Ebene<br />
• Übersicht über bestehende Maßnahmen zur Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Existenzgründungsförderung<br />
sowie zur Qualifizierung<br />
• Identifizierung geschlechtsspezifischer Unterschiede<br />
Gleichzeitig sollte eine Bestandsaufnahme der regional verfügbaren Daten und damit eine<br />
Bewertung erfolgen, inwieweit auf regionaler Ebene wichtige Indikatoren verfügbar bzw.<br />
verfügbar zu machen sind.<br />
Vorgehensweise<br />
Die geplante Vorgehensweise ist nachfolgender Folie zu entnehmen:<br />
1. An erster Stelle steht eine Bestandsaufnahme, die sich vor allem auf eine Sichtung<br />
und Bewertung der vorhandenen Datenressourcen bezieht.<br />
2. Die Frage, welche arbeitsmarkt- und gleichstellungsrelevanten Indikatoren überhaupt<br />
zur Analyse verwendet werden, bedarf einer Abstimmung mit allen Beteiligten, insbesondere<br />
mit den Modellarbeitskreisen bzw. den dort durchgeführten Projekten, dem<br />
Beirat sowie mit ProInnovation.<br />
3. Der Kern der Arbeit besteht natürlich in der Durchführung der geschlechter- und<br />
zielgruppendifferenzierten Arbeitsmarktanalysen. Dieser Teil wird sicher auch mit<br />
dem höchsten Zeitaufwand verbunden sein, insbesondere wenn es (mit Blick auf die<br />
.. 4
Dr. René Leicht<br />
42 ..<br />
Arbeitsmarkt und geschlechtersensible Zielgruppenermittlung<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Nachhaltigkeit des Projekts) gelingen sollte, in exemplarischer Weise Analysen in<br />
Zusammenarbeit mit den Modellarbeitskreisen durchzuführen.<br />
4. Schließlich müssen die Projektergebnisse ausgiebig mit den Beteiligten diskutiert<br />
werden, wobei es vor allem um<br />
- die Rückkopplung der Ergebnisse mit den Modellarbeitskreisen,<br />
- die Entwicklung von Vorschlägen zur Konzeption innovativer Projekte im Hinblick<br />
auf regionale Beschäftigungsförderung insgesamt sowie um<br />
- eine gemeinsame Bestimmung von Gleichstellungszielen auf der Grundlage der<br />
geschlechterspezifischen Daten über den Arbeitsmarkt und die Wirtschaftsstruktur<br />
in der Region geht.<br />
5. Zum Abschluss des Projekts sollen die Befunde auf der Basis der Analyse, der ExpertInnengespräche<br />
und der Rückkoppelung einer abschließenden Bewertung zugeführt<br />
werden, die zum einen erlaubt, Notwendigkeit und Nutzen geschlechterdifferenzierender<br />
regionaler Arbeitsmarktanalysen für den effizienten Einsatz von<br />
Arbeitsmarktinstrumenten abzuschätzen. Unter dem Blickwinkel der Umsetzung von<br />
GeM-Maßnahmen wird insbesondere geprüft, inwieweit geschlechterdifferenzierende<br />
Analysen die Basis für die Aufstellung von Gleichstellungszielen und deren Durchsetzung<br />
sein können. Idealerweise erfolgt neben der Unterstützung in der Konzeption<br />
von Projekten eine Bewertung der Wirkung einzelner Maßnahmen mit Blick auf die<br />
Gleichstellung der Geschlechter. Darüber hinaus wird geprüft, in welchem Umfang<br />
Daten auch regional zur Verfügung stehen sollten, sowie, auf welchen Wegen dies am<br />
effizientesten erfolgen kann.<br />
Zusammenfassung und Schlussbetrachtung<br />
Profunde Daten zur sozialen und beruflichen Positionierung von Frauen und Männern am<br />
Arbeitsmarkt und letztlich zur Gleichstellungssituation dienen mehreren Zwecken, worin<br />
sich gleichzeitig die Doppelstrategie aus speziellen Maßnahmen (reaktiv) und einem integrativen<br />
Gleichstellungsansatz (proaktiv) widerspiegelt: Auf der Ebene einzelner Projekte<br />
flankieren sie die Begründung, Ausgestaltung und Bewertung von Maßnahmen, indem<br />
bspw. projektbezogene Leistungsindikatoren eine möglichst objektive Vergleichsgrundlage<br />
erfahren. Von weit höherer Bedeutung sind geschlechterdifferenzierende Daten jedoch zur<br />
Erkennung von grundlegendem Handlungsbedarf, denn eine den gesamten Arbeitsmarkt<br />
umfassende Implementierung von GeM kann nur gelingen, wenn die Daten nicht nur die<br />
angestoßenen Projekte legitimieren, sondern dazu beitragen, Maßnahmen systematisch und<br />
zielgruppenorientiert zu initiieren. Dies wiederum setzt voraus, dass die Strukturen und<br />
Wirkungen geschlechterspezifischer Arbeitsteilung nicht nur<br />
a) erkannt, sondern<br />
b) auch bewertet und<br />
c) konzeptionell angegangen werden.<br />
Das heißt, letztlich ist die Sicherstellung von nach Geschlecht aufgeschlüsselten Statistiken<br />
(Forderung der EU-Kommission) nur der erste Schritt. Ein zweiter besteht in der gendersensiblen<br />
Analyse der Daten.<br />
Mit Blick hierauf ist die Umsetzung der ESF-Ziele mit Hilfe regionaler Arbeitskreise eine<br />
Herausforderung und Chance zugleich: Eine Herausforderung besteht darin, dass eine Disaggregierung<br />
der Daten nach Stadt- und Landkreisen die Verfügbarkeit begrenzt. Eine<br />
Chance ergibt sich hingegen dadurch, dass die Regionalisierung das Abstraktionsniveau<br />
verringert und die mit den Daten erzielten Erkenntnisse in unmittelbare Nähe der Entscheidungsträger<br />
rücken. Durch die direkte „Bindung“ der Daten an das Projektumfeld und die<br />
Kooperation mit dem ifm können die kommunalen Akteure mittelfristig in die Lage versetzt<br />
werden, einzelne Auswertungen in eigener Regie durchzuführen.
„Merkwürdige Frauen & geschlechtslose Männer!?”<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Gesprächskreis 1<br />
Dr. Anne Rösgen – Aus dem Gesprächskreis 1<br />
Merkwürdige Frauen – geschlechtslose Männer?<br />
Wie kann der ESF alte geschlechtsspezifische Muster aufbrechen?<br />
Der Gesprächkreis beschäftigte sich mit der Frage, wie die strategische Perspektive des<br />
Gender Mainstreaming verstärkt werden kann. Zunächst gab es Fragen und Kommentare<br />
zum Vortrag von Frau Dr. Rösgen am Vormittag („...die Situationen, Interessen und Bedürfnisse<br />
von Frauen und Männern berücksichtigen ....“ was heißt das eigentlich?)<br />
Es wurden konkrete Sachfragen gestellt: wer hat berechnet, dass der Anteil der Haus- und<br />
Familienarbeit an der Wertschöpfung der Volkswirtschaft ca. 30 % mindestens beträgt?<br />
Was ist genau mit der Veränderung der Lebensverläufe gemeint? Zum anderen wurde gefragt,<br />
wie man denn gesellschaftliche Strukturen, die zudem im Umbruch sind, beeinflussen<br />
kann? Wie kann man EntscheidungsträgerInnen zum Umdenken bewegen im Sinne<br />
einer strategischen Perspektive? Wie kann man bei Männern Betroffenheit im Hinblick auf<br />
Geschlechterpolitik auslösen und Einstellungen verändern usw.<br />
Die Kommentare bezogen sich u.a. auf die Probleme, die durch die „Reformen“ der Arbeitsmarktpolitik<br />
bestehen, z.B. kann man in den immer kürzeren Maßnahmen, die die Bundesagentur<br />
fördert, schlecht solche längerfristigen Ziele verfolgen, die Individualisierung<br />
der Förderung macht Projekte unmöglich, die bundesweite Ausschreibung von Maßnahmen<br />
führt dazu, dass es regional keine wirklichen AnsprechpartnerInnen mehr gibt, mit denen<br />
Konzepte diskutiert werden könnten etc. Ein anderer Kommentar aus einer Beratungsstelle<br />
Frau und Beruf bestätigte die Einschätzung, dass man sich bisher hauptsächlich auf die<br />
kurzfristigen, „pragmatischen“ Bedürfnisse von Frauen konzentriert habe (Kinderbetreuung,<br />
Teilzeitarbeit) und hier eine ganze Palette von Unterstützungsmaßnahmen anbieten<br />
könne, dass aber Initiativen im Hinblick auf „große Lösungen“ noch kaum unternommen<br />
wurden – aus Zeitgründen, aber auch wegen ungünstiger Rahmenbedingungen in einem<br />
konservativen Landkreis. Von mehreren Seiten wurde geschildert, dass sich inzwischen<br />
eine gewisse Gender Mainstreaming Rhetorik breit macht, der auch Bürgermeister kleiner<br />
Gemeinden mächtig sind, ohne allerdings wirklich etwas umzusetzen. Mehrere TeilnehmerInnen<br />
äußerten sich unzufrieden damit, dass von Seiten der Programmverantwortlichen<br />
noch immer wesentlich auf Überzeugungsarbeit gesetzt werde und fanden es an der<br />
Zeit, Sanktionen für die Nichtumsetzung von Gender Mainstreaming zu verhängen, sei es<br />
von Seiten der EU oder auch auf der Landesebene (L-Bank, Ministerien) oder der ESF – Arbeitskreise.<br />
In der anschließenden Diskussion wurde herausgearbeitet, dass es beide Ansätze braucht:<br />
die Sensibilisierung und Qualifizierung ebenso wie die Änderung von Verfahren („EntscheidungsträgerInnen<br />
verpflichten und qualifizieren“). Frau Brich vom Modellarbeitskreis<br />
Heidelberg bezog sich auf die Diskussionen über die Folgen des demografischen Wandels,<br />
die zur Zeit auf vielen Ebenen geführt werden und wies darauf hin, dass die Veränderungen<br />
auf dem Arbeitsmarkt (verstärkte Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften; veränderte<br />
Bedarfe in einzelnen Berufen und Branchen), die im Rahmen des demografischen Wandels<br />
erwartet werden, dazu genutzt werden sollten, um Führungskräfte vom wirtschaftlichen<br />
Nutzen von GeM zu überzeugen.<br />
Von Herrn Pfeiffer aus dem ESF Modellarbeitskreis Mannheim wurde dargestellt, dass es<br />
hilfreich ist, wenn die Mitglieder der Arbeitskreise Methoden, Handwerkszeug (wie die „4<br />
Schritte“) bekommen und den Einsatz üben, damit sie qualifizierter die von den Trägern<br />
vorgelegten Anträge beurteilen können. Es gab große Einigkeit darüber, dass es darauf ankomme,<br />
dass die Arbeitskreise nach einer Analyse der Ausgangslage Vereinbarungen über<br />
Ziele und Schwerpunkte der Förderung treffen, auch Indikatoren für die Zielerreichung im<br />
Hinblick auf Gender Mainstreaming ausweisen, transparent machen und vor allem den Verlauf<br />
der Projekte evaluieren. Hier wurde deutlich, dass es dafür gegenwärtig an Ressourcen<br />
fehlt. Es wurden Lücken im Top Down Prozess festgestellt (Beispiel: Der GeM Prozess im<br />
Kultusministerium kommt bei den Schulämtern offenbar nicht an), es fehlt dem Top Down<br />
.. 4
Gesprächskreis 1<br />
44 ..<br />
„Merkwürdige Frauen & geschlechtslose Männer!?”<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
Prozess wohl auch an Kontrolle. Resümierend wurde festgestellt, dass es nötig ist, die strategischen<br />
Perspektiven von GeM überhaupt erst einmal aufzuzeigen und deutlich zu machen,<br />
dass es um einen kulturellen Wandel geht. Noch immer herrscht vielfach die Einschätzung<br />
vor, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland gegeben sei, daher ist<br />
immer noch eine Sensibilisierung für die geschlechterpolitischen Realitäten wichtig.
Krise der Kerle - wie geht der ESF damit um?<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster? Gesprächskreis 2<br />
Dr. Ronald Schulz – Aus dem Gesprächskreis 2<br />
„Krise der Kerle - wie geht der ESF damit um?“<br />
Im Gesprächkreis gingen wir zwei Fragestellungen nach:<br />
1. Wie geht der ESF bisher mit den Männern um? Und 2., welchen Bildungsbedarf haben<br />
Männer?<br />
Bisher sind aus den Projekten kaum „Männerprojekte“ identifizierbar gewesen. Auch den<br />
GK-Teilnehmenden sind keine Projekte, die Männer explizit als Zielgruppe benennen, bekannt.<br />
Eine Teilnehmerin berichtete von Projektanträgen, die vom AK zurückgewiesen<br />
wurden, weil sie als es reine Männerprojekte konzipiert waren. Diese Projekte orientierten<br />
sich dann inhaltlich um. Diejenigen Projekte, in denen Männer qualifiziert und betreut<br />
werden, waren eigentlich nicht geschlechtsspezifisch geplant. Die Zielgruppe habe sich auf<br />
Grund der speziellen Angebote (z.B. Qualifizierung im metallverarbeitenden Gewerbe) so<br />
ergeben.<br />
Die 2. Frage beschäftigte sich mit dem Bildungsbedarf von Männern. Diese Bildungsbedarfe<br />
sollten Entwicklungsmöglichkeiten Männerprojekte aufzeigen. In der Diskussion wurde<br />
deutlich, dass Männer einen vielfältigen Bildungsbedarf haben. Als Themen wurden genannt:<br />
• andere Lebensmodelle als die traditionellen Versorgermodelle<br />
• spezielle Erziehungsaufgaben von Vätern<br />
• Gewaltprävention bei Jungen<br />
• Sprache und Bewegung.<br />
Die TN sehen den Bedarf für spezifische Männerprojekte, insbesondere in den Bereichen:<br />
• der Mediennutzung, zur Vermeidung der „Medienverwahrlosung“ bei Jungen<br />
• des Übergangs von Schule in den Beruf<br />
• Sprachkurse für Männer.<br />
Abschließend kamen die Teilnehmenden des GK2 darin überein, dass die Rahmenbedingungenn<br />
des ESF (z.B. zu kurze Perspektive, Politikbereich E als Frauenförderung) nicht<br />
gerade dazu geeignet sind, Träger zur Focussierung auf „neue“ Zielgruppen zu ermutigen.<br />
Hier wird ein Impuls von der Steuerungsebene erwartet.<br />
.. 4
Geschlechtsspezifische Analyse des regionalen Arbeitsmarktes<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Gesprächskreis 3<br />
Brigitte Maas – Aus dem Gesprächskreis 3<br />
„Warum der regionale Arbeits- und Beschäftigungsmarkt geschlechtsspezifisch<br />
analysiert werden muss und Statistik allein nicht ausreicht“<br />
Nach einer Vorstellungsrunde der Teilnehmenden nannte Herr Dr. René Leicht (ifm Mannheim)<br />
einige Stichpunkte zum geplanten Projekt des ifm (gefördert durch ESF-Mittel des<br />
Sozialministeriums BW). In enger Kooperation mit dem Coaching Begleitprojekt sollen<br />
beispielhaft regionale geschlechtsspezifische Arbeitsmarktanalysen durchgeführt werden,<br />
welche die notwendigen Daten für eine zielgerichtete Umsetzung von Gender Mainstreaming<br />
durch die ESF-Arbeitskreise und -Akteure liefern sollen [siehe hierzu auch Vortragsmanuskript<br />
Dr. René Leicht].<br />
Im nächsten Schritt benannte Herr Dr. Leicht einige wichtige Eckpunkte (Fragestellungen)<br />
für die Durchführung von Regionalanalysen:<br />
• Welche Kompetenzen sind in Regionen vorhanden? (z.B. Statistische Landesamt, Bundesagentur<br />
für Arbeit, Kommunen / Ämter, Wissenschaftliche Einrichtungen, Berufsverbände,<br />
Kammern etc.)<br />
• Welche Daten gibt es? (Teilweise liegen amtliche und halbamtliche Daten vor, das<br />
Geschlecht ist jedoch häufig nicht dokumentiert. Datenproduzenten: Statis-tisches<br />
Landesamt, Bundesagentur für Arbeit/Regionalstellen, Kommunen, Berufsorganisationen.)<br />
• Welche Qualität haben diese? (Regional-, geschlechter-, zielgruppendifferenziert;<br />
Begrenzung Aussagefähigkeit, z.B. kaum Geschlechtervergleiche)<br />
• Wer bekommt die Daten? (Datenschutz)<br />
• Wie können die Daten mit der erkannten Problemstellung in Verbindung gebracht<br />
werden?<br />
• Wie werden Auswertungen / Analysen - als Grundlange für die Konzeption von regionalen<br />
Handlungsstrategien - durchgeführt?<br />
Der Hauptteil des Gesprächskreises 3 befasste sich mit der Situation der ESF-Arbeitskreise<br />
und der beteiligten Trägerorganisationen:<br />
Herausforderungen für die ESF-Arbeitskreise:<br />
Als positives Beispiel für Regionalanalysen wurde die Region Bodensee / Freiburg angeführt.<br />
Hier wird ein Arbeitsmarktmonitoring aufgebaut, welches den Akteuren sowohl Daten<br />
zu Zielgruppen als auch zur Wirtschaftsstruktur liefern soll. Aus Sicht der Akteure ist<br />
es notwendig, sowohl die Nachfrageseite als auch die Angebotsseite des Arbeitsmarktes zu<br />
bewerten. Und zwar in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht.<br />
ESF-Arbeitskreise nehmen Schwerpunktsetzungen vor und benutzen diese auch als Steuerungsmöglichkeit<br />
bei der Projektauswahl (Jugendliche, Wiedereinsteigerinnen, auch Beschäftigte<br />
in KMU (ESF-WM)). Wo Datenmangel besteht, müssen die ESF-Arbeitskreise ggf.<br />
selbst aktiv werden. Ein praktisches Beispiel aus Karlsruhe: Datenerhebung zu ausländisch<br />
geführten Unternehmen, um mit diesen Handlungsorientierungen für die Zielgruppe der<br />
Jugendlichen (Jungen und Mädchen) nichtdeut-scher Herkunft zu entwickeln.<br />
Als Herausforderung für die ESF-AK wurde benannt, dass die Kommunen [unabhängig<br />
von den vorhandenen Trägerstrukturen und deren (zielgruppenspezifischen) Interessen]<br />
Schwerpunkte setzen und Modellversuche mit übergeordneten Interessen verfolgen müssten<br />
(Problemgruppen / Genderspezifik).<br />
Herausforderungen für die Trägerorganisationen:<br />
Zunächst wurden zwei wesentliche Erschwernisgründe für die Umsetzung von zielgruppenorientierten<br />
Projekten identifiziert:<br />
.. 4
Gesprächskreis 3<br />
4 ..<br />
Geschlechtsspezifische Analyse des regionalen Arbeitsmarktes<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?”<br />
– Der eine Grund liegt in der Zuweisung von ProjektteilnehmerInnen durch die kooperierenden<br />
öffentlichen Institutionen („Wir arbeiten mit denen, die zugewiesen<br />
werden.“). D.h. es erfolgen - je nach Situation - keine bzw. nicht passfähige TeilnehmerInnen-Zuweisungen<br />
für innovative Projekte. Geplantes Handeln der Akteure kann<br />
dadurch ggf. nicht umgesetzt werden.<br />
– Es gibt ein Kofinanzierungsproblem, da für bestimmte Zielgruppen keine oder nicht<br />
ausreichende Kofinanzierungsmittel von Seiten der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik<br />
zur Verfügung stehen. Landesmittel sind knapp.<br />
Die Trägerorganisationen arbeiten „trägerspezifisch“ - d.h. sie sind häufig auf bestimmte<br />
spezifische Zielgruppen, Methoden und Instrumente spezialisiert. Einerseits können dadurch<br />
zusätzliche wichtige zielgruppenspezifische Erfahrungen und Erkenntnisse aus der<br />
Praxis in die Arbeit mit einfließen - andererseits sind die Trä-gerorganisationen dadurch in<br />
ihrer Flexibilität in Bezug auf „neue“ Zielgruppen und Strategien der Arbeitsmarktpolitik<br />
eingeschränkt („Interessenskonflikte“).<br />
Im Rahmen eigener Beobachtungen und Auswertungen zu TeilnehmerInnen sowie im Rahmen<br />
von Fachkreisen erheben die Trägerorganisationen eigene Daten. Es gibt aber auch<br />
Lücken bei der Lieferung von Basisdaten durch die öffentliche Ver-waltung. Beispiel: Es<br />
gibt zwar SchulabgängerInnen-Zahlen am Jahresende, aber keine Ergebnisse zu Zwischenabgängen.<br />
In Bezug auf die Durchführung von Arbeitsmarktanalysen besteht bei den Trägerorganisationen<br />
ein Zeit- und Ressourcenproblem: Im Rahmen von häufig kurzfristigen Antragstellungen<br />
(mit spezifischer Aufgabenstellung und ungewissem Ergebnis) kann nur ein<br />
begrenzter personeller und finanzieller Aufwand betrieben werden.<br />
Fragestellungen sowie Bezugspunkte zum Projekt des ifm Mannheim:<br />
Im Zusammenfassenden Teil des Gesprächskreises 3 wurden folgende Frage- und Aufgabenstellungen<br />
als wesentlich erachtet, die weiter behandelt werden sollten:<br />
Wie schlagen sich Erkenntnisse in Handlungsstrategien um?<br />
Wie werden entwickelte Handlungsstrategien implementiert?<br />
Empirische Unterlegung von Ergebnissen und Unterfütterung mit entsprechenden Daten:<br />
Das Projekt des ifm soll hier Hilfestellung leisten durch exemplarische Arbeitsmarktanalysen<br />
in ausgewählten Regionen Baden-Württembergs unter Berücksichtigung der geschlechterspezifischen<br />
Strukturen und zur Unterstützung der Kon-zeption von ESF-Ziel 3-Maßnahmen.<br />
Ausstattung von Statistikstellen mit Genderwissen<br />
Wichtig: Institutionalisierung von Erkenntnissen -<br />
Welche Einrichtung wird dafür finanziert?<br />
Erstellung von Handlungsanleitungen für regionale Arbeitskreise und die beteiligten Akteure<br />
(Beispiel: ifm soll eine Bestandsaufnahme der regional genderdifferzierend verfügbaren<br />
Daten und eine methodische Beurteilung der Nutzbarkeit der Daten vornehmen und<br />
in Form eines Leitfadens an die AK weiterleiten)
Lernen aus Frauenföderungsprojekten<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Der ESF – nur ein Spiegel geschlechtsspezifischer Muster?” Gesprächskreis 4<br />
Ute Wanzek – Aus dem Gesprächskreis 4<br />
Mainstreaming Gender: Was kann der Mainstream aus den Frauenförderungsprojekten<br />
(Politikbereich E) lernen?<br />
Der Gesprächkreis beschäftigte sich mit der Frage, welche Bedeutung Frauenförderungsprojekte<br />
im doppelstrategischen Ansatz der Gleichstellungspolitik (spezifische Maßnahmen<br />
zum Ausgleich von Benachteiligungen bei einem Geschlecht einerseits und Gender Mainstreaming<br />
andererseits) haben, worin die Komplementarität beider Ansätze besteht und<br />
was aus der langjährigen Erfahrung mit Frauenförderung als Mehrwert für den (Gender)<br />
Mainstream ableitbar wäre.<br />
Dabei klärten die TeilnehmerInnen des Gesprächskreises zunächst ihr Verständnis der Doppelstrategie.<br />
Als besonders wichtig wurde herausgearbeitet, dass der spezifische Ansatz<br />
nicht nur Frauen-, sondern auch Männerförderung beinhalten kann und dass Gender Mainstreaming<br />
eine umfassende Strategie darstellt, die mit Methoden und Instrumente integrativ<br />
und präventiv zu gestalten ist.<br />
Für beide Seiten, und dies ist eine der wesentlichen Erkenntnisse, also auch für die<br />
Frauenförderpolitik sind exakte Gender-Analysen die unabdingbare Voraussetzung.<br />
Dies eben um (reaktiv) mit spezifischen Maßnahmen Benachteiligungen wirkungsvoll zu<br />
beseitigen, als auch grundsätzlich als Prinzip in Entscheidungsprozessen (pro-aktiv).<br />
Die Diplomsozialpädagogin Susann Herzog bei der Kontaktstelle Frau& Beruf Neckar Alb<br />
in Reutlingen stellte ihr Projekt „Basis- und Schlüsselkompetenzen für den beruflichen<br />
Einstieg in personen- und unternehmensbezogenen Dienstleitungen“ vor, an Hand dessen<br />
sie Herangehensweisen und Qualitätsanforderungen darstellte.<br />
Von hier aus wurde eine rege Diskussion z.B. darum geführt,<br />
• inwieweit Bedürfnislagen der Individuen in einer Zielgruppe Rahmenbedingungen,<br />
denen alle Zielgruppenmitglieder „ausgesetzt“ sind, überlagern können,<br />
• ob und in wie weit es gerechtfertigt, möglich und nötig ist, mit allen Projekten etwas<br />
gegen die horizontale Segregation des Arbeitsmarktes zu bewirken (kann es manchmal<br />
gerechtfertigt sein, Frauen/Männer in für sie typische Berufe zu orientieren?)<br />
und<br />
• welche pädagogischen Ansätze der Beratung, Bildung und Begleitung denkbar wären.<br />
Die Teilnehmer/innen stimmten dahingehend überein, dass der Zugang zu Bildung und zum<br />
(regionalen) Arbeitsmarkt mit den individuellen Stärken und Schwächen und den vorhandenen<br />
Rahmenbedingungen in Übereinstimmung gebracht werden muss. Als entscheidend<br />
wurde herausgearbeitet, dass durch eine gezielte Analyse geklärt werden muss, welche Ziele<br />
und Wirkungen mit der Maßnahme für die anvisierte Zielgruppe erreicht werden sollen.<br />
Die Teilnehmer/innen der Gesprächsrunde wurden sich auch in der Forderung einig, dass<br />
frauen(männer)spezifische Projekte notwendig sind, sie aber in dem Politikfeld stattfinden<br />
sollten, wo der Bedarf offensichtlich ist. Dies würde die Wirksamkeit dieser Projekte entscheidend<br />
erhöhen, weil sie damit aus der „Frauenecke“ (Zielgruppe und Zuständigkeit) in<br />
die richtigen fachpolitischen Zusammenhänge gestellt würden.<br />
Aus dieser Diskussion leiteten die Teilnehmer/innen des Gesprächskreises drei weitere zentrale<br />
Erkenntnisse ab, was der Mainstream von Frauenförderprojekten lernen kann:<br />
1. Ableitung von strukturpolitischen Forderungen (z.B.)<br />
- infrastrukturelle Bedingungen (wie Kindertagesstätten, Ganztagsschulen, etc.)<br />
- Arbeitsplatzangebote am 1. Arbeitsmarkt (geschlechterdifferenzierte, -spezifische<br />
Nachfrage),<br />
2. daraus ableitend die Notwendigkeit der Verknüpfung von Fonds,<br />
3. das gesamte (strukturelle) Sozialgefüge gerät bei Frauenprojekten in den Blick und<br />
legt benachteiligende Rahmenstrukturen offen.<br />
.. 4
ReferentInnen und ModeratorInnen<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Gender Mainstreaming im ESF”<br />
Dr. Susanne Diemer<br />
Ministerium für Arbeit und Soziales<br />
Baden Württemberg<br />
Referat Chancengleichheit für Frauen und Männer<br />
Schellingstraße 15, 70174 Stuttgart,<br />
0711 – 123 – 3842 Email: diemer@sm.bwl.de<br />
Ausbildung<br />
Studium der Politologie und Rhetorik,<br />
Absolventin der Führungsakademie des Landes<br />
Baden-Württemberg<br />
Arbeitsfelder<br />
Verschiedene Tätigkeiten in Forschungsprojekten<br />
(DDR-Forschung, Herrschaftssoziologie,<br />
Geschlechterforschung),<br />
Gleichstellungsreferentin an der Hochschule,<br />
Lehrbeauftragte im Fachbereich Politik/Wirtschaft,<br />
seit 1994 in der Landesverwaltung (Arbeitsfelder<br />
u.a.: Rehabilitation von Menschen mit Behinderung,<br />
Pflegeberufe, Frauenpolitik, Gender Mainstreaming).<br />
Interessengebiete<br />
Changemanagement, Institutionelles Lernen,<br />
Gender Mainstreaming<br />
Dr. Thomas Gesterkamp<br />
geboren 1957, Journalist und Buchautor, lebt in Köln und<br />
ist Vater einer Tochter.<br />
Studium der Soziologie, Pädagogik und Publizistik in Hamburg und<br />
Münster. Zwei Jahre Redakteur, dann Mitbegründer eines Kölner<br />
Journalistenbüros. Promotion in Politikwissenschaft an der Universität<br />
Köln über “Männliche Arbeits- und Lebensstile in der<br />
Informationsgesellschaft”. Beiträge im Hörfunk und in Printmedien,<br />
daneben Tätigkeit als Referent, Hochschuldozent, Moderator und<br />
in der Weiterbildung.<br />
Buchveröffentlichungen:<br />
„Hauptsache Arbeit? - Männer zwischen Beruf und Familie“<br />
(mit Dieter Schnack), Rowohlt Verlag, Reinbek 1996,<br />
Neuauflage als Taschenbuch 1998.<br />
“Vater, Sohn und Männlichkeit” (u.a. mit Wassilios Fthenakis),<br />
Tyrolia Verlag, Innsbruck/Wien 2001.<br />
“Gutesleben.de - Die neue Balance von Arbeit und Liebe”,<br />
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2002.<br />
“Die Krise der Kerle - Männlicher Lebensstil und der Wandel der<br />
Arbeitsgesellschaft”, LIT-Verlag, Münster 2004.<br />
Zahlreiche Texte in Tages- und Wochenzeitungen sowie in<br />
Sammelbänden und Fachzeitschriften; über 250 Vortrags- und<br />
Diskussionsveranstaltungen im deutschsprachigen Raum.<br />
Kontakt:<br />
Dr. Thomas Gesterkamp, Theodor-Schwann-Str. 13, 50735 Köln.<br />
Telefon/Fax: 0221-7604899. E-Mail: thomas.gesterkamp@t-online.de<br />
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2 ..<br />
ReferentInnen und ModeratorInnen<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Gender Mainstreaming im ESF”<br />
Dr. René Leicht<br />
geb. 21.10.1953<br />
gegenwärtige Tätigkeit<br />
Forschungsbereichsleiter<br />
kom. Geschäftsführer<br />
am ifm Universität Mannheim<br />
Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte:<br />
Empirische Wirtschafts- und Sozialforschung im Bereich:<br />
• Selbständigen- und Gründungsforschung (v.a.: Ethnische Ökonomie, Frauenselbständigkeit,<br />
kleinstbetriebliche Selbständigkeit)<br />
• KMU-Forschung (v.a. Strukturanalysen, Organisationswandel))<br />
• Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (v.a. Betriebliche Aus- und Weiterbildung, Geringqualifizierte)<br />
• Entwicklungssoziologie<br />
Universität Mannheim<br />
Institut für Mittelstandsforschung (ifm)<br />
68131 Mannheim<br />
0621-181-2788<br />
leicht@mail.ifm.uni-mannheim.de<br />
http://www.ifm.uni-mannheim.de/<br />
Brigitte Maas<br />
Diplom-Betriebswirtin; Master of Business Administration<br />
Zusatzqualifikation als Europa-Expertin<br />
• Qualifizierung und Coaching von Existenzgründern und Existenzgründerinnen in<br />
Berlin<br />
• Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen<br />
• Beratung und Begleitung von Organisationen bei der Entwicklung, Umsetzung und<br />
Abrechnung von EU-Projekten<br />
• Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation von Projekten und Netzwerken (ESF<br />
Ziel 4, ADAPT , EQUAL )<br />
• Programmentwicklung (Technische Hilfe EQUAL / Kapital für soziale Zwecke)<br />
e-mail: brigitte.maas@proinnovation.de<br />
Dr. Anne Rösgen<br />
Ausbildung:<br />
Diplompädagogin, Sozialpädagogin und Kauffrau<br />
Ausbildung zur Prozessgestalterin (Change Management), FHS Ffm<br />
Arbeitsfelder:<br />
• Seit 1998 freiberuflich tätig; Gender (Mainstreaming) Expertin; Evaluation/wissenschaftliche<br />
Begleitung von EU – Projekten und –programmen, Hochschuldozentin,<br />
Beratung und Begleitung von Veränderungsprozessen in Verwaltungen und Betrieben<br />
• Freie Mitarbeiterin im Gender Institut Sachsen-Anhalt G/I/S/A, Magdeburg seit 2001<br />
Ausgewählte Veröffentlichungen:<br />
• Es ist nichts weniger gefordert als eine Kulturrevolution. In: Hollstein, Walter: Geschlechterdemokratie.<br />
Männer und Frauen: Besser miteinander leben. Opladen 2004
ReferentInnen und ModeratorInnen<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Gender Mainstreaming im ESF”<br />
• Gendertrainings als Instrument des Gender Mainstreamings. In: Frauenmi-nisterium<br />
Luxemburg: Gender Training, 2004<br />
• Gender Mainstreaming: Der aktuelle Stand der Diskussion. In: Brackert/Hoffmeister-<br />
Schönfelder Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, Hamburg,<br />
2003.<br />
• Chancengleichheit und Gender Mainstreaming in der EU. Studienbrief des postgradualen<br />
und weiterbildenden Fernstudiengangs Europäisches Verwaltungsmanagement,<br />
Fernstudienagentur des FVL (Hrsg.), Sitz: FHTW Berlin. (zus. m. M-T. Kratz), 2003.<br />
• Das Gender - Mainstreaming - Potenzial erhöhen - Gender Kompetenz entwickeln. (mit<br />
Ute Wanzek). In: Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt<br />
(Hrsg.), Gender Mainstreaming in Sachsen - Anhalt/ Konzept und Erfahrungen.<br />
Opladen 2002<br />
• Gender Specific Learning Styles? In: Cuk, A./Del Campo, F. One community and many<br />
Identities on the crossroads of a new Europe. Trieste 2001, 481 – 485<br />
• Gender Training - A Fresh Look at Old Problems. Wie können amerikanische Arbeitsansätze<br />
für die Entwicklung eines Bausteines „Geschlechtsspezifik für Personalverantwortliche“<br />
nutzbar gemacht werden? In: Koordinierungsstelle der Initiative<br />
‘Frauen geben Technik neue Impulse’ des bmb+f, der Bundesanstalt für Arbeit und der<br />
Deut-schen Telekom AG (Hrsg.): Strategien des beruflichen Auf- und Wiedereinstiegs<br />
von Frauen in Technik und Wirtschaft“, 1999<br />
Dr. Ronald Schulz<br />
Ausbildung<br />
Diplomsoziologe, Supervisor (DGSv), Prozessgestalter (FH Ffm), Genderexperte<br />
Arbeitsfelder/Tätigkeitsschwerpunkte<br />
• Begleitung von Gender Mainstreaming Prozessen<br />
• Beratung von Teams und Organisationen<br />
• Wissenschaftliche Begleitung einer gleichstellungspoliti-schen Landesinitiative<br />
• Seminare und Workshops zum Gender Mainstreaming<br />
Berufserfahrung<br />
• Bis 1999 angestellt in unterschiedlichen sozialen Dienstleistungsorganisationen (Kommunalverwaltung,<br />
Wohlfahrtsverband und Bildungsträger)<br />
• Seit 1999 freiberuflich tätig<br />
Themenrelevante Veröffentlichungen<br />
Monografie:<br />
• Stehpinkeln. Die letzte Bastion der Männlichkeit? Identität und Macht in einer männlichen<br />
Alltagshandlung. Bielefeld: Kleine Verlag, 2000<br />
Aufsätze:<br />
• Veränderung in der Arbeitswelt – eine Chance für die Neuorientierung männlicher<br />
Lebensweisen? In: Schweizer Bundesamt für Gesundheit (Schweiz) (Hg.): Gründungstagung<br />
des Forschungsnetzwerkes Gender Health am 14. November 2003 in Bern,<br />
Bern 2004<br />
• (zusammen mit Andrea von Marschall): Vom Mauerblümchen zum Straßenfeger?<br />
Geschlechtliche Gleichstellung als Querschnittsaufgabe in Organisationen und Unternehmen,<br />
in: Boekle, Bettina / Ruf, Michael (Hg.): Eine Frage des Geschlechts. Ein<br />
Gender-Reader, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2004<br />
• (Zusammen mit Marc Gärtner, Stephan Höyng, Ralf Puchert, Vera Riesenfeld): Work<br />
Changes Gender. Ein europäisches Forschungsprojekt untersucht, wie sich männliche<br />
Identitäten und Lebensweisen aufgrund veränderter Arbeitsbedingungen neu orientieren<br />
(müssen) und fragt nach den Chancen für die Gleichstellung der Geschlechter.<br />
In: Switchboard. Zeitschrift für Jungen- und Männerarbeit Nr.157, April/Mai 2003<br />
• (zusammen mit Stephan Höyng): Gender Mainstreaming – Möglichkeiten und Grenzen<br />
aus der Perspektive von Männern, in: Barbara Nohr / Silke Veth (Hrsg.) Gender<br />
Mainstreaming. Kritische Reflexionen einer neuen Strategie, Berlin: Dietz, 2002<br />
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ReferentInnen und ModeratorInnen<br />
<strong>Fachtagung</strong> “Gender Mainstreaming im ESF”<br />
Dipl.Ing. Ute Wanzek<br />
Ausbildung<br />
Diplombauingeneurin<br />
Arbeitsfelder<br />
• seit 2001 eine der beiden Geschäftsführer/innen und Inhaber/innen der G/I/S/A,<br />
Gender-Institutes Sachsen-Anhalt GbR; verantwortlich für die Bereiche Gender<br />
Mainstreaming-Bildung und -Beratung zur Implementation in Organisationen, nationale<br />
und internationale Projekte zum Gender Mainstreaming, nationale und internationale<br />
Vernetzungsarbeit zum Gender Mainstreaming,<br />
• seit 2001 im Auftrag der Landesregierung Sachsen-Anhalt tätig<br />
außerdem:<br />
• Weiterbildung- und Weiterbildungsberatung für das Land Sachsen-Anhalt;<br />
• Bildung und Beratung zum Technologietransfer an Schnittstelle Hochschule/ Wirtschaft,<br />
zur Existenzgründung und zum Mentoring unter geschlechtsspezifischen<br />
Aspekten, Projekte zur Förderung von Frauen in Naturwissenschaft, Ingenieurwesen,<br />
Technologie (Otto-v.-Guericke-Universität Magdeburg), div. Veröffentlichungen<br />
• Generalsekretärin des Europäischen Vereins WiTEC e.V. www.witec-eu.net<br />
Ausgewählte Veröffentlichungen<br />
• „Gender Mainstreaming in Sachsen-Anhalt – Konzepte und Erfahrungen“<br />
(leske+budrich, 2003, Hrg. Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes<br />
Sachsen-Anhalt 2003, ISBN 3-8100-3696-X)<br />
• Gender Mainstreaming – Challenge for the dialog of the generations, 2003, OLZOG<br />
• Gender Mainstreaming in Saxony-Anhalt, 2004, in Magazin Lehren und und Lernen,<br />
1/2004,<br />
• Gender Mainstreaming als Veränderungsprozess in Organisatio-nen, in Jugendsozialarbeit<br />
im Gender Mainstream, Ulrike Richter (Hrsg.), Übergänge in Arbeit, Band 4,<br />
Verlag DJI, 2004, ISBN 3-87966-408-0<br />
• Broschüre für Kommunale Gleichstellungsbeauftragte in Sachsen-Anhalt (Gender<br />
Mainstreaming) erscheint 2004<br />
• www.g-i-s-a.de