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Leseprobe "Gingitta: Ein Dorf in Algerien" von Andrea Mohamed Hamroune

Gingitta ist ein kleines Dorf in der Nähe von Skikda, noch näher ist Sidi Medzriche. Ich erzähle nicht nur über Gingitta und meine Familie, sondern auch über das Leben, über Politik und Kultur. Algerien hat eine sehr aufgeschlossene und freundliche Kultur. Es ist zwar ein Land, in dem der Islam die Staatsreligion ist, jedoch ist man in Algerien sehr gastfreundlich gegenüber Ausländern. In Algerien klappt fast nichts, aber irgendwie kriegt man es doch wieder hin. Wenn man aus einem Notfall eine Tugend macht.

Gingitta ist ein kleines Dorf in der Nähe von Skikda, noch näher ist Sidi Medzriche.

Ich erzähle nicht nur über Gingitta und meine Familie, sondern auch über das Leben, über Politik und Kultur.
Algerien hat eine sehr aufgeschlossene und freundliche Kultur. Es ist zwar ein Land, in dem der Islam die Staatsreligion ist, jedoch ist man in Algerien sehr gastfreundlich gegenüber Ausländern.

In Algerien klappt fast nichts, aber irgendwie kriegt man es doch wieder hin. Wenn man aus einem Notfall eine Tugend macht.

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<strong>Leseprobe</strong><br />

Taschenbuch<br />

12 x 19 cm<br />

80 Seiten<br />

ISBN: 978-3-7528-3220-4<br />

1


Vorwort<br />

<strong>G<strong>in</strong>gitta</strong>, der Ort des Ausnahmezustandes. In<br />

<strong>G<strong>in</strong>gitta</strong> gibt es besondere Regeln und Lebensumstände,<br />

die dörflich geprägt s<strong>in</strong>d und<br />

auch sonst... Das, was woanders geht, klappt<br />

hier noch lange nicht. Selbst, wenn es um das<br />

Ortsschild geht, haben wir e<strong>in</strong>e andere Regelung,<br />

was die Rechtschreibung angeht. Im<br />

). ق)‏ Arabischen gibt es den Buchstaben q<br />

Mit zwei Punkten ist der Buchstabe normal<br />

geschrieben, schreibt man den Buchstaben q,<br />

arabisch aber mit drei Punkten, ist er immer<br />

noch richtig geschrieben. Man bef<strong>in</strong>det sich<br />

jedoch im Bereich der Sonderregelung, um<br />

den Buchstaben ق wirklich als g auszusprechen.<br />

<strong>G<strong>in</strong>gitta</strong> besteht aus e<strong>in</strong>er langen Straße, an<br />

der ungefähr 25 Häuser, <strong>in</strong>nerhalb <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em<br />

halben Kilometer am Straßenrand drapiert<br />

s<strong>in</strong>d. Manchmal stehen Häuser nebene<strong>in</strong>ander<br />

und bilden e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>isiedlung, etwas weiter<br />

steht e<strong>in</strong> Haus ganz alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Walachei.<br />

Es gibt e<strong>in</strong>en Arzt, e<strong>in</strong>e Moschee und e<strong>in</strong>e<br />

Grundschule. In e<strong>in</strong>er Kurve, kurz vor Orts-<br />

2


e<strong>in</strong>gang oder Ortsausgang, je nachdem <strong>von</strong><br />

wo man kommt, gibt es e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>kaufsladen<br />

(Hanut) und e<strong>in</strong> Cafe`. Manche<br />

Leute verkaufen an dieser Stelle Gemüse aus<br />

dem Garten oder Obst.<br />

Genau da, wo der Hanut ist, geht der Weg<br />

runter zu dem Haus me<strong>in</strong>es Schwiegervaters.<br />

Dieser Hanut ist übrigens der Hanut me<strong>in</strong>es<br />

Schwagers.<br />

Das Schild „Vorsicht Huppel“ auf dem Cover<br />

h<strong>in</strong>ten ist ke<strong>in</strong> Fake. Dieses Schild gibt es tatsächlich<br />

und es soll den Autofahrer vor e<strong>in</strong>er<br />

Asphalterhebung mitten auf der Straße warnen.<br />

Wenn man nicht aufpasst und unaufmerksam<br />

ist, kann es ganz gewaltig scheppern.<br />

Es gibt <strong>in</strong> den Ortschaften zwar Geschw<strong>in</strong>digkeitsbegrenzungen,<br />

die mit Schildern<br />

auch angezeigt werden, jedoch gibt es<br />

niemanden, der die <strong>E<strong>in</strong></strong>haltung kontrolliert.<br />

Es gibt auch ke<strong>in</strong>e Blitzer. Aber dafür gibt es<br />

Huppel.<br />

3


Algerien, <strong>G<strong>in</strong>gitta</strong> und sonst<br />

noch was<br />

Es ist immer das Gleiche. Me<strong>in</strong> Mann packt<br />

Klamotten zusammen, für die man gefühlt<br />

eher zwei Autos braucht als e<strong>in</strong>s. Ob da noch<br />

Leute mit re<strong>in</strong> müssen, <strong>in</strong>s Auto, hat ke<strong>in</strong>e<br />

Relevanz. Hauptsache ER und se<strong>in</strong> Mist. Ich<br />

habe fünf K<strong>in</strong>der, noch nicht gepackt, aber<br />

trotzdem ist das Auto bereits verplant. Rücksicht<br />

und ER? Ausgeschlossen.<br />

Er ist so dermaßen rücksichtslos und ihm ist<br />

es sowas <strong>von</strong> egal, ob wir Platz haben für uns<br />

und unser Gepäck, dass ich, wenn ich Bedarf<br />

für uns anmelde, bereits e<strong>in</strong> schlechtes Gewissen<br />

bekomme. Wir haben e<strong>in</strong>en Ford<br />

SMAX und auf dem Dach e<strong>in</strong>en Dachträger.<br />

Insgesamt s<strong>in</strong>d wir sieben Personen, h<strong>in</strong>ten<br />

bleibt, da alle Sitzplätze belegt s<strong>in</strong>d, nur e<strong>in</strong><br />

bisschen Platz für Gepäck. Selbst diesen<br />

Platz nimmt er <strong>in</strong> Beschlag. „Eure Sachen<br />

kommen als letztes <strong>in</strong>s Auto. Ich weiß, was<br />

ich tue!“ So dokumentiert er se<strong>in</strong>e Exzentrik.<br />

Ich fühle mich wie e<strong>in</strong> Opfer. Ich b<strong>in</strong> nicht<br />

se<strong>in</strong>e Frau, er hat ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der. Es geht nur<br />

ums Geld. Wie immer. Es geht darum, die<br />

4


Reise rezuf<strong>in</strong>anzieren und mit Null wieder<br />

nach Hause zu kommen. Als ob man sich<br />

nicht Geld sparen kann und <strong>in</strong> Algerien was<br />

Schönes kaufen. Naja. Kaufen und etwas <strong>in</strong><br />

Algerien, ist auch wieder so e<strong>in</strong>e Sache.<br />

Ich habe e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Tochter, die noch e<strong>in</strong>en<br />

K<strong>in</strong>dersitz braucht. Auf dem Boden, da wo<br />

me<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Tochter sitzt, bei ihrem Sitz, ist<br />

Gepäck verstaut: Die Tasche für das Schiff.<br />

Bei mir vorne, beim Beifahrersitz, im Fussbereich,<br />

ist unser Proviant für die Reise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Kühltasche verstaut. Ich habe sehr wenig<br />

Platz. Überall an den Seiten im Auto s<strong>in</strong>d<br />

kle<strong>in</strong>e Wasserflaschen verteilt. Griffbereit,<br />

sodass jeder, der Durst hat, tr<strong>in</strong>ken kann,<br />

wann er will. Ich habe immer e<strong>in</strong>e solche<br />

Angst und fühle mich unwohl, aber am Ende<br />

geht doch alles gut. Der Mist <strong>von</strong> me<strong>in</strong>em<br />

Mann und unser Gepäck, alles ist irgendwo<br />

<strong>in</strong>s Auto gequetscht. Jeder hat e<strong>in</strong>en Sitzplatz<br />

und kle<strong>in</strong>e Kissen zum Kuscheln, wenn man<br />

schlafen will, haben wir auch mit. Me<strong>in</strong><br />

Mann kommt wieder als letztes <strong>in</strong>s Auto.<br />

Der Boss, der Checker, kontrolliert die Wohnung<br />

noch mal und zieht überall den Stecker.<br />

Außer vom Kühlschrank. Es geht los.<br />

5


„Bismillah“<br />

Vor uns liegen ca. 1014 km bis Marseille <strong>von</strong><br />

Offenbach aus. Ich weiß nicht warum, aber<br />

me<strong>in</strong> Mann fährt den ganzen Weg alle<strong>in</strong>e, obwohl<br />

wir uns abwechseln könnten. Soll er<br />

mal. Wenn er denkt, es ist schlau, so e<strong>in</strong>e<br />

Strecke alle<strong>in</strong>e zu fahren, dann los. Ich kann<br />

auch daneben sitzen, Handy spielen, Internet<br />

gucken und mir die Welt anschauen. Ich b<strong>in</strong><br />

zufrieden. Wozu soll ich mir Stress machen,<br />

wenn me<strong>in</strong> Mann drauf besteht, alle<strong>in</strong>e zu<br />

fahren?<br />

Wir haben auch e<strong>in</strong> Navi dabei. Jedes Mal<br />

wenn das Navi me<strong>in</strong>em Mann den Weg dirigiert,<br />

fragt er: „Was hat sie gesagt?“ Ist<br />

schon cool, so e<strong>in</strong> Navi. Nur wenn man nicht<br />

versteht, was die Frau sagt und selbst wenn<br />

man die Frau versteht, aber nicht darauf hört<br />

und trotzdem alles besser weiß, nützt da garnichts<br />

was. Wir haben uns aber trotz der Ger<strong>in</strong>gschätzung<br />

me<strong>in</strong>es Mannes gegenüber<br />

dem Navi nicht verfahren. Me<strong>in</strong> Mann weiß<br />

mit und ohne Navi, wie der Weg geht. Ich<br />

kenne den Grund des Zweifels aber nicht.<br />

Verunsichert mich jetzt das Navi oder me<strong>in</strong><br />

Mann?<br />

6


Manchmal machen wir auf e<strong>in</strong>er Raststätte<br />

Pause. Ich und die K<strong>in</strong>der machen Pause, um<br />

unsere Knochen wieder <strong>in</strong> Form zu br<strong>in</strong>gen<br />

und um etwas zu essen. Me<strong>in</strong> Mann macht<br />

Pause, um sich vom Fahren zu erholen und<br />

auch um etwas zu essen. Er, der Boss, der<br />

Checker, hat es verstanden!!! Frauen könnten<br />

Autofahren, wenn der Mann es denn zulässt.<br />

Ich weiß nicht, ob Frau und Autofahren etwas<br />

mit Emanzipation zu tun hat und Frau<br />

und nicht Autofahren, etwas mit Diskrim<strong>in</strong>ierung.<br />

Ich denke, so quer über dem Daumen<br />

ist es egal, wer den Esel reitet, wenn der Esel<br />

es denn aushält!!! Mich sche<strong>in</strong>t der Esel nicht<br />

auszuhalten, oder me<strong>in</strong> Mann.<br />

Aber wie auch immer. Ich chill und guck mir<br />

die Welt an. Soll er doch fahren. Wen<br />

juckt`s??<br />

Es wird immer später und daher auch langsam<br />

dunkel. So gegen 4 Uhr morgens s<strong>in</strong>d<br />

wir <strong>in</strong> Marseille angekommen. Me<strong>in</strong> Mann<br />

sucht e<strong>in</strong> Hotel um diese Uhrzeit. Die Uhrzeit<br />

ist nicht alle<strong>in</strong>e das Problem, sondern auch<br />

der fehlende Parkplatz auf e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>gezäunten<br />

Grundstück und um diese Uhrzeit s<strong>in</strong>d<br />

auch sämtliche Hotels ausgebucht. Es heißt,<br />

7


es wäre e<strong>in</strong> Konzert <strong>in</strong> der Stadt. Wir haben<br />

ke<strong>in</strong> Glück, e<strong>in</strong> Hotel zu f<strong>in</strong>den und parken<br />

daher am Kai. Wir versuchen etwas zur Ruhe<br />

zu kommen und schlafen alle.<br />

Als es etwas heller wird, fahren wir vor e<strong>in</strong>e<br />

Moschee. Me<strong>in</strong> Mann geht zum Frühgebet<br />

dort re<strong>in</strong> und betet nicht nur das Fajrgebet,<br />

sondern auch alle anderen Gebete, die er<br />

während der langen Fahrt verpasst hat, nach.<br />

Es dauert also bis er wieder kommt. Von der<br />

Moschee aus beobachtet uns e<strong>in</strong> Mann, wie<br />

wir im Auto sitzen und schlafen. Er bittet uns<br />

alle <strong>in</strong> die Moschee zu kommen, gibt uns zu<br />

tr<strong>in</strong>ken und etwas zu essen. Ich f<strong>in</strong>de das sehr<br />

nett und fühle mich mit me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern sehr<br />

gut aufgehoben <strong>in</strong> der Moschee. Ich kann mit<br />

me<strong>in</strong>er ältesten Tochter auch das Frühgebet<br />

dort beten. Nur, etwas ist merkwürdig. Normal<br />

sollte der Teppich Richtung Qibla ausgerichtet<br />

se<strong>in</strong>. In der Moschee ist der Teppich<br />

aber <strong>in</strong> Schönform dem Raum angepasst. Ich<br />

kann <strong>von</strong> oben <strong>in</strong> den Gebetsraum der Männer<br />

schauen und da liegt der Teppich anders.<br />

Das Mihrab, da wo der Imam vorbetet und<br />

die Qibla ist, kann ich nicht sehen vom Gebetsraum<br />

der Frauen aus. Ich f<strong>in</strong>de das ir-<br />

8


gendwie e<strong>in</strong>e gute Idee (?). Wenn ich jetzt<br />

re<strong>in</strong> spekulativ da<strong>von</strong> ausgehe, dass Männer<br />

grundsätzlich Recht haben und alles richtig<br />

machen, trotz erheblichen Zweifel, hab ich <strong>in</strong><br />

der Moschee nicht Richtung Qibla gebetet,<br />

sondern sonst woh<strong>in</strong>. Aber Allahu alam. Spekulation<br />

ist Spekulation.<br />

Wir bleiben <strong>in</strong> der Moschee bis circa kurz<br />

vor dem Mittagsgebet. Me<strong>in</strong> Mann will normal<br />

erst raus, wenn das Mittagsgebet erledigt<br />

ist, jedoch knurrt uns der Magen und wir gehen<br />

alle früher. Der Mann aus der Moschee<br />

begleitet uns und zeigt uns, wo wir gut essen<br />

können. Unser Auto steht vor e<strong>in</strong>er Hofe<strong>in</strong>fahrt<br />

<strong>in</strong> der Zeit. Zum Glück kennt der Mann<br />

den Besitzer der Hofe<strong>in</strong>fahrt und hat me<strong>in</strong>en<br />

Mann veranlasst, mit ihm zu reden, sodass<br />

der Besitzer der <strong>E<strong>in</strong></strong>fahrt Bescheid weiß und<br />

unser Auto nicht abschleppen lässt. Aber es<br />

ist eh Samstag und <strong>von</strong> daher, nicht ganz so<br />

wichtig, ob unser Auto dort vor der Hofe<strong>in</strong>fahrt<br />

steht. Wir gehen essen. Das Essen ist zu<br />

viel, zu fettig und zu teuer. Der W<strong>in</strong>d weht<br />

auch sehr stark. Auch s<strong>in</strong>d wir erschöpft <strong>von</strong><br />

der langen Reise und wollen eigentlich nur<br />

auf das Schiff. Am frühen Nachmittag fahren<br />

9


wir schließlich zum Port, um e<strong>in</strong>zuchecken.<br />

Was man da nicht alles ausfüllen muss! Alle<br />

zehn M<strong>in</strong>uten muss man se<strong>in</strong>en Pass zeigen,<br />

irgendwelche Papiere ausfüllen für den Zoll<br />

und die Polizei. Alles muss registriert werden.<br />

Das ist total nervig und dauert Stunden.<br />

Wir haben vier Stunden gebraucht, um endlich<br />

mit dem Auto im Schiff zu parken. Wir<br />

stehen be<strong>in</strong>ahe die ganze Zeit mit dem Auto<br />

<strong>in</strong> der Sonne. In Marseille ist es zu der Zeit<br />

35 Grad <strong>in</strong> der Sonne. Furchtbar. Wir haben<br />

ke<strong>in</strong>e Lust mehr und s<strong>in</strong>d auch erschöpft. Als<br />

wir endlich im Schiff s<strong>in</strong>d, packen wir das<br />

Nötigste aus dem Auto zusammen und suchen<br />

unsere Kab<strong>in</strong>e auf. Wir nehmen die Tasche<br />

für das Schiff mit und etwas zu essen<br />

und zu tr<strong>in</strong>ken. In der Schifftasche s<strong>in</strong>d<br />

Wechselklamotten für uns, Handtücher und<br />

Waschschaum. Aber auf dem Schiff bekommt<br />

man auch <strong>in</strong> der Kab<strong>in</strong>e Seife und<br />

Handtücher. Wir haben e<strong>in</strong>e Innenkab<strong>in</strong>e mit<br />

vier Betten und Dusche und WC. Die Betten<br />

s<strong>in</strong>d Hochbetten und das obere Bett lässt sich<br />

nach unten klappen. Der Raum hat <strong>in</strong>sgesamt<br />

8m² <strong>in</strong> etwa. Wir haben sehr viel Glück mit<br />

dem Schiff. Die SNCM- Fähren s<strong>in</strong>d immer<br />

10


unmöglich. Es gibt drei Klassen. Die erste<br />

Klasse war so wie bei uns. Die zweite Klasse<br />

ist so wie bei uns, nur, dass es ke<strong>in</strong>e Dusche<br />

und ke<strong>in</strong> Klo gibt <strong>in</strong> der Kab<strong>in</strong>e, sondern ausschließlich<br />

e<strong>in</strong> Waschbecken. Man muss<br />

draußen duschen und auf die Toilette gehen.<br />

Und das ist dann auch sehr eklig. Die Toiletten<br />

s<strong>in</strong>d sofort verstopft und der Gang geflutet<br />

<strong>in</strong> den WC, die Duschen s<strong>in</strong>d besetzt und<br />

auch m<strong>in</strong>destens 1 cm hoch gewässert. Das<br />

s<strong>in</strong>d wirklich furchtbare und katastrophale<br />

Zustände. Die dritte Klasse ist miserabel und<br />

am unzumutbarsten. Wer auch immer mit<br />

SNCM fahren will: Die dritte Klasse bitte<br />

nicht buchen. Dritte Klasse bedeutet, man bekommt<br />

e<strong>in</strong>en Sitzplatz wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bus, auf<br />

dem man 18 Stunden ausharren muss. Man<br />

hat ke<strong>in</strong>en Platz für die Knochen zum Ausruhen<br />

und ke<strong>in</strong>en richtigen Platz für das Gepäck.<br />

Wenn es denn mal e<strong>in</strong>en Gepäckplatz<br />

gibt, machen sich die Leute da dr<strong>in</strong>ne lang,<br />

um dort zu schlafen. Und nicht nur da wird<br />

geschlafen, <strong>in</strong> den Gepäckablagen. Es wird<br />

sich auch auf den Decks lang gemacht. Die<br />

Leute legen ihre Koffer auf dem Boden am<br />

Rand der Decks, breiten sich e<strong>in</strong>e Decke aus<br />

11


und verweilen dort so, bis das Schiff angekommen<br />

ist am Zielort. So etwas habe ich<br />

noch nie gesehen und sowas will ich auch nie<br />

mehr sehen. Ich habe gedacht, ich fahre auf<br />

der Titanic und b<strong>in</strong> im 19. Jahrhundert. Das<br />

Essen auf dem Schiff ist typisch Großküche.<br />

Alles <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Topf, Salz drauf, fertig. Das<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>zige, was wirklich sicher ist, s<strong>in</strong>d<br />

Pommes. Alles andere ist Spekulation. Es<br />

kann se<strong>in</strong>, dass wir Pressfleisch aus Hähnchen<br />

oder Pute bekommen haben und Gemüse.<br />

Man kann schon erkennen, was es für e<strong>in</strong><br />

Gemüse ist, nur b<strong>in</strong> ich mir unsicher, ob das<br />

Wort gar und wirklich frisch die Qualität bestimmte<br />

oder eher die Farbe. Das Essen ist<br />

sehr lieblos und wirklich nur auf Masse produziert.<br />

Es gibt Wasser dazu, Baguette und<br />

zum Nachtisch Yoghurt. Frühmorgens gibt es<br />

Croissants, Butter, Zwieback, Marmelade<br />

und Kaffee und Milch.<br />

Ich b<strong>in</strong> jedes Mal froh, wenn ich vom Schiff<br />

wieder runter komme. Wir haben zu Anfang<br />

Seegang und da mir sowieso schon schlecht<br />

ist <strong>von</strong> dem Essen <strong>in</strong> Marseille, muss ich kotzen,<br />

als die Reise losgeht. Noch nicht mal die<br />

K<strong>in</strong>der kann ich abduschen, so schnell geht<br />

12


es mir schlecht auf dem Schiff. Ich hab nur<br />

me<strong>in</strong>e Kle<strong>in</strong>e geduscht. Alle anderen müssen<br />

sich um sich selber kümmern. Wenn es denn<br />

mal se<strong>in</strong> muss, ohne Mama, dann geht es<br />

zum Glück.<br />

Die Reise über das Mittelmeer dauert ungefähr<br />

18 Stunden. Als wir endlich <strong>in</strong> Skikda<br />

im Hafen s<strong>in</strong>d, ist es bereits 16 Uhr. Die Sonne<br />

sche<strong>in</strong>t sehr warm. Genauer gesagt, es es<br />

brütend heiß. Wir gehen runter <strong>in</strong> den Parkplatz<br />

der Fähre und schiffen aus. Zum Glück<br />

ist die Kontrolle diesmal nur kurz oder garnicht.<br />

Wir brauchen nur e<strong>in</strong>e Stunde, um uns<br />

aufzumachen <strong>in</strong> Richt<strong>in</strong>g <strong>G<strong>in</strong>gitta</strong>. In unserem<br />

Tank ist kaum noch Sprit. Me<strong>in</strong> Mann<br />

hat be<strong>in</strong>ahe den ganzen Tank <strong>in</strong> Marseille<br />

leer gefahren, mitten <strong>in</strong> der Nacht bei der Suche<br />

nach e<strong>in</strong>em Hotel.<br />

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