soziologie heute Februar 2018

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Gesundheit & Arbeitswelt Krisen überwinden helfen von Helmut Schröder Foto: pexels, Creative Commons Egal ob Digitalisierung, Krisenbewältigung bei Einsatzkräften, Mobbing am Arbeitsplatz, Burnout, Betriebliches Eingliederungsmanagement, kritische Lebensereignisse bei Beschäftigten, betriebliche Qualifizierungsprogramme für Geflüchtete oder die Betreuung von Lokführern, die einen Schienensuizid erleben mussten: All diese Themen werden aktuell in Betrieben bewältigt und im Fehlzeiten-Report 2017 beschrieben. Davon können viele Beschäftigte, Führungskräfte und Personalverantwortliche in den Betrieben profitieren. Helmut Schröder, Mitherausgeber des Fehlzeiten-Reports und stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) geht der Frage nach, wie es gelingen kann, Krisen zu meistern und diese vielleicht auch als Neubeginn im Sinne einer Chance zu nutzen. 10 soziologie heute Februar 2018
Das Wort Krise geht auf den altgriechischen Begriff krisis (krinein = prüfen, sich entscheiden) zurück und bedeutet heute allgemein gesprochen eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation. Dies kann einzelne Menschen, Unternehmen, Regionen oder die ganze Welt betreffen. In diesen Situationen sind die Handlungsoptionen eingeschränkt und gleichzeitig müssen die Betroffenen handeln, um eine Bedrohung abzuwenden oder sich an einen großen Verlust anzupassen. Die populäre, umgangssprachliche Verwendung des Begriffs „Krise“ umfasst dabei Katastrophen, aber auch Veränderungen, die das Leben so mit sich bringt. Zur Krise gehört, dass sie eine Belastung darstellt, die über das Alltägliche hinausgeht. Der österreichische Dichter Ernst Jandl schreibt in einem seiner Gedichte: „Die Krise ist ein Riese, der in jedem Zwerg Platz hat, das ist für einen jeden sehr ärgerlich, wenn so ein Riese in ihm sitzt, er denkt tagein tagaus, wie bring ich den Riesen bloss hinaus, ja er denkt ununterbrochen an seine Krise, manchmal tut er es jahrelang.“ Doch was hat das alles mit Gesundheit und der betrieblichen Arbeitswelt zu tun? Im Fehlzeiten- Report 2017 – einem seit 1999 erscheinenden Standardwerk mit jährlich wechselnden Schwerpunkten – werden in 25 Kapiteln die verschiedenen Facetten von Krisen in Unternehmen, in Teams und bei Beschäftigten beschrieben. Egal ob Digitalisierung, Krisenbewältigung bei Einsatzkräften, Mobbing am Arbeitsplatz, Burnout, Betriebliches Eingliederungsmanagement, kritische Lebensereignisse bei Beschäftigten, betriebliche Qualifi zierungsprogramme für Gefl üchtete oder die Betreuung von Lokführern, die einen Schienensuizid erleben mussten: All diese Themen werden aktuell in Betrieben bewältigt und im Fehlzeiten-Report 2017 beschrieben. Davon können viele Beschäftigte, Führungskräfte und Personalverantwortliche in den Betrieben profi tieren. Die Grundfrage, zu deren Beantwortung beigetragen werden soll: Wie kann es gelingen, Krisen zu meistern und vielleicht auch als Neubeginn im Sinne einer Chance zu nutzen? Dafür ist es notwendig, dass in der Unternehmenspraxis Krisen von Beschäftigten auch erkannt und Bewältigungsstrategien, z.B. durch unterstützende Maßnahmen, entwickelt werden. Fokussiert soll dies hier am Beispiel von kritischen Lebensereignissen bei Erwerbstätigen vorgestellt werden: In welchem Ausmaß sind die Beschäftigten von schweren Konfl ikten im privaten und betrieblichen Umfeld betroffen, wie sieht es mit schweren Erkrankungen in der Familie aus, mit Scheidung oder dem Tod des Partners? Welche Auswirkungen haben diese kritischen Lebensereignisse im betrieblichen Kontext und welche betrieblichen Hilfsangebote zur Unterstützung der betroffenen Beschäftigten sind vorhanden? Antworten können aus einer aktuellen repräsentativen Beschäftigtenbefragung gewonnen werden, deren Ergebnisse auch im Fehlzeiten-Report 2017 vorgestellt werden. Jeder zweite Beschäftigte hat Krisen erlebt Die Hälfte der Befragten (52 Prozent) berichtet über kritische Lebensereignisse. Während die Unterschiede zwischen Männern und Frauen gering sind, ist – wenig überraschend – der Einfl uss des Alters groß. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der Betroffenen an: Etwas mehr als ein Drittel der Beschäftigten unter Dreißig (37,6 Prozent) berichtet über kritische Lebensereignisse aktuell oder in den letzten fünf Jahren, bei den 50- bis 65-Jährigen sind dies schon fast zwei Drittel (64,7 Prozent). Wird nach dem schlimmsten Ereignis gefragt, wird am häufi gsten über „schwere Erkrankungen in der Familie“, gefolgt von „belastenden Konfl ikten im privaten Umfeld“ berichtet, gefolgt von „Trennung“ oder „Tod eines Familienangehörigen“. Bereits auf Rang fünf steht mit „Mobbing oder Streit am Arbeitsplatz“ ein betriebsbezogenes kritisches Lebensereignis. Jüngere Erwerbstätige berichten neben privaten Konfl ikten eher über Streit oder Mobbing am Arbeitsplatz, während bei älteren Erwerbstätigen Krankheiten oder der Tod eines Familienangehörigen eine größere Rolle spielen. Krisen beeinträchtigen Gesundheit und Arbeitsfähigkeit Eine genauere Betrachtung der Befragungsergebnisse macht deutlich, dass die kritischen Ereignisse – auch die mit einer Entstehungsgeschichte im Privatleben – überwiegend großen Einfl uss auf Leben und Arbeit der Beschäftigten haben: So berichten vier von fünf betroffenen Beschäftigten über eine starke Beeinfl ussung des Lebens insgesamt sowie der seelischen und körperlichen Gesundheit. Aber auch die Berufstätigkeit wird bei zwei Dritteln der Betroffenen in Mitleidenschaft gezogen. Mehr als die Hälfte der Befragten fühlt sich durch die Krise in der eigenen Leistungsfähigkeit eingeschränkt und geht trotz einer Erkrankung in diesem Kontext zur Arbeit. Mehr als ein Drittel war aufgrund des kritischen Lebensereignisses unzufrieden mit der Arbeit oder hat sich häufi ger krank gemeldet. Betriebe bieten Unterstützung an Wenn also klar ist, dass persönliche Krisen einen hohen Einfl uss auf die Mehr als die Hälfte der Befragten fühlt sich durch die Krise in der eigenen Leistungsfähigkeit eingeschränkt und geht trotz einer Erkrankung in diesem Kontext zur Arbeit. Februar 2018 soziologie heute 11
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