<strong>DIE</strong> <strong>VARUSSCHLACHT</strong> Versuch einer Rekonstruktion der Ereignisse 1. EINFÜHRUNG 4 Im Herbst des Jahres 9 n.Chr. wurden drei römische Legionen nebst Troß und begleitenden Zivilisten auf ihrem Rückmarsch in die Winterquartiere bei Castra Vetera, dem heutigen Xanten, in unwegsames Gelände gelockt und von germanischen Truppen unter dem Oberbefehl des Cheruskerfürsten Arminius im Saltus Teutoburgiensis fast vollständig niedergemacht. Der römische Oberbefehlshaber Quin(c)tilius Varus beging noch während der Schlacht Selbstmord. Die Erinnerung an diesen Sieg der Germanen über die Römer ist noch heute lebendig, allerdings wurden die Geschehnisse ohne allzu große Rücksicht auf die schriftlichen Quellen je nach Zeitgeschmack und politischen Verhältnissen ganz erheblich verzeichnet. Aus Arminius wurde Herrmann der Cherusker, die Schlacht selbst wurde in die Schluchten des Osning verlegt (der daraufhin den Namen „Teutoburger Wald“ erhielt), und es fehlte nicht an „patriotischer Literatur“, die in dieser Schlacht den Sieg des „freien Germanentumes“ über die „welsche Unterdrückung“ sah - eine Sichtweise, die im „Hermannsdenkmal“ ihren besonders eindrucksvollen, wenngleich nicht unbedingt überzeugenden Ausdruck gefunden hat. Es versteht sich, daß ein derartiges Ereignis auch Maler und Buchillustratoren inspirierte, und so entstanden die diversen Schlachtengemälde, in denen bis an die Zähne bewaffnete Germanen mit gewaltigen Helmen, Kettenhemden, Beinschienen und zentnerschweren „ehernen“ Schilden die im Sumpfe festsitzenden demoralisierten Römer niederhauen. Im Nachhinein betrachtet stellt die „Varusschlacht“ in der Tat eine Zäsur dar, allerdings wäre das Imperium Romanum durchaus in der Lage gewesen, seinen Einfluß auch im rechtsrheinischen Gebiet durchzusetzen - dies zeigen die Kriegszüge des Germanicus in den Jahren nach der Niederlage im „Teutoburger Wald“. Wenn dies nicht geschah, so nicht aus Furcht vor der Kampfkraft der Germanen, sondern weil schon unter Augustus, erst recht unter seinem Nachfolger Tiberius, die Strategie des Imperiums in einer konsequenten Grenzsicherung nebst Stabilisierung des Erreichten bestand, und eine nüchterne Kosten-Nutzen-Rechnung zeigte, daß eine dauerhafte Integration germanischer Gebiete nur mit einem unvertretbaren Aufwand erfolgen konnte. Einerseits gab es in den rechtsrheinischen Gebieten weder Bodenschätze noch eine entwickelte Landwirtschaft, andererseits fehlte die politische und auch die materielle Infrastruktur, die eine effektive Einflußnahme erst ermöglicht hätte: Weder konnte man Clientelfürsten oder Clientelkönige einsetzen, die den römischen Einfluß hätten sichern können, noch gab es Siedlungskonzentrationen, gegen die es gelohnt hätte zu Felde zu ziehen bzw. deren Einnahme oder Zerstörung einen dauernden Einfluß gesichert hätte. Wie Tacitus berichtet, soll Tiberius den durchaus erfolgreichen Germanicus mit der Begründung abberufen haben, man habe nun genug für die Wiederherstellung der römischen Ehre getan, man könne jetzt die Germanen ihren inneren Zwistigkeiten überlassen. Ob dieser Ausspruch authentisch ist, sei dahingestellt, jedenfalls wurden auch nach Tiberius keinerlei Anstrengungen mehr unternommen, die Gebiete zwischen Rhein und Weser oder gar zwischen Rhein und Elbe dem Imperium einzugliedern. Die „Varusschlacht“ ist somit sicherlich eine gute „Zeitmarke“, jedoch keineswegs die Ursache für die oben geschilderte Politik Roms.
5 Das oben Gesagte mag genügen, um die Bedeutung der „Varusschlacht“ zu skizzieren und zugleich vor einer Überbewertung zu warnen. Die folgenden Ausführungen sind ein Versuch, die Geschehnisse der Schlacht selbst, soweit dies überhaupt noch möglich ist, zu rekonstruieren, immer unter der Voraussetzung, daß die überlieferten Quellen, wenn schon ungenau, so doch verläßlich sind. Dr.G.<strong>Rosenfeldt</strong> November 2006