DIE VARUSSCHLACHT - Harald Rosenfeldt
DIE VARUSSCHLACHT - Harald Rosenfeldt
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da sie über den Leib des Legaten hätten treten müssen, verlegte er ihnen den Weg. Zugleich klärten<br />
Tribunen und Zenturionen die Leute auf, daß die Angst unbegründet sei.<br />
Es ist nun bemerkenswert, daß Tacitus in Absatz 65 von einem furchterregenden Traumgesicht<br />
des Caecina berichtet:<br />
65... Auch den Feldherrn schreckte ein grausiges Traumgesicht: Es war ihm nämlich, als sähe er<br />
QUINTILIUS VARUS blutüberströmt aus dem Sumpf emporgetaucht und höre ihn gleichsam rufen;<br />
doch sei er dem nicht nachgekommen, sondern habe die Hand, die er ausstreckte, zurückgestoßen.<br />
Im gleichen Absatz läßt Tacitus Arminius mit den folgenden Worten den Befehl zum Angriff<br />
geben:<br />
65... „Seht da, VARUS und seine nochmals in das gleiche Schicksal verstrickten Legionen!“<br />
Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß Tacitus, der sich ja über die Varusschlacht<br />
selbst ausschweigt, hier seinen Lesern einen Wink zu geben versucht, welche Vorgänge zum<br />
Untergang des Varus führten, und diese Gründe decken sich erstaunlich gut mit den Deduktionen<br />
des Abschnittes 5.2.3: In kritischer, jedoch keineswegs aussichtsloser Situation kommt<br />
es zunächst zu Ungehorsam und Disziplinlosigkeiten (hier nicht zitiert), die Kampfmoral<br />
sinkt, Panik bricht aus, der Befehlshaber verliert die Kontrolle über seine Soldaten und diese<br />
versuchen sogar zu fliehen! Caecina und seinen Unterführern gelang es die Flucht zu verhindern<br />
– Varus gelang dies offenbar nicht.<br />
5.2.5. Das Verhalten des Varus<br />
Wie sind nun die Entscheidungen des Varus zu bewerten, die ja letztlich zur Katastrophe führten?<br />
Glaubt man den Quellen, so wurde die Katastrophe durch die Ignoranz des Varus heraufbeschworen:<br />
Obwohl er von Segestes eindringlich gewarnt worden war, führte er sein Heer<br />
ohne die gebotenen Vorsichtsmaßnahmen im Herbst des Jahres 9 nach Castra Vetera zurück.<br />
Andererseits zeigt aber die eben vorgestellte Analyse, daß sich Varus militärtaktisch durchaus<br />
vernünftig verhielt – läßt sich seine Mißachtung der Warnung des Segestes vielleicht auch<br />
anders erklären, als es die Quellen darstellen?<br />
Es spricht vieles dafür, daß Varus den Auftrag hatte, das Gebiet der Westfälischen Bucht dem<br />
Römischen Reich politisch einzuverleiben. Die Stammesfürsten dieses Gebietes kollaborierten<br />
mit den Römern und das Gebiet wurde bereits militärisch kontrolliert, wie die Lippelagerkette<br />
zeigt. Militärische Auseinandersetzungen, zudem ausgehend von den Römern, waren<br />
daher unter allen Umständen zu vermeiden! Der Friede zwischen Römern und Germanen war<br />
brüchig, die römerfreundlichen Stammesfürsten waren unter ihren Landsleuten mit Sicherheit<br />
nicht unumstritten, und kriegerische Auseinandersetzungen hätten leicht zu unerwünschten<br />
Solidarisierungen dieser Machthaber mit römerfeindlichen Kräften führen können; zudem<br />
mußte Varus dann mit der Entmachtung dieser Fürsten, ja sogar mit einer Rebellion der Germanenstämme<br />
der Westfälischen Bucht rechnen. Wenn Varus auf die Warnung des Segestes<br />
nicht reagierte, geschah dies nicht zwangsläufig aus Ignoranz oder Überheblichkeit – es kann<br />
auch kluge Vorsicht gewesen sein.<br />
Außerdem mußte sich Varus fragen, ob diese Warnung wirklich aus uneigennützigen Gründen<br />
erfolgte. Arminius war vielleicht tatsächlich ein Gegner Roms, mit Sicherheit aber auch<br />
ein Gegenspieler des Segestes und dessen Partei. Wollte Segestes vielleicht nur einen Rivalen<br />
mit Hilfe römischer Legionen aus den Wege räumen? Durfte man sich als Römer vor den