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Alterthumskunde. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald

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attische Studien.<br />

Herausgegeben<br />

uon <strong>der</strong><br />

Gesellschaft für Pommersche Geschichte<br />

und<br />

<strong>Alterthumskunde</strong>.<br />

!)! e u n u n d z w a n z i g st e r Jahrgang, ' ^ > l ! -<br />

Stettin, 1879.<br />

Ans Kosten und ini Nerlagc <strong>der</strong> Gesellschaft.


Inhalts-Verzeichniß des 29. Jahrgangs.<br />

u. Vülow: Inventarien von Wildenbruch . . . . . 1—32<br />

Pastor Kasten! Der Vurgwall in <strong>der</strong> Prägel.... 33—49<br />

v. Bülow: Klosterordnung von Wollin und Marienssieß 50—62<br />

Dr. Vlasendorff: Die Königin Louise in Pommern , 63—64<br />

Derselbe: Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit . . . 65—76<br />

I. L. Löffler: Die Klosterkirche zu Bergen auf Rügen 77—114<br />

Einundvierzigster Jahresbericht. I. II 115—142<br />

v. Vülow: Kleinodiendiebstahl ans dem herzoglichen<br />

Schlosse zu Stettin 1574 143—166<br />

Iul. Mueller: Venetianische Actenstücke zur Geschichte<br />

vou Herzog Bogislavs X. Reise in den Orient im<br />

Jahre 1497 167—298<br />

Or. N, Prümers: Caminer Kirchenglocken 299—303<br />

Einundvierzigster Jahresbericht. III. 304—310<br />

Oi-< Kühne: Das Hundekorn 311—455<br />

v. Vülow: Verlassenschaftsinventar <strong>der</strong> Herzogin Sophie<br />

von Pommern 456—465<br />

v. Vülow: Eine tartarifche Gesandtschaft 465^469<br />

v. Vülow: Sittenpolizeiliches aus dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t 470<br />

Einuudvierzigster Jahresbericht. IV. und Schluß . . . 471—504


Mitglie<strong>der</strong>, welche im Besitz älterer Jahrgänge, beson<strong>der</strong>s I., II.,.XII. 2, XXI. 1, XXIV.<br />

und XXVIII. <strong>der</strong> Valt. Studien sind und kein beson<strong>der</strong>es Interesse an denselben haben, werden hoflichst<br />

ersucht, sie entwe<strong>der</strong> gratis o<strong>der</strong> gegen einen zu verabredenden Preis <strong>der</strong> Gesellschaft zu überlassen.<br />

Der Vorstand.


Inhalts-Verzeichnis<br />

S.<br />

v. Bülow: Inventarien von Wildenbrnch 1—32<br />

Pastor Kasten: Der Burgwall in <strong>der</strong> Prägel.... 33—49<br />

v. Bülow: Klosterordnung von Wollin nnd Marienflieh 50—62<br />

Dr. Blasend or ff: Die Königin Louise in Pommern . 63—64<br />

Derselbe: Ans <strong>der</strong> Franzosenzeit 65—76<br />

I. L. Löffler: Die Klosterkirche zn Bergen auf Rügen 77—114<br />

Einundvierzigster Jahresbericht. I. II 115—142


Inventarien<br />

<strong>der</strong> S. Johanniterordenscomthnrei Wildenbruch<br />

aus dcu Jahren 154? und 1560.<br />

Mitgetheilt von Di'. v. Vülow, Staatsarchivar.<br />

Die Herrschaft Wi ldenbruch<br />

^V^IdOndi'nolio) gehörte zum Lande Bahn, welches Herzog<br />

Barnim I. von Pommern durch eine zu Spandan am 28. Dez.<br />

1234 ausgestellte Urkunde ^) an diesem Tage dem Orden <strong>der</strong><br />

Tempelherren Zur Unterstützung des heiligen Landes verlieh,<br />

wobei er demselben auch die Marktgerechtigkcit und Gerichtsbarkeit<br />

über das ganze Territorium übergab. Nach Aufhebung<br />

des Ordens dnrch den Papst Clemens V. kam mit dem Hauptorte<br />

<strong>der</strong> Landschaft nnd mehreren Dörfern anch Wildenbruch<br />

im Jahre 1312 2) an den Iohanniterorden, <strong>der</strong> in Folge eines<br />

Streites mit <strong>der</strong> Stadt Königsberg i. N. die Comthurei von<br />

dem dnrch die Bürger in Brand gesteckten Ordenssitze Nörchen<br />

weg nach Wi ldenbruch verlegte, welches von da an bis zu<br />

seiner Sä'cularisirnng einem hohen Ordensbeamten zur Residenz<br />

gedient hat. Die Urknnde <strong>der</strong> Verlegung datirt vom<br />

16. April 1382 ^).<br />

Wegen <strong>der</strong> in Pommern gelegenen Güter war <strong>der</strong> Orden<br />

') Pomm. Urkundenbuch I, Nr. 308 und 309.<br />

2) Nicht 1311. Obgleich Kratz, die Städte Pommerns, Seite 20<br />

deu vou Guudliug (Pomm. Atlas v. 1724, Seite 94) begangenen und<br />

von Vrnggemann (Beschreibung von Hinterpommern II Seite 73)<br />

wie<strong>der</strong>holten Fehler in <strong>der</strong> Jahreszahl dieses Vesitzwechsels aufgedeckt<br />

hat, so wird <strong>der</strong>selbe doch immer wie<strong>der</strong> nachgeschrieben, z. V. in<br />

Bcrghans Landbnch von Pommern II, 3, Seite 173.<br />

3) Varthold, Gesch. von Pommern lll, Seite 500.<br />

1


2 v. Vülow,<br />

den Herzogen mit Lehnpflicht verwandt, beson<strong>der</strong>s mußten die<br />

Comthure von Wildenbruch zur Beschirmung <strong>der</strong> Landesgrenzen<br />

zwischen O<strong>der</strong> und Randow sich verpflichten, und wenn auch<br />

bei <strong>der</strong> durch die Reformation herbeigeführten Umgestaltung<br />

<strong>der</strong> Verhältnisse <strong>der</strong> Orden den Versuch machte, sich seiner<br />

Obliegenheiten als pommerscher Vasall zu entledigen (1544),<br />

so mißlang dies doch vollständig. Wäre <strong>der</strong> Vorschlag' des<br />

Landtags zu Treptow vom Herzog angenommen worden, so<br />

hätte <strong>der</strong> Comthur zu Wildenbruch mit <strong>der</strong> Einziehung <strong>der</strong><br />

Ordensgüter büßen müssen, so aber gelang es dem Herrenmeister<br />

Thomas Runge, einem geborenen Pommer, wie<strong>der</strong> einzulenken,<br />

so daß mit einem am 26. Sept. 1547 zu Wolgast<br />

abgeschlossenen Vertrag die alten Verhältnisse wie<strong>der</strong> zurückkehrten,<br />

jedoch nach Maßgabe des neuen Glaubensbekenntnisses^).<br />

Durch den Iasenitzer Erbvertrag vom 25. Juli 1569 kam<br />

die Comthure: Wildenbruch mit allem Zubehör an den „Ort<br />

Wolgast", im westphälischen Frieden aber wurde sie säcularisirt,<br />

wechselte mehrmals die Besitzer, bis die Kurfürstin Dorothea<br />

die Herrschaft kaufte, wonach dieselbe einen Theil <strong>der</strong> neugebildeten<br />

Markgrafschaft Schwedt ausmachte.<br />

Als Comthure von Wildenbruchkommenbis1544vor:<br />

Degenhard von Predöl, 1406. . . Riedel I. xiv. S. 294.<br />

Michael van <strong>der</strong> Büke, 1407. . .<br />

Gedeke Schulte, 1413<br />

Nicolaus von Tirbach, 1435. . .<br />

Hans van <strong>der</strong> Büke, 1440. . . .<br />

Caspar von Güntersberg, 1460. .<br />

Otto von Vlankenburg, 1478. . .<br />

Bernd von Rohr, 1492. . . .<br />

Gottschalk von Veltheun, 1527. .<br />

Balthasar von <strong>der</strong> Marwitz, 1544.<br />

Wegen des letztgenannten entstanden ernste MißHelligkeiten<br />

zwischen dem Orden und dem Herzog Philipp I. von Pommern,<br />

„ „<br />

„<br />

II.<br />

„<br />

l.<br />

„ „<br />

„<br />

VI.<br />

XIX.<br />

V.<br />

VI.<br />

XXIV.<br />

„ 298.<br />

„ 313.<br />

„ 42.<br />

„ 343.<br />

„ 64.<br />

„ 406.<br />

„ 478.<br />

„ 345.<br />

.. 247.<br />

4) Barthold IV. 2. Seile 319. Dähnert Forts. I. Seite 918.<br />

Gadebusch Samml. I. Seite 276.


Inventarien von Wildenbruch.<br />

welcher nach Gottschalk von Veltheims Tode (etwa 1543)<br />

seinen Kanzler Balthasar von Waldow zum Nachfolger<br />

ernannt sehen wollte, und da ihm nicht gewillfahrtet<br />

wurde, die Comthureigüter einzog und durch jährlich wechselnde<br />

Beamte verwalten ließ. Obgleich die Acten darüber nichts<br />

verlauten lassen, so muß <strong>der</strong> Herzog doch positive Ursache <strong>der</strong><br />

Unzufriedenheit mit Balthasar von <strong>der</strong> Marwitz gehabt haben,<br />

und nach dem vorhin Gesagten werden wir dieselbe eben in<br />

dem Bestreben des Ordens suchen müssen, die Lehnspflicht los<br />

zu werden ^). Der Orden wußte sich in diesem Streit übrigens<br />

kräftige Beihülfe zu verschaffen, indem ihm nicht nur die Kurfürsten<br />

Joachim und Johann von Brandenburg ihre Vermittelung<br />

versprachen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kaiser selbst unter dem<br />

1. Juli 1545 von Worms aus ein scharfes Mandat an den<br />

Herzog Philipp erließ, den Comthur in feinem Besitz nicht zu<br />

stören. Den brandenburgischen Fürsten gelang es, eine Verständigung<br />

zu erzielen, denn schon vor dem schließlichcn Vertrag<br />

vom 26. Sept. 1547 erklärte sich Philipp mit <strong>der</strong> Person des<br />

Balthasar von <strong>der</strong> Marwitz als Comthur einverstanden unter<br />

<strong>der</strong> Bedingung, daß künftig immer nur eine den Herzogen von<br />

Pommern genehme Person evangelischer Religion zum Comthur<br />

ernannt werde, wogegen <strong>der</strong> neue Herreumeister Thomas Runge<br />

die fortgesetzte Leistung <strong>der</strong> Pflichten eines getreuen Lehns-<br />

2) Eine Urkunde vom 1. Ott. 1544 (Riedel, ^oä. 6p<br />

I. XXIV. Seite 24?) belehrt uns, daß auch wegen <strong>der</strong> Commende<br />

Zachan ein ähnlicher Streit zwischen dem Orden und dem Landesherrn<br />

schwebte, denn in <strong>der</strong>selben giebt <strong>der</strong> Herrenmeister Joachim v. Arnim<br />

zu Sonnenburg in Gemäßheit eines Capitelbeschlusses den Comthuren<br />

zu Lagow und Wildenbruch, Andreas v. Schlichen und Balthasar vd.<br />

Marwitz Vollmacht, die Commende Zachan zu verkaufen „wegen<br />

Beschwerde mit Herzog von Pommern, desgleichen Wildenbruch, so<br />

Pommern noch vor Meisters Tode eingenommen." Der Verkauf von<br />

Zachan fand 26. Jan. (23. März) 1545) an den stettiner Hofmarschall<br />

Wolf v. Vorck statt (Staatsarchiv zu Stettin: 0ri^. Dnc. Nr. 608<br />

und ?riv. Nr. 423.) Wolf v. Borck war am 8. Dez. 1541 vom<br />

Herzog Barnim zum Hofmarschall zunächst auf drei Jahre angenommen<br />

worden. (Ebenda Ori^. Duo. Nr. 592.)


4 u. Vülow,<br />

manns nnd herzoglichen Rathes seitens des Comthnrs verheißt.<br />

Diese Vereinbarung geschah zn Wolgast am 28. Febr. 1547^).<br />

Ans <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> herzoglichen Besitzergreifung finden sich<br />

in den Aeten des König!. Staatsarchivs zn Stettin mehrere<br />

Inventarien von Wildenbrnch, denen die nachstehenden<br />

Mittheilungen entnommen sind?). Der erste vom Herzog<br />

Philipp eingesetzte Beamte war Jürgen von Arnim, er<br />

blieb bis zn Iohannis 1545 und übergab bei seinem Abgange<br />

das Ordenshaus nnd die dazu gehörigen Schäfereien und Vorwerke<br />

Thänsdorf nnd Rörchen sammt allem Inventar seinem<br />

Nachfolger Nicolaus von Selchow. Das von beiden gemeinsam,<br />

„als Jürgen von Arnhim afftoch" aufgenommene<br />

Verzeichniß datirt von Montag vor Iohannis Baptistae<br />

(22. Juni) 1545. Auch Nicolaus von Selchow blieb nnr<br />

ein Jahr, und das von ihm hinterlassene, vom Freitag in den<br />

Pfingsten (18. Inni) 1546 datirte Verzeichniß, „darin vortekent<br />

alles, so van Nickel Szelcho up deme Huße tho Wildenbrugk<br />

na synem Nfftage vorbleven, alße he ein Iar lanck un<strong>der</strong><br />

Handt gehat hefft" zeigt nur geringe Verschiedenheit von dem<br />

vorigen. Das dritte Inventar gehört <strong>der</strong> Zeit an, als die<br />

mit Beschlag belegten Ordensgüter wie<strong>der</strong> an den früheren<br />

Besitzer zurückgegeben werden sollten, es datirt vom Sonnabend<br />

nach Michaelis (1. Oct.) 1547 und wurde durch des Herzogs<br />

Philipp I. Räthe und des Herrenmeisters dazu verordnete<br />

Commissarien gemeinsam aufgenommen. Man scheint nicht<br />

ganz gut mit dieser Arbeit zu Stande gekommen zn sein, denn es<br />

existiren drei verschiedene Redactionen dieses Inventars, welche<br />

nnr wenig Übereinstimmendes haben. Das hier abgedruckte<br />

ist das ausführlichste. Dreizehn Jahre später, 1560, starb<br />

<strong>der</strong> Comthnr Andreas von Blumenthals) ^ Unterlassung<br />

von „ungeferlich fast ihn die fünfftausent Gnlden" Schulden,<br />

«) Staatsarchiv zn Stettin: Wolg. Arch. Tit. 73, Nr. 84, vol. I.<br />

') Ebenda: Wolg. Arch. Tit. 73, Nr. 111.<br />

6) Ebenda. Ob Vlumenthal <strong>der</strong> dirette Nachfolger von Marwitz<br />

gewesen, o<strong>der</strong> ob zwischen beiden noch ein Wechsel stattgefunden hat,<br />

ist nicht ersichtlich.


Inventarien von Wildenbruch. 5<br />

von denen seine Verwandten nur 870 Gulden ans sich nehmen<br />

zn wollen erklärten. Mit Zustimmung des Herzogs Johann<br />

Friedrich von Pommern wurde Martin von Wedels zu<br />

seinem Nachfolger bestimmt, und ihm die Comthurci unter <strong>der</strong><br />

Bedingnng cingethan, daß er die Schulden von dem nach dem<br />

alten Inventar von 1547 Vorhandenen bezahlen solle.<br />

Zu dem Zweck wurde eine Zusammenstellung des Vorraths von<br />

1560 mit einem <strong>der</strong> Inventare von 1547 gemacht^), dieselbe<br />

ist aber, was das letztgenannte Jahr anlangt, höchst dürftig,<br />

und enthält fast nnr leere Eolumucn. Interessanter ist das<br />

Inventar von )560, von dem außer iu <strong>der</strong> erwähnten Zusammenstellung<br />

noch eine zweite Version mit geringen Abweichungen<br />

bei den Acten anfbewahrt wird.<br />

Endlich existirt noch ein Inventar vom Jahre 1576,<br />

nach Absterben des Comthnrs Martin v. Wedel durch die<br />

herzoglich pommerfchen Räthe und die Abgeordneten des Herrenmeisters<br />

Martin Grafen von Hohcnstein am l7. Jan. d. I.<br />

aufgenommen. Es interessirt namentlich durch die dariu enthaltene<br />

sehr genaue Bezeichnung <strong>der</strong> einzelnen Zimmer und<br />

Gemächer, so daß wir an seiner Hand einen Gang durch die<br />

von einem <strong>der</strong> vornehmsten Edlen Pommerns bewohnten Räume<br />

machen können und ein ziemlich genaues Bild <strong>der</strong> inneren<br />

Einrichtung des alten Ordensschlosses zn jener Zeit gewinnen.<br />

Seitdem hat dasselbe freilich viele Verän<strong>der</strong>ungen erfahren,<br />

seine Wohn- nnd Wirthschaftsräume sind den Bedürfnissen<br />

einer neuen Zeit angepaßt worden und haben den Charakter<br />

einer wehrhaften Bnrg verloren, <strong>der</strong> einzige Zenge <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

dürfte <strong>der</strong> alte Wartthurm sein, <strong>der</strong> noch heut<br />

neben dem Hauptgebäude sich erhebt. Betrat man vor 300<br />

Jahren die Eomthnrei Wildenbruch, so empfing den Eintretenden,<br />

wenn er den Graben und das befestigte Thorhaus<br />

hinter sich hatte, im eigentlichen Wohngebäude zuerst „die<br />

") f Ende 15>75.<br />

'") Staatsarchiv zu Stettin: Wolg. Arch. Tit. 7^ Nr. I11:Vcsse-<br />

rnnge undt Menge! bey<strong>der</strong> Inventarien des Hansses Wildenbrnch, eins<br />

Anno :c. M^vii, das an<strong>der</strong> Ao. lx uffgerichtet.


6 v. Bülow,<br />

Hofstube", eine Art gemeinsames Gemach o<strong>der</strong> Halle, mit<br />

an <strong>der</strong> Wand herumlaufenden Bänken, mehreren Tischen und<br />

einem Hängeleuchter. Dies war <strong>der</strong> Aufenthaltsort eines Theils<br />

<strong>der</strong> reisigen Knechte und des Gesindes, hier traten auch die<br />

von an<strong>der</strong>wärts gesandten Voten und Diener ein und warteten<br />

<strong>der</strong> Abfertigung. Dann kam ebenfalls im Erdgeschoß „des<br />

Comthurs Zimmer", mit einer daran stoßenden Kammer<br />

als Schlafgemach, nach dem „ganzen und halben Himmelbett"<br />

zu urtheilen, die darin aufgestellt waren. Diese Kammer<br />

ist wohl identisch mit <strong>der</strong> im Inventar von 1547 an dieser<br />

Stelle genannten „finstern Kammer". Der übrige Theil<br />

des Erdgeschosses mag Wirthschaftszwecken gedient haben. Der<br />

Comthur hatte im ersten Stock noch ein Zimmer „über <strong>der</strong><br />

Hofstube", welches jedoch gelegentlich auch als Gastzimmer benutzt<br />

worden zu sein scheint (1547). Gleiche Bestimmung<br />

werden zwei Zimmer gehabt haben, die als „nächste Kammer<br />

bei dem Seiger" und als „Vor<strong>der</strong>kammer nächst <strong>der</strong> Seigerkammer"<br />

bezeichnet werden; im Inventar von 1547 tragen sie<br />

die Namen von Ordensglie<strong>der</strong>n: „Herrn Hans Rohrs Kammer",<br />

„Ruuges Kammer", und „Johann Werbelows Kammer". Kam<br />

noch vornehmerer, landesherrlicher Besuch, so wurde er in<br />

„des Fürsten Gemach" (1547) aufgenommen, worunter<br />

wohl das später (1570) sogenannte „obere vertäfelte<br />

Gemach" mit feinen zwei zu beiden Seiten gelegenen Kammern<br />

zu verstehen ist, <strong>der</strong>en eine „die grüne Kammer" hieß.<br />

Außerdem gab es noch eine „grüne Stube" und eine<br />

„lehmen Kammer", letztere so bezeichnet, weil ihre Wände<br />

nicht mit Kalk verputzt, son<strong>der</strong>n nur mit Lehm ausgestrichen<br />

waren. Das zu jeuer Zeit kein Luxus mit großeu o<strong>der</strong> elegaut<br />

ausgestatteten Wohnungen gemacht wurde, und daß heut <strong>der</strong><br />

Bürger oft geräumiger und besser eingerichtet ist, als damals<br />

ein Fürst, ist bekannt und zeigt sich hier bestätigt, denn das<br />

Fürstengemach besitzt an Meublen im Jahre 1547 nur zwei<br />

Tische uud vier Bänke; keine Hängeleuchter o<strong>der</strong> Gemälde verzierten<br />

dasselbe, und das Einzige, was 1576 im oberen vertäfelten<br />

Gemach als Luxusgegenstand bezeichnet werden könnte,


Inventarien von Wildenbruch. 7<br />

ist ein grüner, wollener Teppich über den Tisch. Nur ein<br />

Ofen wird namhaft gemacht, er stand in dem Raum vor <strong>der</strong><br />

Hofstube, und reichte in diefe hinein, die er vielleicht von außen<br />

heizte. Selbstverständlich darf man aber daraus nicht schließen,<br />

daß es keine weiteren im Haufe gab. Zur Bequemlichkeit<br />

dienten allerdings die vielfach verzeichneten Polster und Le<strong>der</strong>kissen,<br />

doch ist dabei zu bedenken, daß gepolsterte Sessel o<strong>der</strong><br />

Bänke zu den Seltenheiten gehörten, und jene Kissen dazu<br />

waren, das Sitzen auf den harten Holz- o<strong>der</strong> Steinbänken erträglicher<br />

zu machen. „Lehnbänke" sind nur wenige verzeichnet<br />

und das heut zu Tage übliche halbe Dutzend Stühle in jedem<br />

Zimmer war unbekannt. Ein o<strong>der</strong> zwei Stühle o<strong>der</strong> Sessel<br />

genügten im Gemach, da die an <strong>der</strong> ganzen Wand entlang<br />

gehende Bank nur felten fehlte. Wie an<strong>der</strong>wärts fo vermissen<br />

wir auch hier die vielen Gegenstände mancherlei Art, mit denen<br />

wir gegenwärtig unsre Zimmer wohnlich machen und schmücken;<br />

so kommen, um nur einen zu nennen, „gemalte Tafeln", d. h.<br />

Gemälde nur zwei o<strong>der</strong> drei Mal vor. Man darf diesen<br />

Mangel nicht dadurch erklären wollen, daß diese Gegenstände<br />

Privateigenthum des jedesmaligen Inhabers <strong>der</strong> Eomthurei<br />

waren und nicht mit verzeichnet wurden, denn die Inventarisirung<br />

erstreckte sich auch auf die Klei<strong>der</strong> und Leibwäsche des Eomthurs,<br />

und in <strong>der</strong> That wurden in seinem Gemach mancherlei Dinge<br />

gefunden, die, fei es zum Gebrauch o<strong>der</strong> zur Zier, auch unsre<br />

Zimmer in <strong>der</strong> Gegenwart füllen, aber sie standen und lagen<br />

nicht offen da, son<strong>der</strong>n stacken in großen Kisten im wirren<br />

Durcheinan<strong>der</strong> mit Vorräthcn aller Art, Waffen, Geschirr zu<br />

Ehren und Unehrcn und dgl.<br />

Viel mehr Werth legte man dagegen auf die Wehrhaftigkeit<br />

des Haufes und feiner Bewohner, und nach diefer<br />

Seite hin läßt die Comthurei Wildenbruch denn auch nichts<br />

zu wünschen übrig, vielmehr finden wir Alles, was zur Vertheidigung<br />

eines so wichtigen Platzes wie das Ordensschloß<br />

gehörte, in reichlicher Menge vorhanden. Einen großen Theil<br />

seiner Festigkeit verdankte dasselbe freilich seiner Lage am See,<br />

<strong>der</strong> von drei Seiten das Andringen feindlicher Macht ver-


8 v. Bülow,<br />

hin<strong>der</strong>te; aber anch die 5lllilst hatte znr Sicherung <strong>der</strong> Belvohner<br />

das ihrige beigetragen, ein aufgeworfener Graben mit<br />

Wall und Mauer schützte vou <strong>der</strong> Landseite. Auf <strong>der</strong> „Außcuniauer"<br />

waren znnächst „vier Karrenbüchseu", d. h. Kanonen<br />

inehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> schweren Kalibers, auf Lafetten aufgestellt,<br />

die nöthige Munition dazn fand sich in <strong>der</strong> „Zeugkammer",<br />

die ebenfalls auf o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Anßenmauer sich befand, denn<br />

die vier Karrenbüchsen werden als „neben <strong>der</strong> Zeugkammer"<br />

aufgestellt bezeichnet. Letztere enthielt auch eine große Anzahl<br />

„Haken", d. h. kleinere Geschütze auf Rä<strong>der</strong>n, nach An<strong>der</strong>n<br />

eine Handkanone; ferner „Handrohre" zur Abwehr einzeln Anstürmen<strong>der</strong><br />

und eine Menge Formen zum Kugelgießen. Das<br />

„Thor" war beson<strong>der</strong>s befestigt, es hatte über dem Erdgeschoß<br />

mindestens noch ein Stockwerk und konnte einem nicht zu heftigen<br />

Angriff selbständig wi<strong>der</strong>stehen. Der Comthnr hatte ein eigenes<br />

„Gemach auf dem Thorhause" (1576), von dem aus er den<br />

Angreifer übersehen und die Abwehr leiten konnte. Das Thorhaus<br />

wird daher auch „das Vorschloß" genannt und zwei<br />

Doppelhaken dienten zn seiner Vertheidigung. Als zweites<br />

Befestigungswerk ist die „Bastei" zu nennen; ihre Lage war<br />

aber nicht, wie man denken sollte, weit nach außen hin als<br />

vorgebaute Schanze, vielmehr ging sie nach dem Hof zu, auch<br />

war kein Geschütz daselbst angebracht. Sie hatte ein oberes<br />

Stockwerk mit mehreren gemalten Zimmern, die Befestigung<br />

bestand also vielleicht nur in einem dickgemauerten Erdgeschoß.<br />

Im Schloß befand und befindet sich jetzt noch eine „Kapelle" ;<br />

auch sie konnte im Nothfall vertheidignngsfähig gemacht werden,<br />

denn 1576 werden „vier Stücke Geschütz über <strong>der</strong> Capellen<br />

o<strong>der</strong> Kirchen" erwähnt. Das Centrum aber <strong>der</strong> Vertheidigung,<br />

die letzte Zuflucht <strong>der</strong> Belagerten, wenn das Thor uud Vorschloß<br />

gefallen, die Mauer erstürmt war, nnd <strong>der</strong> Hof von<br />

Feinden wimmelte, welche die Brandfackel in die Gebäude zu<br />

werfen sich anschickten, war <strong>der</strong> starke uud feste „Thurm", dem<br />

das Feuer nichts anthat und dessen flaches Dach von nuten<br />

her nicht beschossen werden konnte. Er war mit einem Falkonet<br />

auf Rä<strong>der</strong>n nnd zwei Doppelhaken besetzt, anch befand sich


Inventarien von Wildendruch. 9<br />

einiger Pnlvervorrath oben. Hier auf <strong>der</strong> einen weiten Rund-<br />

blick gestattenden Hohe war auch <strong>der</strong> „Hausmann" o<strong>der</strong> Thurm-<br />

wächter Postirt, <strong>der</strong> von dort aus auszuschauen hatte nnd wenn<br />

er Verdächtiges erspähte, mit dem Horn ein Zeichen geben<br />

mnßte. 1576 stand ihm dazu lei<strong>der</strong> nur „1 Tromette ohne<br />

Mnndstücke" znr Disposition. Das eigentliche Wachtpersonal<br />

befand sich am Thor im „Vorschloß", wo es, um sich bei rauher<br />

Jahreszeit vor Kälte zu schützen, „2 Wechterpclze" Vorsand.<br />

Die Waffen für deli täglichen Dienst in Friedenszeit lagen<br />

„vor <strong>der</strong> Hofstnbe" in einem „Harnischkasten", daneben lehnten<br />

die nöthigen Spieße und Stangen. Das Arsenal des<br />

Schlosses aber, ans welchem die Ritter nnd die reisige Mann-<br />

schaft des Ordens fammt dem Fußvolk und den Schützen be-<br />

waffnet und zu einem Kriegszug vollständig gerüstet werden<br />

komrten, war „die Harnischkammer". Hier ist zunächst die<br />

volle Rüstnng, „<strong>der</strong> Kyritzer" o<strong>der</strong> Küraß, des Comthurs zu<br />

nennen, dann die stählernen Sättel und Stirnen für die Streit-<br />

rosse, vier vollständige Rüstzeuge mit allem Zubehör, Haupt-<br />

harnisch, Ringkragcn 3e., die Ausrüstung für sieben Schützen,<br />

dazu eiue Menge Harnische, Pickelhauben, kurze und lange<br />

Schwerter, Dreiecker, Pö'cke, Streithammer, Bogen von Horn<br />

und Stahl und die Winden dazu, Köcher für die Pfeile neben<br />

den Fenergewehren, Haken nnd Büchsen, Ladestöcke zum groben<br />

Gefchütz sammt den Lunten, ein großer Kugclvorrath nebst<br />

Formen, um neue zu gießen, Pulver und Schwefel in Menge.<br />

Nach gemachtem Gebrauch wurde Alles wie<strong>der</strong> hichergebracht,<br />

wo man Vorrichtnngen hatte, um erlittene Schäden auszubessern,<br />

das Ringzeng zu reinigen, die Rüstnngen mit Fett einzufchmieren ?e.<br />

Der Pnlvcrvorrath ist übrigens über das ganze Gebäude vertheilt,<br />

außer an den genannten Orten, wo er hingehört und erwartet<br />

werden kann, trifft man ihn auch an<strong>der</strong>wärts, bald in des<br />

Comthnrs Kammer, in den Gastzimmern, hier und da in einem<br />

Kasten in größerer o<strong>der</strong> geringerer Menge; ob aus Nachlässigkeit<br />

o<strong>der</strong> mit Absicht, mag dahin gestellt bleiben.<br />

Daß in ruhigen Zeiten die friedliche Beschäftigung mit<br />

Jagd und Fischerei eisrig getrieben wurde, davon geben


10 v. Vülow,<br />

die vorhandenen Gerätschaften Zengniß. Theils mit dem<br />

„Pirschrohr", theils mit dem „Knebelspieß" wurde Feld und<br />

Wald von <strong>der</strong> fröhlichen Iägerschaar durchstreift, öfter noch<br />

wurde still ani Vogelheerd die arglose Schaar <strong>der</strong> muntern<br />

Sänger o<strong>der</strong> die vom langen Wan<strong>der</strong>flnge ermüdet einfallende<br />

Kette <strong>der</strong> Enten überlistet, o<strong>der</strong> es wurde <strong>der</strong> große Jagdzeug,<br />

die „Wildtücher", „Reh- und Hasennetze" zu einem gestellten<br />

Jagen hinausgefahren. Die kleinere Jagdbeute ward<br />

in die Küche geliefert und verschwand in den großen Kesseln,<br />

von den größeren Jagden stammen die „Bärenhäute" und das<br />

„Hirschgeweih", die im Inventar aufgezeichnet sind, auch das<br />

Material zu dem „Wolfspelz mit Sammt verbrämt" wird bei<br />

solcher Gelegenheit gewonnen sein.<br />

Eine Art des Luxus war damals unter <strong>der</strong> Männerwelt<br />

herrschend, die wir in dem Grade heut nicht mehr kennen, <strong>der</strong><br />

Klei<strong>der</strong>aufwand. Davon zeugen die zahllosen Klei<strong>der</strong>ordnnngen<br />

und Luxusgesehe, mit denen man bis in das vorige Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

vergeblich dem maßlos gewordenen Unwesen steuern wollte.<br />

Es ist in dieser Beziehung interessant, einen Blick in des<br />

Comthurs Gemach zu thun, wo in einem halben Dutzend großen<br />

Kasten o<strong>der</strong> Truhen, wie wir sie heut noch vorzugsweise<br />

bei <strong>der</strong> ländlichen Bevölkerung im Gebrauch finden, em großer<br />

Vorrath von Kleidungsstücken in ziemlich ordnungsloser Mischung<br />

mit an<strong>der</strong>n Gegenständen aufbewahrt sind. Die Zahl<br />

<strong>der</strong> Wämser, <strong>der</strong> Hosen und Jacken ist enorm, und nicht min<strong>der</strong><br />

groß die Verschiedenheit ihrer Ausstattung. Neben dem<br />

alten abgetragenen „Mantel von kindischem Tuch" und den<br />

altbewährten le<strong>der</strong>nen Hosen, 'die des Schmuckes nicht bedurften<br />

"), liegen da die prächtigsten Wämser aus Seidentaffet und<br />

Sammt, mit Pelz verbrämt und mit Silber gestickt, ja eine<br />

Menge Stoffe sind noch nicht verarbeitet, son<strong>der</strong>n erst zugeschnitten,<br />

um in <strong>der</strong> „Schnei<strong>der</strong>ei" (1560) . unter <strong>der</strong> künstlichen<br />

Hand des Bru<strong>der</strong> Schnei<strong>der</strong>s vollendet zu werden. Nennen<br />

wir unsere heutige Art, uns zu kleiden, bequem, so hatte<br />

") Doch gab es auch rothe Le<strong>der</strong>hoftn (1560).


Inventarien von Wildenbruch. 11<br />

die damalige Zeit entschieden den Vorzug <strong>der</strong> Schönheit;<br />

prächtig hat gewiß <strong>der</strong> Comthur ausgesehen, wenn er sich mit<br />

seinem Festkleide schmückte, dem „damasten Atlasrock mit Sammit<br />

vorbremet und Mar<strong>der</strong>kehlcn gefüttert, an den Ermeln<br />

mit silbernen Schnüren", dazu „ein Paar leibfarbene Hosen<br />

mit Sammit vorbremet." Um den Hals legte er dann wohl<br />

„die güldene Ketten mit des Herzogen von Preußen Conterfei",<br />

welche 153 Glie<strong>der</strong> hatte und für den „Perlenkranz" und das<br />

„silberne Kreuz" kaum noch Raum übrig ließ. Wir würden<br />

dieser Pracht unsern vollen Beifall geben, wenn nicht dem<br />

Reichthum <strong>der</strong> Klei<strong>der</strong>stoffe und Schmucksachen ein bedenklicher<br />

Mangel an Leibwäsche gegenüber stünde, denn trotz genauer<br />

Zählung besaß <strong>der</strong> Comthur noch nicht ein halbes Dutzend<br />

Hemden, davon ist eins noch dazu ein wollenes, vertritt also<br />

mehr eine heutige Flanelljacke. Nicht größer ist <strong>der</strong> Vorrath<br />

an Taschentüchern, da die 15 „Facinetlein", die man gern<br />

dafür nehmen wollte, durch eine berichtigende Anmerkung<br />

zu Tellertüchern ungestempelt werden; am schlimmsten aber<br />

sieht es mit den Strümpfen aus, „1 Paar gestrickte Strumpe"<br />

ist Alles, was verzeichnet werden kann, denn dieser heut so<br />

nothwendige Wäscheartikel war damals noch wenig im Gebrauch,<br />

man bekleidete den Fuß mit zusammengenähten Zeugstücken.<br />

Dagegen ist erfreulicher Weise sehr viel Tisch- und<br />

Bettzeug vorhanden und noch größer sind, <strong>der</strong> Gewohnheit<br />

<strong>der</strong> Zeit gemäß, die Mengen unverarbeiteter Leinwand, die<br />

aus allen Gemächern zum Vorschein kommen.<br />

Für Speis und Trank war ebenfalls aufs reichlichste gesorgt:<br />

190 Speckseiten, 7^/2 Schock Würste, 85 „Spieß" von<br />

allerlei Fleischvorrath, 161 Tonnen Bier und an 2 Fu<strong>der</strong><br />

verschiedenen Weines lassen die Furcht uicht aufkommen, daß<br />

die Ordensleute hätten Mangel leiden müssen. Die Tonnen<br />

Butter und Käse sind dabei noch nicht gerechnet, viel weniger<br />

das lebende Inventar <strong>der</strong> fetten Schweine und Kälber, auch<br />

war Malz und Korn genug vorhanden, um im „Backhaufe",<br />

o<strong>der</strong> im „Helm uf dein Kirchoffe, da mahn Wasser in brendt",<br />

neuen Stoff für durstige Kehlen zu bereiten.


12 o. Vülow,<br />

Einer Annehmlichkeit muß noch gedacht werden, die das<br />

Mittelalter vor <strong>der</strong> Jetztzeit vorans hatte, „<strong>der</strong> Badestube."<br />

Sehr häufige warme und kalte Bä<strong>der</strong> waren ein so allgemein<br />

ues Bedürfniß, daß in den Städten oft Stiftungen vorkommen,<br />

durch welche Wohlhabende ihren ärmeren Mitbürgern den Genuß<br />

des Bades umsonst bereiteten. Es fällt anf, daß in<br />

den älteren Inventarien von Wildenbrnch <strong>der</strong> Badestnbe keine<br />

Erwähnung gethan wird, da sie doch jedenfalls existirt hat,<br />

erst 1570 wird sie genannt nnd wir lernen dabei zugleich ihre<br />

Einrichtung kennen. Danach befand sich „vor <strong>der</strong> Badtstnben"<br />

ein heizbarer Ranm, in welchem als wesentlicher Bestandtheil<br />

eines Bades eine eingemauerte Pfaune augebracht war, „darinnen<br />

ohngefehr ein Thonne Wasser gehet," „in <strong>der</strong> Badestuben"<br />

dagegen ist vor allem ein „Wasserfas", dann aber eine<br />

„Oberbanck mit zwe Vorbencken o<strong>der</strong> Triftpen" vorhanden.<br />

Auf diese terrassenförmig aufsteigeuden Bänke setzte o<strong>der</strong> legte<br />

<strong>der</strong> Badende sich, um eine Zeit lang zu transftiriren. Hier<br />

käme denn auch die „Badekaftfte" zur Verwendung (1560),<br />

wenn <strong>der</strong>selben nicht durch eine Randbemerkung eine an<strong>der</strong>e<br />

Bestimmung gegeben würde.<br />

Die Geschäfte, welche <strong>der</strong> Comthur als Vertreter des<br />

Ordens, als mächtiger Lehnsmann und Herr eines großen<br />

Gebietes und vieler Unterthanen zu führeu hatte, wurdeu in<br />

<strong>der</strong> „Canzlei" vollzogen, welche im Erdgeschoß „über dem<br />

Keller" lag. Dort wurden die Abgaben von den Dörfern<br />

eingeliefert, Kaufverträge abgeschlossen nnd die Urknnden darüber<br />

ausgefertigt, wobei <strong>der</strong> „Prior" als Schrift- und Rechnungsknndiger<br />

behülflich gewesen sein wird. 1560 diente die<br />

Canzlei an<strong>der</strong>n Zwecken, sie war Vorrathskammer für allerhand<br />

Geschirr und Eisenwerk, anch wnrde eine Menge Vogelnetze<br />

daselbst aufbewahrt. Auch über des Priors Wohnung<br />

war, an<strong>der</strong>s disponirt worden, 1570 heißt es: „im Priorat,<br />

da itzo die Schule ist"; doch wurde nur ein Zimmer so verwendet,<br />

drei blieben noch übrig und hatten eine wohnliche<br />

Einrichtung.<br />

Die Wirthschaftsgebäude bedürfen keiner beson<strong>der</strong>en Er-


Inventarien von Wildenbruch. 13<br />

wähnung, sie sind nicht an<strong>der</strong>s als auf jedem größeren Gutshof<br />

und haben wir aus diesem Grunde auch davon abgesehen,<br />

die in allen genannten Verzeichnissen nach dem Inventar des<br />

Hauses Wildenbruch folgenden Inventare von Rörchen und<br />

Thänsdorf mit ihren Vorräthen an Feldfrüchten mitzutheilen.<br />

Die Verzeichnisse enthalten viele <strong>der</strong> Erklärung bedürftige<br />

Ausdrücke, welche nicht immer leicht zu geben ist, da es dazu<br />

einer schwer zu erlangenden Kenntniß nicht nur des mittelalterlichen<br />

Lebens und Treibens im Allgemeinen, son<strong>der</strong>n auch<br />

<strong>der</strong> einzelnen Hantirungen uud Gewerbe bedarf. Es ist daher<br />

wohl möglich, daß in den Deutungen nicht immer das Richtige<br />

getroffen fein mag, z. B. über die vermiedenen Arten<br />

<strong>der</strong> Feuerwaffen, da oft dieselbe Waffengattung an an<strong>der</strong>em<br />

Ort auch einen an<strong>der</strong>n Namen trägt.<br />

Inventarium des Hauses Wildenbruch gemacht doselbst<br />

durch Herzogk Philipsen zu Pommeru Rethe,<br />

uud des Hernmeisters Sanct Iohans Ordens ?c.<br />

dar zu geordenten Bev el chabern, gescheen zu Wildenbruch,<br />

Sonnabends nach Michaelis Anno ?c.<br />

xlvij (1. Oct. 1547).<br />

In <strong>der</strong> Hofestobenn. Vor <strong>der</strong> Hofestuben.<br />

7 Tische 6 Fürspiesse<br />

5 Vengke 3 Stangen<br />

2 Schencketisch 1 Harnischkastcn<br />

1 Hantbecken 2 Spinde<br />

2 Leuchtereisenn<br />

1 Brotkorb i2) Ins Comptors Gemache.<br />

1 Schüsselringk ^) 2 Spanbetten<br />

2 Branteiser^) 1 Flechte<br />

l2) 1545 mit dem Zusatz: „darynne alle Almiß aufgehoben werden" ;<br />

1546: darinne alle Brockhel gesammelt werden".<br />

") 1545: „Thischrinck"; 1546: „Schottelrinck", Ning nm das Geschirr<br />

nnd die Schüsseln ans dem Tisch festzustellen.<br />

") 1545 mit dem Znsatz: „vor dem Schorstein", also Eisen, um<br />

das Feuer im Kamin zu schüren.


14 v. Vülow,<br />

3<br />

1<br />

1<br />

2<br />

1<br />

8<br />

5<br />

2<br />

26<br />

1<br />

1<br />

1<br />

3<br />

1<br />

1<br />

ledige Kasten<br />

schloßfeste Tisch<br />

Cuntor in die Wand gemnret<br />

i5)<br />

Bangkpfüle<br />

beschlagen Stnel<br />

Tischtücher<br />

Handtücher<br />

vorhangende Schlosser<br />

Bücher<br />

Flaschenfntter<br />

clein Spindechen<br />

Trommeten<br />

Eyßhagken<br />

Ciesem (!) Bnxe<br />

unbeschlagcn Stuel<br />

Sezstuel<br />

1 Sn<strong>der</strong>bbangk (!) ^)<br />

27 Hellebarten<br />

3 gemalte Figuren<br />

In <strong>der</strong> finster Kammer.<br />

11 Tafelkannen<br />

9 hulzene Schüsseln<br />

! Tonne Pnlfer, feilet ein<br />

weinigk daran<br />

3 Firtel Festlein mit Pulfer<br />

missingen Begken<br />

1 holzenne Wanne<br />

! Tonne Schwefel<br />

2 missings Lenchtcr<br />

4<br />

3<br />

1<br />

4<br />

2<br />

Bodem Wachs, feilet ein<br />

wenigk dran<br />

Stüle<br />

clein Tischlein<br />

Bencke<br />

eisern Hespen<br />

In <strong>der</strong> Gastkammerüber<br />

<strong>der</strong> Hofestubenn.<br />

7 Spanbeten ^)<br />

15 Betten<br />

4 Hoftpfüle<br />

2 Küssen<br />

In Er Hans Roers<br />

Kam mer.<br />

3<br />

1<br />

1<br />

1<br />

2<br />

1<br />

Betten<br />

Spanbette<br />

In Rnngen Kammer.<br />

Spanbette<br />

In Jochen Werblows<br />

Spanbette<br />

Kammer.<br />

In <strong>der</strong> Schnei<strong>der</strong>ei.<br />

Spanbette<br />

Tische<br />

Kasten<br />

I^em. in <strong>der</strong> Canzley.<br />

missings Hantfaß<br />

'5) Schrank, Spind, Fach an einem Tisch.<br />

'6) Wohl verschrieben für Siedelbank, Seitenbank, welche an <strong>der</strong><br />

Wand hinlief nnd meist an <strong>der</strong>selben befestigt war.<br />

") Spanbette: ein tragbares Gestell, dessen nach Art unserer Feldstühle<br />

gespannter Sitz mit Kissen belegt wurde; Nnhebett.


1 Tisch<br />

1 Bangkpfuel<br />

4 Bencke<br />

1 Stuel<br />

1 Feuereisen<br />

1 eiserne Schupe<br />

1 Schareisen<br />

Vor d er Harnisch kämm er.<br />

8 Betten<br />

4 Hoptpfüle<br />

2 Spanbetten<br />

1 Kasten<br />

1 offen Knm<br />

In <strong>der</strong> Harnischkammer.<br />

1 Kuritzer^)<br />

4 Gezeuge mit aller Zubehorung,<br />

ohne 3 Fausthemmer,<br />

die hat Er Baltzar von <strong>der</strong><br />

Marwitz Weggenohmen.<br />

6 Hoptharnisch<br />

2 Par Ermel, die hat Vizentz<br />

von Wermsdorf weggenohmen.<br />

Inventarien von Wildenbruch. 15<br />

6 stelene Stirnen<br />

2 Hemer<br />

3 Schurtze<br />

1 Par Flanckern^)<br />

1 Rinckkragen 20), hat auch<br />

Wermsdorf Hinweggenohmen.<br />

1 fielen Glu<strong>der</strong> (?) ^) mit<br />

aller Zubehorungk, hat<br />

Wermsdorf auch von hier<br />

genohmen<br />

7 Schützengezeuge<br />

5 Schwerte mit Silber beschlagen<br />

5 kurze Degen mit Silber beschlagen<br />

6 Dreiecker 22)<br />

7 hörnen Bogen<br />

1 stelen Bogen<br />

6 Winden dorzu<br />

8 stelene Sattel, 1 Sattel hat<br />

Golitz weggenohmen<br />

2 Par Streithamerken (?) ^)<br />

1 Nietzeugk<br />

'8) Kuritzer, Küraß, von ouii-^386, also eigentlich Le<strong>der</strong>panzer, ein<br />

mit dem Gegenstand selbst aus dem Französischen übernommenes Wort.<br />

w) Flanker: Zierrath (?) am Panzerschurz. Brinkmeier, Glossar.<br />

n) Der Ringkragen o<strong>der</strong> die Halsberge ist von Stahl und wie<br />

unsre mo<strong>der</strong>nen Stehkragen gestaltet, doch mit einem den oberen Theil<br />

<strong>der</strong> Brust und des Rückens soloie die Schlüsselbeine bedeckenden Ansatz,<br />

<strong>der</strong> dem Vrustharnisch zur Unterlage und Stütze dient.<br />

2') Vielleicht für Glode ^ Feuerzange ? Hans. Urk. II. S. 57.<br />

22) Stoßwaffe mit dreikantiger Klinge.<br />

22) Streit- o<strong>der</strong> Fansthammer, eine Neiterwaffe, die gegen Mitte<br />

des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts erscheint. Die vor<strong>der</strong>e Halste des Eisens endigte<br />

in eine lange gekrümmte Spitze, um in die Rüstung des Gegners ein<br />

Loch zu schlagen, und denselben dadurch festzuhalten. Beim Nicht-<br />

gebrauch hiug <strong>der</strong> Streithammer am Sattelknopf.


1 » > v. Vülow,<br />

4 Par Stangen<br />

5 Kocher<br />

5 alte Vomsettel<br />

1 Tisch mit einen: Cnntor ^)<br />

4 Bencke<br />

2 Stügk von einer hirschhant<br />

1 Cuntorschrauben, hat Werms-<br />

dorf weggcnohmen<br />

Item neben <strong>der</strong> Harnisch-<br />

kammer in <strong>der</strong> wüesten<br />

3 Spanbette<br />

Camer.<br />

Item in dem nigen Ge-<br />

mach über dem Thor.<br />

17 Betten<br />

^<br />

4 Küssen<br />

Z Hoptpfüle<br />

3 Par Lagkcn<br />

4 Spanbetten<br />

1 missings Cammerbecken<br />

Inn meins HernSchlaf-<br />

8 Vette<br />

3 hoptpfüle<br />

1 Par Lagken<br />

1 Hoptküssen<br />

k a m ni e r.<br />

1 missings Cammerbegken<br />

5 Betten<br />

Im Mars stalle.<br />

1 Hoptpfüel<br />

24) 1576 war <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Haruischkammer im Wesentlichen<br />

<strong>der</strong>selbe, was Hand- und Schußwaffen anlangt, neu dagegen ist ein<br />

großer Vorrath von Schußwaffen und Zubehör. Nach dem „Tisch mit<br />

einem Cnnthor", welches letztere übrigens 1576 nicht mehr vorhanden<br />

war, heißt es weiter:<br />

9 lange Nohr mit Fenerschlösser<br />

10 Hacken mit Laden<br />

11 eiserne Hacken ohne Laden<br />

2 grosse Büchsenn<br />

1 Kammerbüchse<br />

9 lange Fürspiesse mit Eisenn<br />

6 Ladestöcken zum grossen Geschüze<br />

sampt etlichen Lnntenn.<br />

1 Achtentheill<br />

Pnlver<br />

'/2 Eimmer<br />

3 eiserne Formen zun Büchsen<br />

2 steinerne Formen<br />

3 ehrne Buchsenn, darin man Fet<br />

vorwahret, damit die Rüstunge<br />

geschmiret wirdt<br />

1 Thonnen, darin man den Ringzeug<br />

reinigt.<br />

1 beschlagen Fntter, darin Briefe<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong> Dinge geführet<br />

werdenn<br />

162 bleiene Kugeln zu Handtrören<br />

nnd halben Hacken<br />

4 Stücke Geschüz über <strong>der</strong> Capellen<br />

o<strong>der</strong> Kirchen<br />

1 Viertelt <strong>der</strong> Tonnen Schwefel<br />

4 Par Stangen<br />

Dagegen fehlt <strong>der</strong> Vorrath in <strong>der</strong> Zengkammer uud die Armirnng<br />

des Thurmes uud <strong>der</strong> Mauer ganz. Auffällig ist, daß im Inventar<br />

von 1560 gar kein Geschütz, überhaupt unr sehr wenig Waffen vorkommen.


Item alleruberst uf dem<br />

Torme.<br />

1 Falgkenetlein<br />

2 dubbelte Hagken<br />

1 T. Pnlfer<br />

In des Fürsten Gemach.<br />

2 Tische<br />

4 Bencke<br />

In <strong>der</strong> Zeugkkammer.<br />

28 Hagken<br />

4 Hantrore<br />

1 M Kuglet)<br />

3 Hantfeßlein mit Pulfer<br />

10 Formen^)<br />

Item ans <strong>der</strong> Manren.<br />

4 Karrenbüxen neben <strong>der</strong><br />

Zengkkammer<br />

Ufm Thor im Forschloße.<br />

2 dnbbelte Hagken<br />

In <strong>der</strong> Küchenn.<br />

26 Seitten Spegk<br />

34 große czennene Schüssel<br />

7 mittel zinen<br />

12 große zenene Teller<br />

9 cleine zenene Teller<br />

Inventarien. 17<br />

5 Saltzirgenn<br />

30 Kessel groß und clcin, böse<br />

und gut<br />

2 eiserne Nrathpfannen<br />

3 Brathspiesse<br />

2 orene Tiegel<br />

2 Bagkpfannen<br />

3 Grapen<br />

1 Dreifues<br />

1 Reibeiser<br />

1 Morser<br />

1 großer Schüsselgraften<br />

2 cleine Bodemen<br />

4 Roste<br />

3 Kesselhagken<br />

3 lange Hagken<br />

6 kopperne Deckel<br />

1 eiserne Schuppe<br />

1 Kalragke^)<br />

3 missings Spritzen<br />

3 Betten<br />

1 Hoptpfül ohne Zichen<br />

1 Kasten in <strong>der</strong> Küchendornze 26)<br />

2 Zober<br />

Item im Keller.<br />

8 zinnenne Kannen gros und<br />

clein<br />

In den Prior a dt.<br />

8 Bücher<br />

n) Ob M o<strong>der</strong> m ^ 1000? Das wäre sehr viel.<br />

2") Als 1620 das städtische Zeughaus zn Stettin mit Vorräthen<br />

versehen werden sollte, kaufte <strong>der</strong> Nath auch Kugelform eu, das Stück<br />

zu 4 Gulden, eiue ucue Trommel zu 3 Gulden 8 Schill., <strong>der</strong> Preis<br />

vou Musketen variirte vou 2—3'/? Thlr.<br />

'^') Kohlrake, s. u. Aum. 6^.<br />

'^) War Eigenthum des Kochs, 1576.<br />

2


18 v. Bülow,<br />

1 Tisch<br />

1 Spini<br />

2 Bencke<br />

1 missings Hantfaß<br />

In Er Adams Gemach.<br />

1 Spanbette<br />

1 Tisch<br />

1 Sidelbangk<br />

Im Bagkhause.<br />

1 Breupfanne<br />

3 Bodemen<br />

1 Küpe<br />

5 Schliefen<br />

2 Siebe<br />

1 Backtroch sampt dem Bagkgerethe<br />

1 groß Kessel<br />

6 Segke<br />

Nf dem Forschlosse.<br />

3 Rorschuefel<br />

5 Sehelen 29)<br />

1 grosse Buxe unter <strong>der</strong> Treppe<br />

2 Holzwagen<br />

1 Kumb zue Ziegelerde ^)<br />

1 Fischkarn^)<br />

1 Kiste in Rammen Kammer<br />

2 Wechterpelze<br />

Item im Vi ehe Hofe.<br />

1 Schogk und 9 alt Henpt<br />

Rintviehe, dorunter seint<br />

46 mulgke Kühe<br />

26 Kelber vom überm und<br />

diesem Iare<br />

1 Schogk Mastschweine<br />

71 hungerigc Schweine clein<br />

und gros ungeferlich<br />

2 Schogk Gcnse<br />

Anu Milchspeise.<br />

3 Viertel Bottcr<br />

4 Achtenteil<br />

1/2 Tonne Puter<br />

1 Salztuune Kese<br />

7 Seitten Sftegk<br />

1 Pfanne, do man dem Viehe<br />

inne hitzt<br />

4 Kessel groß und klein<br />

2 Kesselhagken<br />

14 Scheffel Malz<br />

5 Stogke Bienen im Hofe<br />

Ufm Viehehofe.<br />

2V2 Wispel Gerste<br />

1 Wispel 3 Schefel Rogkm<br />

'/2 Wispel Erbessm<br />

V2 Wispel Malz<br />

In <strong>der</strong> Schenne vordem<br />

V orw cr gke.<br />

^/2 Scheune voll Hafer bis an<br />

die Mittelhebinge<br />

Sehelen, Halssehle, Siele, Theil des Pferdegeschirrs.<br />

Kum.' 1576 „zur Ziegelerde, mit Eisen beschlagen".<br />

Fischgarn.


In <strong>der</strong> großen Schcnnc<br />

nfm Berge bei Sanct<br />

Georgen.<br />

31/2 Viertel Gersten<br />

2 Viertel Gersten<br />

1 Viertel Hafer<br />

'/2 Viertel an Rogkcn, Gersten<br />

nnd Hafer, gehört den:<br />

Gotshanfe<br />

In <strong>der</strong> Schennen bei<br />

<strong>der</strong> Clanse.<br />

Viertel Rogken<br />

Inventarien. 19<br />

'/2 Wispel gedroschen Nogkcn<br />

in <strong>der</strong> Schennen<br />

6 gntte Viertel vol Nogken<br />

in zweien Schennen bei <strong>der</strong><br />

Schefferci<br />

1 Viertel Erbessen ><br />

Von diesem Nogken anßgesehet<br />

11V2 Wispel in diessem Agkerwcrgk<br />

znm Wildcnbrugk.<br />

Nnn folgen die Inventare <strong>der</strong> Schäferei zn Wildeubruch,<br />

fowie <strong>der</strong> Vorwerke zu Nörchen nnd Thänsdorf, welche hier<br />

fortgelassen worden sind.<br />

Inventarium des Hanfes Wild enbruch, fo nach Absterbe<br />

n des ComPthcrs, Ern Andre ascn von Blu -<br />

meuthal seligcu, iu Iegeuwardt <strong>der</strong> fürstlichen<br />

Wolgastischen nnd des Hcrnmcisters Nethe unnd<br />

Geschickten den Sonnabend in den h eiligen Osternfeiertagen<br />

Anno :c. Scchzigk ist aufsgericht<br />

(13. April 1560).<br />

In <strong>der</strong> Hoffstncben.<br />

6 Tische, daruuter eiu ver-<br />

schlossen Cnntor<br />

1 groß Spinde, ahn Oeffen<br />

2 myssinges Luchter<br />

1 Lichtputze<br />

2 Sicdclbencke<br />

2 Tischringhe<br />

2 Banckpfüle<br />

1 Becken<br />

1 Hirschzweich 32)<br />

9 Thonncn Salz<br />

1 klein Spindt in <strong>der</strong> Höhe<br />

1 altt Schnei<strong>der</strong>kastcn<br />

32) Die Bestimmung dieses Hirschgeweihs lernen wir erst aus dem<br />

Inventar von 15)76 kennen, wo es heißt: „1 eisern Hengelenchter mit<br />

einem Hirschhornn". Seit Auftreten dieses so verzierten Hangelenchters<br />

fehlen in <strong>der</strong> Hofstnbe die noch 1547 vorhandenen zwei Lenchtereisen.<br />

2*


1 Lichtkasten vor den Hoeffstueben<br />

In deß Hern Compthers<br />

un<strong>der</strong>stenGemach gehgen<br />

<strong>der</strong> Hoeffstubenn.<br />

82 Thaler im altten Kasten<br />

befunden<br />

4 Gulden Göttinger<br />

1 Gulden 4 Gr. Dutken<br />

1 Ortsthaler<br />

3 Gulden 29 Gr. ahn<br />

Pfenninge<br />

Der Schuelenburgische Bekentnuß<br />

über 50 Gulden<br />

4 Gulden altte pommerische<br />

Muntze<br />

2 Gulden 2 Pf. gemeine<br />

Muntze<br />

Z<br />

In zweien Korben allerlei<br />

Myssiven, in dem einem den<br />

Blumentaln belangendt, in<br />

u. Vülow,<br />

dem an<strong>der</strong>n aber daß Hauß<br />

Wildenbruch,<br />

allerlei Myssiven Peter<br />

Hanff belangendt, auch ezliche<br />

Schreiben di Loizen belangendt<br />

Registraturen zum Hause Wildenbruch<br />

gehörigk, in ein<br />

Convolutum geschlossen<br />

In dem leinen Secklein allerlei<br />

fürstliche Schreiben<br />

Ern Iohan Hoffmeister Predigtten<br />

in foliis; ^) ^in<br />

an<strong>der</strong> papistische Postill in<br />

foliis per Johann Will,<br />

Dumprediger zu Menz.<br />

Catechismus Ruberei iu octavo.<br />

Der Vergilius zweimahll.<br />

ein Gesanckebuch Martini<br />

Lutheri.<br />

Obdormitio<br />

^) Vgl. unten die im vertäfelten Gemach befindlichen Bücher und<br />

die Anni. 74. Im Inventar von 1576 heißt es allgemeiner: „Was<br />

zn Wildenbruch an Büchern vorhanden: 9 alte grosse Bücher, darunter<br />

OL0i-6wm (3i'Mliui, 8oxtu8 äßorowlium zwemall nnd andre mehr<br />

ox ^ur^ (^uouieo nnd eivili. Item über die nenn Bücher ist noch<br />

ein Bnch in gelb Pergament, darin Herr Gotschalck von Velthem<br />

allerlei Nhrphede undt abgeschriebene Handtlnngen mit den Gefangenen<br />

vorzeichnet." Ioh. Hofmeister war ein unter dem Namen Antilutherus<br />

bekannter Doctor <strong>der</strong> Theologie und Angustinermönch ans<br />

Colmar, dessen Predigten berühmt waren. Er war 1546 Generalvicar<br />

in Deutschland und den Nie<strong>der</strong>landen, nnd starb den 21. Aug. 1547<br />

zu Cunsberg, erst 39 Jahre alt. Jochen Gel.-Ler.<br />

34) Die Dialectik Melanchthons erschien zuerst 1520 unter dem<br />

Titel: 0omp6U(Ulu-w ^iulooti^ä ratio und erlebte bis 1526 zehn


lium.<br />

lüoäox MI-Ì8.<br />

ein Stück schwebisch<br />

zwelff Strenen Garn<br />

ein Stuel mit Pockeln<br />

cm an<strong>der</strong> schlechter Stuell<br />

ein Siedellbanck<br />

zwei Tische, und sonst ein klein<br />

Tisch<br />

zwe grüne lundische Tischdecken<br />

drei gemaelte Taffeln<br />

ein altter Kasten mit Eyfer<br />

beschlagen<br />

ein Repositorium mit zwei<br />

Fachen<br />

ein Thunne mit Bricffen vorn:<br />

Gemach<br />

Inventarien von Wildenbruch. 21<br />

ein grosser spitzer Kasten<br />

in <strong>der</strong> Kammer bei obgemelttem<br />

Gemach, darin ein<br />

Fueter mit Leffell<br />

drei kleine zinnen Schüssell<br />

zehen Mar<strong>der</strong>khelen ^^)<br />

ein besiegeltte Schachttell, darauf<br />

geschrieben gewesen: dein<br />

Bischoff von Lnbns unnd<br />

dem Stiefft zustendigk ^^)<br />

zwei Fliegenwedel!, einer von<br />

Pfaufe<strong>der</strong>, <strong>der</strong> an<strong>der</strong> von Holz<br />

ein Sack mit Wuertze, Pfeffer<br />

und Muscatenblumen<br />

zwei Stücke Leinewandt us<br />

dem Kasten<br />

noch ein Kasten mit Bethlacken<br />

unnd an<strong>der</strong>em une<br />

folget<br />

Ausgaben. Die griechische Grammatik, die er, fast selbst noch<br />

ein Knabe, ^geschrieben hatte, erschien zuerst 1518, die lateinische<br />

verfaßte er 1522 zum Privatgebrauch iu seinem Hause; sie wurde 1525<br />

ohue seine Einwilligung gedruckt.<br />

N) Georg Wizel, ein Theologe des Neformatiouszeitalters, <strong>der</strong><br />

mehrmals seinen Glauben gewechselt hat. Er war 1501 zu Fulda<br />

geboreu uud starb 1573 zu Maiuz. Zuerst wandte er sich <strong>der</strong> evangelischen<br />

Lehre zu, nahm an deu Vauermmruheu Theil uud wurde zum<br />

Tode verurtheilt, erhielt aber auf Luthers Verwendung uicht mir<br />

Verzeihung, son<strong>der</strong>n auch eiue Pfarrstelle. Da er diese aus Hinneigung<br />

zum Ariauismus verlassen mußte, trat er wie<strong>der</strong> zum Katholicismus<br />

zurück und eiferte vou uuu au, am Hofe <strong>der</strong> Kaiser Ferdinand<br />

1. und Maximilian II. lebend, iu Wort und Schrift heftig gegeu<br />

seme früheren Glaubensgenossen. Er starb 1573 zu Maiuz.<br />

n) Randbemerkung: „Empfangen 4, uageben 6."<br />

2') Gleichzeitige Randbemerkung: „Hat H. (o<strong>der</strong> M ^ Meister?)<br />

Iohau empfaugeu." Seit 11./24. Juli 1555 war Markgraf Joachim<br />

Friedrich vou Brandenburg Vischos vou Lebus.


o, Bülow,<br />

ein Ende schwebische Lcinewandl 25> 3^llndstiicke<br />

ein Stück kleine Leinewandt 11 Par gele Pockeln<br />

ein Badekappe ^)<br />

15 zwilch Faeinetlein ^^)<br />

ein Stück kleine Leinewandt<br />

ein Ende schwebisch<br />

3 Hemden<br />

ein Küssenziche<br />

drei zwilche Handttücher<br />

ein Tischtnch von kleiner Leinewandt<br />

neun zwilche Tischtücher<br />

zwelff Lacken<br />

fünff weisse Schnuptücher<br />

vier zwilche Bethtücher<br />

sechs breßlowsche Bed-<br />

debühren<br />

zwe Stück zu Heupt-<br />

bnehren.<br />

vier Handttücher<br />

sechs Tischtücher<br />

Im dritten Kasten.<br />

5 alte Wemmesser")<br />

1 altter lnndischer Manttell<br />

1 Fneter Fell<br />

1 Led<strong>der</strong>überzngk znr Palue-<br />

sen o<strong>der</strong> Pfüele<br />

5 Par Stangen<br />

Inl vierdeit Kasten.<br />

1 Stneck kleine Leineloandt<br />

Im fünfften Kasten.<br />

2 Tischtücher<br />

1 Leuchter, ein kleiner, cin<br />

grosser<br />

1 klein lehers Ledlein<br />

1 schwarze Decke nfm Tisch<br />

von Holze<br />

1 Kotzschendecke<br />

Noch ein Ka st en, darum<br />

ein Lenchter nlit dreien<br />

Rorhen<br />

2 nene Nachtscherbell<br />

2 nene Schüßlein<br />

1 großer Leuchter mit vier<br />

Rorehn<br />

2 myssinges Spriezen<br />

1 Bnndt altte Schlüssell<br />

1 Stnck Zinnen und ezliche<br />

altte Schusselt nnnd Kan-<br />

nen<br />

Z nene Blechschlosser<br />

^) Gleichzeitige Randbemerkuug: „Ist eine Khorkappe," also ein<br />

priesterliches Gewand.<br />

n) Gleichzeitige Randbemerkuug: „Sein Tellertücher." Sonst heißt<br />

Facenetlein, ital. idioletto, auch Halstuch, Schnnpstuch, und ist in<br />

letzterer Bedeutung in <strong>der</strong> Schweiz noch hent gebräuchlich.<br />

") Wämser.


Im großen Kasten hin-<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong> Thür.<br />

2 Maulkörbe<br />

1 große holzene Kandell<br />

2 Ende Leinewandt<br />

2 myssings Becken<br />

') Secke snller blcien Kuegel<br />

zn ganzen nnnd halben<br />

Haecken<br />

1 groß unnd klein Bodden<br />

Wachs<br />

2 Spaubedde, darin drei Iin<strong>der</strong>bedde,<br />

1 Pfnel nnnd ein<br />

Henptküssen<br />

1 Tischdecke goldtgcell<br />

2 Büchssen mit Halfftern<br />

1 Pnlfferslasche<br />

1 korzer Pocke")<br />

1 Schwerdt mit Sylber beschlagen<br />

1 Rappier<br />

1 ledige Holffter<br />

4 Par Stieffell<br />

1 Waedtsack<br />

3 Knebelspies<br />

2 reisige Stuell, darunter einer<br />

mit Eyser beschlagen<br />

ezliche altte nnnd neue Hin<strong>der</strong>zeuge<br />

Inventarien von Wildenbruch. 23<br />

1 Beili<br />

1 altte Behrhautt<br />

In des Compthers Gemach<br />

oben <strong>der</strong> Hoesfst<br />

neben in einer Lade<br />

gefunden.<br />

Des Hern Compthers Pitschafftringk<br />

12 sylber Leffell<br />

1 sylberen kleiner Becher<br />

ein güldene Ketten mit deß<br />

Herzogen von Preusßen<br />

Konterfei, unnd hat 153<br />

Geliett<br />

1 Vernsteinpaternoster von 14<br />

Stein<br />

1 Kharellenpaternoster^) mit<br />

50 Steinen und 6 sylberen<br />

Steinen unnd ein sylberen<br />

Knopf<br />

1 sylberen Krenz<br />

14 Elle Sannnit, so <strong>der</strong> Herzogk<br />

von Preussen dem Hern<br />

Eompther seligen vorehren<br />

hatt lassen<br />

15 Ellen schwarzen Varstaedt^)<br />

1 schwarze Sammitkappe<br />

1 sammit spanisch Varreth<br />

1 Perlenkraenz<br />

") Pock : Dolch.<br />

42) Korallen.<br />

") In einer belon<strong>der</strong>en Abschrift dieses Verzeichnisses <strong>der</strong> Schmucksachen<br />

und Klei<strong>der</strong> steht hierfür: Vorstadt. Sollte <strong>der</strong> im Englischen<br />

bezeichnete Stoss gemeint sein?


v. Bülow,<br />

1 großer Poeck<br />

Messer ")<br />

mit vier 3 Vedden, 1 Heuptpfuel<br />

<strong>der</strong> Kammer<br />

in<br />

1 lang kemler Rock 1 groeß neue Himmelbedde<br />

1 langk Pärchen Pelz mit 1 Par Lacken<br />

Schmaschen gefuetertt 7 neue Bettebürhen<br />

1 roeth wullen Hemde 1 Sieb zur Kreude^)<br />

eine buntte Decke von Garne ") 2 leddige Laden<br />

Banckpfuell<br />

1 klein Ledichen mit Fachen<br />

1 le<strong>der</strong>en groeß Bette 2 kleine Becken<br />

1 le<strong>der</strong>en klein Pulsier 1 Vundt Wueßtuch^)<br />

4 grosse neue Tische, darunter 1 Schlaffmueze<br />

zwe mit Contoir<br />

1 ledige Wnschtasche<br />

1 klein Tisch<br />

2 Waedtsecke<br />

2 kleine Leuchter, je<strong>der</strong> mit 2 seyden Atlaßrock mit Sam-<br />

1 Rorhe<br />

mit unnd mit Mar<strong>der</strong> ge-<br />

1 alttcr zurbrochener Leuchter fuetertt<br />

lnit 1 Rohre<br />

1 tamasken mit Sammit vor-<br />

4 Vedden, 2 Heuptpfuele, 2 bremet und Mar<strong>der</strong>nkhelen<br />

Küssen<br />

gefuetert, ahn den Erm-<br />

1 Par Lacken liegen ufs len mit sylberen Schnueren<br />

Compthers Bette, dorauff 1 Seydentafft gestieptt^)<br />

ehr gestorben<br />

1 kartecken 5") Haertzkappe mit<br />

1 Hemde<br />

drei Strich Sammitt<br />

") Ist durchgestrichen und mit <strong>der</strong> Raudbemerkuug Verseheu: „Hat<br />

Blumeuthal bekommen," ist also wohl an die Verwandten gelangt.<br />

S. o. Anm. 41. Dolche mit mehreren dnrch einen Fe<strong>der</strong>drnck hervortretenden<br />

Klingen waren sehr häufig.<br />

45) durchgestrichen.<br />

46) 1576 wird bei jedem Bett auch „1 Vancke dafür," o<strong>der</strong> „ein<br />

Tritt" verzeichnet; in des Comthurs Gemach ans dem Thorhause gab<br />

es damals anch „1 klein Bette rnndt umbher mit Venckcn vorwahrct,"<br />

und iu einer Kammer stand „l Schnbbette, dafür ein Tritt."<br />

") Kreude: Kraut, Gewürz.<br />

^) Die Zusammenstellung <strong>der</strong> Inventare von 1547 uud 1560 hat<br />

„Wuschtiicher" und zwei Zeilen weiter „Waschtasche."<br />

") gesteppt, nämlich Rock, wie auch bei tamaskeu.<br />

^) Karteten: eine Art linnenes Zeug, vielleicht von Kortryk<br />

(Courtray) wie cambrick von Cambray.


1 schwarzer Trawermanttell<br />

1 schwarz Hosen unnd Wam-<br />

mes mit weisser Seiden ge-<br />

stiept<br />

1 Par leibfarbe Hosen mit<br />

Sammit vorbremet<br />

1 rocth kartecken Wammes<br />

1 seyden Attlaß Wamms, Zu-<br />

schnitten^)<br />

1 Par schwarze le<strong>der</strong>ne Hosen<br />

1 schwarzsammit Koller, zu-<br />

schnitten<br />

1 Par schwarze Hosen mit<br />

Sammet und<br />

1 schwarz Zwilchwammes mit<br />

Sammet<br />

1 Par schwarze Hosen mit<br />

Sammet<br />

1 zindcldorth Wammes^)<br />

1 Par schwartz Gewandt Hosen<br />

unnd<br />

1 zaden Wammes^)<br />

1 Par rothe le<strong>der</strong>ne Hosen<br />

mit Kartete durchzogen unnd<br />

schwarzen Sammet vorbremct<br />

Inventarien von Wildenbruch.<br />

1 syden Atlaswamms unvor-<br />

bremet<br />

1 schwarz Pärchen Wammes<br />

1 scharlachen Bruestlatz<br />

1 roeth Fueterhemde<br />

1 schwarze Haerzkappe^) von<br />

Gewände, darahn die Er-<br />

mel mit Fuchsse gefuetertt<br />

1 weiß schmaschen^) Fueter<br />

1 Stueck weiß gemeine Ge-<br />

wandt<br />

1 gefuetertte Jacke mit Vaum-<br />

wulle gefuetertt<br />

1 Par le<strong>der</strong>en Hosen unnd<br />

Wammes mit Sammet<br />

1 schwarz fuchssen Pelz mit<br />

Gewandt überzogen ^)<br />

1 Pulsier<br />

1 Par gestrickte Strumpe<br />

2 Vehrenheutte<br />

2 Bedde, 1 Heuptpfüell, 1<br />

Lacken<br />

1 Klei<strong>der</strong>borste<br />

12 Mittel zinnen^)<br />

1 rother Sack mit Ncgelein<br />

5') Diese und die nächste Zeile sind durchgestrichen. Daneben<br />

steht die gleichzeitige Randbemerkung: „schwartz gewesen."<br />

5") Andre Lesart: zin<strong>der</strong>oeth, doch ist die im Text gegebene die<br />

richtige, denn Zindeldorth ftolii 8ud86i'ioa torta.) ist ein halbseidenes<br />

durchsichtiges Gewebe. (Vrinckmeicr Glossar.)<br />

53) zaden, von Zaian, Saia, Say, ein französisches Zeug.<br />

54) Zunächst <strong>der</strong> kurze Leiuwandkittel <strong>der</strong> Vewohuer des Harzes,<br />

dann überhaupt ein kurzes Gewaud, speciell Meßgewand, endlich allgemein<br />

für geistliche Kleiduug.<br />

55) Schmaschcn (von suik 8kw?) sind kleine Lämmerfelle, zu Futter<br />

viel benutzt.<br />

56) Diese und die folgende Zeile sind durchgestrichen.<br />

57) zu supplire»: Schüssel o<strong>der</strong> <strong>der</strong>gl.


1 Sack mit Pfeffer<br />

1 Sack darin Zymmet<br />

1 roeht Secklein mit Inngber<br />

1 weiß Sack Margendalischer ^)<br />

Pfeffer, so die Fischer geben,<br />

sollen 18 U sein<br />

in einem Papftier etwahn<br />

ein K o<strong>der</strong> ^/2 A Saffran<br />

2 Schwerdtte<br />

1 Berßroher^)<br />

1 Roher am Sattell<br />

2 Pulverflaschen<br />

2 Pocke mit einer' Sammetscheidm<br />

1 Brottmesser<br />

1 Par Schaelen mit dem Gewichte^)<br />

Im oben vorteffelttem<br />

n e uen Gemach ^^) und in<br />

den beiden Kammern.<br />

v, Bülow,<br />

darunter ein gemaelttes mit<br />

einem Schraubette<br />

7 alte beschlagene Settell<br />

9 altte Dreiecker mit weinig<br />

Sylber beschlagen<br />

1 Rappier^)<br />

2 neue kleine Kessell<br />

4 altte knrze Poecke nlit kleinen<br />

sylbernen Ortbenden ^'^)<br />

86xt. lil).<br />

1118t.<br />

lid.<br />

0U.1Q.<br />

2 große neue Himelbedde, 8 Feurspieße<br />

Q0VU.IQ<br />

^) Marienthal, Dorf zur Herrschaft Wildenbruch gehörig.<br />

59) Pürschrohr. Neben diesen Waffen steht die Randbemerkung:<br />

„Alles was ehr zu seinem Leibe au Wheren und Bnchsen gebraucht<br />

hatt."<br />

60) Hierzu die Randbemerkung: „Hierzu gehören die Juristen uund<br />

an<strong>der</strong> Bücher, so im Spinde vorhanden nnnd ordentlich ufgeschrieben<br />

sein, wie die heißen."<br />

61) Dieses Gemach wnrde erst während Blumenthal Comthur<br />

war angelegt.<br />

62) Randbemerkung von gleichzeitiger Hand: „Ist Her Gotschalck<br />

(von Veltheim) gewesen, bleibt billich."<br />

62) Ort : äußerstes Eude, Spitze, Ecke. Ortband ist die metallene<br />

Umkleidung und Bedeckung <strong>der</strong> Spitze einer Stoßwaffe; Zwinge.<br />

t") Angelus. Ein Jurist aus Arezzo in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 15.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts, gest. zn Ferrara, <strong>der</strong> mehrere wissenschaftliche Schriften<br />

hinterlassen hat. Iöcher, Gel,-Ler.<br />

8.<br />

) ^


2 Stormhawen, darunter 1<br />

niitt dnllenl Sammet übcrzoegeu<br />

5 Pickclhawen mit schwarzen<br />

Hüeten<br />

5 schwarze Schurtzharnisch ^)<br />

darunter ein gestreiffter nüt<br />

langen Scheren, nnnd ein<br />

schwarzer nüt Scheren<br />

1 Ningkrahgen<br />

4 Par Ermmcll und 2 Schnerz<br />

etliche altte Armborst nnt<br />

Scnlen<br />

ein Handfeßlein Pulver<br />

1 grocß neu grüen Schloß<br />

ahn die Thüre<br />

ezliche eyserne unnd Bleikugelln<br />

10 Salz- unnd Bierthnnncn<br />

darin Fe<strong>der</strong>n<br />

3 große Glaeßfenster<br />

1 Stücke Garn znm grossen Garn<br />

1 rothe Lenchte, neue<br />

2 altte Halhsehle<br />

1 Niedtzeugk in einer Wißtasche<br />

Ueber <strong>der</strong> Kruegdornze<br />

im Gema ch.<br />

2 Vnndt Pusemendtbortten<br />

1 Sammet Barreth<br />

ezliche Ellen gehell Fuetertuch<br />

Inventarien von Wildendruch.<br />

ezliche Ellen ungeferlich achte<br />

weiß Parchendt<br />

1 kartekcngefnetert Mnezlein<br />

1 Wußtasche<br />

^l Par Sporn deß H. Compthers<br />

selig<br />

Die Propheten alle deutsch,<br />

Martini Lutheri<br />

1 lvulffcn Pelzken von Pnrprian<br />

^^) überzoegen unnd<br />

Sannnet verbremmet<br />

In <strong>der</strong> Küchenn.<br />

24 grosse zinnen Schüssell<br />

4 zerbrochen zinnen Schüssell<br />

15 mittel zinnen gned und<br />

boeß<br />

6 Salsier ^^) gnedt unnd boeß<br />

12 neue zinnen Teller<br />

24 guette an<strong>der</strong> zinnen<br />

Teller<br />

4 kleine zinnen Teller<br />

10 Kessel groeß unnd klein,<br />

doch nicht alle guet<br />

1 erden Diegell<br />

8 kupperne Decken groß unnd<br />

klein<br />

66) Schurzharnisch, <strong>der</strong> vom Vrustharnisch abwärts gehende, die<br />

Oberschenkel schützende Theil <strong>der</strong> Rüstung.<br />

66) Pnrpnr. In <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Abschrist des Verzeichnisses <strong>der</strong><br />

Schmucksachen und Klei<strong>der</strong> heißt es statt Pnrprian: „mit purperganischern<br />

Tnche."<br />

l'?) Slllznäpschen.


28 v, Vülow,<br />

4 Vraetspies<br />

3 Roesten guet und boeß<br />

3 Kesselhaecke<br />

2 lange Haecken<br />

1 Salzmeste<br />

2 Ahnrichttische<br />

1 großen Grapen<br />

3 Spinde<br />

2 Backeyser<br />

1 Hebeschüssell<br />

1 eyserne Schippe<br />

1 Kahellracke^)<br />

2 Spriezen<br />

1 Reibeyser<br />

1 Bradewen<strong>der</strong> mit einer<br />

Rose 69)<br />

1 Axe neue<br />

1 Radehawe<br />

174 Seite neue Speck<br />

16 Seite altten Speck<br />

7^/2 Schock Bratworste<br />

2 Thonnen 1 Achtendeill altte<br />

Putter<br />

1 Verdell 3 Achtendeill frische<br />

Putter<br />

4'/2 Thonnen Kuhekese<br />

1 Gewichte mit holzen Schaelen<br />

o<strong>der</strong> Bretten<br />

2 Thonnen Schweineklaben ^<br />

63 Schmer<br />

108 droge Gense<br />

11 Spieß Rücknochen<br />

66 Schweinekop<br />

11 Spies Stiech- o<strong>der</strong> Kehelbratten<br />

19 Spies Ripsper<br />

36 Spies droge Schaffleisch<br />

8 Spies droge Rindfleisch<br />

l/2 Thonne Honningk<br />

Im Keller.<br />

1 glesern Wilkom<br />

1 erden Wilkom<br />

1 Iungkfer ") mit 4 Schlosse,<br />

ein Handeisen mit einem<br />

Schlosse<br />

1 Borer<br />

2 zinnen Wilkom, die Lesch-<br />

truncke genanndt<br />

5 leipziger Quarterkannen mit<br />

bretten Füßen<br />

2 schlechte Quartirkannen<br />

68) Kohlrake, wohl ein Eisen, nm Kohl und Krant damit zn<br />

schneiden, Krauthobel.<br />

6") Wohl identisch mit dem „Rad darin die Hunde den Braten<br />

wenden" von 1576.<br />

^) Schweineklanen, eingesalzene.<br />

") Jungfer, ein Strafwerkzeug, das in den Schauerromanen zwar<br />

eine hervorragende Rolle spielt, über dessen Einrichtung aber keine<br />

sichere Nachricht bisher zu erlangen gewesen ist. Vgl. Mekl. Jahrbücher<br />

V, S. 41; VI, S. 198- XV, S. 357. In Sammlungen sieht<br />

man gelegentlich ein <strong>der</strong>artiges Instrument, aber von zweifelhafter<br />

Aechtheit.


3 schlechte Nossellkannen")<br />

2 gereifte Nossellkannen<br />

2 breite zinnen Kannen, je<strong>der</strong><br />

von 3 Nossell<br />

2 Schenckannen<br />

1 myssinges Gießkanne<br />

1 breet Nossellkennichen<br />

6 Vierhane guedt unnd boeß<br />

4 Weinhane<br />

4 Loeßkannen<br />

2 Tyftkannen<br />

3 beschlagene Vornkannen<br />

3 unbeschlagene Bornkannen<br />

11 Taffelkannen<br />

4 halbe Taffelkannen<br />

1 zinnen Putterbuchsse mit<br />

einer Decke unnd Schrawe<br />

5 Stück Luchter<br />

1 Messer<br />

161^/2 Thonnen Vier gefunden<br />

den 14. Aprilis'<br />

3 Verdell blancken Wein<br />

1 Fuc<strong>der</strong> rothen Wein<br />

1/2 Fue<strong>der</strong> Kochwein<br />

Uf <strong>der</strong> Cantzelei oben<br />

dem Keller.<br />

16 leipziger neue Quarterkannen<br />

mit bretten Fueßen<br />

4 Nosselkannen<br />

2 Flaschenfneter mit 9 Flaschen,<br />

darunter 1 große<br />

Inventarien von Wildenbruch.<br />

1'/2 Thonnen Biergleser<br />

1 Kramfaß, fast füll mit ungehecheltem<br />

Flachß<br />

1 klein Feßlein mitt Firniz<br />

1 Schneneze<br />

8 Recken ungebleichte grobe<br />

Leinewandt<br />

2 Tische<br />

1 lediger Kasten<br />

1 Achtendem Vretnegell<br />

5 Schneidemesser<br />

8 Par altte Stangen<br />

4 Vlatschlosfer zu kleinen<br />

Spinden<br />

Deß Ordens Stabiliment unnd<br />

sonst 2 altte Bücher<br />

Finckennez zu dreien Herden<br />

10 Strecknez<br />

1 Vraeckvoegelnez<br />

2 Enttennez unnd 2 Feldnezen<br />

zu Entten unnd<br />

Gensen<br />

In <strong>der</strong> Kammer geghen<br />

des Hern Compthers<br />

Gemach.<br />

1 eysern Gewicht mit aller<br />

Zubehorung<br />

1 flaseren (!) Thüre mit einem<br />

neuen Schlosse<br />

3 neue Tischfueß<br />

14 Wullsccke guet uund boeß<br />

^) Nößel, Diminutiv eines unbekannten Wortes, bezeichnet eiu<br />

tleiues Fliijsigkeits- uud Trockenmaaß, eiue halbe Kanue, etwa eiu<br />

Schoppeu.


1 Blocksaege<br />

23 dubbelde Haccken in Er<br />

Vehren Gemach<br />

In d er Harnischkammer.<br />

2 gemachte Bedden mit 6<br />

Bedden, 3 Heuptpfüle, 4<br />

Küssen unnd 2 Par welsche<br />

Lacken<br />

2 Beddeu, 1 Par Hedenlacken<br />

uf dem Rholbedde<br />

1 Brnnzscherbell ^)<br />

3 neue Bencke<br />

1 nene Tisch in <strong>der</strong> Sweben<br />

1 alt Tisch mit einem Cnntor<br />

1 rothe Decke nf dem Tisch<br />

1 Lnchter<br />

1 ledige Beddespnnde<br />

Im ncnen Gemach oben<br />

<strong>der</strong> Posteyen.<br />

4 gemachte Bedden, daranft<br />

10 Vedden, 4 Henptftfüele<br />

13 Küssen unnd 4 Par<br />

flexin und Heden Lacken<br />

Im kleinen Kemmerchen<br />

jegenüber.<br />

2 gemachte Bedden, daranff<br />

7 Bedden, 4 tzeuptpfüele,<br />

2 Müssen, 1 Par welsch<br />

unnd 1 Par flechssen Lacken<br />

1 Iungeubedde mit 2 Bedden,<br />

u. Vülow,<br />

Nachtgeschirr, wie oben Nachtscherbel.<br />

1 Heuptpfüll uund 1<br />

Heden Lacken<br />

Brnnzscherbell<br />

Im grünen Gemach.<br />

2 Tische, 2 Sicdellbencke<br />

1 groß Becken<br />

1 Lnchter<br />

1 Pulster<br />

Uf dem Dhorhause.<br />

Par<br />

2 Tische, uf einem ein lundisch<br />

grün Tuch<br />

2 Pnlster<br />

1 gemacht Bedde mit 5 Bedden,<br />

2 Heuptpfüelc nnnd<br />

1 Par welsche Lacken<br />

Ingemeine vor alle<br />

Diener.<br />

3 Vedden, 1 Hcuptpfüel unnd<br />

1 Par Heden Lacken in<br />

Rungen Kammer<br />

6 Bedden, 3 Heuptpfücle, 3<br />

Par hedeu Lacken uf drei<br />

Vedden, vor den Kornschreiber,<br />

Voigte uund Becker<br />

2 Bedden, 1 Heuptpfüel, 1<br />

Par Heden Lacken <strong>der</strong> Kellerknccht<br />

10 Bedden, 4 Heuptpfüle,<br />

1 Küssen uund 4 Par<br />

Heden Lacken, oben den<br />

Prioratt


5 Bedden, 1 Heuptpfüell unnd<br />

2 Par Lacken im Marstalle<br />

2 Veddcn, 1 Par Lacken im<br />

Wagenstalle<br />

1 Vedde <strong>der</strong> Thorwechter<br />

4 Veddcn, 1 Henfttpfüel nnnd<br />

2 Par Lacken im Vehoffe<br />

1 Vedde in: Malzhanse<br />

2 Veddcn in <strong>der</strong> Knchen unnd<br />

1 Par Heden Lacken<br />

In <strong>der</strong> Kirchen.<br />

Inventarien von Wildenbruch.<br />

2 gülden Stücck, ein roth,<br />

daß an<strong>der</strong> ^) grün verblümet<br />

1 altt gülden Stüeck<br />

1 5^asell ^') von geblumeter<br />

Leinewandt<br />

1 schlvarz Zamlott ^) mit<br />

einem Crucifix<br />

1 rothe Khorkappc verblumet,<br />

mit einer Christall in Syldcr<br />

gcfasset<br />

4 Alven^)<br />

1 Kelch mit einer Pathen<br />

Auf dem hohen Altar.<br />

6 große Luch ter unnd 2 kleine<br />

2 Crucifix<br />

2 Helm uf dem Kirchhoffe,<br />

da mahn Waßer in brcndt<br />

Im Backhause.<br />

2 Voddcm zum Vier<br />

2 Kucffcu<br />

1 Brawpfanne<br />

1 Vacktroch<br />

1 Tisch<br />

14 Secke<br />

1 Backtyene^)<br />

1 Towers<br />

1 Voddem, da mahn Gerste in<br />

bcgiest im Malzhause<br />

1 Sperwagcn nf dem Hanse<br />

1 groß nene Garn<br />

2 Klippen<br />

8 Wmdeblocke<br />

1 eyserne Wegcstange<br />

14 Hascnnez<br />

9 Rhenez guet unnd boeß<br />

3 große Wildtnez<br />

9 Wildttücher bei dem Graffcn<br />

von Vierraden<br />

") lö76: „In die Kirche sollen von <strong>der</strong> Witwen (des Comthurs<br />

Martin v. Wedel) gekaufst werden: die heilige Biblia, Hauspostilla<br />

und Kirchenpostilla Luthcri."<br />

^) Kasel: oaäul^, Äceßgewand.<br />

^') zamlot: camelot, aus Kameelshaaren, wohl eine Decke o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>gleichen.<br />

^) Alve: Alba, priestcrliches Meßgewand ans weißer Leinwand.<br />

'") Tiene: Wanne, Trog.<br />

'") Tower: Zober.


32 u. Bülow, Inventarien von Wildenbruch.<br />

Rindtvhie unnd Schweine 2 Schock 43 Pölcke ^)<br />

im Vehoff zu Wilden- 36 Soechferckell<br />

bruch. 37 alte Wilden«')<br />

9 zwejerische Falen<br />

30 mulcke ^) Kuhe 3 Wagenpferde<br />

10 Kuhe, die noch Kelber 11 Pferde im Marstalle, klein<br />

soegen unnd groß, hievon einß balde<br />

11 gueste^) Kühe gestorben, einer verdorben,<br />

2 Bullen den besten wil <strong>der</strong> Her<br />

27 überjerische Kelber Meister haben, den Zelter<br />

16 gespendet) Kelber haben die Blumenthal, blei-<br />

10 Kelber, die noch saugen ben 7 Pferde im Marstalle ^)<br />

1 Schock 5 altte Schweine^) i Voigtklopper^)<br />

Hieran schließt sich das Inventar von Thänsdorf und<br />

Rörchen, dessen Mittheilung wie bei dem Inventar von 1547<br />

so auch hier unterbleiben kann, da wir es nur mit dem Hause<br />

Wildenbruch und nicht mit allen dazu gehörigen Comthureigütern<br />

zu thun haben.<br />

66) nmlk: für melk, eine Kuh, die gekalbt hat, milchgebend.<br />

bl) güst, keine Milch gebend, trocken, noch trächtig. Vergl. das<br />

trockene Geestland im Gegensatz zn <strong>der</strong> fruchtbaren Marsch.<br />

82) entwöhnt.<br />

^) Gleichzeitige Randbemerkung: „Nota. Der Leibschweine o<strong>der</strong><br />

Zuchtschweine zu fragen."<br />

^) ein halbwachsenes Schwein.<br />

n) Stute.<br />

66) Gleichzeitige Randbemerkung: „Hievon die Vlumenthal noch<br />

einen bekommen, bleiben 6."<br />

67) Klopper: für Klepper, nicht im heutigen verächtlichen Sinne<br />

zu verstehen, son<strong>der</strong>n ein rasches Reitpferd.


Der Surgwall in <strong>der</strong> Priigel.<br />

Von Pastor Kasten in Katzow.<br />

(Hierzu zwei lithographirte Tafeln.)<br />

Ungefähr 1V2 Meilen westlich von Wolgast liegt in <strong>der</strong><br />

znm königlichen Forstrevier Iägcrhof gehörigen Waldnng, welche<br />

die Prägel genannt wird, ein großer wendischer Vnrgwall.<br />

Er hat in dem 2. Heft des XI. Jahrgangs (S. 21) <strong>der</strong><br />

Balt. Stnd. bereits eine Erwähnung nnd im 2. Heft des<br />

XIV. Jahrgangs (S. 19) eine knrze Beschreibung nnd eine Art<br />

bildlicher Darstellung gefunden. Doch dürfte es sich <strong>der</strong> Mühe<br />

verlohnen, ein etwas genaueres Bild von ihm zn geben, loie<br />

ich es hiermit versuche.<br />

Von keiner Seite kann man jetzt an<strong>der</strong>s zn ihm gelangen,<br />

als durch weiten Wald. Der königliche Wald, an dessen westlicher<br />

Grenze er liegt, erstreckt sich nach Südost hin in einer<br />

zusammenhängenden Masse von 12000 Morgen; nach Nordwest<br />

und Westen schließen sich, nnr zum Theil dnrch eine Wicsenfläche<br />

geschieden, die Waldungen von Karbow nnd die <strong>der</strong><br />

Greifswal<strong>der</strong> Universität, im Süden die Wrangelsbnrger Forst<br />

an. Trotz dieser seiner abgeschiedenen Lage ist er aber in <strong>der</strong><br />

Gegend keineswegs unbekannt; er ist vielmehr in schönen Somrnertagen<br />

ein sehr beliebtes Ziel für Land - o<strong>der</strong> vielmehr<br />

Waldpartien zu Fuß und zu Wagen. Gerade die weite Entfernung<br />

von menschlichen Wohnplätzen, <strong>der</strong> Schmnck, welchen<br />

ihm die den ganzen Ranm bedeckenden uralten Buchen verleihen,<br />

dazu die Werke <strong>der</strong> grauen Vorzeit, welche zn dem Gemüth<br />

des Menschen reden, geben ihm etwas eigenthümlich<br />

Anziehendes.<br />

Man benutzte zur Anlage diefer alten Befestigung eine<br />

3


34 Pastor Kasten,<br />

Art Halbinsel, die sich in eine beträchtliche Wiesen- und Bruch-<br />

Nie<strong>der</strong>ung hineinstreckt und mit dein festen Lande durch eine<br />

nur etwa 120 Schritt breite Landzunge zusammenhängt. Das<br />

Ganze hat ungefähr die Gestalt eines Ovals, dessen größte<br />

Ausdehnung (von NNW. nach SSO.) fast 400 Schritt und<br />

dessen Breite (von W. nach O.) 250 Schritt beträgt. Den<br />

Flächeninhalt kann man auf 14 magdbg. Morgen schätzen.<br />

Der umwallte Raum zerfällt in zwei Abtheilungen, eine<br />

vor<strong>der</strong>e, größere, nur von einem einfachen Wall eingeschlossen,<br />

und eine Hintere, kleinere, bestehend aus eiuem Ringwall, <strong>der</strong><br />

znm größeren Theil noch von einem zweiten Wall umgürtet ist.<br />

Am stattlichsten präsentirt sich, wenn man durch den eine<br />

Ansicht aus <strong>der</strong> Ferne nicht gestattenden Wald herantritt, <strong>der</strong><br />

vor<strong>der</strong>e Wall. An seinem Fuße erkennt man noch deutlich die<br />

Spuren eines Grabens, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> westlichen zur östlichen<br />

Nie<strong>der</strong>ung herüberführt und in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> vollen Verteidigungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> alten Burg vermuthlich, eben so wie die den<br />

Mittel- und Ringwall begleitenden Gräben, mit Wasser gefüllt<br />

war. Durch den Graben führt, ebenfalls noch deutlich erkennbar,<br />

eine Art Damm hinauf zn dem Eingang, welcher sich als<br />

ein tiefer Einschnitt darstellt. Unmittelbar zur Rechten des<br />

Eingangs hat <strong>der</strong> Wall seine höchste Kuppe, die 25—30 Fuß<br />

über dem Niveau <strong>der</strong> Wiesen liegen mag. Dieser alte Eingang<br />

wird jetzt nicht benutzt: <strong>der</strong> jetzige Fahrweg führt vielmehr<br />

durch die Einsenkung, welche den Vorwall von dem östlichen<br />

Walle trennt. Man kann aber nach meiner Ansicht nicht daran<br />

zweiseln, daß bei a. <strong>der</strong> alte Hanpteingang <strong>der</strong> Burg sich<br />

befindet, obwohl auch die Ginsenkung bei d. eine ursprüngliche<br />

zu sein scheint. Denn wenn man sich in späterer Zeit zn<br />

Holz- und Heufuhren eiuen Weg anlegen wollte, fo würde man<br />

ihn nicht da dnrch den Wall gebrochen haben, wo <strong>der</strong>selbe am<br />

höchsten ist. Bemerkenswerth scheint mir beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Umstand,<br />

daß neben dem Eingang die höchste Kuppe des Walles liegt.<br />

Dasselbe findet sich bei dem Bnrgwall von Arkona wie<strong>der</strong>. ^)<br />

Balt. Stud. XXIV, S. 270.


Vurgwall in <strong>der</strong> Prägel. 35<br />

Hier wie dort mochte diese Kuppe den Thurm tragen, welcher<br />

den Haupteingang schützte, ein Schutz, <strong>der</strong> um so nöthiger war,<br />

als <strong>der</strong> Damm den Zugang erleichterte; <strong>der</strong> Nebeneingang bei<br />

d. mochte dnrch den davor liegenden Wassergraben und — in<br />

ernsterer Lage — durch aufgepflanzte Pallisaden gesichert<br />

werden.<br />

Von dem Punkte c. aus, wo <strong>der</strong> Vorwall in den westlichen<br />

Seitenwall übergeht, läuft dieser in ziemlich gera<strong>der</strong><br />

Richtung in geringer Höhe, die bis d. 12, von da an 15 Fuß<br />

über <strong>der</strong> Wicseufläche betragen mag, bis zu dem Mittelwall<br />

hin, von welchem sie aber durch einen tiefen Graben-Einschnitt<br />

getrennt ist. Der östliche Wall, etwas bedeuten<strong>der</strong> an Höhe,<br />

zieht sich in einem großen Bogen bis zur nördlichen Spitze<br />

des Mittelwallcs hin. Auch an <strong>der</strong> innern Seite haben die<br />

Seitenwälle Graben-Vertiefungen, z gerade wie auf Arkona, dem<br />

Venzer Burgwall und <strong>der</strong> auf S. 211 des Loäox ?oin.<br />

äipiom. gezeichneten alten Burg Guttin bei <strong>Greifswald</strong>. Der<br />

innere Burgraum erscheint demnach als eine sanfte Wölbung,<br />

<strong>der</strong>en Scheitel ungefähr in gleicher Höhe liegt, wie <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Seitenwälle.<br />

Der Ringwall und <strong>der</strong> ihm vorgelegte Mittelwall sind<br />

von ziemlich gleicher Höhe und Stärke, doch wird letzterer auf<br />

<strong>der</strong> Strecke vou l. bis 6. etwas uicdrigcr und verläuft im Nordwesten<br />

in einer zuletzt kaum merklichen Boden - Erhebung.<br />

Merkwürdig ist die Ausbiegung des Walles bei o, durch welche<br />

hier <strong>der</strong> zwischen beiden Wällen liegende Graben sich beträchtlich<br />

erweitert, welche Erweiterung jedoch durch unregelmäßige<br />

Erd-Aufschüttungen zum Theil wie<strong>der</strong> ausgefüllt wird. Ursprung<br />

und Zweck <strong>der</strong>selben bleibt mir unerklärt. War hier<br />

vielleicht ein Eingang o<strong>der</strong> Zugang zu dem Ringwall, <strong>der</strong><br />

durch eine Laufbrücke vermittelt wurde? Fast fcheint es fo, da<br />

bei A. die Wallkrone eine kleine Einsenkung zeigt; doch war<br />

<strong>der</strong> Haupt-Eingang jedenfalls gegenüber bei k., <strong>der</strong> noch jetzt<br />

<strong>der</strong> gewöhnliche ist. Auch hier macht man wie<strong>der</strong>um dieselbe<br />

Bemerkung, daß unmittelbar neben dem Einschnitt bei li. <strong>der</strong><br />

Wall seine höchste Kuppe hat. Der von dem Ringwall einge-


36 Pastor Kasten,<br />

schlossene Ranni hat ungefähr 50 Schritt im Durchmesser.<br />

Von <strong>der</strong> Stelle, wo die Enden des östlichen Seitenwalles und<br />

des Mittelwalles zusammenstoßen, führt ein Damm dnrch die<br />

Wiesennie<strong>der</strong>ung bis zu dem gegenüber liegenden festen Erd-<br />

reich (jetzt Karbower Wald). Dieser Damm gehört wahr-<br />

scheinlich zu dem alten Vefestigungssystem; er sicherte den<br />

Belagerten, wenn sie von Süden her bedrängt wurden, die<br />

Kommunikation nach <strong>der</strong> entgegengesetzten Seite hin und bil-<br />

dete im Fall <strong>der</strong> Noth eine Rückzugslime. Sowohl die An-<br />

lage des Ringwalles, <strong>der</strong> von einem zweiten Wall zu drei<br />

Viertheilen umfaßt wird, wie <strong>der</strong> Damm im Rücken erinnert an<br />

die alte Burg von Tribsees. ^) Die spätere Zeit würde an <strong>der</strong><br />

Aufschüttung eines solchen Dammes kein irgend wie ersichtliches<br />

Interesse gehabt haben.<br />

Es ist bekannt, daß von den Burgen <strong>der</strong> Wenden die<br />

einen die Bestimmung hatten, größere o<strong>der</strong> kleinere Bezirke zu<br />

beherrschen, als Mittelpunkt einer Provinz zu dienen, und<br />

darum auch beständig bewohnt waren, während an<strong>der</strong>e nur als<br />

Zufluchtsörter zu Zeiten feindlicher Einfälle dienten und im<br />

Frieden unbewohnt waren. Jene hatten zum Theil eine agres-<br />

sive Bedeutung, man könnte sie als Trutzvesten bezeichnen;<br />

man denke nur an das in den Peenestrom hinausgeschobene<br />

Wolgast, an das die Höhen des O<strong>der</strong>stroms dominirende Stet-<br />

tin u. a. ; diese dienten ihrem Zweck desto mehr, je versteckter<br />

sie lagen. ! War nun unser Prägel-Burg wall ein befestigtes<br />

Waldversteck? Ich glaube, daß diese Frage verneint werden<br />

muß. Alles spricht vielmehr dafür, daß entwe<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Burg<br />

selbst o<strong>der</strong> unter ihrem Schutze iu <strong>der</strong> Nähe eine Ansiedelung<br />

bestand. In alter Zeit lag die Burg uicht so versteckt im<br />

Walde, wie jetzt, konnte ja auch selbst natürlich nicht bewaldet<br />

sein. Es leuchtet leicht ein, daß ein bis an die Gräben und<br />

Wälle <strong>der</strong> Burg heranreichen<strong>der</strong> Wald ihre Sicherheit keines-<br />

wegs vermehrte, im Gegentheil das unbemerkte Herannahen <strong>der</strong><br />

Feinde erleichterte.<br />

I>om. cUpiom. Tafel ^ zu S. 34.


Burgwall in <strong>der</strong> Prägel. Z7<br />

Znnächst ist bemerkenswerth, daß <strong>der</strong> dem Burgwall zunächst<br />

liegende Waldtheil, welcher einen ebenen, leichten, aber<br />

nicht nnfrnchtbaren Boden hat nnd jetzt mit jungen Buchen bestanden<br />

ist, im Volksmnnde noch heute das Wendenfeld o<strong>der</strong><br />

Wendseld heißt. Anch auf <strong>der</strong> Special-Karte des Forstreviers<br />

ist ein daselbst belogenes Moor als „Wendefcld-Moor" bezeichnet.<br />

Die Tradition verlegt denn anch hierher das untergegangene<br />

Dorf Wiendorf. Als vor 33 Jahren die dort stehenden<br />

alten Buchen hernntergenommen nnd die Stümpfe ausgerodet<br />

wurden, fand man an einer Stelle — die ich auf <strong>der</strong><br />

beifolgeuden Karte durch kleine Kreife bezeichnet habe — dicht<br />

unter <strong>der</strong> Oberfläche <strong>der</strong> Erde viele Steine in regelmäßigen<br />

Reihen, loie sie in den Fundamenten ländlicher Gebände gelegt<br />

zu werden pflegen. ^) Ob nnn aber wirklich dies die<br />

Ueberreste <strong>der</strong> untergegangenen Ortschaft sein mögen, dürfte zu<br />

bezweifeln seiu, da die Wenden die Fundamentirung mit Granitblöcken<br />

nicht angewandt zu haben scheinen; man müßte denn<br />

annehmen, daß bereits eine deutsche Ansiedelung an Stelle <strong>der</strong><br />

wendischen getreten sei, was mir indeß wenig wahrscheinlich ist.<br />

Das ehemalige Dorf „Wiendorf" existirt aber durchaus uicht<br />

blos in <strong>der</strong> Sage, son<strong>der</strong>n eine „wüste Feldmark Wiendors"<br />

kennen auch die alten Landes-Vermessnngen des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

schon; wahrscheinlich anch schon früher, doch stehen<br />

mir darüber keine Quellen zu Gebote. In dem hiesigen Pfarr-<br />

Archiv ist eine Areal-Ansrechnnng <strong>der</strong> einzelnen Ortschaften<br />

des Kirchspiels vom Jahre 1757 vorhanden, welche sich wie<strong>der</strong>um<br />

aus eine allgemeine Vermessung im I. 1694 bezieht.<br />

Lei<strong>der</strong> sind einzelne Blätter ans diesem Schriftstück ausgerissen.<br />

Es heißt dort nnter dem Titel: „Areal-Ausrechnung über<br />

Wiendorf" sich ergänze das Fehlende in Klammern): „Zwischen<br />

Katzow, Pritzier nnd dem Cron Holtze sdie Prägel^ ist<br />

in alten Zeiten ein Dorfs gewesen, so Wien ^dorf geheißen^,<br />

solches sist^ nunmehro seit langer Zeit ^als^ Weide gebrauchet<br />

^) Nach dem Berichte des jetzigen Pächters Herrn Ianzen zu<br />

Alt-Wiendors.


38 Pastor Kasten,<br />

worden." Die wüste Feldmark ist dann aber vollständig geson<strong>der</strong>t<br />

vermessen und wird genau nach <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Morgen<br />

und Quadratruthen angegeben. Zum Schluß heißt es dann,<br />

nachdem bei den an<strong>der</strong>n Ortschaften angegeben worden, wie<br />

viel Acker seit <strong>der</strong> Vermessung von 1694 neu in Kultur genommen<br />

:<br />

„Wiendorf. Auf diesem Felde ist alles seit voriger<br />

Vermessung unverän<strong>der</strong>t geblieben. Was den wüsten Acker betrifft,<br />

so ist selbiger überall von gröblichem Sande, etwas röthlich,<br />

hin und wie<strong>der</strong> schießen itzt etliche Tannenbüsche auf,<br />

und es wird selbiger von allen umliegenden Dörfern zur<br />

Weide gebraucht, die ihr Vieh dahin treiben. Würde allhie<br />

etwas ausgebrochen, welches mit <strong>der</strong> Zeit wohl geschehen dürfte,<br />

so kann selbiges alle 6 und 9 Jahre besäet werden, erst mit<br />

Buchweitzen, und hernach mit Rocken." Eine im hiesigen Pfarr-<br />

Archiv aufbewahrte ältere „Charte über den Pfarracker in<br />

Katzow copirt von dem im Jahre 1800 von Aug. Borries<br />

gemessenen Originale" hat im Südwesten des Ackers die Bezeichnung:<br />

„Hieran grenzet das wüste Wiendorfer Feld." Ich<br />

habe diese Grenzlinie zwischen Wiendorf und Katzow, so weit<br />

diese Specialkarte sie bot, auf <strong>der</strong> beifolgenden Karte angedeutet.<br />

Was in <strong>der</strong> Landes-Vermessung als wüstes Wiendorfer Feld<br />

bezeichnet ist, kann übrigens nur ein Theil <strong>der</strong> zu dem alten<br />

Wiendorf gehörigen Feldmark sein; denn das vorhin genannte<br />

Wendefeld umfaßte es nicht. Man muß sich eben denken, daß<br />

in früherer Zeit das Feld, von Waldstücken unterbrochen, von<br />

dem Burgwall sich bis zu jener Grenzlinie ausdehnte, dann<br />

aber <strong>der</strong> Wald sich rings um den Burgwall schloß und nur<br />

an seinem Rande ein als Weide benutztes wüstes Feld übrig<br />

blieb.<br />

Auf jene alte Landesvermessung von 1694 bezieht sich<br />

auch eine Notiz in Bie<strong>der</strong>städts Beiträgen zur Geschichte <strong>der</strong><br />

Kirchen und Prediger in Neuvorpommern. Es heißt dort<br />

Thl. III. S. 24: „Wiendorf gränzte gegen Norden und Osten<br />

an Katzow, gegen Süden an Pritzier, gegen Westen an Kühlenhagen<br />

und die Kronhölzung Prägel. Es soll zum borgwaldi-


Vurgwall in <strong>der</strong> Prägel. 39<br />

schen Schloß in <strong>der</strong> Kronholzung Prägel gehört haben. In<br />

Ansehung des in dieser Waldnng Gelegenen Borkwall o<strong>der</strong><br />

Borgwalls bemerkt <strong>der</strong> königliche Landmesser Hesselgrecn in<br />

<strong>der</strong> Areal-Neschreibnng: Derselbe zeigt Nu<strong>der</strong>à von einem alten<br />

Schlosse, welches in früheren Zeiten Hierselbst gestanden haben<br />

soll, welches mit 3 Gräben nnd Erdwällen umgeben gewesen;<br />

dessen Platz ziemlich groß aus einer Erdzunge zwischen Wiesen<br />

uud Morästen, nahe bei Knhleborn belegen ist und jetzt einen<br />

hohen Waldhügel representirt. Diese Ueberreste lassen ver-<br />

muthen, daß dies Schloß zn seiner Zeit von nicht geringem<br />

Glanz und Ansehen gewesen sey. Nun ist es mit vielen<br />

Eichen und Buchen bewachsen und dienet den wilden Thieren<br />

zum Aufenthalt."<br />

Die ans <strong>der</strong>selben Seite bei Niedcrstedt befindliche Angabe:<br />

„Wiendorf heißt auch Wüst-Wcndorf, Krittower-Hof im Kirch-<br />

spiel Katzow" ist jedoch in zwiefacher Hinsicht eine irrthümliche.<br />

Deun erstens heißt Wiendorf in Urkunden wie im Volksmunde<br />

nie Wendorf, fondcrn stets Wiendors. Die Annahme einer<br />

Umwandlung des Namens Wendors in Wicndorf o<strong>der</strong> einer<br />

Verwechseluug bei<strong>der</strong> ist iu hiesiger Gegend, wo <strong>der</strong> Orts- nnd<br />

Personen-Name Wendors geläufig genug ist, ganz unstatthaft.<br />

Zum audcrn lag <strong>der</strong> untergegangene Hof Krittow nachweislich<br />

nördlich von Katzow, zwischen den Dörfern Katzow, Lodmanns-<br />

hagen uud Netzband, nnd darf mit Wieudorf nicht identificirt<br />

werden.<br />

Wiendorf mnß aber fchon sehr früh untergegangen sein.<br />

Denn schon in <strong>der</strong> alten Kirchenmatrikel Katzows vom Jahre<br />

1581 wird es nnter den Dörfern des Kirchspiels nicht mehr<br />

aufgeführt. Als die Burg zerstört o<strong>der</strong> verlassen wurde, zog<br />

sich wahrscheinlich auch die wendische Bevölkerung von dort<br />

hinweg, uud, wie ich vermuthe, zum größten Theil nach Katzow<br />

hin. Verschiedene Gründe sprechen mir dafür, daß in Katzow<br />

eine dichter gedrängte wendische Bevölkerung noch fest saß, als<br />

schon rings Heruni die Deutscheu sich ansiedelten. Ich will<br />

hierauf jedoch uicht näher eingehen.<br />

Anf dem Grund und Boden <strong>der</strong> alten wüsten Feldmark


40 Pastor Kasten,<br />

Wiendorf aber entstanden im Lauf <strong>der</strong> Zeit wie<strong>der</strong> menschliche<br />

Wohnsitze. Denn es liegt hier jetzt die Oberförsterei und Försterei<br />

Iägerhof. Wann sie angelegt worden, vermag ich nicht<br />

zu sagen, wahrscheinlich erst im Lauf des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Etwas älter, obwohl gleichfalls noch dem vorigen Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

angehörend, mag <strong>der</strong> kleine Pachthof sein, welcher heutigen<br />

Tages den wie<strong>der</strong> aufgelebten Namen Alt-Wiendorf trägt. Er<br />

liegt in einem von bewaldeten Höhen umkränzten anmuthigen<br />

kleinen Thale am Ufer des aus dem Prägelwalde kommenden<br />

Baches, eine halbe Stunde von dem Burgwall entfernt. Hier<br />

hat in drei Generationen bis zum Jahre 1848 eine Iägerfamilie<br />

gehaust, <strong>der</strong>en Geschichte die Sage mit <strong>der</strong> des ehemaligen<br />

Dorfes in Verbindung bringt. Sie erzählt nämlich: im<br />

dreißigjährigen Kriege sei Wiendorf zerstört, alle Einwohner<br />

seien umgekommen; nur ein kleiner Knabe sei übrig geblieben,<br />

Namens Richert, den die Hunde groß gesäugt hätten; daher<br />

habe er die Fähigkeit bekommen, das Wild spüren zu können;<br />

als er herangewachsen, habe er sich das Haus am Bache gebaut<br />

und sei ein Wolfsjäger geworden. Diese Sage birgt an<br />

historischem Kern schwerlich mehr, als die Erinnerung an das<br />

untergegangene Dorf und die Thatsache, daß ein Richert das<br />

Gehöft aufgebaut, durch welches <strong>der</strong> Name Wiendorf sich erneute.<br />

Es kann dies erst um 1750 geschehen sein; das alte Wiendorf<br />

aber hat so wenig noch bis zum dreißigjährigen Kriege gestanden,<br />

daß man schon 1694 von ihm als einem längst verschollenen<br />

reden konnte. Einiges Dunkel zwar schwebt über<br />

dem Besitz des kleinen Pachthofes; <strong>der</strong> erste Richert hat ihn<br />

als Eigenthum besessen, jetzt wird er von Seiten des Forst-<br />

Fiskus verpachtet. Eine Tradition behauptet, <strong>der</strong> Sohn o<strong>der</strong><br />

Enkel habe sich in trunkenem Zustande das Besitzdokument<br />

ablisten lassen, sei als Besitzer vor dem Amt erschienen und<br />

als Pächter wie<strong>der</strong> heimgegangen. So wenig glaubhaft das<br />

klingt, schreibt doch die Königl. Regierung zu Stralsund selbst<br />

in einer Verfügung vom 19. Mai 1849 an die Katzower<br />

Kirchen-Administration: Nachdem <strong>der</strong> ehemalige Wolfsjäger<br />

Otto Richert, welcher das zu Alt-Wiendorf belegene Haus nebst


Bnrgwall ili <strong>der</strong> Prägel. 41<br />

Acker und Wiese nnd <strong>der</strong> gestatteten Weidefreiheit für eine Kuh<br />

und zwei Pferde in <strong>der</strong> Königl. Forst auf feine Lebenszeit<br />

von allen Abgaben befreiet besessen hatte, gestorben war, wurden<br />

dein Sohne und später dessen Enkel die gedachten Gegenstände<br />

gegen Zahlung eines Grundgeldcs überlassen und diefem<br />

dabei auferlegt, gleich wie es von dem Otto Nichert geschehen,<br />

die Aufsicht auf das Katzower Kirchen- nnd Pfarrholz zu<br />

führen 3c." Also er ist ein von allen Abgaben befreiter Besitzer<br />

gewesen. Wie aber ist <strong>der</strong> Sohn ein Pächter geworden?<br />

Das bleibt unanfgehellt.<br />

So viel aber steht uns nach dem Bisherigen fest, daß man an<br />

<strong>der</strong> Existenz des alten Dorfes Wiendorf, an feinem Zusammenhang<br />

mit dem Burgwall und an <strong>der</strong> Forni des Namens Wiendorf ^)<br />

nicht zweifeln kann. Gehen wir mm einen Schritt weiter und<br />

fragen: Sollte denn diefe alte Burg von Wiendorf, die doch<br />

noch jetzt so anfehnlich, die nach ihrer Weise mit so viel Kunst<br />

und System angelegt ist, gar keine Erwähnung in Urkunden<br />

o<strong>der</strong> Chroniken gefunden haben? Ich antworte darauf, daß sie<br />

nach meiner Meinung an einer Stelle <strong>der</strong> Knytlinga-Saga<br />

genannt ist. Es wird dort nämlich ^) znm Jahr 1178 o<strong>der</strong><br />

1177, denn die Knytlinga-Saga selbst giebt keine Jahreszahlen,<br />

erzählt: „König Valdcmar erfuhr, daß die Venden zwei Burgen<br />

an <strong>der</strong> Flatzmynne (.<strong>der</strong> Swiene) anlegten, während sie verglichen<br />


42 Pastor Kasten,<br />

ausrüsten sollten, und nach Vindland ziehen und sich dort begegnen.<br />

Der Herzog rückte mit seinem Heere vor Dimin.<br />

König Waldemar bot wie<strong>der</strong>um eine Flotte auf von Dänemark,<br />

und segelte Valagust (Wolgast) vorbei nach Fuznon, und heerte;<br />

und alles Volk entfloh; er aber verbrannte drei Burgen Fuznon,<br />

Vinborg und Fuir. Da wurde wie<strong>der</strong>um ein Sendgebot<br />

geschickt zwischen König Waldemar und Herzog Henrik, daß sie<br />

sich in Grozvin treffen sollten; da kam König Waldemar zu<br />

<strong>der</strong> Stelle, wo sie die Begegnung beredet hatten, aber Herzog<br />

Henrik kam nicht. Darauf belagerte König Waldemar die<br />

Burg, welche Kotskovburg (Gutzkow) heißt; er lag um die<br />

Burg über Nacht, und verbrannte sie die folgende Nacht,<br />

begab sich darauf zu seinen Schiffen, und zog davon in Unfrieden.<br />

Darauf segelte König Waldemar zur Flatzmynne, und<br />

zog da hinaus; aber die zwei Burgen, welche die Venden<br />

angelegt hatten, hatte <strong>der</strong> Fluß im Winter überschwemmt und<br />

ganz vernichtet. Der König zog darauf heim." Die hier<br />

genannte Vinborg kann wohl kaum eine an<strong>der</strong>e fein, als <strong>der</strong><br />

Burgwall in <strong>der</strong> Prägel.<br />

Ich weiß wohl, daß die Zuverlässigkeit <strong>der</strong> Knytlinga-<br />

Saga von <strong>der</strong> neueren Kritik sehr gering veranschlagt wird,<br />

L. Giesebrecht (in den Wendischen Geschichten) gebraucht sie<br />

zwar zur Ergänzung Saxos, O. Fock dagegen ^) räth, bei ihrer<br />

Benutzung für unfere heimische Geschichte in jedem einzelnen<br />

Fall mit <strong>der</strong> größten Vorsicht zu Werke zu gehen und will<br />

ihre Nachrichten, selbst wenn sie nicht an innerer Unmöglichkeit<br />

o<strong>der</strong> Unwahrscheinlichkeit leiden, immer nur unter Reserve aufnehmen.<br />

Er weiß ihr eine Reihe <strong>der</strong> ärgsten historischen und<br />

topographischen Verstöße nachzuweisen. Allein gerade in Bezug<br />

auf diese letzteren wird man, glaube ich, zu <strong>der</strong> gegentheiligen<br />

Meinung Kombsts ^) zurückkehren, daß „die Geographie <strong>der</strong><br />

Knytlinga-Saga im Ganzen sehr genau sei." Gerade was<br />

L. Giesebrecht s) ihr als Hauptvorwurf anrechnet, daß nämlich<br />

Rügensch-Pommersche Geschichten I. S. 126 ff.<br />

Balt. Stud. I. S. 39.<br />

Wend. Gesch. III. S. 385.


Burgwall in <strong>der</strong> Präge!. 43<br />

zu ihrer Zeit die Identifieirung <strong>der</strong> Iomsburg mit Iulin<br />

„bereits zur festen Tradition versteinert" gewesen sei, wird jetzt<br />

allgemein als das richtige angenommen; und was O. Fock über<br />

das ganz planlose Hin und Her, Vor- und Rückwärts des<br />

Zuges des Däuen von <strong>der</strong> Warnowmündnng nach Swold<br />

und von da nach Valung redet, hebt sich ans die einfachste<br />

und natürlichste Weise, wenn man uuter Swold nicht die Greifswal<strong>der</strong><br />

Ol, son<strong>der</strong>n ^) die Rhede von Barhöft versteht.<br />

Was speciell die oben angeführte Stelle über deu Zug<br />

Kö'uig Waldemars iu die Peeue vom Jahr 1178 betrifft, so<br />

ist hier Aulaß, Plau, Ausführuug und Geographie des Zuges<br />

durchaus klar. Der Dä'nenköuig erfährt, daß die Pommern<br />

zwei Vurgen an <strong>der</strong> Swienc ^) angelegt haben, was ihm sehr<br />

schlecht gefällt, da er daraus die Absicht erkennt, das Verhältniß<br />

<strong>der</strong> Abhängigkeit zu lösen, zu welchem sie sich hatten bequemen<br />

müssen. Er vereinbart daher einen gemeinsamen Kriegszug<br />

mit seinem alten Buudesgeuossen, Heinrich dem Löwen, uud<br />

zwar in <strong>der</strong> Weise, daß letzterer von Südwest her an die obere<br />

Peeue zieht, Waldcmar aber ihm entgegen von <strong>der</strong> Peeuemüudung<br />

her, so daß sie sich, wie sie schon früher gethau, au<br />

<strong>der</strong> mittleren o<strong>der</strong> unteren Peene treffen. Waldemar läuft<br />

mit seiner Flotte in die Pcene ein — war sie früher durch<br />

Steiue und Pfähle gesperrt, so konnten die Pommern selber<br />

in eignem Interesse die Sperre wie<strong>der</strong> entfernt haben — bei<br />

Wolgast vorbei, welches er nicht anzugreifeu wagt, o<strong>der</strong> durch<br />

dessen Belageruug er zu lauge würde aufgehalteu sein. Links<br />

uud rechts verheert er die Uferlandschafteu. Bei dieser Gelegenheit<br />

verbrennt er drei Burgen, Fuzuon, Viuborg und<br />

Fuir, welche also zwischcu Wolgast und <strong>der</strong> Mündung des<br />

Pceneflufscs in den Pecnestrom auf dem pommerschen Fcstlande<br />

o<strong>der</strong> auf Usedom zu sucheu sind. Ob mit Fuzuon Usedom<br />

bezeichnet sei, lasse ich dahin gestellt fein; wenn kurz<br />

9) O. Franckc, Balt. Stud. XXV. 1.<br />

'") Kombst und Barthold verstehen nnter <strong>der</strong> Plazmynne o<strong>der</strong><br />

Flatzmynne die Pcenc, Giescbrccht die Swiene; letztere Ansicht scheint<br />

die richtigere.


44 Pastor Kasten,<br />

nachher Usedom mit dem richtigen Namen Usna genannt ist,<br />

so ist dies wenigstens zweifelhaft. Fuir nachzuweisen, darauf<br />

muß ich ebenfalls verzichten; es würde sich etwa <strong>der</strong> unweit<br />

Ranzin, eine Viertelmeile, südlich vom Bahnhof Züssow belegene<br />

Burgwall von Oldenburg darbieten, wenn er nicht schon etwas<br />

zu weit ins Land hinein läge. ") Vinborg aber, glaube ich,<br />

kann nichts an<strong>der</strong>es sein, als unser Burgwall von Alt-Wiendorf<br />

in <strong>der</strong> Prägel. Landeten die Dänen an <strong>der</strong> Mündung <strong>der</strong><br />

Ziese bei dem heutigen Hohendorf, so hatten sie von dort nur<br />

einen Weg von 1^4 Meilen landeinwärts zu machen. Nach<br />

<strong>der</strong> Einäscherung <strong>der</strong> drei Burgen zieht Waldemar weiter, um<br />

mit Heinrich in Großwin zusammenzutreffen. Allein dieser<br />

hatte inzwischen seine Zeit mit <strong>der</strong> vergeblichen Belagerung<br />

Demmins zugebracht, hatte dann jedoch Geißeln empfangen<br />

und war wie<strong>der</strong> abgezogen. Während dessen rückt Waldemar<br />

von Großwin, wo er den Herzog wi<strong>der</strong> die Verabredung nicht<br />

findet, weiter bis Gutzkow vor, brennt es nie<strong>der</strong> und kehrt<br />

schließlich durch die Swiene wie<strong>der</strong> heim. Die an <strong>der</strong>selben<br />

errichteten Burgen <strong>der</strong> Pommern waren im Winter bereits<br />

durch Überschwemmung vernichtet.<br />

Hier ist nirgends eine Verwirrung, während Giesebrecht<br />

und Barthold zugeben, daß Saxos Bericht über diesen Zug<br />

an Verwirrung leide. Wenn nun aber die Vinborg unweit<br />

des Peenestroms zu suchen ist, so muß man gestehen, daß die<br />

Aehnlichkeit des Namens es sehr nahe legt, an den Burgwall<br />

von Wiendorf im Prägelwalde zu denken.<br />

Am 6. Juni 1877 nahm ich, nachdem die Königliche<br />

Regierung zu Stralsund die Erlaubniß dazu ertheilt hatte,<br />

einige Nachgrabungen auf dem Burgwall vor. Zuerst wurde<br />

im vor<strong>der</strong>en Vurgraum, in <strong>der</strong> Nähe des Einganges 9,. ein<br />

Graben von etwa 12 F. Länge, 3 F. Breite und 3 F. Tiefe<br />

ausgehoben. Hierbei kamen einige Urnenscherben von ziemlich<br />

") Man könnte auch an die öfter erwähnten alten Burgen von<br />

Lassan o<strong>der</strong> Ziethen denken, <strong>der</strong>en Namen die Knytlinga-Saga nach<br />

ihrer Weise übersetzt o<strong>der</strong> sich dänisch mundrecht gemacht hätte.


Vurgwall in <strong>der</strong> Prägel. 45<br />

dicken Wänden (an den stärksten Stellen ^/2 Zoll dick), ohne<br />

Verzierungen, und aus grober Thonmischung ' verfertigt, zum<br />

Vorschein; dieselben müssen einer frühen wendischen Zeit zugewiesen<br />

werden. Dann wurde, fast in <strong>der</strong> Mitte des Ringwalles,<br />

ein ähnlicher, noch etwas längerer Graben aufgeworfen.<br />

Hier fand sich jedoch nichts, nur daß in einer Tiefe von ca.<br />

l/2 F. erst eine Grandschicht und darunter eine mehrere Zoll<br />

starke Schicht aus grobkörnigem, röthlich gefärbten Sande, <strong>der</strong><br />

mit einer darunter sitzenden gräulich- und bläulich-gemischten<br />

schmierigen, thonartigen Masse zusammenhing, aufgedeckt wurde.<br />

Unter <strong>der</strong> genannten Schicht fchien Urboden zu liegen. Diese<br />

Sand- und Schmierschicht ist vermuthlich von animalischen Stoffen<br />

stark durchzogen und kann als eine natürliche wohl nicht angesehen<br />

werden. Es würde noch eine nähere Untersuchung<br />

nöthig sein, um festzustellen, aus welchen Stoffen diese Schicht<br />

besteht. Sie zog sich durch die ganze Länge des aufgeworfenen<br />

Grabens hin. Dann wurde in <strong>der</strong> Sohle des zwischen dem<br />

Ring- und Mittelwalle liegenden Grabens ein Einschnitt gemacht.<br />

Nach einer starken sehr humusreichen Schicht traf man<br />

hier auf bläulich gefärbten feinen Sand in ziemlicher Mächtigkeit,<br />

den die Arbeiter für Urboden erklärten, <strong>der</strong> wahrscheinlich<br />

indeß erst bei <strong>der</strong> allmähligen Versandung <strong>der</strong> Gräben sich<br />

abgelagert hat. Da man noch in bedeutende Tiefe hätte gehen<br />

müssen, um etwas genügendes festzustellen, wurde die Nachgrabung<br />

an dieser Stelle aufgegeben; beim Wie<strong>der</strong>zuwerfen <strong>der</strong><br />

Grube wurden noch einige Knochen, wahrscheinlich Menschenknochen,<br />

gefunden. Das vierte Loch wurde wie<strong>der</strong>um in dem<br />

großen vor<strong>der</strong>en Burgraum, doch mehr nach <strong>der</strong> Mitte zu,<br />

gegraben. Nicht sehr tief unter <strong>der</strong> Oberstäche stieß hier ein<br />

Arbeiter auf ein Stück, das er mit großer Bestimmtheit für<br />

Aes (Schlacke), wie <strong>der</strong> Schmied in <strong>der</strong> Esse habe, erklärte.<br />

Bald fanden sich mehr <strong>der</strong>gl. Stücke, zuletzt stieß man, in<br />

<strong>der</strong> Tiefe von ungefähr 2^/2 Fuß auf einen förmlichen Heerd<br />

von etwa 4 Fuß im Quadrat, <strong>der</strong> mit solchen Schlackenstücken<br />

dicht bepackt war. Unmittelbar unter <strong>der</strong> Schlacke fand sich<br />

eine dünne Schicht rothgebrannten Lehms; an manchen Stücken


46 Pastor Kasten,<br />

ist die Schlacke mit demselben zu einer Brandmasse vereinigt.<br />

Zwischen den Schlackenstücken, nnd zum Theil auch mit ihnen<br />

zusammengeschmolzen zeigten sich eine Menge Holzkohlen.<br />

Ferner fanden sich in unmittelbarer Verbindung mit diesem<br />

Heerde zahlreichere Nrnenscherben. Das vollständigste Bruchstück<br />

<strong>der</strong>selben läßt auf die Form des Gefäßes einigermaßen<br />

schließen. Dieselbe würde etwa diese sein. Mit Wellenlinien<br />

ist es nicht verziert, son- 5"""? <strong>der</strong>n nnr mit einfachen,<br />

horizontal herumlaufenden /< Rillen. Anch im Innern<br />

sind horizontale Linien zu s ^^^^z sehen, welche auf eine Anfertigung<br />

auf <strong>der</strong> Töpfer- ^ / schcibe schließen lassen.<br />

Es ist auf <strong>der</strong> Außenseite X / noch ganz mit einem dicken<br />

schwarzen Ruß bedeckt. Eine Anzahl von gewöhnlichen Feldsteinen<br />

wurde hier ebenfalls gefunden, die an <strong>der</strong> einen —<br />

flachen — Seite schwarz vom Ruß waren, wahrscheinlich also<br />

um das Feuer herumgestellt sein müssen, um es zu schützen<br />

o<strong>der</strong> zusammenzuhalten. Auch ein kleiner, roh bearbeiteter<br />

Feuerstein gehörte zu <strong>der</strong> Ausbeute dieser Stelle. Ferner noch<br />

Stücke einer flachen Scheibe aus roth gebrantem Lehm, am<br />

Rande etwas abgedreht, die, vervollständigt, 5^/4 Zoll im Durchmesser<br />

haben würde. Es würde wohl nicht schwer sein, durch<br />

einen Sachverständigen feststellen zu lasseu, woraus die Schlacke<br />

besteht, damit man daraus beurtheilen könne, welcher Art die<br />

Industrie war, welche hier betrieben wurde. Eiuzelne Stücken<br />

machen ganz den Eindrnck, als wenn es Eisenschlacke wäre;<br />

bei allen zeigt die Oberfläche eine Glasur.<br />

Als Frucht <strong>der</strong> Arbeit eines einzigen Nachmittags, die<br />

mit wenigen (3) Arbeitern unternommen uud auf gut Glück<br />

versucht war, konnte das Gefundene dnrchans als befriedigend<br />

angesehen werden. Dentliche Spuren menschlicher Thätigkeit<br />

waren zu Tage gekommen; wollte man die Nachgrabungen<br />

fortsetzen, so würde man höchst wahrscheinlich auf dem großen<br />

vor<strong>der</strong>en Burgraum noch mancherlei finden. Der Heerd und<br />

die Schlacke dürfte den Beweis liefern, daß hier ständige menschliche<br />

Wohnsitze waren. Ob aber das Innere des Ringwalles<br />

auch bewohnt war? Fast möchte man, nach dem bisher gewon-


Vurgwall ili <strong>der</strong> Prägel. 47<br />

nenen, freilich noch nicht entscheidendem, Resultat vermuthen,<br />

daß er es nicht war, vielleicht aber ein Tempel-<br />

Heiligthum barg. Alle die wichtigeren wendischen und<br />

rügenschen Burgwälle waren ja Tempelburgen. Als mensch-<br />

liche Wohnstätte hatte <strong>der</strong> Ringwall, selbst für einen edlen<br />

Herrn, wenig Anziehendes; aber für eine Tempelstätte würde<br />

er passen. Ein Bach fließt an seinem Fuße durch die Wiese<br />

dahin, waldumschlossene Seeen, <strong>der</strong>en Wasser er abführt, sind<br />

in geringer Entfernung; und sollte jene vorhin erwähnte röth-<br />

liche Sandschicht nicht irgend wie mit dem Kultus des Heilig-<br />

thums zusammenhängen?<br />

Als Nachtrag füge ich noch hinzu, daß, wie mir <strong>der</strong> Herr<br />

Oberförster von Bernuth zu Iägerhof mitgetheilt hat, das dem<br />

Burgwall gegenüberliegende, mit demselben durch den bereits<br />

erwähnten Damm verbundene Waldterrain, welches zu Karbow<br />

gehört, von den Karbowern ebenfalls „Burgwall" genannt wird,<br />

jedoch keine Spuren von VerWallungen aufweist.<br />

Unerwähnt kann ich schließlich nicht lassen, daß auf <strong>der</strong><br />

Mitte des Dammes eine Eiche und unter <strong>der</strong>selben ein großer<br />

Sandstein steht, auf dessen platter Fläche folgende Inschrift<br />

mit großen Buchstaben eingegraben ist (<strong>der</strong> Stein ist etwas<br />

auf die Seite gesunken und dadurch einzelnes nicht mehr zu lesen):<br />

1783<br />

hat Carl V. Ov^ätien. ^) ^ ^ Wiesen roden lassen und die<br />

Bewässerung angelegt. Selbiges Jahr . . . . 150 Fu<strong>der</strong> Heu<br />

gebracht.<br />

Es wäre also möglich, daß <strong>der</strong> Damm zum Zweck <strong>der</strong><br />

Bewässerung angelegt worden wäre; es ist mir indeß nicht<br />

wahrscheinlich, vielleicht hat man den schon vorhandenen Damm,<br />

<strong>der</strong> nur 50 Schritt lang ist, zu <strong>der</strong> Anlage mit benutzt.<br />

In mehrfacher Hinsicht erinnert das bei dem Prägel-<br />

Burgwall befolgte System <strong>der</strong> Befestigung an den Garzer<br />

Burgwall. Zunächst schon die doppelte Umwallnng; dann<br />

aber ist die Art eigenthümlich, loie die Endpunkte <strong>der</strong> beiden<br />

V.


48 Pastor Kasten,<br />

äußeren Wälle dem Eingang znm innern Burgraum gegen-<br />

überliegen. ^) Dasselbe finden wir bei uuserm Burgwall wie<strong>der</strong>.<br />

Sicherlich galt es, den Eingang beson<strong>der</strong>s zu schützen. Auf<br />

<strong>der</strong> erwähnten Zeichnung des Garzer Burgwalls ist bei 3,. eine<br />

Höhe angedeutet, in welcher die beiden äußereu Wälle zu-<br />

sammengestoßen haben sollen; sie ist jetzt nicht mehr vorhanden,<br />

ihre frühere Existenz soll aber genügend bezeugt sein. '^)<br />

Denkt man sie sich hinweg, so wird die Ähnlichkeit bei<strong>der</strong><br />

Anlagen noch frappanter. Auf eben diesen selben Eingangspunkt<br />

lief, wie a. a. O. S. 249 berichtet wird, eine Pfahlreihe durch<br />

den Sumpf zu. Sind dies Ueberreste einer Brücke o<strong>der</strong> eines<br />

Sumpfweges, so würde er dem Verbindungsdamme zwischen<br />

dem Prägel-Burgwall und dem sog. Karbower Bnrgwall<br />

entsprechen.<br />

Um die Frage, welcher Zeit <strong>der</strong> Prägcl-Burgwall angehört,<br />

ihrem Abschlüsse näher zu bringen, sind ani 3. Oktober 1877<br />

und 5. September 1878 erneute Nachgrabungen vorgenommen<br />

worden. An dem ersten Tage war Herr I>. R. Vaicr aus<br />

Stralsund dabei gegenwärtig; die Ausbeute war lei<strong>der</strong> sehr<br />

geringfügig. Mehr ergab <strong>der</strong> zweite Tag, wenigstens kam eine<br />

ziemliche Menge von Urnenscherben unzweifelhaft wendischen<br />

Ursprungs, dazu Holzkohlen nnd von Rauch und Feuer ge-<br />

schwärzte Feldsteine zum Vorschein, säst alles aber in dem<br />

vor<strong>der</strong>en Burgraum dicht hinter dem ersten Hanptwall. Auf-<br />

fallend ist, daß innerhalb des Ringwalles, <strong>der</strong> bei allen Nach-<br />

grabungeu natürlich in erster Linie in's Auge gefaßt wurde,<br />

überhaupt kein Gegenstand von Bedeutung gefunden wurde.<br />

Ob <strong>der</strong>selbe eine Kultusstätte barg, erscheint daher zweifelhaft.<br />

Dagegen wird die Vermuthung, daß <strong>der</strong> Burgwall <strong>der</strong> späteren<br />

wendischen Zeit, speciell <strong>der</strong> Zeit nach <strong>der</strong> Eroberung Rügens<br />

durch die Dänen, angehört, einerseits durch die Wohlerhaltcn-<br />

heit, Klarheit und Vollständigkeit <strong>der</strong> Befestigungsanlage, welche<br />

ihres Gleichen fucht, an<strong>der</strong>erseits durch die an Zahl und Be-<br />

Taf. I. zu Jahrg. XXIV. <strong>der</strong> Balt. Stud.<br />

Ebenda S. 246 ff.


Vurgwall in <strong>der</strong> Prägel. 49<br />

dentung nnr geringen Funde, welche ein jahrhun<strong>der</strong>telanges<br />

Bewohntsein nicht wahrscheinlich machen, bestätigt.<br />

In <strong>der</strong> Zeit, als die Rügianer, auf die dänische Macht<br />

sich stützend, ihr festländisches Gebiet auf Kosten <strong>der</strong> Pommern<br />

bedeutend erweiterten, als König Kanut von Dänemark in dem<br />

von <strong>der</strong> Herzogin Anastasia von Pommern und dem Fürsten<br />

Iaromar von Rügen ihm vorgelegten Grenzstreit die oberlehnsherrliche<br />

Entscheidung fällte, daß zur Burg Wolgast die Landschaften<br />

Bukow, Lasfan und Ziethen, zur Burg Gutzkow aber<br />

die Landschaften Meseritz und Loitz gehörten (1194), als Fürst<br />

Iaromar I. von Rügen dem Kloster Eldena den zwischen <strong>der</strong><br />

Hilda uud Gutzkow belegenen Wald und das Dorf Kemnitz<br />

verlieh (1207) — da lag die Prägelburg gerade auf <strong>der</strong><br />

Grenze des von den Pommern noch behaupteten Landes Wolgast<br />

In <strong>der</strong> bald darauf folgenden Zeit mußte sie ihre Bedeutung<br />

verlieren.


50 v. Vülow,<br />

Klosterordnung von Wollin und Marienstieß.<br />

1569.<br />

Von Di'. von Vülow, Staatsarchiuar.<br />

Ans dem dem Erbvertrage von Iasenitz nm wenige<br />

Wochen vorangehenden Landtage zu Wollin im Mai 5 509<br />

wnrde anch iiber die pommerschen Inngfranenklöstcr endgültig<br />

beschlossen, indem <strong>der</strong> Bescheid des stettiner Landtages von<br />

1560 genaner gefaßt und die Errichtung von fünf „Zucht-<br />

schulen" adlicher Jungfrauen nnter fürstlicher Aufsicht auge-<br />

ordnet wurde. Das königliche Staatsarchiv bewahrt die nnter<br />

dem 23. Mai 1565 für die Klöster Wollin nnd Maricnfließ<br />

entworfene Klosterordnuug in zwei alten Abschriften des 16.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts auf, von denen die wollincr jedenfalls nach 1575<br />

geschrieben sein muß, denn sie schließt mit einer auf Marien-<br />

fließ bezüglichen Bemerkung ab, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Landtagsabschied<br />

von 1575 erwähnt wird.<br />

Der Text bei<strong>der</strong> Ordnungen ist, abgesehen von <strong>der</strong> Or-<br />

thographie und kleinen unwesentlichen Varianten, für beide<br />

Klöster ganz gleichlautend, nur bei dem für die Klosterjuug-<br />

frauen festgesetzten Deputat an Lebensmitteln hat die maricn-<br />

siießer Version noch eine Zugabe an frifchen Fischen, die in <strong>der</strong><br />

wolliner fehlt. Die letztere ist dem hier folgenden Abdruck zu<br />

Gruude gelegt worden, aus <strong>der</strong> marienfließer Version dagegen<br />

stammen die hier mit kleiner Schrift unter den Text gefetzten<br />

Noten, die in <strong>der</strong> Originalabschrift als Randbemerkungen von<br />

<strong>der</strong> Hand eines herzoglichen Beamten mit rother Dinte sich<br />

geschrieben finden. Sie sind nach dem Jahre 1588 Hinzuge-


Klosterordnung von Nollin und Marienfließ. 51<br />

fügt und haben dadurch Werth, weil sie angeben, welche Verän<strong>der</strong>ungen<br />

die Klosterordnung von Marienfließ gegen Ende<br />

des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts erfahren hat. Die wolliner Version<br />

hat keinerlei Randbemerkuugen, und ist also anzunehmen, daß<br />

in Wollin die im Jahre 1569 festgesetzte Ordnuug unverän<strong>der</strong>t<br />

geblieben ist.<br />

Kloster-Ordenuug zue Wolliu.<br />

Anno 1569 publicirt.<br />

Vonu Gottes Gnaden wir Varnimb <strong>der</strong> elter, Iohans<br />

Fri<strong>der</strong>ich, Vugschlaff, Ernst Ludtwig, Varnimb <strong>der</strong> jüuger<br />

unud Caßmir GeVettern und Gebrue<strong>der</strong>e Hertzogenu zue Stettinn,<br />

Pommeru, <strong>der</strong> Caßuben unnd Wenden, Fürsten zue<br />

Reugeu undt Graffen zue Gutzkow, thun kundt unnd bekennen<br />

hiemitt: nachdem wir auff negst zu Wollin dem 17. 18. unndt<br />

19. lauffeuden Monats May gehaltenem Landtage denen von<br />

<strong>der</strong> Ritterschafft fürnemblich zue son<strong>der</strong>n Gnaden auff Conditivi:<br />

unudt Maß dem Abscheide einvorliebett die Kloster zu<br />

Marieufließ, Stolp, Verchen, Bergen in Nuigen, auch wir<br />

Hertzogk Iohaus Frie<strong>der</strong>ich als Bischoff zu Camin das Kloster<br />

zue Kolberg zur Erziehung unnd Unterhaltung <strong>der</strong> Iuugrawen<br />

guediglich gewilliget unud ferner Vertröstung gethan,<br />

welchermaßenn kunfftig zue Gartz das sechste Kloster als eiue<br />

Zuchtfchule vor die Iungfrawen anzuerichtcn, mehren Einhalts<br />

obgedachten zue Wollin geschloßenen unndt publicirten Landtagsabscheids,<br />

als haben wir unnß ferner mit gemeinem Rath<br />

nachfolgende Ordnung die eheberurtenn Schulen anzurichten<br />

unnd zu halten vereiniget unndt Verglichcnn.<br />

Nemblich unndt zum ersten follen in ein jedeß Kloster<br />

zwanzig Iungfrawen, nicht unter funfzehen Jahr alt, fo gottsehliges,<br />

christliches Lebens, Nahmens unnd Wandels, auch<br />

adelicheu Standes, mit unserm Vorwißen, Consens und Verwilligung<br />

genommen, erhalten unnd ihrer unnd an<strong>der</strong>er notwendigen<br />

Persohnen Undcrhaltuug etwas Gewißcs ohne allen<br />

Abgang verordnet uundt perpetuiret werdenn.


52 v. Vülow,<br />

Vorschlagt vonn wegenn <strong>der</strong> Inngfrawen Kloster.<br />

Nachdein mein g. F. unndt Herr Einhalt des Abscheides<br />

gnediglichen ans Condition, Maß nnndt Wege gewilliget, denn<br />

Praelaten nnndt Ritterschafft fnrnemblich zn Gnaden, zu Erhaltnng<br />

unndt Erziehung unndt Znchtschnlen <strong>der</strong> Inngfrawen<br />

die Klöster Marienflies, Stolp, Verchen, Bergen in Ruigen,<br />

das Kloster zn Kolberge zu verordnen, anch künfftig Einhalt<br />

des Abscheides das sechste Kloster zuc Garz anrichten zu laßen,<br />

unndt das in einem jedem Kloster 20 Iungfrawen nicht unter<br />

funfzehen Jahr alt, so gotsehliges christliches Lebens, Nahmens<br />

unndt Wandels, adelichen Standes, mit ihrer f. G. Vorwißen<br />

unndt Verwillignng darein genomen, erhalten unndt zne ihren<br />

unndt an<strong>der</strong>n notwendigen Persohnen Un<strong>der</strong>haltnng etwas Gewißes<br />

ohne allen Abgang zu verordnen nnnd zne perftetuiren,<br />

so sollen in einem jeden Kloster zwo alte betagte, sehligen<br />

christlichen gueten Lebenswandels nnndt Nahmens, adelichen<br />

Standes, Witwen o<strong>der</strong> Inngfrowen nicht nnter fnnfzig Jahren<br />

alt, die schreiben unnd lesen können, als Regentinnen sein,<br />

unterhalten werden. Dieselbigen zwo Rcgentinnen sollen sampt<br />

unndt son<strong>der</strong>lich anff die Inngfrawen vorncmblich, auch sonst<br />

über Megde unndt an<strong>der</strong> Volck Befehlich nnd guette fleißige<br />

Aufsicht haben, damit allenthalben godtsehlig, christlich Leben<br />

nnndt Wandell im Kloster erhaltenn unndt son<strong>der</strong>lich die ihn<br />

das Kloster verordnet unndt sonst zur Lehre darein gethane<br />

Kin<strong>der</strong> Einhalt <strong>der</strong> Ordnung ihren Christenthnmb lehren uundt<br />

sonsten darein sich üben, auch nicht gestattenn, das Manspersohnen<br />

ihn das verschlossene Klosters ferner als vor das Sprachhanß,<br />

anßerhalb des Predigers, davon hernach gemeldet, und<br />

sonst keine Frawe, Jungfern o<strong>der</strong> Megte in das Kloster nicht<br />

gehörich, ohne ihr Vorwißen kommen, noch lenger als sie nachgeben<br />

darein verharren laßenn.<br />

An<strong>der</strong>e Personenn, so ihm Kloster zn haltenn.<br />

20 Iungfrawenn<br />

l) Mit Verschließuug ists niemaln zu Wercke gerichtet.


Klosterordnung von Wollin und Marienfließ. 53<br />

2 Megde vorr die Regentinnen<br />

2 Megde vorr die Iungfrawen<br />

1 Schafferin, so Alles verschleust, außgiebet, auf Nrawen unnd<br />

die gantze Haußhaltung siehet<br />

1 Kellerin, so auf die Schafferinne warthet<br />

1 Küchinne<br />

2 Megde in die Küchen<br />

1 alt frommer betagter Mahn zum Pförtner, <strong>der</strong> in Pflicht<br />

genommen Wirt, Iemandts ohne <strong>der</strong> Regentinnen Befehlich<br />

ein o<strong>der</strong> auh dem Kloster nicht zue lassen, daß ehr auch<br />

die Schlüssell nicht bei sich habe, son<strong>der</strong>n je<strong>der</strong>zeit, wan<br />

das Kloster auff vorgehenden Nefehlich <strong>der</strong> Regentinnen<br />

sol geöfnet werden, die Schlüßell holet unnd baldt wie<strong>der</strong><br />

bringt.<br />

Summarum 32 Persohnen mit dem Pförtners.<br />

Darzu werden außerhalb des Klosters gehalten ein alter<br />

redlicher Pfarner, <strong>der</strong> auch denn Iungfrawen lesen unndt<br />

schreiben leren kan; dem Wirt zur Verrichtung seines Ambts<br />

auf den Dorffern ein geschickter Küster o<strong>der</strong> Cappelan gehalten,<br />

<strong>der</strong> nicht in das Kloster kommen, son<strong>der</strong>n wie gemeldet des<br />

Pfarhern Ampt auf den Dorffern versehen. Schaffer o<strong>der</strong><br />

Rentmeister mit einem Jungen o<strong>der</strong> Knechte, <strong>der</strong> alles, was<br />

verordnet, zue rechter Zeit schaffe unnd den Regentinnen unnd<br />

Schafferinncn verandtworten, darvon auch klare Rechenschafft<br />

den verordenten Conservatoren und Inspectorn unnd sonst auch<br />

wegen <strong>der</strong> Landesfürsten Alles bestellenn ^).<br />

2) Hernach ist erbetten, das ein je<strong>der</strong> Part eine beson<strong>der</strong> Wohnung<br />

haben und das Deputat unter sich verteilen mochten.<br />

2) Hirin ist nnterscheidtlich Veren<strong>der</strong>nng gewest und hat sich zulest<br />

befunden, <strong>der</strong> alte Graf auch (<strong>der</strong> sich zuvor als eiu Oberhaubtmau<br />

nf Sazig und Nath die Oberufsicht zugeeignet) selbst verordnen helfen,<br />

das ein gewisser Ambtman zn Ufsicht des Klosters und Hofgesindes,<br />

Bestellung <strong>der</strong> Bawerck und Iurisdiction bestellet würde und stets<br />

kegenwertig were, dar also weiniger nfgangen, weil nicht allein <strong>der</strong> Graf<br />

deswegen evhohetes Deputat gehabt, son<strong>der</strong>n das Deputat <strong>der</strong> hieschen<br />

Ambtsdiener viel hoher gewesen, als da einem bestendigen Ambtman,


5)4 v. Bülow,<br />

Die Amfttleute jedes Ordeß ^) sollen die Iurisdiction<br />

unndt oberste Aussicht haben unnd behalten nnnd denselben zur<br />

Visitation, Inspektion nnd Conservation jedes Orts ein Hoffraht<br />

ilnndt zwcn ehrliche, ansehnliche verstendige vom Adell<br />

zugeordnet werden-"').<br />

Die zwanzigk Persohnen, so in jedes Kloster mit <strong>der</strong><br />

Landesfürsten Bewilligung und auff gehörtes Bedenken <strong>der</strong><br />

verordenten Inspectoren unndt Conservatorn wie gemeldet,<br />

sollen unberüchtigte ehrliche Iunfern sein, unndt außerhalb <strong>der</strong><br />

Regentinnen, Schafferin unndt Küchin keine Witwen o<strong>der</strong><br />

Frawespersohnen darein genommen werden, unndt darein die<br />

rechten Armen, die nicht Vater o<strong>der</strong> Mutter haben, sonsten<br />

auch gebrechlich sein, vor an<strong>der</strong>n Vermnegenen in dem Einnehmende<br />

Acht gehabt werden.<br />

Nnndt soll frey sein, das die Iunfern auß den Klöstern<br />

gefreihet werden, jedoch wan die Heyratungen fürfallen, sollen<br />

dieselbigen nicht an<strong>der</strong>s alß aus Rath unnd Willen <strong>der</strong> Eltern,<br />

Vormün<strong>der</strong> unndt negstverwanten Freunde, anch mit Vorwißen<br />

<strong>der</strong> Regentinnen und Inspectorn vorgenommen ^), volnzogen<br />

und wan sie verleubt, durch die Eltern o<strong>der</strong> Frennde darauß<br />

genommen, nnnd die an<strong>der</strong>e, so die erste Vertröstung darauf<br />

erlangt, wie<strong>der</strong>um in ihre Stadt tretten.<br />

Wan auch die Iungfrawen, so darauß gefreihet, gahr<br />

arm, wollen die Landesfürsten zu Hülff des Ehegeldes sich in<br />

Gnaden bezeigen ^).<br />

<strong>der</strong> kegenwertige gute Disposition anzustellen gehabt, folgents ein gewisse<br />

Deputat zugeordnet.<br />

Der hier erwähnte „alte Graf" ist Graf Ludwig von Eberstein,<br />

Hauptmann zu Satzig, <strong>der</strong> nebst Bernd von Dewitz, Magnus von<br />

Wedel und Messig Borke auf dem Landtag zu Wolliu zum Klosterin«<br />

spector ernannt war.<br />

4) als in Vorpommern und stettinscher Negieruug.<br />

2) Sein nur vom Lande 3 vom Adel verordnet, jezo über viel<br />

Jahr hero uur 2 gewesen, als Ewaldt Fleming und Jochim v. Wedel<br />

zu Crempzow.<br />

6) Gefchicht wohl, aber ohne <strong>der</strong> Inspectorn Vorwitzen.<br />

') Ist niemaln also erfolgt.


Klosterordmmg von Wollin nnd Marienstieß. 55<br />

Die Klöster sollen verschloßen gehalten unndt ein Sprach-<br />

haus ahm Thor mit einem Gitter erbauwet und zugerichtett<br />

werdend). Unndt wo Iemandts vonn <strong>der</strong> Iungfrawenn<br />

Freunde o<strong>der</strong> sonst Iemandts ansprechen will, soll dieselbige<br />

Persohn durch den Thorwer<strong>der</strong> bey <strong>der</strong> Regentinnen sich an-<br />

geben laßen "). Darauff eine von den Regentinnen sampt noch<br />

einer Iungfrawen in das Sprechhauß gehen, darein so lange<br />

pleiben, biß die Un<strong>der</strong>redung gescheen, nnd darnach wie<strong>der</strong>umb<br />

sampt den Iungfrawenn in ihren Gewarsamb gehen ^).<br />

Wo auch Frauwen o<strong>der</strong> Iungfrawen, die bei ihren Freun-<br />

den einen Tag o<strong>der</strong> Nacht o<strong>der</strong> in furfallenden Schwagheiten<br />

lenger bei ihnen sein nnd ihm Kloster verharren wolten, daßel-<br />

bige soll ihnen frei sein, jedoch das sie ihre Pferdte und Wagen-<br />

knechte und Mansgesinde in dem Kruege auf ihren Uncosten<br />

lassenn ").<br />

Unndt da <strong>der</strong> Iungfrawen Elteren o<strong>der</strong> sonst negste Ver-<br />

wante, Freunde o<strong>der</strong> Frundinnen die Iungfrawen eine Zeit-<br />

lang bei sich haben o<strong>der</strong> wor mit hinnehmen wolten, soll ihnen<br />

daßelbige mit bei<strong>der</strong> Regentinnen Willen frei sein unndt das<br />

sie disfals die Iuugfrawen selbst o<strong>der</strong> durch ehrliche Matronen<br />

darauß holen unnd in bestimbter Zeit darein wi<strong>der</strong> bringen<br />

laßen i2).<br />

Von Disciplin nnd Uebung were eine christliche Orde-<br />

nung Zu verfassen ^), darob anch zu halten und auf die Un-<br />

gehorfahme Straf zu fetzenn, unudt zu verordnen, wo eine<br />

Iungfraw die ihm Kloster wcre, sich unehrlichenn verhalten<br />

wurde, das dieselbige gekopfft unnd die Helffte dessenn was sie<br />

nachgelassen, halb unter die Armen ausgetheilet, unnd die<br />

6) Ist uiemalll zu Wercke gerichtet.<br />

9) Geschicht also nicht, son<strong>der</strong>n gehet ein Je<strong>der</strong> gerade zu.<br />

") Geschicht nicht.<br />

") Geschicht also.<br />

l2) Ersolgt also nicht.<br />

^) Es ist noch keine Verordnung deswegen geschehen, sousten sein<br />

wol alte Vorschlege vorhanden, aber nicht zn Wercke gerichtet. Ao.<br />

38 ist in einem Abscheidt deswegen auch Vertröstung geschehen, aber<br />

daraus uichtes erfolgt.


56 u. Bülow,<br />

an<strong>der</strong> Helfte zu deß Klosterß Bauwtc gelangen wurde"),<br />

unnd die Manspersohnen, so Unzucht mit Iungfrawen getrieben<br />

o<strong>der</strong> sonsten sich <strong>der</strong>selbigen unterstanden, und überwnnnen<br />

würden, auch gekopfet, o<strong>der</strong> wan sie nith bekommen, proscribirt<br />

und wo es adeliche Persohnen, vonn Schildt und Helm getheilet<br />

unnd nach <strong>der</strong> Fürsten Ermeßigung von ihrer Erbschafft<br />

o<strong>der</strong> den Früchten des Lehens zu den Klosterstructurn etwas<br />

gegeben werden.<br />

Vonn Kleidungen.<br />

Die Iungfrawen sollen nicht an<strong>der</strong>s im Kloster als<br />

schwarz Zaden unnd Wand-röcke unndt weiße Schleyer, wie<br />

die zu verordnen, tragen, unndt einer jeden Regentinnen und<br />

Iungfrawen füuf stetteinische Ellen breit schwarz lundisch Gewandt<br />

unnd einen halben Thaler zum Schleiger ^), zwelff<br />

Scheffel! Lein, drey Scheffell Hanfsaet darzu jerlich gesehet<br />

werden^) unndt einer jeden Regentinnen 6 st undt jeden<br />

Iungfrawen 3 st Offergeldt gegeben ^), und alle da obgeschriebene<br />

Persohnen besoldet werden, auch notturfftiglich Holtz und<br />

Kolen verschaffet und die Bawte erhalten werden.<br />

Folgett das Deputat.<br />

Waß <strong>der</strong> jungen Iungfrawen unnd Kin<strong>der</strong>n Eltern und<br />

Freunde, die in dem Kloster sein werden, geben, solte auch<br />

zu beßerer Unterhaltung zu dem vorigen Deputat kommen.<br />

24 Dromett Roggen^)<br />

l4) Solch ein Fal hat sich Lob Gott noch nicht zugetragen wi«<br />

ßentlich.<br />

!5) Das Tuch bekommen sie jerlich. Schleiergeldt ist aber niemaln<br />

geben.<br />

i6) Anstadt dieses Lein und Hanfsehens ist ihnen von Anfange<br />

her alles Pachtflachs, welches 300 Topfe sein sollen, geben.<br />

") Priorin nnd an<strong>der</strong>e Jungfern bekommen nur ein jede gleichviel<br />

als 3 st, es wirdt aber nicht gefochten.<br />

^) Erfolgt richtig. Diese fast bei jedem einzelnen Lieferungsgegenstand<br />

sich wie<strong>der</strong>holende bestätigende Randbemerknng ist <strong>der</strong> Raum«<br />

ersparniß wegen beim Abdruck weggelassen worden.


Mosterordnung von Wollin und Marienftieß. 57<br />

30 Dromett Gerstenn<br />

12 Sch Weitzen<br />

2^/2 Dromett Grutzkorne<br />

1^/2 Dromett Erbsenn<br />

1 Last Habern zur Grütze und die Gense zue mesten, Alles<br />

stargardischer Maßen.<br />

1 Kohlhoff zue Kohlle, Röven, Cipollen unnd an<strong>der</strong> Kuchennnotturfft.<br />

30 feiste Schweine<br />

7 feiste Kuchenochfenn<br />

90 Schnitfchaffe<br />

4 Hafen alle Quarthall ^)<br />

90 Zegetlemmer ^)<br />

600 Höner<br />

100 Gense<br />

30 Farckenn<br />

1 Tonne Schaffbutter<br />

2 Tonne Schaffkefe aus den Schäffereyen.<br />

Darzn follen sie den Ackerhoff vom Kloster mit aller<br />

Abnutzung von Viehe, Milch, Butter, Keese, Kelber velhaftig<br />

in ihre Verwaltuug uuud Gebrauch behaltenn.<br />

12 Tonne lunenborges Saltz<br />

2 Tonne Ael<br />

4 Thonne Dorfch<br />

3 Thonne Heringk<br />

1 fchwere Thonne Vergersisch<br />

30 Schock Flackfisch ")<br />

in) Hasen haben sie niemalen bekommen.<br />

A)) Anstadt <strong>der</strong> 90 Lemmer haben sie von Anfang her 30 Kelber<br />

bekommen und nicht gestritten.<br />

2') Nach dem Flackfisch schiebt die Marienfließer Ordnung hier<br />

noch ein: „1 Tunnhe Lachs" und „alle Vischiage frische Bische", sagt<br />

aber zur Lachslieferung am Rande: „Anstadt des Lachses, bekommen<br />

sie 13 Schl Hopfen, weil sie damit proportionalster nach dem<br />

zugeordneten Gersten gerechnet, nicht zureichen können, Habens also<br />

von Anfang her bekommen, und ist also gudt gelaßen worden;" uud zu<br />

den frischen Fischen: Die Fischerei ist alhie sehr geringe, darumb <strong>der</strong> kern-


58 v. Bülow,<br />

1 Last Hopffenn 22)<br />

1 Futter new Landtwein ^)<br />

30 fl für Gewnrz<br />

5 große Stein Wulle<br />

notturfftigk Holtz nnndt Kohlen ^)<br />

Urkundlich mit unserm aufgedruckten Pittschaftenn besteti-<br />

get unndt gegeben zu Wollin Montags nach Exaudi, den 23.<br />

May Anno 1569.<br />

Daß marienflietische Kloster wollenn I. f. G. laudt des<br />

Landtages Abfcheideß und Ordenung ihnen gnediglich verrei-<br />

pendorfische Sehe diesem Ambt mit zu befischen verordnet, wie es anch<br />

ein Grenzsehe ist, deswegen aber mit dem Hern Hanbtman nf Sazig<br />

Streit, vorlengst anch bei<strong>der</strong>seits Fundamente nnd 9^oturfft zn Hofe<br />

übergeben, darnf aber noch znr Zeit eingefallenen wichtigen Gescheffte<br />

halben kein Bescheidt erfolgt.<br />

22) Bekommen noch 18 Schl mehr, wie beim Lachs gedacht.<br />

22) Den Wein sollen sie von Anfang her, wie die Inngfern berichten,<br />

nnr 2 mal bekommen haben, folgents ists nicht geschen.<br />

24) Anstadt des Holzes nnd Kolen ist erstlich 30 Fadem Grenzholz<br />

zugeordnet, folgents noch mit 10 Fadem verbessert, das es also 40<br />

Fadem sein. Sonsten noch darüber an Strauch über 3 o<strong>der</strong> 4 Wochen<br />

(sie wollens all 14 Tage haben) so viel als eine Dorfschafft füren<br />

kan. Stehet zu bedencken, weil die Holzung alhie sehr lieb wirdt, ob<br />

anstadt des Strauches ihnen nicht mochte Torff, so eine alhie sehr<br />

gute und den Panren angenehme Fenrnng ist, mochte verordnet<br />

werden. Damit dan allererst von mir <strong>der</strong> Anfang gemacht, uud<br />

oue üppigen Ruhm gute Gelegenheit an Torff-M o'ren, wie sie<br />

genandt werden, erfunden, dadurch ein Großes jerlich an Holz geheget<br />

und ersparet werden kan, weil von armen Leuten in nmbliegenden<br />

Dörffern (so dan keine eigene Feurholznng haben) anß Nott heimlich,<br />

weil unmuglich in den langen kalten Winternechten mit Ufsicht es zu<br />

verhüten, dieselbe sehr angriffen und also zu keiuem Gehege o<strong>der</strong> Increment<br />

kommen mügen; dahero den und weil den Inngfern davon<br />

ihre Deputatholz nicht gefolget werden können, die drögen Beume<br />

müssen angriffen werden, welche baldt verlesen sein.<br />

Hiruber ist nach geschlossener Ordnung und von Anfang her nf<br />

<strong>der</strong> Inngfern Bitten noch ihnen zugeordnet worden:<br />

6 Schock Eier, welchs den alle Pachteier sein von den Krügern.<br />

2 Viert Hirse.<br />

1 Achtenteil Honnich.


Klosterordmmg von Wollin und Marienftieß. 59<br />

chen laßen, maß ihnen gepeuret, land Abscheidt Anno 1575<br />

zue Wollin.<br />

Daran schließt sich noch eine anscheinend von <strong>der</strong>selben<br />

Hand wie die Randbemerkungen znr marienfließer Klosterordnung<br />

herrührende<br />

Erinnerung<br />

bei verfaßcter newen Closterordnung.<br />

In <strong>der</strong>selben wird tadelnd erwähnt, daß die Jungfern,<br />

wenn sie zu Chor gehen, des Gottesdienstes zu Pflegen, das<br />

Haar ums Haupt fliegen lassen und auch soust also angethan<br />

sind, daß sie sich billig scheueu müßten, einem ehrlichen Manne<br />

entgegen zu gehen, vielmehr aber vor Gottes Angesicht zu<br />

treten und des Gebetes und an<strong>der</strong>en Gottesdienstes zu warten,<br />

woraus auf geringe Herzensandacht, und daß sie nur die Gewohnheit<br />

<strong>der</strong> Stunden begehen, zu schließen.<br />

Der Priorin wird geboten, Niemandem die Erlaubniß<br />

aus dem Kloster zu verreisen Zu geben, sie wisse denn, daß<br />

es auf For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Eltern o<strong>der</strong> Freunde geschehe, weil befunden<br />

worden, daß unter dein Schein, kranke Eltern o<strong>der</strong><br />

Gefreundte zu besuchen, die Jungfern manchmal Gastereien<br />

und an<strong>der</strong>n weltlichen Lustbarkeiten nachziehen.<br />

Wenn sonst glaubwürdig bescheinigt wird, daß die Jungfern<br />

nothwendiger Geschäfte halber verreisen müssen, so soll<br />

doch nach früherem und nicht unbilligem Gebrauch dem Hauptmann<br />

Anzeige gemacht werden und dieser erfor<strong>der</strong>lichen Falles<br />

Amtsfuhrwerk dazu stellen.<br />

Es wird getadelt, daß, obgleich in das große Thor nichts<br />

als Holz, Mehl und Gerste eingeführt werden sollen, und bei<br />

Ausfahrten <strong>der</strong> Jungfern die Wagen gleich denen von Besuchenden<br />

im Krnge o<strong>der</strong> auf dem Ackerhof ihren Stand haben,<br />

jetzt Freunde und Fremde zum großen Thor aus- und einfahren,<br />

als wenn das Kloster ein öffentliches Wirthshaus<br />

wäre, und daß <strong>der</strong> Hauptmann, wenn er nicht mit unnützen<br />

Worten wolle abgespeist werden, den Pförtner spielen müsse.


60 u. Bülow,<br />

Auch wenn <strong>der</strong> Hauptmann den besuchenden Freunden im Kloster<br />

ans dem fürstlichen Hause kein Nachtquartier einräumen<br />

wolle, müsse er Manches hören; ohne erhebliche Ursache sei<br />

daher von nun an Niemandem Logirung auf dem fürstlichen<br />

Hause zu gewähren. Früher habe <strong>der</strong> Pförtner die Aufsicht<br />

im Thor gehabt und habe verdächtige Personen abweisen o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Priorin anzeigen müssen. Jetzt sei sein vornehmstes Amt,<br />

zwei, drei uud mehr Meilen weit mit Briefen umherzulaufen,<br />

und gehe je<strong>der</strong>, den es gelüstet, inzwischen unangemeldet ein<br />

und aus. Ebenso stehe die Kirche, durch die man in und aus<br />

dem Kloster kommen kann, Tag und Nacht offen, während<br />

früher die inneren Kirchthüren durch die Priorin, die äußeren<br />

durch den Hauptmann verschlossen gehalten und nur zum Gottesdienst<br />

geöffnet wurden. Die Jungfern haben aber den<br />

Amtleuten soviel Verdruß bereitet, daß diese des Schließens<br />

überdrüssig geworden seien. Zu Vermeidung allerlei Verdachts<br />

und heimlichen namentlich nächtlichen Durchschleifs empfehle sich<br />

die Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> alten Gewohnheit.<br />

Da öffentlich verlobten Jungfern im Kloster kein langer<br />

Aufenthalt gestattet sei, so habe das Unwesen <strong>der</strong> heimlichen<br />

Berlöbniß sich eingeschlichen, <strong>der</strong> Bräutigam habe dann seine<br />

Braut im Kloster wie<strong>der</strong>holt besucht, Gastereien, Abendreihen<br />

und andre mehr weltliche als klösterliche Lustbarkeiten seien<br />

vorgekommen, bis endlich nach Jahr und Tag die öffentliche<br />

Verlobung stattfand. Dem könne vielleicht dadurch abgeholfen<br />

werden, daß dnrch den Hauptmann und die Provisoren ein<br />

Termin gesetzt werde, bis zu welchem sie ihr Vorhaben verwirklichen,<br />

danach aber das Kloster meiden sollen.<br />

Weil die Jungfern mehr Mägde annehmen, als die alte<br />

Klosterordnung erlaubt, bisweilen auch alte uud vieler Unthaten<br />

berüchtigte Vetteln an sich ziehen und sich mit überflüssigem<br />

Gesindel behängen, so daß die Praebenden nicht zureichen wollen,<br />

und die Jungfern sich beklagen, daß sie von auswärts her<br />

sich Lebensmittel zu verschaffen genöthigt sind, so soll die<br />

Priorin ein Auge auf die Dienstboten haben und die überflüssigen<br />

allenfalls mit Beistand des Hauptmanns entfernen.


Klosterordnung von Wollin und Marienfließ. 61<br />

Die Jungfern halten sich zum Theil eigne Schweine im<br />

Kloster und füttern sie mit ihrem Küchenabfall. Das benöthigt<br />

nicht nur mehr Gesinde, son<strong>der</strong>n verursacht im ganzen Gebäude<br />

viel Stancks und Unflaths, <strong>der</strong> die Luft verpestet; sogar in<br />

<strong>der</strong> Kirche beim Altar sind die Schweine gespüret und gesehen<br />

worden. Dem muß abgeholfen werden und will man die<br />

Jungfern bei ihrer Säuzucht lassen, so hat dieselbe doch auf<br />

dem Ackerhofe zu geschehen, wo Kosen und Ställe angebracht<br />

werden können.<br />

Der Remter wurde früher zu den Zusammenkünften <strong>der</strong><br />

Jungfern, auch bei Begräbnißfeierlichkeiten gebraucht, jetzt<br />

muß man eines solchen Raumes entbehren, da <strong>der</strong>selbe zur<br />

Wohnung für eine <strong>der</strong> Conventualinnen eingerichtet ist.<br />

Eine <strong>der</strong> Klosterjungfrauen that Küsterdienste und hatte<br />

namentlich das Stellen des Seigers zu besorgen. Da sie<br />

ihres Amtes aber nicht mit <strong>der</strong> nöthigen Pünktlichkeit wartete,<br />

kamen die Jungfern selten zu rechter Zeit zu Chor, und wird<br />

daher dies Geschäft dem Pförtner übertragen.<br />

Die täglichen Gebetsgottesdienste und das Psalmensingen<br />

werden nicht zu <strong>der</strong> vorgeschriebenen Zeit und den Bestimmungen<br />

<strong>der</strong> Klosterordnung gemäß abgehalten. Die Zeit des Gebets<br />

wird sehr verkürzt und jede liest o<strong>der</strong> singt was ihr vorkommt<br />

ohne Harmonie; auch ist unter allen keine, die den Ehor<br />

recht zu regieren weiß, so daß nirgends rechter Ernst und Vorsatz,<br />

Gott zu dienen, gespürt wird. Es wird daher <strong>der</strong> Wunsch<br />

ausgesprochen, <strong>der</strong> neue Pastor möge eine neue Ordnung für<br />

diese Andachten entwerfen und über <strong>der</strong>en Beobachtung wachen.<br />

Schließlich wird noch bemerkt, daß die Kirche gar häßlich<br />

und übel gezieret ist, und einer silbernen Monstranz erwähnt,<br />

die man vielleicht zu an<strong>der</strong>m Gebrauch verwenden könne.<br />

Der Bestand des Klosters um diese Zeit o<strong>der</strong> doch nicht<br />

viel später geht hervor aus einem Verzeichniß <strong>der</strong>


69 v. Bülow, Klosterordnung von Wollin und Marienfließ.<br />

Iunckfrauwen, Personen und Wittwen, welche ihm Kloster Marienfließ<br />

Ao. 70 den 17. Aprilis befunden worden^)<br />

Iunckfrauwen so ingekledet.<br />

1. Elisabet Podewilsen, Priorin.<br />

2. Regina von Wedeln, Subpriorin.<br />

3. Walburg vom Wolde.<br />

4. Frosina Podewilsen.<br />

5. Margareta von Guntersbergen.<br />

6. Anna Hanowen.<br />

7. Margareta Volten.<br />

8. Gerdrutt Podewilsen.<br />

9. Katrina Schwade.<br />

10. Hcdewich von Nresen.<br />

Wittwen.<br />

11. Christoffer von Wedelsche.<br />

12. Niclaus Kreyesche.<br />

13. die Warnowsche, ist einß Hanowen Tochter.<br />

Iungkfrauwen welche nicht ingekledet.<br />

./ ^ ^ Geschwestern die von Wedeln von Nchtenhaaen.<br />

15. Barbara ^ ^ "<br />

16. Elisabet Weygerß von Malckentin.<br />

^ ^' «v> Kletzen, Geschwestern, von Tichow.<br />

18. Margareta<br />

19. Anna<br />

__, ^ ,<br />

20. Margareta<br />

> > ><br />

^ ^. .


Die Königin Luise in Pommern.<br />

Den Verehrern <strong>der</strong> hochseligen Königin Lnise wird es<br />

angenehm sein Zn hören, daß die edle Frau auch Pommern<br />

wie<strong>der</strong>holentlich mit ihrem Besuche beehrt hat. Es geschah<br />

dies 1798, 1802, 1800 und 1809. 1798 begleitete sie ihren<br />

Gemahl zur Huldigung nach Königsberg; sie kam am 25. Mai<br />

in Stargard an, nahm am 26. und 27. an <strong>der</strong> dort stattfindenden<br />

Revue theil und fuhr dann nach Danzig in <strong>der</strong><br />

Weise voraus, daß sie am 27. bis Plathe, am 28. bis Cöslm,<br />

am 29. bis Lauenburg gelangte.<br />

1802« wie<strong>der</strong>holte das königliche Paar seine Reise nach<br />

Pommern. Es fuhr an: 25. Mai von Berlin nach Stargard,<br />

nahm dort vom 26.—28. die Revue ab, und beehrte am 27.<br />

das von den Pommerschen Landständen im Exerziergarten veranstaltete<br />

große Fest mit seiner Gegenwart. Die Weiterfahrt<br />

ging nach Mockerau in Westpreußcn wahrscheinlich durch die<br />

Neumark.<br />

Zum dritten Male besuchte die Königin Luise Pommern<br />

im März 1806. Die Majestäten fuhren am 8. März von<br />

Schwedt nach Stettin, um dem Durchmarsche eines russischen<br />

Corps unter dem Grafen Tolstoy beizuwohuen. Ihre Anwesenheit,<br />

durch viele Feste gefeiert, dauerte bis zum 12. März;<br />

sie verdient um so mehr Beachtung, als die Königin diesmal<br />

in Pommern ihren Geburtstag beging.<br />

Unter gar traurigen Verhältnissen sah die Königin Pommern<br />

wie<strong>der</strong>. Sie kam allein auf <strong>der</strong> Flucht von Berlin am 19. October<br />

in Stettin an, begab sich aber schon am folgenden Tage<br />

über Podejuch, Garden und Schönflicß nach Cnstrin zu ihrem<br />

Gemahle. Der patriotisch gesinnte Kaufmann von Essen aus<br />

Stettin begleitete sie dorthin. Acht Tage später kehrte die Königin


64 Die Königin Lnise in Pommern.<br />

in Begleitung ihres Gemahls in unsere Provinz zurück. Das<br />

Königspaar reiste nämlich am 28. October von Driesen über<br />

Arnswalde nach Stargard in <strong>der</strong> Hoffnung, daß das Hohenlohesche<br />

Corps Stettin erreichen würde, eilte aber schon am<br />

folgenden Tage, als ungünstige Nachrichten eingetroffen waren,<br />

nach Deutschcrone weiter. Die Reiseroute ist nicht bekannt, wahrscheinlich<br />

ging sie über Freienwalde, Nörenberg nnd Dramburg.<br />

Zuletzt ward den Pommern das Glück zu Theil,<br />

ihre Königin zu sehen, als im Dezember 1809 die königliche<br />

Familie von Königsberg nach Berlin übersiedelte. Die königlichen<br />

Kin<strong>der</strong>, unter denen sich auch Prinz Wilhelm befand,<br />

trafen am 17. in Neustettin, am 18. in Friedrichsdorff (in<br />

<strong>der</strong> Gegend von Dramburg) und am 19. in Stargard ein,<br />

während die Majestäten am 19. in Neustettin, am 20. in<br />

Dramburg, am 21. in Stargard übernachteten und am 22.<br />

ihre Reise über Pyritz nach Freienwalde a. O. fortsetzten.<br />

Genauere Nachrichten über einige <strong>der</strong> erwähnten Besuche<br />

sind in Adamis Buche gegeben, manches Neue haben die von<br />

mir angestellten Forschungen in den Acten des königlichen<br />

Staatsarchivs und des Stargar<strong>der</strong> Stadtarchives geliefert.<br />

Einzelne werthvolle Mittheilungen verdanke ich auch den Mittheilungen<br />

von Augenzeugen o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>n. Da ohne<br />

Zweifel auch in den Archiven an<strong>der</strong>er Städte sich noch Acten<br />

über die erwähnten Königsreisen befinden, sowie in manchen<br />

Familien Aufzeichnungen über dieselben vorhanden sind, so<br />

richte ich an die geehrten Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche<br />

Geschichte die herzliche Bitte, darauf ihr Augenmerk<br />

richten und mir von etwaigen Funden gefälligst Nachricht geben<br />

zu wollen. Auch Mittheilungen über Vorgänge, die durch<br />

mündliche Neberlieferung bekannt geblieben sind, werden mir<br />

willkommen sein. Ich beabsichtige nämlich die Bezieh ungen<br />

<strong>der</strong> Königin Luise zu Pommeru genau zu erforschen<br />

und das Ermittelte zu Anfange des nächsten Jahres in einer<br />

kleinen Broschüre zu veröffentlichen.<br />

Pyritz. Dr. Vlasendorff.


Aus <strong>der</strong> Frmyojenzeit.<br />

Mitgetheilt von Dr. Vlasendorfs.<br />

Am 29. October 1806 Abends '/2I2 Uhr ward im<br />

französischen Hanptqnartier zn Möhringen die Capitulation<br />

abgeschlossen, welche die Festung Stettin den Franzosen überlieferte.<br />

Znm vorläufigen Commandanten ward Napoleons<br />

Generaladjntant Denzel ernannt, <strong>der</strong>selbe traf am 3. November<br />

in <strong>der</strong> Stadt ein und übernahm sofort die Geschäfte seines<br />

Amtes. Bald daranf löste ihn <strong>der</strong> Brigadegeneral Thonvenot<br />

unter dem Titel eines Commandanten und Gouverneurs von<br />

Pommern ab; ihm zur Seite trat als kaiserlicher Commissarius<br />

und Intendant <strong>der</strong> Finanzen L'aigle. Eine umfassende Schil<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> frauzösischeu Verwaltung in Pommern fehlt bis<br />

jetzt, sie würde den Beweis liefern, wie gründlich uud rücksichtslos<br />

<strong>der</strong> allmächtige Sieger und seine Werkzeuge unsere Provinz<br />

anszubeuten verstanden. Soweit man nach den im hiesigen<br />

Kreisarchive erhaltenen Acten schließen kann, war Thouvenot<br />

bei seinen Anordnungen wenigstens in <strong>der</strong> Form höflich und<br />

Vorstelluugeu Zugäuglich, aber auch das än<strong>der</strong>te sich, als an<br />

seine Stelle <strong>der</strong> Divisionsgeneral Liebert trat (Ende April 1807),<br />

ein Mann, <strong>der</strong> in Grobheit nnd Rücksichtslosigkeit seines Gleichen<br />

suchte. Der Intendant L'aigle scheint ein gewandter Geschäftsmann<br />

gewesen zn sein. Er suchte sich eine genaue Kenntniß<br />

<strong>der</strong> Provinz uud uamcutlich ihrer Leistungsfähigkeit zu verschaffen<br />

und war bemüht, durch zweckmäßige Anordnungen die<br />

in die Kassen <strong>der</strong> Provinz fließenden Gel<strong>der</strong> vor den Parteigängern<br />

Schills zu sichern. Die folgenden Verfügungen des<br />

Intendanten aus <strong>der</strong> ersten Zeit seiucr Amtsführuug werden<br />

dies beweisen.<br />

5


66 vi-. Vlasendorff,<br />

Daß ich gerade sie zur Veröffentlichung auswähle, dazu<br />

bestimmt mich <strong>der</strong> Umstand, daß die von den in Stettin versammelten<br />

Landräthen <strong>der</strong> besetzten Kreise verfaßten Antworten<br />

mancherlei Angaben enthalten, welche für die Geschichte unserer<br />

Provinz wichtig sind.<br />

Die erste Verfüguug lautet:<br />

Der kaiserliche Commissarius des Departements Stettin nud<br />

Intendant <strong>der</strong> Finanzen <strong>der</strong> Provinz Pommern an die<br />

Herren Landräthe.<br />

Stettin, den 3. Dezember 1806.<br />

Ich habe die Ehre, Sie um Auskunft über folgende<br />

Fragen zu bitten:<br />

1. Welche Städte befinden sich in den Kreisen?<br />

2. Wie viele Flecken o<strong>der</strong> Dörfer?<br />

3. Wie viele Domänen?<br />

4. Wie viele Dörfer haben adliche Besitzer?<br />

5. Welches sind die adlichen o<strong>der</strong> sonstigen Besitzer,<br />

welche 1000 Thlr. o<strong>der</strong> mehr Einkünfte haben?<br />

6. Welcher Art sind die Ernten des Kreifes und wie<br />

hoch sind sie zu schätzen?<br />

7. Welches ist die Ausdehnung des angebauten Landes?<br />

8. Welches die <strong>der</strong> Forsten, wenn solche vorhanden sind?<br />

9. Welche Manufaeturen o<strong>der</strong> Fabriken giebt es in den<br />

Kreisen?<br />

10. Wie groß ist <strong>der</strong> Viehbestand?<br />

11. Welche Ereignisse o<strong>der</strong> Umstände vermin<strong>der</strong>n in diesem<br />

Augenblicke die Hilfsquellen?<br />

Ich habe die Ehre Sie zu grüßen.<br />

L'aigle.<br />

Die Landräthe beantworten diese Verordnung in folgen<strong>der</strong><br />

Weise:<br />

An Sr. Excellenz den kaiserlichen Commissar zu Stettin und<br />

Intendanten <strong>der</strong> Finanzen.<br />

Ew. Excellenz verehrliche Zuschrift vom gestrigen Tage<br />

ist uns ausgehändigt.<br />

Wir erkennen Ew. Excellenz menschenfreundliche Absicht,


Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit. 6?<br />

Sich aufs genaueste von dem Znstande <strong>der</strong> hiesigen Provinz<br />

zn unterrichten, und bitten dieselben, unsern gehorsamsten Dank<br />

dafür anzunehmen.<br />

Ew. Excellenz werden Sich dadurch am vollkommensten<br />

von <strong>der</strong> Armnth <strong>der</strong> Provinz überzeugen, und wir dürfen<br />

alsdann um so zuversichtlicher auf Ihren gnädigen Schutz<br />

und Fürsorge in Betreff <strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>ten extraordinären Steuer<br />

hoffen.<br />

Wir werden es uus daher auch gewissenhaft zur Pflicht<br />

machen, die uns vorgelegten Fragen <strong>der</strong> strengsten Wahrheit<br />

gemäß zu beantworten.<br />

Wir sind in Absicht <strong>der</strong> mehrsten dieser Fragen außer<br />

Stande, dieses mit <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Genauigkeit zu thun,<br />

ohne die Aeten unserer Kreisarchive zur Hand zu haben, und<br />

muffen aus diesem Grunde um Aufschub bis zu unserer Zuhausekunst<br />

gehorsamst bitten. Da aber die hiesige Kriegs- und<br />

Domainenkammer die genaueste Nachwcisung über alle diese<br />

Gegenstände durch unsern jährlichen Bericht erhält, so stellen<br />

Ew. Excellenz wir es gehorsamst anheim, ob Hochdieselben<br />

geruhen wollen, die Beantwortung <strong>der</strong> zweiten, dritten, vierten,<br />

sechsten, siebenten, achten, neunten und zehnten Frage von gedachter<br />

Kammer zu erfor<strong>der</strong>n, um fo mehr als Ew. Excellenz<br />

dadurch eine fchnelle nnd vollständige Uebersicht <strong>der</strong> ganzen<br />

Provinz erhalten werden, welche unsere einseitigen Berichte<br />

deshalb nicht gewähren kann, weil cinestheils beinahe die Hälfte<br />

unserer Mitglie<strong>der</strong> zur Zeit noch den Befehlen des Gouvernements<br />

in Colberg Folge leisten muß, uud an<strong>der</strong>ntheils auch,<br />

weil wir mit den Specialverhältnissen <strong>der</strong> in unseren Kreisen<br />

befindlichen Städte uud Aemter, welche nach <strong>der</strong> Landesverfassung<br />

unmittelbar Zur Kammer resfortiren, ganz unbekannt find.<br />

In Abficht <strong>der</strong> fünften Frage, welches die adelichen odcr<br />

an<strong>der</strong>n Gutsbesitzer sind, die 1000 Thlr. Einkünfte und darüber<br />

haben, müssen wir gehorfamst anzeigen, daß bei <strong>der</strong> genauesten<br />

Kenntniß unserer Kreise wir doch außer Stande sind, darüber<br />

zuverlässige Auskunft zu geben, weil fürs erste die Mehrheit<br />

<strong>der</strong> adelichen Güter von den Besitzern selbst bewirthschaftet<br />

5"


68 vi-. Blasendorff<br />

wird, und <strong>der</strong> Betrag sich nicht bestimmt ausmitteln läßt, weil<br />

<strong>der</strong>selbe in Ermangelung aller Fabriken und Mannfacturcn,<br />

die nur in den Städten existircn, lediglich auf den seit sieben<br />

Jahren so ungewissen Kornbau uud auf Viehzucht beruht.<br />

Fürs zweite und hauptsächlich aber deshalb, weil alle adelicheu<br />

Güter in <strong>der</strong> Provinz verschuldet sind, und <strong>der</strong> Kreislandrath<br />

daher nicht wissen kanu, wie viel, nach Abzug <strong>der</strong> Schulden,<br />

die Einkünfte jedes Gutsbesitzers betragen.<br />

Indem wir uus schmeichelu, Ew. Excellenz durch diese<br />

Gründe zu überzeugen, daß es nicht Mangel an gutem Willen<br />

ist, wenn wir diese Fragen nicht befriedigend beantworten,<br />

stellen wir es ganz gehorsamst anheim, von <strong>der</strong> Lehnskanzlei<br />

allhier den Extract des allgemeinen Land- uud Hyftothekenbnchs<br />

Zu erfor<strong>der</strong>n, woraus sich <strong>der</strong> Werth sämmtlicher adelichen<br />

Güter nnd <strong>der</strong> Betrag aller eingetragenen Schnlden ergeben mnß.<br />

Das Resultat dieses Extraets wird zwar nicht vollständig<br />

sein, weil die Wechsel- nnd Familienschuldeu <strong>der</strong> Gntsbesiher,<br />

worüber zur Erhaltung des Credits nur Privatverschreibungeu<br />

ausgestellt werden, daraus nicht ersichtlich sind; aber auch ohne<br />

diese werden Ew. Exeellenz sich dadnrch überzeugeu, daß <strong>der</strong><br />

pommerfche Adel ebenso arm als zahlreich ist.<br />

In Betreff <strong>der</strong> elften Frage, welches die Begebenheiten<br />

<strong>der</strong> Umstände sind, welche in diesem Augenblick die Hülfsquellen<br />

vermin<strong>der</strong>n, haben wir die Ehre, folgendes gehorsamst<br />

anzuzeigen:<br />

Die Hanpterwerbsquellen des platten Landes <strong>der</strong> hiesigen<br />

Provinz sind Kornban und Viehzucht; Fabrikeu, Manufaeturcn<br />

und die mehrsten Handwerke sind ein Vorrecht <strong>der</strong> Städte.<br />

Innerer Handel existirt nicht, weil außer <strong>der</strong> O<strong>der</strong> keine<br />

Flüsse schiffbar find. Der Landmann fetzt seine rohen Producte<br />

iu den nächsten Städten ab, wo selbige theils consumirt,<br />

theils exportirt werden. Indessen hat eine Reihe mittelmäßiger<br />

Ernten seit 1798 die Exportation theils ganz gehemmt, theils<br />

bedeutend vermin<strong>der</strong>t, und <strong>der</strong> Sold <strong>der</strong> iu <strong>der</strong> Proviuz stehendeu<br />

Truppen nebst <strong>der</strong>en Vergütigungsgel<strong>der</strong>n für das zum<br />

Unterhalt <strong>der</strong>selben erfor<strong>der</strong>liche Mehl, für Fonrage und für


Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit. 69<br />

die vom Lande zu leistenden Fuhren waren in diesem Zeitpunkte<br />

die Hülfsqnellen des eirmlirenden Geldes.<br />

Seit dem Monat Octobcr v. I. hat alles dieses aufgehört.<br />

Die Armee wurde mobil, und bis ans die Besatzung<br />

von Stettin nnd Colberg marschirten alle in <strong>der</strong> Provinz<br />

garnisonirenden Trnppen. Dabei mnßte Pommern gleich allen<br />

übrigen Provinzen eine extraordinäre Mehl- uud Fonragelieferuug<br />

leisten. Die dafür verheißene Vergütiguug ist nicht<br />

allein noch größtenteils rückständig, son<strong>der</strong>n die Provinz ist<br />

noch ein Capital von 100,000 Thlr. für ein Quautum Fourage,<br />

das nicht in n^tui-H geliefert werden konnte und daher<br />

pa,r 6Qti'0^)i'Ì86 angeschafft werden mußte, schuldig, und man<br />

war anßer Stande, auf den Credit <strong>der</strong> ganzen Provinz diese<br />

Schuld zu negociren. Selbst die königliche Bank versagte<br />

die Anleihe auf dieseu Credit, obgleich die höchste Finanzbehörde<br />

in Absicht <strong>der</strong> Domainenämter dieser Anleihe beitreten wollte.<br />

Im Monat März dieses Jahres marschirte das russische<br />

(Üoi'pZ ä'^rmöo i) des Generals von Tolstoy durch die ganze<br />

Länge von Pommern. Es mußte verpflegt werden, veranlaßte<br />

durch seine Consumtion beinahe Hnngersnoth, und die<br />

conventionsmäßige Vergütigung ist bis jetzt nicht erfolgt.<br />

Die diesjährige Ernte ist in Abficht des Haufttproducts<br />

des Roggens fo total mißrathen, daß an vielen Orten nicht<br />

die Saat, und im Durchschnitt <strong>der</strong> Provinz nicht 1^/2 Kornertrag<br />

gewonnen ist.<br />

Die nnglücklicheu Folgen des jetzigen Krieges, <strong>der</strong> durch<br />

die Flüchtlinge <strong>der</strong> preußischen Armee sowohl, als durch die<br />

Durchmärsche <strong>der</strong> siegreicheu Truppeu verursachte Nachtheil ist<br />

um so sichtbarer, weil alle öffentlichen Kassen, theils von dem<br />

Sieger, theils von dem Besiegten in Beschlag genommen, und<br />

daher alle Zahlnng aushört.<br />

Außer diefen allgemein bekannten Thatfachen, welche<br />

Pommerns geringen Wohlstand in diesem Augenblick unmittelbar<br />

erschüttern, hat die Circulation des baaren Geldes auch<br />

Es kehrte aus Hannover nach Rußland zurück.


70 Dr. Vlasendorff,<br />

wesentlich durch die Besitznahme von Südprenßen gelitten, weil<br />

1794 das baare Geld ans Berlin, dem allgemeinen Znflnchtsorte<br />

aller Creditbedürftigen, beinahe ausschließlich nach <strong>der</strong><br />

neuen Acquisition geflossen ist.<br />

Ans dem platten Lande <strong>der</strong> hiesigen Provinz giebt es<br />

keine Kapitalisten, son<strong>der</strong>n alles vorhandene Vermögen besteht<br />

in Grundstücke und Vieh. Die Gutsbesitzer dienen entwe<strong>der</strong><br />

dem Staate o<strong>der</strong> bewirthschaften ihre Güter selbst nnd leben<br />

von ihren Erzeugnissen.<br />

Die Wahrheit dieser pflichtgemäßen Darstellung werden<br />

Ew. Excellenz durch alle vorhandenen statistischen Nachrichten<br />

<strong>der</strong> Provinz bestätigt finden, und Sich dadnrch zu überzeugen<br />

gernhen, daß die Provinz Pommern, welche niemals wohlhabend<br />

war, in diesem Augenblick völlig Hülfslos, und beson<strong>der</strong>s<br />

vom baaren Gelde entblößt ist.<br />

Wir :c. Den 5. Dezember 1806.<br />

Die in dem Antwortschreiben ausgesprochene Bitte, den<br />

Landräthen die Angaben über die Einkünfte <strong>der</strong> Grundbesitzer<br />

zu erlassen, schlug L'aigle rundweg ab und uöthigte so die<br />

Herren zn einem höchst peinlichen Geschäfte. Der Landrath<br />

des Pyritzer Kreises von Schoening wnßte sich keinen an<strong>der</strong>n<br />

Rath als die einzelnen Besitzer nm genaue Auskunft über ihr<br />

Vermögen zu bitten. Die gelieferten Nachweise ergaben die<br />

Richtigkeit <strong>der</strong> von den Landständen abgegebenen Erklärung,<br />

daß <strong>der</strong> Grundbesitz mit hohen Schulden belastet sei nnd die<br />

Thatsache, daß die meisten Eigenthümer eben nur so viel besaßen<br />

o<strong>der</strong> durch die Bewirthschaftung erwarben, als zu einem<br />

anständigen Lebensunterhalte erfor<strong>der</strong>lich war. Von 58 Gntsbesitzern<br />

hatten nur neun ein Einkommen von mehr als 1000 Thlr.<br />

Eine zweite Verfügung des Intendanten, gleichfalls an<br />

die Landräthe gerichtet, betraf das Kassenwesen und hatte folgenden<br />

Wortlaut:<br />

Meine Herren!<br />

Ich habe die Ehre Ihnen bekannt zu machen, daß ich<br />

zu Ende jedes Monats die Uebersicht des Znstandes je<strong>der</strong> einzelnen<br />

Kasse erhalten muß, welche Zu den öffentlichen Ein-


Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit. 71<br />

künften gehört, nnd sich in Ihren Kreisen befindet. Ich bitte<br />

Sie, mir die Namen aller Kassirer o<strong>der</strong> Einnehmer anzuzeigen,<br />

und ihnen die nöthigen Befehle dieserhalb zu geben. Diese<br />

Kassenabschlüsse müssen mir, in ciurlo ausgefertigt, eingereicht<br />

werden und ich wünsche sie vom 1. Dezember d. I. aufs<br />

baldigste zu haben.<br />

Ich empfehle Ihnen anch, M. H., daranf zu sehen, daß<br />

die Zahluug, welche vou den einzelnen Einnehmern an die<br />

Hanptkasse zu Stettin geleistet werden müssen, pünktlich in den<br />

vorgeschriebenen Terminen statthabe, und daß <strong>der</strong> Transport<br />

<strong>der</strong> Gel<strong>der</strong> mit Sicherheit geschehe.<br />

Sie werden den Kassirern o<strong>der</strong> Einnehmern bekannt machen,<br />

daß sie für die Gel<strong>der</strong> ihrer Kasse verautwortlich sind, nnd<br />

daß man keinen Vorwand von Defeet o<strong>der</strong> Wegnahme gestatten<br />

wird. Es ist Ihre Sache, die nöthige Vorsicht zu<br />

branchcn, damit nichts Gefahr lanfe, verloren zu geheu. Sobald<br />

die Geusdarmerie des Departements organisirt sein wird,<br />

wird sie die nöthigen Befehle erhalten, nm nötigenfalls die<br />

Gel<strong>der</strong> fortzuschaffen, zu begleiten und zu schuhen.<br />

Ich habe die Ehre Sie zu grüßen.<br />

L'aigle.<br />

Ans diese Verfügung erfolgte nachstehende Antwort:<br />

Mein Herr!<br />

In Verfolg <strong>der</strong> Befehle, welche Ew. Excellenz uns unterm<br />

3. d. M. wegen <strong>der</strong> in unseren Kreifen befindlichen öffentlichen<br />

Kassen ertheilt haben, erstatten wir folgenden Bericht:<br />

Nach <strong>der</strong> Landesverfassung stehen nnr die adelichen Kreiskassen,<br />

wohin die Gefälle des platten Landes fließen, nnter<br />

Aufsicht <strong>der</strong> Kreis-Landräthe.<br />

1. Die Kasse <strong>der</strong> Domainenämter,<br />

2. die Accise- und Stemperasse,<br />

3. die Postkasse<br />

stehen unter Aufsicht ihrer resp. Behörden, nnd ihr Zustand<br />

ist dem Kreislandrath völlig nnbekannt, wir können also nur<br />

in Betreff <strong>der</strong> Kreiskassen Ew. Excellenz Befehle erfüllen.<br />

Die Einnahme dieser Kasfe ist durch cineu festen Etat


72 Nr. Vlasendorff,<br />

bestimmt, und die Gefälle werden zu Ende jedes Monats eingezahlt.<br />

Die Kriegeskasse zn Stettin, von <strong>der</strong> alle diese beson<strong>der</strong>en<br />

Kassen abhängen, hat ihre Etats, und wenn Ew. Excellenz<br />

geruhen wollen, dieselben Sich von gedachter Kasse einreichen<br />

zu lassen, so würde sich daraus eine sichere und schnelle Uebersicht<br />

des Zustandes je<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Kasse vom 1. Dezember<br />

und des totalen Ertrags von jedem Monat ergeben.<br />

Wir werden nicht ermangeln, bei unserer Zurückkunft den<br />

Kreiseinnehmern Ew. Excellenz Befehle in Betreff <strong>der</strong> Einzahlungen,<br />

welche an die Hauptkasse in Stettin geschehen sollen,<br />

bekannt zu machen, und mit <strong>der</strong> Ordnung und <strong>der</strong> Folgsamkeit<br />

dieser Männer bekannt, dürfen wir Ew. Excellenz ihres Gehorsams<br />

versichern, zugleich aber müssen wir, die Landräthe<br />

des Daber, Osten, Borcken, Greiffenbergschen, Flemmingschen<br />

Kreises und des Capitels Eammin, unsere mündliche Anzeige<br />

wie<strong>der</strong>holen, daß die Patrouillen aus Colberg unsere Gegend<br />

besuchen und schon bis Massow vorgedrungen sind, so daß sie<br />

unsere Kassen wegnehmen können, ohne daß we<strong>der</strong> die Einnehmer<br />

noch wir es hin<strong>der</strong>n können.<br />

Wir schmeicheln uns, daß Ew. Excellenz unserer Redlichkeit<br />

trauen uud überzeugt sind, daß wir solche Wegnahme nicht<br />

veranlassen werden, aber Dieselben werden auch einzusehen geruhen,<br />

daß <strong>der</strong> friedliche Landmann keinem Militair Wi<strong>der</strong>stand<br />

leisten darf, und daß wir also für das, was wir nicht verhin<strong>der</strong>n<br />

können, auch nicht verantwortlich fein können.<br />

Wenn wir dnrch die Verfügungen des kaiserl. Militair-<br />

Gouvernements von dieser Seite gesichert werden, so wird <strong>der</strong><br />

Transport bis Stettin um so weniger Schwierigkeit haben,<br />

als nach <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Zeitung bekannt gemachten Verfügung des<br />

ersten Postamts in Berlin die Posten nunmehr angewiesen sind,<br />

Gel<strong>der</strong> anzunehmen und alsdann die Gensdarmerie, welcher<br />

kein Militär Wi<strong>der</strong>stand leisten würde, dazu dienen könnte, die<br />

Posten gegen Straßenräuber zu sichern.<br />

Wir haben die Ehre, Ew. Excellenz beiliegend die namentliche<br />

Liste <strong>der</strong> Einnehmer zu überreichen.


Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit. 73<br />

Während L'aigle, wie wir gesehen haben, seine Angelegenheiten<br />

in streng geschäftsmäßiger Form behandelte, benutzte<br />

Thouvenot bei Abwickelung <strong>der</strong> seinigen gern die Gelegenheit,<br />

von seinem Wohlwollen für die Provinz zu sprechen o<strong>der</strong> Bemerkungen<br />

über die politische Lage hinzuzufügen. Ich wähle<br />

ein Schreiben desselben aus, welches die Milde und den hohen<br />

Sinn seines Kaisers in ein Helles Licht zu stellen bestimmt ist<br />

und lasse es, um ihm Nichts von seiner Eigenthümlichkeit Zu<br />

rauben, im französischen Wortlaute folgen. Gerichtet ist es<br />

ebenfalls an die in Stettin versammelten Landräthe.<br />

Ltottin, lo 4. V60. 1806.<br />

N688Ì6NI-8 !<br />

8oQ ^V1t6886, 16 ?l1Q66 66 ^61it6iiH.t6i, N^Ol (^OUYI^I<br />

66 I'^rra^, m'a ^Ii^r^ö an 110m. 66 8g, Ng^68t6, äs lui<br />

1'6n6i'6


74 Di-. Blasendorff,<br />

8011 Q0IH, ä. 8011 1'0A116, Ü< 80N<br />

^6 Wn8 168 t^1oiit8 6t tout68 ><br />

60110 (Io lui äii'6 1a völ'itö, wuw. 1^<br />

8UÌ8 3.V60 1ß8 86ntimoiit8 äs 1^<br />

Es würde diesmal zn weit führen, weitere Schriftstücke<br />

des Gouverneurs zur Charakteristik seiner amtlichen Thätigkeit<br />

hinzuzufügen, ich komme vielleicht ein an<strong>der</strong> Mal darauf zurück.<br />

Aber ich versage mir nicht, eine Verfügung des Generals<br />

Liebert mitzutheilen, welche die Verschiedenheit <strong>der</strong> beiden<br />

Gouverneure kennzeichnet. Veranlassung zu <strong>der</strong>selben gab folgen<strong>der</strong><br />

Vorfall: In <strong>der</strong> Nacht vom 22. zum 23. März 1807<br />

waren zu Stargard von einer militärisch gekleideten und bewaffneten<br />

Persönlichkeit, die sich Andreas An<strong>der</strong>snahme nannte,<br />

die <strong>Bestände</strong> <strong>der</strong> Salz- nnd <strong>der</strong> Acchetasse, sowie die <strong>der</strong> dort<br />

befindlichen Pyritzer Kreiskasse fortgenommen worden. Den<br />

Einnehmern hatte er dabei eine Cabinetsordre des Königs von<br />

Preußeu vorgezeigt, welche ihn ermächtigte, den Feinden möglichst<br />

großen Abbruch zu thun. Die darüber eingeleitete Untersuchung<br />

war noch nicht zum vollständigen Abschluß gelangt,<br />

als Liebert das Heft in die Hand bekam. Er erlies also nachstehende<br />

Verfügung an die Landräthe:<br />

Stettin, den 25. April 1807.<br />

Sie wissen sehr gut, mein Herr, daß in hiesiger Provinz<br />

täglich auf öffentlichen Landstraßen, in Dörfern und selbst in<br />

Städten Räubereien begangen werden. Diese Räubereien geschehen<br />

durch bewaffnete Banden ^886nMoin6iit8 a.i'M68),<br />

welche sich das Ansehen geben, als wenn sie als Parteigänger<br />

im Dienste Sr. Majestät des Königs von Preußen sich,- befinden.<br />

Glauben Sie das nicht, mein Herr, die Sache verhält<br />

sich ganz an<strong>der</strong>s. Die preußischen Soldaten kämpfen und betragen<br />

sich nicht wie Straßenrän<strong>der</strong>, und wenn sie es gewesen<br />

wären, würde das Handwerk, das sie treiben, ihnen jene Eigenschaft<br />

nehmen. '


Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit. 75<br />

Diese Banden berauben zwar direct Franzosen, aber es<br />

ist leicht Ihnen zn beweisen, daß es die Bewohner Pommerns<br />

sind, welche indirect dies Schicksal trifft. Z. B. : Eine öffentliche<br />

Kasse wird beraubt, dann muß die Stadt, welche dies<br />

zugab, das geraubte Geld ersetzen. Ein Franzose wird ausgeplün<strong>der</strong>t,<br />

dann muß <strong>der</strong> Ort, wo es stattfand, den Werth<br />

<strong>der</strong> geraubten Gegenstände wie<strong>der</strong> erstatten, wie dies eben zu<br />

Fiddichow am 20. d. M. gescheheu ist. Sie werden also<br />

darnach sich leicht überzeugen, daß es Pommerns Bewohner<br />

sind, welche beranbt werden. Es ist nun Zeit, diesen Räubereien<br />

ein Ende zu machen und den friedlichen Einwohnern die<br />

Ruhe wie<strong>der</strong>zugeben. Sie müssen mir, mein Herr, die Schlupfwinkel<br />

und die Stärke dieser Banden anzeigen, die Namen <strong>der</strong>jenigen,<br />

welche Sie erfahren können, fowie ihr Signalement<br />

angeben, kurz ich brauche Angaben, welche mich in den Stand<br />

setzen, die Provinz von diesen Vagabonden zu reinigen. Ihre<br />

Ruhe, Ihre Sicherheit, Ihr Eigenthum hängen davon ab, ja<br />

ich will sogar hinzufügen, daß Ihre Ehre dabei betheiligt ist<br />

(vot.1'6 1i0NU6U1' ^ 08t Htt^clio).<br />

Schreiben Sie mir mit vollem Vertrauen. Seien Sie<br />

überzeugt, daß Sie nicht werden compromittirt werden. Sie<br />

können es nur dann fein, wenn Sie mir keine Rechenfchaft<br />

geben; denn dann könnte ich Ihr Stillschweigen nur als eiuen<br />

bestimmten Beweis dafür ansehen, daß Sie diesen Räubern<br />

Schutz gewähren würden.<br />

Ich grüße Sie.<br />

Der Divisionsgeneral und Gouverneur von Pommern.<br />

Liebert.<br />

Der Landrath von Schöning hatte den Muth, die in <strong>der</strong><br />

Verfügung enthaltenen Verdächtigungen in gebühren<strong>der</strong> Weife<br />

zurückzuweisen. Er schrieb zurück:<br />

St argard, den 30. April 1807.<br />

Mein Herr!<br />

Ich habe soeben den Brief Ew. Excellenz vom 25. d. M.<br />

erhalten und er giebt mir einen fchätzbaren Beweis <strong>der</strong> hochherzigen<br />

Sorge, durch welche Ew. Excellenz dazu beitragen


76 5>r. Vlasendorff, Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit.<br />

will, unserer Provinz die Ruhe uud Sicherheit, welche durch<br />

Räuber bisweilen gestört ist, wie<strong>der</strong>zugeben. Alle Bewohner<br />

<strong>der</strong> Provinz, je<strong>der</strong> Patriot und alle Civilbehörden erkennen<br />

diese Absichten mit vollkommener Dankbarkeit an, weil beide<br />

gleich leiden und dabei die Civilbehörden Gefahr lanfen, verkannt<br />

zu werden. Meine wirklichen Empfindungen für das Eigenthum<br />

meiner Mitbürger uud für das Wohl <strong>der</strong> Provinz treiben<br />

mich gleichfalls, bei den Maßregeln mitzuwirken, welche getroffen<br />

sind, um so bald als möglich zu diesem Ziele zu gelangen und<br />

heißt mich, die Pflicht dazu anzuerkennen. Ich habe den oben<br />

erwähnten Brief in Uebersetzung abschriftlich an den Magistrat<br />

von Pyritz und die Aemter des Pyritzer Kreises gesandt, ich<br />

habe sie verpflichtet, in ihrem Bezirk Acht zu haben und den<br />

dort vorgeschriebenen Befehlen genau zu gehorchen, auch werde<br />

ich den Dörfern meines Bezirks den Inhalt dieses Briefes mittheilen<br />

lassen, soweit er auf sie Bezug hat. Sobald ich Anzeigen<br />

über einen Vorfall dieser Art o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Gegenwart<br />

von Räubern in dem einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Bezirk haben werde,<br />

werde ich nicht verfehlen, davon Ew. Excellenz sobald als<br />

möglich zu benachrichtigen, aber es ist mir nicht bekannt, daß<br />

sie Schlupfwinkel in meinem Kreise habett und es ist mir nicht<br />

einmal wahrscheinlich, weil man sagt, daß sie sich gewöhnlich<br />

in <strong>der</strong> Nachbarschaft <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> finden, welche vollständig in<br />

<strong>der</strong> Umgebung meines Kreises fehlen.<br />

Ich wage noch Ew. Excellenz zu gestehen, daß <strong>der</strong> Schluß<br />

des Briefes vom 25. d. M. mich sehr aufgeregt hat, weil er<br />

die Möglichkeit voraussetzt, als befände ich mich im Einverständnisse<br />

mit den Räubern, was mit meinem Amte, meiner<br />

Lage, meinem Charakter und <strong>der</strong> Würde meines Königs unvertraglich<br />

ist, uud daß ich es vorziehen würde, mein Amt nie<strong>der</strong>zulegen<br />

als zu sehen, daß man meinen Handlungen mißtraut.<br />

Ew. Excellenz<br />

gehorsamster Diener<br />

v. Schöning.


Die Mosterkirche zu Bergen auf Rügen.<br />

Von I. L. Löffler.<br />

Uebersetzt von G. von Rosen, Regierungsrath a. D.<br />

Vorbemerkung des Nebersetzers.<br />

Die Vereinsschrift <strong>der</strong> Rügisch-Pommerschen Abtheilung<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche Geschichte und <strong>Alterthumskunde</strong><br />

in Stralsund nnd <strong>Greifswald</strong> brachte im Jahre 1872 Beiträge<br />

zur Rügisch-Pommerscheu Kunstgeschichte von Karl von Rosen,<br />

<strong>der</strong>en erstes Heft Dänemarks Einflnß auf die frühste christliche<br />

Architektur des Fürstenthums Rügen nachwies. Die bezügliche<br />

Untersuchung that dar, daß zunächst die Kirche zu Bergen<br />

zweifellos als eiu dänisches Werk zu bezeichuen und die Kirche<br />

zu Altenkirchen auf Wittow möglicher Weise von demselben<br />

Baumeister errichtet ist, daß in <strong>der</strong> Kirche zu Schaftrode ein<br />

<strong>der</strong> vorgenannten verwandter Bau vorliegt und daß bei Errichtung<br />

des Klosters zu Eldcna dänischer Einfluß eine durchgreifeude<br />

Rolle gespielt hat, wie er auch im Bau <strong>der</strong> Kirche<br />

zu Semlow zu erkennen ist, und weist dieses geschichtlich wie<br />

künstlerisch nach. Im Anschluß hieran hat nun <strong>der</strong> dänische<br />

Architekt Löffler im Jahre 1873 eine technische Untersuchung<br />

<strong>der</strong> Kirche zu Bergen vorgenommen, <strong>der</strong>en Ergebniß er in den<br />

Publikatioueu <strong>der</strong> Gesellschaft für nordische Alterthums- und<br />

Geschichtskuude (Kopenhagen 1874) nie<strong>der</strong>gelegt hat. Dieselbe<br />

ist von um so höherem Interesse, als auch auf diesem Wege<br />

ein gleicher Nachweis erbracht wird.


I. L. Löffler,<br />

Etwa zwanzig Jahre sind verflossen, seit <strong>der</strong> Bericht über<br />

die in König Friedrich VII. Beisein vorgenommene Untersuchung<br />

<strong>der</strong> Königsgräber in <strong>der</strong> Kirche zn Ningstedt herauskam, in<br />

welchem <strong>der</strong> Conservator nnserer (dänischen) Alterthnms-Denkmäler<br />

Etatsrath I. I. A. Worsaae mit schlagenden Gründen<br />

ausführte, daß Ringstedts jetzige Kirche nach ihrem Material<br />

une nach <strong>der</strong> Eigenthümlichkeit ihres Baustils nicht für dasjenige<br />

Bauwerk erachtet werden kann, welches Bischof Svend<br />

Norbagge zu Ende des eilften Jahrhun<strong>der</strong>ts aufführen ließ,<br />

son<strong>der</strong>n daß dieselbe vielmehr als ein Denkmal angesehen werden<br />

muß, welches im Wesentlichen Waldemar dem Großen seine<br />

Entstehung verdankt. Dem Verfasser diente als weiterer Anhalt<br />

für seine Untersuchung über die Zeit <strong>der</strong> Erbauung <strong>der</strong> Kirche<br />

(etwa 1160) die Beachtung <strong>der</strong> von Franz Kugler angestellten<br />

Ermittelungen über die am Schlüsse des zwölften und zn<br />

Anfang des dreizehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts in Pommern nnd auf<br />

Rügen errichteten kirchlichen Denkmäler (Kleine Schriften und<br />

Studien zur Kunstgeschichte, erster Band), in denen <strong>der</strong> ausgezeichnete<br />

Sachkenner die bestimmte Vermuthung ausspricht,<br />

daß mehrere jener Bauwerke von Baumeistern ausgeführt sind,<br />

die aus <strong>der</strong> dänischen Schule herstammen. Schon damals


Die Klosterkirche zu Bergen. 79<br />

sprach Etatsrath Worsaae es aus, wie wünschenswert!) es sei,<br />

eine mit genauen und zuverlässigen Abbildungen versehene<br />

Untersuchung <strong>der</strong> ältesten Kirchen dieses Landestheiles zu erhalteu,<br />

um die auf Wahrscheinlichkeit begründeten Vermuthungen<br />

Kuglers durchzuführen nnd festere Anhaltspunkte als die wenigen<br />

Skizzen zu gewinnen, welche feinen Untersuchungen beigegeben<br />

sind; wie doch anch solches ausführliche Material erfor<strong>der</strong>lich<br />

ist, um die Vermuthungen zur feststehenden Gewißheit zu erheben.<br />

Aber viele unferer eigenen bedeutendsten Denkmäler<br />

mittelalterlicher Bankunst waren damals nur erst theilweise<br />

gezeichnet und beschrieben, so daß eine Untersuchung in Norddeutschland,<br />

um zuverlässige Ausbeute zu geben, vorläufig eine<br />

Zeit lang ausgesetzt werden mußte.<br />

In dem nächstfolgenden Jahre, nachdem das Werk über<br />

die „Königsgräber zn Ringstedt" herausgekommen war, trat<br />

<strong>der</strong> „Verein für die Herausgabe dänischer Denkmäler" zusammen,<br />

durch dessen Wirksamkeit eine Reihenfolge von ausführlichen<br />

Zeichnungen und Beschreibungen unserer interessantesten<br />

Kirchenbanten uud namentlich solcher zu Stande gebracht<br />

wurde, welche etwa um die Zeit Waldemar des Großen ausgeführt<br />

waren. In genauer Verbindung mit dieser Arbeit<br />

erschien im Jahre 1870 Pastor I. Helms' und Etatsraths<br />

Heinrich Hansens werthvolles Werk über unser hauptsächlichstes<br />

romanisches Denkmal: Die Domkirche zu Ribe. Nachdem damit<br />

mm eine genauere Kenntniß <strong>der</strong> EntWickelung des romanischen<br />

Stils und dessen eigenthümlichen Gepräges hier im Lande<br />

gewonnen war, unternahm Etatsrath Worsaae im Sommer<br />

1868 eine antiquarische Reise nach Norddeutschland, an dessen<br />

Alterthumsdenkmälern er namentlich bei mehreren Kirchen<br />

Rügens als über jeden Zweifel erhaben feststellte, daß sich dabei<br />

ein direkter dänischer Einfluß geltend gemacht hat.<br />

Der große Werth, welchen es haben müßte, wenn diese<br />

Bauwerke sorgfältig untersucht und gezeichnet würden, war<br />

somit festgestellt und, da Etatsrath Worfaae mich 1872 auffor<strong>der</strong>te,<br />

zu diesem Eude eine Reise nach Rügen auszuführen,<br />

unternahm ich diesen Vertrauensauftrag voll Dankbarkeit und


80 I. L. Löffler,<br />

Eifer. Verschiedene Umstände machten es indeß nothwendig,<br />

die Reise bis Znm Herbste zn verschieben, dann aber wnrde<br />

dieses Unternehmen, wenn anch in <strong>der</strong> ungünstigen Jahreszeit<br />

ausgeführt. Es glückte mir, das benöthigte Material znr Beschreibung<br />

<strong>der</strong> Hauptkirche <strong>der</strong> Insel, <strong>der</strong> Marienkirche in<br />

Bergen, zu sammeln und muß ich es mit Bestimmtheit aussprechen,<br />

daß <strong>der</strong>selben im Vergleich mit Rügens übrigen Kirchen,<br />

das bei Weitem überwiegende Interesse anhaftet.<br />

I. Uebersicht über die Geschichte des Klosters.')<br />

Als Waldemar <strong>der</strong> Große und Asger Rygs berühmte<br />

Söhne im Jahre 1168 Arkona erobert, Svantevits Tempel<br />

verbrannt und dessen Götzenbild in Stücke zerhanen hatten,<br />

war ihre erste That, den Einwohnern des Landes den Christenglauben<br />

verkünden nnd sie auf dm Namen des dreieinigen<br />

Gottes taufen zu lassen.<br />

Eine Kirche wurde sofort und zwar von dem Holze errichtet,<br />

welches Waldemar zu Aufführung eines Blockhauses<br />

und von Verfchanznngen hatte hauen lassen, das aber nicht<br />

zur Verwendung gekommen war, weil <strong>der</strong> Ort sich den Dänen<br />

bald nach ihrer Ankunft ergeben hatte. Diese Holzkirche war<br />

unzweifelhaft das erste Gotteshaus, welches die Bewohner<br />

Rügens zu gemeiusamer Andacht versammelte, denn es hat<br />

nicht den Anschein, als wenn anch nnr die allerdürftigste Kirche<br />

von jenem Priester errichtet wäre, welcher sich nnr kurze Zeit<br />

auf <strong>der</strong> Insel aufgehalten hatte, als Erik Emnnd ein Menschenalter<br />

früher Arkona eingenommen und dessen Bewohnern das<br />

Christenthum aufgezwnngen hatte, welches von denselben gleich<br />

nachher wie<strong>der</strong> aufgegeben wnrde. Nach Arkona sielen schnell<br />

die an<strong>der</strong>en großen Städte, die Bildsänlen, das Rngivit, Porevöt<br />

!) Bezüglich <strong>der</strong> diefes Kloster betreffenden geschichtlichen Bemerkungen<br />

habe ich im Wesentlichen das Werk des Dr. I. I. Grnmbke<br />

benutzt: „Gesammelte Nachrichten zur Geschichte des ehemaligen Cister«<br />

zienser-Nonnenklosters Sancta Maria in Bergen anf <strong>der</strong> Insel Rügen."<br />

(Stralsund 1833.)


Die Klosterkirche zu Bergen. 81<br />

und Porenutz wurden verbrannt und ihre Temftel nie<strong>der</strong>gebrochen.<br />

Rings auf <strong>der</strong> Insel wurden nun Kirchen errichtet,<br />

welche gewiß alle von Holz waren, Kirchhöfe wurden<br />

geweiht und Priester eingesetzt, um das Volk im christlichen<br />

Glauben zu stärken o<strong>der</strong> dazu anzuleiten. Absalon aber war<br />

die eigentliche Seele des Ganzen und erhielt es im Gange.<br />

Der Fortgang entsprach dem, wie die gleichzeitigen Berichte ergaben.<br />

Ueberall war er mit Rath und That zur Stelle, ja<br />

er wirkte so unverdrossen im Dienste <strong>der</strong> Kirche und seines<br />

Königs, daß er in ganzen drei Tagen nnd Nächten sich nicht<br />

die allergeringste Nnhe gönnte. Obschon gewiß seine gewaltige<br />

Persönlichkeit und sein energisches Auftreten in beiden Eigenschaften,<br />

sowohl als Krieger, wie als Kirchenfürst <strong>der</strong> hauptsächlichste<br />

Grund dafür war, daß die Bewohuer Rügens sich<br />

in das erst fo kurze Zeit angenommene Christenthum so schnell<br />

einlebten, so muß man doch auch darau erinnern, daß er unmittelbar<br />

nach <strong>der</strong> Einnahme Arkonas eine kräftige Stütze in<br />

einem <strong>der</strong> eigenen Söhne des Landes, in dem Bru<strong>der</strong> des<br />

Königs Tetislaw, dem edlen Fürsten Iaromar von Rügen, fand.<br />

Dieser Mann, <strong>der</strong> so ganz dem christlichen Glauben zugethan<br />

blieb, schloß sich innig an Absalon an und blieb auch,<br />

nachdem Rügen dem Roeskil<strong>der</strong> Bisthnm (am 4. November<br />

1168) zugelegt war, iu all den Streitigkeiten, welche später<br />

zwischen Knud VI. und Herzog Vogislav von Pommern bestanden<br />

und erst im Jahre 1185 mit <strong>der</strong> vollständigen Unterwerfung<br />

des betreffenden Landestheiles endeten, Dänemark ein<br />

treuer Nothhelfer.<br />

Etwa zwauzig Jahre verflossen, nachdem Svantevits Tempel<br />

<strong>der</strong> einstweiligen Holzkirchc Waldemars hatten Platz machen<br />

müssen. Die sich ununterbrochen folgenden Kämpfe hatten<br />

Iaromar zu friedlicher Beschäftigung kanm Zeit gelassen. Nicht<br />

sobald aber war <strong>der</strong> Friede vollständig hergestellt und die Einwohnerschaft<br />

<strong>der</strong> Insel zu Kräften gekommen, als wir ihn<br />

mit dem bedeutenden Banunternehmen, <strong>der</strong> Aufführung des<br />

Marienklosters zu Bergen o<strong>der</strong> Gora, wie die Stätte damals<br />

hieß, beschäftigt finden.<br />

6


82 I. L. Löffler,<br />

Es war nicht ohne guten Grund, daß Iaromar gerade<br />

diese Ortslage auswählte; denn Bergen erhebt sich hoch über<br />

<strong>der</strong> umliegenden Gegend, so daß die Bewohner Rügens Meilen<br />

weit ihre heilige Stiftung vor Augen haben konnten. Große<br />

Wäl<strong>der</strong> fanden sich in <strong>der</strong> Nähe, so daß an Bau- und Brennholz<br />

kein Mangel war, auch schnitt östlich in einer Entfernung von kaum<br />

einer halben Meile die fischreiche Iasmun<strong>der</strong> Bucht ins Land. ^)<br />

Ueber das Jahr, in welchem <strong>der</strong> Bau begonnen wurde,<br />

hat die Geschichte nichts aufbewahrt; nach <strong>der</strong> Stiftnngsurkunde<br />

Iaromars^) aber ward das Kloster 1193 eingeweiht und muß<br />

man darnach annehmen, daß etwa vier Jahre früher <strong>der</strong> Grund<br />

dazu gelegt ist. Hier war es nämlich nicht ein Fachwerksbau,<br />

welcher errichtet werden sollte, son<strong>der</strong>n ein Bau, für dessen<br />

Umfassungswände ausschließlich gebrannte Ziegelsteine gewählt<br />

2) Auf einem mächtigen Hügelrücken, kaum eine Viertelmeile nord-<br />

östlich von <strong>der</strong> Höhe, anf welcher das Kloster aufgeführt war, lag seit<br />

1120 Iaromars befestigte Bnrg Rügegard. Der pommersche Geschicht-<br />

schreiber Th. Kantzow, welcher nm die Mitte des sechszehnten Jahr-<br />

Hun<strong>der</strong>ts schrieb, nimmt an, diese Bnrg habe im Jahre 1316 <strong>der</strong><br />

Insel zur Vertheidigungsstätte gedient; jedenfalls aber geht ans einer<br />

Verleihungsnrknnde, welche die 1207 von Iaromar gegründete Cister-<br />

zienserabtei zu Eldena bei <strong>Greifswald</strong> betrifft und 1295 von Bischof<br />

Iaromar von Camin in „o^ti-o uoLtro Nu^ai-ä" ausgestellt ist,<br />

hervor, daß sie in diesem Jahre noch stand. (A. G. v. Schwarz,<br />

diplomatische Geschichte <strong>der</strong> Pommersch-Nngischen Städte, S. 529.)<br />

Die Burgstelle trägt jetzt den Namen Rngard; da aber, wo früher<br />

eine Befestigung nnd Kapelle stand, wird in diesem Herbste ein Aus-<br />

sichtsthnrm errichtet. In <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Burg lag eine kleine Kapelle<br />

(ecclesia. I^ZKai-66), welche Fürst Wizlaw 1285 dem Kloster schenkte,<br />

die Nonnen zn St. Marien aber schon im vierzehnten Iahrhnn<strong>der</strong>t<br />

abbrechen ließen, ohne daß sich dafür ein bestimmter Grund angegeben<br />

findet. (Grnndbuch des Bisthums Roeskild in äci'ipt. rer. van. VII.<br />

Seite 145 und Grümbke S. 52.)<br />

3) Das Original dieser merkwürdigen Urkunde ist lei<strong>der</strong> vernichtet.<br />

Es findet sich aber eine Abschrift aus dem dreizehnten Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

vor, welche Grümbke mittheilt und die sich anch bei A. G. v. Schwarz,<br />

Seite 530 findet. Vgl. den verbesserten Abdrnck im Ooä. ?om.<br />

dipi, v. Hasselbach n. Kosegarten Nr. 71 S. 169 ff. n. Pomm. Urkbch.<br />

I. S. 93.


Die Klosterkirche zu Bergen. 83<br />

wurden. Dieses Material, welches bekanntlich mit <strong>der</strong> römischen<br />

Cultur nach Nordeuropa kam, fand Anfangs wohl durch die<br />

Einwirkung <strong>der</strong> Geistlichkeit einige Verwendung bei den umwohnenden<br />

Volksstämmen; im Laufe des elften und zwölften<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts, bei weiterer Verbreitung des Christenthums,<br />

finden wir aber doch Bruchsteine als das zumeist bei Kirchen -<br />

bauten zur Verwendung kommende Material. ^) Zweifelhaft<br />

ist es, auf Grund welches Einflusses wir seit Mitte des zwölsten<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts wie<strong>der</strong> Ziegel als Baumaterial in Norddeutschland<br />

verwendet antreffen und, obgleich ein Denkmal, wie die<br />

Klosterkirche zu Ierichow (1147 bis 1152), wohl kaum als<br />

<strong>der</strong> erste Versuch angesehen werden kann, welcher den Grund<br />

zur Anwendung dieses Materials gelegt haben möchte, so steht<br />

dieselbe bisher doch als die frühste, sicher datirte Ziegelkirche<br />

dieser Periode da. ^)<br />

Etwa um dieselbe Zeit wurden Ziegel hier im Lande als<br />

das hauptsächlichste Baumaterial gebräuchlich und blieben es<br />

auch. Bis dahin hatte man Kalk, Granit, Kreide, selbst Raseneisenstein<br />

in mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> verarbeiteter Form benuht.<br />

Kanm aber hatten unsere Baumeister mit dem sauberen, leicht<br />

zu behandelnden gebrannten Steine nähere Bekanntschaft gemacht,<br />

da entstanden ringsum im Lande, namentlich auf Seeland, im<br />

südlichen Theile <strong>der</strong> Insel Möen, auf Lolland und Falster eine<br />

Anzahl charakteristischer Bauten, bei denen <strong>der</strong>selbe und zwar<br />

ausschließlich nicht nur für die Massen <strong>der</strong> Mauern, son<strong>der</strong>n<br />

auch zur Herstellung <strong>der</strong> Einzelheiten verwendet wurde, in<br />

denen hierdurch auch neue uud eigenthümliche Formen auftraten.<br />

Wenn nun auch <strong>der</strong> Größe und <strong>der</strong> Gestalt <strong>der</strong> Steine,<br />

ebenso wie <strong>der</strong>en Maaßen, in denen sie sich in Schichten lagern<br />

4) Bischof Bernward von Hildesheim (f 1022), welcher selbst<br />

Ziegelbrennereien anlegen ließ, benutzte beim Anfban <strong>der</strong> von ihm<br />

begonnenen Michaeliskirche ausschließlich Hausteiu. Zur Verstärkung<br />

<strong>der</strong> Kirchenstände, Mauern, Thürme 2c. wendete er dagegen Ziegel an.<br />

I. Helms: Tufjsteiukircheu in <strong>der</strong> Umgegend von Ribe. S. 15.<br />

5) F. von Quast: Zur Charakteristik des älteren Ziegelbaus in<br />

<strong>der</strong> Mark Brandenburg. Seite 7.


84 I. L. Löffler.<br />

ließen, <strong>der</strong> Einflnß zugeschrieben werden mnß, welchen uns<br />

die Kenntniß des Materials zuführte, so scheint es doch auch,<br />

als wenn unsere ältesten gebrannten Steine nicht ganz ohne<br />

eine gewisse nationale Eigenthümlichkeit geblieben sind. Dieselbe<br />

besteht in <strong>der</strong> Art und Weise, in denen die Hauptmasse <strong>der</strong> im<br />

Mauerwerke sichtbaren Bin<strong>der</strong>- und Läuferseiten behandelt ist,<br />

indem diese nämlich nicht glatt gestrichen, son<strong>der</strong>n mit einem<br />

schrägen Falz versehen sind, welcher von <strong>der</strong> Formung herzurühren<br />

scheint. 6)<br />

Waldemar und Absalon waren es, welche — soweit wir<br />

zu ermitteln vermögen — zuerst den gebrannten Stein zu<br />

großen kirchlichen Banwerken benutzten und zwar sowohl bei<br />

<strong>der</strong> Aufführung <strong>der</strong> Klosterkirche zu Soroe, wie zum Aufbau<br />

von Svend Norbagges Klosterkirche zu Ringstedt. ?)<br />

Diese so eigenthümlichen Denkmäler, <strong>der</strong>en offenbare Gleichzeitigkeit<br />

nicht allein ans <strong>der</strong> Grundform <strong>der</strong> Anlage, son<strong>der</strong>n<br />

auch aus den architektonifchen Einzelheiten hervorgeht, sind in<br />

dem Zeitraum etwa von 1160 bis 1180 ausgeführt, und<br />

somit in den wenigen Jahren hergestellt, nachdem <strong>der</strong> Frieden<br />

mit unseren Nachbaren im Süden völlig zn Stande gebracht<br />

war. Wenn nnn Iaromar durch eine That seine Ergebenheit<br />

für den christlichen Glauben und zwar dadurch zu beweisen<br />

wünschte, daß er dem Herrn ein würdiges Haus dazu, damit<br />

in demselben sein Wort verkündiget werde, aufführte, lag es<br />

da nicht nahe, daß er bei dem Manne Nath suchte, welcher<br />

das Christenthum zu ihm und seinem Volke gebracht hatte;<br />

bei dem Manne, welcher mit so großem Eifer für alle kirchlichen<br />

Verhältnisse in seinem Vaterlande sorgte und selbst eben<br />

6) Diese Behandlung <strong>der</strong> Oberfläche <strong>der</strong> Steine ist, soweit Mit«<br />

theilungen besagen, an<strong>der</strong>orts als bei uns nicht bekannt. Hätte ein<br />

Bauwerk, wie die Klosterkirche zu Ierichow, im Material eine solche<br />

Eigenthümlichkeit aufzuweisen gehabt, so würde F. von Quast,<br />

welcher die Steine, wie <strong>der</strong>en Fugung ja beson<strong>der</strong>s besprochen hat,<br />

dieses in seiner Beschreibung des gedachten Denkmals sicherlich anch<br />

erwähnt haben.<br />

7) N. L. Hoyen: Die Kirche von Soroe in: „Denkmäler<br />

Dänemarks", und I. I. A. Worsaae: Die Königsgräber zu Ningstedt.


Die Klosterkirche zu Bergen. 85<br />

vorher das Kloster zu Soroe für sich und sein berühmtes Geschlecht<br />

als Ruhestätte gestiftet hatte? Auch steht es entschieden<br />

fest, und wie mißhandelt die Reste auch sein mögen, dasjenige,<br />

was in unserer Zeit noch von Iaromars Stiftung besteht, läßt<br />

keinen Zweifel darüber zu, daß die Marienkirche zu Bergen<br />

nicht nur unter Leituug von dänischen Baumeistern errichtet<br />

ist, welche von Soroe und Ringstedt Erfahrung in <strong>der</strong> Behandlung<br />

des Materials und richtigen Blick für die bestgeeigneten<br />

Formen mitgebracht hatten, son<strong>der</strong>n selbst die Steine,<br />

an denen wir augenscheinlich den schrägen Falz wie<strong>der</strong>finden,<br />

sind wenigstens zum großen Theil von unseren Ziegeleien nach<br />

Rügen übergeführt.<br />

Nachdem Iaromar in feiner Stiftungsurkunde den Segen<br />

des Herrn für alle an ihn gläubigen Christen auf <strong>der</strong> Insel erfleht<br />

hat, spricht er aus, daß, da <strong>der</strong>en Bewohner durch die<br />

Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes vom Heidenthum,<br />

welchem ihre Vorfahren ergeben gewesen, bekehrt seien, er nach<br />

allen Kräften und Vermögen sich Gott für solche Gnade dankbar<br />

erweisen wolle. Dem habe er nicht besser entsprechen zu<br />

können geglaubt, als durch Errichtung einer Kirche von Ziegelsteinen<br />

(op6r6 latorioio ^) und zwar auf einem ihm gehörigen<br />

Grundstücke, und dasselbe durch des Bischofs Pe<strong>der</strong> Sunnfen<br />

von Roeskilde (1191 bis 1214) eigene Hand zu Ehren <strong>der</strong><br />

hochgelobten Jungfrau Maria einweihen lassen.<br />

Damit seine Kirche nun aber nicht ohne würdige Verehrung<br />

zum Preise <strong>der</strong> heiligen Jungfrau bleiben möge, so<br />

habe er beschlossen, Nonnen von <strong>der</strong> Kirche eben dieser heiligen<br />

Jungfrau zu Roeskilde aufzunehmen, damit solche <strong>der</strong>en herr-<br />

6) Interessant ist die Beobachtung, daß anch Svend Aagesen bei<br />

Aufzählung desjenigen, wodurch er vornämlich das Andenken Waldemars<br />

I. verherrlicht hat, namentlich auch als Verfasser <strong>der</strong> Grabplatte<br />

des Königs, es nicht unterlassen hat, dessen Verdienst um Anwendung<br />

von Ziegeln bei Herstellung des Mauerwerks <strong>der</strong> Danevirke und des<br />

Thurms von Sporgo hervorzuheben; ganz ebenso wie Iaromar aus«<br />

drücklich dieses Materials als von ihm znr Aufführung seiner Stiftung<br />

benutzt, Erwähnung thut.


86 I. L. Löffler,<br />

liche heilbringende Iungfrauschaft ewig lobpreisen sollten. Zum<br />

nöthigen Unterhalt dieser Nonnen habe er seiner Kirche fünf<br />

ländliche Besitzungen beigelegt und zwar mit <strong>der</strong> Absicht, daß<br />

sie sich ehrerbietig gegen Gott und die heilige Mutter unseres<br />

Erlösers erweisen, auch <strong>der</strong>en Gnade erbitten sollten, damit<br />

<strong>der</strong> Herr, versöhnt durch ihr Gebete, ihm sowohl Vergebung<br />

seiner Sünden, als auch die Herrlichkeit des ewigen Lebens zu<br />

Theil werden lassen möge. Endlich zählt er die Eigenthumstücke,<br />

welche er auf Eingebung des Herrn seiner Stiftung<br />

geschenkt hat, auf, damit sie für immer unverletzt bleibe; giebt<br />

auch die Zeugen an, welche bei Abfassung <strong>der</strong> Urkunde gegenwärtig<br />

gewesen sind und ruft des Herrn härteste Strafen auf<br />

diejenigen herab, welche lein Geschenk <strong>der</strong> Kirche entfremden<br />

o<strong>der</strong> es verbringen würden, an<strong>der</strong>erseits aber wünscht er Frieden,<br />

Segen und die ewige Seligkeit allen denen, welche solches<br />

schützen. Diese Urkunde ist im Jahre des Herrn 1193 ausgestellt,<br />

als Pabst Cölestin die römische Kirche regierte, als<br />

<strong>der</strong> rühmliche König Knud über die Dänen herrschte, als <strong>der</strong><br />

ehrwürdige Erzbischof, Legat <strong>der</strong> apostolischen Kirche und Primas<br />

von Schweden, Herr Absalon, <strong>der</strong> Kirche zu Lund vorstand<br />

und als Herr Pe<strong>der</strong> Sunnsen die Kirche zu Roeskilde leitete.<br />

Wenn Iaromar in seiner Verleihungsurkunde sagen konnte,<br />

daß er eine Kirche — 6«oi68ia.in — habe bauen lassen und<br />

daß er beschlossen habe, Nonnen von <strong>der</strong> Marienkirche zu<br />

Roeskilde dahin aufzunehmen ^), so brauchte er diese Bezeichnung<br />

doch nur für das Kloster. Hiervon vergewissert uns eine<br />

Notiz aus dem Jahre 1232, wo <strong>der</strong> Fürst Witzlaw I. von<br />

Rügen, Iaromars Sohn und Nachfolger, sich in einer Urkunde<br />

folgen<strong>der</strong>maßen ausdrückt: oi^usti-nin moiüaliuiu, c^uoä a.<br />

I^ti'o nostro conZti^otimi 68t in Nii)^ in loco Oora,<br />

(Grümbke, Seite 3). Ob schon die Stiftungsurkunde über<br />

die Ordeusregel, welcher die Nonnen folgen sollten, nichts<br />

2) Unsere Frauenkirche in Roesfilde war bereits vom Bischof Svend<br />

Norbagge (1076 bis 1038) aufgeführt; das Kloster aber wurde erst<br />

1156 vom Probst Isaak gestiftet (Sarò, herausgegeben von Wedel.<br />

Seite 243 bis 256).


Die Klosterkirche zu Bergen. 8?<br />

enthält, so haben wir für solche doch schon in <strong>der</strong> Angabe<br />

Iaromars eine Andeutung, daß er dieselben aus dem Frauenkloster<br />

zu Roeskilde berufen wolle. Wenn gleich <strong>der</strong> dortige<br />

Convent ursprünglich vom Benediktinerorden war, spätestens<br />

1176 aber die Cistcrzienserregel angenommen hatte (Suhm<br />

VII. S. 472), so finden wir doch, daß die Nonnen, welche<br />

1193 von unserem Frauenkloster nach St. Maria in Bergen<br />

kamen, Anfangs nach den Vorschriften des heiligen Venedikt<br />

lebten, und erst einige Jahre später die <strong>der</strong> Cisterzienser annahmen.<br />

Dieses geht aus <strong>der</strong> Bestätigungsbnlle Pabst Innocenz<br />

IV. von 1250 hervor (Grümbke, Seite 198, wo die Bulle<br />

sich in <strong>der</strong> Nrsprache abgedruckt findet). Es heißt dort ausdrücklich:<br />

Wir bestimmen, daß die Klosterordnung, welche von<br />

euch vor dem allgemeinen Concil — Wohl dem vierten lateranischen<br />

1215 — nach <strong>der</strong> Regel des heiligen Benedikt und<br />

<strong>der</strong> Gewohnheit <strong>der</strong> Cisterzienser eingeführt ist, als für das<br />

dortige Kloster geltend anerkannt und unabän<strong>der</strong>lich für ewige<br />

Zeiten unverletzlich beobachtet wird; wie er es auch später<br />

sagt, wo es heißt: „bevor das Kloster die Satzungen des<br />

Cisterzienserordens angenommen hatte."<br />

In den älteren schriftlichen Aufzeichnungen findet dasselbe<br />

sich zumeist aufgeführt als oonvontiiä ordini^ o<strong>der</strong> ganz<br />

kurz „oiHUätrum moni^iinm in monto und in Doi^iä"<br />

o<strong>der</strong>: „Unfe Convent tho Verghe." (Grümbke, Seite 5.)<br />

Durch die Satzungen des Cisterzienserordens ist ausdrücklich<br />

vorgeschrieben, daß das Bild <strong>der</strong> heiligen Jungfrau stets die<br />

Altäre <strong>der</strong> Kirchen und Kapellen dieses Ordens schmücken soll,<br />

und muhte also dies Cisterzienserkloster, welches ihr vornämlich<br />

geweiht war, sich diese Vorschrift zur beson<strong>der</strong>en Pflicht dienen<br />

lassen. Daß Iaromars Kirche ein vorzugsweise würdiges Bild<br />

seiner genannten Schutzpatronin besaß, dessen Silbergewicht<br />

dreizehn Pfund, weniger ein Loth, betrug, läßt sich nach einem<br />

Inventar vermuthen, welches aus dem sechszehnten Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

herzurühren scheint. Der allerdings nur ganz kurze vorerwähnte<br />

Aussatz lautet folgen<strong>der</strong>maßen: .... Item. D^t<br />

mit III 8ti'3loN) ä


88 I. L. Löffler,<br />

vii IV I^oät. Itoin. O6 Oror^ m)'t äon<br />

VQ 8t^oI(6Q 0ol( ä6 80I-UV6U, äo cllN' t0 1^01't,<br />

Nlll-Ic VII Loät. It6N. 1)6 V06(i I^ii^ III 8ti0V6Q<br />

X N^i'Il VII IV loä. Zumili^ (io8 Votoy to V<br />

-VV6I-6 I.XXVII a. (Grümbke, Seite 6—7.)<br />

Welches das spätere Schicksal dieses Marienbildes war,<br />

weiß man nicht, nur soviel steht fest, daß im Jahre 1833,<br />

als Grümbke seine Nachrichten über das Kloster herausgab, sich<br />

nicht mehr die geringste Spur desselben auffinden ließ.<br />

Trotz <strong>der</strong> von Iaromar bestimmt ausgesprochenen Willensmeinung<br />

wurde die Jungfrau Maria später als Schutzheilige<br />

durch den heiligen Pabst Lucius verdrängt. ^) Dies geschah<br />

wahrscheinlich nach 1445, in welchem Jahre eine heftige Feuersbrunst<br />

das Kloster Zerstörte, bei dem dadurch uothweudig gewordenen<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau, bezüglich dessen zwei landesherrliche<br />

Stiftungsbriefe aus den Jahren 1494 nnd 1525 besagen, daß<br />

das Kloster Zu Bergen zu Ehren dieses Heiligen fundirt und<br />

bestätigt sei (Grümbke, Seite 207).<br />

Wie groß die Zahl <strong>der</strong> Anfangs ins Kloster eingetretenen<br />

Nonnen war, darüber fehlt es an bestimmter Kunde. Da<br />

aber die Satzungen <strong>der</strong> Cisterzienser vorschreiben, daß <strong>der</strong><br />

Ordensconvent aus zwölf Personen bestehen soll, so darf man<br />

wohl annehmen, daß diese Zahl in den ältesten Zeiten streng<br />

innegehalten ist. Später im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

sehen wir dagegen, daß man es damit nicht so genau<br />

genommen hat. Die Klosterverzeichnisse aus diesen Zeiten,<br />

namentlich aus dem sechszehnten Jahrhun<strong>der</strong>t thun genugsam<br />

dar, daß die Zahl <strong>der</strong> eigentlichen Klosterfrauen nicht immer<br />

eine gleiche war, son<strong>der</strong>n bald mehr bald weniger als zwölf<br />

Personen betrug. Rechnet man diejenigen Nonnen hinzn,<br />

welche sich als Anwärterinnen, Laienschwestern und Novizen im<br />

^) Da die kirchliche Oberhoheit über Rügen 1433 von Erich von<br />

Pommern an seinen Vetter Herzog Wartislaw abgetreten wnrde, was<br />

gerade bis 1658 dauerte, so sind wir wohl berechtigt, hierin einen<br />

Einfluß von Roeskilde zu sehen, dessen Domkirche bekanntlich demselben<br />

Heiligen geweiht ist.


Die Klosterkirche zu Bergen. 89<br />

Stifte aufhielten, o<strong>der</strong> sich dort als Kostgängerinnen untergebracht<br />

hatten, so war die vorschriftsmäßige Zahl weit überschritten.<br />

Die strengen Ordensregeln <strong>der</strong> (Zisterzienser wurden<br />

im Kloster Anfangs genau befolgt; aber schon im vierzehnten<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t finden wir den Brauch, daß sich einzelne Jungfrauen<br />

ins Kloster gaben und demselben eine Summe baaren<br />

Geldes zubrachten, um daraus die Unkosten für ihre kleinen<br />

Bedürfnisse zn bestreiten, für welche das Kloster ihnen nichts<br />

gewährte, o<strong>der</strong> daß <strong>der</strong>en Eltern und Angehörigen o<strong>der</strong> Vormün<strong>der</strong><br />

bei ihrer Aufnahme ein Kapital einzahlten, ans dem<br />

sie die nöthigen Renten erhielten und das später in liegenden<br />

Gründen angelegt wnrde. In folgenden Zeiten mußten diejenigen,<br />

welche in das Kloster einzutreten wünschten, eine gewisse<br />

Snmme — hun<strong>der</strong>t Mark — unter <strong>der</strong> Benennung<br />

„Rentengeld"") erlegen, ein Brauch, welcher sich bis auf<br />

unsere Tage erhalten hat, wo jede, die als Klosterdame aufgenommen<br />

werden will, sich einkaufen muß.<br />

Was nun die Klosterzucht anbetrifft, fo wissen wir kaum<br />

etwas darüber, es sei denn, daß die Priorin den Nonnen die<br />

Erlaubniß ertheilen konnte, sich außerhalb <strong>der</strong> Mauern des<br />

Klosters aufzuhalten und daß diese die Freiheit hatten, ihre<br />

Bedürfnisse ans dein Markte zu Bergen einzukaufen. Die<br />

Tracht <strong>der</strong> Nonnen bestand in einein langen weißen Gewände<br />

von Wollenzeng mit schwarzem Giirtel und schwarzem Skapulier.<br />

Die Novizeu waren weiß, die Laienschwestern brann gekleidet.<br />

Die Oberleitung des Convents war im Anfange einer<br />

Aebtissin übertragen, — im päbstlichen Confirmationsbriefe von<br />

1205 heißt sie wie<strong>der</strong>holt n^tis^ monitorii — später<br />

finden wir mit zwei Ausnahmen^) diese Bezeichnung fast<br />

niemals angewendet, auch wird das Kloster selbst in den ältesten<br />

") In <strong>der</strong> Zeit zwischen 1460 und 1490 zahlten nach den nns<br />

erhaltenen Nachrichten sechsnnddreißig Nonnen das „Rentengeld", jede<br />

mit hun<strong>der</strong>t Mark, an das Kloster ein.<br />

'2) Amia (I338) und Elisabeth (1461 — 1473), Herzoginnen zu<br />

Pommern, letztere eine Schwester des Herzogs Bogislav X., werden<br />

Aebtissinnen genannt.


90 I. L. Löffler,<br />

schriftlichen Nachrichten niemals Abtei genannt. Der Priorin<br />

s^)i-Ì0i-Ì885d, domina o<strong>der</strong>, um sie genau als Vorsteherin des<br />

Klosters zu bezeichnen, pi-iori88a. äomina.i'nni venol^i^<br />

in inonto) wird dagegen oft Erwähnung gethan. Sie wurde<br />

<strong>der</strong> Regel nach von sechs <strong>der</strong> älteren Nonnen (Oldfruwen) im<br />

Beisein des gesammten Convents gewählt uud eingesetzt, ohne<br />

daß landesherrliche o<strong>der</strong> bischöfliche Bestätigung <strong>der</strong> Wahl<br />

nöthig gewesen wäre. Im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

bewohnte sie ein eigenes Gebäude, das sogenannte<br />

Priorathaus und genoß gewiß auch sehr bedeutende Begünstigungen<br />

vor den übrigen Mitglie<strong>der</strong>n des Convents. Die sechs<br />

Altfrauen, auch Amtsjungfern genannt, hatten eine jede ihren<br />

Antheil an <strong>der</strong> inneren Verwaltung des Klosters zu versehen<br />

und führten eine Amtsbezeichnung nach <strong>der</strong> verschiedenen Art<br />

<strong>der</strong> ihnen übertragenen Wirksamkeit:<br />

1. Nnter-Priorin ^ukprioli^^), welche <strong>der</strong> Priorin in<br />

dem Falle beiständig war, daß diese wegen vorgeschrittenen<br />

Alters o<strong>der</strong> wegen Siechthums die ihr obliegenden Pflichten<br />

nicht erfüllen konnte,<br />

2. Saeristanin ^8^crÌ8t^), welche die heiligen Gefäße<br />

und an<strong>der</strong>en Kostbarkeiten des Klosters in Verwahrung hatte, ^)<br />

3. Cantorin ^anti-ix), welche den Kirchengesang leitete,<br />

4. Opferjungfer (ooii^trix otki-torii), welche das Opfergeld,<br />

milde Gaben, Almosen !c. einsammelte,<br />

5. die Jungfrau, welche die Aufficht über die Klei<strong>der</strong>,<br />

Wäsche, Tücher ?c. <strong>der</strong> Nonnen (v68tia.i-ia) und<br />

6. die Jungfrau, welche dem Haushalte des Klosters,<br />

<strong>der</strong> Brauerei, Bäckerei 3c. vorstand (coiiai-ÌH).<br />

Wenn <strong>der</strong>gestalt nun die inueren Angelegenheiten uuter<br />

die ständigen Mitglie<strong>der</strong> des Convents vertheilt waren, so<br />

n) Wie reich das Kloster damit ausgestattet war, sehen wir aus<br />

verschiedenen Urkunden und Verzeichnissen, und werden in solchen erwähnt:<br />

Kelche, Kreuze, Monstranzen, Fußbekleidungen, wie sie damals<br />

zn <strong>der</strong> geistlichen Tracht gehörten, Perlen sür Autipendien (Altarvorhänge),<br />

Ueberwürfe über Chorklei<strong>der</strong>, silberne Ketten :c. Grümbke,<br />

S. 105. 212.


Die Mosterkirche zu Bergen. 91<br />

blieben doch manche Verrichtungen übrig, welche das thätige<br />

Eingreifen eines Mannes erfor<strong>der</strong>ten. Unter an<strong>der</strong>em hatte<br />

das Stift allmälig auch bedeutende Liegenschaften erworben.<br />

Mit <strong>der</strong> Verwaltung dieser Klostergüter, <strong>der</strong> Ordnung von dessen<br />

Geldangelegenheiten und <strong>der</strong>gleichen war ausschließlich <strong>der</strong><br />

Klosterprobst (pi-H6^08Ìtu8 ä^uotimoiii^iiniii) betraut, welcher<br />

seme Wohnung im sogenannten Probsteihofe hatte, <strong>der</strong> in unmittelbarer<br />

Nähe des Klosters lag. Außer dem Klosterprobst<br />

wird noch <strong>der</strong> Klostervogt (^äv0oatn8) genannt, <strong>der</strong> in den<br />

Zum Stifte gehörenden Gütern die Rechtsangelegenheiten zu<br />

besorgen hatte uud <strong>der</strong> Beichtvater <strong>der</strong> Klosterinsassen war.<br />

Iaromars Klosterstiftung hatte drei und ein halbes Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

bestanden, als <strong>der</strong> erste Windstoß den Orkan verspüren<br />

ließ, welcher im Laufe <strong>der</strong> Folgezeit so mächtige Zerstörungen<br />

in <strong>der</strong> katholischen Kirche anzurichten bestimmt war. Im Jahre<br />

1534 wurde nämlich auf dem Landtage zu Treptow in Pommern<br />

die evangelisch-lutherische Lehre durch Herzog Philipp I.<br />

eingeführt, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> im Jahre vorher vorgenommenen Landestheilung<br />

<strong>der</strong> alleinige Herr über Pommern-Wolgast und Rügen<br />

geblieben war.<br />

Daß <strong>der</strong> Herzog alle Mönchs- und Nonnenklöster und<br />

Stifte, welche natürlich <strong>der</strong> neuen Lehre feindselig gegenüberstanden,<br />

aufheben wollte, läßt sich wohl vermuthen uud es<br />

war deshalb nicht ohne Grund, wenn die Cisterzienseriunen im<br />

Kloster Bergen mit Unruhe in die Zukunft fahen, namentlich<br />

als ihnen im Jahre 1536 statt des Bischofs ein Generalsuperintendent<br />

vorgesetzt wurde. Wohl hatten die Herzöge<br />

Georg I. und Barnim XI., welche <strong>der</strong> katholischen Kirche noch<br />

aufrichtig s?^ zugethan waren, es 1531 ausgesprochen, daß nicht<br />

alle Nonnenklöster eingezogen werden sollten, wenn auch die<br />

evangelische Lehre eingeführt würde; in wie weit man aber<br />

auf solche Verheißung Rücksicht nehmen würde, blieb sehr<br />

zweifelhaft.<br />

So stand Alles in Frage, bis 1541 Herzog Philipp I.<br />

und sein Onkel Barnim XI. die Erklärung abgaben, daß<br />

die fünf <strong>der</strong> Zeit im Laude bestehenden Nonnenklöster zu


92 I. L. Löffler.<br />

Bergen, Stolp, Marienstieß, Verchen und Colberg erhalten<br />

bleiben und fortbestehen sollten, ohne Beschränkung ihres Besitzes<br />

und Einkommens und zwar als „Znchtschuleu" für adliche<br />

Jungfrauen, mit dem Zusätze, daß diese Anordnung nnd Bestimmung<br />

keineswegs in Folge rechtlicher Verpflichtung, son<strong>der</strong>n<br />

lediglich ans Gunst und Gnade getroffen sei. Diese letzte Bestimmung<br />

schien keine hinreichende Garantie für des Stiftes<br />

ferneres Bestehen zn bieten und die Sache sollte erst nach geraumer<br />

Zeit ihren weiteren Verlauf haben.<br />

Unter diesen Umständen empfing <strong>der</strong> rügensche Adel im Jahre<br />

1555 die Nachricht, Herzog Philipp sei in Bergen angekommen und<br />

gedenke dort im Kloster mehrere Tage zu verweilen, mit gespannter<br />

Erwartung. Die Sache kam anch Wohl wie<strong>der</strong> in<br />

Anregung, eine bestimmte Znsichernng aber wnrde nicht ertheilt<br />

und zwar ebensowenig im Jahre darauf beim Landtage zu<br />

Stettin, wo zuletzt noch hervorgehoben wurde, daß die Landesherren<br />

nach dem Augsburger Religionsfrieden vollberechtigt<br />

seien, die Klostergüter einzuzieheu. Noch vier Jahre verliefen<br />

in Peinlicher Ungewißheit, bis die Frage 1560 beim nächsten<br />

Landtage wie<strong>der</strong> aufgenommen wurde. Hier ward deun endlich,<br />

obwohl nicht ohne manchen Wi<strong>der</strong>spruch festgesetzt, daß die<br />

oben gedachten fünf Klöster als Zuchtanstalten zum Unterhalt<br />

adlicher Jungfrauen bestehen bleiben sollten; jedoch sollten<br />

alle Einkünfte <strong>der</strong>selben, wie Renten, Zinsen :c. znr fürstlichen<br />

Kammer eingezogen werden, und wolle <strong>der</strong> Herzog selbst daraus<br />

die Erhaltung <strong>der</strong> Jungfrauen übernehmen. In demselben<br />

Jahre ging Herzog Philipp mit Tode ab nnd neun Jahre<br />

lang blieb die Umgestaltung des Klosters mit Zustimmung<br />

seines Sohnes und Nachfolgers Herzogs Ernst Ludwig auf<br />

sich beruhen. ^) Die Ordensregel <strong>der</strong> Cisterzienser war hiermit<br />

^) Die neue Klosterordnung schloß sich zwar im Allgemeinen<br />

wesentlich an die ältere; die Jungfrauen hatten aber jetzt die Er-»<br />

laubniß, sich zu verheirathen, ja sogar, wenn sie bedürftig waren, eine<br />

Aussteuer vom Stift zn beanspruchen; die Vorschriften aber für den<br />

Aufenthalt im Kloster selbst waren sehr strenge. Im tz. 6 <strong>der</strong>selben<br />

heißt es zum Beispiel, daß, wenn sich eine Jungfrau verführen läßt,


Die Klosterkirche zu Bergen. 93<br />

aufgehoben und das Nonncnwesen abgeschafft. Die alten Klosterjungfrauen<br />

beließ man wohl mit Schonung bei ihren: Glauben,<br />

alle Jungfrauen aber, welche von jetzt an Aufnahme begehrten,<br />

mußten sich freiwillig znr evangelischen Konfession bekennen.<br />

II. Nachrichten über den Van des Klosters.<br />

Nach Mittheilung <strong>der</strong> Nebersicht über die Gründuug des<br />

Marienklosters, dessen iunere Verhältnisse und späteren Schicksale<br />

wollen wir zur Geschichte des Baues übergehen, in dessen<br />

Mauern die Nonnen sich bewegten. Lei<strong>der</strong> vermögen wir nicht,<br />

ein nur einigermaßen vollständiges Bild <strong>der</strong> gesammten Anlage,<br />

wie solche 1193, als die Schwestern aus dem Kloster<br />

Unserer Lieben Franen zu Roeskild zum ersten Male ihre Zellen<br />

betraten, dastand, zu geben; denn 1445 verwüstete, wie oben<br />

erzählt ist, das Kloster eine heftige Feuersbrunst, welche nicht<br />

allein den bewohnten Flügel, son<strong>der</strong>n auch einen großen Theil<br />

<strong>der</strong> Kirche nie<strong>der</strong>legte. ^) Wir können indeß soviel mit Bestimmtheit<br />

sagen, daß das Kloster aus vier Flügeln bestand,<br />

<strong>der</strong>en nördlichen die Kirche bildete. Von den Zu Wohnungen<br />

dienenden — wohl dein westlichen und südlichen — Flügeln<br />

scheint es, daß diese, wie gewisse Spuren im innern Mauerwerke<br />

<strong>der</strong> Kirche vermuthen lassen, und ebenso <strong>der</strong> Ostflügel, von dem<br />

aus die Nonnen den Zutritt zum Chor hatten, ein Stockwerk<br />

hoch aufgeführt gewesen sein mögen. Ob auf <strong>der</strong> inwendigen<br />

Seite längs vor allen Gebäulichkeiteu ein Kreuzgang hinlief,<br />

sie mit dem Schwerte hingerichtet werden solle nnd im §. 7, daß das<br />

Kloster vollständig verschlossen gehalten und ein Sprechzimmer mit<br />

Gitter, ganz wie in den alten katholischen Klöstern, eingerichtet werden<br />

solle. Grümbke, Seite 147 ff.<br />

n) Ueber diesen Brand sagt <strong>der</strong> Stralsundische Chronist Beckmann -<br />

Anno 1445 vorbrandte dat Kloster tho Bergen, vnd alle ehre <strong>der</strong><br />

kercken clenodia. (Karl von Nosen: Beiträge znr Rügisch-Pommerschen<br />

Kunstgeschichte. Hest 1., Seite 24.) Johann Beckmanns Stralsnndische<br />

Chronik nnd die noch vorhandenen Auszüge aus alten verloren gegangenen<br />

Stralsundischen Chroniken :c. aus den Handschriften herausgegeben<br />

von Dr. G. Ch. F. Mohnike und Dr. C. H. Zober. Stralsnnd<br />

1833, Seite 185.


94 I. L. Löffler,<br />

möchte zweifelhaft sein; die einzige Stelle, wo wir noch Ueberbleibsel<br />

eines solchen snchen könnten, ist die Südseite <strong>der</strong> Kirche.<br />

Derselbe scheint dort aber gegen den Klosterhof ganz offen gestanden<br />

zu haben, da die Mauern des Seitenschiffs ursprüngliche<br />

Bögen andeuten, welche wohl dazu bestimmt waren, die<br />

Gewölbe eines Kreuzgangs zu überdecken.^)<br />

Gleich nach dem Brande begann <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau neuer<br />

Klostergebäude; man meint, daß solche schon 1447 wie<strong>der</strong> fertig<br />

waren, und obschon die Zeit nicht eben sichtliche Spuren davon<br />

zurückgelassen hat, so können wir doch aus einer alten Zeichnung<br />

des Grundrisses,^) welche sich noch im Klosterarchive vorfinden<br />

soll, einigermaßen auf die Anordnung schließen.<br />

Soviel die nach Di'. Grümbkes kurzer Beschreibung dieses<br />

Grundrisses von mir vorgenommenen Ermittelungen statthaben<br />

konnten, ist man <strong>der</strong>zeit kaum son<strong>der</strong>lich von <strong>der</strong> Art und<br />

Weise abgewichen, in welcher Iaromars Stift angelegt war;<br />

ja es ist darnach höchst wahrscheinlich, daß man möglichst die<br />

vorhandenen Mauertheile und die einzelnen Formstücke, welche<br />

einigermaßen <strong>der</strong> Gewalt des Feuers wi<strong>der</strong>standen hatten,<br />

beibehielt.<br />

Die Gebäude, welche wie<strong>der</strong> im Vierecke aufgeführt wurden,<br />

erstreckten sich im Süden <strong>der</strong> Kirche und hatten einen<br />

überdeckten Säulengang nach <strong>der</strong> inneren Seite des Hofes zu.<br />

Ebenso blieb die schon früher bestandene Hauptverbindung mit<br />

<strong>der</strong> Kirche durch den Ostflügel, dieselbe muß aber durch den<br />

Nmbau bedeutend erhöht sein, wie <strong>der</strong> südliche Kreuzarm, an<br />

welchen sie sich anschloß, deutlich genng erkennen läßt.<br />

Dicht neben diesem Theile des Klosters lag ein kleiner Quer bau,<br />

'6) Zu dem Situationsp.au <strong>der</strong> Kirche zu Soroe Mau XXXIII),<br />

welcher <strong>der</strong> Beschreibung dieses iu den „Dänischen Denkmälern" aufgenommenen<br />

Bauwerks vom Professor Hoyeu beigegeben ist, bemerkt<br />

dieser letztere, daß die Südseite jener Kirche einen Kreuzgang, aber ohne<br />

Oefsnuugen gehabt hat.<br />

") Lei<strong>der</strong> bot sich mir nicht die Gelegenheit, während meines<br />

Ausenthalts in Bergen mich mit dieser Zeichnung bekannt zu machen,<br />

so daß ich mich an Grümbkes Mittheilungen darüber habe halten müssen.


Die Klosterkirche zu Bergen. 95<br />

welcher ein Paar beschränkte Zimmer o<strong>der</strong> Zellen, vielleicht<br />

auch die Küche o<strong>der</strong> das Gemach enthielt, welches zum Aufenthalt<br />

<strong>der</strong> Priorin bestimmt war. Die ganze Klosteranlage<br />

nmgab eine Ringmauer, und befand sich darin außer <strong>der</strong> eigentlichen,<br />

an <strong>der</strong> Südseite belegenen Klosterpforte noch ein Eingang,<br />

nach dem zu eiu kleines Fenster angebracht war, von<br />

welchem aus man Ankömmlinge, welche Einlaß begehrten,<br />

beobachten und erkennen konnte. Nach Westen zu befanden sich<br />

die sämmtlichen Oekonomiegebäude; hier standen die Ställe<br />

und Wirthschaftsgelasse, Brauerei und Bäckerei, kurz alle diejenigen<br />

Nebengebäude, welche für eine große Klosteranlage erfor<strong>der</strong>lich<br />

waren. Auch die Stätte, wo die irdischen Ueberreste<br />

<strong>der</strong> Schwestern beigesetzt wurden, findet sich auf <strong>der</strong> Zeichnung<br />

angegeben; ein viereckiger, von einem Säulengange^) umgebener<br />

Platz, dessen Oberfläche mit rhamboidisch geformten Fliesen<br />

belegt war.<br />

Wie schwach dieses Bild auch entworfen und ausgeführt<br />

ist, so haben wir doch den Eindruck davon, daß das Kloster<br />

sich recht ansehnlich ausgenommen haben muß, so lange es so<br />

bis ins fünfzehnte Jahrhun<strong>der</strong>t dastand. Ob aber dieser Eindruck<br />

so ganz richtig ist, darf wohl bezweifelt werden; denn<br />

schon nach Verlauf von hun<strong>der</strong>t Jahren erfor<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Bau<br />

eiue bedeutende Ausbesserung und es erwies sich bald, daß er<br />

so schlecht ausgeführt war, daß eine eigentliche Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

unmöglich erschien. Im Lanfe des fiebenzehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

verfiel <strong>der</strong>selbe mehr und mehr und war am Schlüsse desselben<br />

so schadhaft, daß die Klosterdamen aus demselben in kleine<br />

Häuser flüchteten, welche sie aus eigenen Mitteln auf dem Hofe<br />

des Klosters aufführen ließen. Daß diese Bauten, nachdem<br />

sie kaum drittehalbhun<strong>der</strong>t Jahre ge"-anden hatten, in Trümmer<br />

sinken konnten, läßt sich kaum an<strong>der</strong>s erklären, als daß man<br />

die verbrannten Mauerreste des alten Flügels wie<strong>der</strong> benutzt<br />

hatte, um für die Klosterschwcstern un: so schneller wie<strong>der</strong><br />

Wohngelasse zu schaffen und spricht dafür wohl auch, daß die<br />

Von Säulen soll die Zeichnung nnr dreißig aufweisen.


96 I. L. Löffler,<br />

Säulen, welche den Umgang des Klosters stützten und den<br />

Kirchhof umkränzten und die nrsprünglich für Iaromars Klosteranlage<br />

zugerichtet waren, bei Herstellung des erneuerten Banwerks<br />

wie<strong>der</strong> Verwendung gefunden hatten.<br />

Das neu errichtete dritte Klostergebäude, welches in: Laufe<br />

<strong>der</strong> Jahre 1732 bis 1736 angefangen und vollendet wurde,<br />

besteht aus zwei Flügeln und erstreckt sich bedeutend weiter<br />

nach Süden als das ursprüngliche.<br />

III. Die Klosterkirche.<br />

Obwohl 1445 <strong>der</strong> Brand in <strong>der</strong> Klosterkirche ansbrach<br />

und dort wüthete, sowie in späterer, ja selbst neuerer Zeit die<br />

Baumeister <strong>der</strong>selben rücksichtslos das mißhandelten, was das<br />

Feuer verschont hat, so ist dort doch noch bis auf unsere Tage<br />

so viel vom alten Mauerwerk o<strong>der</strong> dessen Resten erhalten geblieben,<br />

daß wir uns auf Grund sorgfältiger Untersnchung ein<br />

ziemlich vollständiges Bild von Iaromars Ball machen können.<br />

Schon oben bemerkten wir mit Bezug auf das Material, daß<br />

<strong>der</strong> von unseren romanischen und frühgothischen Ziegelsteinbauten<br />

her bekannte gefalzte Stein sich überall bei den ältesten<br />

Parthieen <strong>der</strong> Kirche angewandt findet, nnd kann nun noch<br />

hinzugefügt werden, daß die gebrauchten Ziegeln genau folgende<br />

Dimensionen haben (11" — 4^/4 zu 4^2" und 3 zu<br />

31/4"), und daß die Fugen im Schnitt wie in <strong>der</strong> Dicke gerade<br />

wie bei uns sind.<br />

Die Kirche war in <strong>der</strong> Form eines lateinischen Kreuzes,<br />

als eine dreischiffige Basilika aufgeführt, <strong>der</strong>en Hauptschiff sich<br />

über die Seiteuschiffe erhob, mit weit vorspringenden Krenzflügeln<br />

und eiuem hohen Chor. An dieses schloß sich eine<br />

halbrunde Apsis und ebensolche obwohl kleinere Apsiden befanden<br />

sich gleichfalls an den östlichen Wänden <strong>der</strong> Chorflügel.<br />

Gegen Westen wurde das Langschiff von einem zwei Stockwerke<br />

hohen Querbau begrenzt, dessen Giebel etwas Weniges<br />

hinter die änßeren Mauerlinien <strong>der</strong> Seitenschiffe zurücksprang<br />

uud über dessen Mitte sich <strong>der</strong> viereckige Thurm erhob, welcher<br />

vermuthlich mit einer niedrigen, pyramidenförmigen Spitze ab-


Die Klosterkirche zu Bergen. 9?<br />

schloß. (S. u. den Grundriß, Tafel I.) Vom Kloster war <strong>der</strong><br />

Eingang zur Kirche durch eine, im südlichen ChorMgel angebrachte<br />

Pforte, welche ausschließlich von den Nonnen benutzt ward,<br />

während die Kirchenbesuchcr sonst im Allgemeinen auf den durch<br />

das Quergebäude an <strong>der</strong> Westseite führenden Haupteingang<br />

angewiesen waren. Dieser führte in eine überwölbte Vorhalle,<br />

welche das Erdgeschoß des Bauwerks einnahm und mit dem<br />

Langhause durch einen einzelnen Gewölbebogen in Verbindung<br />

stand, welcher in dem vorspringenden Unterbau des Thurmes<br />

angelegt war. Während dieser sich weit gegen die Vorhalle<br />

und das Hauptschiff öffnete, gegen welches er ein ansehnliches<br />

Portal bildete, umschlossen seine Seitenmauern schmale gemauerte<br />

Treppen, welche auf den Umgang o<strong>der</strong> die Gallerie<br />

geführt haben mögen, von welcher dann wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Eingang<br />

zum oberen Stock des Qucrbaues führte.<br />

Durch das Portal trat man in das Hauptschiff, welches<br />

ungefähr doppelt fo hoch und breit wie die beiden Seitenschiffe<br />

war und mit diesem nach beiden Seiten hin durch Bogengänge<br />

in Verbindung stand, welche durch gemauerte Pfeiler hergestellt<br />

waren. Das Langhaus schloß im Osten mit dem geräumigen<br />

Querschiff ab, dessen mittelster Theil, <strong>der</strong> Kreuzschnitt, von vier<br />

kräftigen Pfeilern begrenzt wurde, die durch halbrunde Gurtbögen<br />

mit dem hohen Chore verbunden waren. Da das<br />

Querschiff ausschließlich von den Klosterschwestern, welche ihre<br />

Gottesdienste im Kreuzschnitte abhielten, betreten werden durfte,<br />

so muß man annehmen, daß <strong>der</strong>selbe vom Hauptschiffe durch<br />

eine Schranke aus Holz o<strong>der</strong> Stein getrennt war. Gegen die<br />

Kreuzflügel fah man gewiß von den Reihen <strong>der</strong> Chorstühle,<br />

welche nach je<strong>der</strong> Seite hin eine kleine Thüre hatten, sich gegen<br />

den hohen Chor aber weit öffneten, <strong>der</strong> als <strong>der</strong> bedeutungsvollste<br />

Theil <strong>der</strong> Kirche, in welchem <strong>der</strong> Hauptaltar seinen<br />

Platz hatte, einige Stufen über dem sonstigen Fußboden <strong>der</strong><br />

Kirche erhöht war. Das in <strong>der</strong> Kirche herrschende Licht mag<br />

wohl ziemlich gedämpft gewesen sein, nicht weil die Zahl <strong>der</strong><br />

Fenster nur gering war, indem die Hochkirche und Seitenschiffe<br />

kaum zehn Lichtöffnungen auf je<strong>der</strong> Seite hatten, fon<strong>der</strong>n weil<br />

7


98 I. L. Lössler,<br />

<strong>der</strong>en Dimensionen nur wenig Licht einfallen ließen. Wie dieser<br />

Bau ursprünglich überdeckt war, läßt sich jetzt nicht mehr mit<br />

Bestimmtheit sagen; man kann aber wohl sicher vermuthen,<br />

daß das Haupt- wie das Querschiff und <strong>der</strong> hohe Chor flache<br />

Balkendecken gehabt haben mögen. Qb die Seitenschiffe überwölbt<br />

waren, scheint zweifelhaft, wogegen mit Sicherheit angenommen<br />

werden kann, daß alle drei Apsiden Gewölbe in<br />

Form einer Viertelkugel trugen. Die Dimensionen des Bauwerks<br />

waren recht ansehnlich und betrug die innere Gesammtlänge<br />

etwa 77, die Breite durch das Langhans 28 und durch<br />

das Querschiff 36 MniM Ellen. ^)<br />

Nachdem wir nun versncht haben, das Bild <strong>der</strong> Marienkirche,<br />

wie sie gegen Ende des zwölften Iahrhnn<strong>der</strong>ts dagestanden<br />

hatte, in seinen Hauptzügen wie<strong>der</strong>zugebeu, wollen wir den<br />

Bau betrachten, wie er zu unserer Zeit dasteht, jedoch mit<br />

beson<strong>der</strong>er Rücksichtnahme ans das, was er von solchen architektonischen<br />

Einzelformen bewahrt hat, welche seine nähere Verwandtschaft<br />

mit unseren gleichzeitigen Ziegelsteinkirchen beweisen<br />

können. Schon bei einem nur flüchtigen Blicke in das Innere<br />

des Baues wird es uns klar, ein wie schweres Geschick <strong>der</strong>selbe<br />

zn bestehen gehabt hat, und wir greifen wohl nicht fehl, wenn<br />

wir alle wesentlichen Verän<strong>der</strong>ungen ans die in je<strong>der</strong> Hinsicht<br />

so nnverantwortliche Restanration, welche nach dem Brande von<br />

1445 stattfand, zurückführen. (S. u. Tafel IV.) Das gefammte<br />

Langschiff wurde unter ein gemeinsames Dach gebracht, so daß<br />

<strong>der</strong> Eindruck, daß man einen dreischiffigen Bau vor sich habe,<br />

verschwand; die Dächer <strong>der</strong> Kreuzflügel wurden aus ihrer<br />

Verbindung mit dem Dache des Hauptschiffs abgelöst und <strong>der</strong><br />

Abschluß des hohen Chores vollständig umgebildet, indem man<br />

aus den etwa fünf Ellen hohen Resten <strong>der</strong> eingestürzten Hauptapsis<br />

einen fünfseitigen, mit schweren Mauerpfeilern verseheneu<br />

Chorbau aufführte, <strong>der</strong> annähernd dieselbe Höhe loie das Querschiff<br />

erreichte. Die Apsiden <strong>der</strong> beiden Kreuzstügel waren<br />

'9) Die dem entsprechenden Größenverhältnisse in den Kirchen zn<br />

Ringstedt nnd Soroe betragen in jener 108 — 33^2 " 50, in dieser<br />

(vor dem Brande von 1816) 100 - 31 - 61 Ellen.


Die Klosterkirche zu Bergen. 99<br />

gleichfalls Zerstört; die Maaße aber, und wie das Mauerwerk<br />

hier zu großen, flachbogigen Fenstern zusammengeflickt ist, lassen<br />

nns <strong>der</strong>en Breite und Höhe erkennen. Wenden wir uns nnn<br />

zum Langhause, so zeigen sich da die Zerstörungen des Brandes<br />

wo möglich noch stärker, und wenn man die Außenrnauer des<br />

südlichen Seitenschiffes, welche indeß bedeutend erhöht und<br />

mit plumpen Strebepfeilern verschen ist, ausnimmt, so findet<br />

man dort auch nicht die geringste Spur <strong>der</strong> alten Kirche mehr.<br />

Die ganze Nordseite bildet eine fast ununterbrochene Reihe von<br />

geschmacklosen Kapellen und von Räumen, die ursprünglich<br />

wohl zum Ablegen <strong>der</strong> Waffen <strong>der</strong> Kirchenbesucher bestimmt<br />

waren, an denen dem Schreiber dieses nichts aufgefallen ist,<br />

was auf eine frühere Zeit, als das fünfzehnte Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

hindeutet. Erst im Westen scheinen die Flammen an <strong>der</strong> dicken<br />

Mauer des Querbaues genügenden Wi<strong>der</strong>stand gefunden zu<br />

haben, denn diefe ist <strong>der</strong> Hauptsache nach gut erhalten, während<br />

<strong>der</strong> viereckige Thurm, welcher neu errichtet ist, mit seinen<br />

Spitzbögen, Fenstern und Vlendnischen genügenden Ausschluß<br />

über seinen spätern gothischen Ausbau giebt. Das Hauptgesims<br />

mit seiner offenen Ballustrade und <strong>der</strong> schlanken achteckigen<br />

Spitze gehören zweifellos <strong>der</strong> neuesten Zeit an.<br />

Trotz alle dem aber was die Kirche gelitten hat, enthält<br />

sie doch nicht wenige ursprüngliche Einzelformen und beson<strong>der</strong>s<br />

auch solche, welche für uns bedeutungsvoll sind. So finden<br />

wir bei <strong>der</strong> näheren Betrachtung <strong>der</strong> Hauptapsis eine deutliche<br />

Spur, daß sie in einer Höhe von etwa vierzehn Ellen mit<br />

einem Rundbogenfriese abgeschlossen war, von welchem schmale<br />

Stäbe bis an die obere Kante des Sockels liefen, und daß die<br />

Bögen in den zwischenliegendcn Mauertheilen mit schmalen,<br />

Kapitale tragenden, Halbsäulen verbunden waren; eine Gesimsform,<br />

welche wir jetzt noch am hohen Chore und in den Kreuzflügcln<br />

in Ringstedt angebracht sehen nnd die früher gleichfalls<br />

das Hauptschiff in Soroe zierte. Ebenso weist <strong>der</strong> hohe Chor<br />

Spnren von Rundbogenfriesen — jedoch ohne Säulenstäbe —<br />

nach, uud da sie sich organisch bis ins Querschiff fortsetzen, wo<br />

sie namentlich an <strong>der</strong> Südseite des südlichen Flügels vortrefflich


100 I. L. Löffler,<br />

erhalten sind, so dürfen wir mit Sicherheit annehmen, daß<br />

sich <strong>der</strong> Fries ursprünglich über die ganze Hochkirche hin<br />

erstreckt hat.<br />

Wenden wir uns nun zu den Kreuzarmen, so finden wir<br />

da die heimathliche ^damsche^ Eigenthümlichkeit wie<strong>der</strong>, als<br />

welche wir die Art und Weise hervorheben müssen, wie das<br />

Mauerwerk <strong>der</strong> Spitzgiebel hergestellt ist. Diese weisen nämlich<br />

Spitzgiebel des südlichen Kreuzarms.<br />

in <strong>der</strong> alleruntersten Hälfte dasselbe Zickzackmuster auf, welches<br />

wir vom Westgiebel <strong>der</strong> Kirche zu Soroe her kennen, welche<br />

Franz Kugler, <strong>der</strong>, soviel dem Erzähler dieses bekannt ist,<br />

Dänemark niemals bereist hat, nicht allein als für die Kirche<br />

Iaromars und die Domkirche zu Camin (aus dem Ende des<br />

zwölften o<strong>der</strong> dem Anfange des dreizehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts)<br />

eigenthümlich beschreibt, son<strong>der</strong>n auch eine kleine Zeichnung<br />

davon giebt. 2") Die oberste Parthie des Giebels war mit<br />

n) Franz Kugler: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte<br />

Seite 665.


Die Klosterkirche zu Bergen. 101<br />

WMN l! M!»R«««W»Ü<br />

Rundbogenfries am südlichen Kreuzarmgiebel.<br />

abwechselnd liegenden und stehenden Schichten gemauert. Lassen<br />

wir unseren Blick nun längs des südlichen Kreuzgiebels hingleiten,<br />

so sehen wir, obschon nur im Umrisse, die so kleinen<br />

Rundbogenfenster 2i), welche dem Querschiffe das meiste Licht<br />

brachten uud finden hier auch den Ausweis über die Art und<br />

Weise, wie das Mauerwerk am Bau hergestellt war, in<br />

eines halben Steins Dicke, worauf die Läuferschichte stach aufliegt.<br />

Dieselbe Construction wurde durchgehend auch bei uns<br />

in Dänemark angewendet. Nun müssen wir noch hinzufügen,<br />

daß <strong>der</strong> Sockel des Giebels, wie solcher oben mit einem rein<br />

attischen Profile abschließt, vorzüglich erhalten ist uud daß die<br />

Eingangsthüre zum Kloster, obschon sie zugemauert ist, doch<br />

ihre ursprüngliche Rundbogenform beibehalten hat. Der nördliche<br />

Kreuzgiebel hat augenscheinlich ganz gleiche kleine Fenster,<br />

2') Bei deu 1869 uuternommenen Arbeiten an dem südlichen Kreuzfliigel<br />

<strong>der</strong> Riugstedter Kirche zeigte es sich, daß die ursprüngliche<br />

Giebelfenster sehr schlecht gewesen waren; ja wenn wir das Mauerwerk<br />

in <strong>der</strong> näheren Umgebung dieser Fenster am nördlichen Flügel <strong>der</strong><br />

Kirche zu Soroe betrachten, so stellt sich als gewiß heraus, daß die<br />

Anfangs vorhanden gewesenen kaum eiu Drittel <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> jetzigen<br />

gehabt haben.


102 I. 3, Löftler,<br />

Südlicher Spitzgiebel des Querbaues.<br />

. !^ ^ WDMWWWWM<br />

Sockel unter dem südlichen Kreuzgiebel.<br />

wie <strong>der</strong> südliche gehabt. Diese siud aber in <strong>der</strong> neuesten Zeit<br />

beseitigt, um einem kolossalen Fenster Platz zu machen, dessen<br />

leichtes Stabwerk und gebrechliche Glasmalerei nur schlecht zum<br />

übrigen Charakter des Baues stimmen kann. Wie schon oben<br />

erwähnt, steht jetzt vom ganzen Langhause nur noch die Mauer<br />

des südlichen Seitenschiffs, welches von seinen ursprünglichen


Die Klosterkirche zu Bergen. 103<br />

Einzelheiten nichts als drei schmale Rundbogenfenster erhalten<br />

konnte, <strong>der</strong>en Verhältnisse im Lichten 1 zu 4 betragen; doch<br />

ist das Mauerwerk daran von beson<strong>der</strong>em Interesse dadurch,<br />

daß wir im Querbau gegen Westen — dem neusten Theile<br />

<strong>der</strong> Kirche — mehrere abweichende romanische Formen antreffen,<br />

aus denen wir namentlich den rundbogigen Haupteingang<br />

hervorheben wollen, dessen Einfassung abwechselnd aus<br />

rechtwinkligen und abgerundeten Profilen besteht, sowie eine<br />

Blendnische am Südgiebel, die mit einer Reihe kleiner einan<strong>der</strong><br />

schneiden<strong>der</strong> Halsbogen schließt. Treten wir in die Kirche<br />

selbst ein, so nehmen wir auch sofort wahr, daß <strong>der</strong> lange<br />

Zeitraum, welcher seit Iaromars Tagen verflossen ist, bedeutende<br />

Verän<strong>der</strong>ungen, ja selbst den vollständigen Umbau veranlaßt<br />

hat; zugleich aber empfangen wir den Eindruck, daß<br />

von einzelnen Parthieen abgesehen, <strong>der</strong> ursprüngliche Bau<br />

in wesentlichen Theilen erhalten ist. Ebenso ist dieses im<br />

Querschiffe <strong>der</strong> Fall, wo die kräftigen, mit fchlanken Halbfäulen<br />

gefchmückten Chorpfeiler uud <strong>der</strong>en halbrunde Gürtelbauten <strong>der</strong><br />

Macht des Feuers wi<strong>der</strong>standen haben, sowie gleichfalls bei den<br />

beiden rundbogigen Eingangsöffnungen, welche in die Apsiden<br />

<strong>der</strong> Kreuzflügel führen. Auch die Bogengänge von dem Durchgange<br />

nach dem Südfchiff stehen völlig unbeschädigt da. (S. u.<br />

Tafel II.) Schon die Plananlagc in diesem Theile des Bauwerks<br />

weift große Nebereinstimmung mit den entsprechenden Theilen in<br />

Ringstedt und namentlich <strong>der</strong> Kirche zu Soroe auf. Gehen<br />

wir zu den Einzelheiten über, so wird die Nebereinstimmung<br />

noch auffallen<strong>der</strong>; z. B. sind alle Halbsäulen mit denselben<br />

Formen <strong>der</strong> Kapitale abgeschlossen — Würfel mit abgeschrägten<br />

Ecken — wie solche nicht allein in Soroe und Ringstedt, son<strong>der</strong>n<br />

in den meisten unserer dänischen, romanischen und frühgothischen<br />

Ziegelsteinkirchen sich vorfinden, uud wie sie in dieser<br />

bestimmten Form vorherrschend bei uns ^in Dänemarks angewendet<br />

wurden.'^) Von den Details <strong>der</strong> Ehorpfeiler wollen<br />

22) Mau vergleiche z. B. die Kapitale in Soroe, Ringstedt,<br />

Bjernede, Aarhus, Gnmlöse (in Schonen), Bergen, Colbatz (Klosterkirche<br />

in Hinterpommern, von welcher Kngler vermuthet, daß dänischer Ein-


104 I. L. Löffler,<br />

wir dabei die Sockel erwähnen, welche das attische Profil mit<br />

Eckblättern haben, wie das starke Gelenkband, welches etwa in<br />

<strong>der</strong> Mitte die beiden östlichen Pfeiler nmfaßt und sich über<br />

die Kreuzflügel fortsetzt, wo es den Ausgangspunkt für den<br />

Halbbogen bildet, <strong>der</strong> bis in die betreffende Apsis führt.<br />

W<br />

UUUMWW<br />

Sockel des Pfeilers d ans Tafel I.<br />

Sockel des Hauptpfeilers im nördlichen Krenzflügel.<br />

fluß sich bei ihrer Erbauung geltend gemacht hat), fowie Roeskild, mij.<br />

denen von Ierichow, von denen wir eine Zeichnung iu <strong>der</strong> oben er.<br />

wähnten Schrift von v. Quast finden.


Die Klosterkirche zu Bergen. 105<br />

Fügen wir noch hinzu, daß die Profile um das zugemauerte<br />

Klosterthor genau dieselben sind, wie diejenigen, welche den<br />

Haupteingang umgeben; daß die westlichen Fenster des Kreuzflügels<br />

erhalten sind, und daß man die Spuren des Kragbandes<br />

noch deutlich wahrnimmt, von welchem die Wölbung<br />

<strong>der</strong> Hauptabsis ausging, so haben wir kaum irgend eine <strong>der</strong><br />

ursprünglichen, noch im Querschiffe o<strong>der</strong> hohen Chor vorkommenden<br />

Formen übergangen. Obschon somit <strong>der</strong> östliche<br />

Theil <strong>der</strong> Kirche im Wesentlichen das ächt romanische Gepräge<br />

beibehalten hat, so mußte <strong>der</strong> Brand doch nicht unwesentliche<br />

Verän<strong>der</strong>ungen mit sich bringen. So sehen wir die ernste<br />

stäche Balkendecke nicht mehr, <strong>der</strong>en früheres Vorhandensein<br />

die Grundform <strong>der</strong> Chorpfeiler mit Bestimmtheit vermuthen<br />

läßt, wogegen hohe und helle Kreuzgewölbe, <strong>der</strong>en Rippen<br />

stark in die Profile einschneiden, auf die späteste Gothik hinweisen.<br />

Schreiten wir vom Querschiff in das Langhaus, so gewinnen<br />

wir alsbald die Ueberzeugung, daß dasselbe völlig umgestaltet<br />

ist, und daß man sich hier beson<strong>der</strong>s bemüht hat, ihm<br />

den offenen luftigen Charakter zu geben, welcher die wesentliche -<br />

Aufgabe des gothischen Stils war. (S. u. Tafel III.) Das Hauptschiff,<br />

ebensowohl wie die Seitenschiffe werden von kleinen<br />

Kreuzgewölben 22) überdeckt, <strong>der</strong>en Gurtbögen zu schmächtigen<br />

Rippen zusammengeschwunden sind; die Bögen sind hoch und<br />

spitz gebaut und durch schlanke achteckige Pfeiler verbunden,<br />

welche nach oben mit feinen, schräg abgeschnittenen Gesimsbän<strong>der</strong>n<br />

abschließen. Ungeachtet des Strebens nach Leichtigkeit<br />

und Lebendigkeit empfangen wir doch einen trüben, ja fast<br />

düsteren Eindruck, denn die Hochkirche entbehrt vollständig des<br />

Lichts und von den Seitenschiffen ist, wie oben mitgetheilt, das<br />

nördliche fast ganz mit Kapellen und Räumen zu an<strong>der</strong>en<br />

Zwecken verbaut. Gewiß hat man in das südliche Seitenschiff<br />

große Fenster von <strong>der</strong>selben Form wie im Kreuz'flügel auf <strong>der</strong><br />

N) Die Höhe unter <strong>der</strong> Wölbung des Hauptschiffes beträgt 19<br />

Ellen 20 Zoll, unter <strong>der</strong> <strong>der</strong> Seitenschiffe 15 Ellen 8 Zoll.


10« I. L. Löffler,<br />

Ostseite eingesetzt. Dieselben nützten aber nicht viel, da sie<br />

nach nnd nach meist dnrch Emporen nnd Treppen verdeckt<br />

wnrden. Als <strong>der</strong> oberflächliche Umbau des Langhauses fertig<br />

war, erschien doch nicht jede Spur <strong>der</strong> ursprünglichen Form<br />

vernichtet, gewiß nicht aus Rücksichtnahme, son<strong>der</strong>n weil man<br />

die Ausführung so wenig kostspielig als möglich machen wollte.<br />

Was zuerst die Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist die<br />

Halbsäule mit dem schräg abgeschnittenen Kapital, welche den<br />

Kapital des nördlichen Chorpfeilers 3. auf Tafel I.<br />

nördlichen Chorpfeiler gegen Westen abschließt. Durch die-<br />

selbe erhalten wir einen bedeutsamen Wink über den Charakter<br />

<strong>der</strong> Bogenstellungen und haben wir demnächst zu beachten, daß<br />

<strong>der</strong> erste Pfeiler (I)) in <strong>der</strong> südlichen Arkadenecke, von Osten an<br />

gerechnet, das Bruchstück einer ganz gleichen Säule bewahrt<br />

hat; daß die geradeüberstehende gleiche in <strong>der</strong> Nordreihe (0)<br />

aus Resten einer alten mit romanischem Sockel aufgeführt ist;<br />

und daß <strong>der</strong> Unterbau des Thurms gleichfalls Ueberbleibsel<br />

einer Halbsäule sci) aufweist; so geht daraus hervor, nicht nur<br />

wie hoch die Arkaden aufgeführt, son<strong>der</strong>n auch wie die Pfeiler<br />

gestaltet waren und endlich, daß <strong>der</strong>en Anzahl <strong>der</strong> jetzt vor-<br />

handenen, fünf auf je<strong>der</strong> Seite, vollkommen entsprach. Werfen<br />

wir einen Blick auf das Langhaus iu <strong>der</strong> Kirche zu Riugstedt,


Die Klosterkirche zu Bergen. 107<br />

so finden wir dort nicht nur in <strong>der</strong>selben Art Halbsäulen in<br />

den Arkaden angewendet und ein gleiches Verhältniß (etwa<br />

1 x ii/2) in diesen, son<strong>der</strong>n die Gleichheit erstreckt sich auch<br />

auf solche Formen, welche, um Abwechslung hervorzubringen,<br />

vorkommen können. Ein <strong>der</strong>artiges Beispiel hierfür haben wir<br />

an dem Pfeiler d, dessen Westseite statt einer Halbsäule Zwei<br />

schlanke Dreiviertelsäulen mit einer scharf dazwischen hervorspringenden<br />

Manerecke aufweist, eine Form <strong>der</strong> Pfeiler, welche<br />

in Ringstedt bei den Nogenstellungen benutzt ist, die das südliche<br />

Seitenschiff mit dem südlichen Kreuzflügel verbinden.^)<br />

Endlich finden wir einen beson<strong>der</strong>en Anklang an die<br />

Wirksamkeit nnseres sudanischen^ Baumeisters in <strong>der</strong> Kirche<br />

Iaromars an den Pfeilern am Sockel, <strong>der</strong> verstümmelt wie er<br />

ist, doch ganz dieselbe Verzierung mit schmalen Säulenstäben<br />

aufweist, welche durchgehend bei den Sockelstücken in Soroe<br />

angewendet ist.<br />

Ans die Frage, ob die Seitenschiffe von Anfang an überwölbt<br />

waren o<strong>der</strong> nicht, erhalten nur hier keine bestimmte<br />

Antwort. Wir haben nämlich an <strong>der</strong> Südwand wohl Mauerpfeiler,<br />

welche auf Gewölbe hindeuten können, theils aber ist<br />

es sehr unsicher, ob dieselben von vorn herein vorhanden waren,<br />

theils weisen die Bogenpfeiler keinerlei Vorsprünge auf, so daß<br />

die Gurtbögen also ans Kragsteinen geruht haben müßten.<br />

Die Südseite des Thurmunterbaus enthält Andeutungen von<br />

zerstörten Gewölbekappen und <strong>der</strong> Theil <strong>der</strong> Mauer über den<br />

Arkaden bis in den südlichen Kreuzflügel, welcher darüber<br />

werthvolle Aufschlüsse müßte geben können, ist ler<strong>der</strong> ganz durch<br />

Emporen verdeckt.<br />

Wir kommen nun zu demjenigen Theile <strong>der</strong> Kirche, welcher<br />

durchgehend am Besten erhalten ist. E^ ist das die Vorhalle<br />

und <strong>der</strong>en Verbindung mit dem Hauptschiffe. Was da unsere<br />

Aufmerksamkeit zuuächst nnd zumeist ans sich zieht, ist, daß<br />

während <strong>der</strong> Rnndbo genbau ausschließlich znm Abschluß<br />

24) In <strong>der</strong> Colbatzer Kirche haben die Ki^ii;rippeii des Kreuzfliigcls<br />

dasselbe Profil. F. Kugler: Kleine Schriften Seite 671.


108 I. L. Löffler,<br />

<strong>der</strong> Thüren, Fenster und Gurtbögen in den ursprünglichen<br />

Theilen des Langhauses und Chors dient, wir hier hauptsächlich<br />

den Spitzbogenbau in Anwendung gebracht finden,<br />

nicht als eine spätere Form, son<strong>der</strong>n nur ein sicheres Abzeichen<br />

dafür, daß wir uns im jüngsten Theile des Baus befindeu,<br />

wo die Gothik schon ihren Einfluß geltend gemacht hat. Schon<br />

das Portal des Thurms, dessen Einfassung die bekannten rechtwinkligen<br />

und abgerundeten Profile darstellen, schließt mit<br />

einem Spitzbogen ab und treten wir in die Vorhalle, so treffen<br />

wir denselben bei allen Gewölbgurtbögen durch Halbsäulen mit<br />

den schräg abgeschnittenen Kapital verbunden. Doch gab<br />

man den Rundbogenbau noch nicht ganz auf, wie wir oben<br />

an dem <strong>der</strong>artigen Abschluß beim Haupteingange (i) nachgewiesen<br />

haben, und man darf als gewiß annehmen, daß er sich ebenso<br />

in den beiden schmalen Fenstern fand, die zu beiden Seiten<br />

desselben angebracht waren. ^) Wie die Halle im Ganzen angelegt<br />

war und wie sehr sie an die Seitenschiffe in Ringstedt<br />

und Soroe erinnerte, erfor<strong>der</strong>t kaum eines weiteren Nachweises,<br />

als ihn die Zeichnung ihres Innern ss. u. Tafel V.)<br />

ergiebt, und müssen wir nur noch darauf aufmerksam machen,<br />

daß die Gleichheit darin sich auch auf solche Einzelheiten erstreckt,<br />

wie die drei Rundstäbe, welche die Kreuzrippen des Gewölbes<br />

bilden. Ganz unberührt von den Zeitläuften blieb indessen<br />

auch dieser eigenthümliche Theil <strong>der</strong> Kirche nicht, denn<br />

das Thurmportal ward mit einer Mauer verschlossen, in <strong>der</strong><br />

eine recht bescheidene Thüre angebracht wurde, die Sockel<br />

<strong>der</strong> Halbsäulen wurden zerstört und zwei plumpe spitzbogige<br />

Oeffnungen behufs Verbindung mit den Seitenschiffen wurden<br />

ausgehauen. sA Ii)<br />

Der obere Stock des Querbaues, von dem ein ansehnliches<br />

Rundbogen-Portal (i) in den Westflügel des Klosters<br />

führte, scheint gleich von Anfang an mit einem dreifachen Kreuzgewölbe<br />

überdeckt gewesen zu sein. Diese Gewölbe sind<br />

25) Die jetzt vorhandenen zierlichen Fenster gehören <strong>der</strong>selben Zeit<br />

an und haben denselben unglücklichen Charakter wie das, welches im<br />

nördlichen Chorflügel eingesetzt ist.


Die Klosterkirche zu Bergen. 109<br />

Grundriß des obersten Stockwerks des Querbaues.<br />

indeß sämmtlich, wohl durch den Einsturz des Thurmes beim<br />

Brande, zerstört, später wird das südliche wie das mittlere er-<br />

neuert sein. Darunter, also entsprechend <strong>der</strong> Verbindung<br />

zwischen <strong>der</strong> Halle und dem Langhause, finden wir nun den<br />

Raum, welcher sich mit großem, schwach zugespitzten Bogen<br />

sowohl gegen den Querbau wie gegen das Hauptschiff öffnet.<br />

Auch hier sehen wir Halbsäulen mit dem oben beschriebenen<br />

Kapital (k) ; was aber ganz beson<strong>der</strong>e Beachtung verdient, ist,<br />

daß die Decke aus einem aus <strong>der</strong> ersten Zeit herrührenden<br />

Tonnengewölbe mit schwachen Spuren von Farbenschmuck besteht.<br />

Schon <strong>der</strong> Umstand, daß man vom Kloster einen direkten<br />

Zugang zum oberen Stockwerke des Querbaus hatte, läßt ver-<br />

muthen, daß dasselbe zum täglichen Gottesdienste benutzt ward<br />

und findet diese Vermuthung äußerlich an einer Klosterrechnung<br />

von 1359 Anhalt, in <strong>der</strong> es heißt: „c^pSiiH 8itu^tH in<br />

turri 6ooi68ÌQ6 L6I-AÌ8 8U.I) 0AMP3.IN8", eine Bezeichnung,<br />

welche sich wohl auf keinen an<strong>der</strong>en Theil <strong>der</strong> Kirche beziehen<br />

kann, als auf diesen. In einer späteren Rechnung von 1486<br />

wird erwähnt: „vicario to 6.6N M3.r6 up dem torno<br />

Während die Kirche zu Ringstedt die Asche Waldemars<br />

bewahrt und Absalons Ruhestatt in Soroe durch einen kräftig<br />

ausgehauenen Denkstein bezeichnet ist, suchen wir die Stelle,<br />

Grümbke, Seite 24.


110 I. L. Löffler,<br />

wo Iaromar bestattet ist, vergebens. Daß sein Grab sich in<br />

<strong>der</strong> Klosterkirche zn Bergen befindet, ist sowohl all nnd für<br />

sich in hohem Grade wahrscheinlich, als es darüber auch nicht<br />

an Nachrichten — wenn anch ans späterer Zeit — mangelt,<br />

welche solches bestimmt aussprechen. So sagt Th. Kantzow<br />

ausdrücklich: „Hiernach im jar 1212 ist gestorben <strong>der</strong> Fürst<br />

von Rhügen, Iaromar, ein löblicher man, <strong>der</strong> sein land sehr<br />

oermeret hat vnd ist zu Bergen in das junkfravenkloster begraben<br />

worden" 27) und auch bei Hvitfeldt finden wir vermerkt:<br />

„in demselben Jahre, 1212 starb Fürst Iermer, begrabeu im<br />

Iungfrauenkloster zu Bergen"^). Sicher müsseu wir nns<br />

das Grab wohl im hohen Chor denken, dessen Fnßboden<br />

nnd ganzer uuterer Theil aber öfters erneuert worden ist,<br />

so daß es selbst zweifelhaft erscheint, ob <strong>der</strong> Lcichcnstein <strong>der</strong><br />

Aebtissin Elisabeth, welcher jetzt auf dem obersten Platze im<br />

hohen Chore lagert, wirklich auf ihrer Ruhestatt liegt ^).<br />

Wenn nun aus dem Angeführten klar hervorgehen mnß,<br />

daß die Marienkirche zu Bergen vollkommen an die Bauten<br />

erinnert, wie sie in unserem sudanischen^ Vaterlande Waldcmar<br />

<strong>der</strong> Große, Absalon und sein Geschlecht anfgeführt und daß<br />

namentlich die Klosterkirchen zu Soroe und Ringstedt als Vorbil<strong>der</strong><br />

dafür gedient' habeu, wie solches ja in <strong>der</strong> Hauptsache<br />

durch meine Ermitteluugen uachgewieseu ist, so kommt es nur,<br />

abgesehen vou diesem Interesse, wie unmittelbar es hierbei für<br />

uns erweckt sein mag, doch vor, als wenn es anch in an<strong>der</strong>er<br />

Hinsicht von Bedeutung ist, daß wir dieses Denkmal kennen<br />

gelernt haben. Stellen wir die Reihenfolge von Kirchen zufammen,<br />

die hier ^in Dänemarks zwischen 1160 uud 1180 in<br />

Ziegelsteinbau ausgeführt sind, so empfangen wir fofort den<br />

2?) Karl von Rosen, S. 23.<br />

^) Qnartausgabe II. S. 93.<br />

2") Der Stein, welcher mit dem Bilde <strong>der</strong> Todten geschmiittt<br />

war nnd in den Ecken die Sinnbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Evangelisten trng, hatte<br />

ringsum folgende Inschrift: ^uiw Oomiui orueiM meeoolxxiii t^i-in<br />

^ucliea odiit iu mouustoi'ic) pi-iilöipissn. «t ^uoissa<br />

n L61-AS. Oi'u.t.6 pro 6U.


Die Klosterkirche zu Bergen. 111<br />

Eindruck, daß sie, soweit ihre hervortretenden Hauytformen<br />

solchen gewähren können, sämmtlich in rein romanischem Stil<br />

mit halbrundem Bogen als Abschluß über Thüren, Fenstern<br />

und Arkaden aufgeführt sind und große Uebereinstimmung in<br />

allen Einzelheiten aufweisen. Hiermit soll indeß nicht gesagt<br />

sein, daß man eine bestimmte Skala von Profilen hatte, welche<br />

stets streng befolgt wurde; im Gegentheil, fast alle diese Denkmäler<br />

verrathen das Bestreben <strong>der</strong> Baumeister, eiues Theiles<br />

Abwechslungen anzubringen, an<strong>der</strong>en Theiles Versuche zu<br />

machen, immer aber nnr so weit, als <strong>der</strong> Formencharakter<br />

durchgehend die gesammte Geschmacksrichtung in <strong>der</strong> Kunst<br />

ausdrückt uud bedingt durch die eigenthümliche Beschaffenheit<br />

des Materials. Iaromars Kirche ward ganz in demselben<br />

Gefchmack begonnen: Chor und Langhaus wiesen durchgehend<br />

romanische Formen auf; im Westen aber, ini alten Thurmftortal<br />

sehen wir den Spitzbogenbau auftauchen und demnächst<br />

auch bei allen Gurtbdgen <strong>der</strong> Vorhalle angewendet.<br />

Hier haben wir also ein vorzügliches, ja vielleicht das<br />

erste deutlich hervortretende Beispiel vom Nebergangsstil jener<br />

eigenthümlichen Vereinigung romanischer uud gothischer Elemente,<br />

welche in St. Lucius Zu Roeskilde bei uns ^in Dänemarks<br />

ihre reichste Entwickelung erlangte ^). Wie dem Leser gewiß<br />

bekannt geworden ist, war <strong>der</strong> verstorbene Professor<br />

Hoyen <strong>der</strong> erste hier ^in Dänemarks welcher mit seiner vorzüglichen,<br />

in den „neuen kirchengeschichtlichen Sammlungen"<br />

publieirten Abhandlung (1860—1864) nachgewiesen hat, daß<br />

die Domkirche, wie sie jetzt dasteht, nicht <strong>der</strong>jenige Bau sein<br />

kaun, welchen <strong>der</strong> Bischof Svend Norbagge zu Ende des elften<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts aufgeführt hat, fon<strong>der</strong>n daß dieselbe als ein<br />

Denkmal aus dem Anfange o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ersten Hälfte des drei-<br />

n) Nach deu Aufschlüssen, wie sie Dr. pdii. Pastor G. Nördams<br />

iu den „Kopenhagens Kirchen und Klöster im Mittelalter" giebt, mag<br />

<strong>der</strong> Gruudsteiu zu dem ältesten Bau von Unserer Liebeu Franen Kirche im<br />

Jahre 1200 von Bischof Peter Euneseu gelegt sein und dürfen wir<br />

mit Sicherheit annehmen, daß diese Hauptkirchc vou Kopenhagen in<br />

gleichem Uebergangsstil wie die Domkirche zn Noeskilde aufgeführt war.


112 I. L. Loffler,<br />

zehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts angesehen werden mnß, wo sich in den<br />

alten Landen ein Einfluß aus dem nordöstlichen Frankreich,<br />

<strong>der</strong> Picardie, Isle de France und Champagne geltend gemacht<br />

hat. Derselben Auffassung von dem Alter und Stil <strong>der</strong> Domkirche<br />

traten später Männer, wie I. I. A. Worsaae, I. Helms,<br />

I. K ornerup, I. L. Using und Julius Lange bei, so daß wir<br />

St. Lucius, wo uns <strong>der</strong> Spitzbogenbau schon im hohen Chor<br />

entgegentritt, mit Sicherheit als die jüngste <strong>der</strong> bei uns ^in<br />

Dänemarks im Ziegelsteinbau aufgeführten alten romanischen<br />

Kirchen ansehen müssen^). Wie verschieden die Domkirche zu<br />

Roeskilde von Iaromars Kirche mit Rücksicht auf das Princip<br />

uud auf das ganze architektonische Skelet auch ist, so will mir<br />

doch scheinen, als wenn in gewisser Weise eine Verbindung<br />

zwischen <strong>der</strong>selben und den Klosterkirchen zu Soroe und Ringstedt<br />

besteht, ja ich möchte fast glauben, es wahrscheinlich<br />

machen zu können, daß dieselben Handwerker, welche die Mauern<br />

<strong>der</strong> Marienkirche zu Bergen aufführten, auch am hohen Chore<br />

in St. Lucius gearbeitet haben. Stellen wir diejenigen Einzelheiten<br />

zusammen, welche am Aeußereu dieser beiden Bauwerke<br />

vorkommen, so finden wir bei beiden nicht nur die<br />

Kreuzgiebel mit jenem eigenthümlichen Zickzackmuster gemauert,<br />

son<strong>der</strong>n auch, daß ganz dasselbe rechtwinklige und abgerundete<br />

Glie<strong>der</strong>werk die Fenster in <strong>der</strong> Chorgallerie <strong>der</strong> Domkirche einfaßt,<br />

welches wir in St. Marien antrafen, ebenso das gleiche<br />

Verhältniß wie Profil in den Friesen <strong>der</strong> Rundbogen und<br />

auch, wenn wir zum Innern übergehen, so begegnen wir dort<br />

2!) Von ausgezeichneten ausländischen Sachverständigen haben C.<br />

Schnaase (1854), Fr. Kugler (1853), I. Fergnsson (1865) nnd F. von<br />

Quast, welcher im Sommer 1868 unsere Domkirche besichtigte, dieselbe<br />

Ansicht über das Alter von St. Lucius ausgesprochen, ohne jedoch die'<br />

jenige Gruppe von Denkmälern bezeichnet zu haben, welche zunächst<br />

als Vorbild sür diese Bauten dienten. Dies war ausschließlich<br />

Hoyens Verdienst. Wie bekannt, hielt ein ganz genauer Kenner <strong>der</strong><br />

Domkirche, <strong>der</strong> hochgeachtete uud um <strong>der</strong>en Restauration so verdiente<br />

Vorsteher <strong>der</strong>selben, Iustizrath Tteen Fries, die frühere Anschauung<br />

aufrecht, daß wir in <strong>der</strong> Hauptsache Svend Norbagges Bau noch jetzt<br />

vor uns hätten.


Die Klosterkirche zu Bergen. 113<br />

gleichfalls großer Uebereinstimmung. Das Kapital mit den<br />

abgeschrägten Ecken hat bei<strong>der</strong>orts denselben Charakter, die<br />

Sockel mit den Eckblättern finden wir im Osttheile <strong>der</strong> Domkirche<br />

häufig, ja selbst das Gelenkband, welches die Pfeiler im<br />

hohen Chor <strong>der</strong> Berger Kirche umschließt, finden wir in St.<br />

Lucius wie<strong>der</strong>. Was indessen meiner Vermuthung einen vielleicht<br />

noch stärkeren Anhalt giebt, ist nicht irgend eine beiden<br />

Bauten gemeinschaftliche Einzelheit in <strong>der</strong> Form, son<strong>der</strong>n ein<br />

gemeinschaftlicher Zug,' die Anwendung des gefalzten Steins.<br />

Betrachten wir das Mauerwerk, welches das dreitheilige Fenster<br />

umgiebt, durch das jetzt <strong>der</strong> Aufgang zur Chorgallerie <strong>der</strong><br />

Domkirche führt, genau — es ist dies nämlich die einzige<br />

Stelle, wo die Fenstereinfassung nach <strong>der</strong> Kirche zu ohne Kalkputz<br />

dasteht 22) —, so sehen wir, daß nur <strong>der</strong> äußerste Bin<strong>der</strong><br />

und Läufer im Wechsel des schrägen Lichteinfalles mit gefalzten<br />

Steinen gemauert ist; alles An<strong>der</strong>e ist von glattgestrichenen<br />

Steinen. Wenn wir nun in <strong>der</strong> Kirche Iaromars in dem<br />

kleinen Rundbogenfenster, welches von <strong>der</strong> Nordseite in das<br />

oberste Stockwerk des Querbaues Licht bringt — dem einzigen<br />

Fenster, welches dort ohne Kalkputz ist — dieselbe eigenthümliche<br />

Anwendung desselben so eigenthümlich behandelten Materials<br />

antreffen, hat da nicht die Frage über das Alter <strong>der</strong> Roeskil<strong>der</strong><br />

Domkirche hiermit durch eben diesen Bau eine ganz vollständige<br />

Beantwortung gefunden und kommen wir so, durch<br />

<strong>der</strong>en Betrachtung in Verbindung mit <strong>der</strong> Uebereinstimmung<br />

in den obenerwähnten Einzelformen, nicht zu demselben Ergebniß,<br />

welches Professor I. Kornerup in seinem Text zur<br />

Beschreibung <strong>der</strong> genannten Domkirche in den „dänischen Denkmälern"<br />

gefunden hat, dem nämlich, daß St. Lucius etwa<br />

um das Jahr 1200 begonnen und fomit dem Schlüsse des<br />

zwölften Jahrhun<strong>der</strong>ts — nach 1193 — näher liegt, als dem<br />

Anfange des dreizehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts?<br />

N) Diesen Theil hat <strong>der</strong> Iustizrath Steen Fries ganz ohne Putz<br />

stehen lassen, damit man sich dort mit dem ursprünglichen Charakter<br />

des Mauerwerks bekannt machen könne.<br />

8


114<br />

Die Redaction <strong>der</strong> Balt. Stud. will es nicht unterlassen,<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für nordische <strong>Alterthumskunde</strong> und Geschichte<br />

in Kopenhagen ihren Dank auszusprechen für die große Bereitwilligkeit,<br />

mit <strong>der</strong> dieselbe die Originalclichös zu <strong>der</strong> obigen<br />

Abhandlung uns zur Benutzung geliehen hat, und ohne welche<br />

diese Uebersetzung viel von ihrem Werthe verloren hätte. Dieselben<br />

sind von I. Magnus Petersen hergestellt, <strong>der</strong> auch die<br />

Kupferplatten radirt hat.


Grundriß,


«WWW<br />

.'


Längsschnitt zwischen einem Theil des Hauptschiffes, Kreuz und hohem Chor.


«NU


for 8terei<br />

^ 2 / '


^


Einundvierzigster Jahresbericht<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche Geschichte<br />

und <strong>Alterthumskunde</strong>.<br />

i.<br />

1. April bis 1. Ottober 1878.<br />

Die Gesellschaft h-at in den beiden verflossenen Quartalen<br />

ihrem Mitglie<strong>der</strong>bestande manche Einbuße erlitten, indem<br />

durch den Tod die Herren Pastor Karow in Roggow,<br />

aatsanwal^ Teuscher in Neustettin und Rentier Heng<br />

in Treptow a. R. verlor. Von diesen hat Herr<br />

row <strong>der</strong> Gesellschaft beinahe 50 Jahre lang angehört<br />

) noch in letzter Zeit durch seine Geschichte von Stral<br />

im Mittelalter sein stets lebhaftes Interesse an ihren<br />

fgaben bethätigt. Außerdem sind ausgeschieden: die Herren<br />

ttergutsbesitzer Gamp in Hohenfelde, Fabrikbesitzer<br />

antey in Stargard, Gutspächter Mahlow in Wittck,<br />

Oberlehrer Marburg in Stettin, Lehrer Roiberg<br />

in Nnclam, Rittergutsbesitzer Runge in Damew.<br />

Lebhaft bedauern wir ferner den Tod eines correondirenden<br />

Mitgliedes, des Herrn Lehrer Vogt in<br />

»nigsberg i. N., <strong>der</strong> zwar erst vor kurzem dazu ernannt<br />

r, aber selbst in dieser kurzen Zeit uns manchen wetlichen<br />

Dienst geleistet hat; ein Verlust, <strong>der</strong> auch weitere<br />

eise berührt, ist herbeigeführt durch den Tod unseres Ehren-<br />

9


Einundmerzigfter Jahresbericht<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für Ponnnersche Geschichte<br />

und <strong>Alterthumskunde</strong>.<br />

i. n<br />

1. April bis 1. October 1878.<br />

Die Gesellschaft hat in den beiden verflossenen Quartalen<br />

in ihrem Mitglie<strong>der</strong>bestande manche Einbuße erlitten, indem<br />

sie durch den Tod die Herren Pastor Karow in Roggow,<br />

Staatsanwalt Teuscher in Neustettin und Rentier Hennig<br />

in Treptow a. R. verlor. Von diesen hat Herr<br />

Karow <strong>der</strong> Gesellschaft beinahe 50 Jahre lang angehört<br />

und noch in letzter Zeit durch seine Geschichte von Strani<br />

el im Mittelalter sein stets lebhaftes Interesse an ihren<br />

Aufgaben bethätigt. Außerdem sind ausgeschieden: die Herren<br />

Rittergutsbesitzer Gamp in Hohenfelde, Fabrikbesitzer<br />

Mantey in Stargard, Gutspächter Mahlow in Wittstock,<br />

Oberlehrer Marburg in Stettin, Lehrer Rosenberg<br />

in Anclam, Rittergutsbesitzer Runge in Damerò<br />

w. Lebhaft bedauern wir ferner den Tod eines correspon<br />

dir enden Mitgliedes, des Herrn Lehrer Vogt in<br />

Königsberg i. N., <strong>der</strong> zwar erst vor kurzem dazu ernannt<br />

war, aber selbst in dieser kurzen Zeit uns manchen wesentlichen<br />

Dienst geleistet hat; ein Verlust, <strong>der</strong> auch weitere<br />

Kreise berührt, ist herbeigeführt durch den Tod unseres Ehren-<br />

9


116 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />

Mitgliedes des H.'rrn Archivrath und Pastor Dr. Masch<br />

zu Demern in Mecklenburg.<br />

Beigetreten sind in <strong>der</strong>selben Zeit die Herren<br />

1. Gymnasiallehrer Baack in Neustettin.<br />

2. Major a. D. Baron von Eickstedt-Tanto w in<br />

Eickstedtswalde bei Groß-Iestin.<br />

3. Rittergutsbesitzer vonEnckevort in Albrechtsdorf bei<br />

Neu-Warp.<br />

4. Rittmeister im 2. Kür.-Regiment (Königin) von Enckevort<br />

in Pasewalk.<br />

5. Landesdirektor von Hey den in Stettin.<br />

6. Kreisphysikus Di'. Kierski in Belgard.<br />

7. Gymnasiallehrer Klewe in Belgard.<br />

6. „ Di-. Knorr in Belgard.<br />

9. „ Krüger in Belgard.<br />

10. Baumeister Lenz in Stettin.<br />

11. Rittmeister von Puttkamer auf Henkenhageu bei Daber.<br />

12. Gymnasiallehrer Schirmeister in Neustettin.<br />

13. Kreisgerichtssekretär Unrau in Greifenhagen.<br />

14. Superintendent We gener in Belgard.<br />

15. Gymnasiallehrer Dr. Wehrmann in Halle a. S.<br />

16. Gymnasialdirector Dr. Weicker in Stettin.<br />

17. Kaufmann A. H. Zan<strong>der</strong> in Stettin.<br />

Dem Verluste von 11 Mitglie<strong>der</strong>n steht also ein Zuwachs<br />

von 17 gegenüber, so daß <strong>der</strong> Bestand von 455 seit 1. April<br />

sich auf 461 erhöht hat.<br />

Von <strong>der</strong> literarischen Thätigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft legen die<br />

jetzt regelmäßig in Vierteljahresheften erscheineuen Baltischen<br />

Studien Zeugniß ab. Die Mumficenz Sr. Exc. des Herrn<br />

Ministers <strong>der</strong> geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten<br />

hat es uns möglich gemacht, am 1. October den<br />

28. Jahrgang durch die Zugabe eines fünften (Gratis-) Heftes<br />

abzuschließen. Aus dem reichen Inhalt dieses Jahrganges erwähnen<br />

wir u. a. :<br />

Die neuen Beiträge zur Geschichte <strong>der</strong> Kunst und ihrer<br />

Denkmäler in Pommern von I. Mu eller.


s—<br />

Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 117<br />

Die Grabsteine im Dome von Camin von L. Kücken.<br />

Das evangelische Kirchenlied in Pommern von Dr. Franck.<br />

Die Kl. Reinckendorfer Taufbecken von E. Wetzel.<br />

Schloß und Stadt Stramel im Mittelalter von Karow.<br />

Die Völker um die Ostsee vor 800—1000 Jahren von Dr.<br />

G. Haag.<br />

Das Schöppenbnch von Nemitz von Dr. v. Vülow.<br />

Das Manual des Herzogs Barnim XIII. von Dr. Prümers.<br />

Eine Greifswal<strong>der</strong> HochZeitordnung von 1569 v. O. Krause.<br />

Die Vorarbeiten für den etwa 500 Urkunden, unter ihnen<br />

ungefähr 150 bis jetzt nicht veröffentlichte, umfassenden zweiten<br />

Band des Pommerschen Urkundenbuches sind durch den<br />

Archiv-Sekretär Di'. Prümers so weit geför<strong>der</strong>t, daß zur Veröffentlichung<br />

geschritten werden kann, sobald eine Vergleichuug <strong>der</strong><br />

in den städtischen Archiven Pommerns befindlichen Original-<br />

Urkunden mit früher genommenen Abschriften stattgefunden hat.<br />

Da eine solche Vergleichung jedoch wahrscheinlich an Ort und<br />

Stelle vorgenommen werden wird, muß sich auch die Herausgabe<br />

des Werkes mindestens bis zum Eintritte <strong>der</strong> wärmeren<br />

und für Reisen günstigeren Jahreszeit verzögern.<br />

Unsere geehrten Mitglie<strong>der</strong> machen wir noch darauf aufmerksam,<br />

daß Nartholds Geschichte von Rügen und<br />

Pommern jetzt für einen so herabgesetzten Preis bezogen<br />

werden kann, daß sie sich Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich über unsere heimische<br />

Geschichte näher unterrichten will, leicht beschaffen kann. Die<br />

Buchhandlung von C. B. Griesbach in Gera, sowie die von<br />

H. Dannenberg in Stettin erbieten sich, dieselbe fein gebunden<br />

für 15 Mark zu liefern.<br />

Alterthümer.<br />

Unter den feit Ende August uns zugegangenen Alterthümern<br />

nehmen diesmal die Münz fünde eine ganz hervorragende<br />

Stellung ein. Noch niemals dürften in unserer<br />

Provinz im Verlaufe weniger Monate so mannigfache und fo<br />

reiche Münzschätze Zu Tage gekommen sein.<br />

9*


118 Gimmdvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />

Der älteste ist <strong>der</strong> Fund <strong>der</strong> römischen Münze des<br />

Hadrian aus den Jahren 128—138 (Beil. Nr. 17); an ihn<br />

schließen sich <strong>der</strong> rein arabische reiche Fuud von Carnitz<br />

(nach 887), dann <strong>der</strong> arabis ch-oe eident alis che von Witzmih<br />

(^um 1000), <strong>der</strong> große mehr als 2200 Stück umfassende<br />

Fund von Seidel (um 1518), endlich drei Funde aus<br />

<strong>der</strong> Zeit des dreißigjährigen Krieges (1628—1633).<br />

Für die freundliche Hülfeleistung bei Bestimmung <strong>der</strong><br />

drei älteren Funde fühlen wir uns den Herren Direktor Di'.<br />

Friedlän<strong>der</strong> und Dr. Er man vom Königlichen Münzkabinet<br />

und dem Herrn Stadtgerichtsrath Dannenberg in<br />

Berlin zum aufrichtigsten Danke verpflichtet.<br />

I. Steinfund von Pasewalk.<br />

Der „Pase Walker Anzeiger" meldet uuter dem<br />

10. August: Ein archäologisch interessanter Fund ist hier von<br />

dem Rentier Bählkow durch desseu Arbeiter beim Torfgraben<br />

in , seiner in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Stadt belegenen Wiese gemacht<br />

worden. In einer Tiefe von etwa 1 — 1'/2 Meter holte man<br />

aus dem Torfmoor eine ganze Garnitnr von acht aus Feuerfteinen<br />

gearbeiteten Meißeln heraus, außerdem uoch zwei Feuersteine<br />

dabei, die, nach ihrer Form Zu schließen, edenfalls zur<br />

Ausertiguug ähnlicher Gerätschaften haben verwendet werden<br />

sollen. Die Meißel selbst sind aus hellcrem, dunklerem und<br />

ganz dunkelblauem Feuerstein gearbeitet uud bis auf eiuige,<br />

die wohl erst aus dem Rohen ausgearbeitet siud, mit sehr<br />

scharfer, glatter, theils breit und gebogener, theils schmalgera<strong>der</strong><br />

Schneide versehen. Die Länge ist verschieden und schwankt<br />

zwischen 16 und 10 Cm.; die Breite zwischen 6 uud 2 Cm.<br />

Die Form ist bei alleu acht Meißeln vierkantig uud zwar bei<br />

einigen so, daß zwei Seiten breit, die gegenüberliegenden schmal<br />

sind. Alle jedoch laufcu vou dem Schneide-Ende nach dem<br />

entgegengesetzten, dem Schlägelende, etwas zu.<br />

II. Ausgrabung auf dem Gräberfelde von Kreitzig.<br />

(Kreis Schiuelbein.)<br />

Mit Bezugnahme auf den im 40. Jahresbericht S. 454


Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 119<br />

gegebenen Bericht über Steinkistengräber bei Kreitzig<br />

theile ich noch die Ergebnisse weiterer Ausgrabungen und <strong>der</strong><br />

dabei gemachten Funde mit.<br />

Das bereits erwähnte Gräberfeld umsaßt ein Gebiet von<br />

mehreren Morgen. Die ans demselben befindlichen Grabstätten<br />

— so weit sie aufgedeckt sind — liegen in drei Gruppen<br />

hintereinan<strong>der</strong> von S.-W. nach N.-O. Die größte dieser<br />

Gruppen ist die am meisten nach Norden gelegene und Zeichnet<br />

sich vor den an<strong>der</strong>en durch eiue ansehnliche Menge von Steinen<br />

aus, welche theils haufenweise um die Gräber herum<br />

liegen, theils in regellos zerstreuten Hansen in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong>selben<br />

vorhanden sind. (Vgl. Balt. Stud. XXIII, Virchow<br />

„über pommersche Gräberfel<strong>der</strong>".)<br />

Zu beachten ist hierbei, daß an den Urnen <strong>der</strong> ersten<br />

Gruppe, welche am meisten nach Süden liegt, keine Verzierungen<br />

bemerkt wurden, und daß dieselben auch keine Deckel<br />

trugeu. In <strong>der</strong> zweiten und dritten Gruppe waren die Urnen<br />

mit einem Deckel geschloffen und theilweise verziert. Giner<br />

dieser Teckel war sauber gearbeitet und mit einer glatten<br />

Ausrandung für den Urnenrand verfehen. Er ist theilweise<br />

erhalten.<br />

Sämmtliche Steinkisten haben die Richtung von S.-W.<br />

nach N.-O. und liegen alle, wie in <strong>der</strong> ersten Gruppe stach;<br />

die Wände <strong>der</strong>selben bestanden theils aus größeren Geröllsteinen,<br />

theils aus Steinplatten; einige waren mit einem Deckstein<br />

versehen, an<strong>der</strong>e nicht. In einem Grabe <strong>der</strong> zweiten<br />

Gruppe faud sich eiu halber Steintrog (68 Cm. lang, 40 Cm.<br />

breit) als Seitcnwandstein verwerthet. Die Urnen standen<br />

theils auf einer Steinplatte, theils auf kleinen Geröllsteiuen-<br />

In einem Grabe wurden nur Saud und Knochen ohne Urne<br />

und in einem an<strong>der</strong>n nur <strong>der</strong> Boden einer Urne gefunden.<br />

Es liegt hier die Vermuthung nahe, daß einige Gräber ihrer<br />

Urnen beraubt wordeu sind, um letztere zum zweitenmale zu<br />

benutzen. Der Inhalt war bei allen <strong>der</strong>selbe, aus Sand und<br />

Knochenresten bestehend. Von Stcingegenständen fand ich nur<br />

einen kleinen Hammer aus Sandstein, mit Schaftloch,


120 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />

10,5 Cm. lang, 3,4 Cm. breit; von Metallgegenständen fand<br />

ich nichts. In einem Grabe <strong>der</strong> dritten Gruppe fanden sich<br />

zwei Urnen, von denen die kleinere sich an eine große bauchige<br />

Urne anlehnte. Da sie sehr brüchig war, wurde die größere<br />

zerstört und erstere mit Gypsbinden umgeben, um sie ohne<br />

Bruch zu heben. Da ich sie an Ort und Stelle nicht einer<br />

genaueren Untersuchung unterwarf, fand ich erst zu Hause,<br />

daß ich eine zum Theil noch gut erhaltene Gesichtsurne<br />

acquirirt hatte. Dieselbe ist 20 Cm. hoch nnd 21 Cm. breit,<br />

ihr Hals hat eine Länge von 5,5 Cm., die Oeffnung eine<br />

Breite von 9,5 Cm.; ihrer Form nach gehört sie zu den gedrungen<br />

bauchigen Urnen. Ihre Wandungen sind dünn, von<br />

zerbröckelndem, glimmerhaltigem Thon geformt. Ans <strong>der</strong> am<br />

besten erhaltenen Seite <strong>der</strong> Urne finden sich am Rande die<br />

Andeutungen eines Gesichts. An dem untern Rande des Halses<br />

ist eine Tüpfelverzierung angebracht, von welcher fe<strong>der</strong>artige<br />

Streifen, mit kleinen Punkten vermischt, nach allen Seiten über<br />

die Urne laufen; <strong>der</strong> nur zum Theil erhaltene Deckel ist auch<br />

mit Fadenornamenten und Randlöchern versehen. Der Inhalt<br />

besteht aus den mit Sand gemischten Knochenresten eines kleinen<br />

Kindes, enthält aber, auch Knochentheile eines größeren.<br />

Außerdem gelang es mir noch, zwei größere gut erhaltene<br />

Urnen und eine kleinere, in größere Stücke zerbrochen, zu gewinnen.<br />

Da die Gräber, wie gesagt, sehr stach liegen, so ist<br />

ihr Inhalt den Einstüssen <strong>der</strong> fenchten Nie<strong>der</strong>schläge sehr ausgesetzt<br />

und es daher recht schwierig, das zerbrechliche Material<br />

zu conserviren. Die Verschiedenartigkeit in <strong>der</strong> Vestattungsweise<br />

und in <strong>der</strong> Urnenform läßt darauf fchließen, daß das in<br />

Rede stehende Gräberfeld wohl eine längere Zeit hindurch benutzt<br />

worden ist. Als älteste Grabstätte sehe ich die als erste<br />

Gruppe beschriebene an.<br />

Schivelbein. Dr. Klamann.<br />

III. Münzfunde.<br />

1. Arabische Münzen von Griebow.<br />

Aus dem Valt. Stud. XXVIII, S. 571 erwähnten Münz-


Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 121<br />

fünde von Griebow hat Herr Gymnasialzeichenlehrer Meier<br />

in Colberg noch zwei Dirhem ausfindig gemacht, die Herr<br />

Dr. A. Er man am königl. Münzkabmet in Berlin zu bestimmen<br />

die Güte gehabt hat als die <strong>der</strong> Chalisen<br />

el Mehdi, Bagdad H. 159 (775).<br />

H. er Raschid, Bagdad H. 180 (796).<br />

2. Arabischer Münzfund von Carnitz.<br />

Ende Juli d. I. 1878 fanden Arbeiter in Carnitz be:<br />

Labes auf dem Felde unter einem großen Steine ein Gefäß<br />

mit Münzen. Herr von Bülow auf Carnitz überließ den<br />

Fund <strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche Geschichte, welche denselben<br />

mir zur Untersuchung übergeben.<br />

Es sind, die Fragmente mit eingerechnet:<br />

1) 16 Münzen <strong>der</strong> Omejjadischen Chalifen, die<br />

älteste vom Jahre 703,<br />

2) Mehr als 120 <strong>der</strong> Abbasidischen Chalifen, die<br />

späteste etwa von 864,<br />

3) 2 Münzen <strong>der</strong> Idrisidenfürsten in Nordafrika,<br />

die eine von 792,<br />

4) eine N ach ahm un g einer Samarqan<strong>der</strong> Tahiridenmünze<br />

von 867.<br />

Dazu kommt noch ein Bruchstück <strong>der</strong> Münze eines <strong>der</strong><br />

unabhängigen Fürsten von Taberistan.^)<br />

l) Beim Sprengen eines großen nur wenig über die Erdoberfläche<br />

hervorragenden Steines, <strong>der</strong> mehr als drei Schachtrnthen gespaltener<br />

Steine enthielt, wurde etwa drei Fuß unter <strong>der</strong> Sohle desselben ein<br />

irdenes Gefäß gefunden, das diese Münzen enthielt. Der Topf zerfiel<br />

bei <strong>der</strong> Berührung sofort in Staub, fo daß es we<strong>der</strong> den wie<strong>der</strong>holten<br />

Bemühungen des Herrn v. Bülow auf Carnitz, noch den<br />

Nachforschungen des Herrn Hallensleben in Regenwalde gelang<br />

auch nur eine Scherbe zu finden. Wir geben in Folgendem die Reihe<br />

sämmtlicher uns zugegangenen Stücke.'<br />

I. Ommeijaden. — 1. Wasit H. 84; 2. H. 9x; 3. H. 92; 4.<br />

Dar^bgird H.-xx ; 5. Damaskus H.xxx; 6. Wasit H.xxx ; 7. H. 104<br />

8—13 Fragmente.<br />

II. Abbasiden. - el Seffah: 14. Basra 134; 15. H. 135.— el


122 Einundvierzigster Jahresbericht. 1. II.<br />

Die Omejjaden stammen ans Damaskus, ans Wasit<br />

in Mesopotamien und aus Darabgird in Farsistan; die<br />

Abbasiden aus Bagdad, ans Basra, Knfa und Damaskus,<br />

ans Ispahan, ans Muh ammedijja, ans<br />

Zer eng in Segistan, ans Armenie n nnd Ar ran; einzelne<br />

anch ans Bnchara in Transoxanien nnd Herat im nordwestlichen<br />

Afghanistan, sowie aus Abbasijja und Mubareka<br />

in Nordafrika.<br />

Was den Fnnd von Carnitz vor <strong>der</strong> großen Menge <strong>der</strong><br />

übrigen auszeichnet und ihm seinen Werth verleiht, ist sein<br />

hohes Alter. Die jüngste Münze ist vom Jahre 867, also<br />

ist er gewiß noch im 9. Iahrhnn<strong>der</strong>t vergraben. Nur sehr<br />

wenige Funde aus so früher Zeit sind bekannt geworden. Es<br />

Mansür: 16. H. 145; 17—13. H. 146; 19. H. 147; 20. Bagdad H.<br />

155; 21—24. Bagdad 156; 25. .... n H. 168; 26. ? Arminia H.<br />

xxx; 27—29. Fragmente.— elMehdi: 30. Bagdad H. 161; 31-32.<br />

Mnhammedijja H. 160 nnd H. 162 (?) ; 33. Bagdad H. 164; 34.<br />

Mnhammeddijja H. 166; 35 — 39. Abbasijja H. 160 o<strong>der</strong> 170?; 40.<br />

H. 16^;41 —49. Fragmente. — el H^dii 50. Bagdad H. 169. —<br />

Harun; 51. Bagdad H. 170; 52. H. 172; 53. Abbasijja H. 173; 54.<br />

Mubareka H. 174 (?); 55^- 60. Bagdad gegen h. 180; 61. Bagdad<br />

H. 181; 62. Bagdad 182; 63. Arrim H. 183; 64. Zereng H. 184;<br />

65. Mnhammedijja H. 184; 66. H. 184; 67. Arr^n (?) H. 187; 68.<br />

Bagdad H. 187; 69. Bagdad H. 188; 70—71. Bagdad H. 191; 72<br />

bis 74. Bagdad h. 192; 75-76. Bagdad H. 193; 77. H. 193; 78<br />

bis 79. Fragmente. — el Qasim, Sohn des Harnn; 80. Fragment. —<br />

el Emtn; 81. Buchara H. 194; 82. Bagdad H. 195; .83. Zereng<br />

H. 195; 84. H. 198; 85. Mnhammedijja H.xxx. — el Mamün:86.<br />

Herat H. 195; 87. Bagdad H. 198; 88. (Samarqan)d H. 199: 89.<br />

Zereng H. 201; 90. Ispahan H. 202; 91. H. 19x; 92. Mnhammeddijja<br />

H.xxx ; 93. Samarqand H.xxx; 94—98. Fragmente; 99—<br />

129. Fragmente älterer abbasidischcr Münzen; 130—131. Bagdad H.<br />

2x4 Fragmente; 132. Veda H. 176 (Fragment). — Mntawakkil: 133.<br />

Kufa ß. 246; 134. H. 24x; 135. Bagdad H.xxx - 136. Damaskus<br />

H.xxx; 137. H.xxx — el Mnstain: 138-139. H.<br />

III. Tahiriden. Tahir II.: 140. Samarqand H. 253.<br />

IV. Idrisiden: 141.? Fragment;<br />

142. Fragment einer Münze eines Ispehlbed von Taberistan;<br />

143. Nachahmung einer Münze des Mehd5. (Anm. <strong>der</strong> Redaktion.)


Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 123<br />

gehören dahin die 62 Münzen, die 1825 im Gouvernement<br />

Tula gefunden wurden, von denen die spätesten vom Jahre<br />

816 waren, sowie die 1300 Münzen, die Frähn im Jahre<br />

1822 zu Moskau von einem Juden aus dem Gouvernement<br />

Mohilew erstand und die ebenfalls nur bis zum Jahre 815<br />

herabreichten. Auch <strong>der</strong> Fund von W'äsby in Npland, <strong>der</strong><br />

aus etwa 130 Stück bestand, reichte nur bis 826. Kleinere<br />

Funde, die nur aus wenigen Münzen bestanden, kommen hier<br />

nicht in Betracht, da ihre Zusammensetzung lediglich auf einem<br />

Zufall beruhen kann. Alle diese Funde haben auch das Vorkommen<br />

<strong>der</strong> Münzen von Taberistan und das fast gänzliche<br />

Fehlen <strong>der</strong> transozeanischen mit dem von Carnitz gemein. Ob<br />

jene übrigens wirklich um volle 50 Jahre älter sind als <strong>der</strong><br />

unsere, möchte ich fast bezweifeln, denn bei <strong>der</strong> äußerst geringen<br />

Menge Geldes, die <strong>der</strong> Orient in dem Zeitraum von 816<br />

bis gegen 864 producirt hat, ist das Fehlen dieser Münzen<br />

in einem Funde leicht erklärlich, beson<strong>der</strong>s wenn das Geld aus<br />

einer etwas entfernter liegenden Provinz stammte.<br />

Von einzelnen interessanten Stücken, die hier zu Tage<br />

getreten sind, ist die älteste bekannte Münze von Wasit vom<br />

Jahre 704, sowie ein lei<strong>der</strong> sehr schlecht erhaltenes Vierteldirhemstück<br />

des El Qasim, dritten Sohnes des Harun er<br />

Raschid, zu erwähnen. Auch die Münze von Arminija vom<br />

Jahre 805 ist von Interesse, da sie abweichend von an<strong>der</strong>en<br />

veröffentlichten Exemplaren am Rande den Namen eines Beamten<br />

trägt.<br />

Dr. Adolf Erman.<br />

3. Der Münzfund von Witzmitz<br />

wurde von dem Eigenthümer, dem Herrn Landschaftsrath von<br />

<strong>der</strong> Osten, <strong>der</strong> General-Verwaltung <strong>der</strong> Königlichen Museeu<br />

zur Prüfung eingesandt. Nachdem dort alles für das Königliche<br />

Münzkabinet Werthvolle herausgenommen war, erlangten<br />

wir den Nest (großenteils Schmelzgut) käuflich. Herr Direktor<br />

Dr. Friedlän<strong>der</strong> hat den Fund in <strong>der</strong> Zeitschrift für Nu-


124 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />

mismatik 1878 VI, S. 242 publicirt. Wir entnehmen mit<br />

dessen Erlaubniß dem gelehrten Aufsatze das Folgende:<br />

Bei Witzmitz im Kreise Regenwalde des Regierungsbezirks<br />

Stettin ist im Juni ein Fund von silbernen Mittelalter-Münzen<br />

und Schmuckstücken gemacht worden. Nach Mittheilung<br />

des Herrn Predigers Havenstein daselbst, waren in <strong>der</strong> Nähe<br />

<strong>der</strong> Fundstelle, am Fuße einer niedrigen Hügelreihe, schon früher<br />

einige Münzen vereinzelt gefunden worden, aber unbeachtet geblieben,<br />

bis kürzlich drei zusammen ans Licht tretende Stücke<br />

einen in <strong>der</strong> Nähe wohnenden Mann nachzugraben veranlaßten,<br />

worauf er uur drei Zoll tief eine Urne von grauem Thon<br />

fand, bedeckt mit einem linnenen Tuche, von welchem ein vom<br />

Silberoxyd grün gefärbtes Stück sich erhalten hat.<br />

Dieser Fund, IV2 Kilogramm an Gewicht, besteht aus<br />

silbernen Schmuckstücken, sowie occidentalischen und orientalischen<br />

Münzen; er ist, um dies gleich vorwegzusagen, in den Jahren<br />

991—1002 vergraben. Die Schmuckstücke sind sämmtlich zerhauen,<br />

um dem Gewichte nach zu gelten, sie sind meist geschmiedet<br />

; von den feinen arabischen Filigran-Arbeiten sind in<br />

diesem Funde weniger als in den an<strong>der</strong>en. Uebergroß ist die<br />

Zahl <strong>der</strong> kleinen Fragmente von Münzen.<br />

Numismatisch Neues lehrt <strong>der</strong> Fund nicht viel, doch ist<br />

je<strong>der</strong> wichtig, wenn er auch nur chronologische Bestätigungen<br />

giebt. Demnach wird hier eine Aufzählung <strong>der</strong> Münzen gegegeben.<br />

Beschreibungen sind jedoch nicht nöthig, da sie in<br />

Dannenbergs vortrefflichem Werke vollständig gegeben sind, es<br />

genügt also die Nummern dieses Werks anzugeben.<br />

I. Sachsen. Die große Masse <strong>der</strong> Münzen, welche dem<br />

Funde seinen Charakter giebt, sind sogenannte Wendenpfennige<br />

und Münzen von Otto und Adelheid.<br />

Die Wendenpfennige find von den ältesten, größten Arten,<br />

etwa 40 Münzen und Fragmente wie Nr. 1325, fünf <strong>der</strong> dazu<br />

gehörigen seltenen Halbstücke, eine Münze mit 01)1)0 quer im<br />

Tempel, wie Nr. 1328; ferner 90 Münzen und Fragmente<br />

wie Nr. 1329, auch ein Halbstück dieser Gattung'; doch ist auf<br />

vielen von diesen vom Tempel <strong>der</strong> Kehrseite keine Spur ficht-


Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 125<br />

bar, so daß nur das Gepräge <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite bracteatenartig<br />

vertieft auf <strong>der</strong> Kehrseite erscheint.<br />

Von Otto und Adelheid finden sich fünf meist zerbrochene<br />

von <strong>der</strong> schön geschnittenen und sorgfältig geprägten Gattung<br />

mit Di ßra, l6x Hm6n, dagegen mehr als 200 von <strong>der</strong> gewöhnlichen<br />

ohne HIN611. Auch fünf Halbstücke.<br />

An diese beiden Arten Sächsischer Münzen schließen sich<br />

sieben magdeburgische von Otto III. Nr. 649 und eins <strong>der</strong><br />

seltnen Halbstücke (ohne Ottos Namen) mit N^


126 EinundvierMter Jahresbericht. I. II.<br />

IV. Franken ist durch 23 Mainzer Münzen Ottos II.<br />

Nr. 778, 779 nnd dnrch drei Worms.er Ottos II. o<strong>der</strong> III.<br />

vertreten, sämmtlich von schlechtem Schnitt. Eine von Speier<br />

ist gänzlich unlesbar.<br />

V. Mehr chronologische Anhaltspunkte geben die Münzen<br />

von Alemannien. Vom Bischo Ulrich von Augsburg,<br />

923 — 973, sind zwei Fragmente und eine Münze vorhanden«<br />

Dann eine gute Münze des Angsburger Bischofs Lutolf,<br />

987—996.<br />

Ferner Straß burg i Bischof Erkambold, 965-991, ein<br />

Fragment von Nr. 932; Bischof Wi<strong>der</strong>old 991 — 999, zwei<br />

Exemplare Nr. 934. Auch Zwei straßburger Denare Ottos III.<br />

wie Nr. 910.<br />

VI. Baiern. Regensburg. Außer einer Anzahl unlesbarer<br />

Münzen finden sich folgende : Herzog Heinrich I. o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> II. zwei Münzen Nr. 1057 m.<br />

Herzog Otto, 976—982. vier Münzen Nr. 1065 o.<br />

Herzog Heinrich <strong>der</strong> II. aus seiner zweiten Epoche, 985<br />

bis 995, acht Münzen und mehrere Fragmente, Nr. 1069


Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 127<br />

Ferner fanden sich zwei Exemplare <strong>der</strong> bekannten Münze,<br />

Nr. 1158; ein sehr schlechtes, Nr. 1159, ein gutes ähnlich<br />

Nr. 1271, 1272; diese werden dem Herzog Otto I. von Alemannien,<br />

973—982, zugeschrieben; das Vorkommen in diesem<br />

Funde, welcher frühestens 991 vergraben ist, hin<strong>der</strong>t diese Zutheilung<br />

nicht.<br />

Zwei mit einem dem karolingischen ähnlichen Monogramm,<br />

Nr. 1153, lassen die Unterschrift nicht erkennen. Durch ihr<br />

Gewicht, 2,29 Gramm, auffallend ist eine mit völlig entstellten<br />

Aufschriften und Typen ungefähr wie Nr. 777.<br />

IX. Ausländische Münzen sind in geringerer Zahl<br />

vorhanden als in an<strong>der</strong>en Funden. Zehn ganze und einige<br />

kleine Fragmente von Ethelred II. von England, 978<br />

bis 1016.<br />

X. Andre ausländische Münzen sind nur in geringer Zahl<br />

vorhanden.<br />

Zwei von Pavia mit ^ 1 umher<br />

Rs. ? ^ umher 4V6V3IV8, alles mit kleinen verhältniß-<br />

I<br />

mäßig dicken Buchstaben. Sie können den beiden ersten Ottonen<br />

gehören, die ähnlichen des dritten haben ILN.0IV8 o<strong>der</strong><br />

Die bractcatenartigen, gewöhnlich und wohl mit Recht<br />

für polnisch gehaltenen sehr dünnen Stücke waren hier auch<br />

vertreten; nur ein Exemplar und einige Fragmente <strong>der</strong> größeren<br />

gewöhnlichen Gattung, dagegen mehrere Exemplare <strong>der</strong><br />

kleinen.<br />

Endlich XI. Orientalische Münzen. Herr Dr.<br />

Er man hat die Gefälligkeit gehabt, sie zu untersuchen, und<br />

theilt folgendes mit: „Weitaus <strong>der</strong> größte Theil <strong>der</strong> orientalischen<br />

Münzen sind Fragmente samanidischer Münzen, unter<br />

denen wie<strong>der</strong>um die des Nasr II. (913 — 942) die häufigsten<br />

sind. Von älteren Stücken sind nur Zwei Fragmente<br />

omejjadischcr Münzen (die eine in Afrika geprägt) und eine<br />

Münze des Ein in (Bagdad H. 195) sicher zu bestimmen.


128 Einundvierzigster Iahresbeeicht. I. II.<br />

Von den Abndaudiden enthält <strong>der</strong> Fund drei Fragmente,<br />

die wie gewöhnlich stark abgerieben sind; von den Ostbnlgaren<br />

und den Wolgabnlgaren je eines. An<strong>der</strong>e Nachahmungen <strong>der</strong><br />

SamanidenmünZen sind unbestimmbar.<br />

Von den Buweihiden sind Imad-eddin, Muizzcddaula,<br />

Rokneddaula und Adudeddaula durch einige Bruchstücke vertreten;<br />

von den späteren Chalifen Muqtadir mit <strong>der</strong> seltenen<br />

Münze von Tarsus, sowie Muttaqi mit einer Münze<br />

von Bagdad vom Jahre 941.<br />

Das späteste sicher vorkommende Jahr ist H. 354 — Chr.<br />

965, das durch eine Münze des Samaniden Mansur und eine<br />

an<strong>der</strong>e des Buweihiden Rokneddaula vertreten ist; auch unter<br />

den unbestimmbaren Fragmenten scheint keins über H. 366 -<br />

Chr. 976 hinauszugehen.<br />

Aus dieser Aufzählung ergeben sich folgende sichere Zeitbestimmungen<br />

:<br />

Herzog Bernhard von Sachsen 973—1011<br />

Bischof Adalbero I. von Metz 929—964<br />

Bischof Theo<strong>der</strong>ich I. von Metz 964—984<br />

Bischof Ulrich von Augsburg 923—973<br />

Bischof Lutolf von Augsburg 987—996<br />

Bischof Erkambold von Straßburg . . . . 965—991<br />

Bischof Wi<strong>der</strong>old von Straßburg 991—999<br />

Herzog Otto von Vaiern 976—962<br />

Die Herzöge Boleslav I., II., III. von Böhmen 938—1004<br />

König Ethelred II. von England . . . . 978 — 1016<br />

Die Münzen Wi<strong>der</strong>olds beweisen, daß <strong>der</strong> Fund nach 991,<br />

und das Fehlen aller Münzen des Königs Heinrich II. beweist,<br />

daß er vor 1002 vergraben sein muß. Die orientalischen<br />

schließen mit 965, spätestens mit 976 ab; es trifft also hier<br />

wie<strong>der</strong> meine frühere Beobachtung zu, daß die orientalischen<br />

stets früher enden als die oceidentalischen, weil sie für die<br />

weite Reise einiger Jahre bedurften. I. Friedlän<strong>der</strong>.<br />

4. Der Münzfund von Seidel.<br />

Bei Seidel unweit Manow (Reg.-Bez. Cöslin) sind im


Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 129<br />

laufenden Jahre über 2000 Münzen gefunden worden (f. unter<br />

Beilage Nr. 22), welche, wenn sie auch nicht viel Neues o<strong>der</strong><br />

Seltenes bringen, dennoch eine kurze Beschreibung um deßhalb<br />

verlangen, weil sie einerseits einen Beitrag zu <strong>der</strong> noch wenig<br />

erörterten Frage liefern, wie sich im Umlaufe die verschiedenen<br />

Geldforten frem<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> zu denen des Inlandes stellten,<br />

an<strong>der</strong>erseits aber gewisse <strong>der</strong> Zeit nach unbestimmte Münzen<br />

von diesem Funde helleres Licht zu empfangen scheinen. Der<br />

Fund, den ich wohlgeordnet aus <strong>der</strong> Hand des Herrn Dr. Kühne<br />

zu Stettin, des Aufsehers <strong>der</strong> dortigen Sammlungen <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

für pommersche Geschichte und <strong>Alterthumskunde</strong> erhielt,<br />

bestand zu mehr als fünf Sechsteln aus pommerschen<br />

Geprägen, denen sich aber zahlreiche brandenburgische nebst<br />

einigen an<strong>der</strong>n deutschen und nicht wenigen livländischen anschlössen.<br />

Der Stückzahl nach überwogen die Vierchen und<br />

die ihnen im Aeußern nahe kommenden livländischen Artiger,<br />

nach Hun<strong>der</strong>ten zählten die Schillinge und halben Schillinge,<br />

hauptsächlich pommerscher Herkunft, während die größte Münzsorte,<br />

die Groschen, etwa 100 an <strong>der</strong> Zahl, ans dem brandenburgischen<br />

Nachbarlande stammten; denn in Pommern hat<br />

man <strong>der</strong>gleichen zu Anfange des XVI. Jahrhun<strong>der</strong>ts bekanntlich<br />

nicht geschlagen.<br />

Genauer ist <strong>der</strong> Inhalt dieses kleinen Schatzes folgen<strong>der</strong>:<br />

1. Pommern.<br />

Q. Vierchen. Garz, mit <strong>der</strong> Nessel im Schilde 224 St.<br />

„ ohne Schildumfassnng 30 „<br />

Gollnow 42 „<br />

Pyritz 315 „<br />

Stargard 182 „<br />

Stettin 708 „<br />

dazu treten undeutliche<br />

') Unter diesen 5 mit <strong>der</strong> Inschrift K°A°v°I°0°II°N°Il)<br />

8 mit ^°8°6°I°6°II°A°II) eine wie die an<strong>der</strong>e nm den Greifenkopf.<br />

(Anni, <strong>der</strong> Red.)


130 Einnndvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />

sowie <strong>der</strong> Größe nach sich anschließen: ein Denar<br />

von Colberg (mit den gekreuzten Bischofsstäben<br />

auf beiden Seiten) und ein stark beschnittener und abgenutzter<br />

Schilling mit m0Q6t^ äuc ^Voiss. . . . 2 St.<br />

d. Schillinge von Bogislav X. (1474 —<br />

1523) 262 „<br />

nämlich: von Damm, ohne Jahr 18 „<br />

datirte von 1492 (17, dabei einen mit<br />

während sonst <strong>der</strong> Stadtname je<strong>der</strong>zeit durch<br />

ausgedrückt wird) 1493 (9) 14 94 (11) 1496 (3)<br />

1497 (6) 1499 (13)? 87 „<br />

von Garz, ohne Jahr 2 „<br />

1489 (20) 1492 (11) 31 „<br />

von Stettin 1499 (3) 1500 (u. NVlü) (24) 1501<br />

(25) 1502 (15) 1503 (20) 1504 (4) 1505 (3)<br />

1506 (6) 1507 (7) 1508 (5) 1511 (1) 1515 (2)<br />

1516 (1) 121 „<br />

wozu noch kommen undeutliche 3 „<br />

o. Halbe Schillinge desselben Herzogs,<br />

sämmtlich von Stettin 43 „<br />

nämlich 1499 2) (1) 1500, mit NVO (9) 1501 (1)<br />

1502 (2) 1503 (6) 1504 (4) 1505 (1) 1506 (4)<br />

1507 (12) 1511 (1) 1512 (2) 1515 (3) 1516 (5)<br />

1517 (1) und ein undeutlicher.<br />

ä. Stralsun<strong>der</strong> ganze und halbe Schillinge<br />

25 „<br />

ohne Jahr und von 1501, 1504, 1505, 1506, 1508,<br />

1509, 1511, 1512 und 1515.<br />

2) Wenn die Addition <strong>der</strong> einzelnen Post unter dieser Summe<br />

bleibt, so kommt dies hier wie an<strong>der</strong>s wo daher, daß einzelne undeutliche<br />

nicht mitgezählt sind.<br />

s) Dieses Stück ist merkwürdig nicht nnr, weil man von 1499<br />

bisher noch keinen halben Schilling kannte, son<strong>der</strong>n anch, weil dieser<br />

nicht wie alle an<strong>der</strong>n das eckige gothische !i, son<strong>der</strong>n das runde lateinische<br />

L hat; er war bisher nur wenigstens nnbekannt.


Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 131<br />

2. Brandenburg.<br />

Groschen von Johann Cicero, 1498 . 3 St.<br />

Groschen von Joachim I. mit seinem<br />

Bru<strong>der</strong> Albrecht sowie von ihm allein . . . 103 „<br />

ohne Prägestätte, sowie von Berlin, Brandenburg,<br />

Krossen, Frankfurt und Stendal mit<br />

den Jahreszahlen 1501—1517,<br />

halbe Groschen von Johann Cicero 1496 (1)<br />

1498 (3) 4 „<br />

halbe Groschen von Joachim I., Brandenburg<br />

ohne Jahr. . . 2 „<br />

„ Joachim I. u. Albrecht,<br />

Brandenburg 1507 . 1 „<br />

Vierchen, von Prenzlau (mit ?K6N8K0V) . 25 „<br />

„ mit molata, und dem Adlerschild; Rs.<br />

Helm ohne Umschrift 63 „<br />

„ mit monkta. Adler. Rs. uionOta. Helm 16 „<br />

3. Sonstige deutsche und außerdeutsche Münzen.<br />

a.. Schillinge o<strong>der</strong> Schillings ähnliche Münzen.<br />

Deutscher Orden: Hochmeister Michael<br />

1 4 1 4 — 1 4 2 2 . . . 1 St.<br />

Hochmeister Paul<br />

1423—1440 . . . 2 „<br />

Statthalter Heinrich<br />

1462—1469 . . . 1 „<br />

Hochmeister Heinrich<br />

IV. 1470—1477 3 „<br />

Hochmeister Martin<br />

1482 — 1489 . . . 15 „<br />

Hochmeister Johann<br />

1 4 8 9 — 1 4 9 7 . . . 1 1 „<br />

Hochmeister Friedrich<br />

1 4 9 8 — 1 5 1 0 . . . 1 „<br />

und undeutliche, unter denen ein falscher kupferner . 4 „<br />

Mecklenburg(Magnus und Balthasar),<br />

Güstrow 2 „<br />

10


132 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />

Rostock 5, Göttingen 1490 und 1506 2 . 7 St.<br />

Dänemark, Johann, Aalborg . . . 1 „<br />

Riga, Erzbischof Silvester 1448—1479 . 2 „<br />

Polen, Kasimir IV.^,Danzig (43), Elbing<br />

(2), Thorn (7) . 52 „<br />

d. Kleinere Münzen, ^/2 Schillinge, Artiger,<br />

Heller ?c., etwa von Vierchen-Größe.<br />

Osnabrück, Bischof Konrad IV. 1508,<br />

l/8 Schilling 2 „<br />

Lippe, Bernhard VII. ^/4 Stüber, wie<br />

Mzstud. V 2, VI 62, nnedirt 1 „<br />

Dortmund, 1/4 Groschen (zwei mit Kopf des<br />

heil. Reinoldus) 1 „<br />

Bremen, Denar mit Kopf des heil. Petrus . 1 „<br />

Hessen, Einseitiger Heller mit hessischem und<br />

ziegenhainschen Wappen 2 „<br />

Sachsen, Einseitiger Heller mit Löwenschild . 2 „<br />

Pfennig mit sächsischem Helm, Rs. Meißnischer Helm 1 „<br />

Böhmen, Einseitiger Heller mit Löwen . . 1 „<br />

Tirol, Erzherzog Sigismund (1439—96) . 1 „<br />

Livland, Artiger von Reval 7 „<br />

„ Hochmeister Ioh. Freitag von<br />

Loringshofen 1483—1494, Artiger,<br />

undeutlich 1 „<br />

Erzbisthum Riga, Magnus, Artiger . 1 „<br />

„ Jasper Linde 1509<br />

-1524 1 „<br />

Bisthum Dorpat Bartholomäus (1444—<br />

1458) 4 „<br />

Helmich (1461—1471) . 1 „<br />

Andreas (1472—1473) . 2 „<br />

Johann III. (1473—1485) 4 „<br />

Litthauen, Alexan<strong>der</strong> (1501-1506)<br />

Denar (Baudtke 67) 3 „<br />

Die Gesammt-Stückzahl dieser Münzen, von denen einige<br />

bereits dem Schmelztiegel überantwortet sind, wird mir auf


Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 133<br />

2212 angegeben, von denen 1852 pommersche und 217 brandenburgische.<br />

Das jüngste Datum ergaben die halben Schillinge<br />

von Stettin mit 1517 und die frankfurter Groschen desselben<br />

Jahres. In diesem o<strong>der</strong> dem folgenden Jahre also dürfte<br />

die Vergrabung unseres Schatzes stattgefunden haben.<br />

Lehrreich ist er namentlich für die Bestimmung <strong>der</strong> Prägeund<br />

Umlaufszeit <strong>der</strong> Vierchen; in den Anfang des XV. Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />

wie es in Reichels Kataloge zu Nr. 1450 IV heißt,<br />

darf man sie nicht verlegen. Auch daß die dem Kurfürsten<br />

Friedrich II. zugeschriebenen brandenburgischen Vierchen (s.<br />

Köhne Zeitschr. I. 197) wirklich so alt sind, wird zweifelhaft,<br />

wenn man erwägt, daß unter den 113 ganzen und halben<br />

Groschen dieses Fundes kein einziger von ihm, <strong>der</strong> schon 1470<br />

gestorben, <strong>der</strong> älteste vielmehr erst von 1496 war; eine ähnliche<br />

Erscheinung, wie sie <strong>der</strong> Berliner Blätter f. Münzkunde II.<br />

205 beschriebene Fund bietet. Die Frage verdient wohl eine<br />

weitere Untersuchung. Interessant ist es auch zu sehen, wie<br />

die geringhaltigen pommerschen Pfennige des XIV. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

bereits völlig verschwunden waren, nur <strong>der</strong> einzige<br />

Colberger erinnert noch an diese Münzsorte, ebenso wie von<br />

den ältern Schillingen nur noch ein einziger, in sehr schlechtem<br />

Zustande sich in die neuere Zeit hinübergerettet hatte.<br />

Berlin. 5- Dannenberg.<br />

5. Drei Münzfunde aus <strong>der</strong> Zeit des dreißigjährigen<br />

Krieges.<br />

1. Der Fund von Küstrow bei Barth.<br />

Wir bedauern, über dieseu Fund nichts an<strong>der</strong>es mittheilen<br />

zu können, als was die Neue Stettiner Zeitung unter dem<br />

10. Mai einem Referate <strong>der</strong> „Stralfun<strong>der</strong> Zeitung"<br />

entlehnt:<br />

Am 1. Mai ließ ein Baucrhofsbesitzer in dem eine halbe<br />

Stunde von Barth belegenen Dorfe Küstrow einen Stall abreißen.<br />

Vor <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>wand desselben entdeckte ein Arbeiter<br />

in einer Tiefe von etwa 1^/2 Fuß unter <strong>der</strong> Oberfläche einen<br />

wohlglasirten Tops, welcher eine Menge grün angelaufener


134 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />

Münzen enthielt. Ihre Zahl beträgt 748. Große Stücke<br />

sind nur wenige darunter, nämlich drei Thaler, die große<br />

Mehrzahl besteht aus Schillingen mit <strong>der</strong> Bezeichnung: 16 St.<br />

ein Reichsthaler. Theils sind dieselben pommmersche Herzogsmünzen,<br />

von Stral sund, Hamb urg , Danzigli,<br />

doch sind auch ausländische Münzen von größerer Dicke und<br />

sehr fremdartigem Gepräge darunter. Die Oesterreicher sind<br />

durch Rudolph II. und Ferdinand II. ziemlich stark vertreten.<br />

Von beson<strong>der</strong>er Schönheit des Gepräges ist eine Münze des<br />

Erstgenannten von 1603. So weit es durch eine oberflächliche<br />

Prüfung festgestellt werden konnte, umfassen die vorgefundenen<br />

Stücke den Zeitraum von 1563 bis 1627. Da nun<br />

1628 die Kriegsfurie über Vorpommern hereinbrach, fo liegt<br />

die Vermuthung nahe, daß im Laufe des Jahres 16 28, alfo<br />

vor gerade 250 Jahren, ein Einwohner von Küstrow seine<br />

Baarschaft vor den Geiergriffen <strong>der</strong> Kaiserlichen, die damals<br />

Barth und seine Umgebung ins Elend brachten, im Schooße<br />

<strong>der</strong> Erde geborgen habe.<br />

2. Der Fund von Belgard.<br />

Ueber diesen schreibt uns Herr Oberlehrer Dr. Petersdorff<br />

Folgendes unter dem 24. August:<br />

Die Münzen sind beim Graben einer Grube in <strong>der</strong> Stadt<br />

selbst gefunden. 37 Silbermünzen habe ich noch retten können;<br />

unter diesen sind 32 von Stettin-Pommern (20<br />

von Vogislav XIV., 10 von Ulrich, 2 von Franz), 5 von<br />

Polen (Sigismund III.) Die Münzen stammen alle aus<br />

den Jahren 1620, 1621, 1622, 1623; auf einer habe ich<br />

2 8 gelesen.<br />

3. Der Fund von Grammentin bei Demmin.<br />

Im Mai d. I. wurde auf einer Wiese <strong>der</strong> Feldmark<br />

Grammentin s22 Kil. S.-W. von Demmin) von drei Arbeitern<br />

in mäßiger Tiefe (ob in bloßer Erde, o<strong>der</strong> in einem<br />

Topf, ist nicht ermittelt), ein Schatz von 28 Thalern und<br />

258 kleineren Silbermünzen gehoben und an einen Goldschmied<br />

,


Einundvierzigster Jahresbericht I. II. 135<br />

in Deinmin verkauft, von welchem ihn Herr Dr Starck,<br />

unser sehr thätiges Mitglied, erwarb. Die sehr specielle numismatische<br />

Beschreibung, die uns <strong>der</strong>selbe von dem werthvollen<br />

Funde gemacht, geben wir, aus Mangel an Raum, in Folgendem<br />

nur verkürzt wie<strong>der</strong>.<br />

^ Deutschland.<br />

Fürstliche Münzen.<br />

1. Rudolf II. Thaler von 1605. (Aehnlich Madai 30.)<br />

Braunfchweig-Lüneburg.<br />

Friedrich Ulrich (1613—1634.)<br />

2—3. Thaler von 1621. Oso 6t I^tria^. Zwei verschiedene<br />

Stempel.<br />

4. Thaler von 1624. (Madai 1124.)<br />

Holstein.<br />

». Holstein-Gottorp.<br />

5. Johann Adolf (f 1616), Groschen.<br />

b. Holstein-Son<strong>der</strong>burg.<br />

6. Johann <strong>der</strong> Jüngere (f 1622), Thaler von 162,<br />

(verschieden von Madai 1287).<br />

Meklenburg-Schwerin.<br />

Johann Albrecht (f 1576).<br />

7—13. Schillinge von 1552.<br />

14. Carl (f 1610), Thaler von 1609 (verschieden von<br />

Madai 1349, bei Liebeherr, <strong>der</strong> ihn sehr rar nennt,<br />

uugenau beschrieben).<br />

Johann Albrecht II. (1592—1636).<br />

15—26. Schillingevon1622,1623,1624, Wappen und Schrift.<br />

27—33. Schillingevon 1622 und 1624, Vüffelkopf und Schrift.<br />

Pommern.<br />

». PommcrN'Wolgast.<br />

Philipp Julius (1592—1625).<br />

34—35. Schillinge von 1621 mit rügischem Löwen.<br />

36—53. Zweischillingstücke von 1622.<br />

54-57. Schillinge von 1622.<br />

56 — 60. Schillinge von 1624.<br />

58—62. Schillinge von 1625.


Einundvierzissster Jahresbericht. I. II.<br />

63. i/i6 Thaler von 1623.<br />

64—68. l/i6 Thaler von 1624.<br />

69—71. l/i6 Thaler von 1625.<br />

d. Pommern-Stettin.<br />

Bogislav XIV. (1620—1637).<br />

72. i/i6 Thaler von 1620.<br />

73—77. 1/is Thaler von 1628.<br />

78—81. ^/i6 Thaler von 1629.<br />

82. 1/is Thaler von 1630.<br />

83—84. i/i6 Thaler von 1631.<br />

Sachsen.<br />

85. Johann Georg ^1611—1656), Thaler von 1629.<br />

Württemberg.<br />

86. Johann Friedrich (1608—1628), Thaler von 1624.<br />

(Aehnlich Madai 1629.)<br />

Städtemünzen.<br />

Köln.<br />

87. Thaler von 1569. (Madcn 2190.)<br />

Frankfurt a. M.<br />

88. Thaler von 1622. (Madai 4869.)<br />

Grevismühlen.<br />

89—90. Schillinge von 1536.<br />

91. Schilling von 1556.<br />

Hamburg.<br />

92. Groschen von 1553. (Äux (tristi 61ori.<br />

93. Schilling von 1555. Homo (^u.o. ?r0i)3.tu8.<br />

94. Thaler von 1621. (Madcn 2245.)<br />

95. Thaler von 1632.<br />

Lübeck.<br />

96. Groschen o. I.<br />

97. i/i6 Thaler von 1624.<br />

96. Schilling von 1544. Homo ornco.<br />

99. Groschen von 1562. Orux 8o1. 0MU6.<br />

Nürnberg.<br />

100. Thaler von 1624. (Madai 5058.)<br />

Rostock.<br />

Thaler o. I.


Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 137<br />

109—1K). V64 Thaler von 1574.<br />

111. 1/64 Thaler von 1588.<br />

112—114. 1/64 Thaler von 1622. 8it. Nora, vni. Lud.<br />

115. '/ig Thaler von 1624.<br />

116. 1/64 Thaler von I. 8it. 110m. vni.<br />

117—125. i/s4 Thaler von 1626.<br />

126. 1/16 Thaler von 1626.<br />

127. V16 Thaler von 1627.<br />

128. 1/16 Thaler von 1628. ^odiäonn<br />

129. Vi6 Thaler von 1630.<br />

130—132. 1/16 Thaler von 1631.<br />

Str alsnnd.<br />

133—144. Schillinge von 1538. Vou8 in 110m luo 83.I11.<br />

145. i/ie Thaler von 1623.<br />

146—154. l/16 Thaler von 1624.<br />

155—156. 1/16 Thaler von 1625.<br />

157-162. 1/16 Thaler von 1626.<br />

163—165. i/ig Thaler von 1628.<br />

166—173. 1/16 Thaler von 1629.<br />

174__189. 1/16 Thaler von 1630.<br />

190—199. 1/16 Thaler von 1631.<br />

200. 1/16 Thaler von 1632.<br />

Wismar.<br />

201. Schilling von 1538. 8it. noni. vm.i. Vnä.<br />

202—205. Schillinge von 1555.<br />

V. Außerdeutsche Staaten.<br />

Dänemark.<br />

206. Johann (1481—1513). Denar von Malmö 0. I.<br />

Friedrich II. (1559—1588).<br />

207. II Skilling von 1560.<br />

208—211. II Skilling von 1562.<br />

212__2i5. II Skilling von 1563.<br />

216—222. I Skilling von 1563.<br />

Christian IV. (1588-1648).<br />

223—271. I II nnd VIII Skilling von 1595, 1600, 1603,


138 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />

1604, 1605, 1608, 1609, 1611, 1614, 1615,<br />

1618, 1619.<br />

Nie<strong>der</strong>lande. Friesland.<br />

272—278. Thaler von 1611, 1618, 1619, 1620, 1621,<br />

1622, 1623.<br />

Gel<strong>der</strong>n.<br />

279. Thaler von 1619.<br />

280—281. Thaler von 1620.<br />

Overyssel.<br />

282—283. Thaler von 1620.<br />

Utrecht.<br />

284. Thaler von 1618.<br />

285. Thaler von 1621.<br />

S eeland.<br />

286. Thaler von 1622.<br />

Da die älteste Münze <strong>der</strong> dänische Korsvhide (Kreuzwitten)<br />

Johanns von Dänemark (1481 — 1573) ist, dem jüngsten Jahre<br />

1632 aber <strong>der</strong> Thaler von Hamburg (Nr. 95) und <strong>der</strong><br />

^/is Thaler von Stralsnnd (Nr. 200) angehören, so umfaßt<br />

<strong>der</strong> Fund einen Zeitraum von weit über 200 Jahren. Die<br />

zahlreichen dänischen und nie<strong>der</strong>ländischen Stücke bezeugen den<br />

lebhaften Seeverkehr unserer Provinz. Da von schwedischen<br />

Münzen noch keine Spur ist, wird die Vergrabung wohl<br />

schwerlich weit über das Jahr 1632 hinausgerückt werden<br />

dürfen.<br />

Der Fund gehört unmittelbar vor den von Rosenfelde<br />

(Valt. Stud. XXVIII. S. 572), <strong>der</strong> eine kleine Spur von <strong>der</strong><br />

schwedischen Herrschaft diesseit <strong>der</strong> Ostsee aus den Jahren 1631<br />

und 1633 (<strong>der</strong> spätesten Münze) zeigt.<br />

Für die Numismatik unserer Provinz hat <strong>der</strong> Fund von<br />

Grammentin einen beson<strong>der</strong>en Werth, sowohl wegen <strong>der</strong> Folge<br />

<strong>der</strong> Jahrgänge <strong>der</strong> herzoglichen wie <strong>der</strong> städtischen Münzen<br />

Stralsunds, als beson<strong>der</strong>s durch die vielen Varianten, die wir<br />

lei<strong>der</strong> unberücksichtigt lassen mußten, die aber Herr Dr. Starck,<br />

wie wir hier wohl erwähnen dürfen, an geeigneter Stelle verwerthen<br />

wird.


Beilage. 139<br />

Beilage.<br />

Erwerbungen des antiquarischen Museums<br />

von Ende August bis Ende November 1878.<br />

^ — Fundorts<br />

I. Heidnische Alterthümer.<br />

^. Steinsachen.<br />

1. Siebzehn Geräthe aus Feuerstein, k. 4 Beile 9 — 14<br />

Cm. l. ; d. 4 Speerspitzen 11—15 Cm. l. und ein Bruchstück; c.<br />

1 Meißel 10 Cm. l.; 6. 1 Säge (Bruchstück); 6. 6 kleine Messer<br />

und abgebrochene Spitzen. ^Gegend von Uckermünde. — Aus<br />

<strong>der</strong> Sammlung des verstorbenen Dr. mecl. Leonhardt in<br />

Uckermünde überreicht durch Fräulein A. und E. Leonhardt.<br />

II. 1434.).<br />

2. k. Rundlicher Vehaustein (?) 7 Cm. Durchmesser; d.<br />

jchmalruu<strong>der</strong> BeHaustein (?) 4 Cm. Durchmesser, beide von<br />

Sandstein und cannelirt. k' Rollwitz bei Prenzlau 5—7 M.<br />

t. im Torfmoor. — Herr v. Stülpnagel in Grabow a. d. O.<br />

3. a. Beil von Diorit mit Schaftloch (Bruchstück); d. Feuer«<br />

steinbeil 8,5 Cm. l. ^ bei Massow. — Hr. Dr. Fischer daselbst.<br />

sI. 1459.).<br />

L. Thonsachen nebst Beigaben.<br />

4. Urnenfuß uud Urnenscherben, zwei Knochen, ein Streifen<br />

Le<strong>der</strong>. ^ Stargard beim Hausbau 4 M. t. — Hr. Di-. Prlini<br />

ers hier. V. 1429.)<br />

5. Acht Urnenscherben. I? Burgwall von Lankow bei<br />

Schivelbein. — Herr Dr. Kl a mann in Sch. >I. 1435.)


140 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />

0. Bronzesachen.<br />

6. k. Sechs Halsringe, 13 —15 Cm. Durchmesser; d. 2 ovale<br />

Armringe, 12 Cm. im langen Durchmesser; c. Arm spira le<br />

von 12 Windungen; ä. 3 Plattenspiralen von 7—8 Windungen,<br />

3,5 Cm. Durchmesser (wahrscheinlich Reste einer Fibel). ^<br />

Schönfeld bei Demmin unter einem großen Stein. — Hr. Dr.<br />

Starck in Demmin. ^I. 1442 und 1453).<br />

7. Bronzeschwert, 65 Cm. l. ^ Elisenhof bei Bärwalde.<br />

Herr Di-. Rühl hier. >I. 1460.) (Entsprechend den Schwertern<br />

bei Lindenschmitt: Alterthümer unserer heidn. Vorzeit, Band I,<br />

I, II, 2—4, die in Baiern und in den Rheingegenden gefunden<br />

sind.)<br />

II. Münzen und Abbildungen von Münzen.<br />

8. k. Fünfzehn: opekenftück von 1869-, d. Dreikopekenstück<br />

von 1876. — Herr Meier. ^I. 1436.)<br />

9. Thaler Friedrichs von Baireuth v. I. 1752. (Madai 3527.)<br />

Gekauft. V- 1438.)<br />

10. 3.. Denar von Camin; d. Halber Schilling von Stral'<br />

fund. — Eingetauscht. U. 1440.)<br />

11. Römische Kaisermünze, verwischt (Mittelbronze). — Geber<br />

unbekannt. U. 1444.)<br />

12. !/48 Thaler Carls XI., pommerscher. — Herr Dr. Schlegel.<br />

IH- 1446.)<br />

13. Siebzehn Silbermünzen: a. 5 Wenden Pfennige; d.<br />

Bernhard II. von Sachsen (1011-1059) wie D.") 591; o.<br />

Flan<strong>der</strong>n, Balduin IV. (989—1036) wie D. 150—153; ä.<br />

Thiel, Heinrich II. (D. 578); 6. Regensburg, Heinrich<br />

III. (D. 1089) ; k. Kölner Nachmünze Ottos III. o<strong>der</strong><br />

Heinrichs II.; 3. Nachmünze (D. 1310)'; ü. Nachmünze<br />

(D. 1289-1290); i. Dänemark Harthaknut (1035—1042);<br />

k. Berwick, Eduard IH. (1327—1377); 1—u. 3 Schilling e<br />

Ulrichs v. Pommern 0. I. - Gekauft. >I. 1447.)<br />

14. Vg Thaler brandenburgis ch v. 1674. ^ Stettin im Bauschütt.<br />

- Gekauft. >I. 1448.)<br />

15. Hebräischer Seckel von Silber (unecht). — Uebermittelt durch<br />

Hrn. Eisenbahnbeamten Schultz. >I. 1449.)<br />

*) D. mit den beistehenden Nummern bezieht sich auf das Werk:<br />

„Die deutschen Münzen <strong>der</strong> sächsischen und .fränkischen Kaiserzeit" des<br />

Herrn Stadtgerichtsrath Dannenberg, <strong>der</strong> die Güte gehabt hat, diese<br />

Münzen zu bestimmen, die wahrscheinlich (von ».—i) aus dem<br />

Funde von Schwarzow (Valt. Stud. XXVI, I. S. 58) stammen.


Beilage. 141<br />

16. 92 Gramm arabischer und occ identa li scher Münzen<br />

und zerbrochenen arabischen Silberschmuckes. ^ Witzmitz<br />

bei Plathe, Kreis Regenwalde. — Gekauft. V. 1437.^<br />

(Vgl. oben S. 123.)<br />

17. RömischerDenar Hadrians. As. Um den ungeschmückten<br />

Kopf des Kaisers Hk6rÌ2.uu8 ^uF O08 III. ? ?. 1^8. Liegende<br />

weibliche Gestalt, die Linke auf einen Felsblock gestützt, die<br />

Rechte einen Olivenzweig haltend, zu Füßen ein Kaninchen. Umschrift<br />

HiLpNiiia. (Aus den Jahren 128 — 138.) 5 Stettin<br />

1872, beim Umbau des Eisenbahnbollwerks, stark oxydirt, auf<br />

Bauerde gefunden, die vermuthlich aus Finkenwalde gekommen<br />

war. — Herr Eifenbahnbeamter Wolf f. ^I. 1461.)<br />

18. Photographie eines fünffachen Ducatens auf Anna<br />

Maria v. Brandenburg, Gemahliu Barnims XII. — Hr. Dr.<br />

Starck in Demmin. N. 1452.)<br />

19. Doppelschilling v. Philipp Julius. — Hr. Lehrer Berg.<br />

lI. 1454.)<br />

20. Zehn Photographien pommerscher Thalerstücke: a<br />

'/2 Thaler Johann Friedrich 1504; d. zwei Thaler Philipps<br />

II. 0. I.; 0. Sterbe thaler Ulri chs; ä. drei Thaler<br />

Bogislavs XIV. 1626, 1631. 1633; 6. Stralsund: Thaler<br />

v. 1637, ^ Thaler und 2^ Thaler v. I. 1677. — Hr. Dr.<br />

Starck in Demmin. >I. 1441.)<br />

21. Hun<strong>der</strong>teinunddreißig arabisch e M ünzen (meist Fragmente).<br />

V' Karnitz bei Labes. — Herr Rittergutsbesitzer<br />

v. Bülow auf Carnitz, Herr Kaufmann G. Schulz in Regenwalde,<br />

Herr Professor Dr. Schaffhausen in Bonn, Herr v.<br />

Stülpnagel in Grabow a. d. O. >I. 1462, 1463, 1464.)<br />

(Vgl. oben S. 120.)<br />

22. 2218 Silbermünzen, meist aus dem 15. Jahrhun<strong>der</strong>t. ^<br />

Seidel, Kreis Cöslin, unter den Wurzeln eines Apfelbaumes<br />

im Garten des Eigenthümers Daeke. — Durch Vermittelung<br />

des Hrn. Oberbuchhalters Mehringin Köslin gekauft. >I. 1417.)<br />

(Vgl. oben S. 128.)<br />

m. Verschiedenes.<br />

23. Eisernes Kästchen, 18 Cm. l., 10 Cm. b. ^ unbekannt. —<br />

Fräulein Zillmer in Schivelbein, überreicht durch Herrn Dr.<br />

Klamann daselbst. U. 1433.)<br />

24. Zeichnung <strong>der</strong> römisch en Bronzevase von Spitzen bei<br />

v. E stör ff: Heidnische Alterthümer, Titelblatt 5 — 7, zur Er«<br />

läuterung des in unserem Besitz befindlichen zertrümmerten Ge-


142 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />

fäßes von Neuhof bei Uckermünde, Jahresbericht XIII, S. 13,<br />

I. 322. — Hr. Dr. Wegen er. ^I- 1439.)<br />

25. «,. Eiserner Degen, 98 Cm. l.; b. eiserne Speerspitze,<br />

59 Cm. l.; c. zinnernes kirchliches Gießgefäß, im innern<br />

Boden ein Medaillon mit <strong>der</strong> Inschrift fliesn uoLtra, lsäeiupoio amor<br />

6t 668Ì66i'iu um das Bild des Gekreuzigten. V' See von<br />

Neuwarp, ausgebaggert. — Herr Wasserbauinspeltor Ulrich.<br />

II. 1443.1<br />

26. Zinnerne Schüssel, 29 Cm. Durchmesser, mit Lilienwappen<br />

und zu Seiten desselben je eine Hansmarke, gezeichnet N. 8.<br />

1619, auf dem Boden einpunktirt I. 1457.)<br />

31. Photographie des Iohauniterschlosses in Schivel«<br />

bein. — Gekauft. ^I. 1458.)<br />

32. a. Trens e ng ebiß; d. Hufei sen; o. zwei Sporen, 18 Cm.<br />

!.; 6. zwei Speerspitzen, 18 und 30 Cm. l.; 6. Helm, 30<br />

Cm. hoch, alles von Eisen. ^ Lestin bei Romahn, Kreis Col«<br />

berg, beim Abbruch <strong>der</strong> Burgruine in <strong>der</strong> Erde gefunden. — Hr.<br />

v. Manteuffel durch Hru. Gymnasiallehrer Meier in Colberg.<br />

lI- 1455.)<br />

Druck von Herrcke & Lebeling in Stettin.


Diese Zeitschrift erscheint in Vierteljahrsheften. Aelterc<br />

Jahrgänge werden mit Ausnahme von I, II, XII 2, XXI 1,<br />

welche vergriffen sind, zn herabgesetzten Preisen, <strong>der</strong> Jahrgang<br />

zu 1,50 Mark, verkauft, und sind zu beziehen durch den<br />

Hauptlehrer Rusch hier, Iohannishof 1—2.<br />

Die geehrten Mitglie<strong>der</strong> ersuchen wir, ihre Geldsendungen<br />

nicht an die Gesellschaft für Pomm. Gefch. ^c., son<strong>der</strong>n<br />

an den Oberlehrer Dr. Kühne, Hohenzollernstraße<br />

8, alle an<strong>der</strong>en Zusendungen und Korrespondenzen an<br />

den Professor Lemcke adressiren zu wollen.<br />

Die Gesellschaft besitzt aus verschiedenen Funden<br />

Doubletten, wie Vierchen von Stettin, Stargard, Pyritz,<br />

Gollnow, Garz und Prenzlau, halbe und ganzeSchillinge<br />

Bogislaw's X., Groschen von Johann Cicero,<br />

Joachim I. und Albrecht, Thaler von Rudolf II., Leopold<br />

v. Tirol, Ferdinand v. Tirol, Holland, Seeland,<br />

Utrecht, Ober-Assel, Gel<strong>der</strong>n, Westfriesland, Christian IV.<br />

v. Dänemark, Wladislaw IV. von Polen ;c.<br />

Hierauf reflectirende Münzsammler o<strong>der</strong> Liebhaber<br />

wollen sich an Herrn Oberlehrer Di'. Kühne, Hohenzollernstraße<br />

8, o<strong>der</strong> an Herrn Knorrn, Lindenstraße 9,<br />

wenden.


cocr, welche lm ^5esllz älterer Iayrgangr, vc^olioore» I., ^R^.,<br />

und XXVIII. <strong>der</strong> Balt. Studien sind und kein beson<strong>der</strong>es Interesse an denselben haben, werden höflichst<br />

ersucht, sie entwe<strong>der</strong> gratis o<strong>der</strong> gegen einen zu verabredenden Preis <strong>der</strong> Gesellschaft zu überlassen.<br />

Der Vorstand.<br />

5> »?<<br />

7—'


Inhalts-Verzeichnis;.<br />

S.<br />

v. Bi'llow! Kleinodiendiebstahl ans dem herzoglichen<br />

Tchlosse zn Stettin 1574 143—16li<br />

Inl. Mneller- Venetianische ^lctenstncte znv Geschichte<br />

von Herzog Bogislavs X. Reise in den Orient ini<br />

Jahre 1497 . ' 167-293<br />

Dr. N, Priiuiers: l^'anüner Kirchenglocken 299—303<br />

Eimmduierzigster Jahresbericht. III. 304—310


Kleinodiendiebstahl<br />

auf dem herzoglichen Schlosse zu Stettin<br />

1574.<br />

Mitgetheilt von Di'. v. Vülow, Staatsarchivar.<br />

In Friedeborns Beschreibung von Stettin, II. Seite 105<br />

wird eines Diebstahls Erwähnung gethan, den im Jahre 1574<br />

ein ungetaufter Malergeselle auf dem Schloß Zu Stettin beging,<br />

und wofür <strong>der</strong>selbe nach empfangener Taufe an einem<br />

zu dem Zweck errichteten „gedoppelten" Galgen vor dem<br />

Mühlenthor gehenkt wurde. Das Nähere über diefen Diebstahl<br />

ist in einem Actenstück des Königlichen Staatsarchivs enthalten,<br />

welches <strong>der</strong> folgenden Schil<strong>der</strong>ung zu Grunde gelegt ist ^).<br />

Der Malermeister Christoph Schreiber, mit seinen Leuten<br />

seit einiger Zeit auf dem herzoglichen Schlosse beschäftigt ^),<br />

fand, als er am 22. Juni 1574 früh um 5 Uhr an die<br />

Arbeit ging, den Wendelstein offen und ein Beil daliegend,<br />

welches bei näherer Betrachtung sich als beschädigt erwies.<br />

Auch au <strong>der</strong> Thür zeigten sich Spuren angewendeter Gewalt.<br />

') Staatsarchiv zu Stettin: Stett. Arch. ?. 1. Tit. 93. Nr. 144.<br />

2) Mit dem dnrch den prachtliebenden Herzog Johann Friedrich unternommenen<br />

Umbau des feit dem Brande von 1551 theilweis wüsten<br />

fürstlichen Schlosses haben diese Arbeiten nicht zusammengehangen, denn<br />

<strong>der</strong> Abbruch <strong>der</strong> St. Ottokirche und des „alten Hauses" geschah erst in<br />

<strong>der</strong> Fastenzeit 1575. (Friedeborn II. Seite 108). In welchem Theile des<br />

Schlosses die Arbeiten gemacht wurden, läßt sich aus den Acten nicht<br />

feststellen. Wendelsteine, d. h. Treppen, gab es natürlich mehrere, doch<br />

denkt man am ersten an einen Thurm. Eine auf dem Staatsarchiv<br />

Stett. Arch. ?. I. Tit. 71. Nr. 20 befindliche bei Gelegenheit eines<br />

Iurisdictionsstreits zwischen dem Herzog und <strong>der</strong> Stadt 1607 nngefertigte<br />

Zeichnung des Schlosses und <strong>der</strong> Umgebung giebt, so<br />

interessant sie in an<strong>der</strong>er Beziehung ist, keine Auskunft.<br />

10


144 o. Aülow,<br />

Aus des Meisters Geschrer kamen zunächst <strong>der</strong> Wächter Martin<br />

uud eiu wohl a.lch ini Schlosse arbeiten<strong>der</strong> Tischler Ulrich herbei,<br />

und die alsbald angestellte Loealinspeetion ergab, daß <strong>der</strong><br />

Dieb seinen Eingang nicht dnrch die Thür, son<strong>der</strong>n durch den<br />

von außen zugänglichen Ofen genommen habe. Die Ofenthür<br />

war geöffnet, die Kacheln nach dem Gemach zu losgemacht<br />

und von einan<strong>der</strong> gebrochen. Innerhalb des gewölbten Gemaches<br />

fand man an einem Kasten die eisernen Bän<strong>der</strong> gewaltsam<br />

gelöst, den Kasten selbst dnrchwühlt, Schmucksachen-<br />

Briefe 2c. lagen auf dein Fenstersims und am Boden zerstreut<br />

umher, auch Blutspurcn und an<strong>der</strong>e Uneinigkeiten wurden<br />

gesehen.<br />

Der erste Verdacht fiel auf den Entdecker selbst, den genannten<br />

Maler, <strong>der</strong> täglich mit seinen Leuten im Schlosse ansuud<br />

eingegangen war. Sie wurden sofort verhaftet, aber<br />

schon am 27. desselben Monats wie<strong>der</strong> entlassen, da Schreiber<br />

eine hinreichende Anzahl Bürgen zu stellen vermochte ^).<br />

Auch seine Gesellen Hans Lange von Dresden und Blasins<br />

Schulte vou Riga uud die Jungen wurden nicht weiter behelligt,<br />

nachdem sie versprochen hatten, bei ihrem bisherigen<br />

Meister nnd an <strong>der</strong> ihnen aufgetragenen Arbeit ^) auf dem<br />

Schlosse weiter zu arbeiten und ohne des Herzogs Vorwissen<br />

sich nicht zu entfernen. Einer <strong>der</strong> Gesellen Schreibers aber,<br />

David Martin o<strong>der</strong> Müller aus Glatz wurde vermißt<br />

und war auch in seiner Wohnung ^) nicht zu finden. Auf<br />

2) Es bürgten Peter Mandelkow <strong>der</strong> ältere und jüngere, Wilhelm<br />

Schwade, Gorges Ruffman, Marcus Ruffmau, Balzer Nieman, Brofius<br />

Maudelkow, Valtin Dreiliugk, Lorenz Zabel, Michel Funke, Paul<br />

Meiher, Snuou No<strong>der</strong>beke, Lorenz Brüggemau, lauter stettiuer Bürger.<br />

4) Es war dies eiue Dettenmalerei aus vier- und sechseckigen<br />

Fel<strong>der</strong>n bestehend, jedes Feld mit einer von dunklem Gruude dell sich<br />

abhebenden Verzieruug im Renaissancestil ausgefüllt. Die Zeichnung<br />

befindet sich bei den Acten.<br />

5) Bei Peter Severius Wittwe im Nieu Deep. Das neue Tief<br />

war bekanntlich dasjenige Straßeneude, welches heut deu untersten<br />

Theil <strong>der</strong> Mittwochstraße bildet, vou <strong>der</strong> Kleiueu O<strong>der</strong>straßeuecke bis<br />

zum Mehlthor am Bollwerk


Kleinodiendiebstahl. 145<br />

diesen lenkte sich nun und mit Recht <strong>der</strong> Verdacht, doch kamen<br />

die sofort getroffenen Maßregeln schon zu spät, denn die<br />

schleunigst 6) wie<strong>der</strong> geschlossenen Stadtthore hatte <strong>der</strong> Dieb<br />

schon hinter sich. Dem an diesem Tage srüh zwischen 5 und<br />

l> Uhr Morgens von Nemitz her zur Stadt fahrenden Rathsschäfer<br />

Thomas Pahlen war nämlich ein nach <strong>der</strong> nemitzer<br />

Brücke zulaufen<strong>der</strong> Mann begegnet, <strong>der</strong> ihm den Eindruck gemacht<br />

hatte, als habe er „etwas npgcrichtet." Der Bach war<br />

zur Zeit nicht passirbar und <strong>der</strong> Schäfer gab mit Bezug auf<br />

den Mann bei seiner Vernehmung zu Protokoll: „dar kan he<br />

jo nicht Henkamen Watcrs halfen, wo ehn de Düvel nicht<br />

darhen overfohret." Derselbe Mann war auch von <strong>der</strong> Tochter<br />

des nemitzer Schulzen, die er nach dem „uckermün<strong>der</strong> Wege"<br />

fragte, auf die zwischen Stettin und Nemitz liegende Lübsche<br />

Mühle zugeheud, gesehen worden, und da die Personalbeschreibung<br />

auf den Malergesellen David Martin o<strong>der</strong> Müller paßte,<br />

so ward auf dieseu als den Dieb mit Eifer gefahndet. Herzog<br />

Johann Friedrich erließ noch an demselben Tage folgenden an<br />

die Aemter und Städte Ueckermünde, Stargard, Garz, Greifenhagen,<br />

Greifenberg, Colberg, Lökenitz, Penkun, Pyritz, Colbatz,<br />

Wollin und Eamin gerichteten Steckbrief:<br />

Unfern Grus zuvor! Ersame, Liebe, Getrewc! Nachdem<br />

diese vergangene Nacht inn unsere fürstliche Gewelbe alhie<br />

auf unferem Slos eingebrochen, unß auch daraus etzliche viel<br />

Kleinott und Ketten dieblich entwandt worden, und dan auß<br />

unsern Mhalergesellcn einer, Davit Müller genandt, von Glotz<br />

anß <strong>der</strong> Schlesi, ein zimlich dick untersetzter Gesell, <strong>der</strong> einen<br />

langen, brannen Vartt, einen schwartzen Mantel, schwartze<br />

parchem Plu<strong>der</strong>geseß, einen schwartzen Filtzhut ahnn und umb<br />

hat, aus uuserm Gesinde flüchtig geworden nnd heut früe umb<br />

4 Uhr bei dem Mühlenthor vorlengft <strong>der</strong> Mcnren gesehen<br />

worden, daher vormndtlichc solche Thadt von ihmc degangen,<br />

so gepietten wir euch hiemit ernstlich nnd wollen, das ihr von<br />

") Aber doch erst nach 9 Uhr Vormittags, also vier Stunden nach<br />

<strong>der</strong> Entdeckung des Diebstahls.


146 u. Vülow,<br />

Stund an durch beschiedene und solcher Sache erfarne Personen<br />

alle Straßen und Pesse zu Wasser und zu Lande, im Korne,<br />

Brüchen, Moren, Holzungen, in Vueden, Katen, Kellern befaren,<br />

bereiten, vorlauffen, und auf obbeschriebene Person<br />

steissige Nachsrag haben lasset; und wo abgedachter Davit<br />

Moller angetroffen, unß von Stund an um unser Hofflagcr<br />

nach Alten Stettin gefengklich überschicket. Wir bogeren auch,<br />

das ir Bürgermeistere und Nhate in Stedten bei den Goltsmiden<br />

fleisig bestellet, wo inen Ketten o<strong>der</strong> Kleinoter izt<br />

o<strong>der</strong> hernacher zu Kaufe gebracht o<strong>der</strong> sonst gezeiget werden,<br />

steißige Aufficht zu haben, auch davon Bericht zn thun, anch<br />

solche Ketten o<strong>der</strong> Kleinoter ohne nnser Wißen nicht folgen<br />

zu lassen. Daran thut ir unser ganz ernste nnd zuvorlessige<br />

Meinunge. Datum Alten Stettin, 22. Iuuii :c. 74.<br />

Auch sonst wurden die umfassendsten Maßregeln getroffen,<br />

um die That überall bekannt zu machen und auf den Dieb zn<br />

fahnden. Die Räthe zu Wolgast wurden in Abwesenheit des<br />

Herzogs Ernst Ludwig ersucht, die Landreuter uud Fährleute<br />

an <strong>der</strong> Swine, am Haff und am lassahnschen Wasser zu instruiren,<br />

auf die von Stettin kommenden Schiffe zn achten, an<br />

Herzog Bogislav 13. in Neuencamp schickte Johann Friedrich<br />

seinen Lakaien Jacob Schulz, <strong>der</strong> Markgraf Johann Georg<br />

von Brandenburg, des Herzogs Schwiegervater, <strong>der</strong> „General"<br />

zu Pofen, die Stadt Breslau, ja bald danach auch die kaiserlichen<br />

Räthe in Prag erhielten eigene Schreiben, die sie von dem<br />

Geschehenen in Kenntniß setzten und um ihre Mithülfe baten.<br />

An<strong>der</strong>e Boten wurden an<strong>der</strong>wärts hingesandt ^).<br />

Der Energie, mit <strong>der</strong> die Angelegenheit betrieben wurde,<br />

ist es zuzuschreiben, daß man in nngewöhnlich kurzer Zeit die<br />

Spur des Diebes fand, obgleich <strong>der</strong>selbe, nachdem er die Stadt<br />

l) Einige <strong>der</strong> Schreiben, womit die Beamten den Empfang des<br />

herzoglichen Mandats bescheinigten, sind charakteristisch. So fügt <strong>der</strong><br />

Stadtjchreiber Michael Küner zu Greisenberg dem seinigen die besten<br />

Wünsche für Ergreifung des Diebes bei und schließt: „So ists auch<br />

one daß geferlich, mit grosser Heren Güter sich zu verwirren, (Mu,<br />

llt. ill^


Meinodiendiebstahl. 14?<br />

auf <strong>der</strong> Nordseite verlassen, einen Haken geschlagen hatte und<br />

statt die Richtung nach Ueckermünde beizubehalten, auf die<br />

rechte O<strong>der</strong>seite übergetreten war. Einer <strong>der</strong> ausgesandten<br />

Späher, Jochim Woetke, konnte nämlich schon am 24. Juni<br />

brieflich an den Herzog berichten, daß er nach seiner Ankunft<br />

in Königsberg i. N. am Morgen dieses Tages dort gehört<br />

habe, ein Malergeselle ans Stettin sei am 22. nach Sonnenuntergang<br />

in die Schenke zu Schönfließ gekommen^). Er<br />

habe sich sofort an Ort und Stelle begeben und fei dort von dem<br />

Schenkwirth Elias Weichersdorf berichtet worden, sein Gast,<br />

dessen Gestalt und Habit auf Martin paßte, habe bei ihm genächtigt,<br />

sich nach dem Wege nach Berlin erkundigt und sei<br />

am 23. vor Tagesanbruch weiter gegangen. Die Zeche habe<br />

er noch am Abend mit „neuen Gröschlein" bezahlt, dabei<br />

etliche <strong>der</strong>selben nnd ein „Register" fallen lassen; von letzterem<br />

aber habe inzwischen Jemand ein Stück abgerissen, um sein<br />

Gewehr zu laden, so daß kein Name mehr darauf zu lefen<br />

sei. Dies „Register" und einige beiliegende Zettel nahm<br />

Woetke an sich und befinden sich diese Stücke bei den Acten;<br />

<strong>der</strong> Schenkwirth irrte aber, wenn er glaubte, ersteres enthalte<br />

keine Namen nnd sei daher wcrthlos, denn das aus 55 Schmalfolioblättern<br />

bestehende Heft ist nichts an<strong>der</strong>es als das Notizbuch<br />

des Christoph Schreiber, bei dem Martin in Arbeit<br />

stand und enthielt nicht nur den Namen des Besitzers, son<strong>der</strong>n<br />

auch den des Diebes. Bl. 18 fängt an: „Anno 1571 m. g.<br />

H. H. I. F. ^) habb ich Christofer Schreiber diese nachfolgend<br />

Arbeit gemacht" ?c, und auf Bl. 8 ist das dem David Martin<br />

von feinem Meister eröffnete Vorfchußconto verzeichnet, beginnend<br />

mit: „Davit Mertes gegeben auff Rechenschafft ^/2 Daler<br />

zu Ramins, noch ^/2 Daler, darnach 1 Ortzdaler, darnach<br />

n) Schönfließ liegt schon jenseit <strong>der</strong> pommerschen Grenze in <strong>der</strong><br />

Neumark, zwei kleine Meilen östlich von Königsberg und in gra<strong>der</strong><br />

Linie etwa sieben Meilen von Stettin entfernt.<br />

v) —meinem gnädigen Herrn Herzog Johann Friedrich.


148 v. Vülow,<br />

hat inl Ramm 1 fl. gegeben; den 6. Febrnari fing ehr mit<br />

mir zu Hoff an zu arbeiten" ?c.^)<br />

Hier ist <strong>der</strong> Ort, sich die Frage vorzulegen, loie Martin<br />

auf das rechte O<strong>der</strong>ufer und nach Schönfließ, seinen: ersten<br />

Nachtquartier, gekommen sein mag. Obgleich nach seiner eigenen<br />

späteren Aussage er nach vollbrachter That viel darüber<br />

nachdachte, wohin er mit seiner Beute sich begeben sollte, und<br />

Polen, Böhmen und Mähren, also lanter südlich gelegene<br />

Län<strong>der</strong> in Betracht zog, so versänmte er im Augenblicke <strong>der</strong><br />

Flncht doch den einfachsten dahin führenden Weg einzuschlagen<br />

und innerhalb <strong>der</strong> Stadt die O<strong>der</strong> zu passireu. Durch die<br />

Lastadie wäre er leicht gekommen und schon jenseit Damm, wo<br />

die Straßen sich spalten, verhältnißmäßig sicher gewesen. Statt<br />

dessen ging er vom Schloßhose aus „hinter <strong>der</strong> Maner weg,"<br />

also durch die heutige Große Ritterstraße und längs <strong>der</strong><br />

heutigen beiden Paradeplätze nach dem Passowschen Thor ")<br />

und wnrde in <strong>der</strong> Gegend <strong>der</strong> Üübschen Mühle, etwa ^/8 Meilen<br />

von Stettin, gesehen. Wahrscheinlich nöthigte ihn dort die Unpassirbarkeit<br />

des Baches zur Umkehr und nun galt es, schnell<br />

uud unbemerkt die südliche Richtung zu gewinnen. Der kürzeste<br />

Weg, wie<strong>der</strong> nach Stettin znrück, über die Langebrücke<br />

nach <strong>der</strong> Lastadie und von dort nach Damm war jetzt, wo die<br />

Stadt alarmirt war, so gefährlich, daß Martin auf demselben<br />

<strong>der</strong> strafenden Gerechtigkeit direet in die Arme gelanfen wäre.<br />

Ein zweiter Weg bot sich ihm nach einem <strong>der</strong> von Nemitz<br />

wenig entfernten uuterhalb Stettin die O<strong>der</strong> entlang liegenden<br />

^) Trotz <strong>der</strong> etwas ver<strong>der</strong>bten Namensform ist hier keine an<strong>der</strong>e<br />

Persönlichkeit zu verstehen; ans Martins später zn erwähnendem Verhör<br />

geht hervor, daß er jnr Alexan<strong>der</strong> v. Ramin gearbeitet hatte, <strong>der</strong> Lohn<br />

ihm aber von demselben vorenthalten worden war. Der übrige Theil<br />

des Heftes enthält anßer vielen leeren Blättern Notizen über gelieferte<br />

Schnei<strong>der</strong>arbeit nnd verschiedene Recepte.<br />

ll) So Martins eigene Aussage, die an<strong>der</strong>en Berichte sprechen vom<br />

Mühlenthor, dessen Stelle jetzt das Standbild Friedrichs des Großen<br />

bezeichnet. Das Passowsche Thor lag etwa da, wo jetzt <strong>der</strong> Rosengarten,<br />

die grüne Schanze nnd die Lindenstraße zusammenstoßen. Von<br />

beiden Thoren aus kann man nach Nemitz gelangen.


Kleinodiendiedsiahl. 149<br />

Wasserdörfer Grabow, Frauendorf, Gotzlow:e., dort über die<br />

O<strong>der</strong> und den dammfchen See nach Damm und dann auf <strong>der</strong><br />

pyritzer Straße am Kloster Colbatz vorbei nach Schönstieß;<br />

aber auch hier war ein längeres Verweilen in <strong>der</strong> Nähe Stettins<br />

nothwendig, und <strong>der</strong> Ucberfahrt über Fluß und See konnten<br />

sich Schwierigkeiten entgegenstellen. Es blieb also nnr <strong>der</strong><br />

dritte Weg westlich an Stettin vorbei über die Dörfer Scheune,<br />

Pritzlow ?c. nach dem greifenhagener Paß, dort über die O<strong>der</strong><br />

und über Bahn nach Schönstieß; und trotz <strong>der</strong> größeren Entfernung<br />

muß dieser Weg, weil <strong>der</strong> ursprünglich eingeschlagenen<br />

Richtung diametral entgegen, als <strong>der</strong> anscheinend sicherste gelten;<br />

zum Ueberstuß bestätigt auch eine Notiz im späteren Verhör<br />

die Annahme, daß Martin ihn wirklich gewählt hat. Freilich<br />

sollte gerade auf ihm seine Entdeckung bewirkt werden.<br />

Seit <strong>der</strong> Dieb auf fremdes Gebiet übergetreten war, nahm<br />

die Verfolgung einen ganz an<strong>der</strong>n Charakter an; sie wurde<br />

trotz <strong>der</strong> von den fchon benachrichtigten benachbarten Fürsten<br />

bereitwillig geleisteten Hülfe sehr umständlich, nnd als man<br />

in immerhin verhältnihmäßig kurzer Zeit des Verbrechers habhaft<br />

geworden, bedurfte es noch vieler Verhandlungen und<br />

Rechtsverwahrungen, bis er den herzoglichen Commiffarien<br />

übergeben und das geraubte Gut dem Eigenthümer wie<strong>der</strong> zugestellt<br />

wurde. Ein in diplomatischen Verhandlungen geübter<br />

Gesandter wurde in <strong>der</strong> Person des herzoglichen Sccretairs<br />

Johann Hagemeister mit <strong>der</strong> ferneren Verfolgung betraut;<br />

er erhielt die weitgehendsten Vollmachten für die nöthigen<br />

Verhandlungen mit den fremden Beamten und hinreichende<br />

Geldmittel zur Bestreitung <strong>der</strong> möglicher Weise sich lang hinziehenden<br />

Reise. Schreibt er doch schon in seinem ersten Bericht<br />

an den Herzog Johann Friedrich ^), daß er in drei o<strong>der</strong><br />

vier Tagen in Prag zu sein gedenke. Er konnte damals<br />

'-) Cüstrin, den 27. Juni 1574. In Hagemeisters Beglaubigungsschreiben<br />

für die kaiserlichen Räthe in Prag heißt es, <strong>der</strong> Dieb habe<br />

verlauten lassen, daß er in Prag Bekannte habe; er werde sich also<br />

wahrscheinlich dorthin begeben, nm den Raub daselbst unter die Juden<br />

und Goldschmiede zn bringen.


150 v. Vülow,<br />

noch nicht wissen, daß <strong>der</strong> Dieb nur noch einen geringen Vorsprung<br />

vor ihm hatte und sehr bald in seinen Händen sein<br />

werde. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir auch zuerst das<br />

Nähere über die geraubten Gegenstände, denn unter Hagemeisters<br />

Papieren befindet sich das folgende<br />

Vorzeichnus,<br />

was meinem gnedigen Fürsten und Herrn, Herrn<br />

Iohans Friedrichen zu Stettin, Pommern ?c.<br />

Herzogen, durch I. f. G. Mahlern, fo sich Davidt<br />

Märten genant, dieblich entwandt und weggebracht<br />

wordenn.<br />

1. Erstlich eine güldene Kette mit runden Glie<strong>der</strong>n,<br />

wieget ungefehr in die vierdthalb hun<strong>der</strong>t Engellotten.<br />

2. Eine Panzerkette, wieget über dreyhun<strong>der</strong>t Cronen,<br />

daran hanget ein Zehenstörer sampt einem Ohrleffel mit zehen<br />

o<strong>der</strong> dreyzehen kleinen Turckeßen.<br />

3. Sechs Perlen und von gezogenem Golde Krenze,<br />

darin hangen eitell Kleino<strong>der</strong>, unter welchen in dem einen<br />

grossen, so von grossen Zahlperlen, ein gar groß Kleinodt<br />

hanget von achthun<strong>der</strong>t Talern.<br />

4. Die an<strong>der</strong>n übrigen seindt Crucifix, eines von eiteln<br />

Taffeldemant, das an<strong>der</strong> von eitelln guten Rubinen, die<br />

übrigen seindt allerley Arth gewesen.<br />

5. Einen Munsterschen Taler.<br />

6. Einen guten Seckell voller alter Münz, so bey <strong>der</strong><br />

alten Keiser Zeitten geschlagen worden.<br />

7. Pfalzgraff Friedrichs des dritten Contrafact, in Messing<br />

gegossen, uberguldet.<br />

8. Einen kleidenen gülden Ring, so mit eiteln Rubinen<br />

und Taffeldemant vorsetzt.<br />

9. Item noch ezliche zimliches Werths Kleinodia<br />

und Madcien (?), <strong>der</strong>er Anzal man in <strong>der</strong> Eill nicht<br />

wissen kan.<br />

10. Ein Pizschirring, darin meines gnedigen Fürsten<br />

und Herrn, Herzog Iohans Friedrichs ec. Namen und das


Kleinodiendiebstahl. 151<br />

fürstliche pommerische Wapen sampt <strong>der</strong> Iarzahl 1560<br />

gestochen, so mit Tafeldemanten und Türckeßen besezt.<br />

11. Eine knö'chene Pfeift in Form eines Posthornes,<br />

das man auf beiden Seitten Pfeiffen kan, daran hochgedachts<br />

meines gnedigen Herrn Namen stehet, und verguldet an einem<br />

kleinen Kettlein hanget.<br />

12. Ezliche in türckischer Arbeidt ausgeneihete Fazenetel,<br />

eins Theils in Seiden und ezliche in Goldt geneihet.<br />

Hagemeister begab sich direct nach Cüstrin, als dem<br />

Sitz <strong>der</strong> neumärkischen Regierung, hatte am Tage seiner<br />

Ankunft, dem 26. Juni, eine Besprechung mit dem brandenburgischen<br />

Statthalter und fand dort fo hülfreiche Unterstützung,<br />

daß er am folgenden Tage nach Frankfurt weiter<br />

reisen konnte. Der Statthalter sandte zwei wegekundige Männer,<br />

den einen nach Polen zu, den an<strong>der</strong>n in südlicher Richtung<br />

auf Glatz hin, um die Spur des Flüchtlings zu verfolgen,<br />

und versah außerdem den pommerschen Abgesandten mit<br />

Schreiben an die Hauptleute zu Beeskow, Crossen und Cottbus,<br />

von denen <strong>der</strong>selbe, wie gleich ersichtlich sein wird, einen klugen<br />

Gebrauch zu machen wußte. Schon in Cüstrin zeigte es sich,<br />

daß <strong>der</strong> Dieb nicht allzufern sein konnte. Der Hauptmann<br />

<strong>der</strong> Landsknechte daselbst berichtete, er habe „vor zwei Tagenn<br />

einen Kerl mit einem schwarzen Mantel und Filzhuete durch<br />

Cüstriu leiten lassen", und auf Hagemeisters unermüdliches<br />

Fragen in Krügen und Kretzschamen, an den Thoren, in den<br />

Herbergen, Garküchen, bei Malern und an<strong>der</strong>en erfuhr er don<br />

einem Vorübergehenden, „eß wiere ime gestriges Tages bei<br />

Franckfurt einer mit gebloßetenn Schenckelenn unnd in einem<br />

weißen kleinzerstochenem Wambs begegnet, <strong>der</strong> fast ser geeilet,<br />

alßo daß er einen bösen Argkwohn zue ime geschepffet unnd<br />

bei sich selbst gedacht: welcher Teuffel jegt denn Kerl, daß er<br />

alßo leuffet?" „Wie ich ine nun gefragt, wie er gesehenn,<br />

sagte, daß er einen weißbraunen Bartt gehatt und von Hize<br />

und Augen rott gewesen, hette darzue einenn schwarzen<br />

Mantel und einen Huet, wie meiner wiere, auff gehapt".<br />

Im Märkischen, namentlich in <strong>der</strong> frankfurter Gegend,


152 v. Bülow,<br />

brauchte Hagemeister die Vorsicht, unter Vorzeigung <strong>der</strong> ihm<br />

in Cüstrin übergebenen Schreiben den Glanben zu erwecken,<br />

als geschehe die Verfolgung im Namen und auf Befehl des<br />

Kurfürsten; denn er kannte die geringe Znneignng <strong>der</strong> frankfurter<br />

Kaufleute gegen Pommern, speciell gegen Stettin, mit<br />

welcher Stadt die O<strong>der</strong> aufwärts gelegenen Städte in beständigem<br />

Streit wegen des Flußhandels waren. Merken die<br />

Leute, so schreibt Hagemeister, daß ich aus Pommern komme,<br />

so sagen sie mir nicht die Wahrheit nnd verheimlichen den<br />

Thäter. „Ich werde meiner Hoffnung betrogen, daß ich dem<br />

schelmischen Diebe uff die Fußstappen kommen müchte. "<br />

Trotz dieser trüben Erfahrung sollte <strong>der</strong> mit so großem<br />

Eifer für seinen Herrn thätige Hagemeister nnr wenige Tage<br />

darauf die Freude erleben, feine Mühe uud zwar gauz unerwartet<br />

belohnt zu fehen, denn als er von Frankfurt aus über<br />

Er offen in <strong>der</strong> Richtung nach Glog au seine Straße weiter<br />

zog, traf er zu Groß-Bohrau uuweit Freistadt,<br />

einem den von Rechenberg gehörigen Dorfe, mit dem<br />

Diebe in eigner Person ganz unvermuthet zusammen. Lassen<br />

wir ihn selbst reden, wie er noch ani 29. Juni von Freistadt<br />

aus an den Herzog berichtet: „ Nnn sol E. f. G.<br />

ich zu gueter newer Zeittunge in Unterthenigkeitt nit verhaltenn,<br />

daß ich nach vieler angelegten Kuutfchafft, auch<br />

gethaenenn stettigen unnachleßigem Faren, Reittenn unnd<br />

Lauffenn, unnd nit one geringe Geltauffwendunge denn Theter<br />

eine Meile Wegeß alhie vonn Freistatt um einem Dorffe<br />

Großenn Borow darinn Hans, Baltasar uund Siegemundt<br />

die von Rechenberge erbseßenn, betrettenn uund zn Hafft auch<br />

alßo verwarenn laßenn, daß er nicht entwerdenn tan, denn<br />

er mit eißerenn Feßelen ahn Hent und Füeßen inn einen:<br />

Stocke unnd mit Wechteren, die Nacht und Tagk bei ime<br />

sein, wol verwharett. Damit aber E. f. G. kurzlich mugeun<br />

Bericht haben, wie eß mitt E. f. G. entragenenn Kleinodien<br />

gewandt, ist es ahnn dem, daß ich denn Theter, denn ich in<br />

gedachtem Dorffe in <strong>der</strong> Schencke Bier drinckende angetroffene<br />

angefchreienn unnd in Gegenwardt ezlicher Paurenn alßofortt


Kleinodiendiebstahl. 153<br />

angefallen« unud zu Bodem geschlagen; wiewol er sich nit<br />

znr Wehre gesezett, son<strong>der</strong>enn sich gefangenn geben und Gnade<br />

gebetenn unnd gesaget, er wolt nit entweichenn, er wiere<br />

schnldich unnd wolte gcrnnc dafnr leiden, ich solte ine nit<br />

mer schlagen, habe ich ine gesenglich durch zwei Kerle, so ich<br />

bei mir gehapt und darzu bestelt, annemenn unnd daruff die<br />

obgedachte Iunckeren umb Recht erßuchet, daß sie ine wolten<br />

uff Caution gefenglich einziehenn laßenn, welchs sie denn nach<br />

eingenommenen Bericht deß Theters Verbrechunge ganz Willich<br />

unnd gernne gethaen. Zuvor unnd ehe aber solchs geschehenn,<br />

habe ich inndem wie ich den Theter geschlagen, ine gefragt,<br />

uw er daßjenmge hette, so E. s. G. er dieblich entwantt?<br />

Hatt er gesagt: Hie ist eß inn diesem Kober noch alle unverruckt<br />

bei einan<strong>der</strong>, habe nichtes davon wegkgebracht, nemet<br />

eß hin. Wie ichs nuu angenommen, habe ich die Leute, so<br />

zugegen wharen, angerueffenn, daß sie mir wolten Zeugnus<br />

gebcnn, daß ich denu Koeber nicht ehe biß daß die Gerichte<br />

zuegegen wieren, auffmachen wolle, damit <strong>der</strong> Theter, wen<br />

etwaß darvon kommen, nicht sagenn durffe, ich hatte es inn<br />

meiner Verwarung gehabt und damit nach meinem Willen<br />

schaffen konnenn. Wie nun die Gerichte albeieinan<strong>der</strong> gewesen,<br />

habe ich mit Wi<strong>der</strong>holunge deßjennigen, waß ich wegen <strong>der</strong><br />

Eröffnunge protestirt, uff ir Pitte alleß Zeugk auß dem Kober<br />

gethoeu unnd stückweiß besichtiget unnd bei einan<strong>der</strong> gele^ett<br />

uud daßelbe durch <strong>der</strong> Eddeleut Schreiber inn ircr aller<br />

Kegenwartt verzeichnenn laßenn unnd darnach solchs alleß nebenn<br />

dem Verzeichnus wi<strong>der</strong> inn den Koeber gelegtt. Denselben<br />

habenn die Iunckeren uund ich versiegelt und gepetcnn, daß sie<br />

es inn ire Verwharuuge nehmenn wolten, wclchs dann geschehen,<br />

unnd hatt <strong>der</strong> gedachtem: Edclleut Mutter, eine alte ehrliche<br />

Matrone, denn Koeber alßo versiegelt inn einem Kasten biß<br />

uff mein Wi<strong>der</strong>fur<strong>der</strong>en verwarett, wie E. f. O. ich deß alleß<br />

Kuntschafft bringen will.<br />

Nun ist vorhanden gewesen E. f. O.<br />

zwei Ketten (vgl. oben Nr. 1. und 2.)<br />

das Daumpizschafst (oben Nr. 10.)


154 v. Bülow,<br />

ein Ringk mit vielen Demanten versezet (oben Nr. 8.)<br />

ein alt halb zerbrochen Ringk,<br />

daß mit Golt beschlagene von Einhorn gemachte Wiltpfeifflein<br />

(oben Nr. 11.)<br />

drei Kleinodia unverlezet,<br />

7 o<strong>der</strong> achte Perlenkrenzlein, daranß ezlich wenich Perlell<br />

gefallen, (oben Nr. 3?)<br />

39 Roselein klein und groeß, auch unverlezt,i<br />

ezliche alte Münze (oben Nr. 6.)<br />

drei Schnuptüchlein (oben Nr. 12.)<br />

unnd ein Contrafei, welches überguldet (oben Nr. 7.).<br />

Wie ich ine nun gefragt, ob er ettwaß mehr gennommen,<br />

den E. f. G. missen <strong>der</strong> key. M. Contrafei, hatt er geantwortet,<br />

eß wiere nit dabei gewesen, alleinn ein ungerischer Gulde, denn<br />

hette er zu Cüstrin inn <strong>der</strong> Apoteken gewechselt zur Zerunge,<br />

sonst hette er nit ein Dingelin davon weggebracht. Alß ich<br />

nun weiter zu ihme gesagt: „Du loser Schelm, worumb<br />

hastu den frommen Fürsten alßo bestolen?" hat er angefangen:<br />

„Der Teuffel hatt mich betrogen unnd verfürett; hette eß wol<br />

nicht gethaenn, aber Alexan<strong>der</strong> Rammin hatt mich darzue<br />

gebracht, dardurch daß er mir meinenn verdientenn Lohn<br />

furenthaltenn". Nun fing er an: „Ich wil an Gotts Gnade<br />

unnd Barmherzigkeit nit verzagenn, ich wil gerne meine Uebertretunge<br />

mit dem Halse bezalenn, waß geschehen ißt, magk<br />

nicht wi<strong>der</strong>gebracht werdenn, wiere es nicht geschehen, eß solte<br />

zu ewigen Ieitten nicht geschehen".<br />

Martins Aussage, daß <strong>der</strong> ganze Raub noch beisammen<br />

sei und er außer dein in <strong>der</strong> eüstriner Apotheke gewechselten<br />

ungrischen Ducaten nichts davon genommen habe, kann als <strong>der</strong><br />

Wahrheit gemäß angenommen werden, denn das oben mitgetheilte<br />

Verzeichniß <strong>der</strong> gestohlenen Sachen stimmt im Wesentlichen<br />

mit dem Inhalt des bei seiner Ergreifung mit Beschlag<br />

gelegten Kobers. Von an<strong>der</strong>n Kostbarkeiten, die auch fehlten,<br />

z. A. des Herzogs eigenes und des Kaisers Conterfei und<br />

„die güldene Fle<strong>der</strong>mauß," wollte er trotz oftmaligen Verhörs<br />

nichts wissen, und Hagemeister selbst bezeichnet gewisse in Stettin<br />

.


Kleinodiendiebstahl. 155<br />

gemachte Aussagen als irrig und übertrieben. Namentlich<br />

fcheint <strong>der</strong> gleich anfangs auftretende Tischler mehr ausgesagt<br />

zu haben, als er beweisen konnte, denn Hagemeister charakterisirt<br />

„alle seine vorgegebene Kundschaft erdichtet und falsch,"<br />

und als <strong>der</strong> Mann zur Confrontation nach Freistadt geschickt<br />

werden sollte, zog er vor, dort nicht zu erscheinen.<br />

War man dem Diebe schnell genug auf die Spur und<br />

danach seiner habhaft geworden, fo nehmen die weiteren Verhandlungen<br />

um so mehr Zeit weg. Die Gefangennehmung war<br />

in fremdem Gerichtsbanne, im Fürstenthum Glogau ^) geschehen,<br />

und die von Hagemeister an die Grundherren, die von Rechenberg<br />

auf Groß-Borau, gerichtete Frage wegen Auslieferung des<br />

Gefangenen an den Herzog von Pommern konnte, weil den<br />

Rechten ihres Landesherrn zuwi<strong>der</strong>, nur ablehnend beantwortet<br />

werden. Keinen an<strong>der</strong>n Bescheid durften die <strong>der</strong> Transmission<br />

wegen an den kaiserlichen Hauptmann Caspar von Kitlitz auf<br />

Maltitz abgefertigten pommerschen Räthe Hans von Vröcker,<br />

Hauptmann zu Stettin, und Philipp Putkamer erwarten, obgleich<br />

sie sich viel Mühe darum gaben. Es würde zu weit<br />

führen, den fchleppenden Gang <strong>der</strong> Verhandlungen im Einzelnen<br />

zu verfolgen und die wie<strong>der</strong>holt von pommerfcher Seite abgeschickten<br />

Gesuche nebst den darauf ertheilten Bescheiden zu<br />

registriren; es wird genügen, zu sagen, daß <strong>der</strong> emsige und<br />

gewandte Hagemeister, <strong>der</strong> mittlerweile nach Stettin zurückgekehrt<br />

war, am Montag den 12. Juli eine zweite Reise, dieses<br />

Mal nach Prag, antreten mußte ^), um dort bei <strong>der</strong> kaiser-<br />

'2) Das Fürstenthnm Glogau war nach mehrfachen Kämpfen<br />

zwischen Herzog Johann von Sagan und König Mathias von Ungarn<br />

1506 an die Krone Böhmen gekommen.<br />

") In Prag machte man anfänglich Schwierigkeiten nnd Hagemeister<br />

war gefaßt, sogar nach Wien gehen zu müssen. Von Prag<br />

ans „wolte E. f. G. ich innerhalb 14 Tagen denn Theter und die<br />

Cleinodien lieferen, wo ich aber nach Wien verreisen muß, Wirt eß wol<br />

drei Wochen wieren". Nebenher beschäftigen ihn auch seine häuslichen<br />

Angelegenheiten. Da ich, schreibt er, „meiner Wie<strong>der</strong>anheimlunfjt<br />

ungewiße, unnd ich mich izo ermncrtt, daß ich ann Korn zu Haus


156 v. Bülow,<br />

lichen Regierung die Ausfolguug des Gefangenen zil bewirken,<br />

nnd daß er seinen Zweck auch glücklich erreichte, denn unter<br />

dem 19. Juli erließ Kaiser Maximilian 2. von Wien aus ein<br />

Schreiben an den Hauptmann von Kitlitz, das ihn — da<br />

Martin „an<strong>der</strong> Deube (!) halben mer in Verdacht seu, darumben<br />

er <strong>der</strong> Ort, da sie begangen worden, am fueglichisteu befragt<br />

werden nmeßte — zur Auslieferung des Diebes gegen einen<br />

Revers ermächtigte. Am 4. Aug. konnte Hagemeister die glückliche<br />

Botschaft von Voran aus an den Herzog melden und hoffte<br />

— <strong>der</strong> 4. Aug. war ein Mittwoch — am darauffolgenden<br />

Sonnabend, also den 7. Aug., wie<strong>der</strong> iu Stettin zu sein, „unnd<br />

zweiffele nitt, E. f. G. werdenn diefe meinen angewantenn<br />

Fleiß, Muhe und Arbeit, so es mir (daß Gott weiß) gekostet,<br />

inn Gnaden vermerckcn." ^)<br />

Heber den Transport des Gefangenen nnd seine Ankunft<br />

in Stettin schweigen die Aeten; <strong>der</strong> Faden <strong>der</strong> Erzählung läßt<br />

sich erst wie<strong>der</strong> anknüpfen an zwei Verhöre, die Martin am<br />

12. und 14. Aug. zu bestehen hatte. ^) Es war nemlich an<br />

den Tag gekommen, daß er zur Seete <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>täufer ^') gehöre,<br />

und obgleich nicht anzunehmen ist, daß man fein Verbrechen<br />

in irgend welchen Kausalzusammenhang mit seinem<br />

religiösen Bekenntniß bringen zu müssen glaubte, so wurde er<br />

einenn geringen und fast keinenn Vorrath gelassenn, alß bitt ich un<strong>der</strong>theniglich,<br />

mir nach E. f. G. gnedigem Willen womit zu Statten zu<br />

kommen".<br />

15) Bei solcher Gelegenheit wurden auch andre Geschäfte mit besorgt<br />

: „Sonst habe E. f. G. ich einenn Zel<strong>der</strong>, so von an<strong>der</strong>en für<br />

guet und schoen angesehen und gehalten wird, gekaufft verhoffentlich,<br />

wo E. f. G. ich denselben iu itzigem Zustande zuebriua/u werde, dieselben<br />

werden einn gnediges Gefallen daran tragen.<br />

^) Das zweite Verhör fand „auf dem Thurme hinter S. Marienkirchen"<br />

statt, vermuthlich also im Gefänguiß, demi an jeuer Stelle<br />

staud ein Wiekhaus bei <strong>der</strong> Stadtmauer, iu Gegeuwart <strong>der</strong> fürstlichen<br />

Räthe Andreas und Litich Borcke, des Hauptmanns Haus Bröcker, des<br />

Nentmeisters Israel Kaykow und <strong>der</strong> Schoppen Matthäus Winse, Joachim<br />

Westphal, Georg Wüstehofen, Beuedict Fuchs und Otto Nammin.<br />

") Nicht Inde, wie Verghaus Landbuch II. 9. Seite 9^ iu <strong>der</strong><br />

Aumerkung vermuthet.


Kleinodiendiebstahl. 15?<br />

doch am ersten <strong>der</strong> genannten Tage darüber genau ausgefragt.<br />

Wir entnehmen beiden Protokollen Folgendes:<br />

Sein Vater heiße Christoph Merten, sei ein Bauersmann,<br />

habe erst zu Großen-Bahr gewohnt, und sei dann nach Glatz<br />

gezogen. Di'. Knorre habe ihn vor 36 Jahren wegen <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>täufern von Großen-Nahr vertrieben. Die Mutter lebe<br />

noch in Glatz.<br />

Er selbst sei zu Taur^) unter den Rechenbergen vor<br />

36 Jahren geboren und auch daselbst ges au gen. Ob<br />

er wie<strong>der</strong>täuferisch geboren sei, wisse er nicht. Sein Vater<br />

habe ihm seinen Namen Merten gegeben, sein ältester Bru<strong>der</strong><br />

heiße Abraham, sei auch nicht getauft, jetzt Papist iu Prag<br />

und Maler wie er; seine zwei Schwestern seien getauft auf<br />

Nöthigung des Bischofs Ernst. ") Als er zehn Jahr alt gewesen,<br />

sei er zum ersten Mal in die Kirche gekommen, seine<br />

Eltern hätten ihn die zehn Gebote, Vater Unser und den Glauben<br />

gelehrt, zum Testament sei er nie gegangen, auch seine Eltern<br />

nicht. Er habe bei Meister Hans Schultz in Prag sein Handwerk<br />

gelernt uud sei auf dasselbe 13 Jahre lang im römischen<br />

Reich, Nie<strong>der</strong>land und Brabant gewan<strong>der</strong>t, in Stettin habe er<br />

etwa 20 Wochen bei seinem Meister gearbeitet. Er sei gern<br />

in die evangelischen Kirchen gegangen, habe sich auch taufen<br />

lassen wollen, namentlich zweimal in Krankheitsfällen, es jedoch<br />

aus Scheu <strong>der</strong> Leute unterlassen. Er habe Niemandem gesagt,<br />

daß er uugetauft fei, und so sei es gekommen, daß er in Glatz<br />

dreimal bei Evangelischen zu Gevatter gestanden habe. Jetzt<br />

'") Ein Rechenbergsches Gut dieses Namens kann ich nicht finden,<br />

vielleicht ist Tarna u bei Freistadt gemeint, welches 1536 nnd anch<br />

wohl später im Besitz dieses Geschlechtes war; dann dürfte das obengenannte<br />

Grossen-Vahr mit Groß-Borau identisch nnd durch wnn<strong>der</strong>bare<br />

Fügung Martins Heimath anch <strong>der</strong> Ort seiner Gefangennahme sein.<br />

'5) Ein Bischof Ernst läßt sich in den Visthnmern, an welche<br />

hier zunächst gedacht werden muß, um diese Zeit, d. h. etwa 1550,<br />

nicht nachweisen. Die Visthnmer Meißen, Breslau, Olmütz, Prag<br />

lönncn in Betracht gezogen werden- das letztgenannte hatte <strong>der</strong> hussitischeu<br />

Bewegung wegen damals leinen Bischof, son<strong>der</strong>n stand nnter<br />

Administration.


158 u. Vülow,<br />

aber bitte er um die heilige Taufe und das Sacrament zu<br />

keinem an<strong>der</strong>n Ende, als zu seiner Seelen Heil und Seligkeit,<br />

so er leben und sterben wolle.<br />

Auf die Frage nach einem Amulet in Form eines von<br />

ihm selbst mit beson<strong>der</strong>en Charakteren geschriebenen Schutzbriefes,<br />

den man bei ihm fand, sagte er aus: Christoff von Walstein<br />

habe diese Charaktere von einem böhmischen Herrn, Wenzlaus<br />

Kappun genannt, geliehen und ihm für drei Thaler abzuschreiben<br />

gegeben, da habe er sie des Nachts auch für sich abgeschrieben,<br />

zuerst auf Papier und dann in Hamburg auf<br />

Pergament. Die Schrift sei keinem Menschen sonst mitgetheilt<br />

worden, als des Fiscals zu Mainz Sohn, Reichard Werdeman,<br />

es sei dadurch auch Niemandem Schaden zugefügt. Er habe<br />

dem Briefe die Kraft zugetraut, daß er für Wasser, Feuer,<br />

Hauen, Stechen, Gift und an<strong>der</strong>es sicher mache, doch habe er<br />

niemals diese Kraft selbst empfunden noch versucht, auch wisse<br />

er selbst nicht, was in dem Briefe stehe.<br />

Die erste Anregung zum Einbruch und Diebstahl auf dem<br />

herzoglichen Schloß habe er am Tage vor <strong>der</strong> That empfunden,<br />

es sei nemlich, als er mit den an<strong>der</strong>en Gesellen statt zu arbeiten,<br />

oben gezecht habe, des Herzogs Leibjunge Krockow an<br />

ihnen vorbei in das Gewölbe gegangen, das habe ihn auf den<br />

Gedanken des Diebstahls gebracht, so daß er gleich oben geblieben<br />

sei. Zwischen 10 und 12 Uhr Nachts — beim<br />

Pförtner Claus sei noch Jemand wach gewesen — habe er den<br />

Einbruch vollführt, indem er zuerst mit dem Beil die Ofenthür<br />

aufzubrechen versuchte. Als dies nicht gelungen sei, habe er<br />

sich seines Messers zum Oeffnen des Schlosses bedient, sei dann<br />

in den Ofen selbst gekrochen, habe mit dem Beil die Kacheln<br />

losgemacht und sei so in das Gemach gekommen. Dabei und<br />

bei dem nachherigen Oeffnen des Kastens mit Kleinodien müsse<br />

ihm <strong>der</strong> Teufel geholfen haben, sonst hätte es ihm so bald<br />

nicht gelingen können. Die Schlüssel zum Kasten hätten übrigens<br />

an <strong>der</strong> Thür, wenn man herausgeht, zur rechten Hand gehangen<br />

und er habe sie alle <strong>der</strong> Reihe nach durchftrobirt, bis<br />

er den richtigen gefunden. Was er alles aus dem Kasten


Meinodiendiebstahl. 159<br />

genommen, habe er zur Zeit selbst nicht gewußt, erst als er<br />

auf <strong>der</strong> Flucht nach Greifenhagen gekommen sei, habe er den<br />

Raub näher untersucht und sei hart erschrocken, als er gesehen,<br />

daß es die Kleinodien und namentlich „F. G. Pitschir" seien.<br />

Es sei ihm auch so angst und bange deshalb gewesen, daß er<br />

während <strong>der</strong> ganzen Flucht nur wenig gegessen habe. Bis<br />

gegen 2 Uhr sei er im Finstern im Gewölbe gewesen, habe in<br />

demselben (ouin voiua) sein Wasser abgeschlagen, ^^) dann sei er<br />

„oben in die Schnecke" Wendeltreppe^ gegangen, habe sich dort<br />

bis gegen 4 Uhr aufgehalten und sei dann vom Schloßhof<br />

herunter hinter <strong>der</strong> Mauer weg nach dem Passowschen Thor<br />

gegangen. An Gelde habe er fünf braunschweigsche alte Groschen<br />

und drei Kikerlinge, sowie einen gebogenen Goldgulden<br />

genommen; den letzteren habe er Zu Cüstrin in <strong>der</strong> Apotheke<br />

gewechselt, das andre Geld aber unterwegs verzehrt. Mit den<br />

Kleinodien habe er nicht gewußt, wohin; alle Stunden sei ihm<br />

ein an<strong>der</strong>er Gedanke gekommen, bald habe er damit nach Polen,<br />

bald nach Böhmen o<strong>der</strong> Mähren entweichen wollen, ja er sei<br />

auch willens geweseu, zwei Kleinode sammt dem Petschaftring<br />

wie<strong>der</strong> zurückzuschickeu, und habe, um einen Boten zu gewinnen,<br />

von dem einen Kranz „die güldene Pockeln" abgebrochen und<br />

sie verkaufen wollen. Das Verzeichniß <strong>der</strong> bei dem Diebe gefundenen<br />

Kleinode spricht ja auch von „Perlenkrenzlein, darauß<br />

ezlich wenich Perlen gefallen." Martins Vorleben war keineswegs<br />

vorwurfsfrei; war er auch kein Dieb von Profession, so lieferten<br />

die verschiedenen Verhöre doch hinreichenden Beweis dafür, daß er<br />

bei günstiger Gelegenheit in frem<strong>der</strong> Leute Truhen und Kisten herzhaft<br />

zu greifeu verstand. Durch die überall hin verschickten Schreiben<br />

und Boten des Herzogs war <strong>der</strong> Diebstahl und <strong>der</strong> Name<br />

des Diebes in ungewöhnlich kurzer Zeit weit und breit bekannt<br />

geworden, und wem in den letzten Jahren etwas gestohlen<br />

worden war, <strong>der</strong> stellte Untersuchungen und Erkundigungen an,<br />

ob Martin wohl <strong>der</strong> Dieb sein könnte. Wenn dieser nun auch,<br />

wie wir gesehen haben, <strong>der</strong> „güldenen Fle<strong>der</strong>mauß" und andrer<br />

'^) Ein bekannter abergläubischer Gebrauch, um die Entdeckung<br />

eines Diebstahls zu verhin<strong>der</strong>n.


160 u. Bülow,<br />

Dinge, die ihn bedrohten, standhaft und mit Erfolg sich erwehrte,<br />

und ein Befuch in kaiserlicher Majestät Schatzkammer<br />

ihm nicht bewiesen werden konnte, fo fand er es doch gerathen,<br />

mit Bezug auf frühere Verbrechen offen heraus zu reden und<br />

fein Gewissen zu entlasten.<br />

Abgesehen von zweimaliger Verleitung zum Ehebruch bekannte<br />

er einen großen Diebstahl, den er vor sieben Jahren,<br />

also 1567, in Bautzen begangen hatte, um sich wegen übler<br />

Behandlung zu rächen. Es finden sich über diese Angelegenheit<br />

mehrere Schreiben bei den Aeten, so daß wir in <strong>der</strong> Lage<br />

sind, dieselbe nach Martins Aussage und zugleich nach den<br />

Berichten <strong>der</strong> sächsischen Behörden zu erzählen. Während er<br />

bei einem bautzener Domherrn, dem Dechanten Johann Seibentritt<br />

(o<strong>der</strong> Leisentritt) einige Arbeit verrichtete, habe er gelegentlich<br />

mit seinen Mitgesellen in eine unschuldige scherzhafte Balgerei<br />

sich eingelassen, darüber seien sie eingezogen worden und <strong>der</strong><br />

kaiserliche Gegenhandler und Einnehmer in <strong>der</strong> Oberlausitz,<br />

Hans von Pitzenberg, habe ihn in das Halseisen schlagen lassen<br />

wollen. Nur durch des Dechanten Fürsprache sei er davon frei<br />

gekommen und fei denn etwa vier Wochen fpäter dem von<br />

Pitzenberg ins Fenster gestiegen und habe ihm von feinem<br />

Eigenthum entwendet „18 Taler Müntze unnd ezliche alte<br />

Schlickenn- und dreikoppige Taler, sibenn güldene Ringe, eilff<br />

Schilde, fo die Spylleute tragen, eilfftehalb Taler ann Schreckenberger,<br />

achtehalbenn Taler aun Düttkenn, eine güldene Kethe,<br />

so gewogen 200 Dueatenn nebenn einem Portngalofer ^)<br />

2!) Schlickthaler o<strong>der</strong> Ioachimsthaler sind die zuerst von den<br />

Grafen Schlick in Böhmen seit 1513 geprägten großen Silbermünzen -<br />

Dreiköpfige Thaler können <strong>der</strong> Zeit nach hier wohl nur die<br />

sächsischen Gemeinschaftsthaler sein, welche mehrere sächsische Fürsten<br />

um dieselbe Zeit prägten-, Sch reckend erg er o<strong>der</strong> Engelgroschcn<br />

sind dünngeschlagene breite ans dem Gewinn <strong>der</strong> sächsischen Silbergrnben<br />

des Schreckenberges geprägte Münzen, auf denen <strong>der</strong> sächsische<br />

Knrschild von zwei Engeln gehalten abgebildet ist; Portugalöser<br />

sind große, ursprünglich in Portugal, dann aber anch in Hamburg<br />

geprägte Goldstücke von Thalergröße, in Werth von 5—10 Dncatcn.<br />

Die etwas weiter oben erwähnten Kikerlinge sind identisch mit den<br />

^


Kleinodiendiebstahl. 161<br />

zwei Armbende. Die Kede habe <strong>der</strong> Rentemeister zur Neisse<br />

Adam Wegcner bekommen, aber sein Wirth znr Neisse Christoff<br />

Meichßener, deme er die vorhin zu bcwarenn gethan, habe ihmc<br />

dreißig Glie<strong>der</strong> davon genommen. Jedes Glid habe funff<br />

Orthtalers gewogen, fein inn Alles 249 Eli<strong>der</strong>e gewesenn.<br />

Wie zur Neisse ihn des Bischoffs Diener gefragt, wo er die<br />

güldene Kcthe bekommen, habe ehr furgegeben, er hette die im<br />

Closter bekommen, da er mitt einer Ebtissinn gebulet. Die<br />

Kede habe Hanß vonn Pitzennberg entlich (vierzehn Tage vor<br />

Michaelis desselben Jahres) wid<strong>der</strong>bekommen, das Geldt habe<br />

er mitt guttenn Gesellenn unnd keinen Huren o<strong>der</strong> Buben vorzerett."<br />

So Martins Aussage. Der kaiserliche Rath und Landeshauptmann<br />

<strong>der</strong> Oberlausitz Hans von Schlieben auf Pulsnitz,<br />

<strong>der</strong> sich in einem längeren Schreiben von Budlssin den 12. Augusti<br />

1574 an den Herzog wandte und um gleichzeitige Untersuchung<br />

auch dieses Diebstahls bat, behauptete, es seien kaiserliche Gefälle,<br />

also die Steuerkasse, die Martin beraubt habe. Man<br />

habe demselben damals alsbald nachgestellt, er habe sich aber<br />

<strong>der</strong> Verfolgung zn entziehen gewußt, und sei sogar so frech<br />

gewesen, dem Hans von Pitzenberg einen Fehde- und Absagebrief<br />

zu schreiben. ^)<br />

Dreilingen, sie wurden u. a.in Cöslin geprägt uud galten etwa 8 Pfennige.<br />

Nach 1706 waren solche Mengen vorhanden, daß die Negierung zu<br />

Stettin sie in stettiner Dreier umprägen ließ. Schwed. Arch. Tit. 65.<br />

Nr. 99.<br />

^) Zur Kennzeichnung damaliger Zustände mag <strong>der</strong> Fehdebrief,<br />

vou dem eine Abschrift bei den Acten ist, hier eiue Stelle finden. Er<br />

lautet: Hannes dann Pitzenbergk Gegenhandeler, du wirst dich wol<br />

zu erinnern wissen, das du mir durch deine Abgesantten in meinem<br />

Vatterlande auch zur Neisse fowol in alleun umbliegenden Stetten<br />

uud Dorfern hast lassen nachziehen nnd mir nach meinem Leib und<br />

Leben gestanden hast, das ich mich an keinem Ortte noch Stellen darf<br />

ruren noch sehen lassen, viel weniger mein Haudtwergk bey einem<br />

Bie<strong>der</strong>man darf treiben a<strong>der</strong> kundt gefredct werden, van wegen deines<br />

euttwantteu Guts, wclchs ich dier doch uicht allein enttwandet habe,<br />

son<strong>der</strong>n mit an<strong>der</strong> Leut mehr Hulf und Nath, die mier geholffen<br />

haben, <strong>der</strong>halbeu ich mich sie<strong>der</strong> deß Enttwantton im Land us und


162 u. Bülow,<br />

Schlieben verlangte, daß Martin mit <strong>der</strong> peinlichen Frage,<br />

d. h. <strong>der</strong> Tortur, belegt werden solle, nm ihn zum Bekenntniß<br />

zu zwingen, und in <strong>der</strong> That konnte er sein Begehren<br />

gesetzlich begründen, aber den pommerschen Räthen erschien das<br />

„in <strong>der</strong> Güte" abgelegte Geständniß des Verbrechers so durchaus<br />

hinreichend zum Beweise seiner Schuld, daß von Anwendung<br />

<strong>der</strong> Tortur auch gar keine Rede ist. Man schließe<br />

hieraus nicht aus eine bei den pommerschen Gerichten etwa<br />

übliche milde Gerichtspraxis, eine solche war wie überall so auch<br />

nie<strong>der</strong> geblawen habe und keine Nach sicher schlaffen dorfjen. Der-<br />

halben will ich dich zum ernstlicheu ermahnet haben, das du mir ein<br />

Schreiben un<strong>der</strong> deinem angebornen Sigll neben deß Landvogts sowol<br />

deß Haupttmans zn Budissin Brief und Siegell geben woldest <strong>der</strong><br />

Meinung und Gestalot, das du von mir. nichts weist den Ehr und<br />

Redligkcitt, anch darneben alles Guttes, daß du mich ehreu uud<br />

for<strong>der</strong>n wilst sovil dir möglichen zu thuen ist, <strong>der</strong>halben ich mein<br />

Handtwergk wie<strong>der</strong>umb bey aufrichtigen und rettlichen Leutteu treibeu<br />

darf, auch mein Vatterlandt fowol an<strong>der</strong> Len<strong>der</strong> sicher uud ahn alle<br />

Geferde durchziehen magk. Wo du aber dasjenige nicht thust, so<br />

will ich von nun an die Zeit meins Lebeus deinn abgesagter Feindt uud<br />

Phe<strong>der</strong> sein und bleibenu, will auf dich fowol auf an<strong>der</strong>e vam Adell<br />

brennen und morden, wie ich/s erdengken magk; dn folst nicht sicher<br />

vor die Statt reitten, gehen noch fahren, viel weniger zu Daberfchiz<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>swo. So du mir nebeu den obengemeltten Perfchonen<br />

Brief und Siegel geben will, fo fchick mir sie gegen Glatz mit einem<br />

eigenn Pötten in meines Vatters Haus angesichts Brifs, dan werden<br />

sie mir wol uberanthworttett werden. So das innerhalb acht Tagen<br />

nicht gefchiet, fo will ich mich Ausgang <strong>der</strong> Zeitt wie vormellt mitt-<br />

sampt meiner Gefelschaft solches Alles und noch erger kegen dier uud<br />

an<strong>der</strong>n vernehmen, das ich mit dier nicht scherzen will. Solches<br />

Alles will ich mit meinem körperlichen Eide bekräftigen, das ich mich<br />

in keynerley Weisse o<strong>der</strong> Gestaldt mit dier einlassen will, den wie<br />

ich dier mit diefem meinem Schreiben vermeldet habe, darnach habe<br />

dich entlich zu richten und kein an<strong>der</strong>s.<br />

Davidt Meriten<br />

<strong>der</strong> Geburt von Glatz ein Mahlergesell<br />

Der Gegenhandler war <strong>der</strong> Beistand uud Kontrolleur des die<br />

landesherrlichen Einkünfte verwaltenden Landeshauptmanns in <strong>der</strong><br />

Lausitz. Köhler, Gefch. d. Oberlausitz 1. Seite 240.


Kleinodiendiebstahl. 163<br />

in Pommern dem Geist <strong>der</strong> Zeit durchaus fremd, wofür sich<br />

zahllose Beispiele anführen ließen.<br />

Das vom Notar Johann Marsilius aufgenommene Protokoll<br />

des Verhörs wurde dem Schöppenstuhl zu Stettin vorgelegt<br />

und dieser verurtheilte auf Grund desselben den David<br />

Martin zum Tode durch den Strang. Der Urtheilsspruch ist<br />

in folgendem Schreiben an den Herzog Johann Friedrich enthalten:<br />

Durchleuchtiger, hochgeborner Fürst, gnediger Herr. E.<br />

f. G. scinn unnsere unn<strong>der</strong>thenige gehorsame Diennste zuvornn.<br />

Onediger Fürst nnnd Herr! Auff Zugeschickte unnd hiebey vorwartte<br />

des Gefanngenenn David Merttenns guttliche Aussage<br />

unnd Bekenndtnus, darauff E. f. G. unsernn rechtlichenn Spruch<br />

gnediglich begeret, sprechenn wir Richter unnd Schoppenn zu<br />

Altenn Stettin vor Recht, daraus soviel erscheinet, wofernn <strong>der</strong><br />

Gefangene nachmaln bey folchem seinem Bekennttnus pleibenn<br />

unnd vorharren wirdt, das er <strong>der</strong>enntwegenn alß einer <strong>der</strong><br />

seinenn eigenenn Herrenn bestolenn, mitt dem Strang vom Lebenn<br />

zum Tode pillig zu richtenn. Von Rechtswegen^ Urkundtlich<br />

mitt unserm Amptsingesiegell vorsiegeldt.<br />

E. f. G.<br />

gehorsame un<strong>der</strong>thane<br />

Richter unnd Schopenn in E. f. G.<br />

Stadt Alttenn Stettin.<br />

Das Siegel zeigt den stettiner Greifenkopf mit <strong>der</strong> Umschrift:<br />

« 8N(NNIVN NMV8 80^LIN0KVN 8INIIMN^.<br />

Auf sein zu Protocoll gegebenes Begehren erhielt Martin,<br />

<strong>der</strong> im Thurm hinter <strong>der</strong> Marienkirche gefangen gehalten und<br />

daselbst von zwei Wächtern bewacht wurde,^) vor seinem<br />

Tode die Taufe, was nach Friedeborn a. a. O. am 16. Aug.<br />

in <strong>der</strong> genannten Kirche geschah. An demselben Tage fand nach<br />

einer dem mitgetheilten Schöppenurtheil beigefügten Randbemerkung<br />

auch die Hinrichtung statt, <strong>der</strong> jedoch langwierige<br />

^) Der Herzog ließ am 8. August die Erlaubniß dazu durch<br />

Andreas Vorck vom Stadtsyndicus einholen, das herzogliche Gefängniß<br />

auf dem Schloß muß also znr Aufbewahrung <strong>der</strong> Gefangenen nicht<br />

geeignet gewcfen fein.


164 o. Bülow,<br />

Verhandlungen mit <strong>der</strong> Stadt Stettin vorangegangen waren.<br />

Am 9. Angnst, also unmittelbar nach Einbringung des Diebes,<br />

ward aus <strong>der</strong> herzoglichen Canzlei ein Befehl an Bürgermeister<br />

und Rath erlaßen, sofort die nöthigen Werkleute zur Er-<br />

bauung eines neuen Galgens für die Execution zu bestellen,<br />

welchem Befehl auch Folge geleistet wnrde, doch nicht ohne die<br />

untertänigste Bitte des Raths, von diesem Vorhaben abzustehen,<br />

da „E. f. G. vornembsten Stadt, davon E. f. G. und <strong>der</strong>-<br />

selben Vrue<strong>der</strong>e iren fürstligen Tittel und Namen haben,<br />

solchs zu merckliger Vorkleinerung bei mennigklichen ge-<br />

reichen mochte". Johann Friedrich, den man den königlichen<br />

Herzog von Pommern genannt hat, war ein mit dem ausge-<br />

prägtesten Herrschersinn und Streben nach Machtentwickelung<br />

begabter Fürst, wie seit Herzog Nogislav 10. Zeit keiner ge-<br />

wesen war und wie auch nach ihm keiner wie<strong>der</strong>kam. Mit<br />

<strong>der</strong> Stadt Stettin hat er wegen wirklicher o<strong>der</strong> vermeintlicher<br />

Rechte die mannigfachsten Händel gehabt, die vor dem kaiser-<br />

lichen Kammergericht ihren langsamen Entwickelungsgang gingen,<br />

wenn <strong>der</strong> Herzog nicht, was meistens <strong>der</strong> Fall war, auf<br />

kürzerem Wege <strong>der</strong> Sache das von ihm gewünschte Ende<br />

bereiten konnte. Auch im vorliegenden Fall mochte <strong>der</strong> Rath<br />

ähnliches voraussehen, wollte aber doch, um sich und <strong>der</strong><br />

Stadt nichts zu vergeben, nach Möglichkeit Wi<strong>der</strong>stand leisten.<br />

Der Platz, den <strong>der</strong> Herzog zur Errichtung des Galgens<br />

für David Martin ausersehen hatte, war <strong>der</strong> vor dem Mühlen-<br />

thor zwischen dem Glambeckschen und Krekowschen Wege<br />

an <strong>der</strong> Landstraße gelegene alte Richtplatz, „bi den Koppen"<br />

o<strong>der</strong> „to'n Köpften" genannt. ^) Aus einem Actenstück, das<br />

über diese Oertlichkeit auch aus späterer Zeit Manches be-<br />

richtet, geht hervor, daß <strong>der</strong> Grund und Boden desselben <strong>der</strong><br />

Stadt zuständig war und von ihr „ye<strong>der</strong> Zeit zu Köpfen,<br />

Re<strong>der</strong>n, Schmöken und Brennen gebrauchet worden" sei, doch<br />

^) Staatsarchiv zu Stettin: Stett. Arch. I>. I. Tit. 127. Nr. 7.<br />

Berghaus Laudbuch II. ^). S. 92 in <strong>der</strong> Anmerkung wird gesagt, es<br />

sei <strong>der</strong>jenige Platz, <strong>der</strong> im Separationsreceß von 1830 (Laudbuch II, 8.<br />

S. 830.) unter Nr. 27 vorkommt.


Kleinodiendiebstahl. 165<br />

loar durch gelegentlich an an<strong>der</strong>n Stellen vollzogene Hinrichtungen<br />

dieses Recht in Vergessenheit gerathen, und jedenfalls<br />

hatten die Herzoge, wenn auch auf vorangegangene Anfrage,<br />

den Platz schon zu Hinrichtungen gebraucht. ^) Während daher<br />

am 8. und 9. Aug. im Rath ängstlich nach einem Ausweg<br />

aus <strong>der</strong> üblen Lage gesucht ward, ^) ließ <strong>der</strong> Herzog fleißig<br />

vor dem Thore bauen und am 10. stand <strong>der</strong> neue Galgen<br />

fertig da, fo daß <strong>der</strong> Rathsschreiber sein Protocoll mit den<br />

Worten schließen konnte: Nngeachtt alles angewandten Fleiß<br />

ist das newe Gerichtt uff m. g. H. Bevelich von allen Meurund<br />

Zimmerleuten am Tage Laurenz ^) Anno ^74 uffgebauet<br />

worden". Das Einzige, was zu erreichen dem Rath gelang,<br />

war ein Revers, in welchem <strong>der</strong> Herzog das Recht <strong>der</strong> Stadt<br />

auf den Platz anerkannte; doch war er weit entfernt, dasselbe<br />

in Zukunft zu respectiren, denn 1596 errichtete er trotz abermaligen<br />

Protestirens des Rathes einen Rabenstein an <strong>der</strong>selben<br />

Stelle, und ließ denselben hoch aufmauern, damit <strong>der</strong> Scharfrichter<br />

in Ausübung seines Amtes durch den Andrang des<br />

Volkes nicht gehin<strong>der</strong>t würde. Johann Friedrichs Bru<strong>der</strong> und<br />

Nachfolger Barnim ging noch weiter und sah den Platz<br />

gänzlich als sein Eigenthum an, denn als im September 1600<br />

die Stadt einen gefangenen Mordbrenner Gall Klokow to'n<br />

Köpften fchmöken lassen wollte, versagte er seine Einwilligung<br />

durchaus, ließ indeß auf des Raths und <strong>der</strong> Landstände Einsprache<br />

es endlich doch geschehen, „daß <strong>der</strong> gefangene Nebelthäter<br />

an denselben Ortt hinaußgeführett und gerichtett werde,<br />

doch das ein Intervallum möchte gelassen werden, dadurch I.<br />

25) Der Kämmerer Ladewig sagt in <strong>der</strong> Rathssitznng: „Man gestehett<br />

E. f. H. da kein Gericht. Was er (<strong>der</strong> Herzog) hatt, hatt er<br />

precario. Ao 52 ist m. g. H. Apoteker in des Naths Gericht ge«<br />

hangen worden."<br />

N) Das Rathsprotokoll sagt: „Ist dem Rad hochbedencklich, solchs<br />

einzurennen; ist ein schwerer Eingriff, Gott erbarm es; hie sitzt man<br />

nud radschlagt darüber, interim fhartt man immer mit Erbaunng<br />

dcs Gerichts fortt! yuiä mwc<br />

-') den 10. Angust.


166<br />

v- Bülow, Kleinodieudiebstahl.<br />

f. G. Gericht von dem Stadtgericht tönte unterschieden<br />

werden."<br />

Neber den an David Martin vollzogenen Act <strong>der</strong> Hin-<br />

richtung schweigen die Acten gänzlich, die Sache selbst aber<br />

hatte, obgleich Diebstahl, Raub, Mord und ähnliche Ver-<br />

brechen an <strong>der</strong> Tagesordnung waren und die Richtstätten nicht<br />

leer wurden, einen tiefen Eindruck gemacht. Fünf und zwanzig<br />

Jahre später war das Verbrechen noch im Munde <strong>der</strong> Leute<br />

und man wußte seine Einzelheiten zu erzählen; auch Friede-<br />

born widmet a. a. O. demselben mehr Raum, als er sonst<br />

für <strong>der</strong>gleichen Dinge übrig hat, und schließt daran eine län-<br />

gere Betrachtung über die Todesstrafe, die er mit folgendem<br />

Distichon einleitet:<br />

Das ist:<br />

valido oo^itur Ì1i6<br />

Wer was findt, ehs verloren wird,<br />

Der muß sterben ehe er kranck wird.


Venetillnische Aktenstücke<br />

zur Geschichte von Herzog Bogislavs X. Reise in den<br />

Orient im Jahre 1497.<br />

Von Ini. Mueller.<br />

Vorwort.<br />

Wie den meisten unserer Leser bekannt sein wird, bildet<br />

die Pilgerreise, welche Herzog Bogislav X. von Pommern in<br />

den Jahren 1496 und 1497 nach dem heiligen Lande unternahm,<br />

in <strong>der</strong> Geschichte dieses in mancher Beziehung merkwürdigsten<br />

und anziehendsten unserer Fürsten ein hervorragendes Hauptstück.<br />

Kurz vor Weihnachten 1496 hatte <strong>der</strong> Herzog mit<br />

großem Gefolge seine Hauptstadt verlassen, war über Nürnberg<br />

und Innsbruck, an beiden Orten längeren Aufenthalt nehmend,<br />

nach Venedig gezogen und hatte sich hier zu Anfang Sommers<br />

1497 nach Jerusalem eingeschifft. Unterweges, bei Candia,<br />

war er von türkischen Schiffen mit Uebermacht angefallen<br />

und trotz tapferster Gegenwehr nur mühsam und wie durch<br />

ein Wun<strong>der</strong> schrecklichstem Untergange entronnen. Auf <strong>der</strong><br />

Heimkehr von Palästina, wo ihn die Narfüher-Mönche zum<br />

Ritter des heiligen Grabes geschlagen hatten, war er von den<br />

Herren <strong>der</strong> venetiamschen Republik mit mancherlei Feierlichkeiten<br />

und Festlichkeiten geehrt worden und die adliche Jugend<br />

Venedigs hatte, zur Unterhaltung wie zur Verherrlichung des<br />

gewissermaßen nunmehr in die Geschichte Venedigs und seiner<br />

Marine verflochtenen Fürsten, eine theatralische Darstellung<br />

jenes ruhmvollen Gefechts mit den Türken veranstaltet. Von<br />

Venedig sodann, um auch dies noch kurz zu berühren, war<br />

<strong>der</strong> Herzog über Loretto, den hochgepriefenen Wallfahrerort,


168 Actenftüclc znr Reise<br />

nach Rom geritten, war dort von Papst Alexan<strong>der</strong> V l., dem<br />

berüchtigten Borgia, als ein würdiger Führer christlicher Ritterschaft<br />

im Kamps mit den Unglänbigen am Wcihnachtsmorgen<br />

1497 mit dem — theilweise — noch hente vorhandenen Weiheschwerte<br />

begabt worden, und endlich nach einer Abwesenheit<br />

von füns Vierteljahren glücklich nnd mit verdienstvoller Steigerung<br />

seines fürstlichen Ansehens nm Ostern 1498 in seine<br />

Hanptstadt znrückgekehrt.<br />

Es konnte nicht fehlen, daß die Freunde <strong>der</strong> vaterländischen<br />

Geschichte es lebhaft bedauerten, von dieser Reihenfolge malerischer<br />

Begebenheiten immer nnr ans einheimischen Quellen zu<br />

hören, fast ausschließlich nämlich aus <strong>der</strong> Kanzowschen Chronik<br />

und dem Berichte Dalmer's; und dies Bedauern konnte nur<br />

zunehmen als Robert Kleinpins „Diplomatische Beiträge" von<br />

1856 die Blicke anfs neue in diese Richtung gelenkt hatten.<br />

Doch war von Seiten unserer Gesellschaft schon bald nach <strong>der</strong><br />

Gründung <strong>der</strong>selben, durch Vermittelung hoher Behörden eine<br />

Anfrage nach Oesterreich ergangen, ob sich in den heimischen<br />

Quellen <strong>der</strong> Geschichte Venedigs nicht Zengnisse von Herzog<br />

Bogislavs Anwesenheit in dieser Stadt und von dem auf einer<br />

venetianischen Galere bestandenen Kampf mit den Türken<br />

fänden. Wußte man doch wie sorgsam <strong>der</strong> untergegangene<br />

Freistaat über alle seine laufenden Beziehungen zu den orientalischen<br />

Reichen nnd über alle ans dem östlichen Wassergebiete<br />

vorkommenden Störungen des Seefriedeus, und an<strong>der</strong>erseits<br />

über die Feierlichkeiten Buch uud Rechuung geführt hatte, mit<br />

denen er die seine Grenzen befchreitenden auswärtigen Herrscher<br />

zu ehren gewohnt war. Die Anfrage aber hatte das<br />

Unglück, in unrichtige Wege zu gerathen: sie wurde verneinend<br />

beantwortet, obwohl es doch keiner beson<strong>der</strong>en Kenntnisse und<br />

Mühen bednrft hätte, die kleine Folge <strong>der</strong> Actenstücke aufzufinden,<br />

welche wir heute das Vergnügen haben nnseren Lesern<br />

vorzulegen. Je<strong>der</strong> nur oberflächlich mit den Quellen venetianischer<br />

Geschichte vertraute Forscher mnßte wissen, daß die<br />

hauptsächlichste Fundgrube für alle <strong>der</strong>artigen ans den Nebenwegen<br />

<strong>der</strong> damaligen Weltgeschichte vorgefallenen Begebenheiten


Herzogs Bogislav X. in den Orient. 169<br />

jene 58 Folianten mit den Tagebüchern Marino Sanudo's<br />

seien, von denen sich damals die Urschrift in Wien und die<br />

aus dem vorigen Jahrhun<strong>der</strong>t stammende Abschrist hier in<br />

Venedig ^) befand, und daß diese auch heute noch immer nur für<br />

einzelne Son<strong>der</strong>zwecke benutzte und nur in kleinen Bruchstücken<br />

gedruckte Chronik ihrer ganzen Entstehung und Beschaffenheit<br />

nach fast völlige Rangsgleiche mit den Sraatsurkundeu <strong>der</strong> Republik<br />

in Anspruch zu uehmen habe. Vielleicht war die von<br />

unsrer Gesellschaft gestellte Anfrage zu enge gefaßt und lautete<br />

einzig auf die Staatsarchive Venedigs; wie leicht konnte dann<br />

freilich ihr ursprünglicher Zweck aus den Zwischenfällen ihrer<br />

Beför<strong>der</strong>ung verdunkelt werden und die Erledigung buchstäblich<br />

ausfallen. In den venetianifchen, jetzt in <strong>der</strong> großen Gesammtanstalt<br />

Ai-Frari vereinigten Archiven hat sich allerdings,<br />

auch bei dem jetzt aufs neue gefchehenen Suchen — bis zur<br />

Stunde wenigstens daß ich dies nie<strong>der</strong>schreibe — kein auf<br />

unsere Frage bezügliches Actenstück finden wollen ^), obschon<br />

die betreffenden Schriftstücke Sanudo's erweisen, daß manche<br />

Urkunden <strong>der</strong> Art dort jedenfalls früher vorhanden waren.<br />

Viel neues und erhebliches dürfte nun freilich von daher für<br />

uns nicht mehr zu erwarten sein; doch glücklicherweise nur<br />

') In <strong>der</strong> Bibliothek von San-Marco. Seit 1866 haben Wien<br />

und Venedig mit den Exemplaren getauscht,- die von uns ausgebeutete<br />

Handschrift ist die jetzt in Venedig befindliche Urschrift.<br />

2) Ueber die verschiedenen Abtheilungen dieses Archivs, in denen<br />

sich dahin gehöriges antreffen ließe, giebt dem ferner stehenden am<br />

besten Bescheid: des einstigen Archiv-Directors T. To<strong>der</strong>ini Werk über<br />

die 06I-6INoliigli 6 sosto iu occ28Ìoll6 6i livv6uim6Qti — äi uuoki —<br />

(U 0k82. ä'^uLti'i^, Vou6?ia 1857. 46. Wir erlauben uns, an dieser<br />

unscheinbaren Stelle dem jetzigen Herrn Archiv-Director Dr. B.<br />

Cecchetti für seine bisherige gütige Mitwirkung zu den vorliegenden<br />

Zwecken unserer Gesellschaft gehorsamsten Dank zn sagen. Gleichen<br />

und wärmsten Dank sprechen wir dem Herrn Grafen Camillo<br />

Soranzo, Assistenten an <strong>der</strong> Bibliothek von San-Marco, aus, welcher<br />

uns nicht allein bei Beschaffung <strong>der</strong> Abschriften, son<strong>der</strong>n auch sonst auf<br />

mancherlei Weise, in gewohnter Art auf das liebenswürdigste seine<br />

wirksame Hülfe gewährt hat.


170 Aktenstücke zur Reise<br />

darum, weil absehbar alles was für uns wissenswerth ist und<br />

sich einst in den Archiven Venedigs befand und möglicherweise<br />

noch heute befindet, schou in den Aufzeichnungen Sanudo's zu<br />

lesen ist. Wenn diele Quellen auch pommerscher Geschichte<br />

sich so spät für uns aufthun, so haben wir darin eben die<br />

Folgen jener uns einst gewordenen Antwort zu beklageu, welche<br />

aller weiteren Nachforschung im Gebiete Venedigs ein Ziel<br />

setzte; auch <strong>der</strong> Einsen<strong>der</strong> glaubte einen Fehlschritt zu thun<br />

und eine fast unzulässige Frage zu stellen, als er gelegentlich<br />

den Versuch machte, in den Denkwürdigkeiten Sanudo's — wo<br />

das Gesuchte so zu sagen obenauf lag — die Spuren Bogislavs<br />

aufzufinden.<br />

Wir haben so eben den Tagebüchern Sanudo's eine<br />

Glaubwürdigkeit zugeschrieben, welche an die amtlicher Zeugnisse<br />

heranreiche. Daß dies für blos geschichtliche Zwecke vollständig<br />

richtig sei, werden die von uns mitgetheilten Abschnitte<br />

selber ergeben. Doch bemerken wir dazu noch das Folgende.<br />

Marino Sanudo o<strong>der</strong> Sauuto


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 171<br />

genannten Collegio, des vom Dogen, seinen Räthen nnd den<br />

obersten Berwaltungsbeamten gebildeten Staatsrathes als dessen<br />

gesetzliche Mitglie<strong>der</strong>, jedoch nnr als vortragende und ausführende,<br />

nicht als stimmberechtigte Beisitzer an.^) Vielleicht<br />

war Sanudo gerade ein Savio von <strong>der</strong> bezeichneten Art, als<br />

die ersten Meldungen von dem Conflict <strong>der</strong> Galere, die unsern<br />

Herzog trug, beim Collegio einliefen, die Meldungen hat er<br />

sofort in sein Tagebuch eingetragen; jedenfalls war er, seiner<br />

eigenen Angabe nach, wie gesagt, im fraglichen Amte als unsere<br />

Sache zu Anfang des Jahres 1499 den Staatsrath noch einmal<br />

und, fo viel wir wissen, zum letzen Male beschäftigte; und<br />

auch das damals verhandelte hat noch selbigen Tages seinen<br />

Platz in Sanudo's Chronik gefunden. Doch kommt es auf<br />

dies Verhältniß von Sanudo's Vermerken im Tagebuch zu<br />

seiner Amtszeit nicht an. Auch wenn ihn die Dienstpflicht<br />

nicht in die Staatskanzlei und in die Archive führte,<br />

genoß er^ die vollste Freiheit des Verkehrs in denselben,<br />

als ob er daselbst noch immer Verwalter sei. Jedem<br />

Zweifel entgegen wird deis durch deu von keiner Lücke durch-<br />

4) Savio bedeutet Weiser, Wissen<strong>der</strong>, Rath. Das l^Ii o<strong>der</strong><br />

degli oi'äini wird verschieden erklärt; einige sehen darin eine Abkürznng<br />

von liFii oi'diui äelli uavi, Schifsswesen; nach an<strong>der</strong>en bezeichnen die<br />

Worte die Stellnng <strong>der</strong> fraglichen 8iiv^ als unselbstständige, fremde<br />

Befehle ausführende Beamte. In letzterem Falle wäre <strong>der</strong> Name<br />

späteren Ursprungs, denn ehemals hatten diese 8av^ äei mm'6, so sagt<br />

man, eine den übrigen Mitglie<strong>der</strong>n des Collegio ebenbürtige Stellung.<br />

Nach Contarmi, 6ö m^igi-Htidus, welchem Amelot nnd die übrigen<br />

folgen, hätten sie dieselbe dadurch verloren, daß die Regierung im<br />

Laufe des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts das italienische Festland mehr nnd mehr<br />

zu dem Hauptfelde veuetianischer Politik machte und dem Seewesen<br />

seine ehemalige Bedeutung nahm. Die Geschichte des Amts ist nicht<br />

klar, wie denn überhaupt die Bearbeitung <strong>der</strong> venetianischen Ver-<br />

fassungsgeschichte vieles zn wünschen übrig läßt. Wer sich über die<br />

Grundlagen dieser Verfassung, über die rechtlichen Abgrenzungen <strong>der</strong><br />

Staatsgewalten und Behörden scharfe Begriffe verschaffen will, muß<br />

sich nach vielen Seiten hin umsehen. Das Amt <strong>der</strong> 3^' äsl nla.i-6<br />

währte sechs Monate; ihre Wahl erfolgte dnrch den Senat. Sie waren<br />

zuletzt gewissermaßen ein Ausschuß des jüngeren Adels, bestimmt, zn<br />

einem Stamm geschäftskundiger Männer herangebildet zu werden.


172 . Aktenstücke zur Reise<br />

brochenen Fortgang seiner Diarien erwiesen. Sowie die Aktenstücke,<br />

von den verschiedensten Seiten her, in die Kanzlei gelangen,<br />

nimmt sie Sanndo nnd trägt sie abschriftlich in sein<br />

Tagebuch ein. Anfänglich scheint <strong>der</strong>selbe sogar keiner beson<strong>der</strong>n<br />

Erlaubniß dazu bedurft zu haben. In Folge <strong>der</strong> kurzeu<br />

Amtsdauer sämmtlicher mit Edelleuten zu besetzenden Stellen<br />

fand auch im Dienst <strong>der</strong> 8^vs ln ordini ein unaufhörlicher<br />

Wechsel statt und führte eine stets wachsende Zahl immer<br />

neuer Genossen an die innersten Mittelpunkte des Staatslebens<br />

heran. An<strong>der</strong>erseits kehrten ans diefcm Wege auch die früheren<br />

Vorstände häusig nach kurzer Amtsunterbrechnng in dle<br />

alten Aemter zurück; solche Umstände können, von an<strong>der</strong>en<br />

abgesehn, die fraglichen Freiheiten wohl erklären, doch ließ sich<br />

Vorausfehen, daß <strong>der</strong> Augenblick kommen werden und nahe sei,<br />

wo denselben gewisse Schranken gesetzt werden würden. Schon<br />

hatten die Zeiten begonnen, wo die größten Entscheiduugen an<br />

die kleinsten Mittelpunkte verlegt, mehr wie bisher das Geheimniß<br />

zur Voraussetzung allen Gelingens erhoben, nnd auch<br />

Venedig mußte seiner Versassung zum Trotze versuchen, in<br />

diese Bahnen zu lenken. Schon einige Zeit vor dem Jahre<br />

1521 scheint zur Benutzung <strong>der</strong> Aeteu vou Staatskanzlei und<br />

Archiven eine Son<strong>der</strong>erlaubniß nöthig gewesen zu sein. In<br />

diesem Jahre wurde gewissen vier Herren, die solche Erlaubniß<br />

gehabt hatten, <strong>der</strong> fernere Gebrauch <strong>der</strong>selben durch<br />

eine Verfügung des Rathes <strong>der</strong> Zehn entzogen; fortan solle<br />

weiteren Gewährungen <strong>der</strong> Art eine nmständlichere Vorprüfung<br />

voraufgehen. ^) Anch Marin Sanudo hatte sich unter<br />

den vieren befunden, war aber, wie er selber bemerkt,<br />

mit dem Beschlusse äußerst zufrieden;^) er wußte, ihm würde<br />

solche Erlaubniß nimmer versagt werden, und er war die<br />

a. a. O. S. Ili. Die Sache ist nicht ganz klar. Da<br />

<strong>der</strong> beständige Wechsel im Amte und anch sonst, wenn wn' recht unterrichtet<br />

sind, alles andre beim alten blieb, so ist nicht abzusehen, was<br />

großes gewonnen wnrde. Vielleicht hatte man bei <strong>der</strong> Verfügung um,die<br />

Personen im Sinne nnd vermochte im Augenblick nicht mehr,<br />

l') Ebenda: Ut> io iw 8Mlo l^nt^nti^im«.).


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 173<br />

wahrscheinlich oft hin<strong>der</strong>lichen Nebenarbeiter los. In seinen<br />

Tagebücher findet sich nicht die mindeste Unterbrechung, und<br />

zum lleberflusse bemerkt er im Jahre 1523 darin ausdrücklich,<br />

fast zuversichtlichen Tones, daß er in <strong>der</strong> ihu beschäftigenden<br />

Sache „von sämmtlichen Actenheften <strong>der</strong> Staatskanzlei Einficht<br />

genommen habe"^). Die Ausnahme die, vermuthlich, mit<br />

Sanudo gemacht wurde, ist erklärlich: bereits standen, von des<br />

Mannes fauberer Hand geschrieben, emige 20 Foliobände<br />

treuester Tagesgeschichte, das damals bequemste und umfassendste<br />

Urkundenbuch und Nachschlagewerk für die gefammte Geschichte<br />

<strong>der</strong> Zeit und beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Regierungsgeschichte Venedigs, den<br />

hohen Behörden zu Diensten, Marino Sanudo war thatsächlich<br />

schou wozu ihn erst acht Jahre später, im Jahre 1531,<br />

die förmliche Ernennung durch die Zehnmänner machte, <strong>der</strong><br />

amtliche Geschichtschreiber <strong>der</strong> Republik. Wie die Verhandlungen<br />

mit dem Cardinal Nembo erweisen, waren die kostbaren<br />

Folianten noch immer Sanudo's Privateigenthum, aber<br />

doch läßt sich erkennen, wie sie in Wahrheit bereits als ein<br />

öffentlicher Besitz, als ein Theil des Archives angesehen und<br />

behandelt wurden. Wirkliches Staatseigenthum wurden dieselben<br />

erst mit dem Tode ihres Verfassers, <strong>der</strong> sie letztwillig<br />

seiner durchlauchtigsten Herrschaft, seiner i11n8tri88iuia< 8iznoi-i^,<br />

vermachte.<br />

Es mag dahin gestellt bleiben, ob Sanudo zu den<br />

Männern von hervorragen<strong>der</strong> Geistesbegabung zu zählen sei,<br />

aber er kannte das Mittel, das auch andre befähigt, dem Gemeinwesen<br />

große Dienste zu leisten: er trat an die Stelle, zu<br />

<strong>der</strong> er geboren war, und war da seinem Berufe treu bis Zu<br />

Ende. In dieser Weise hat <strong>der</strong> unermüdliche Mann, dem<br />

auch wir zu beson<strong>der</strong>em Danke verbnnden sind, ganze sieben-<br />

l) Ebenda S. 17: p(n- uvoi- vi«ti i Udii<br />

Es macht dabei leinen erheblichen Unterschied, ob damals ob nichl, die<br />

Monate liefen, in denen Sanudo ein Savio o<strong>der</strong> Senator war.


174 Aktenstücke zur Neise<br />

unddreißig Jahre hindurch^) die merkwürdigsten und entscheidendsten<br />

Jahre, welche das letzte halbe Jahrtausend gesehen<br />

hat, denn in ihnen wurden die Begriffe auf's neue gestaltet,<br />

auf denen unsere heutige Welt steht, — diese siebenunddreißig<br />

Jahre hindurch hat Sanudo ohne Ablösung auf <strong>der</strong> Warte<br />

gestanden, auf <strong>der</strong>jenigen Warte, von welcher sich damals die<br />

Entwicklung des europäischen Gesammtlebens am freiesten und<br />

dentlichstcn überblicken ließ, und hat gleich einem Himmelsbeschauer<br />

von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde gebncht,<br />

was sich ringsnm in Nähe nnd Ferne dem wohlbewaffnetcn<br />

Nnge darbot. Eine Leistung wie diese ist einzig in <strong>der</strong> Geschichtschreibung,<br />

und nur die Fülle des Stoffes, wohl Hun<strong>der</strong>te<br />

von Bänden erfor<strong>der</strong>nd, wenn das Ganze zum Drucke<br />

gelangen sollte, ist Ursache geworden, daß man noch niemals<br />

gewagt hat, eine solche alles umfassende Veröffentlichnng in<br />

Aussicht zu nehmen^).<br />

^) Vom Iannar 1496 bis September 1533. Der eigentliche Veginn<br />

<strong>der</strong> Diarien, nämlich ein Band mit den zwei voraufgehenden<br />

Jahren, befindet sich in <strong>der</strong> Pariser Bibliothek.<br />

9) Erst in <strong>der</strong> allernenesten Zeit hat ein venetianischer Gelehrten-<br />

Verein sich zn dem Zwecke gebildet, nm wenigstens einen Anfang mit<br />

solcher Veröffentlichung zn machen. Man will die ersten zwölf Bände<br />

Sanndo's — etwa bis 1511 gehend — Wort für Wort abdrucken<br />

lassen. So eben wird die erste Lieferung des Unternehmens ausgegeben<br />

und vielleicht rückt <strong>der</strong> Druck so gut vor, daß die ersten <strong>der</strong><br />

unsere pommersche Sache betreffenden Schriftstücke schon in diesem<br />

Frühjahr hier in Venedig ans Licht kommen werden. Doch haben<br />

wir darum die Veröffentlichnng unsererseits nicht unterlassen noch<br />

verzögern wollen: <strong>der</strong> venetianische Drnck dürfte seiner Kostspieligkeit<br />

halber nnr sehr wenigen nnserer Leser je zu Gesicht kommen, und die<br />

Schriftstücke sind für unsere Geschichte erheblich genug, um Anspruch<br />

daranf machen zu dürfen, in <strong>der</strong> Urschrift Vielen von nns unter<br />

Angen zu kommen, und im Verein mit einer ganz unerläßlichen<br />

Uebersetznng nnd Ausdeutung eine Stelle in unseren pommerschen<br />

Son<strong>der</strong>schriften zu finden. Auch ist eiu Erscheinen <strong>der</strong> späteren uns<br />

angehenden Schriftstücke durch das venetianische Unternehmen erst in<br />

den ferneren Monaten dieses Jahres, <strong>der</strong> Schluß <strong>der</strong>selben aber im<br />

besten Falle erst in Jahresfrist zn erwarten.


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 175<br />

Was den sachlichen Inhalt unserer Auszüge aus Sanudo<br />

betrifft, so handeln dieselben, im Gegensatze zu den pommerschen<br />

Nachrichten, nur vou zwei Abschnitten <strong>der</strong> Reise des Herzogs,<br />

von dem Seegefecht und seinem zweiten Aufenthalt in Venedig.<br />

Obgleich <strong>der</strong> Herzog schon aus <strong>der</strong> Hinreise, und zwar mehrere<br />

Wochen, daselbst verweilte und auf seiuer Rückkehr von Rom<br />

noch einmal das Gebiet Venedigs berührte, so findet sich doch<br />

in Sanudos Diarien keine Bemerkung darüber. Wir dürfen<br />

annehmen, daß es <strong>der</strong> Behörde gefallen hatte, das herzogliche<br />

Incognito bis zu diesem Grade zur Anerkennung zu bringen.<br />

Daß keine Behörde Venedigs von des Herzogs Anwesenheit<br />

in <strong>der</strong> Stadt unterrichtet gewesen uud daß nicht einmal bei<br />

<strong>der</strong> Einschiffung des Herzogs und feines Hofstaates Stand<br />

und Herkunft <strong>der</strong> Reifenden erkannt worden fei, ist nicht denkbar.<br />

Auch dem Capitain <strong>der</strong> Galere, die unsere Pommern<br />

nach Syrien führte, kann Namen und Rang des „hohen Herrn<br />

ans dem Norden," wie ihn einige Depeschen Sanudos gerüchtweise<br />

nennen, unmöglich verborgen geblieben sein, so vollständig<br />

auch sein Schweigen darüber in dem langen Reiseberichte ist,<br />

welchen er feinem Verwandten in Venedig erstattet hat. Wir<br />

muffen im Gegentheil, als den Verhältnissen am meisten entsprechend,<br />

glauben, daß Zorzi, welcher als Führer eines, aller<br />

Wahrscheinlichkeit nach, dem Staate gehörigen Schiffes und<br />

als Edelmann aus vornehmem Hause gewissermaßen als Staatsdiencr<br />

galt, von <strong>der</strong> Regierung darauf aufmerksam gemacht<br />

worden sei, daß er einen Reichsfürsten an Bord habe und für<br />

dessen persönliches Wohl und Wehe dem Staate verantwortlich<br />

sei.<br />

Es muß hier davon Abstand genommen werden, den Inhalt<br />

<strong>der</strong> vcnetianischen Berichte eingehend mit den pommerschen Darstellungen<br />

zu vergleichen, zumal die heimifchen Quellen an<br />

dem Orte, wo <strong>der</strong> Einfendcr sich gegenwärtig befindet, demfelben<br />

nicht vollständig zur Hand sind. Anf einzelne Abweichungen<br />

und gegenseitige Ergänzungen <strong>der</strong> beiden Darstellungen<br />

werden die Anmerkungen hinweisen, welche die Nebcrsetzung'<br />

des Urtextes begleiten sollen. Abweichungen erheblicher Art<br />

12


176 Actenstücke zur ))icisc<br />

nnd unauflösliche Wi<strong>der</strong>sprüche sind aber ^ und wir heben<br />

dies eigens hervor — so viel ich gesehen habe, nirgends vorhanden.<br />

Der größte Unterschied zwischen <strong>der</strong> pommerschen<br />

und <strong>der</strong> venetianischen Darstellung ist ohne Zweifel die viel<br />

größere Bestimmtheit nnd Reichhaltigkeit <strong>der</strong> letzteren. Namentlich<br />

von dem gefahrvollen Secabentcner gewinnen wir hier<br />

ein so dentliches nnd an neuen Aufschlüssen so ergiebiges Bild,<br />

wie es ausgeführter nicht zu erwarten war. Aber auch die<br />

pommcrsche Quelle bietet ergänzeude Einzelheiten, die nicht zn<br />

missen sind, so beispielsweise die Vewaffnnng nnserer Pilger<br />

betreffend. Nur in Einer Beziehung erscheint das venetianische<br />

Bild für nnfere Augen nnd Ziele sehr wenig befriedigend:<br />

was uus als Mittelftuukt gelten muß, des Herzogs Person,<br />

sie fehlt in ihm gänzlich, alle nnserer Pommern „mannhafte"<br />

Gestalten, une die venetianischen Berichte sie mehrmals bezeichnen,<br />

erscheinen in einer Allgemeinheit nnd Vcrwischtheit <strong>der</strong><br />

Umrisse, die keines einzigen Persönlichkeit nnd persönliche That<br />

unterscheiden läßt. Anch in Eapitän Zorzis Privatbrief iio^r<br />

das Abentener ist dies in befremden<strong>der</strong> Weife <strong>der</strong> Fall; doch<br />

glanben wir die Urfache davon bereits bezeichnet zn haben:<br />

das herzogliche Incognito, das <strong>der</strong> Schreiber nicht anrühren<br />

durfte.<br />

Zn den erfreulichsten Aufschlüssen, die wir Sanndo verdanken,<br />

gehört ohne Frage die Gewißheit, die er uns über den<br />

Ort des Zusammenstoßes mit den Türken verschafft. Dalmers<br />

sonst so znverlässiger und gnter Äericht ist hier nicht<br />

sowohl undeutlich wie irreführend. Folgen wir ohne Argwohn<br />

uud nähere Prüfung feinen geographischen Angaben, so ist die<br />

historische Stelle an <strong>der</strong> südlichen Felsenknste <strong>der</strong> Insel Eerigo,<br />

ganz nahe von dem Cap Bnsa zn snchen, das Cretas änßerste^<br />

Vorgebirge nach Nordwesten bildet. Doch beruhen diese Dal<br />

merschen Angaben auf eiuem Mißverständniß o<strong>der</strong> gar einem<br />

TeMer<strong>der</strong>b, die venetianifchen Berichte lassen darüber nicht<br />

den mindesten Zweifel, wir werden die für nns klassische Stelle<br />

ans das gcnaneste bestimmen, sie ist ini Eanal von Eerigo, also<br />

nordwärts <strong>der</strong> Insel gelegen, in jener Straße demnach, die


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 177<br />

noch heute fortwährend dem großen Verkehre zwischen dem<br />

westlichen Mittelmeer und dem Archipelagus dient, wo sie ein<br />

je<strong>der</strong> von uns, dem das Glück beschieden sein sollte, einmal diese<br />

Straße zu ziehen, mit leichter Mühe wird auffinden können.<br />

Das große Aufheben, das —- zu unserm Gewinn — alle<br />

amtlichen Meldungen von dem an jener Stätte verübten türkischen<br />

Frevel machten, begreift sich: doch nicht aus dem erlittenen<br />

äußeren Schaden allein und <strong>der</strong> Empörung über die Unthat.<br />

Ein politisches Interesse von erster Ordnung war hier<br />

im Spiele. Nach langen nnd blutigen, von dem unersättlichen<br />

Nachbar immer aufs neue erregten Kriegen war endlich seit<br />

einigen Jahren Friede zwischen dem türkischen Großherrn und<br />

<strong>der</strong> Republik von San Marco; aber je<strong>der</strong>mann wußte was<br />

solch ein Friede bedeute: nur eine flüchtige Rast, die jeden<br />

Augenblick enden konnte. Den Türken trieb ein heiliger Wahn<br />

ins ungemcssene vorwärts gen Westen, uud die von Europa<br />

verlassene Republik war erschöpft, ^) und auch dem Feinde<br />

konnte das nicht verborgen sein. Was die Einsichtigen schon<br />

lange gewußt, <strong>der</strong> letzte Krieg hatte es allen offenbart: die<br />

venetianische Macht war we<strong>der</strong> zu Lande noch auf dem Meere<br />

dem Halbmonde mehr gewachsen, die Zeit kam herbei, wo <strong>der</strong><br />

gesammte levantinische Besitz von Venedig an Län<strong>der</strong>n und<br />

Leuten, auf Festland und Inseln, sammt allen Reichthümern,<br />

die sein unternehmen<strong>der</strong> Adel in Landgütern und Faetoreien<br />

dort angelegt hatte, eine Beute <strong>der</strong> Unglänbigen werden würde.<br />

Schon waren <strong>der</strong>en unerbittliche Brandfackeln verschiedene Male<br />

in Sicht <strong>der</strong> hauptstädtischen Thürme erschienen, schon hatten<br />

ihre siegreichen Landtruppen an <strong>der</strong> dalmatinischen Küste des<br />

adriatischen Golfes Fnß gefaßt, schon hatte ein die Zugäuge<br />

des Golfes hüten<strong>der</strong> Admiral die Weisung erhalten, um jeden<br />

Preis einem Zusammenstoß mit <strong>der</strong> verdächtig umher schwärmenden<br />

Türkenflotte auszuweichen;") Frieden um jeden Preis<br />

i Von


178 Actenstücke zur Reise<br />

mit den Türkeil war die Losung <strong>der</strong> Republik, die Losung<br />

aller Venetiauer geworden. Wir führeu dies näher nicht aus,<br />

das Gesagte genügt, uni die Aufregung Zu verstehen, mit welcher,<br />

bei <strong>der</strong> Kunde von dem Ereignisse im Canal von Cerigo, sich<br />

ringsum alle Behörden <strong>der</strong> Republik in Bewegung setzen, den<br />

Vorgang so schnell und so dentlich une möglich <strong>der</strong> Staatsregierung<br />

zur Kenntniß zu bringen; auch Sanudo sieht in<br />

demselben im Gruude nur eiu „Signal", daß <strong>der</strong> türkische<br />

Großherr auf neuen Friedensbruch ausgehe; gegen diese Bedeutung<br />

des Vorfalles kann alles, was ihm sonst bei demselben<br />

bedauernswerth scheint, nicht aufkommeu. Anch ließ in <strong>der</strong><br />

That <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>ausbruch des Krieges keine zwei Jahre auf<br />

sich warten, und Venedigs Verluste beim Friedensschluß<br />

waren groß.<br />

Die Sprache, in welcher die Auszüge aus Sanudo geschrieben<br />

sind, ist <strong>der</strong> oenetianische Volksdialect, wie er im<br />

Wesentlichen noch heute gcsprocheu wird und während eines<br />

halben Jahrtausends die amtliche Sprache <strong>der</strong> Republik war.<br />

Lei<strong>der</strong> ist die Orthographie in demselben, nach <strong>der</strong> gewohnten<br />

Weise des Mittelalters, so willkürlich und regellos, römische<br />

Schreibweise beliebig mit venetianischem Brauche mischend, daß<br />

<strong>der</strong> Charakter des Dialects dadurch sehr entstellt und die lleberleitung<br />

<strong>der</strong> Worte in die italienische Schriftsprache etwas erschwert<br />

wird. Znr Hülfe geben wir im Anhange einige<br />

Fingerzeige.


Herzogs Nogislav X. in den Orient. 179<br />

Aus Marino Sanudos Tagebüchern.<br />

Handschrift <strong>der</strong> Bibliothek von San Marco<br />

vii<br />

in Venedig.<br />

luexe ^) äi ^U08t0 1497.<br />


180 Actenstücke zur Reise<br />

6t tHiiäom l'ulti, 11011 13. potondo Ii3.v6i', liuto -^)<br />

6t 1k 1)1-11806 ^^)) I3. l^U3.1 NOVA lo 63.t3.VÌ88ÌlQ3. 6t äi<br />

ä3.mi0, 81 P6l il P6rcl6i- äi I3. ^3.1ia, 26iitii0miiii)<br />

6t I113.1'il13,I-620, c1i6^) il iioi' 6I16 vi V3.äi, 60U16 ^)61' li<br />

61'6^1'iiii, 6t 6ti3.HI 6Q6 UQ<br />

11011 Iia. 1)0113. P3.X6 ^^) 6011<br />

6t 3.1icli6 P61' I6tt61'6 di IiÌi0NÌl11 , ^<br />

V6äit01' äil 3.1-1113.(13., c1^t6 3, 60r0I1, 86 iiit686 (^1168t0, 61<br />

ivi (lì 60I113.11(iHI116Iit0 dil 6H^)itlU1 2 611613.1 3.11-<br />

ÌQ 3.I-2M6i3.^0 6t ä()V63. f3.r 63.V3.l il<br />

Ü0r0H 6011 ci0 AalÌ6) 8013.60Uiiti 2U3.11<br />

?I-3.I166860 V6UÌ6I' 6t «13.601110 I0l6(i3.111 ^), 861Ì886 3.V61'<br />

ä3.t0 V086^^) 6011 3.l6UIii Crolli, 6t liim3.iici3.t0 13.<br />

I10VÌt3., 6t 6li6 lì 1i3.VÌ^ rÌ8p08W 3.<br />

t0 6ii6 li ci0II13.Iici0 : 61 V08tr0 8i^1101' I10Q IiH 1)0113.<br />

P3.X6 6011 13. NÌ3. 8ÌF1101Ì3.? 1Ì8P086 : N13> (li 8Ì, 1113. IiH<br />

811 l5d ^3.1Ì3. 6II3. 3.I61111Ì tr3.I1668Ì 801<br />

U10li0I1 81 1i3, 66lt0 clÌ6t3. ^3.1Ì3. liil 23^Q0<br />

8Ì 1)3.rti 3.äi 28 211A110^) 6t 6l6ci6V3.I10 ku880 3.1iä3.t3. äi<br />

lu0r3. VÌ3., 6t oli6 61^3. ^)3.ltit0 li6 li UQ0 A3.1Ì011 3.1 ^U3.1<br />

l0 t1itt0 H0I1 3.11^3.1') 6li6 13. tl'0V6I'3. ki18to cli ^111-6^, 6t<br />

6ii6i (1Ì886 61 ^)3.ti'0Q: U0I1 16 8til110 6t 16 ÌQV68tÌi'0, 61<br />

H113.1 66 l3.6ÌiÌ P0tl-Ì3. 68861- HU68to li6880 6t Q0I1 la<br />

.: t3.IN6I1 M68t3. t61'I-3. 61-^3. äi IQ3.I3.V0Ì3, 6t l3. MI<br />

r6ti6V3.I10) 6t t3.II16I1 8Ì tr0V3.V3. 3. 86^111-3.1' 3. t1l16.<br />

P6I- 66Qt0. UIiä6 li Mtll-i äi lU0ii6FÌ0 t61'lliil10110<br />

I' IN3.XÌII16 3> t1Ì6t6 li18t6 6t 1)3.126 6t trH Hi01'0<br />

60N81i1t3.V3.N0 filili Q611l1i1II1 6t 13. P1'0VÌ8Ì0116 ili f3.6t3. ^)<br />

831-3. 86ri^)t3. ti3. H1168to 3.1ti'i I3.Ì, ^^) IH3. PI1I113, 86I-ÌV6r0 61<br />

Olitolo äi la I6tt61'3. V6Q1it3. äi M3.1V3.8Ì3. N6i<br />

60I18Ì8t6 tiit0.<br />

dutai'OQO. 28^ j)i-^0(;i^^ di'ueeiurouo. 29^


Herzogs BogiZlau X, in de» Orient, 181<br />

II.<br />

ia äi lettera, äi H^erouimo 23llt3.ni, poäegta äe<br />

M3.1v38Ì3, »cripta 3.1 Nl^uiüco rector äi uioäoin<br />

3.äi 4 Iiuio 1497 et per äicto reeeputk,<br />

3.1 reximento äi Oor5u, v^:<br />

(Seit^- 329 !..)<br />

.^di ultini0 /.ugno ^1'oximo 1)U88l<br />

i'^ 6t.<br />

Q^ oi P^83^1' (li 7<br />

tH 8ÌN (I , 1<br />

^)1' 6i p1'686Nt6 1N6880 ld ^)03t^.<br />

(I6i 8NC66830 (16 6ìt^ lN'INiVtQ 0l tutto<br />

(IÌ60 li Vo8ti'll N3.^nit^66nci^ ('01N0 80N<br />

mio c^poii^NI 39)) il (^UHi Ilo 1N^N(Ill.t0 Q<br />

I' Ni lo 00886 oportuno (Io li.


182 Actenstücke zur Reise<br />

1'68 86 nal)6at, 81 Iia clii 20N26r ^^) 8U0 ìli oanäia<br />

6t I)6r pin 6niai62a HUÌ 80tto not6ro uno empitolo cli<br />

1ott6i'6 V6nnt6 äa limoli cli Uoinania, clii c^ual Io60 80<br />

int686 M68ta 80pra ditta dona. nova.<br />

IV.<br />

OopÌ3. äe uno Oapitoiio äe lettere äii Nla^niüeo M6886r<br />

fr3nee8co Venier 03.pit3.u e proveäkäor a Xapoli äi<br />

romania äe äi 9 I


Herzogs Vogislau X. in den Orient. 183<br />

mio gripo olio parti por ooi'0n, 00PÌ080 dil oaxci"")<br />

N08ti'0 80^uito 00N larmada ^111'oli08olia 6t por il ^on^or<br />

di Hill adi 5 di 11168301' 21ian ^1'aii06800 V6NÌ6I- Ii0 int080,<br />

c^uol ^1a^nÌiÌ00 plovodadoi' av6r 801'ito do li olio tiiti<br />

imi oramo 8tati 11101-ti 6 sondata 1a ^alia et di<br />

a 8pa^at0 11N0 I)1^HIitin P61' (IM' HVÌ80 6Ì t9.l<br />

W doglio 1)01- la nF^IINt), vi IiHV0t6 M6880 poi' ol<br />

6 MÌ C0INMÌ, 0 N011 (10V0^ 3PH2H1' 8Ì P1'08t0, 1)611<br />

8ÌH V0111it0 3. 0l10 N1H1Ì0 ^^) 6 IN Hiiol li10^0 1iHV6r Ìlit680<br />

tcil N0V6) clov63. pl'iiNH 83.P6I- il voro.<br />

U08ti'0, U^AIiitioo 011^113.(10, 0 8t3.to olio<br />

cicli 30 (lo! P3883.t0 /.oroliH H Hoi'i'o 51) 4 cli 20rii0, o886ncl0<br />

uni intimai N6l 03.N9.I cli oorÌAO 6 03.0 1N3.1Ì0, HV6886IN0<br />

VÌ8ta do 1^1'N13.d3. ^1il'0li680li3. I3 ciurlo oi^H 80i7t3. 80t0<br />

03.0 1N3


184 Actenstücke zur Reise<br />

oap0 di (^iiolla ovor Capitano, non V0136 dirlo, ma 80I0<br />

gridando : Oliila, amaina, ad alta V000 . por la<br />

0083, molto pin dnln'tai, non fo880 camalli, di<br />

liavoa i'atto im prinia . vÌ8to i^iiO8to, 8iil)ito tÌ8Ì motor<br />

la Aalia in Iiordono ^^) al IN0^'1i0 8(; ^otc^iw. in<br />

) Ulm F^lill. ot UNQ t'ngt^ Cliä^näo: ^<br />

P61' mi 86MP1'0 li t'o VÌ8p08tO : climi cui<br />

Ii6 il C3,^)it^n, Ho t'a.1'0 61 clorito mio. loro 110Q<br />

M9.Ì cullo. M6 1^1-86 1)61- (I6l)ito mio et P0<br />

M01't6 6t o^ni altro ^6iico1o, olio clovei' ^M^ÌII^I' 116<br />

PO1'30I1O olio non orili C0^no3ointo. 8ul)ito lo<br />

V6lo ^)i'inoini^ ^ cltii' 1:d I)^tli


.Herzogs Bogislav X. in den Orient. 185<br />

loro 3.1 modo e t6i'1N6N6, 86ntrov3,va 1a dit3 Aalia, oll 6<br />

tutto 6l castello ardeva con tuta la lianda d68tra tino<br />

80pr3 ei vivo 1)01' 1 astiinoli elie ardeva 80pra quella<br />

danda, et etiain loi'O 8traclli del tra^er^2) (Io lo t>626<br />

6t t'uo^i, ei dito eapitano fe^e levar la bandiera. 6t<br />

i'Ì6^u^, ot 0II8Ì iouo t^to ^01' mi. N dit0<br />

8U.I)it.0 inondo 1


l^6 Aaennücke zur Reise<br />

6l dito (^HpitclN inondo P61' Ml 6t l6plicono l6<br />

di^mido cnc l3> colpii 6rr3. 8t3.tll piu NN3., 6li6 (-U88Ì<br />

dov6886 00nt6831'. V6N6 dg. POI l)6N6d6tO 61 I)^I'^6tiI P6dot^,<br />

P61' 61 czull.16 t0N16 ditto 3.883>i PHI'Oll!, li'3. l6 (^U^Ic<br />

dÌ86IN6 : Mtl'Oll, sp168to MIO (Ü3,pit31 t<br />

V^ndo mi N6 I060 dov6 ini ,<br />

6t tutto svuoilo clic loro volo^) P61' l^^V61' ll^ d6li-<br />

1NÌ3. con tnti) IN^ d^ poi lll> V61'it3. 86MP1-6 8^1'Ä<br />

r tuto. l)Ì86iQ6: Iioì' mlonoll^ tu non voi<br />

^lg'unll. N6 dii'


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 187<br />

tu ino t'68ti clii' cli6 di guanto 61'ia. 8ta 86ßuito, dovoa<br />

68861' 0U8Ì POI' 68861' 861'ito 1161 sront6 HU68to. to dioo<br />

6N6 Ii6886Ndo 861'ito ìli fr0nt6 6N6 l^U68ti tl^UÌ^HI'i doV6886<br />

morii' in 8ta uata^lia, 11011 86 Mol a>nda,r oontro 61<br />

V0I6I' ä6 dio, adi paoiontia 60m6 10 no paoi6ntia. d6 1a<br />

116 80110 Elicli più ä6 150 6t IQOI'ti 90.<br />

^


188 Acteiistncke zur Reise<br />

poriool^o (io la vitll. no8ti'li s^nlinto olixo olio<br />

i'o30. nni 80 litio Vllvomo in ti'0 m:i.ini'o8ti noiiooii: (llii<br />

olio lli. ^lilili, lii'slovll, tntli, to^lio 8MN0 8tlit0 NN0<br />

livoi'lli. (lo8tnii(lii, 1 li.lti'0


.Herzogs Vojislav X. in den Orient. 189<br />

dano da due. 400 in 8U8o per I^av6r P6l8o tuto 1<br />

IN0N^ la 1N6^ana, la tenda^ 0I copano, a88ai r6ini I)ru-<br />

8ado, tuto 61 Oratolo l)1'U8ato, et Ig. I)anda d68tra, ^0IN6N6<br />

da Aaridar lu8t6, 6t tute le Lartie 66 la M62ana, eon<br />

altri dani 6t Uianif68ti ^)61'Ì60i1ì di i'liOAO. ti'6 voitk 61<br />

luoZO introno N6i i)Ì2U0l 6t (Io inaiava 6.H prova. 6io<br />

por li! 8na I)0nta non na voi68to tanto mal6. V6N6ä6t0<br />

na P61'80 csua8Ì tuta la 8ua ro^a P6r 6886r 3ta 61 8U0<br />

i'or/.Ì6r sopra 61 6a8t6i1o. 16 ronia80 6on una V68ta 8o1a<br />

80.)<br />

17 intro6 d6ntro li doi 6a8t6lli 6t ritorno la<br />

dil ^aiio, patroni alvix6 ^or^i da 8an lantin. vid6-<br />

quella di p6i6Arini, la c^ual, 60ino l^o dicto di<br />

nl)at6 con turclii ot 8Ì dil686 viri!in6nt6, 6t<br />

tra gli altri p6roFrini vi 6rra uno duella di pomaria^)<br />

inolto ^ran ina68tr0) dil c^ual più di 8oto N6 parerò,<br />

6l


190 Actenstücke zur Reise<br />

amatati 0 lati 30niavi 1^88ÌlI1NO PIO NNN0 di lui 6t<br />

il 3U0 NOIN0 0t tituio (^lii PONLI'O:<br />

86tÌN6N8Ì8<br />

ru^i0 li.0 00IQ08<br />

VII.<br />

(Seite 381.)<br />

22 ditto 61 dnolici. di pom^ria. nominato di<br />

0I cin5l1 0 di 8tiitnrH dol konio, lo00 dii' lio la<br />

0liÌ68Ì3. di 8M1 MHrono 1 0U0Ì0 di morti 0011 nna 80I011N0<br />

M088H in 03.nto P01' 1 anima, di uno karon 8U0 0OINpa^NO<br />

molto in ciu08to via^o di ^0ru8ai0in 0Oindat0ndo 0011<br />

tui'0lli) VÌd.6iÌ06t Domino ^N1'Ì3tololO pol0N3^, 0t poi,<br />

0ompito 1 OU0ÌO) ando6 00N molti Lontnilomilii 0ll6 li<br />

i'0va 0Oinpa^nia, a 1andÌ6ntia di la 8ÌAN0i'ia, 0t lÌ06vnto<br />

dal pi'in0Ìp6 0011 ^ian l08ta, 8tot0 a88ai, 6t poi 6l prin-<br />

0ÌP0 lo a0OinpaZno di 8otto NNO a la 80alla di pÌ0i'a,<br />

0t in ^N08to ^01'NO Domino Nai'00 malipÌ0io, V0nnto<br />

00N Ini, 0OM0ndatoi' di 0)'P1Ì, li doto uno dÌ8nar di 40<br />

man di dandi8on 0 a o^ni mali mutava lo/.a 0 apai'ali<br />

di taola 0t orano ^ollam 11 a taola 0t pi'inia c-li0 8i


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 191<br />

80iitli.886N0 doto tro 00ll30Ì0ni ini pi Olli di divor8O 80rto<br />

0 8totono li. tliolli, dli, liorro 19 lino liorro 3 di noto.<br />

008to ditto plinto duo. 180. (Huo^to duolili. lili, il 8U0<br />

P3080 VÌOÌN0 li. Ili dlioili, ot 0 di Nlitiono l^U3,8Ì (^ott0)<br />

Vli. porlio v08tit0 li Ili. o1omli,n3.^^) orili 00INO poloArino<br />

00N UNli, A1'088li, O0ilcidonli.. I^t poi olio 8toto ^0rni . . .<br />

in (^u08t3 torrli, 8Ì partito ot liNlioo li rollili, ot ditto<br />

lili oonduto domino pi oro irlinoo8oo dli rlivonli. dootor<br />

ot Oli.v3.1ior, olio lo^o in rlixon olinoniolili, li pli.d0li, oliili-<br />

Mli.t0 dli, la, M6M0rili,) ollol Vlidli, 00N lui noi 8110 pli.080<br />

3, i620r in o^uoi 8tndio ot lo voi llir rioo 0 dlirli UNli.<br />

lotura. li lili, donato por primo duo. 100 ot duo. 25,<br />

dli oomprlir do olivlili, lioio oi 8ili in bordino ^iilindo ol<br />

torni dli. romli. li,d lindor oon lui. ot ou88Ì ditto diiolia.<br />

lindoo li romli) 5lioondo Ili vili, di 83nt3, mlirili, di loroto<br />

por il V0t0 liliVOli. Q0t0) il 8U0 8tlit0 0 lontano di (^ni<br />

millo ot duoonto miglili.<br />

vili.<br />

lil 1497. 3,äi 4. ^.Ii08to.<br />

(Seite ^92 d.)<br />

N0N orrli, in tutli^) 8ÌN0 3 ourlioino, tirmo inli8tlido<br />

lo 10 olio Z^olirili do ^lir^oni di 8or<br />

a. rodi, olio ^) lorior, noi 8uo i'or^ior por<br />

tornir 1^ 8iili, Olimorli. Nrr3 25 trli i0noli0ni o plirto-<br />

83N0, ^linoto 0 8p0Nt0NÌ, 6 lo 8U0 rodolo 0 tlil'AOtO 10)<br />

lo (1113,1 lirnio lo 03U83, di V3ront3r ia vitll, 3 50 por80NO)<br />

porolio (Iii3iid0 un ^3iÌ0t0 orr3 ioridO) ol motov3, X080 ^^)<br />

0 1 liltro t0loV3 13 rodolli, 8U80 ^) ot sov3 difo83. i POlo^rini<br />

in I000 di ourli^ino 80 motov3N0 i 8trHp0ntini<br />

ind0880 l^oondo UN0 1)1180 in mo?0 00M0 X01N03 por<br />

380^ur3i'80 di lo fi'07.6. l3. lilitui:l. (l'iro 4 in 5 liorro.<br />

13


192 Actenstücke zur Reise<br />

Uno ^urco, dudit3ndo ^ zelili non tu836 ^i'683,, 8i duto<br />

in in3i' 6 3.ndo 3 Io iii8t6 di 'l'inolii 6 Inolio lo 03U83<br />

di 13 8I.ivI.ti0 di dit3 ^3iÌ3. ^113, 0011 duroni 1)6N6d6to<br />

) dot3. il plitl'ON 3V6 QV61't3 da<br />

ni di 00N83I' oon d3N3ii por due. X^- i ^UI.1<br />

in ^3,1i^, e ^nooi^ un 15'" ^0uti in c;I.ndÌ5l>. tutti<br />

3. la. MIdouli di mii'^coli, tut^ 1^ tori'3. li vo<br />

N6110 3. vOdßi' 8u1 1NU0I0. lui'Hi<br />

in ^2.1ia. l0 trovato in ^3,1Ì3 t^i<br />

^ui-^Qi 0Q6 V0i^03. 4 P3imi. I.i6^i'6t0 di<br />

con 4 3.1tri lo INOI'ti 0 di ^uicni inoi'ti 30<br />

N0t0 : ^0nti hui, D0N1ÌN0 Nlii'00 ^I^ii^ioro loi'iLl, V6N6<br />

00N ditll. ^^1Ì3.) dono a.1 ^^ti-0n duo. 5)00 6 li noii^lini 200.<br />

IX.<br />

^äi 13. l'evi-kl 1498.8!)<br />

II. Seite I7.">1>.)<br />

In<br />

dii ducila, di I^oinoi'^ni^, stinto (^ui ot nonoi'3.to<br />

ool Luointoro 1 3NN0 ^)3883.t0, (iU3ndo t0lN63 di tloi'U-<br />

83.16IN. 3. 13 l^U3l lottoi-H io 80iioit3ndo et li 83vij fono<br />

00Nt6NtÌ. li l60Ì 53,1' iÌ8^0t3 V6rl)3 ^)1'0 V61'l)Ì8) 13.<br />

ia. äß una letera 80i-itH ver il äuclig. äi V0in6r3.ni3. ^<br />

la. 8issQ0rÌ9< Q08ti-3. et lg. riposta, li lo lata.<br />

111118^881^6 P1'ÌN66P8 si'3t61' 6t 31NÌ66 o1)861'V31itÌ8-<br />

3ÌIN6 : I^,6V0iv6NtÌl)U8 N0i)Ì8 3N1N10 ^U3nt3. N08<br />

6t IN3N8U6tiidÌN6 di^nit3<br />

6t 00MÌt3t6 : duiN V68til8<br />

^) 8Ì0! "') Nach veuetianischer Zählung; demnach: l4W.<br />

^) In Nr. X nnd XI ist die Intcrpunction des Originals beibehalten<br />

worden. ^) 8ie!<br />

_


ti8<br />

Herzogs Vogislau X. in den Orient. 193<br />

1' in 01'i8 : 'IViictH^it ot l0V01'it N0N N0t08t N0N<br />


194 Actenstücke zur Reise<br />

tÌ0N61H 3.11101^8 6t l)6NÌV0i61itÌ6 (^U6 8ÌN061'6<br />

ÌN^6N116 NON POtiiÌ886 in 1i00<br />

tiiNO 3.cIÌU1^l6I'6. l^116 liiÌ386iit<br />

6t d68Ì(i6I'ÌÌ N03tri 80Ì1i06t I^X06ii6ntÌ3, V68tl3<br />

tÌ38ÌN13, potilit 6X Ì^)8H (^U6cuN(1U<br />

p1^Q6 60I^66t3.rÌ MI)1Ì8 ll16lìt IQ6I18<br />

^(1 Ì11ÌU8 6X^1tHtÌ0H6IQ 1i0I10I'68 6<br />

i 0VÌIQI18 6X liNNI 3.11188111118 6M8<br />

IQ6N8Ì8 Q0V6IIidl'Ì8 1111110 110^)18 16(1(1ÌtÌ8<br />

^U6H1iaÌ88Ìl110 HUÌIQ0 6X<br />

V186 p i t l<br />

Ìl100iiHN6II1 6t<br />

0Xp60t3,tÌ88Ìmiiiii ìm^) ^)3.ti-Ì3.lli l'oaditum tnm<br />

3.U10rÌ8 in 86 Q08tl-i t6H3.0Ì88ÌlH3I11 U)6IQ0I-Ì3U1<br />

1iI)6I'Ì0I'68 6t<br />

0l)1ivÌ80Ì ^urÌ8 6t ^rbitrii 811Ì 6886<br />

6t 1111ÌV6I'8Ì8 ^61)118 H08trÌ8 dÌ8p0I161'6 N60 860118-<br />

cl.6 3m3.QtÌ33ÌlH0 6t 8Ìl)Ì O0Q^NI1otÌ88ÌlI10 prinoi^)6<br />

3.0 ä6 P1'0^)I-Ì0 8t3.tl1 8110 l3,06r6 ^)0t68t ^U3IN alii 3.0<br />

l6iÌ0Ìt6I- VÌV6r6 ^j6r0^)t3,II1118. D3t. IQ NOstlO 6.1103Ü 1)3-<br />

i3.tÌ0 6Ì6 X.X.""- l6^I'N3I'ÌÌ 1I1(1Ì0tÌ0I16 8601111^3. 1498.<br />

Ut 6r3.t 8iiI)80i'iptÌ0 1113,1111 cl6xtr3. in N30 forine<br />

viä6Ü06t : ^11AN8tini18 L3.rb3.ai00 v6Ì (^I-HtÌ3. diix V6N6tÌ3-<br />

liim 6to.<br />

^. t6r^0 : I11i18tl-Ì88Ìl110 ^rinoi^)i D0INÌN0<br />

cloi ^I-3tÌ3. 8t6tÌN6N8Ì8 P0N16I-3UÌ6 03,881ibÌ6<br />

tiuoi I^11^Ì6 prinoipi 6t OOIIiiti 5nt2l(0N16N8Ì ^^)<br />

3N1Ì00 nostro 031Ì88ÌIN0.<br />

1^3 M3.1 I6tt6r3, 10 I3. aiti 3 pÌ6r0 P6nä6i' t0li6800,<br />

la. cjU3i 8t3.tim m3.nä06 I3. 6.itt3. 3, 6880 clnoli3 P610I16<br />

3. 03.811 (ini 61^3. 11N0 Ä6 li.


.Herzogs BogiZIav X. in den Orient. 195<br />

Übersetzung.")<br />

i.<br />

Vom Monat August 1 497.<br />

Am I.August überbrachte^) ein kleiner Schnellsegler, ^)<br />

den <strong>der</strong> General-Capitän und <strong>der</strong> Kriegsproveditor^) Domö-<br />

) Malipiöro am 19. Juli von Cattaro abgesandt hatten,<br />

92) Eine möglichst wortgetreue Ueberjetznng ist unser Ziel geblie-<br />

ben, doch ließen sich bei <strong>der</strong> oft wirren und nachlässigen Schreibweise<br />

Sanndos und seiner Gewährsmänner die Satzgefüge und Satzver-<br />

bindungen des Originals nicht überall beibehalten. Sanndo sucht selbst<br />

seine Stilmängel zn entschuldigen, nur auf die Sache sei es ihm ange-<br />

kommen : ),8o1um il 8U0L6880 (die Thatsachen) ssui 81 vsäi-H, 36U2H<br />

üItl-0 ^I6^uut.6 8tilo. I^6AH olii voi Flll, uou mi I'ipi'euäk".<br />

^) Dem sog. Collegio nämlich, uud zuuächst <strong>der</strong> sog. Signoria,<br />

d. h. dem Dogeu und seinen sechs bezw, ueuu Beiräthen.<br />

^)


lW Aktenstücke zur Reise<br />

die denselben über Corfn ans Malvasia'^') zna/^ana.ene Nachricht,<br />

daß"^) nenn türkische Schiffe, nämlich sieben<br />

Fnsten''-') nnd zwei Barken, ^"") welche mttev dem Corsaren<br />

Wir werden nns des hier gebrauchten :'>ccent5 auch in <strong>der</strong> Folge be-<br />

dienen, nin über den richtigen Tonfall teinen Zweifel zn lassen, ein<br />

Ansknnftsmittel, das hente allgemeine Gültigkeit hat, wenigstens bei<br />

den italienischen ^exicographen. DoiM'nego :I^alipi


.Herzogs Vojislav X. in den Orient. 19?<br />

Gansabat Enrichi als Oberbefehlshaber^) ^d einem gewissen<br />

Barbeta, einem Rebellen aus Creta, ^) ^Z Oberlootsen, "')<br />

zum Ver<strong>der</strong>ben aller schwächeren in den Gewässern von<br />

Fahrzeuge für Krieg wie Handel. Gewöhnlich führten sie drei Masten<br />

mit viereckigen Segeln.<br />

lu>) Capitano, hier nicht als bloßer Schiffscapitän zn verstehen.<br />

Sanndos obige Angaben über die Stellung dieses Enrichi, o<strong>der</strong> Richi,<br />

wie er ihn späterhin nennt, werden dnrch seine weiter nnten folgenden<br />

Mittheilungen wi<strong>der</strong>legt. Oberbefehlshaber des Geschwa<strong>der</strong>s war ein<br />

an<strong>der</strong>er Capitano, <strong>der</strong> aber von Sanndo auffallen<strong>der</strong> Weise nicht nam-<br />

haft gemacht wird, obwohl er znletzt die Hauptrolle übernimmt. Im<br />

Voehmerschen Kanzow wird er Mnstaphns nnd oberster Gamyr ge-<br />

nannt, bei Malipiero (a. a. O. Seite 154 nnd 641) heißt er Perichi. Die<br />

dienstliche Stellung des Richi zn dem Perichi ist nicht recht klar; Richi<br />

war ohne Frage bereits in den türkischen Kriegsdienst als „Provisio-<br />

ner" fs. unten Anm. 125») übernommen worden nnd befehligte türkische<br />

Kriegsschiffe, fnhr aber fort den frechsten Seeraub zu treiben ange-<br />

sichts jenes Perichi, <strong>der</strong> sich an solchem Unfnge persönlich Wohl nicht<br />

bethciligte. Nnd doch hatten sich die Türken ini letzten Friedensver-<br />

trage von l l7!) ausdrücklich verbindlich gemacht, allem Piratenweseu<br />

zu steuern und dessen Urheber zn bestrafen. sRomanin a. a. O. V. 133.)<br />

An dieser Wegelagerei übrigens betheiligten sich alle das Mittelmeer<br />

und die atlantischen Küsten umwohnenden Völler.<br />

in) Creta, o<strong>der</strong> Candia, war venetianisch, Varbeta also ein<br />

Empörer gegen die Republik.<br />

'^) Armirü.io: Admiral; aber hier nur eiu Subalteru-Veamter.<br />

Später wird dieser Barbcta als pedata, Obersteuermaun o<strong>der</strong> Ober-<br />

lootsc, bezeichnet. (Vgl. G. Casoni's Anm. im ^reuivio Ltor. VII.<br />

S. 6^4.) Eiu geborucr Caudiote mußte <strong>der</strong>selbe iu den dortigen ge-<br />

fährlichen Gewässern den Feinden Venedigs ein sehr willkommener<br />

Wegführev seiu. Bei Malipiero kommen die armiraj auch als Ober-<br />

sten nnd Hanptleutc muhamedauischer Reiter vor. Iu <strong>der</strong> venetiani»<br />

schen Marine hatten die ^ootsen-Commandanten <strong>der</strong> Häfen den Titel,<br />

<strong>der</strong> anch nmii^s), üiinii^^io, nllniruutc^ n. s. w. geschrieben wird.<br />

"") Cerigo, die ansehnliche Felseninsel, welche mit <strong>der</strong> südlichen<br />

Küste Morcas einen Canal bildet, <strong>der</strong> durch die noch näher nach dieser<br />

Küste hin gelegene Insel Elaphonisi, die größte <strong>der</strong> Cervi-Iuselu, zu<br />

eiucr, uur eine kleine deutsche Meile mesfeudeu Durchfahrt vereugt<br />

wird. Zwischen Elaphonisi und Morca ist die Durchfahrt jetzt durch<br />

Sandbänke geschlossen; zwischen Cerigo uud Candien theilt die kleine


198 Aktenstücke zur Reise<br />

kreuzten, die Galere von Jaffa, ^) Capitanò) Alvise Zorzi<br />

von San-Fantin, ^^) angegriffen hätten. Auf ^) dieser Galere<br />

Insel Cerigotto die Wasserstraße in zwei weitere Durchfahrten. Keine<br />

Gegend des Mittelmeeres eignet sich vielleicht so wie diese znr Wege«<br />

lagerei. Pouqueville, Vov^e ^ lu (,^-6^0, 2. (>d. Paris 1!>26. V.<br />

274, fand dieselbe noch nm 1830, Lamartine, VovaF0 «n 0ri6ut,<br />

Paris 1856, 2.


.Herzogs Bogislau X. in den Orient. 199<br />

hatten sich viele, nämlich . . . ^) Pilger,"") befunden, und<br />

unter an<strong>der</strong>en ein hoher nnd mächtiger Herr aus dem Norden, "^)<br />

Schiffe, wenigstens die <strong>der</strong> Iaffa«Fahrer, ss. Klempin, S. 544 und<br />

Cappelletti, Mscpt. <strong>der</strong> ^liin'imM) ^0 nul^iLtratidu« ^to.) eingetragen<br />

werden.<br />

^) Wie lei<strong>der</strong> fehr häufig, hat Sanndo auch hier die für die<br />

Zahl freigelassene Stelle nicht ausgefüllt. Solcher Reisenden erster<br />

Klasse, so zn sagen, müssen etwa 60 au Bord gewesen sein, nach den<br />

in den Beiträgen Klempius enthaltenen Schriftstücken.<br />

"0) ?6i1(^i'wj. Das Wort, von welchem unser „Pilger" stammt<br />

und welches eigentlich nur Wau<strong>der</strong>er, dann auch Frem<strong>der</strong>, Ausläu<strong>der</strong><br />

bedeutet. Mau hat oft zwischen den Ausdrücken nnd Begriffen die<br />

Wahl und darf nicht überall „Pilger" fetzeu.<br />

'") Uno 8ÌFU01- (Herrscher) oiti'limouwuo g'i'Äll m^isti-o. Daß<br />

Sanudo unsern Herzog hier nicht mit Namen und Würden bezeichnet,<br />

hat zunächst wohl seinen Gruud dariu, daß letzterer auch in <strong>der</strong> amt-<br />

lichen Schiffsliste uud dem Schifffahrtsvertrage sein Incognito zu<br />

wahren gewußt hatte nnd darin nur als Frater Georgius Boguslaus<br />

auftritt. sS. Klempiu's dipl. Beiträge.) So glaubte auch Sauudo<br />

sich uicht befugt, die amtliche Sprache durch eigene Wissenschaft zu ver-<br />

bessern. Es versteht sich wohl, daß man höheren Ortes wußte, wer<br />

uuter dem Pilgernamen verborgen war. Mit dein bloßen „Bru<strong>der</strong><br />

N. N.", <strong>der</strong> mit zahlreichem Gefolge vou Herreu uud Dienern reiste,<br />

uud dem bloßen gerüchthaften „großen Herrn aus dem Norden", <strong>der</strong><br />

viele Wochen in Venedig verweilte ehe er sich einschiffte, wird sich eine<br />

venezianische Polizei nicht zufrieden gegeben haben. Ueberdies scheinen<br />

die Gastwirthe damals verpflichtet gewesen zu sein, ihre Fremden<br />

sofort bei <strong>der</strong> obersten Staatsregierung persönlich anzumelden, wie aus<br />

dem Vorfall hervorgehen dürfte, über den wir im Anhange berichten<br />

werdeu, anläßlich <strong>der</strong> deutscheu Herberge des Peter Peu<strong>der</strong>, iu welcher<br />

unsre Pommern vermuthlich ihreu Abstieg geuommeu hatten. Vou<br />

einem ähnlichen Fall giebt Malipiero beim Jahre 1435 sa. a. O. Seite 621)<br />

Nachricht. Es handelt sich da um den König von Portugal, <strong>der</strong> eiuige<br />

Jahre zuvor „incognito" iu Venedig mit kleiner Begleituug angekom-<br />

men, aber bald erkannt worden war, „weil große Personen nicht lange<br />

incogniti bleiben können." Die Negierung suchte den König anf alle<br />

Weise zu ehren, anch nahm dieser das ihm angebotene freie Quartier<br />

uud manches an<strong>der</strong>e an, doch gab die Signoria seinem Wuusche uach<br />

uud behandelte ihn im übrigen nicht als „König", Lemure iuoßti'u.u6o<br />

do uo' I c0Fiw88(,'.r i^r 1^0. Erst bei seiner Rückkehr aus Palästina<br />

ließ Bogislav das ihm nnd <strong>der</strong> venetianischen Regierung bei dem<br />

langen ersten Aufenthalt so viel bequemere Incoguito fallen, nnd ließ


200 Alteiistücke zur Reise<br />

welcher 2000 Dueateu Ueberfahrtsqeld "2) zu entrichten hatte,<br />

und sehr viele an<strong>der</strong>e die eines Gelübdes wegen znm heiligen<br />

Grabe nach Jerusalem wallfahrteten. Auch Herr Zacharia di<br />

Garzoni, des Herrn Marino Sohn, <strong>der</strong> Iohaumter-Ordensmann,<br />

"3) welcher nach Rhodns gewollt hatte, war mit daranf<br />

gewesen, sowie ein Sohn des Ritters Hieronimo Zorzi/^)<br />

Namens Benedetto, zwöls Jahr alt, nnd viele kleine Geschäftsleute,<br />

mit dem Schiffsvolk zusammen . . . ^^ Köpfe, nnd an<br />

Waaren in Ballen, die für Rechunng vieler verschiedener Eigner<br />

nach Rhodns, Candia nnd an<strong>der</strong>en Plätzen bestimmt waren,<br />

für etwa 00000 Dueateu Verth. Der Inhalt des betreffenden<br />

Schreibens wird nuten mitgetheilt werden.<br />

Anch wnrde berichtet, daß die Galere einen Tag nnd<br />

eine Nacht wi<strong>der</strong>standen habe, dann aber, als die Türken fich<br />

überzengt hatten, daß sie dieselbe nicht nehmen würden, von<br />

ihnen mit Feuer beworfen und verbrannt worden sei.<br />

dem „Herzog von Pommern" in seiner Person alle Ehre erweisen.<br />

Daß schon ans <strong>der</strong> Hinfahrt <strong>der</strong> Name nnd Stand desselben an Bord<br />

bekannt war, geht deutlich ans Malipiero a, a. O. S. 157 hervor.<br />

"2) EZ sind Golddncaten gemeint-, die silbernen kamen in Venedig<br />

erst im Jahre 15


Herzogs Vogislau X. in den Orioni. A)l<br />

Eine sehr böse Zeitnng und ein großer Schaden; nicht<br />

nur wcgeu des Schiffes, das verloren ging, und wegen des<br />

Unterganges so vieler Herren, Gel<strong>der</strong> und Seeleute — deun<br />

nur die erleseusten machen die Fabrt dahin - - son<strong>der</strong>n auch<br />

wegen <strong>der</strong> nordischen Wallfahrer überhaupt, "^) und dazu ein<br />

offenkundiges Zeichen, daß <strong>der</strong> tnrt'ische Großherr in Wahrheit<br />

an keinen Frieden mit nnserer hohen Regierung ^) denkt.<br />

Nebereinstimmend berichtete <strong>der</strong>Kriegs-ProveditorHieroniino<br />

Contarmi ans Corine. Derselbe war von dem General-Caftitä'n<br />

dorthin geschickt worden, uni den Madrach '^) zu crhebeu, und<br />

sollte sodann in den Archipel gehen nüt zwei Galeren, <strong>der</strong>en<br />

Snpracomitcs ^^) Zn^ne ^^) Franeeseo Venier und I^eomo<br />

Lored^n N'aren. Er machte Mittheilung von einem Gespräch,<br />

das er mit einigen Türken über die Ursachen des Vorfalls an-<br />

geknüpft habe, nnd daß ihm dieselben ans seine Frage: „Will<br />

Ener Herr denn keinen ehrlichen Frieden mit unserer Regierung<br />

halten?" entgegnet hätten: „Gewiß will er das, aber auf<br />

<strong>der</strong> Galere sind niedrere ihm sehr feindlich gesinnte Franzosen<br />

gewesen, '^) ^^ ^Z h^ s^i Handeln bestimmt."<br />

'"') Mall fürchtete offenbar, <strong>der</strong> Zug <strong>der</strong> Wallfahrer nnd Reifenden<br />

würde nnn eine an<strong>der</strong>e Richtung nehmen, da die vcnetianifche<br />

Flagge keinen sicheren Schutz mehr gewähre.<br />

"') l^ Hj^lwi'i^ uo^ll-u; das gewählte dentfche Wort ist nicht<br />

recht zutreffend, doch will sich kein benies finden, „infere Herrfchaft"<br />

will nicht anklingen.<br />

'^) Wahrfcheinlich eine Abgabe griechischen Nrfprnngs.<br />

^) Ehrentitel <strong>der</strong> Capitane <strong>der</strong> Kricgs-Oalercn,<br />

'^') Die venetianifche'Form voli Giovimi.<br />

'^') Die innner neuen Versuche von damals, ganz Europa zn<br />

einem Feldznge o<strong>der</strong> Krenzznge gegen die Türleu aufzubringen, hattcu<br />

an Frankreich ihre Hauptstütze. Carls VlII., des „Königs vou Ic-<br />

rnfalem", Zng nach 9leapel von 1l91 war, augeblich weuigsteus, uur<br />

das Vorfpiel dazu, und daß Venedig und Frankreich sich soeben entschie-<br />

den genähert halten, lounte den osuiauischeu Zorn gegcu den König und<br />

gegen Venedig uur mehren. Uebrigeno scheinen die Türken fest an<br />

die französischen Passagiere auf dem schisse geglaubt zu habeu - ob<br />

<strong>der</strong> Glaube aber begründet gewesen sei, läßl sich nicht feststellen, da<br />

die Franzosen vielleicht unter falschem Namen in <strong>der</strong> Schiffsliste (bei


202 Actenstücke zur Reise<br />

Durch Meldungen, die aus Modüne gekommen sind, ist<br />

festgestellt, daß die Iaffa-Galere wirklich am 28. Juni von<br />

da abgegangen ist, und glaubt man daselbst, daß sie durchgekommen<br />

sei. Auch eine Galiön ^) s^ damals von dort in<br />

See gegangen und vor den türkischen Fusten, die sie antreffen<br />

würde, gewarnt worden; <strong>der</strong> Capitali aber hätte entgegnet,<br />

die achte er nicht und würde ihnen selber, zu Leibe gehen -,<br />

mau meint, es sei doch leicht möglich, daß diese Galion, uud<br />

nicht die Galere, das fragliche Schiff sei.<br />

Hier ^) ^ber bleibt man voller Besorguiß, und die<br />

meisten geben die Galere verloren. Dennoch hat sich jemand<br />

gefunden, welcher eine Versicherung darauf zu . . Ducatcn<br />

übernehmen wollte.<br />

Im Collegio aber beschlossen die Väter aus diese Berichte,<br />

es mit jenen Fustcu und Barken sehr ernst zu nehmen und<br />

beriethen mit einan<strong>der</strong> ^) was zu geschehen habe. Der gefaßte<br />

Beschluß wird auf einem an<strong>der</strong>en Blatt von mir mitgetheilt<br />

werden. ^) Zuvör<strong>der</strong>st will ich deu Hauptinhalt des<br />

Klempin a. a. O.) stehen. Die französisch klingenden Namen <strong>der</strong>selben<br />

erinnern an keine bezügliche geschichtliche Persönlichkeit. Doch be-<br />

merke ich in Bezug aus den Namen Bonifortis Compare di Pavia,<br />

daß ein Nicolo di Papia um diese selbige Zeit als französischer<br />

Unterhändler in <strong>der</strong> veuetiamschen Geschichte auftritt. (Romanin<br />

a. a. O. Seite 100.)<br />

l22) Der Wortbildung nach ist l^ii^n eine Schwellung des Be-<br />

griffes FaÜÄ, bedeutet demnach eine beson<strong>der</strong>e Art größerer Ga-<br />

leren.<br />

'^) In Venedig nämlich. Es ist Sanudo, <strong>der</strong> redet.<br />

^) ^i-^ loro, unter sich. Es ist damit vielleicht keine geheime<br />

Sitzung des Collegio gemeint, das heißt eine solche, bei welcher die<br />

Savj ai ordini abtreten mußten, doch kamen solche Sitzuugen vor.<br />

Vgl. Donato Giannotti, Ragionamenti :c. Venedig 1678 Seite 271.<br />

Daß Sanudo, von dem übrigens nicht bekannt ist, ob er damals ein<br />

Savio war, die Eintragung des gefaßten Beschlusses verschiebt, ist<br />

jedenfalls auffallend.<br />

'25) Sauudo ist uns diefe Mittheilung schuldig geblieben, doch<br />

läßt sich die Lücke durch eine Stelle in MalipieroZ Jahrbüchern aus-


Herzogs Bogislav X. in den Orient. 203<br />

ans Malvasia gekommenen Berichtes, ans dein alles beruht,<br />

abschriftlich hersetzen.<br />

II.<br />

Abschrift eines Schreibens des Hicronimo Zantani,<br />

Podestü/s^) von Malvasia, an den hochmögenden'27)<br />

Rcctor von Modön, vom 4. Inli 1497,<br />

welches letzter empfangen nnd an die Behörde<br />

in Corfn wei t erbeför<strong>der</strong>t hatte, nämlich:<br />

„Am letzten des eben verflossenen Monats Inni berichtete<br />

ich Ew. Magnificenz über die sieben Fahrzeuge mit lateinischem<br />

nnd die zwei mit viereckigem '^) Segel, welche hier vorüber<br />

gezogen waren, und was ich sonst bis znr damaligen Stunde<br />

füllen: Am 4. (?) August ward beschlossen, den General-Capitän an-<br />

zuweisen, die ganze levantinische Flotte zu einer Demonstration am<br />

Cap MUio zusammen zu ziehen, s^i-oli. 8toi-. a. a. O. Seite 154.) Auch<br />

scheint ans einer an<strong>der</strong>en Stelle daselbst hervorzugehen, daß damals<br />

allgemein Klage in Konstantinopel wegen des Piratenwcsens erhoben<br />

wurde. Malipiero schreibt vom October 1497 (a. a. O. Seite 643): „Schon<br />

oft hat sich die Signoria bei <strong>der</strong> Pforte über das Unwesen beschwert,<br />

das von den Seeräubern an unsern Küsten getrieben wird, aber nach<br />

wie vor haben alle Corsaren, die sich beim Großherrn, Geschenke<br />

bringend, beworben haben, Iahresgehalt und Wartegcld (beides ist<br />

,)1)i'ovÌ8Ìou") uno Bestallung als Kriegs - Capitane erhalten." „So<br />

leiten die Türken ihre Leute an, sich aus unsre Kosten zu erheben,<br />

und wenn man ihnen davon spricht, so antworten sie, man könne da-<br />

gegen nichts thuu, die Signoria müsse selber sehen wie sie damit<br />

znrecht komme."<br />

'26) Der Podestà war <strong>der</strong> oberste Verwaltungsbeamte uud <strong>der</strong><br />

Richter erster Iustanz in den venetianischen Städten, den kleinen uud<br />

den großen. Die Berufungen gingen nach <strong>der</strong> Hauptstadt. Nector<br />

ist ein allgemeiner Name für alle obersten Ortsgewalten, die militä-<br />

rischen sowohl wie die civilen; auch die Podestes wurden so genannt.<br />

'27) Magnifico. Der prächtige Titel, später durch Excellenz er-<br />

setzt, wurde gesellschaftlich jedem venetianischen Edelmann von dein<br />

an<strong>der</strong>n gegeben und stand gesetzlich jedem von einem Adlichen verwal-<br />

teten Amte, also allen nicht subalternen Behörden zu.<br />

'^) Alle galerenartigeu Schiffe führten lateinische, d. h. dreieckige,<br />

die Barken viereckige Segel.


^s)4 Acten stücke zllr Neise<br />

über dies Geschwa<strong>der</strong> in Erfaln'iing gebracht hatte. lini nichts<br />

zu verfehlen, glande ich anch gegenwärtige Meldnng schleimigst<br />

erstatten zn sollen, damit Ew. Magnifieenz von allen: unter-<br />

richtet werde, was sich mit besagtem Geschwa<strong>der</strong> ereiguet hat.<br />

Was ich berichte, beruht ans Angaben meines Caplans, ^"')<br />

den ich zur Vntiea ''"') gesaudt habe, uni die dort etwa nöthig<br />

^) Cappellano. Die Kanzler und Secretare höherer Ordnung<br />

waren damals gewöhnlich noch immer Geistliche. Doch zwingt nichts<br />

dazn, solchen Fall anch hier anzunehmen. Manche Behörden hatten<br />

Anspruch auf eiueu eigenen Priester-, vielleicht war <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Ab«<br />

Wesenheit eines militärischen Commandanten zugleich als solcher, hoch<br />

über dem Städtcheu ans uneinnehmbarem Felsenschloß sitzende Podest^<br />

von Malvasia in solchem Fall, o<strong>der</strong> er war vornehm uud reich genug<br />

sich einen Meßpriester auf eigene Kosten zu halten.<br />

'^) A la V^tica. Cs ist schon oben bemerkt worden, daß Schloß<br />

nnd Bezirk Vutica venetiainsches Gebiet war. In den gedruckten<br />

Nachrichten freilich findet sich dieser für nns einigermaßen wichtige<br />

Unistand nicht erwähnt, wenigstens nicht in den mir zugänglichen Wer-<br />

ken <strong>der</strong> Art, doch regen Fallmerayers (Gesch. v. Morca 11. S. 429)<br />

uud v. Hammers (a. a. O ll., S. 3i^)) Bemerkungen die Frage an.<br />

Im Frieden vou 147!» au die Pforte abgetreteu, war <strong>der</strong> Bezirk<br />

5« A«i5xn iu Folge beson<strong>der</strong>er nachträglicher Uebereinkuuft uuter<br />

dem Titel einer Grenzberichtignng im Jahre 1481 den Venetianern<br />

zurückgegeben worden. (Herr Professor Thomas vou München, dem<br />

ich noch für manche au<strong>der</strong>e Beihülfe dicfer Art zu freundlichstem Danke<br />

verbunden bin, hatte die große Güte, die betreffende Stelle des Ab,<br />

kommens in den Urkunden des Frari-Archivs für mich aufzusuchen uud<br />

auszuziehen.) Man mnß glauben, die Grenzen des Bezirks seien In<strong>der</strong><br />

Bogenschußweite vou deu Gräben des xtt^^)^ nicht hiuausgegau-<br />

geu, es ist bei <strong>der</strong> Abtretung nur von <strong>der</strong> /rc^tt)/)? xni /t67t)^//<br />

desselben die Rede. Der Caplan befand sich in la Valica inner-<br />

halb des Verwaltnngsgebiets von Venedig nnd wahrscheinlich sogar<br />

seines Podestüs von Monembasia. Da <strong>der</strong>selbe ohne Zweifel von la<br />

V^tica ans o<strong>der</strong> doch einem ganz in <strong>der</strong> Nähe befindlichen Orte, dem<br />

Seegefecht zugesehen hat, so ist die Frage, wo diese V^tica zu suchen<br />

sei, für die nähere Bestimmung <strong>der</strong> Kampfstätte nicht unwichtig. Wir<br />

reden darüber ausführlich im Auhaug: hier uur soviel, daß uutcr la<br />

V^tica die nördliche Küste <strong>der</strong> heutigen VatikaBay uud vielleicht diese<br />

Bay selber zu verstehen ist. Diese Vncht wird von <strong>der</strong> Küste Moreas<br />

und <strong>der</strong> Insel Elaphonisi gebildet.


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 295<br />

werdenden Vorkehrungen zn treffen, nnd schreibt mir <strong>der</strong>selbe,<br />

daß besagtes Geschwa<strong>der</strong> ini Canal von Cerigo ^^) eine Galere<br />

angegriffen habe, von welcher er, — bei <strong>der</strong> großen Entfernnng<br />

allerdings nnr mnthniaßlich -— glanbe, daß es die von<br />

Jaffa ^) gewesen sei; nnd als die von <strong>der</strong> Varke gesehen, daß<br />

sie das Schiff nicht nehmen würden, hätten sie es mit Fcner<br />

beworfen nnd nie<strong>der</strong>gebrannt. Dies Geschwa<strong>der</strong> hält die<br />

ganze dortige Straße in Bann; alle Fahrzeuge, die es<br />

findet, werden von ihm in den Grnnd gebohrt nnd Tag für<br />

Tag treiben Leichen Ertrunkener an. Ans Monovasia^) ^. s. w."<br />

III.<br />

Am 7. trafen Briefe ans <strong>der</strong> Levante ein, von nnserm<br />

Gcncral-Capitän ans Cattar» vom 28. Inli,^) ^^ neuen<br />

und sehr gnten Nachrichten von <strong>der</strong> Jaffa Galere, welche Gott<br />

^') Entwe<strong>der</strong> die Durchfahrt zwischen Cerigo und Elaphonisi,<br />

o<strong>der</strong> die gcsammte Durchfahrtsstreckc zwischen Cerigo und Morea,<br />

wahrscheinlich die letztere. (S. den Anhang.) Nach den drei gedruckten<br />

pommerschen Quellen fand <strong>der</strong> Zusammenstoß bekanntlich uicht hier,<br />

son<strong>der</strong>n gegen 15 deutsche Meilen weiter südlich, nicht zwischen Morea<br />

und Cerigo, son<strong>der</strong>n zwischen Cerigotto und Candia, ganz uahe an<br />

<strong>der</strong> Küste von Candia, etwa bei Cap Busa, statt. Wir werden ini<br />

Anhange zeigen, daß diese irrige pommersche Angabe das Ergebniß<br />

einer an allen drei Texten o<strong>der</strong> ihrer gemeinschaftlichen Quelle voll-<br />

zogenen Gewaltthat ist.<br />

'^) Wir fragen: wie tonnte <strong>der</strong> Caplan bei solcher Entfernung<br />

auch nnr muthmaßen, daß die Iaffa-Galere das uothleidende Schiff<br />

sei? Es bleibt nur die Annahme übrig, daß er aus irgend eiuem zu-<br />

fälligen Grunde von früher her mit <strong>der</strong> Gestalt des Schiffes näher<br />

bekannt gcwefen o<strong>der</strong> daß die Ankunft desselben in jeneu Gewässern<br />

dein Podestà von Malvasia vorher angckündet worden sei, vielleicht<br />

nm dem vorübcrfahreuden Schiff für die anzulaufeudeu Plätze be-<br />

stimmte Corrcspondenzeu zuführen zu lassen Die Galere pflegte<br />

vielleicht oft uud ungefähr zu vorher schon festgesetzten Zeiten die<br />

Fahrt zn machen, und scheint damals das einzig auf dieser Linie lau-<br />

fende venetianische Pilgerschiff gewefen zu sein.<br />

'^) So lautete, wie noch heute ungefähr, <strong>der</strong> offizielle Schreib-<br />

name <strong>der</strong> alten Stadt Malvasia o<strong>der</strong> Monembasia.<br />

^) Diefcr zweite Courier ans Cattaro war also bis Venedig nur<br />

nenn bis zehn Tage unterwegs.


20l> Actenstücke zur Reise<br />

sei Dank nicht verloren ist, aber allerdings einen Kampf zu<br />

bestehen gehabt hat. Nach den Angaben <strong>der</strong> Einen war sie<br />

genommen und einen Tag festgehalten, dann aber losgelassen<br />

worden, nach An<strong>der</strong>en war sie nach herzhafter Gegenwehr nnd<br />

nachdem sie ihr Vor<strong>der</strong>eastell ^) dnrch Fcner eingebüßt hatte,<br />

entkommen, u. f. w. Wie sich die Sache aber anch verhalten<br />

mag, es steht fest, daß sie in Candia^) eingetroffen<br />

ist, nnd will ich zu besserem Verständniß hier unten einen Abfchnitt<br />

des mit <strong>der</strong> erfreulichen Botschaft aus Napoli di Nomania^)<br />

eingegangenen Schreibens mittheilen.<br />

IV.<br />

Abschrift einer Stelle des von dem hochmögenden<br />

Herrn Francesco Veniör, Stadthauptmanns und<br />

Provcditors zu Napoli di Romania am 9. Juli<br />

1497 ausgefertigten und an: 12. Inli in Modi^ne<br />

eingetroffenen Schreibens. ^)<br />

„ .... So eben ist ein gewisser Gallo, Eigner eines<br />

Schnellboots von hier, angelangt und hat ausgesagt, daß er<br />

in <strong>der</strong> Nacht des 4. lanfendeu Monats 80 Meilen vor<br />

Candia ^) die Galere von Jaffa angetroffen habe und daß<br />

er wegen widrigen Wetters Canea ^") habe anlaufen müssen,<br />

wo er bis zum 9. dieses verblieben sei, und daß dort ein<br />

zu Lande von Candia herübergekommener adlicher Herr erzählt<br />

^) II castello. Es gab <strong>der</strong> Castellò o<strong>der</strong> erhöhten uud um-<br />

schlossenen Verdecke, welche bei einem Kampfe als Hauptstützen dieuteu,<br />

auf den Galeren zwei; doch geht aus dem Zufammeuhauge hervor,<br />

daß uicht das Hintere gemeint ist.<br />

'N) Nämlich <strong>der</strong> Stadt dieses Namens.<br />

'") Nauplia.<br />

'^) Die Beför<strong>der</strong>uugszeiteu also waren: von Nauplia uach<br />

Mod()ne 3 Tage (schwerlich über Land), von Mod


Herzogs Vojislav X. in don Orient. ^i)7<br />

habe, besagte Galcrc sei Zu Candia in übler Verfassung angekommen,<br />

nnd <strong>der</strong> Oberbootsmann nnd ein vornehmer Edelmann<br />

von dcm hintcrn Schiffsraum, ^") sowic cin einfacher<br />

Adlicher aus dem Norden seien todt und sehr viele verwundet.<br />

Outt sei über alles gepriesen, daß die Sache besser abgelaufen<br />

ist, als man annehmen mußte. Wir werden sogleich über<br />

Lepanto nnd Corfu au den hochmögenden General ^) ^^<br />

an nnsre durchlauchtigste Staatsregierung Meldungen abgehen<br />

lassen . . . ."<br />

V.<br />

Hauptinhalt eines aus Candia von Aloise Zorzi,<br />

Capitän <strong>der</strong> auf Jaffa fahrenden Gal ere, an seinen<br />

Vetter,"2) den Ritter Hieronymo ZorZi geschriebenen<br />

Briefes, worin er die Gefahren beschreibt,<br />

die er von dem türkischen Kriegsgeschwa<strong>der</strong> auszustehen<br />

gehabt hat, vom 10. Juli 1497 und hier<br />

in Venedig eingegangen am 24. August 149 7. ^")<br />

„Hoch- uud edelmögen<strong>der</strong> ^') nnd wie ein Vater Zu verehren<strong>der</strong><br />

"") Herr Vetter!<br />

Mit einem Eilboot, das nach Cormi ging, habe ich Euch<br />

'") Heute würde man sagen „von <strong>der</strong> ersten Cajüte" o<strong>der</strong> „ein<br />

Passagier erster Klasse."<br />

l") Das heißt an den Generalissimus, den General-Capitän. Es<br />

fand also ein Depeschen-Versand ans zwei Wegen statt: einer über<br />

Lepanto, <strong>der</strong> andre über Modone, nach Corfn nnd nach Venedig.<br />

Hiernach ist anzunehmen, daß die venetianischen Couriere den Weg<br />

von Nauplia nach Lepanto über Land, also durch das türkische<br />

Gebiet, iu diesem Fall wenigstens bis Corinth, nahmen.<br />

'") Oi>mm^); eigentlich Schwager, doch damals für jeden Ver-<br />

wandten gebraucht. Vgl. Ducange, v. co^i^tus.<br />

'") Was den sachlichen Inhalt dieses Hanptberichtes über den<br />

Vorfall betrifft, so ist <strong>der</strong>selbe unserer Ueberzeugung nach für laniere<br />

Wahrheit zn halten. Ueber die Ausnahmen und Vorbehalte, die<br />

wir in dieser Beziehung zu machen haben könnten, werden wir nns ini<br />

Anhange auslassen.<br />

'^) >s:^i!iü(50 « sseu^lOLo. Die letztere Anrede galt dem Ritter.<br />

"6) Eine damals sehr gebräuchliche Anrede seitens jüngerer und<br />

tiefer stehen<strong>der</strong> Verwandten und Freuude.<br />

14


208 Actenstücke zur Reise<br />

unter dem 6. dieses von hier ans einen langen "?) Brief j ^ -<br />

unser Erlebniß mit <strong>der</strong> türkischen Flotte geschrieben. Nun<br />

höre ich vou dem am 5. hier eingetroffenen Herrn Zuane<br />

Veuiör, daß <strong>der</strong> bewußte hochmo'gende Proveditore ^) berichtet<br />

hat, wir wären allesammt umgekommen und die Galere wäre<br />

gesunken, und daß er eiueu eigeueu Brigantin hat abgehen<br />

lassen, um solche Dinge zu melden! Ich bedaure von Herzen<br />

den Kummer, den Ihr um Encru Sohn, <strong>der</strong> hier bei mir<br />

ist, in Folge dessen gehabt haben müßt. Er durfte so eilfertig<br />

keine Meldungen abgeheu lassen. Wenn er auch selbst ani<br />

Casi MÄio gewesen und ihm dort <strong>der</strong> Vorfall so lügenhaft<br />

dargestellt worden ist, so mußte er sich doch zuerst Gewißheit<br />

darüber verschaffen, was Wahres daran sei.<br />

Unsere Begebenheit aber, hochmo'gcn<strong>der</strong> Vetter, war diese:<br />

Am 30. verflosseneu Monats, etwa um 9 Uhr Morgens, >")<br />

'^) Warnm anf diesen „langen" Brief noch die vorliegende neue<br />

Ausführlichkeit? Wir dürfen vermutheu, daß Capitän Zorzi, <strong>der</strong><br />

alle Ursache hatte, vor <strong>der</strong> Regierung uud <strong>der</strong> öffentlichen Meinung<br />

als rein nnd brav dastehen zu wollen, nach dieser Seite hin in dem<br />

ersten Schreiben nicht genng gethan zu haben glanbte. Der hier mit-<br />

getheilte Brief war demnach mehr für das Publicum als für den<br />

Vetter bestimmt und sollte <strong>der</strong> Regierung gegenüber als vorläufige<br />

Berichterstattung gelten. Die Regierung hat sicher nicht unterlassen,<br />

von ihrem Recht, eine zeugenmäßige Aussage o<strong>der</strong> doch einen eigeueu<br />

Bericht über den Hergang vou dem Capitän zn erlangen, Gebranch<br />

zn machen, doch scheint Sanndo das betreffende Actenstück nicht ein-<br />

gesehen zu haben. Die wichtigen Nachträge, die er (Nr. VIII.) bringt,<br />

fcheinen dem in unferem Nachtrage enthalteneu Briefe des Rhodisev<br />

Ritters Garzoni entlehnt zn


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 209<br />

als wir in die Meerenge zwischen Cerigo nnd Cap<br />

eingelaufen lvaren, bekamen wir ein türkisches Kriegs-Geschwadcr<br />

in Sicht, das nnter Cap MÄio hervorgekommen war. ^^)<br />

Wir konnten dasselbe deutlich erkennen, da die Schiffe, bis zn<br />

neun Segeln stark, eins hinter dein an<strong>der</strong>en liefen, nämlich fünf<br />

Fnstcn, zwei leichte Galeren nnd zwei Barken, die größte <strong>der</strong><br />

letzteren von 400 Tonnen — doch befand sich ihr Capitän, <strong>der</strong><br />

Corsar Richi, ans <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en — im übrigen aber erkannten wir<br />

nicht, mit wem wir zn thnn hatten. Da legten dieselben plötzlich um<br />

und hielten auf uns, indem sie ihre ganze Rudcrkraft einsetzten.<br />

Als wir das sahen, und da ich starken Verdacht hatte, daß<br />

wir es mit oem Camali ^) o<strong>der</strong> mit sonstigen Seeräubern zn<br />

thun hätten, nnd eingedenk dessen was in dieser Veziehnng<br />

schon alles vorgekommen war, beschloß ich <strong>der</strong> größeren Sicherheit<br />

wegen Kehrt zu machen, ^) zumal die ganze Art und<br />

land <strong>der</strong> Tag ungefähr nm fi'inf Uhr, eigentlich etwas früher, doch<br />

wähle ich die run<strong>der</strong>e Zahl; „vier Uhr Morgens" o<strong>der</strong> „Tages" ist<br />

also etwa nenn Uhr Morgens.<br />

'^) Von Cap Spati, wo die Meerenge, <strong>der</strong> „Canal von Cerigo"<br />

o<strong>der</strong> „von Cervi" deginnt, sind zwei Myriameter bis nach Cap<br />

Mälio.<br />

^2) Ein berüchtigter Pirat, <strong>der</strong> anch sonst bei Sanndo und MalipU'ro<br />

vorkommt, damals aber bereits in türkischen Kriegsdiensten stand.<br />

^) I^'aitr^ »,1w. Volt^ ist nicht Umkehr, nur Wendung und<br />

Richtung. Was aber ist l'ultra voiw? Man könnte meinen, Capitän<br />

Zorzi wollte nnr sagen, er habe es nun vorgezogen, den an<strong>der</strong>n<br />

von den zwei möglichen Kursen zn steuern, nämlich westlich nnd südlich<br />

uni Cerigo herum nach Candia, statt wie bisher nördlich bei <strong>der</strong> Insel<br />

vorüber. Dazu mußte die Galere allerdings vollständig umwenden<br />

uud eiu Stüä Weges zurück machen, aber <strong>der</strong> Capitän hätte dies doch<br />

nicht gesagt. Indessen lehrt ein bei Malipi^ro fa. a. O. Seite 148) mitgetheilter<br />

Bericht des Kriegsprovcditors Contariui über seine Unternehmungen<br />

gegen diesen Camali, vom 1^1. März 1495, daß damals<br />

mit dem „Nehmen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Richtung" nichts an<strong>der</strong>es gemeint<br />

wnrde als Kehrt machen uud slieheu, uud daß kein Capitän, selbst nicht<br />

einmal <strong>der</strong> tüchtige Contarmi, sich schcnte solche Flucht einem stärkeren<br />

Gegner gegenüber zn ergreifen nnd einzugestehen. Auffallen<strong>der</strong> Weise


210 Actenstücke zur Reise<br />

Weise <strong>der</strong>selben ein sehr bedenkliches Ansehen hatte. Nachdem<br />

ich so bis 1 l Uhr Vormittags ^) diesen an<strong>der</strong>n Kurs eingehalten<br />

hatte, ging mir <strong>der</strong> Wind aus und die Windstille blieb.<br />

Es währte nicht lange und wir hatten vom Spiegel her zwei<br />

von den Fnsten zu Seiten nnd wurden angerufen von ihnen,<br />

wer wir wären: Ich antwortete: eine Pilger-Galcre von<br />

Venedig, was sie übrigens schon an den Flaggen hatten<br />

sehen können, die ich hatte aufziehen lassen, nämlich <strong>der</strong> Flagge<br />

des h. Marens ^5) an Segelstange nnd Flaggenstock,'^) uud<br />

<strong>der</strong> Flagge mit dem Standartenkrenz. ^) Ich fragte nuu<br />

sagen die an<strong>der</strong>en Berichte von dieser Umkehr nichts; Zorzi's Erwäh-<br />

nung <strong>der</strong>selben bewahrt vor den allergrößten Wirrnissen über den<br />

Gang <strong>der</strong> Begebenheit.<br />

^) I^ino ä. iiors 6 6i Fioi-uo, also zwei Stunden hindurch; uuter<br />

den Umständen, bei dem vermuthlich bereits nachlassenden Winde und<br />

<strong>der</strong> geringen För<strong>der</strong>ung, welche Ru<strong>der</strong>kraft einer ^lin. gi'ossil. zn<br />

bringen vermag, wohl keine dentsche Meile Weges.<br />

155) Ein geflügelter goldener Löwe mit einem aufgeschlagenen Buch<br />

in <strong>der</strong> Pranke. Der Löwe wird bald iu iimogtH, d. h. mit dem ganzen<br />

Leibe von vorn, bald nnr mit nach vorne gewandtem Gesicht, bald<br />

sitzend, bald stehend, bald schreitend dargestellt, auch kommt er mit<br />

einem Krenz o<strong>der</strong> einem Schwert in <strong>der</strong> Tatze vor, nnd über die rich«<br />

tige Farbe des Fahnentuchs herrschen heute uoch Zweifel. Vgl. G.<br />

Orlandini, I^olii^wu« Luiia düiMLi-u. inuuioipg.1o äi V6U62ia, 1877.<br />

Herr O. entscheidet sich, mit Recht wie mir scheint, für das rothe<br />

Fahnentuch. Die venetianische Seeflagge war ohne Zweifel im 15).<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t ohne Ausnahme roth und nichts berechtigt zn <strong>der</strong> An-<br />

nahme, daß die Kanffahrer andre geführt hätten. Uebrigens hatten<br />

die Capitane, felbst die auf deu Kriegsschiffen, das Recht, bezw. die<br />

Pflicht, ihre eigene Wappenfahne zn führen. Die Verordnung dazu<br />

findet sich bei Sanndo I^VI. S. 333 nnd ist vom Jahre 1532, hat<br />

aber sicher diesen Brauch nicht erst eingeführt.<br />

^') lu ventanno ot iu 8t^x0 ; bei Malipi^ro: 8t^a; lanter jetzt<br />

ganz abgekommene nnd unverstandene Ausdrücke. In v«uwm^ ist<br />

eine Flagge, weuu sie am oberen Ende <strong>der</strong> meistens fast fenkrecht an<br />

dem Mäste schwebenden mächtigen Naen befestigt ist, dem Winde ein<br />

freieres Spiel als die Flaggen an <strong>der</strong> 8t^l, d. h. entwe<strong>der</strong> an dem<br />

Flaggenstock anf <strong>der</strong> Mastspitze o<strong>der</strong> znr Seite <strong>der</strong> wmw. dem Zelt-<br />

dach des Hinterdecks, wehend.<br />

^) Im weißen Tnch ein rothes einfaches Kreuz, das alte allge-


Herzogs Vogislav X. in den Orient, 211<br />

meinerseits, welcher Kiegsmacht sie angehörten, nnd sie antworteten,<br />

<strong>der</strong> türkischen. Ich fragte, wer Befehlshaber o<strong>der</strong><br />

Capitän des Geschwa<strong>der</strong>s sei; sie wollten darans indessen nicht<br />

antworten, son<strong>der</strong>n riefen laut: Einziehen! streichen!^) was<br />

mich sehr in dem Verdachte, den ich gleich Anfangs gehabt<br />

hatte, bestärkte, daß ich es mit dem Camali zu thnn habe.<br />

Sobald ich dieser Ansicht geworden war, ließ ich eiligst die<br />

Galere, so gnt es ging, in Bereitschaft setzen.<br />

Während dem kam noch eine andre Galere nnd eine Fuste<br />

herbei und riefen: Streichen, streichen! woranf ich ihnen jedes<br />

Mal zurückrief: sagt mir, wer Euer Capitän ist, nnd ich werde<br />

thun, was meine Schuldigkeit ist. Sie aber wollten darauf<br />

durchaus keine Antwort geben, und so glaubte ich, um meiner<br />

Pflicht und um <strong>der</strong> Ehre unsrer durchlauchtigsten Staats-<br />

Regierung willen, viel lieber den Tod und jede andre Gefahr<br />

erdulden zu follen, als meine Segel zu streichen und Menschen<br />

Ehre zn bezeigen, die mir unbekannt waren. Plötzlich gingen<br />

die vier Schiffe zum Angriff übcr^) und bewarfen uns mit<br />

Bomben und Pfeilen ohne Ende und mit Raketen und Feuertöpfen.<br />

In weniger als einer Stnnde hatten sie nns das Vor<strong>der</strong>-<br />

meine christliche Erkennungsmal, darnm auch die Fahne des h. Georg<br />

und so gewissermaßen auch die Staudarte unseres als Frater Georgins<br />

Bogislaus, also als Nittermöuch wallfahrenden Herzogs. Wahrschein-<br />

lich flatterte diese ans allen Pilgerschiffen gebräuchliche Flagge an den<br />

beiden o<strong>der</strong> gar an den dreien von uns bezeichneten Stellen. Mit dieser<br />

Flagge stand die Galere in gewisser Weise zugleich uuter europäischem<br />

Schutz, nicht blos nnter venetianischem.<br />

'^) ('liM, mniiiu^, d. h. (^Mw, lnnimmt^. Es wurde ein<br />

Streichen <strong>der</strong> Segel, ein Herunterlassen <strong>der</strong> großen Segclbänme ver-<br />

langt. Von den Flaggen, wenn sie nicht schon gehißt gewesen waren,<br />

würde im Gegentheil ein Aufziehe« verlangt worden sein. Das :l,rmülm<br />

war ein bekanntes Befehlswort für ,^'iü I'nni^mll": die Nae herun-<br />

ter ! Wie ans den bei Malivicro a. a. O. vorkommenden Beispielen<br />

hervorgeht, wnrden die Raen dabei bis zur Hälfte gesenkt, nnd von<br />

allen Vollern wurde streuge auf diesen Ehrengebranch gehalten.<br />

'"") Dalmcr erzählt den Vorgang folgen<strong>der</strong>maßen! „Am Frytag<br />

Conversionis Pauli — alß H. V. gesigelt ist voli Modcua (Modone)<br />

nach Candien. nnd fast MO Meilen Wegs von Modeila gekommen.


Actmstüä^ zur Reise<br />

Segel sowie des Segel ani Hintermast ^'") nie<strong>der</strong>gebrannt, indessen<br />

wir uns, länger als diese Stunde^') ohne Aufhören<br />

mailnhaft Niehrten. Nnn kamen auch die an<strong>der</strong>en Oaleren mit<br />

den noch übrigen Fnstcn herbei nnd begannen, ohne daß noch<br />

Worte gewechselt wären, einen nenen äußerst heftigen Angriff<br />

niit Bomben, Pfeilen nnd Fencr <strong>der</strong>niaßen, daß die meisten<br />

von nns verwundet wurden, nnd ich selber mit fünf Pfeilen.<br />

Nnn fing auch unser Castell Feuer uud bramite gänzlich zusammen;<br />

unsere Schaluppe aber ermöglichte uns, den Kampf<br />

ohne Unterlaß fortzusetzen, "^) bis ungefähr gegen Sonnen-<br />

Haben sich unter des Türcken Lande, wol IO Weke Sees von ihnen i)<br />

Sigell erhoben unter denen wahren 2 grosse Navcn, 2 snbtile<br />

Galeen, 5 Fnsten. Tarinne wahren Türken bey an<strong>der</strong>thalb Tausend<br />

stark. Diesselbeu lieffen nns alle nach". Dalmcr spricht also von<br />

<strong>der</strong> Umkehr nnd Flucht <strong>der</strong> Galere nicht nnd weiß ebenso wenig von<br />

dem Streit nm die Ehrenbezeugungen. Nachdem die Galere von den<br />

Fnsten eingeholt worden war und <strong>der</strong> Capitän Auskunft über seine<br />

Herkunft gegeben, erzählt Dalmer Weiler, hätten die Türken, nach<br />

kurzem Besinnen nnd Berathen, ,,zu stürmen angefangen mit Büchsen,<br />

schössen und Pfeilen."<br />

"N) l^ m^xaiiQ 6 1'ai'timon. Da die Galeren gewöhnlich an<br />

jedem ihrer zwei Masten mir ein Segel führten, so kann das anch<br />

heißen: das Hintermastsegel und den Mast selber; doch sagt Dalmer<br />

in seiner Erzählung: „das große Segel sammt dem hintersten mit den<br />

Naen", was mit unserer Uebersetzuug stimmt, nur daß iu <strong>der</strong> pom-<br />

merschen Darstellung auch <strong>der</strong> Naeu gedacht wird. Die nnr vorlie-<br />

genden Quellen sind auffallend schwankend in <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> beiden<br />

Ausdrücke, welche bald von den Segeln, bald von den Masten gelteu<br />

sollen nnd dann nicht immer übereinstimmendes zn bedeuten scheinen.<br />

"'') Nämlich 4—5 Stnnden, wie sich später ergeben wird, also<br />

bis etwa 4 o<strong>der</strong> 5) Uhr Nachmittags.<br />

>l'2) ^1 (xi^iw ^«mpro continuo tl.'iu'M' in l):lt:^'lm. C


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 213<br />

Untergang, "'2) und nachdem die Feinde mehr als vier Stunden<br />

alle ihre Kraft daran gesetzt hatten, die Galere zu entern.<br />

Von ihren Ianitscharen hatten drei schon die kleine Treppe "^)<br />

erstiegen nnd wurden dann von den nnsrigen nie<strong>der</strong>gemacht.<br />

Lin andrer, <strong>der</strong> eine Standarte trug, kam sogar bis zum<br />

Steuer hinanj, nnd auch dieser wurde getödtet. ^) Noch zwei<br />

an<strong>der</strong>e klommen am Spiegel des Schiffes ^) hinauf und<br />

Vertheidigung keinen genügenden Stutzpunkt bot, so kann <strong>der</strong> copano<br />

zu diesem Zweck wohl gedieut haben. Daliner sagt, außer den Segeln<br />

habe auch sonst die ganze Galere „nmher" gebrannt, die Mitte also<br />

scheint allein scucrsrci geblieben zu sein. Doch sind wohl noch an<strong>der</strong>e<br />

Erklärungen uud Uebersetzuugcu <strong>der</strong> Stelle zulässig.<br />

dorc; 24.<br />

Wasser hiuauf zum Hinterdeck führt.<br />

die Treppe, welche au <strong>der</strong> Seite des Schiffs vom<br />

'65) Dieser muthige Halbmoudträger war offenbar nicht mittelst<br />

<strong>der</strong> obcu gcnauutcn Capitänstreppe aus das Deck gelangt, son<strong>der</strong>n<br />

war am Spiegel hinaufgeklettert; er wars ohne Zweisel, von dem die<br />

pommcrsche Sage geht, Vogislav selber habe ihm den Garaus gemacht.<br />

Wir sehen hier, wie dcr Vorgang ganz darnach angethan war, den<br />

Mann mit unserm Herzog in persönliche Berührung zu bringen.<br />

Bogislav hielt sich natürlich zurück, drängte sich nicht ohne Noth in<br />

die vor<strong>der</strong>ste Kä'mpferreihe; an<strong>der</strong>erseits läßt sich nicht glauben, daß<br />

er während <strong>der</strong> entscheidenden Kampszeit uuteu in <strong>der</strong> Cajüte geweilt<br />

habe. Seiu Standort also war damals gerade da, wo <strong>der</strong> Staud-<br />

artenträger das Verdeck erstieg, nahe an dem Steuerru<strong>der</strong>. Wir wer-<br />

den später vernehmen, wie es fast gänzlich an langen o<strong>der</strong> kurzen<br />

Stoßwaffen, also Lanzen und ähnlichen Wehren fehlte; was davon au<br />

die Pommcru gekommen war, wird in den Händen <strong>der</strong> Hauptstreiter<br />

gewesen sein. Die Sage von dem Bratspieß, den <strong>der</strong> Herzog ergriffen<br />

haben soll, um dem — wahrscheinlich plötzlich in seiner Nähe erschei-<br />

nenden — Unhold ein Ende zu macheu, erscheint hiernach gleichfalls<br />

viel weniger unglaubhaft als man früherhiu deuken mußte. Die<br />

Hühnersrage lasse ich bei Seite.<br />

'lN) Mmwuo — für moutHi'0U0 — per rwpo ä6 1a. dln'ca.<br />

Barca ist eiu allgemeiner Begriff, nicht eben verschieden von unserem<br />

„Schifs." Es hat sprachlich nicht die mindeste Schwierigkeit, darunter<br />

hier die Galcrc zn verstehen. Die zwei zur Corsareusiottille gehören«<br />

deu Barken waren noch nicht znr Stelle, uud würde eiue Schaluppe<br />

gemeint, in dcr sich die Iauitschareu <strong>der</strong> Galere geuähert hatten, so<br />

wäre des Umslands sicher Erwähnung geschehen. Mau muß entwe<strong>der</strong>


214 Actenstücke zur Reise<br />

wnrden unter dem Beistande Christi und seiner Mutter, nnserer<br />

Fürsprecherin, umgebracht: wir alle zusammen, die Fremden<br />

mit einbegriffen, haben nns loie es Männern geziemt und ohne<br />

nachzulassen vertheidigt nnd zugleich des Feuers, das uns die<br />

meiste Noth machte, erwehrt. Jetzt kamen anch die beiden<br />

Barken herbei nnd gaben von allen Seiten her einzelne Bombenschüsse<br />

nnd Pfeilschüsse ans die Galere ab. Als sie aber den<br />

Znstand und die ganze Verfassung sahen, in denen sich die<br />

Galere befand, wie das ganze Castell sammt <strong>der</strong> gesammtcn<br />

rechten Schanzkleidung wegen des Hiutermast-Segels, das aus<br />

letzterer lag nnd brannte, über den Rumpf des Schiffes hinans<br />

in Flammen stand, ^) ^h da sie anch selber des Schießens<br />

mit Pfeilen nnd Fener müde geworden waren, so ließ <strong>der</strong> türkische<br />

Capitän die Flagge einziehen und bot Waffenruhe an,<br />

und so that ich meinerseits auch. ^«) Sofort schickte <strong>der</strong><br />

annehmen, daß die fraglichen Ianitfcharen schwimmend an die Galere<br />

herangekommen, o<strong>der</strong> daß die Enternngsversnche einer <strong>der</strong> Fnstcn bis<br />

zn dem Grade gelungen waren, nni einzelne Vorkämpfer von ihr aus<br />

anf die Galere gelangen zn lassen. Als kleinere Fahrzeuge pflegten<br />

die Fnsten keine Schaluppen bei sich zn haben. Die Belegstelle ist<br />

nur entkommen. S. darüber näheres im Anhang.<br />

'67) ('no tutto — nrclevll. — siuo so^rn, il vivo. I! vivo, das<br />

Lebendige, znm Leben nöthige, ini Gegensatz zur opera morw, be-<br />

zeichnen in <strong>der</strong> älteren Schiffssprache den eigentlichen Leib des Schiffes.<br />

Masten, Segel nnd alle sonstige Ansrnstnng konnte demselben fehlen,<br />

ohne ihm Untergang zn bringen, daher <strong>der</strong> Begriff des „todten Werks."<br />

sS. Vinc. Coronelli, ^vi o v^c^lli ct^. Venedig 1697. Fol.)<br />

'^) Unten wird von Sanndo ein beson<strong>der</strong>er Grnnd <strong>der</strong> Einstel-<br />

lung des Kampfes angegeben, <strong>der</strong> aber mit diesen hier nicht in Wi<strong>der</strong>-<br />

spruch steht. Die pommerfchen Darstellungen weichen in <strong>der</strong> Erklä-<br />

rung <strong>der</strong> plötzlichen Waffenruhe vou einan<strong>der</strong> ab. Dalniers Bericht<br />

länft darauf hinans, daß sich die Galere ergeben habe, obwohl er nicht<br />

sagt, daß diese Ergebung vom Capitän erklärt worden sei. Die zwei<br />

an<strong>der</strong>en ponnnerschen Erzählungen sehen in <strong>der</strong> Nettnng mir ein nner-<br />

klärbares Wnn<strong>der</strong> Gottes. Ueber die Gründe <strong>der</strong> türkischen Einstel-<br />

lung <strong>der</strong> Feindseligkeiten nnd über die Gründe des weiteren Verlaufs<br />

werden wir ansführlich im Anhange reden, hier sei nnr soviel gesagt,<br />

daß von einer Ergebnng nicht die Rede sein kann, es kam bis zn


Herzogs Boqislau X. in den Orient. 215<br />

Kapitän feine Schaluppe mit fünf Ianitfcharcn zu mir herüber<br />

und nachdem mir dieselben im Namen ihres Kapitäns Treu<br />

und Glauben gegeben hatten, fuhr ich zu ihm. ^) MZ ^<br />

rhm gegenüber stand, ließ er mir ^") folgendes fagen: Alles<br />

was von ihrer Seite geschehen sei, beruhe auf Irrthum und<br />

Nichtwissen, er habe geglaubt, die Galere sei eine französische<br />

Galeazza/^) die in Begleitung einer Barke habe kommen<br />

sollen und auf die er laure; <strong>der</strong> Fehler aber, <strong>der</strong> das vorgefallene<br />

herbeigeführt habe, fei von meiner Seite begangen worden,<br />

weil ich nicht habe meine Segel streichen und ihm die<br />

Ehre erweisen wollen, die ihm als dem stärkeren und unserm<br />

Freunde gebührt habe. Ich ließ ihm erwie<strong>der</strong>n, von mir sei<br />

keinerlei Fehler begangen worden, denn unter keinen Umständen<br />

würde ich meine Segel gestrichen und jemandem Ehre<br />

erwiesen haben, von dem ich nicht wisse, wer er sei: und um<br />

so weniger, als ich öfter als ein Mal feine Fuste aufgefor<strong>der</strong>t<br />

habe, mir zu sagen, wer ihr Capitän sei, sie aber habe nie<br />

dieser Frage nicht, dieselbe wurde durch die eingeleiteten Unterhand-<br />

lungen nnd den Waffenstillstand abgewendet.<br />

llN) Nach <strong>der</strong> pommcrschen Erzählung hatte <strong>der</strong> Capitän durchaus<br />

keine Lnst, den Ianitscharcn zu folgen, und er ging erst als Herzog<br />

Bogislav selbst ihn zu dem Zweck aus <strong>der</strong> Cajüte heraufgeholt hatte.<br />

Obgleich Capttäu Zorzi davon nichts sagt, so ist die pommerschc<br />

Nilgabe doch nicht unwahrscheinlich. Zwischen dem Herzog und dem<br />

Capitän war nicht alles in Ordnung, <strong>der</strong> Herzog hatte zu Vorwürfen<br />

allen Grnnd, und an<strong>der</strong>erseits hatte Zorzi alle Ursache sich <strong>der</strong> Ueber-<br />

fahrt zn den Türken entziehen zn wollen. Ihm dies als Feigheit<br />

auszulegen, wie die pommerschen Darsteller thun, in geschmackloser<br />

uud sittenwidriger Weise daran rohe Ausmalungen <strong>der</strong> dem Capitän<br />

angeblich von Seite des Herzogs wi<strong>der</strong>fahrenen Mißhandlung knüpfend,<br />

fehlt aller Anlaß. Wir werden diese Dinge näher im Anhang ver-<br />

handeln.<br />

'^) Durch einen Dolmetscher nämlich. Der Veuetianer also war<br />

des türkischen, <strong>der</strong> Tiivle des italienischen nicht mächtig. Die gewöhn-<br />

liche Vermittlunszösprache war sonst griechisch in jener Zeit.<br />

Galere.<br />

''') Galeazza. Nie schon die Form andeuten will, eine Art


216 Aktenstücke zur Neisc<br />

daraus antworten nnd es sagen wollen; darnm sei die Schuld<br />

sein und nicht mein gewesen: nebst noch viel an<strong>der</strong>en aus<br />

die Sache bezüglichen Worten zu meiner nnd <strong>der</strong> Wahrheit<br />

Vertheidigung. Nach Anhörung dessen ließ er mir diese<br />

Erwie<strong>der</strong>ung machen: „Patron, du mußt alles was vorgefallen<br />

ist, ruhig hillnehmen: es mnßte also geschehen, es stand auf<br />

unserer Stirne geschrieben, daß dir solches begegnen sollte; was<br />

erfolgt ist, war unvermeidlich. Jetzt gehe ans deine Galere,<br />

ich werde dich bis znm Hafen ins Schlepptan nehmen lassen,<br />

Ulid morgen früh will ich sehen, was zu machen ist und weiter<br />

Beschluß fassen, bleibe guteu Muths und fürchte nichts."<br />

Ich nahm Abschied von ihm, kam anf meine Galere znrück,<br />

und wurde von ihm, fo loie er gesagt hatte, bis in den<br />

Hafen l") geschleppt. Am folgenden Morgen, welcher <strong>der</strong><br />

erste dieses Monats war, ließ mich <strong>der</strong> Eapitäu wie<strong>der</strong>um<br />

holen, wie<strong>der</strong>holte die obigeil Worte uud sagte, die Schuld<br />

wäre mehr auf meiner Seite gewesen, und ich müßte mich<br />

ausdrücklich dazu bekennen. Daranf kam <strong>der</strong> bewußte Obersteuermann<br />

Benedetto Barbeta, machte viel Worte uud sagte<br />

zu mir unter au<strong>der</strong>em: „Patron, mein Eapitän will, dn sollst<br />

eigenhändig die Erklärung ansstellen, daß alles was vorgefalleil<br />

ist, dir nnd nicht ihm zur Last gelegt werden könne, nnd diese<br />

Erklärung soll eidlich bekräftigt werden, und ein Caplan soll<br />

dell Eid schwören, uud dein Schreiber soll mituntcrzeichnen,<br />

daß alles was du schriftlich erklärt haben wirst, auf Wahrheit<br />

beruhe und voll dir nicht werde abgeleugnet werden; mein<br />

Capitän will nämlich diese Urkunde bei sich behalten nm sich<br />

'?") Son<strong>der</strong>barer Weise nennt Zorzi den Hafen nicht, er mnß geineint<br />

haben, es verstände sich von selbst welcher gemeint fei; anch ist,<br />

da die Vittica-Bay, wie wir gesehen haben, von einein venetianischen<br />

Schloß beherrscht wurde, nnd Cerigo ganz venetianisch war, auf <strong>der</strong><br />

Sndküste Elaphonisis aber sich kein Hafen befindet, schließlich nnr an<br />

den dicht ani Cap Viglio gelegenen Ränberhafen zn denken. Die Pommern<br />

berichten, <strong>der</strong> Hafen sei vier welsche Meilen entfernt gewesen, dic<br />

obige Darstellung spricht von zwei Stunden, beide Angaben stilnmen<br />

mit dieser Vestimmnng. Das Nähere ini Anhang.


Herzogs Bogislav X. in den Orient,<br />

damit überall rechtfertigen zu können". Ich antwortete:<br />

„Barbcta, sag deinem Capitän : an dem Orte hier wo ich mich<br />

befände, würde ich die Schrift ausstellen und überhaupt alles<br />

thun was er wolle, denn ich hatte bei meiner Entscheidung auf<br />

alle übrigen Rücksicht zn nehmen; aber später werde die Wahr-<br />

heit doch überall an den Tag kommen". Er versetzte darauf:<br />

„Du willst also keiuerlei Erklärung abgeben, und aussagen,<br />

daß die Schnld dein gewesen sei; vergissest du denn ganz, daß<br />

dn deine Segel nicht hast streichen wollen? Zu soviel Hoch-<br />

muth war keine Veranlassung; dn mußtest zu Ehren des<br />

höheren und stärkeren thnn., was deine Schuldigkeit war." Ich<br />

entgegnete ihm: „Es ist ganz richtig, mir kann nichts an<strong>der</strong>es<br />

zum Vorwurf gemacht werden, als daß ich allein gegenüber<br />

von neun Segeln nnd viel schwächer wie sie, nicht feiger Weise<br />

meine Segel gestrichen habe, aber ich durfte um <strong>der</strong> Ehre<br />

meiner Regiernng willen solches nicht thun; ich würde sonst jeman-<br />

den Ehre erwiesen haben, <strong>der</strong> mir nnbekannt war; auch hast du<br />

dich nicht zn erkennen geben wollen; ich konnte daher füglich<br />

nur auf das schlimme gefaßt sein, das eingetroffen ist."<br />

Nun ließ mir <strong>der</strong> Capitän folgende weitere Worte sagen:<br />

„Du weißt, Patron, wie viel mein Herr auf jeden einzelnen<br />

seiner Ianitfcharen hält, von denen er über 17000 besitzt, und<br />

<strong>der</strong>en Befehlshaber ich bin, er schätzt sie sehr hoch im<br />

Preise, mehr als 100000 Dueaten den Kopf, du hast<br />

mir mehr als 40^) umgebracht; was entgegnest du<br />

daraus? ich meinestheils weiß nicht was ich für eine<br />

Entschnldignng bei meinem Herrn vorbringen, noch über-<br />

haupt was ich ihm sagen soll." Ich ließ ihm antwor-<br />

ten: „Capitän, gestern hast dn mir sagen lassen, alles<br />

was vorgefallen fei, habe so kommen müssen, weil es uns so<br />

ans die Stirn geschrieben worden fei; ich fage dir: dann stand<br />

anch ans nnferer Stirne geschrieben, daß diese Ianitscharen in<br />

dem Kampfe umkommen sollten, nnd wir dürfen anch hierin<br />

gegen den Willen Gottes nicht angehen; nimms ruhig hin<br />

— - -<br />

"3) In dein Schriftsiiick Nr. VIII siud es .".0.


218 Actenstücke zur Reise<br />

wie ich meinerseits alles ruhig hinnehme, denn ans meiner<br />

Seite sind über 150 verwundet worden und 90 sind todt ^)<br />

geblieben". Er antwortete daranf.- „Patron, an dem Vorfall<br />

trägst du die Schuld, mir aber liegt ob, Geduld zu haben,<br />

nnd den Schaden trägt, wen das Unglück getroffen hat; doch<br />

muß ich dir wie<strong>der</strong>holeu: es wäre an dir, zn bekennen die<br />

Schuld gehabt zu haben, darum weil du die Segel nicht hast<br />

streichen wollen." Ich entgegnete was ich Euch bereits oben<br />

berichtet habe, und darauf entließ er mich mit vielen Worten,<br />

ohne daß ich ihm irgend eine Erklärung ausgestellt hätte.<br />

Er fragte mich, welchen Kurs ich Zu nehmen gewillt sei, den<br />

auf Modöne o<strong>der</strong> ans Candia. Ich sagte: den ans Candia,<br />

dieser wäre mir bequemer, weil Candia näher sei. Ich fragte<br />

ihn wohin er seinerseits gehen werde, und er antwortete: nach<br />

Scyo. 175) Er müsse dort den Camali erwarten, <strong>der</strong> mit zwei<br />

Schiffen auslaufen solle, eines zu 700 und das an<strong>der</strong>e zu<br />

400 Tounen; dieselben würden in Constantinopel ausgerüstet<br />

uud sollten auf Befehl seines Herrn sich mit ihm vereinigen.<br />

Als ich mich wie<strong>der</strong> auf meiner Galere befand, fchickte<br />

Richi, dieser Nimmersatt von einem Piraten, zu mir uud ließ<br />

mich ersuchen, ihm einen Auzug ^') zu verehren. Es schien<br />

mir in je<strong>der</strong> Beziehnng räthlicher das Geschenk zn machen,<br />

uud so übersandte ich ihm fünf Ellen Scharlachtnch, und namentlich<br />

darum weil ich erfahren hatte, wie dieser Richi auf jede<br />

erdenkliche Weise den Capitän zu überreden versuche, alle Reisenden<br />

als Gefangene zu behandeln nnd mit fortzuführen; nnd<br />

l^) Unten giebt Zorzi an, daß er 30 Verwundete nnd l> Todte<br />

hat. Hier mnß Samido aus Flüchtigkeit einen Irrthum begangen<br />

haben, man kann nicht annehmen, daß Zorzi Ornnd gehabt habe,<br />

seine Verluste in solchem Maaße zu übertreiben.<br />

l^) Wahrscheinlich Chios, die vor Smyrna gelegene, damals den<br />

Genuesen gehörende Insel. Der Zweifel in dieser Bestimmung griindet<br />

sich ans die zn vielen Verwechselnngen Anlaß gebenden ähnlichen<br />

Namen an<strong>der</strong>er Inseln.<br />

'^') Vo8w. Im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t gehörte im Orimt zn solchen<br />

Gabcn einer v^ ein doppelter Noch o<strong>der</strong> Nock und Mantel.


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 219<br />

um ihn ein wenig mil<strong>der</strong> zn stimmen, handelte ich so und<br />

that gut daran. Da ich aber auf diese Weise dahiu gebracht<br />

worden war, dem Richi einen Anzug zu schicken, so schien es<br />

mir angezeigt, auch dem Capitä'n einen solchen zukommen zu<br />

lassen nnd darum sandte ich demselben auch süus Ellen Scharlachtuch<br />

sammt eiuem Faß Malvasierwein, ^) sowie einige Schachteln<br />

mit Zuckerwerk und allerlei Näschereien, doch nicht als<br />

Geschenk, son<strong>der</strong>n aus Freundschaft, und so nahm er es auch auf. ^)<br />

Hochmögen<strong>der</strong> Herr Vetter, ich kann Euch versichern, wir<br />

sind bei dieser Geschichte in einer Lebensgefahr gewesen, so<br />

groß sie nur sein kann; wir befanden uns offenbar in drei<br />

verschiedenen Gefahren: von dem Feuer, das die ganze Galere<br />

ergriffen hatte, so daß es ein wahres Wun<strong>der</strong> gewesen ist,<br />

wenn wir dasselbe gelöscht haben; zweitens von dem Wasser,<br />

und drittens von dem Schwert; das letztere sage ich, weil ich<br />

aus guter und sicherer Quelle weiß, daß wenn es den Ianitscharen<br />

gelungen wäre, die Galere zn entern, wir allzumal<br />

würden in Stücke gehauen worden sein, denn also hatten sie<br />

es beschlossen auf den Rath dieses Barbeta, den Ihr ja kennt,<br />

uud <strong>der</strong> ihnen von <strong>der</strong> Galere gesprochen, als ob die Pilger<br />

alle Eingeweide von Gold hätten. In seiner unendlichen Güte<br />

und Barmherzigkeit aber wollte Gott uns soviel Nebels wie<br />

sie vorhatten, nicht anthuu.<br />

Nuu habcu Nur am Samstag, das ist am 1. dieses<br />

Monats, ungefähr nm Sonnenuntergang, ^) zugleich mit<br />

ihnen die Anker gelichtet und haben den Kurs auf Candia<br />

genommen, während sie selbst nach Seyo gingen. ^") Wir<br />

'^) Nämlich von dem hochberühmten Gewächs, das einst an den<br />

Küstenabhängen einige Stunden nördlich von deni oben vorkommenden<br />

Malvasìa o<strong>der</strong> Monembasia gezogen wurde.<br />

'^) Das'Geben von Geschenken an Fremde galt unter Umständen<br />

als eine dem Höheren schnldigermaßen erwiesene Huldigung, uud war<br />

vermuthlich allen venetianischen Unterthanen, die keine bloßen Privat^<br />

lente waren, den Türken gegenüber untersagt. Zorzi glaubt mit Recht<br />

einer falschen Auslegung entgegentreten zu müssen.<br />

'") X(^wl iur koiro 24.<br />

^) Dalmer: Am Sonnabend darnach seindt sie (die nnsrigen) ge°


220 Actenstücke zur Reise<br />

sind an hiesigein Ort am 3. ungefähr Mittags angekommen ^)<br />

und wurden alle bestens willkommen geheißen und ob unserem<br />

Erlebniß bedauert. Ich habe unter Beistand des Herrn<br />

Herzogs ^) ^m^ des Herrn Stadt-Commandanten und ihrer<br />

Räthe die Galere ausbessern lassen; alle haben mir jegliche<br />

Unterstützung gewährt. Morgen Nacht, so es Gott gefallt,<br />

also am 11. dieses, werden wir von hier abgehen. Habe ich hier<br />

länger verweilt, so war dies in Rücksicht auf die 90 Verwundeten<br />

erfor<strong>der</strong>lich. Von denselben sind sechs gestorben, nämlich ein<br />

deutscher Ritter uud Pilger, welcher Herr Christofalo genannt<br />

wurde, ^) n^tt l^h^- Oberbootsmann Alegreto von Budua, ^)<br />

ein Oberru<strong>der</strong>er, ^) <strong>der</strong> Biasio hieß, uud drei an<strong>der</strong>e Ru<strong>der</strong>sleute.<br />

Weitere vier sind noch in Gefahr; den übrigen<br />

geht es Gott sei Tank gut, und was mich betrifft, so habe ich<br />

fahren nach Candien und die Türckeu beleiteten sie, aber auf die Nacht<br />

wußten sie (die nnsrigen) nicht, wo sie (die Türken) blieben.<br />

^l) Dalmeri Und kahinen aus dehn Montag zu Mittag an Can-<br />

dien in eine Havcnung.<br />

'^) Des Herzogs von Candia nämlich; <strong>der</strong> dortige oberste Ver-<br />

waltnngsbeamte hatte den Titel Herzog — Dnca, (nicht Doge,


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 221<br />

nicht viel abbekommen nnd bin bereits wie<strong>der</strong> hergestellt mit<br />

dem Beistande Christi nnd seiner Mntter, welche mir in allem<br />

geholfen hat. Der Herr Ritter Iaeomo Zorzi von hier hat<br />

mir gnte Gesellschaft geleistet, nnd ebenso Enrem Benedeto nnd<br />

empfiehlt sich bestens.<br />

Dnrch diesen Unfall, den ich erlitten habe, ist mir in<br />

Wahrheit ein großer Schaden erwachsen, ^") ^n 400 Ducatcn,<br />

nnd darüber, da ich die Segel von Hintermast und Vor<strong>der</strong>mast<br />

eingebüßt habe nnd mir mein Zeltdach, die Schalnpsie,<br />

viele Ru<strong>der</strong>, das ganze Castcll und die rechte SchanZkleidnng<br />

sammt dem Tauwerk Znm schnüren <strong>der</strong> Segelstangen ^) und<br />

^) Aus dieser Aeußerung ist nicht zu folgern, daß Zorzi, und<br />

nicht <strong>der</strong> venetianische Staat, <strong>der</strong> Eigenthümer <strong>der</strong> Galere gewesen<br />

sei. Der Capitän hatte ohue Zweifel dcu Schaden, den er hier an-<br />

giebt, uutcr alleu Umständen persönlich zu tragen.<br />

^) (i0M(M6 6ü Ag.!'i(Ia.r lustö. (^omono sind Schifsstaue, meistens<br />

Aukertaue, jedenfalls Stricke gröberer Art, wie sie eben zum Airi^ni-<br />

dcr Fusti erfor<strong>der</strong>lich waren. Fnste uud Fusti ist für deu Venetianer<br />

dasselbe, wir habcu also uicht nöthig, uutcr dcu Fustc Schiffe zu ver<br />

stcheu. wobei auch kein brauchbarer Siuu sich ergebe» würde. Fusti<br />

siud allerlei Staugcu zum Schiffsgebrauch, als Mastspitzen, Segel -<br />

bäume uud ähnliches. So heißcu nidori


222 Aktenstücke zur Reise<br />

die ganze Takelage des Vor<strong>der</strong>mastes durch das Feuer zerstört<br />

worden sind, von an<strong>der</strong>n Beschädigungen und vou den selbstverständlichen<br />

Folgen <strong>der</strong> Feuersgefahr zu schweigeu. Dreimal<br />

ging <strong>der</strong> Brand in meiner Cajüte an nnd zweimal am Bug.<br />

Gott in seiner Gütigkeit aber hat soviel Unglück nicht haben<br />

wollen. Benedetto ist fast um alle seme Sachen gekommen,<br />

da sein Koffer auf dem Castell stand; alles was ihm übrig<br />

geblieben ist, besteht in einem einzigen Nock uud eiuem Paar<br />

Hosen. Gott sei gelobt, daß er mit dem Leben davongekommen<br />

und unbeschädigt geblieben ist; es geht ihm vortrefflich<br />

und er ist guter Dinge.<br />

Hier am Platze hat in Folge <strong>der</strong> Sperre ^) alles Geschäft<br />

aufgehört und man sieht keinen blanken Heller mehr.<br />

Candia, den 10. Juli 1497.<br />

Euer Vetter Aloise Zorzi.<br />

Aufschrift: Dem hoch- nnd edelmögenden Ritter, Herrn<br />

Ieronimo Georgio, meinem gleich einem Vater zn ehrenden<br />

Vetter, in Venedig".<br />

VI.<br />

Neues vom Monat November 1497.<br />

Am 17, kam die Galere von Jaffa Capitän Aloide Zorzi<br />

von San-Fantin, von ihrer Reise zurück und lief zwischen den<br />

beiden Castellen ein, ^') nämlich jene Pilger-Galere, die, wie<br />

ich oben berichtet habe, einen Kampf mit den Türken gehabt<br />

nnd sich mannhaft gewehrt hat; nnd uuter den Reisenden be-<br />

Hochdeutsch ^M-utun, vom Gurten <strong>der</strong> Wafseuröcke im Hildcbrandslicde<br />

V. 4 gebraucht. Oln-nlin-e wäre demnach das Anlegen o<strong>der</strong> Umlegen<br />

von gurtartigeu schmalen Streifen o<strong>der</strong> Bän<strong>der</strong>n. (Ich taun diese<br />

Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne Herrn Th. Elze, evang.<br />

Pfarrer in Venedig, freundlichst zu dauken für den Beistand, den er<br />

nur bei Untersuchungen dieser uud an<strong>der</strong>er Art in gütigster Weise<br />

hat zu Theil werden lasseu.)<br />

'^) Durch die Piratenflottillc nämlich.<br />

'^) Der Gegensatz ist: bei Malamocco, <strong>der</strong> au<strong>der</strong>eu Einfahrt in<br />

das Binnengewässer <strong>der</strong> Laguue.


Herzogs Bogislav X. in den Orient. 223<br />

fand sich cm Herzog von Pomaricu, ein sehr großer Herr, — von<br />

dem ich unten noch reden werde — welcher, ohne vorheriges<br />

Wissen <strong>der</strong> Regierung, die ihn sonst vielleicht ehrenvoll empfangen<br />

haben würde, Hieher Zurückgekehrt nnd in Casa Griti^")<br />

auf <strong>der</strong> Gindccca abgestiegen ist. Anch ist mit besagter Galere<br />

Herr Marco Malipicri, <strong>der</strong> Comtur von Cyfteru ""), hier eingetroffen,<br />

welcher sich ili Cypern nach hier eingeschifft hatte.<br />

So ist alfo diefe Galere von Jaffa, von <strong>der</strong> das Gerücht<br />

ging, daß sie verloren sei und daß die Menschen darauf vou<br />

deu Türken nmgebracht und Zu Sclaven gemacht worden seien,<br />

unversehrt wie<strong>der</strong> angekommen. Und am 18. des genannten<br />

Monats, das ist ani folgenden Tage, ist unser Staatsoberhaupt^)<br />

sammt <strong>der</strong> hohen Regierung^) ^^d vielcu Patri-<br />

Zieru iu den Staatsgondcln ^) nach <strong>der</strong> Giudecea gefahreu,<br />

um dem Herzog vou Pomarieu als eiuem Fiirsteu von großem<br />

Ansehn und Ruf ihre Aufwartung zn machen uud ihu willkommen<br />

Zu heißeu. Es wurde erzählt, daß <strong>der</strong>selbe eiu jährliches<br />

Einkommen von mehr als ) 50000 Dncateu habe. Der<br />

^) Die Casa Griti steht noch; wir beschreiben sie im Anhang<br />

Die Gindecca ist eine <strong>der</strong> ansehnlichsten Inseln, ans denen Venedig<br />

liegt. Sie schließt die Stadt südwärts ab nnd ist durch einen breiten<br />

Canal von <strong>der</strong>en Hauptmasse getrennt.<br />

'"') Derselbe war nach den hier vorkommenden Angaben ein<br />

Iohanniter-Nitter nnd Ordens-Comtnr ans Cypern, ein Sproß <strong>der</strong><br />

alten venctianischen Adclsfamilie Malipiero, ans welcher anch <strong>der</strong><br />

obenerwähnte Domenego, <strong>der</strong> Kriegsmann und Annalist, hervorge-<br />

gangen ist.<br />

^") II pi'iueipo uosti'O) unser Fürst, eine Bezeichnung des Dogen,<br />

die unserem Ohre fremd klingt, aber die gewöhnlichste nnd amtliche war.<br />

'^) (^0u 111 8i^uoria: mir seinen sechs Staatsräthen, doch gehörte<br />

<strong>der</strong> Doge selber mit zn <strong>der</strong> Signoria, <strong>der</strong> obersten Regierungsbehörde,<br />

die ein Septcmvirat o<strong>der</strong> ein Decemvirati war, da anch die drei Präsi-<br />

denten des höchsten Gerichts gewöhnlich mit hinzugerechnet wurden.<br />

'^) l'iati o<strong>der</strong> ^oatmii, eigentlich Flachboote, mehrere, zuletzt ein<br />

Dutzend, vergoldete Gondeln größerer Art. Ihr Capitän strotzte in<br />

Gold und Noth, wie die Staatsflagge, die hinter ihm nachschleppte,<br />

nnd die innere Ansstattnng <strong>der</strong> Boote. Ohne Zweifel waren es solche<br />

Gondeln anch, mit denen Vogislav iu Venedig nmher gefahren wurde.<br />

In <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong>selben befand sich ein Zelt o<strong>der</strong> Pavillon.<br />

15


224 Actenstücke zur Reise<br />

Doge ^) änßerte zu ihm, daß man von seiner Ankuuft vorher<br />

nichts gewußt habe, man würde ihm sonst mit dem Bucintoro<br />

^) cutgegeugefahren sein, er möge sie dieserhalb für<br />

entschuldigt halten. Weiter wurden ihm alle Sehenswürdigkeiten<br />

<strong>der</strong> Stadt gezeigt nnd znr Besichtigung vorgewiesen.<br />

Auch muß noch bemerkt werden, daß mit Bezng daranf deni<br />

am folgenden Tage angekommenen Herzoge von Ferrara <strong>der</strong><br />

Vneintoro nicht angeboten wurde, damit in <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Vewillkommnuug<br />

kein Unterschied stattfände; doch wollen wir jetzt<br />

den Herzog verlassen nnd nnr noch seinen Namen nnd Titel<br />

hierhersetzen: 1>o«'iÄU.8, cl^i<br />

(lux,<br />

VII.<br />

Am 22. desselben Monats ließ <strong>der</strong> obengenannte Herzog<br />

von Pomarien, welcher ein Mann von stattlicher schöner Leibesgestalt<br />

ist, ^) in <strong>der</strong> Markuskirche eine feierliche musikalische<br />

Todtenmcsse lesen für die Seele eines Freiherrn aus seinem<br />

Gefolge, welcher auf jeuer Fahrt nach Jerusalem im Kampf<br />

mit den Türken geblieben war, nämlich des Herrn Christopher<br />

Polcnsz, ^) ^nd nach beendeter Messe begab sich <strong>der</strong>selbe, vou<br />

vielen Herren vom Adcl^) als seinem Ehrcngeleite gefolgt,<br />

^) Sanndo gebraucht auch hier wie<strong>der</strong> den amtlichen und gesetzlichen<br />

Titel i)riii(^)o.<br />

!N) Dem großen hochbordigen Prachtschifs, das hauptsächlich zn<br />

<strong>der</strong> großen Festlichkeit diente, bei welcher <strong>der</strong> Doge ans das adriatische<br />

Meer hinanssnhr nnd, einen Ning in dasselbe werfend, sich mit ihm<br />

vermählte. Es ist ganz unpassend, das Schifs eine Pracht-Galere zn<br />

nennen: mit einer Galere hatte es gar keine Verwandtschast. An^<br />

an<strong>der</strong>en wie regierenden Fürsten wnrde bisweilen die Ehre solchem<br />

Einholung zn Theil.<br />

"?) Di äwtui-u. d0i Iiom0. Schon für sich allein geht <strong>der</strong> Ans<br />

drnck dol Iiomo nnr auf den Leibeswnchs, nicht ans die Gesichtszüge,<br />

^) Die pommerschen Qnellen geben an, daß die Messe <strong>der</strong> Mut'<br />

ter des Herzogs gegolten habe. Vielleicht läßt sich beides vereinigen<br />

^) Es ist ein freiwilliges Gefolge jüngerer Patrizier gemein


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 225<br />

znr Andicnz bei dem Dogen und seinem Rath, wo er mit<br />

großer Feierlichkeit empfangen und nach langem Verweilen von<br />

dem Dogen bis znr steinernen Treppe^") hinunter geleitet<br />

wnrde. Auch gab ihm Herr Marco Malipicro, <strong>der</strong> Comtur<br />

von Cypcrn, welcher mit ihm gekommen war, an diesem Tage<br />

ein Mittagsesscn von vierzig Gängen nnd wurde bei jedem<br />

Gange das ganze Gedeck sammt den Tafelaufsähen gewechselt<br />

und saßen ihrer nnr eilf Personen zn Tische, und ehe man sich<br />

setzte, wurden drei verschiedenartige Imbisse stehend gereicht nnd<br />

blieb man von 12 Uhr Mittags bis 8 Nhr Abends'"') bei<br />

<strong>der</strong> Tafel, und betrugen die Kosten des Essens 180 Ducaten.^2)<br />

Das Land dieses Herzogs liegt unweit von Dänemark uud ist<br />

<strong>der</strong>selbe seinem Stamme nach etwa ein Gothc zn nennen;^)<br />

er trägt sich daher auch deutsch, nnr daß er als Pilger mit<br />

einer großen Halskette-^) angethan war. Uud uach einem<br />

nnd war dasselbe wahrscheinlich von Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> nnter an<strong>der</strong>en<br />

anch zn solchen Zwecken gebildeten (^om^l^in^ (^I1:>. Le^i/a veran-<br />

staltet. Es war dies eine große adliche Festgenosfcnschaft, welche ihren<br />

Namen von den heraldischen Abzeichen führte, die ihre Genossen an<br />

dem einen Hosenbein trugen.<br />

^ Die jetzige „Nicscntrepve"; also von den, zwei Treppen hoch<br />

gelegenen Staatsgcmächern in das zweite Stockwerk hinab. Noch war<br />

die Treppe damals nicht mit den zwei großen Marmorstatnen geziert,<br />

welche ihr den Namen gegeben haben, im Uebrigen war sie vollendet<br />

wie hentc.<br />

^') I)n 1wri'6 19 tiiw lioi'ro 3 di uow. Der Palazzo, in welchem<br />

das Festmal veranstaltet war, ist wahrscheinlich <strong>der</strong> noch hentc vor-<br />

handene bei S. Samncle, ani Canal grande, gegenüber von dem be-<br />

kannten Palazzo Nczzonico, gelegene, damals den Malipiero gehörende<br />

Palast. Näheres im Anhang.<br />

'^) Aller Wahrscheinlichkeit nach gab Malipicro das Festmal auf<br />

Veranlassung <strong>der</strong> Signoria nnd gewissermaßen in <strong>der</strong>en Namen.<br />

'-^) Offenbar ist diese sehr merkwürdige Aeußerung auf ein Wort<br />

des Herzogs selber o<strong>der</strong> doch, was keinen wesentlichen Unterschied<br />

machen würde, eines Herrn <strong>der</strong> Umgebung des Herzogs zurückzuführen.<br />

Wie Johann Friedrich von Pommern (^ KiOO) wollte also anch Vogis-<br />

lav für eiueu echten Deutschen gehalten werden.<br />

'^) Mau sollte eher einen Pilgerkragen, mit Muscheln besetzt,<br />

erwarten, doch hat col^ukm^ schwerlich je solche Bedeutung gehabt.


226 Aktenstücke zur Reise<br />

Aufenthalt in hiesiger Stadt von . . . Tagen brach er ans<br />

nnd ging nach Rom, nnd hatte <strong>der</strong>selbe den Herrn Doetor<br />

nnd Ritter Franeeseo voll Ravenna, welcher in Padua über<br />

Kirchenrecht las nnd den Beinamen Dalla-Wenwria^) führte,<br />

in seine Dienste genommen, damit er mit ihm komme in sein<br />

Land, nnd ans <strong>der</strong> dortigen hohen Schnle Vorlesungen halte,<br />

nnd wollte ihn reich machen und ihm eine Leetorstelle verleihen.<br />

Fürs erste hat er ihm 100 Dncaten^) gegeben nnd<br />

weitere 25 Dueaten, nm sich 2 Pferde zn kanfen, damit er<br />

bei des Herzogs Rückkehr von Rom in Bereitschaft sei, demselben<br />

zn folgen; nnd demgemäß ging <strong>der</strong> genannte Herzog<br />

nach Rom, indem er eines geleisteten Gelübdes halber seinen<br />

Weg über Saneta Maria von Loretto nahm. Ich bemerke<br />

noch, daß fein Reich 1200^') Meilen von hier entfernt ist.<br />

VIII.<br />

Nachträge zn 1497.^)<br />

Vom 4. Angnst.<br />

Ich bemerke noch folgendes: Ans <strong>der</strong> Galere van Jaffa,<br />

Cayitä'n Alvise Zorzi von San-Fantin, befanden sich im ganzen<br />

nicht mehr als 3 halbe Harnische, ^) an lanzenartigen Wehren<br />

Von einer Kette, welche die Ritter des heil. Grabes getragen hätten,<br />

finde ich keine Nachricht. Vgl. B. Ginstinian, Historie ollrouolo!;.<br />

6o11' ori


.Herzogs Bogislav X. in den Orient. 227<br />

aber keine einzige, ^i^ Mt Ausnahme von 10 Stück, welche<br />

Zacharia de Garzoni, des Herrn Marino Sohn, <strong>der</strong> Iohanniter-Ordensmann,<br />

in seinem Reisckasten bei sich hatte, nm sein<br />

Gemach in Rhodns damit auszustatten. An Hellebarden uud<br />

Partisanen, leichten Spießen nnd Spontonen, ^^) sammt<br />

den 10 Rodeln nnd Tartschen desselben ^^) waren 25 vorhanden.<br />

Letzteren Wehrstiicken ist es zn verdanken, daß 50 Menschen<br />

das Leben bewahrt blieb, denn sowie einer <strong>der</strong> Ru<strong>der</strong>leute<br />

verwuudet wurde, legte er seinen Schild ab nnd ein an<strong>der</strong>er<br />

nahm denselben ans nnd trat in die Vertheidigung ein. Die<br />

Pilger aber Zogen sich statt <strong>der</strong> Harnisch? ihre Bettmatratzcn<br />

über, indem sie sich in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong>selben eine Oeffnung, und<br />

so gewissermaßen darans einen Waffenrock machten, um sich<br />

vor den Pfeilen zu schützen. Der Kampf währte 4 bis 5<br />

Stunden; die Galere aber wnrde schließlich nnr dadurch gerettet,<br />

daß ein Türke, in <strong>der</strong> Furcht, die Galere würde genommen<br />

werden, ins Meer sprang und zn den türkischen Fusten<br />

hinüberschwamm. ^'"') Bei den Türken war als Lootsc des<br />

^) Man darf in dein, scheinbar wenigstens, hier gemachten Unter-<br />

schied zwischen den nrme in1m?lln^ nnd den n'mclioin n. s. W. keinen<br />

Gegensatz von langschäftigen nnd an<strong>der</strong>en speersörmigen Wehren sehen.<br />

Sanndo scheint hier die Quelle, welche Malipiero ausführlich giebt,<br />

irrthiimlich erccrpirt zn haben. S. nnicn Nr. Xlll.<br />

'-") lisluc.om, ^ui't^nm':. ^i:Tunc1t^ ^-»oMoni. lanter Stichwaffen<br />

mit verhältnismäßig kurzem Schaft. Eie unterscheiden sich von einan-<br />

<strong>der</strong> durch die Gestalt nnd den Schliff des Stosteiscns o<strong>der</strong> Haueiseus.<br />

Die i'^ncmn hattcu eiuc krumme, sichelartige o<strong>der</strong> sensenförmige, die<br />

s^omoni eine messerartige, zweischneidige Spitze, die ^ilmufttto<br />

waren, wenn ich nicht irre, leichte orientalische Wurfspieße.<br />

^) Nämlich des Ritters Garzoni. Rodeln o<strong>der</strong> Rondellen<br />

waren kleine Rnndschilde für den Kampf zn Fuß, namentlich bei<br />

Stürmen ans Befestigungen, anch spät noch als Auszeichnung <strong>der</strong><br />

Hauptlente gebräuchlich. Die Tartsche, wr^W'Nn, Verkleiueruug und<br />

Abart vou tlu-gii, ist eiu eckiger Neitcrschild, gewöhnlich mit eiuem<br />

Ausschnitt znm Einlegen <strong>der</strong> Lanze versehen.<br />

'^") Bei Malipiero ist <strong>der</strong> „Türke" Sanudos eiu bloßer Galioto,<br />

eiu gewöhnlicher Ru<strong>der</strong>er. Sauudo sucht nnt <strong>der</strong> Aen<strong>der</strong>ung offenbar<br />

die räthselhafte Wirkung dieses Vorgaugs einigermaßen verständlicher<br />

'^n machen. S. darüber den Anhang.


^5> Acteustücle zur Reise<br />

Geschloa<strong>der</strong>s eilt Christ, Benedetto Barbeta. Der Capitali<br />

hatte von den Reisenden Vollmacht zur Abfindung <strong>der</strong> Türken<br />

mit Gold, bis zn 1


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 229<br />

das Schreiben bezüglichen Antrag zn stellen^") und die Räthe<br />

genehmigten denselben. Ich ließ die Antwort volk^ ^ro<br />

v^i'I)Ì8^") anfertigen nnd wnrdc dieselbe von dein Geheimschreiber<br />

Zorzi Negro verfaßt. Das besagte Schreiben ist das hier folgende:<br />

X.<br />

Abschrist eines vom Herzog von Pommern an unsere<br />

Staatsregiernng gerichteten Schreibens, nebst <strong>der</strong> darauf ergangenen<br />

Antwort.<br />

sS. oben Nr. X das lateinisch abgefaßte Schreiben VogislavZ,<br />

Stettin am 30. November 1498.^<br />

XI.<br />

Nachstehendes Schreiben ist die Antwort, welche anf das<br />

obige Schreiben erlassen wnrde.<br />

^S. oben Nr. XI die lateinische Antwort <strong>der</strong> venetianischen Re«<br />

gicrnng, Dogcnpalast am 20. Februar 149.^/9.)<br />

Dieses Antwortschreiben übergab ich dem Peter Pen<strong>der</strong>, ^)<br />

dem Deutschen, nnd beför<strong>der</strong>te dieser dasselbe sofort an den<br />

Herzog, da zufällig grade jemand von dort bei ihm war. ^)<br />

sten mit dem Bncentanr war ein so seltener Vorgang, daß sich nicht<br />

annehmen läßt, Sanndo habe beim Nie<strong>der</strong>schreiben diesen Fall mit<br />

einem an<strong>der</strong>n verwechselt; jedenfalls hat er hier eine allzu flüchtige<br />

Eintragung gemacht.<br />

2"") Sauudo war damals eiu Mitglied des Miuisterraths. S.<br />

das Vorwort.<br />

^) Je<strong>der</strong> Satz wurde einzeln beantwortet.<br />

^) Ueber diesen Pru<strong>der</strong>, welcher iu Veuedig einen Gasthof hielt,<br />

siuden sich uoch an<strong>der</strong>e Augabeu bei Eanudo, welche wir <strong>der</strong> Mittheilung<br />

im Auhauge werth gehalten haben, zumal uuser Herzog bei seiner<br />

ersten Anwesenheit iu Veuedig vermuthlich bei demselben gewohut hat.<br />

-") Wir haben nicht nöthig, auf die Unbefangenheit dieser Vefördcrnugswcisc<br />

aufmerksam zu machcu. Dieselbe entspricht <strong>der</strong> Zeit;<br />

an einen deutschen Staatsconricr o<strong>der</strong> einen ähnlichen amtlichen Briefträger<br />

o<strong>der</strong> einen durch seine Stellung überhaupt mit Vertrauen erfüllenden<br />

Voten brancht nicht gedacht zu werden.


Aktenstücke ,-^ur Reise<br />

In letzter Stuude, doch gliicklicherweise nicht zn spät, um<br />

ihren Inhalt noch leidlich in Znsammenhang mit dein<br />

obigen zu bringen, habe ich mwermuthet einige weitere,<br />

nnscren Gegenstand betreffende und bis dahin uns nnbckannt<br />

gebliebene Nachrichten angetroffen. Dieselben sind in Domcnieo<br />

Malipicros Jahrbüchern enthalten und mit diesen vor<br />

länger als dreißig Jahren bereits in dem ^.i'oliivio borico<br />

it^ii^no im Drncke erschienen.'"^ Tem gewöhnlichen aber<br />

ungenauen Worte vertrauend, daß diese Jahrbücher da aufhören,<br />

wo Sauudos Tagebücher beginnen, mit dem Jahre<br />

1496 also, während doch beide Verfasser die letzten fünf Jahre<br />

des 15. Iahrhnn<strong>der</strong>ts gemeinsam behandeln, war ich nur durch<br />

eine Nebenfrage bewogen worden, anch Malipieros Bekanntschaft<br />

zu snchen uud uur <strong>der</strong> Zufall führte nur in dem dort<br />

zersplitterten-^) Stoff jene kleine aber bedcntfame Folge von<br />

Schriftstücken zn, <strong>der</strong>en Uebersetzung wir hier dcu Sauudoschen<br />

Mittheilungen anschließen wollen. Taß dieselben anch von<br />

an<strong>der</strong>er Seite her nicht schon früher Beachtung gefunden haben,<br />

kann nicht auffallen. Auch iu ihnen erscheint nnsercs Herzogs<br />

nnd seiner Begleiter Gestalt in einer Vcrhülltheit, welche nur<br />

die geschärften Sinne des Son<strong>der</strong>forschers anf den Gedanken<br />

zu bringen vermag, daß in dem hier erscheinenden Ducn cli<br />

^oiri6i'O8, dessen Land bei Bologna gelegen sein soll, und an<br />

dessen Seite <strong>der</strong> domito 5m n nc)I)i!o fi'^ncx^C) auf den:<br />

Platze bleibt, nnfer Herzog von Pommern versteckt fei. Wer<br />

flüchtig die scheinbar für die Gesammtgefchichte sehr gleichgültige<br />

Erzählung liest, kaun leicht dem Eindrucke verfallen, daß<br />

von Franzosen die Rede sei^) und daß die Alemanni, <strong>der</strong>en<br />

N3) Band VII, Theil !, Seite 15'). Florenz 1343.<br />

'"^) Die „Annalen" o<strong>der</strong> „Diarien" Malipicros sind im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

überarbeitet nnd dabei nach Materien in fünf Abschnitten vertheilt<br />

worden. Die Heransgeber des ^Vi-cIl. stui'. haben diese Anordnung<br />

beibehalten. Das Original-Mannscript Malipieros ist nicht<br />

mehr vorhanden. S. Marco Foscarini, MI^ I^wi-iltui-a vcn^?.<br />

Ansg. v. 1854, Seite !'.>2, Aiim. ^ nnd die Vorrede im ^rcn. ^tor.<br />

-25) Es giebt in Frankreich eine sehr große Anzahl von Ortschaf-


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 231<br />

<strong>der</strong> Verfasser nach den Franzosen gedenkt, bei dem Vorfalle<br />

jedenfalls nur eine Nebenrolle gespielt haben.<br />

Domenico Malizierò si428—1515) war den geschichtlichen<br />

Qnellen seiner Annalen, d. h. den amtlichen Urkundenschätzcn<br />

<strong>der</strong> Republik und allen <strong>der</strong> venetianischen Staatsregierung<br />

überhaupt Zugehenden Nachrichten gegenüber in einer ganz<br />

ähnlichen Lage wie Marino Sanudo. Er war wie dieser ein<br />

Sprößling aus einer jener verhältnißmäßig wenig zahlreichen<br />

vornehmen Familien, in <strong>der</strong>en Händen sich thatsächlich <strong>der</strong><br />

venetianische Staat und seine Geschichte befand. Die Unmöglichkeit,<br />

einen ringsum von gefährlichen Feinden umstellten<br />

Großstaat, wie dieser war, auf die Weifungen fouveräner Volksversammlungen<br />

hin zu regieren, auch wenn dieselben aus lauter<br />

Edelleuten bestanden, hatte Venedig allmählig zu einer absolutistisch<br />

regierten Oligarchie gemacht. Wer den von dem Dogen<br />

und seinen sechs Räthen geleiteten Hof <strong>der</strong> Zehnmänner für<br />

sich hatte, stand mit diesen schrecklichen „X" durchaus über<br />

<strong>der</strong> Regel und außerhalb des Gesetzes. "^) Auf diefe Weife<br />

erklärt sich manches, was sonst nicht recht stimmen will, auch<br />

in Malipieros und Sanudos Verhältniß zu den geheimen<br />

Quellen ihrer Annalen. Malipiero war hier in allem <strong>der</strong><br />

Vorgänger und das Vorbild Sanndos, nur daß dieser durch<br />

größere Fülle <strong>der</strong> Thatsachen und größere Stetigkeit seiner<br />

ten mit ähnlichen Namen wie „Pomeres", so z. B. Pommares, Pommeret,<br />

Pommerenr, Pommeraye n. s. w., nnd jedenfalls gab es Adelsgeschlechter,<br />

welche ihren Titel von solchen Orten hatten. Mit Sicherheit<br />

ist mir dies jedoch nnr von dem ritterlichen Geschlechte <strong>der</strong> Dn<br />

Ponnneret bekannt.<br />

226) Um 18. Inli 1467, erzählt Malipiero, sa. a. O. Seite 655)<br />

ward im Großen Nath die Competenz des CouseM 6i X auf sechs<br />

einzelne Kategorien von Fällen bestimmt, „aber", setzt er — man<br />

sieht nicht recht, wann dieser Einschnb, nnd ob von ihm, o<strong>der</strong> wem<br />

sonst geschehen ist — hinzn: „seitdem ist es seine Gewohnheit geworden,<br />

jede Sache an sich zn ziehen, nm die Verhandlungen geheimer<br />

von statten gehen zn lassen." ^V' 18


232 Actenstncke zur Reise<br />

Arbeit seinen Wegweiser weit überholte. Vielleicht war die<br />

Ursache die, daß Malizierò, im Gegensah zn Sanndo, einen<br />

großen Theil seines Lebens fern von <strong>der</strong> Hanptstadt ver-<br />

brachte. 227) So ist seine Arbeit denn auch von bei weiten!<br />

geringerem Umfang und die dreiundvierzig von ihm behan-<br />

delten und von 1457 bis 1500 laufenden Jahre füllen in dem<br />

angegebenen Druck nur an<strong>der</strong>thalb mäßige Bände. Um so<br />

mehr muß <strong>der</strong> Raum überraschen, den <strong>der</strong> Verfasser darin <strong>der</strong><br />

Episode vom Canal von Cerigo gegönnt hat, und daß von<br />

dieser überhaupt da die Rede ist; aber wir wissen bereits,<br />

welches Aufsehen <strong>der</strong> Vorgang im venetianischen Reiche und<br />

weit über dessen Grenzen hinaus erregte und wie die Um-<br />

stände ganz darnach angethan waren, ihm solche Bedeutung<br />

zu geben. Schöpften nun anch die beiden Verfasser im wesent-<br />

lichen aus denselbigen Quellen, für die fünf Jahre, die sie<br />

gemeinsam behandelten, so ist doch die Art <strong>der</strong> Ausnutzung<br />

glücklicherweise eine verschiedene gewesen; die Auszüge und<br />

Abschriften, die sie geben, leisten sich gegenseitigen Beistand statt<br />

sich einfach zu wie<strong>der</strong>holen. Insbeson<strong>der</strong>e dankbar sind wir<br />

Domenico Malipiero für die wörtliche Wie<strong>der</strong>gabe des langen<br />

Berichtes, welchen Zacharias Garzoni, <strong>der</strong> Iohanniter ans<br />

Rhodus, als Augenzeuge und zuverlässigster Gewährsmann<br />

über den ganzen Verlauf <strong>der</strong> Begebenheit einem uns unbe-<br />

kannt bleibenden Freunde erstattet hat. Vielleicht war Mali-<br />

piero, dessen Mutter aus dem Hause Garzoni stammte,^)<br />

selbst dieser Freund. Der Bericht ist in mehr wie einer Be-<br />

ziehung ein vollständiges Seitenstück zu Capitän Zorzis lan-<br />

gem Bericht, den wir oben bei Sanndo gelesen haben, ^) ^d<br />

22') Foscarini a. a. O. Amn. 2.<br />

228) Nm. OiooFUÄ, äßiio illZori^ioni v6U62Ìtmo. Venedig 1.324.<br />

Band II, S. 391.<br />

229) Der Ritter Hieron. Zorzi, an den dieser Brief gerichtet ist,<br />

war im Jahr 1496 Gesandter <strong>der</strong> Republik bei Sr. Heiligkeit Alerai!«<br />

<strong>der</strong> Borgia, und sein Vrn<strong>der</strong> befehligte damals die große Flotte, welche<br />

an <strong>der</strong> westlichen Küste Italiens mit den Neapolitanern und Genuesen<br />

gegen Franzosen und Florentiner wirkte und welche noch in demselben<br />

Jahr von Malipiero übernommen wurde. Die Stellung dieser Pei><br />

^


Herzogs Bogislav X. in den Orient. 233<br />

ist um so wichtiger für nns, als er gewisse dunkle und, wie<br />

es scheint, von Eapitän Zorzi absichtlich dunkel gelassene Um-<br />

stände aufhellt, im übrigen aber dessen Angaben in allem<br />

wesentlichen bestätigt, nnd als er offenbar auch von Sanudo,<br />

in seinen Nachträgen nämlich, benutzt worden ist, und ^uns<br />

von demselben mit einer sehr merkwürdigen Variante und<br />

einer an<strong>der</strong>en nicht unwichtigen Abweichung stellenweise mit-<br />

getheilt wird. ^")<br />

Spät, erst mit seinem sünfnnddreißigstcn, ^) o<strong>der</strong> wie an<strong>der</strong>e<br />

sagen, seinem sicbeuunddrcißigstcn 2^ Jahre (1463 o<strong>der</strong> 65) trat<br />

Domenieo in das politische Leben ein, das heißt, er begann<br />

Theil zu nehmen an den Abstimmungen des Großen Rathes,<br />

wozu alle vcnctianischen Junker mit abgelaufenem fünfund-<br />

zwanzigstem Lebensjahre berechtigt waren. Wahrscheinlich hatten<br />

ihn Handelsgeschäfte bis dahin von <strong>der</strong> Vaterstadt fern ge-<br />

halten.^) Solche Beschäftigung lag für den Patrizier Vene-<br />

dig's bekanntlich in den Ueberlieferungen seiner Herkunft, sie<br />

war für ihn gewissermaßen eine patriotische Pflicht. Während<br />

überall sonst in <strong>der</strong> europäischen Ritterschaft die Kaufmanns-<br />

fe<strong>der</strong> hinter dem Ohre sich mit dem Schwert an <strong>der</strong> Seite<br />

unbedingt nicht vertrug, war <strong>der</strong> venctianische Nobile nicht nur<br />

zu Helm nnd Schwert, son<strong>der</strong>n auch zu solchem Fe<strong>der</strong>kiele ge-<br />

boren, nnd die enropäische Adelsgesellschaft hatte sich schon<br />

frühe bewogen gefuuden, zu diesem Bruch mit dem Grund-<br />

gedanken ihres Bestehens gute Miene zu machen. Zu mächtig<br />

standen die Thatsachen da in den weltgeschichtlichen Erfolgen<br />

dieser geharnischten Handelsleute und Vankherren, uud diese<br />

Erfolge waren nicht mit dem Schwerte allein gewonnen, fon-<br />

sonen giebt dem Inhalt jeuer Briefe und Mittheilungen eiue beson-<br />

<strong>der</strong>e Bedeutung uud Autorität.<br />

'^) Der „Türke", welcher, nach Sauudo, zu deu Fusteu hinüber»<br />

schwamm uud dadurch die Galere gerettet habcu soll, ist bei Mali-<br />

piero ein venetianischer Rn<strong>der</strong>lnecht, uud über die au Bord befind»<br />

lichen Waffen berichtet <strong>der</strong> letztere an<strong>der</strong>s.<br />

-") Cicogna a. a. O. Seite 391.<br />

2N) ^ix-Ii. Ltor. a. a. O. Seite XX.<br />

2^) Foscariui a. a. O. Seite 132.


234 Aktenstücke zur Reise<br />

<strong>der</strong>n auch mit dem Golde, das diese Herren <strong>der</strong> großmächtigcn<br />

Repnblik von San-Marco sich und dein Vaterlande znglcich<br />

zn erwerben verstanden hatten.<br />

Wir hören nicht, daß Malipiero bei <strong>der</strong> Centralregierung,<br />

als Beamter o<strong>der</strong> Senator, je eine Rolle gespielt habe, aber<br />

auswärts finden wir ihn vom Jahre 1484 an öfters in hohen<br />

eivilen und militärischen Stellnngen. In dem obengenannten<br />

Jahre war er (^pitano äolio n^vi lN'in^to, ein Amt, das<br />

dem eines heutigen Contre-Ndmirals gleichkommen mag, und<br />

noch in demselben Jahre tritt er in Apulien ans als Stellvertreter<br />

des vor Gallipoli umgekommenen General-Capitäns<br />

des Landheeres. Im Jahre 1496 trat Malipiero wie<strong>der</strong> in<br />

den Seedienst Zurück und zeichnete sich als ?i'0V6äiwi- äil<br />

Hi'inQclH) eine ansehnliche Flotte gegen Franzosen und Florentiner<br />

vor Livorno befehligend, bei dem Angriffe auf diese<br />

Stadt rühmlichst aus.^) Wenn Namensgleichheit mit einem<br />

Verwandten nicht täuscht, so war Malipiero im Sommer 1497<br />

in gleicher Eigenschaft dein General-Lapitän Melchior Trevisani<br />

beigegeben nnd bei <strong>der</strong> Absendnng jenes Cnrierboots<br />

betheiligt, das, wie wir oben gesehen haben, die ersten Nachrichten<br />

über den Vorfall mit <strong>der</strong> Iaffa-Galere von Cattaro<br />

nach Venedig brachte. Später begegnen wir Malipiero nur<br />

noch in hohen festländischen Verwaltungen, Zuletzt in Treviso<br />

als ?i'0V0(1itoi' Z6n


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 235<br />

in stetiger Schreibebereitschaft und in wohlangelcrnter Schreibegcübtheit<br />

die geschäftlichen Stunden des Tages mit <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong><br />

in <strong>der</strong> Hand zu verleben.<br />

Noch eins sei zum Schlüsse bemerkt. Wir werden den<br />

Malipieroschen Jahrbüchern nicht nnr diejenigen Schriftsätze,<br />

welche sich unmittelbar auf unsre Sache beziehen, son<strong>der</strong>n auch<br />

gewisse Thatsachen allgemeinen Inhalts entnehmen, welche <strong>der</strong><br />

Verfasser gewissermaßen als eine Einleitung zu unserer Episode<br />

betrachtet zu haben scheint. Auch Sanudos Tagebücher würden<br />

wir in dieser Weise verwendet haben, wenn die augenblicklich<br />

noch bestehende Schwierigkeit <strong>der</strong> Benutzuug <strong>der</strong>selben<br />

uns nicht allzu viele Hiu<strong>der</strong>nissc entgegengestellt hätte.<br />

XII. 235)<br />

1497.<br />

1) In diesem Jahre wurde Frieden mit den Franzosen gemacht,<br />

uud <strong>der</strong> türkische Großherr wurde sehr argwöhnisch.<br />

2) Zwei große Dörfer im Bezirke von Cattaro, welche<br />

nnter <strong>der</strong> Votmäßigkeit Zorzi Cernovichios stehen, haben sich<br />

freiwillig dem Großherrn unterworfen. Zu Anfang des Jahres<br />

hatten sie Abgeordnete an unsere Staatsregierung geschickt und<br />

.... um Abtrennung von Cattaro gebeten .... waren<br />

indessen abschläglich beschieden worden.^)<br />

3) Am 26. Mai lief eine Flotte von zehn Schiffen von<br />

Constantinopel ans, um Corsaren zu suchen,^') nämlich eine<br />

^) Was wir in Nr. XII und XIII geben, steht bei Malipiero<br />

ohne Lücke hinter einan<strong>der</strong> wie eine einheitliche Begebenheit.<br />

^) Wir bringen diese Geschichte nnr in andeutenden Auszügen.<br />

Es ist dieselbe, welche oben in einer Anmerkung zu Nr. I besprochen<br />

worden ist, nnd die türkische Handhabe znr Eröffnung des bald daraus<br />

ausbrechenden Krieges wurde.<br />

^) D. h. angeblich. 'Nach den Verträgen waren die Türken<br />

verpflichtet, dein Seeranbwesen zu steuern, wir sahen aber bereits wie<br />

sie cs damit hielten.


236 Aktenstücke znr Reise<br />

Bark von 300 Tonnen, eine Caravele, ^) zwei Galeren nnd<br />

sechs Fnsten. Ihr Befehlshaber ist <strong>der</strong> Corsar Erichi."")<br />

Derselbe hat 300 Ianitscharen nnd acht Bombengeschütze an<br />

Bord, nnd sein Ziel ist zunächst Salonichi.<br />

4) Am 19. Inni ist ein Selave des türkischen Großherrn<br />

nüt einem Beglaubigungsschreiben eingetroffen und hat gemeldet,<br />

daß er gekommen sei, um Nachricht von einem entscheidenden<br />

Siege zn bringen, den <strong>der</strong> Sohn des Sultans über<br />

die Perser erfochten habe ^") und daß einer seiner Paschas die<br />

Walachei in seine Gewalt gebracht habe. Der Großherr will<br />

dnrch dies Mittel hier einen Eindruck hervorbringen, denn <strong>der</strong><br />

mit Frankreich abgeschlossene Friede hat ihm mißfallen nnd<br />

die beiden Gesandten, welche nnsre Negierung wegen des nnter<br />

den christlichen Fürsten abzuschließenden Friedens nach Spanien<br />

schickte, haben seinen Verdacht erregt.<br />

5) Am 4. Inli'") hat jene eilf Segel mächtige Flotte<br />

'^) Schon ans dem Vergleich dieser Angaben <strong>der</strong> Flottenbcstand-<br />

theile mit denen bei Sanudo, wo überall von zwei Barken die Rede<br />

ist, geht hervor, daß diese Schiffsart zn <strong>der</strong> Varkengattnng gehört.<br />

-^) Derselbe Irrthum, <strong>der</strong> sich bei Sanndo im Bericht I findet:<br />

Nicht Enrichi, Erichi o<strong>der</strong> Nichi befehligte die Flottille und hatte die<br />

300 Ianitscharen bei sich, son<strong>der</strong>n ein gewisser Perichi.<br />

^) Im Vnnde mit Venedig war längere Zeit hindurch <strong>der</strong><br />

Perscrkönig einer <strong>der</strong> gefährlichsten Feinde des Snltans nnd ein sehr<br />

wirksames Hin<strong>der</strong>niß von dessen Vordringen gegen Europa gewesen,<br />

nnd noch immer wurden in Venedig Hoffnungen an die persische Macht<br />

geknüpft.<br />

'^') Was Malipiero hier berichtet, entspricht <strong>der</strong> Mittheilung Sa-<br />

nudos in Nr. I, nnd gründet sich ans dieselbe amtliche erste Meldung,<br />

nämlich auf die Depesche, welche Zantani, <strong>der</strong> Podestü. von Malvasia,<br />

ani 4. Juli au den Gencral-Capitan nnd an den mit diesem damals<br />

in Cattaro befindlichen Domenico Malipiero, bezw. an die Signoria<br />

nach Venedig abgesandt hatte. Das Datum, welches Malipiero hiev<br />

giebt, weun dasselbe nicht auf einem Fehler des Abschreibers bc^<br />

ruht, ist also dasjenige <strong>der</strong> Zantanischen' Depesche, nicht dasjenige<br />

<strong>der</strong> Thatsache, die sich am o0. Inni zngetragen hatte. Man sieht, wie<br />

hier den Daten nicht immer zn tränen ist.


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 23?<br />

des Großtürkcn die große Iaffa-Galere, Caftitän Aloise Zorzi,<br />

genommen, nnd soll die Ursache die gewesen sein, daß die<br />

Galere nicht ihre Segel hat streichen wollen, wie sie von Rechtswegen<br />

hätte thnn müssen. Wegen dieser Nachricht ist die<br />

Stadt nnn in großer Erregung, und wurde am 4. August<br />

beschlossen, 242) daß Marchio Trcvisan, <strong>der</strong> Gcneral-Capitän,<br />

mit drei Galeren von Cattaro abgehen und sich mit Geronimo<br />

Contarmi, dem Proveditor, und drei weiteren Galeren, sowie mit<br />

Andrea Lorcdan, den: Caftitän <strong>der</strong> Kriegsbarken, nach Cav<br />

Malio begeben, und daß die Syrische Flotte unter Bartholomio<br />

Minio, <strong>der</strong> als Commandant nach Famagosta bestimmt<br />

war, sich ihnen anschließen solle. Späteren Nachrichten zufolge<br />

ist die Galere .mit verbranntem Hintertheil und Bug<br />

und verbrannten Raen^) in Candia angelangt, und <strong>der</strong><br />

Oberbotsmann Sun, ein französischer Edelmann,^) und drei<br />

Ru<strong>der</strong>er sind todt und viele verwundet; doch ist die Galere,<br />

nachdem sie als venetianisches Schiffs) ^kannt worden war,<br />

wie<strong>der</strong> frei gegeben worden. Und während die Stadt in Erwartung<br />

zuverlässiger Nachrichten über den eigentlichen Verlanf<br />

<strong>der</strong> Sache schwebte, traf ein Brief des Iohanniterritters Zaecaria<br />

di Garzoni, des Sohnes von Marin di Garzoni, ein,<br />

und ist das folgende eine Abschrift desselben:<br />

XIII. '")<br />

Am Sonnabend den 24. Juni kamen wir in Modone<br />

an und gingen am Montag den 26. um Mittag weiter. Am<br />

'^) Im Senat nämlich, dem ('ousi^Iio äo' I'i'oz-a6i.<br />

2") Norto 'l comiw 8nu, uodile ^rauo6L^, tre callotti. Der<br />

Herausgeber bemerkt in <strong>der</strong> Anmerkung: II (^06. lapponi (eine<br />

alte Abschrift von Malivicro's Urtert) i^nm'i:l.. S. nnten Anin. 256.<br />

2") ^i-oll'lvio 8tor. Uul. I^irenxc, wm. VII. Seite 154. 1843.<br />

Ich erinnere noch einmal daran, daß wir hier aller Wahrscheinlichkeit


238 Actenstücke zur Reise<br />

Freitag den 30. Inni kamen wir, dnrch ungünstiges Wetter<br />

verspätet, um 1 Uhr Mittags 2") zwischen Cerigo nnd Cap<br />

Malio an, und entdeckten ^) an dieser Stelle nenn Segel, nämlich<br />

zwei Barken, zwei Galeren und fünf Fusten. Es war Pcrichi,<br />

<strong>der</strong> großherrliche Kriegs-Capitän, -") ^^ Enrichi, dem ehemaligen<br />

Corsaren und Genossen Camalis. Als dieselben nnscr<br />

gewahr wurden, steuerten sie sofort anf uns los^") nnd bald<br />

war eine <strong>der</strong> Fusten, welche die an<strong>der</strong>en überholt hatte, an<br />

unserer Seite; <strong>der</strong> Wind nämlich war uns fast vollständig ausgegangen.<br />

^) Man rief uns an, wer wir wären, und wir<br />

gaben zur Antwort: von San-Mareo, wie sie schon an den<br />

an Rae und Stange^'-) aufgezogenen Flaggen leicht hätten<br />

sehen können, und auch an <strong>der</strong> Krenzes-Standarte. ^) Wir<br />

fragten unsrerseits, wem ihr Geschwa<strong>der</strong> gehöre und man antwortete<br />

: dem türkischen Großherrn. Wir wurden nnn anfgefor<strong>der</strong>t,<br />

unsere Segel zu streichen, da wir Freunde seien;<br />

wir aber fürchteten, Corsaren vor uns zu haben; denn mehr<br />

als einmal fragten wir, wer ihr Befehlshaber sei, und erhielten<br />

keine Antwort, obwohl wir sagten, es zu dem Zwecke wissen<br />

zu wollen, damit wir thun könnten, was unsre Schuldigkeit<br />

das Schriftstück vor Augen haben, welchem Saimdo den größten Theil<br />

seiner Ergänzungen oben in Nr. VIII entlehnt hat.<br />

2") ^. 18 1w!'6.<br />

2-^) 3copi-Ì886M0. Es liegt in dem Ansdruck nnverkennlich eine<br />

Hindentnng auf die Ferne, in welcher man das feindliche Geschwa<strong>der</strong><br />

zuerst erblickte, ganz dem Berichte Capitän Zorzis entsprechend.<br />

249) Capitamo o<strong>der</strong> Capitano ist was in jener Zeit nnscr „Haupt-<br />

mann": fast immer ein höherer Offizier, hier jedenfalls kein bloßer<br />

Schiffscapitän, wie sich noch mehr in <strong>der</strong> Folge ergeben wird.<br />

2N) Auch <strong>der</strong> Ritter Garzoni sagt also nichts von Umkehr nnd<br />

Flncht.<br />

^l) Die Galere als eine Fniin. ^rosZ^ war dnrch Nn<strong>der</strong>n schwer<br />

vorwärts zu bringen, war also bei Windstille von den Fuste.ii leicht<br />

zn erreichen.<br />

252) In vout^me ot in ätH?:i — e poi il 8tonando doli^ eroc^.<br />

Es scheint hiernach, daß diese Standarte, jedenfalls auch eine Flagge,<br />

we<strong>der</strong> in V6ntu.ni6, noch in 8w^ wehte, son<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>swie be-<br />

festigt war.


Herzogs Vogislav X. in den Orient,<br />

sci. Darnm eben strichen wir nnserc Segel nicht, denn nnsere<br />

Pflicht lvar uns klar: eher allen Gefahren nnd selbst dein Tode<br />

zn trotzen als dnrch Streichen <strong>der</strong> Segel Personen Ehre zn<br />

geben, die uns unbekannt waren. Als wir demgemäß die Fahrt<br />

fortsetzten, gab eine <strong>der</strong> Galeren einen Nombenschuß auf uns<br />

ab, <strong>der</strong> unser Hintermastsegcl traf. Wir strichen mm unsre<br />

Segel, aber alle eilf Schiffe legten sich um unsre Galere uud<br />

machteu ans dieselbe einen wüthenden Angriff mit Pfeilen,<br />

Fenerwnrfschüssen ^) und Bomben. Wir setzten uns in Vertheidignngsstand,<br />

brachten an <strong>der</strong> Schanzklciduug alle uus<br />

möglichen Wehren an nnd bewaffneten nns so gut es ging.<br />

Doch hatten wir ans <strong>der</strong> Galere nicht mehr als Z halbe Harnische<br />

und an lanzenformigen Waffen nnr diejenigen, welche<br />

ich selbst für Nhodus mitgenommen hatte, nämlich nicht mehr<br />

als 25 Stück. Der Rcisekasteu, iu dem sie sich befanden,<br />

wnrde aufgebrochen uud die Waffcu wurdeu geschäftet, und<br />

mit ihrer Hülfe uud mit deu Schwerteru, von denen auch<br />

eiuige vorhaudcu wareu, sowie meiucu Nnndschildcn und Tartschen,<br />

die ich gleichfalls für Nhodns mitgenommen hatte, vertheidigten<br />

wir uus uud wurdcu 50 Menschen mittelst meiner<br />

Waffen vor dein Tode gerettet. Die Pilger aber schnitten ein<br />

Loch in die Mitte ihrer Matratzen und zogen sich dieselben<br />

statt <strong>der</strong> Harnische über. Dergestalt vertheidigten wir die<br />

Galere trotzdem daß es an dem nöthigen fehlte. Das<br />

Gefecht währte fünftehalb Stunden nnd kein Türke erstieg die<br />

Galcrc, dcr uicht sein Leben hätte lassen müssen. Wäre die<br />

Galere mit Waffen versehen gewesen, wie sie hätte sein sollen,<br />

so wären nns die Türken nicht nahe gekommen o<strong>der</strong> hätten<br />

ihre Schaude erlebt, und wir würden, meines Erachtens, einen<br />

dcr größten Siege über sie erfochten haben, die uus seit vielen<br />

Jahren zn Theil geworden sind. ^) Dnrch die Gnade Gottes<br />

2N) Dieselben bestanden iu B. ^idpfeilen, welche mit dem Bogen<br />

geschleu<strong>der</strong>t wurden, uud Feuer' '-f^< wie aus dem Verfolg uud aus<br />

Sauudo hervorgeht. Die Töpfe wm^eu entwe<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Hand o<strong>der</strong><br />

mit Maschinen geworfen.<br />

^) Dcr Ritter macht hier dem Capitän Zorzi eincu Vorwurf,


240 Actenstücke zur Reise<br />

sind wir ihren Händen entgangen, aber nicht nnr gegen ihre<br />

Waffen nnd ihre Artelarie haben wir nns zn behaupten ge-<br />

habt, fon<strong>der</strong>n auch gegen eine Unmasse von Fenerwürfen, ni il<br />

denen fic ohne Aufhören die Galere überfchütteten, und zu<br />

<strong>der</strong>en Abwehr wir alle unsere Wasfcrvorräthe und 200 Barile<br />

Wein verbrauchten. Von diesem Feuer wurden die Nae, das<br />

Hintermastfegel, das Vor<strong>der</strong>segel ^) und viel Gut vernichtet,<br />

und zuletzt wurde auch das Vor<strong>der</strong>castcll^) von dem Feuer<br />

ergriffen. Um zu einem neuen Angriff Kräfte zu sammeln,<br />

zogen sich die Türken zurück, da aber fprang einer unferer<br />

Ru<strong>der</strong>er,^) welcher fürchtete, die Galere würde genommen<br />

werden, um sich zu retten, ius Wasser und wurde von den<br />

Fusten gefangen genommen uud zu dem Befehlshaber de^<br />

Geschwa<strong>der</strong>s^) gebracht nnd von demselben gefragt, was für<br />

eine Galere die unsrige sei, worauf er erwie<strong>der</strong>te: „die vene-<br />

tianische Iaffa-Galere", -^) ^^ ^ Erregung hinzufügte: „ist das<br />

den <strong>der</strong>selbe vollauf verdient hatte. Herzog Vogislav hatte ausdrücklich<br />

in den Ueberfahrtsvertrag, §. ^, die Bestimmung aufnehmen lasse::!<br />

6t iiOLtiuiN ÌllVA8Ì0U6M, 81<br />

tdlivei'um, ÌQ 8Ìmi1idu8 0d86i'VÄ:l ^^11:^<br />

'-^) Hu 1iot0. Die Nndcrer waren damals noch keine „Ga-<br />

lereusclaven", son<strong>der</strong>n freie Leute. Dieser Fnliow ist bei Sauudo ciü<br />

Türke.<br />

258) Es ist <strong>der</strong> Oberbefehlshaber Perichi gemeint-, <strong>der</strong> Nnoers<br />

mann mußte also von <strong>der</strong> Fuste auf die Barke desselbeu hinüber-<br />

gefahren werden.<br />

^) slll,1ul


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 241<br />

dcr Fricdcn, in dcm Eucr Hcrr mit nnscrcr Regierung steht,<br />

daß Ihr übcr nns herfallet als ob wir Encr Feind wären?" ^")<br />

Diefe Worte hatten die Wirkung, daß dcr tnrkifche Capitän<br />

die weiße Waffenstillstands-Flagge aufziehen ließ und befahl,<br />

daß alle ihn begleitenden Schiffe von nns ablassen sollten.^)<br />

An dem Kampf hatte, in Folge <strong>der</strong> Windstille, keine <strong>der</strong> Barken<br />

Antheil genommen, und wäre dcm nicht so gcwcfcn, so<br />

war unfcre Galcrc genommen. ^) Dieser Capitän hatte auf<br />

feiner Galere als Lootfcn cincu christlichen Renegaten Nameus<br />

Bcnctto Barbcta, luelchcr die Galere anf den ersten Blick wie<strong>der</strong>erkannte<br />

nnd als Pilger-Galere bezeichnete und von ihr behauptet,<br />

sie habe „goldene Eingeweide."-^) Diefe Aenßcrung<br />

brachte den Capitän zn dcm Entfchlnß, sich ihrcr zn bemächtigen;<br />

als er sie aber sich im Feuer verzehren sah, zog er ab ^")<br />

und schickte seine Schalupe zu uufcrm Patron und licß ihn<br />

anffordcrn zu ihm zn kommcn. Dicfcr bat sich sicheres Geleit<br />

ans, woranf das Friedenszeicken mit cinem lvcißen an <strong>der</strong><br />

Spihc ciner Lanze befestigten Tuche gegeben nnd das Geleit<br />

überfandt wurdc. Nun begab fich dcr Patron dcr Galcre zu<br />

ihm nnd <strong>der</strong> Capitän entschuldigte fich nnd sagte, er hätte die<br />

Galcre für eine franzöfifche Galeazza gehalten, die er fchon<br />

fett zwei Monaten erwarte, uud er fügte hinzu, vou unfcrm<br />

Patron fci dcr Fehler begangen worden, daß er nicht habe<br />

die Segel strcichcn nnd ihm als dcm stärkeren nnd unfcrem<br />

Frcnndc dic Ehrc geben wollen. Dcr Patron cnt-<br />

^) Im Tczt steht d^nll pnx^-, das Wort pl^x


242 Actenstücke znr Reise<br />

gegncte, <strong>der</strong> Fehler sei nicht auf seiner Seite gewesen, denn<br />

er habe seinen, des Capitäns, Namen nicht erfahren, nnd ohne<br />

ihn zn kennen, würde er ihm nimmer die Ehre gegeben haben,<br />

nnd er hätte glanben müssen, mit Seeräubern Zn thnn zn<br />

haben, da er nach dem Namen gefragt, aber keine Antwort<br />

erhalten habe; daraus hätte er gar nichts an<strong>der</strong>es entnehmen<br />

können als daß er mit Feinden zu thnn habe, nnd, wenn sie<br />

Freunde waren, so hätten sie nichts weiter nöthig gehabt als<br />

eine Fuste an ihn heran zn schicken und sich zn erkennen zn<br />

geben, woranf er ohne Weiteres seme Schuldigkeit würde gethan<br />

haben. Darauf ließ ihm <strong>der</strong> Capitän bedeuten, daß er<br />

alles Vorgefallene geduldig hinnehmen möge, denn es hätte so<br />

sein sollen, nnd er würde ihn zu seiner größeren Bequemlichkeit<br />

ins Schlepptan nehmen nnd sich am kommenden Morgen<br />

über das weitere entscheiden nnd <strong>der</strong> Patron möge gnter Dinge<br />

bleiben; und damit entließ er ihn. Die Pilger aber besorgten,<br />

<strong>der</strong> Patron würde, um sich selbst zu befreien, sie dem Capitän<br />

als Gefangene überlassen, da Franzosen nnd Dentfche ^-"') die<br />

Feinde <strong>der</strong> Türken sind, nnd einer <strong>der</strong> Vornehmsten nnter denselben,<br />

welcher Herzog von Pomeres ^) ist, nahm den Patron<br />

bei Seite und schlng ihm vor, cr möge versuchen, die Galere<br />

mit Gold zn lösen, wozu er ihm 15000 Dncaten anbot,<br />

welche er bei sich auf <strong>der</strong> Galere habe. Der Patron aber<br />

entgegnete, er möge keine Vesorgmß haben, er stehe ihm für<br />

seine Sicherheit mit dem Kopfe. Von unseren Leuten^)<br />

waren mehr als 60 verwundet nnd die Segel waren <strong>der</strong>maßen<br />

versengt, daß die Galere nicht zn regieren war. ^)<br />

265) Die Türken machten fortwährend Nanbzüge nach Oesterreich<br />

hinein; ein wirklicher Feldkrieg zwischen dein Reich o<strong>der</strong> Oesterreich<br />

nnd den Türken hatte noch nicht statt gehabt, doch hatte sich Max, dcr<br />

römische König, bereits <strong>der</strong> Republik als Bundesgenosse für einen<br />

neuen Krieg angetragen.<br />

266) Uno 66 i pi'iucü^Ii, il


Herzogs Bogislav X. in den Orient. 243<br />

Die Türken schickten daher zwei Galeren und hatten uns die<br />

ganze Nacht am Schlepptau. Es kann nichts herzzerreißen<strong>der</strong>es<br />

geben als das Klagen und Stöhnen was man da auf <strong>der</strong><br />

Galere zu hören bekam. ^) Um Morgen langten wir bei<br />

Cap Malio an ^") und fanden den türkischen Capitän bereits<br />

in Bewegung. Wir erhoben uns nnn auch von unserm Lager.<br />

Darauf schickte er die Schaluppe zu uns und ließ sagen, <strong>der</strong><br />

Patron, die Pilger nnd <strong>der</strong> Caftlan sollten zu ihm kommen.<br />

Als wir von dieser Auffor<strong>der</strong>ung hörten, hielten nur uns für<br />

verloren; da die Umstände es aber nothwendig fo erheischten,<br />

so machte sich <strong>der</strong> Patron mit einigen an<strong>der</strong>en auf den Weg.<br />

Der Capitän ging unsern Patron nun an, er solle ihm auf<br />

Treu und Glanben versprechen, daß er überall sagen wolle,<br />

<strong>der</strong> Anlaß zu dem blutigen Streit und zu dem ganzen bedauerlichen<br />

Vorfall fei von unserer Seite gegeben worden und nicht von<br />

ihm, denn wenn wir die Segel gestrichen hätten, so wäre das<br />

alles gar nicht vorgekommen.^) — Ich meinestheils aber<br />

glaube, abgesehen von <strong>der</strong> göttlichen Hülfe, wenn wir uus nicht<br />

zu wehren gewußt und die Türken auf die Galere hätten<br />

kommen lassen, daß wir uns ihnen hätten ergeben müssen und<br />

alle zusammen von ihnen in Stücke gehauen sein würden. —<br />

Schließlich wurde uns freigestellt, ^) unsere Fahrt fortzusetzen.<br />

— Als <strong>der</strong> Patron an Bord <strong>der</strong> Galere zurück war, ließ <strong>der</strong><br />

Corsar Erichi ihn um Scharlachtuch zu einem Anzug ersuchen<br />

nnd brachten wir den Patron dazu, ihm 5 Stück ^) und ebensoviele<br />

dem Capitän zu schicken sammt einem Faß Malvasier-<br />

bloße Nu<strong>der</strong>kraft vorwärts zu bringen imd für die Gattung <strong>der</strong>selben<br />

als MÜH FI'088«,.<br />

AN) 5?ott lu miü mnF^wi- i»n't:'l. ono lüdir i lamenti o i pianti ote.<br />

"


244 Actenstücke zur Reise<br />

Wein, Confeet, Pfefferkuchen und Bisenits. ^) Das alles<br />

wnrde auch angenommen uud ließ <strong>der</strong> Capitän den Patron zn<br />

einem fröhlichen Gelage bitten,^") eine Einladnng, welcher <strong>der</strong><br />

letzte auch Folge leistete. Nuterdessen ließen wir die Galere so<br />

viel wie möglich in Stand setzen, mnßten jedoch bis<br />

zum Abend anf Eintritt günstigen Windes warten.^) ^ni<br />

Sonnenuntergang^') gingen wir unter Segel, zugleich mit <strong>der</strong><br />

Türkenflottille, welche die Richtung anf Chios nahm, indeß wir<br />

auf Candia steuerten. Hier trafen wir am Montag den 3. Juli<br />

um Mittag eiu, in einer Verfassung, als ob wir nnr so eben<br />

dem Untergange entronnen wären. Wir gingen sofort insgesammt<br />

an's Land und zogen, die große Trntzflagge vorauf, ^)<br />

zur Kirche <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>thätigen Mntter Gottes vor dem Thor,<br />

^) (>0ut0tti, do^oladi et,<br />

n clir ni Patron o^e nn6aZ3tt a, 5lU' 8


Herzogs Vojislav X. in den Orient.<br />

um Gott dem Herrn nnd ihr für die große uns erwiesene<br />

Gnade Zu danken. Ganz Candia kam uns auf d


M> Acteustüäe zur Reise<br />

eastell und verbrannte mir vier volle Koffer. Gott fei gelobt,<br />

das) es mir nicht au's ^ebeu gegangen ist. Mit feiner Hülfe<br />

werde ich anch mit allen: an<strong>der</strong>n zurecht tommen. Wun<strong>der</strong>barer<br />

Weise streifte mir ein von dem feindlichen Maftkorb kommen<strong>der</strong><br />

Stein die Haare, ohne mir den geringsten Schaden zn<br />

thnn. Candia den 6. Juli 1497."<br />

XIV.<br />

Am 8. November ist ein Theil <strong>der</strong> oben erwähnten Pilger<br />

von <strong>der</strong> Iaffa-Galere, Capitän Aloise Zorzi, anf <strong>der</strong> sich Herr<br />

Marco Maliftiero, <strong>der</strong> Groß-Conttur von Cypern, eingefchifft<br />

hatte, anf Lesina^) angekonimen. Die Pilger'-^) waren mit<br />

<strong>der</strong> Galere übereingekommen, daß sie anf dem Rückwege nicht<br />

wie<strong>der</strong> Candia anlaufen solle und haben zusammen dem Caftitän<br />

500 Dueaten gegeben, daß er hinter <strong>der</strong> Insel hernm nnd<br />

an ihr vorbei fahre, nm dem türkischen Geschwa<strong>der</strong> nicht<br />

zu begegnen. Am 18. traf die Jaffa-Galere mit den<br />

übrigen Pilgern ein und uuter denselben befand sich <strong>der</strong> Herzog<br />

von Pomeres,^) welcher <strong>der</strong> Staatsregierung einen Besnch<br />

machte und <strong>der</strong>selben einen sehr günstigen Bericht über Caftitän<br />

Aloise Zorzi erstattete.^) M^> den Herzog war das Hans<br />

'^) Insel an <strong>der</strong> dalmatinischen Küste, etwa anf <strong>der</strong> Höhe von<br />

Ancona.<br />

2^>) Das heißt: dieser Theil <strong>der</strong> früher nnd in Lesina angekommenen<br />

Pilger, worunter aber nicht die Pommern waren. Malipieros Erzäh-<br />

lnng ist hier sehr nnklar abgefaßt. Die Galere, mit welcher diese<br />

furchtsameren Pilger nach Lesina gelangten, war die Galere Patron<br />

Aloise Zorzi nicht. Ans den poinmerschen Berichten geht ganz zweifel-<br />

los hervor, daß <strong>der</strong> Herzog nnd seine Begleitung anf <strong>der</strong> Zorzischen<br />

Galere geblieben sind nnd mit dieser anch anf dem Heimwege Candia<br />

angelaufen nnd den Canal von Cerigo passirt haben. Die Pilger also<br />

hatten sich in Jaffa, Cypern o<strong>der</strong> Nhodns getheilt nnd die ängstlichen<br />

hatten da ein an<strong>der</strong>es Schiff bestiegen.<br />

'^l) We<strong>der</strong> Sanndo noch Malipiero hatten offenbar eine Vor-<br />

stellung von Pommern nnd feinem Herzog.<br />

282) Es wird damit angedeutet, daß des Capitans Verhalten nicht


.Herzogs Vogislav X. in den Orient. 247<br />

Aloise Zane's^) auf <strong>der</strong> Gindeeca in Bereitschaft gefetzt worden.<br />

Dieser Herzog hat 100,000 Dueaten Einkommen und fein Staat<br />

liegt bei Polen, ^) 1200 Meilen von hier entfernt. Er geht<br />

nach Loreto und dann nach Rom.<br />

Um fo vollständig wie möglich zu sein, schließen wir mit<br />

einer Bemerkung, welche Malizierò im Sommer 1498, die<br />

Angelegenheit <strong>der</strong> Iaffa-Galcre betreffend, in seine Jahrbücher<br />

einrückt. 285) Z^in großen Sturm, welcher im Jahre 1508 mit<br />

<strong>der</strong> europäischen Verschwörung von Cambray über Venedig<br />

hereinbrach, ging damals ein italienisches Vorspiel voraus.<br />

Mailand, Neapel, Florenz, Ferrara und König Max hatten<br />

sich zusammengethan, um <strong>der</strong> Republik den Untergang zu bereiten.<br />

Doch wollten sie vorher des türkischen Beistandes sicher<br />

sein. Der Sultan aber hatte keinem <strong>der</strong> Verführer diesmal<br />

„fein Ohr geliehen,"^) obgleich schon lange kein venezianischer<br />

Gesandter in Constantinopcl mehr beglaubigt gewesen war;<br />

man hatte eben <strong>der</strong> Hoffnung gänzlich entsagt, durch diplomatische<br />

Mittel dem immer näher und näher rückenden Ausbruch<br />

des Krieges eutgegenwirken zu können. Nun aber schien eine<br />

erfreuliche Anknüpfung gegeben zu sein, und Andrea Zantani<br />

wurde mit stattlicher Ehrcnbcgleitung an die hohe Pforte gesandt.<br />

Malipiero aber scheint von dem Versuch nichts gehalten<br />

zu habeu. „Sind doch," so sagt er, „mehrere Fälle vorgekommen,<br />

die beweisen, daß man <strong>der</strong> Gesinnung des Sultans<br />

gegen die venezianische Regierung nicht trauen dürfe, wie z. B.<br />

<strong>der</strong> Fall mit <strong>der</strong> Iaffa-Galere."<br />

ohne Anfechtung geblieben war und des herzoglichen Zeugnisses zu<br />

seiner völligen Rechtfertigung bedurfte.<br />

263) Bon einem <strong>der</strong> adelichen Familie Zane gehörigen .Hanse auf<br />

<strong>der</strong> Giudecca finde ich keine Spur. Uebrigens ist zn vermuthen, daß<br />

damit die Casa Gritti gemeint sei, welche damals vielleicht nur noch<br />

so hieß, aber den Zanes gehörte,<br />

2^) Im Text steht Cotogna, statt Polonia.<br />

8t,oi'. a. a. O. Seite 161.


Actenstücle zur Reise<br />

Der allgemeine Eindruck also war geblieben, daß die ganze<br />

Begebenheit als ein von oben her angeregter Versuch, Venedig<br />

zn demüthigen und zu reizen, anfgcfaßt werden müsse.<br />

A n h a n g.<br />

1. Der Kampfplatz.<br />

Während die ftommerschen Nachrichten mit den venetianischen<br />

darin übereinkommen, daß <strong>der</strong> Kampf mit den Türken<br />

am Panlstage 1497, Freitag den 30. Juni Nachmittags, stattgehabt<br />

habe, gehen die bei<strong>der</strong>seitigen Angaben über die<br />

geographische Lage <strong>der</strong> Kampfstätte weit auseinan<strong>der</strong>. Alle<br />

pommerschen Quellen, — wenigstens die mir zur Hand sind,<br />

nämlich die beiden gedruckten Kanzowschen Texte uud Dalmers<br />

Erzählung — behaupten, daß <strong>der</strong> Zusammenstoß ganz nahe<br />

bei <strong>der</strong> Küste von Candien, nnd zwar, wie Dalmers Bericht<br />

will, „vier welsche Meilen" vom „Anfang <strong>der</strong> Insel", also<br />

etwa vier Kilometer nördlich o<strong>der</strong> nordwestlich von dem Vorgebirge<br />

von Busa erfolgt fei; nach den venetianischen Berichten<br />

dagegen ist die historische Stelle über zwölf deutsche Meilen<br />

von da im Canal von Cerigo zu suchen, das heißt in <strong>der</strong><br />

Wasserstraße, welche mit Cap Spathi beginnend, bis Cap Malio<br />

hin die Küsten Moreas von denen Cerigos trennt.<br />

Welchen Zeugnissen wir den Vorzug zu geben haben,<br />

kann keine Frage sein. An nnd für sich hat die ftommersche<br />

Angabe freilich nichts was befremden köunte, denn <strong>der</strong> gradeste<br />

Weg von <strong>der</strong> Stadt Modone nach <strong>der</strong> Stadt Candia, die das<br />

nächste Ziel <strong>der</strong> Galere war, geht zwischen Cerigotto und Candia<br />

hindurch, hart an dem vermeintlichen Kampfplatz vorbei,<br />

uud auch heute noch nehmen die von <strong>der</strong> Adria auf Candia<br />

fahrenden Schiffe ihren Weg bald nördlich bald südlich au<br />

Ccrigo vorüber. Hatte doch auch Capitän Zorzi die Absicht,


Herzogs Vogislau X. in den Orient. 249<br />

diesen letzteren Weg zu wählen, als er das Ende <strong>der</strong> nördlichen<br />

Straße durch die Piratenflotte versperrt fand und sich zur Umkehr<br />

entschloß. Nnr eines kann bei <strong>der</strong> pommerschen Darstellung<br />

Bedenken erregen: das Corsarengcschwa<strong>der</strong> soll ihr zufolge<br />

angesichts <strong>der</strong> Galere „unter des Türken Lande hervorgekommen"<br />

sein ; diese Angabe aber paßt wohl auf die nördliche,<br />

doch nicht auf die südliche Straße, denn sowohl Eerigo wie<br />

Candien waren damals Venetianergcbiet und von keiner Stelle<br />

zwischen den Inseln ist Türkenland Zn entdecken, — es müßte<br />

denn das ferne Cap Mataftan sein. ^) Doch mag hier auf<br />

Seiten des herzoglichen Geheimschreibers o<strong>der</strong> wer sonst den<br />

Bericht schrieb, welcher <strong>der</strong> Dalmersche heißt, ein geographischer<br />

o<strong>der</strong> politischer Irrthum begangen sein, den die mittelalterlichen<br />

Verhältnisse unschwer entschuldigen und <strong>der</strong> auch im<br />

übrigen nicht ins Gewicht fällt. Bei dem kindlichen Zustand,<br />

in welchem sich selbst noch im vorigen Jahrhun<strong>der</strong>t das gesammte<br />

Kartenwesen befand, ist sogar nicht zn erwarten, daß<br />

an Bord <strong>der</strong> Galere überhaupt ein an<strong>der</strong>es geographisches<br />

Hülfsmittel zn finden gewesen sei, als etwa jener Portolano<br />

von 149l), welchen auch wir, und nur mit äußerst geringem<br />

Erfolge, zur Kenntniß <strong>der</strong> fraglichen Küsten und Küstenorte<br />

benutzt haben, — eine trockene, von keiner Zeichnung begleitete<br />

Aufzählung <strong>der</strong> die Häfen und Vorgebirge trennenden Entfernungen<br />

nebst Anzeige <strong>der</strong> einzuschlagenden Richtungen.^)<br />

Allerdings könnte auch die Angabe Dalmers Anstand und Zweifel<br />

erregen, daß <strong>der</strong> nach ihm an <strong>der</strong> Küste von Candien gelegene<br />

Hafen, in den die Galere am Abend des Schlachttages geschleppt<br />

wurde, <strong>der</strong> von Casa di Sant'Angelo geheißen habe, denn<br />

26?) Nach dem neuesten Orientführcr von Isambert sind von Cap<br />

Malio ans die Berge von Candien sichtbar, etwa die gleiche Entfer-<br />

mmg wie die eben erwähnte.<br />

^) Anch zn strategischen Zwecken war <strong>der</strong> Gebranch von Plänen<br />

damals, nnd noch viel spater, ganz unbekannt. Wenigstens behauptet<br />

<strong>der</strong> Schreiber des Marschalls de Vieillcville, <strong>der</strong> die Denkwürdigkeiten<br />

seines Herrn schrieb, daß dieser <strong>der</strong> erste Feldherr gewesen sei, <strong>der</strong> sich<br />

— im Jahre 1552 — solcher Mittel bedient habe.


250 Actenstücke zur Reise<br />

nirgendwo will sich ans Candien ein solcher Hafenort finden<br />

lassen, doch hat die Feststellung eines also benannten Hafens<br />

anch für die Küstenlän<strong>der</strong> am Canal von Cerigo ihre Schwierigkeit,<br />

nnd wir können von hier ans die Zuverlässigkeit <strong>der</strong><br />

Dalmerschen Angaben nicht anzweifeln.<br />

Aber, wie viel o<strong>der</strong> wie wenig sich anch ans <strong>der</strong> Sache<br />

selber heraus für die pommersche Behauptung in Betreff <strong>der</strong><br />

Lage <strong>der</strong> Wahlstatt mag anführen lassen, vor den ihr wi<strong>der</strong>sprechenden<br />

Aussagen <strong>der</strong> Venezianer kann sie unbedingt nicht<br />

bestehen. Der Cavlau des Podestas von Monembasia hat von<br />

la V^tiea ans die im Kampf mit den Türken lo<strong>der</strong>nde Galere<br />

„im Canal von Cerigo" erblickt, <strong>der</strong> Ritter Garzoni, <strong>der</strong> mit<br />

auf dem Schiff war, erzählt, daß fich <strong>der</strong> Unfall „zwifchen<br />

Cerigo und Cap Malio" ereignet habe, nnd ebenfo lantet die<br />

Aussage des Capitäus Zorzi, und damit stimmeil alle an<strong>der</strong>en<br />

amtlichen Meldungen nnd sonstigen Nachrichten, — mit einem<br />

Wort: es steht für nns als nnwi<strong>der</strong>leglich dargethan, als völlig<br />

erwiefeu fest, daß <strong>der</strong> Zusammenstoß im Canal von Cerigo,<br />

also auf <strong>der</strong> Strecke zwifchen Cap Spathi und Cap Malio,<br />

stattgefunden: hat.<br />

Gehen wir mit diefem festen Ergebniß als Maßstab <strong>der</strong><br />

Wahrheit an die ftommersche Darstellung znrück, um was au<br />

ihr uoch zu retten ist, in unserm Dienst zu verwcuden, so stellt<br />

sich zuvör<strong>der</strong>st heraus, daß die beiden Kanzowschen Texte in<br />

Bezng auf die Lage des Kampfortes sich ini Grnude mehr unzutreffend<br />

uud ungcnan, loie irrthümlich ausdrücken, <strong>der</strong> sogenannte<br />

Dalmersche Text aber Thatfachen behauptet, <strong>der</strong>en<br />

Unrichtigkeiten sich nnr durch einen gründlichen Ver<strong>der</strong>b <strong>der</strong><br />

ursprünglichen Handschrift von Seiten eines ebenso leichtfertigen<br />

wie nngeschicktcn Bearbeiters erklären lassen nnd die in dem<br />

zunächst vorliegenden Falle dahin zn berichtigen sind, daß an<br />

die Stelle „<strong>der</strong> Insel Candien", an <strong>der</strong>en Anfang <strong>der</strong> kleine<br />

Hafen mit Namen Cafa di S. Angelo gelegen gewesen sein soll,<br />

einfach „Morca" o<strong>der</strong> „Peloponnes" gesetzt werde. Dort, am<br />

Vorgebirge M^lio o<strong>der</strong> Malea, ist <strong>der</strong> Schlupfhafeu <strong>der</strong> türkischen<br />

Piraten zu suchen, in den die Galere am Abend o<strong>der</strong>


Herzogs VogiZIau X. in den Orient. 251<br />

besser ani Morgen nach dem Gefechte gebracht wnrde, und aus<br />

dem anch vermuthlich das feindliche Geschwa<strong>der</strong> am Vormittage<br />

jenes bösen Freitags hervorgekommen war; dort hatte sie ihren<br />

ständigen Rückhalt nnd ihren Ansfallsort, seitdem sie, wie<br />

Zantani berichtete, die ganze Durchfahrt, nämlich eben den<br />

Canal von Cerigo o<strong>der</strong> von Cervi, gesperrt hielt. Daß wir<br />

diefen Schlupfwinkel nicht nördlich von dem Casi Malio und<br />

anf <strong>der</strong> Ostküste, fondcrn westwärts von ihm an <strong>der</strong> füdlichen<br />

Küste Moreas Zu suchen haben, ist eigentlich selbstverständlich;<br />

doch weiß anffälligcr Weise keine <strong>der</strong> vielen alten und neuen<br />

Beschreibungen nnd Landkarten ^') an dieser Stelle und Küste<br />

von einem Ort o<strong>der</strong> Hafen mit Namen Casa o<strong>der</strong> C^ di<br />

Sant Angelo, d. h. Hans des heiligen Engels. Wohl aber<br />

findet sich zu unserer Ueberraschung ein Ort mit Namen Sant<br />

Angelo anf jener eben von uns zurückgewiesenen Ostküste Moreas,<br />

nördlich von Casi Malio, und unweit von diesem.^")<br />

Wer sich jedoch auf den Karten uud in den Betreibungen<br />

diefes feit Iahrhnndcrten o<strong>der</strong> Jahrtausenden in unaufhörlichen<br />

staatlichen wie völkerlichcn Wandlnngen begriffenen Landstriches<br />

einigermaßen umgesehen hat, wird fich durch solche augenblick<<br />

lichen Hin<strong>der</strong>nisse des Verständnisses nicht irren lassen. Von<br />

diesem Sant Angelo-Küstenorte könnte zndem schon darum<br />

^) Die drei ältesten, gezeichneten o<strong>der</strong> gemalten Karten, die ich<br />

zu Nathe gezogen habe, sind vom 16. Jahrhun<strong>der</strong>t, zwei in <strong>der</strong> Mar-<br />

cnsbibliothek Klasse IV. Cod. 148 nnd Cod. 1^9, nnd die in <strong>der</strong><br />

3lüli (I0Ü0 «cuäc» im Dogcnpalast befindliche, in Oel gemalte, im<br />

vorigen Jahrhun<strong>der</strong>t nach einem Brande wie<strong>der</strong>hergestellte Wandkarte<br />

des Vaptista Nhamnsins.<br />

cw. Trieft »854. Seite 10. .V circ^ ^lO miFii^ in<br />

— (von Cap Malio) — .^i sooi-^o nu'<br />

8:mt' ^Vu^io, ooiuo il villa^io cli^ ^


252 Actenstücke zur Reise<br />

nicht ernstlich für unsere Sache die Rede sein, als <strong>der</strong>selbe über<br />

zwei Myriameter weit ab voll Cap Malio gelegen ist und nicht<br />

als Hafen für Schiffe <strong>der</strong> betreffenden Größe beschrieben wird,<br />

mithin für den fraglichen Zweck sehr wenig geeignet erscheint,<br />

namentlich da sich an <strong>der</strong> südlichen Küste, wie wir sehen werden,<br />

mehrere dienlichere Häfen befinden. Ein sehr wichtiger<br />

Umstand ist zunächst <strong>der</strong>, daß Capo Malio vou den Schiffern<br />

auch Capo Santangelo genannt wird, nnd zwar keineswegs,<br />

wie gewöhnlich gesagt wird, erst seit nenerer Zeit. Bereits in<br />

jenem von uns schon einmal erwähnten „Hafenbuch" "^) y^<br />

1490 heißt das fragliche Vorgebirge Chavo Malio Saueto<br />

Angelo, und zwar im Gegensatze zu Cap Matapan, welches<br />

darin Cavo di Malio Matapan genannt wird. Für die christlichen<br />

Schiffer war auch <strong>der</strong> Erzengel Michael, <strong>der</strong> heilige<br />

Drachentö'dter, denn dieser ists, welcher mit dem Sanetus Angelus<br />

gemeint wird, von jeher eine viel wichtigere Person als<br />

<strong>der</strong> alte Spartanerkönig Maläos. Vis in die nenesten Zeiten<br />

hinein waren die Schluchten nnd Vuchteu um dies Vorgebirge<br />

her, wie schon einmal bemerkt wnrde, <strong>der</strong> gefürchtetste Seeräuberwinkel<br />

des Mittelmcers; aber noch eines an<strong>der</strong>n Drachen<br />

harrte daselbst, ans felsiger Klippenöde über die Seinigcn wachend,<br />

<strong>der</strong> heilige Engel mit dem Flammenschwert: von dieser Höhe<br />

herab in jähen Stößen tobt bisweilen ein Sturmwind, welcher<br />

Steine ins Meer hinunter zu schlen<strong>der</strong>n vermag und Leben<br />

und Eigenthum <strong>der</strong> Vorüberfahreudeu in Gefahr bringt.^)<br />

Auf <strong>der</strong> vorspringenden Knppe des Felsens hatte noch im Jahre<br />

1832, wie Lamartine^) meldet, ein griechischer Eremit sein<br />

einsames Heim nnd lag da, des Erzengels Beistand erflehend,<br />

auf den Knieen, so oft uud fo lange christliche Schiffer in Sicht<br />

waren. Anf Coronellis Karte von 1090 findet sich eine Stätte<br />

„S. Anzolo" weiter zurück iu das Land, auf die beide Ufer<br />

beherrschende Höhe gerückt; bei <strong>der</strong> sonstigen ganzen Art dieser<br />

veduto tuto


Herzogs VogiZlau X. in den Orient. 253<br />

einst hochgeachteten Karte hat es aber nicht den mindesten Anstand,<br />

es mit <strong>der</strong> scheinbar so großen Entfernung vom Cap<br />

nicht genau zu nehmen und diese Stätte, ein Haus, Hof,<br />

Kapelle o<strong>der</strong> was es sonst hat vorstellen sollen, als jene Casa<br />

di S. Angelo des Dalmerschen Berichts zu verstehen, in <strong>der</strong>en<br />

Nähe, und vermuthlich zu <strong>der</strong>en Füßen, auf <strong>der</strong> südlichen Küste<br />

Moreas, gleich westwärts neben Cap Malio <strong>der</strong> türkische Zufluchtshafcn<br />

gelegen gewesen sein muß. Vou den Türken ist<br />

Cap und Hafen wahrscheinlich an<strong>der</strong>s genannt worden; doch<br />

kann auch die Frage entstehen, ob <strong>der</strong> vou Dalmer gebrauchte<br />

Name überhaupt ein allgemein gebrauchter, ein wirklicher Name<br />

gewesen sei. Scine „Casa", ein Wort, das von den Venetianern<br />

gewöhnlich in C^ verkürzt wird, ist möglichenfalls nur<br />

ein Mißverständniß, auch Capo wird nicht nur in C^o, son<strong>der</strong>n<br />

auch gleichfalls iu C^ verkürzt und <strong>der</strong> fragliche Hafen mag<br />

einfach <strong>der</strong> von Sant Angelo, d. h. <strong>der</strong> am Cap Malio, geheißen<br />

haben. Darauf scheint auch <strong>der</strong> auffallende Umstand zu<br />

weisen, daß Capitän Zorzi selbst den Hafen gar nicht mit<br />

Namen bezeichnet, woraus an<strong>der</strong>erseits zu schließen sein dürste,<br />

daß dieser Hafen ein alter bekannter Standort <strong>der</strong> türkischen<br />

Piraten uud Wachschiffe gewesen ist und allein in Betracht<br />

kommen konnte. Die Karten verzeichnen gleich westlich neben<br />

dem Cap eine kleine Bucht, o<strong>der</strong> eigentlich mehrere Buchten,<br />

von denen die erstgenannte, in welche eine Quelle herabfließt,<br />

vom Vorgebirge etwa ^/3 Myriameter entfernt gelegen ist. Ohne<br />

Zweifel ist eine dieser Buchten <strong>der</strong> Hafen gewefen, den wir<br />

suchen. 294)<br />

Unsere ganze Entwickluug sammt ihrem Ergebniß müßte<br />

freilich die größten Zweifel erregen, wenn <strong>der</strong> fogcnannte<br />

Dalmersche Bericht in Beziehung auf die Dinge, die er von<br />

dem Hafen von S. Angelo meldet, Glauben verdiente. Da<br />

Cosiantmi, a. a. O. S. ^> nennt eine dieser Buchten<br />

:l, ein Name, den er wie<strong>der</strong>um nnr allein hat. Ich kann<br />

nicht feststellen, welche <strong>der</strong> Buchten <strong>der</strong> Nymbika-Hafcn jein foll.


254 Actenstücke zur Reise<br />

soll (S. 3l)9) eine ilirchc des h. Nicolans nnd in ihr cinc<br />

<strong>der</strong> h. Maria geweihte Kapelle gewesen sein nnd Herr Christofs<br />

Polentzki, <strong>der</strong> im Gefechte gebliebene Landvogt zn Schivelbcin,<br />

soll in ihr begraben worden sein. Dann müßte dieser Schlnpfwinkel<br />

<strong>der</strong> türkischen Seeräuber eine größere, anch von Christen<br />

bewohnte Ortschaft gewesen sein nnd ihr Fehlen auf unsern<br />

sämmtlichen Karten wäre nicht zu begreifen. Weiter wird sS.<br />

315) von Dalmer erzählt, auf ihrer Rückkehr von Jaffa habe<br />

die Galere dort mit dem Herzog und seiner Gesellschaft ganze<br />

acht Tage gelegen „um <strong>der</strong> Türken willen, die da umher segelten".<br />

Aber schon diese letztere ganz wi<strong>der</strong>sinnige Angabe genügt,<br />

uns über die Zuverlässigkeit des angeblichen Dalmer,<br />

„welcher allerwegen mit dabei gewesen" sein soll, anch hier<br />

die Angcn zu öffnen: die Galere soll, ans Furcht vor den<br />

türkischen Räubern, in <strong>der</strong>en Hauptquartier ganze acht Tage<br />

hindurch Schutz gesucht nnd gefnndcn haben, während in <strong>der</strong><br />

Nähe ein, zum Theil wenigstens, venetianischer Hafen mit<br />

einem befestigten venetianischen Schlosse lag. Offenbar ist<br />

diesmal, was <strong>der</strong> Verfasser o<strong>der</strong> Verarbeiter des Textes von<br />

dem Hasen von Casa di Sani Angelo sagt, auf die Stadt<br />

Caudia zu beziehen, wo anch die Kanzowschen Texte den gefallenen<br />

Landvogt beerdigen lassen. Auch lassen dieselben die<br />

Galere auf dem Heimwege wie<strong>der</strong> die Stadt Candia anlaufen,<br />

während <strong>der</strong> angeblich Dalmerfche Text von solchem wie<strong>der</strong>holten<br />

und durch die Rücksicht auf die dort zurückgelassenen<br />

Kranken gebotenen Besuche <strong>der</strong> Stadt uichts weiß. ^)<br />

Wir suchen uunmehr die Stelle näher zu bestimmen, an<br />

welcher im Canal von Cerigo zwischen Cap Spathi und Cap<br />

295) Der sogenannte Dalmersche Bericht ist unverkennbar aus zwei<br />

verschiedenen Berichten zusammengesetzt nnd umgeschrieben worden.<br />

Daß ein „Martin Dalmer Notar" überall dabei gewesen, findet, soviel<br />

mir bekannt ist, in sonstigen Thatsachen keine Bestätigung. Wenn ich<br />

nicht irre, ist S. 315, Z. 9 <strong>der</strong> Gallustag (l6. Ott.) von <strong>der</strong> Ankunft<br />

in Stadt Candia nnd <strong>der</strong> Z. 21 genannte Tag <strong>der</strong> Eintausend<br />

Jungfrauen (^1. Oct.) als <strong>der</strong> Tag zu verstehen, an welchem die<br />

Galere den Hasen bei Cap S. Angelo passine. Für Candia blieben<br />

dann keine acht, son<strong>der</strong>n nur etwa drei Tage übrig.


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 255<br />

Malio <strong>der</strong> Zusammenstoß stattfand. Die Linie, auf welcher<br />

die Galere zu laufen hatte, um auf dem kürzesten Wege vou<br />

Cap Spathi au <strong>der</strong> Westspitze Cerigos die Stadt Candia Zu<br />

erreichen, geht zwischen Caft Spathi und <strong>der</strong> Iusel Llaphonisi,<br />

die auch Teganussa und Cervi-Insel genannt wird, hindurch,<br />

uud geht dauu bis iu die Mitte des Canals von Cerigo iu<br />

ungefähr östlicher Richtilng fort, auf Cap Malio zu. Vou<br />

da ab wendet sich diese Lime allmählich iu südöstliche Richtuug<br />

uud läuft mit <strong>der</strong> Küste Cerigos iu Parallele uach dem Ausgauge<br />

des sogenannten Cauals ins Aegäische Meer, auf Stadt<br />

Caudia zu. An <strong>der</strong> Stelle bei Cap Spathi etwa uur '/2<br />

Myriameter breit, mißt die Straße zwischeu Cap Malio uud<br />

<strong>der</strong> gegenüber liegenden Felsenkiiste Cerigos etwa zwei Myriameter.<br />

Ebeuso groß ist die Längeuausdehuuug des Cauals;<br />

vom Cap Spathi bis zur Mitte desselben beträgt die Eutferulmg<br />

mithiu eiueu Myriameter. In solcher Weite mag das<br />

geübte Auge des Schiffers bei Hellem Sommerwetter am späteu<br />

Vormittag Schiffe zu erkeuucn uud zu uuterscheideu im Staude<br />

sein, die vor ihm am östlicheu Horizonte eins hiuter dem<br />

au<strong>der</strong>cu hervorkommen. Die Galere muß sich demuach, als<br />

sie am Morgen des 30. Juni uuter solcheu Nmständeu die<br />

Corsareuflotte „entdeckte", nngefähr in <strong>der</strong> Mitte des besagten<br />

Canals, einen Myriameter ab von Cap Spathi, nnd folglich<br />

ebenso weit ab von Cap Malio befunden haben. ^) H^n<br />

wendet sie nm und wird bei immer schwächer werdenden! Winde<br />

von den besser dem Arm <strong>der</strong> Nn<strong>der</strong>er gehorchenden Fnsten<br />

innerhalb zweier Stuuden eingeholt. Wenn ich nicht irre, so<br />

darf man die Strecke, welche die Galere zurückgelegt hatte, als<br />

2N) Nach dem sogenannten Dalmerschen Bericht war dies tiirkische<br />

Geschwa<strong>der</strong> „wohl zehn Wekc Sees" entfernt, als es zuerst von <strong>der</strong><br />

Galere wahrgenommen wurde: wahrscheinlich anch eine Neuerung o<strong>der</strong><br />

ein Irrthum des späteren Ucbcrarbeitcrs. Ein solches Maaß kommt<br />

iu dem ganzen Bericht weiter nicht vor, überall wird nach welschen<br />

Meilen gerechnet. Nehmen wir diese zehn Wcke Sees für solche welsche<br />

Meilen, so stimmt das Maaß <strong>der</strong> Entfernnng ganz mit dem vou nns<br />

angenommenen.<br />

17


256 Actenstücke zur Reise<br />

sie in <strong>der</strong> Windstille liegen blieb und von <strong>der</strong> ersten Fuste<br />

erreicht wurde, auf höchstens ^/2 Myriameter berechnen: so<br />

war demnach die gesuchte Stelle des Treffeus gerade zwischen<br />

<strong>der</strong> Mitte des Canals von Cerigo uud dem Cap Spathi, also<br />

^/2 Myriameter östlich von letzterem Vorgebirge uud 1^2<br />

Myriameter westlich ab vou Cap Malio gelegen.^)<br />

Von da aus konnte auch Herrn Zantanis Caplan dem<br />

Galerenbrande in <strong>der</strong> von ihm bezeichneten Cntfernnng znschauen<br />

ohne feststellen zu köunen, ob er wirklich die Iaffa-<br />

Galere erblicke. Von <strong>der</strong> Nordküste <strong>der</strong> Vatica-Bai aus bis<br />

zur Unglücksstätte beträgt die Entfernuug etwas mehr als<br />

einen Myriameter, von dem südlichsten Strande <strong>der</strong> Vai aus<br />

etwas mehr als die Hälfte. Die oben offen gelassene Frage,<br />

was unter dem „ta. L3


Herzogs Bogislau X. in den Orient. 257<br />

Es erübrigt uns noch, diese Feststellung <strong>der</strong> Lage des<br />

Kampfplatzes mit den Angaben zu vergleichen, die uus über<br />

die Entfernung desselben von dem Hafen von Ca di Sant<br />

Angelo gemacht werden. Dalmer berechnet die Fahrt, welche<br />

die Galere am türkischen Schlepptau zu machen hatte, auf<br />

etwa vier welsche Meilen, also ans weniger als einen halben<br />

Myriameter. Dies stimmt aber mit <strong>der</strong> von nns angenommenen<br />

Lage des Hafens ebenso wenig wie mit <strong>der</strong> Angabe<br />

Garzonis, daß man die ganze Nacht gebraucht habe, uni dahin<br />

zn gelangen. Die Sommernacht ist anch in jenen Gegenden<br />

knrz, und Garzonis Angabc ist demnach mit unserer Annahme<br />

sehr wohl in Einklang zn bringen.<br />

2. Die Rettung.<br />

Sowohl die pommerschen wie die venetianischen Darftcllnngen<br />

des Vorgangs sind des Erstaunens voll über die<br />

Türken, welche, ganz nahe daran durch Zerstörung des Pilgerschiffcs<br />

ihr Ziel zn erreichen, urplötzlich'^") vou ihrem Vorhaben<br />

abstehen, <strong>der</strong> Galere in einen Hafen helfen nnd fie<br />

an<strong>der</strong>en Tags ohne Lösegeld nnd Entschädigung freigeben. So<br />

etwas war unerhört,^) war noch nicht vorgekommen^) mit<br />

den Türken, hier lag ein Räthsel vor, ein Geheimniß, zu dem<br />

kein Schlüssel zu finden war, doch nur darum vielleicht, weil<br />

die Eigenthümer desselben ihn zn verbergen beflissen waren.<br />

Capitä'n Zorzis Bericht, so sollte man meinen, müsse allen<br />

I^LuUil notizia 60I ?ol0ix>lin(^. (1687), in Coronelli's Isolano (1690)<br />

und bei den Neueren, wie Pouqueville, Grasset u. s. w. sucht man<br />

vergebens nach einer genauen Beschreibung dieser Gegenden. Wie<br />

wirr nnd willkürlich auf diesem Gebiet alles zugeht, zeigt Corouelli,<br />

sonst eine Autorität, welcher eigenmächtig den Canal von Cerigo den<br />

von Valica nennt. Wemgsieus finde ich diese Bczeichnnng sonst<br />

nirgend wo.<br />

n") Kanzow, v. ^'edem ^, .".0'.!.<br />

^l) Garzoni bei Malipicro a. a. O, S. 1.^8.<br />

^) Kanzow, Voehmcr 3. 109.


258 Actenstücke zur Reise<br />

Dunkelheiten ein Ende machen, doch lesen wir uns durch bis<br />

zum Schlüsse und die Erklärung, so wie wir sie suchen, ist ausgeblieben.<br />

Von solchen Dnnkelheiten scheint Zorzi anch gar<br />

nichts wissen zn wollen, seiner Darstellung nach ist alles ganz<br />

einfach und natürlich verlangen; weuu auch gewaltthätig und<br />

wi<strong>der</strong>rechtlich Zu Anfang, haben sich die Türken im Grnndc<br />

doch ganz logisch und zuletzt sogar sehr liebenswürdig benommen<br />

und was daran hätte fehlen können, ist ihnen von dem,<br />

wie es scheint, allerdings sehr gewaudten und unisichtigen<br />

Capitän beigebracht worden; ein Mißverständnis; auf Seiten<br />

des türkischen Admirale und ein sträflicher Eigensinn auf Seiten<br />

<strong>der</strong> Führer <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>sten Fusteu habeu das ganze Ereigniß<br />

herbeigeführt, eine rechtseitigc Pause des Kampfes aber, dnrch<br />

die Ermüdung <strong>der</strong> Türken entstanden o<strong>der</strong> begünstigt, hat<br />

glücklicherweise den türtischen Admiral ans den guteu Gedanken<br />

gebracht, dem Kampfe, zu dem kein Rechtsgrnnd vorhanden<br />

war, und <strong>der</strong> Zerstörung des Schiffes, die in Niemandes<br />

Vortheil lag, ein Ende zu inachen, und diese vernünftige Wendung<br />

hat dann weiter mit Hülfe vou Zorzis diplomatischer<br />

Kunst den friedlichen Abschluß zu Staude gebracht. Diese<br />

Darstellung genügt uns nicht recht, doch wenn wir nicht mißtrauisch<br />

sind, so bescheiden wir uns, sehen uus das Einzelne<br />

weiter nicht an uud nehmen das Ganze als eine natürliche<br />

Folge jener venetianischen Politik des Friedens um jeden Preis,<br />

jener vielleicht unumgänglichen Politik, die aber das Türkcnthnm,<br />

vom Großherrn am goldenen Horn bis zum nie<strong>der</strong>sten<br />

Ru<strong>der</strong>er heruuter, zn immer mehr steigenden! Nebermuth aufstacheln<br />

mnßte: planlos nnd wie von ungefähr habeu die<br />

Türken den Streit begonnen uud ebenso planlos wie<strong>der</strong> abgebrochen.<br />

So einfach mdessen will den übrigen Zeugen des<br />

Ereignisses <strong>der</strong> Verlauf desselben durchaus nicht erscheinen.<br />

Das unversehuliche^) Ablassen vou dem Zerstörnngswerk nnd<br />

die spätere Freigabe ohne Abkauf, zwei Abschnitte des Her-<br />

Kanzow, v. Mcdem S. 30l>.


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 259<br />

gangs, die wohl zn unterscheiden sind, stehen ihrem Gefühl<br />

nach in so überraschendem Wi<strong>der</strong>spruch mit aller türkischen<br />

Ueberlieferung und aller Corsarengewohnheit, daß nichts übrig<br />

zu bleiben scheint, als die Rettnng aus den Fängen <strong>der</strong> Un-<br />

gläubigen einer ganz beson<strong>der</strong>en Dazwischenkamst, etwa einer<br />

göttlichen Wun<strong>der</strong>that zuzuschreibeu. Ein Theil <strong>der</strong> Pommern<br />

wus;te auch genau welcher: Christus selber hatte eingegriffen,<br />

und zwar eingegriffen im bnchstäblichstem Wortsinne, hatte vor<br />

des Admirals eigenen Angen starke Hand an Allahs Propheten ge-<br />

legt uud denselben so lange schwerlich gegeißelt ^) ^d gesteubet ^),<br />

bis <strong>der</strong> falsche Prophet demselben befohlen hatte, seinen Barken<br />

uud Fustcu abblasen '^) zn lassen. Ob dem aber so sei o<strong>der</strong><br />

nicht, setzt Kanzow o<strong>der</strong> sein Gewährsmann bedächtig hinzu,<br />

mag Gott wisseu, <strong>der</strong> hat ihueu geholfen alleine, daß auch<br />

<strong>der</strong> Mchrtheil gesagt hat, sie wüßteu uicht wie. Wcuiger<br />

deutlich tritt bei Dalmer^) ^^ himmlische Eiuwirkung auf<br />

das Gemüth uud dcu Willeu <strong>der</strong> Türken hervor, doch schim-<br />

mert dieselbe auch hier durch: iu <strong>der</strong> Feuersnoth haben alle<br />

Gott im Himmel und die hochgelobtc Iuugfrau zu Loretto<br />

uud S. Paul, desscu Tag war, um Hülfe — aber auch die<br />

Turkeu — mit aufgchobcueu Häudeu angcrufeu, daß sie sie<br />

möchtcu gefänglich auuchmcn;^) worauf dauu die Türkeu<br />

plötzlich mit dem Schießen aufgehört und den Christen auf<br />

diese Weise die Möglichkeit gewährt habeu, die Brunst zu<br />

dämpfeu uud die Galere zu retteu. Auch <strong>der</strong> Ritter Garzoni<br />

spricht von einer Wuu<strong>der</strong>barkeit ^) doZ Ausgangs, und solchen<br />

Glaubeus scheiuen schließlich alle gewesen zu seiu, aus dem<br />

feierliche« Zuge zu schließen, den die ganze Gesellschaft kaum<br />

augekommen in Caudia uach <strong>der</strong> dort vor dem Thore gele-<br />

genen Madonna de' Miracoli antrat. ^) Uebrigens ist auch<br />

Kanzow, Böhmer S. 145.<br />

Kanzow, v. Medem S. -".0^.<br />

Kanzow, Böhmer S. M9.<br />

Ebendort.<br />

Malipiero a. a. O. Seite 15)3.<br />

Vogislav verzichtete in <strong>der</strong> Noth auf sein Straudrecht w. Mc-


260 Actenstücke zur Reise<br />

Zorzi solcher Auffassung nicht entgegen, er giebt <strong>der</strong> heiligen Inngfran<br />

ansdrücklich und wie<strong>der</strong>holt ihr reiches Theil an dein<br />

gnten Ende, doch redet er von einen: Wnn<strong>der</strong> nnr bei <strong>der</strong><br />

Löschung des Brandes, nicht bei <strong>der</strong> großen kritischen Wendnng,<br />

dem oben befohlenen Einhalt des Anstnrms.<br />

Zur Erklärung <strong>der</strong>selben aber kommt, wie nur wissen,<br />

in nnseren Berichten neben dem Wnn<strong>der</strong> noch eine an<strong>der</strong>e gcheimnißvolle<br />

Dazwischenkamt vor, jener äou8 (?x mlu liin^,<br />

in Gestalt eines Türken, une Sanndo ihn nennt, o<strong>der</strong> eines<br />

venetianischen Galioten o<strong>der</strong> Nn<strong>der</strong>knechts, loie Garzoni will;<br />

doch anch von diesen: sagt Zorzi auffälliger Weise kein Wort,<br />

obwohl er von ihm gewnßt o<strong>der</strong> gehört haben mnß. Uebereinstimmend<br />

sprechen Sanndo nnd <strong>der</strong> Ritter von Rhodns es<br />

ans, daß diesem Türken o<strong>der</strong> Galioten allein die Rettnng <strong>der</strong><br />

Christen zu danken gewesen sei. Sauudo mag hier den Brics<br />

Garzonis bennht haben, doch müssen ihn: noch an<strong>der</strong>e Zcngnisse<br />

vorgelegen haben, da er, beispielsweise, über die Snmmen,<br />

welche <strong>der</strong> Herzog bei sich an Bord hatte und dem Capitän<br />

zur Versüguug stellte, au<strong>der</strong>s als Garzoui berichtet. Daß<br />

Sauudo aber uoch ein halbes Jahr nach dem Ereigniß diesem<br />

türkischen o<strong>der</strong> türkisch redenden Schwimmer in einem Nachtrage<br />

einen Platz in seinen Diarien einräumte, will jedenfalls<br />

doch bedeuten, daß sich in den höheren politischen Kreisen Venedigs<br />

dieser Schwimmer als Retter zu behaupten gewnßt habe<br />

nnd inzwischen nicht abgethan worden sei. Die weitere Frage<br />

aber ist: wie haben wir nns die große Wirknng zn erklären,<br />

welche <strong>der</strong>selbe bei jenem Perichi hervorbrachte? Nach <strong>der</strong><br />

Erzählnug Garzonis hat <strong>der</strong> venetianische Rndcrsmann, wie<br />

wir wissen, demselben eine Strafpredigt gehalten nnd dadnrch<br />

znm Frieden bekehrt; wir haben nicht nöthig, die ganze Nnwahrscheinlichkeit<br />

dieser Angabe darznthnn; daß so eine Erfinduug<br />

aber aufkommen konnte, ist beachtcnswerth; welche Wahrheit<br />

sollte durch dieselbe verschleiert werdeu? Anch Sanndo<br />

dem S. 311), dem Heiligthnm in Lorctto aber hat er kein Oelöbniß<br />

gemacht; dies ist aus den ledigen vier Dncaten zn schließen, welche er<br />

demselben bei seiner Anwesenheit daselbst opferte. (Daliner, S. 317.)


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 261<br />

scheint von dieser Unwahrscheinlichfeit überzeugt gewesen zn<br />

sein, da er, für die an<strong>der</strong>e Lesart sich entscheidend, den Galioten<br />

Garzonis für einen Türken hält; ob für einen türkischen<br />

Nn<strong>der</strong>knecht in venetianischem Dienst, was wenig glaublich ist,<br />

o<strong>der</strong> einen zufällig an Bord besiudlichen türkischen Passagier^")<br />

bleibt zweifelhaft. Bei keinem Volke vielleicht ist anf dem<br />

Gründe gemeinsamer Unbildung und an<strong>der</strong>er Verhältnisse die<br />

Gleichberechtigung Aller gesellschaftlich und politisch in so hohem<br />

Grade durchgeführt wie bei den Türkeu, und in Folge davon<br />

ist anch die Antoritä't <strong>der</strong> Oberen dort eine weniger unbedingte,<br />

doch wi<strong>der</strong>fpricht die vermeintliche Standrede, welche dem siegreichen<br />

und durch den Verlust so vieler Taftfereu erregten<br />

Admiral soll gehalten und mit Beifall soll aufgenommen worden<br />

fein, offenbar so sehr aller Glaublichkeit, daß wir sie auch<br />

iu dieser Gestalt nur ablehnen können. Der Galiot o<strong>der</strong><br />

Türke aber ist nicht aus <strong>der</strong> Welt zu schaffen, wir müssen ihm,<br />

wo immer möglich, eine Erklärung geben; mir scheint, nur<br />

Eine bleibt übrig: <strong>der</strong> rettende Schwimmer war ein besoldeter<br />

Bote, welcher dein türkischen Admiral ^^) im letzten Augenblicke<br />

<strong>der</strong> Entscheidung einen goldenen Vorschlag von Seiten Herzog<br />

Bogislavs überbrachte, einen Vorschlag, <strong>der</strong> sofort angenommcu<br />

wurde und die Einstellung des Feuers, welches „die<br />

goldenen Eingeweide <strong>der</strong> Galere" zu vernichten drohte, zur<br />

Folge hatte. Der Herzog hatte nicht nur für sich, fon<strong>der</strong>n<br />

auch für alle, die mit ihm wareu und mit ihm den fchrecklichfteu<br />

Untergang nahe gebracht waren, zu fühlen, zu denken,<br />

zn handeln; wer könnte demselben verargen, daß er vor ein<br />

letztes Entwe<strong>der</strong> — O<strong>der</strong> gestellt, sich zwischen nutzlosem Tode<br />

^) In Venedig waren als Handelsleute nicht nur manche Türken,<br />

son<strong>der</strong>n anch an<strong>der</strong>e türkische Unterthanen ansässig.<br />

'"l) Sanndo und Dalmer geben ausdrücklich an, daß <strong>der</strong>selbe sich<br />

auf einer <strong>der</strong> Barken befunden habe. Weiter berichtet Sauudo, daß<br />

<strong>der</strong> Türke zu dcu Funen, die ihm näher uud bequemer wareu, nicht<br />

^u deu Barkeu geschwommen sei. Er wurde demuach erst zu <strong>der</strong><br />

^ldmirals-Barke übergefahren, was für die Erklärung in unserem Eiuue<br />

uicht ohue Bedeutung ist.


262 Actenstücke znr Reise<br />

o<strong>der</strong> einer Gefangenschaft zn entscheiden, welche ihn selbst nnd<br />

die Seinigen schimpflichster Antastung ihrer Personen anssetzte,<br />

einem Feind gegenüber, <strong>der</strong> nicht Seinesgleichen war, nach<br />

einem Auswege suchte und denselben in einer Abfindung mit<br />

einigen tausend Ducaten fand? Daß dieses Geschäft geheim<br />

gehalten wnrde nnd blieb, entspricht durchaus <strong>der</strong> ganzen Lage<br />

<strong>der</strong> Sache. Es handelte sich hier nicht allein um eine, auch<br />

Mißdeutungen zugängliche persönliche Sache des Herzogs,<br />

son<strong>der</strong>n auch um die veuetiauische Staatschre. Unter dem<br />

Titel von Entschädigung hatte die Republik freilich längst sich<br />

bequemt, dem Türken Tribute zu zahleu, aber dieser Loskauf,<br />

wenn anch nnr durch Verleumdung anf venetianische Rechnung<br />

gesetzt, konnte leicht den Capitän Zorzi vor den Rath <strong>der</strong><br />

Zehnmänner bringen, und die Schwierigkeit, die er gemacht<br />

haben soll, sich znm Abschlüsse des Handels nnn selbst an<br />

Bord des türkischen Admiralschiffs zn begeben, ist sehr begreiflich.<br />

Indessen befreite ihn an<strong>der</strong>erseits dieser Gang von<br />

<strong>der</strong> schweren Verantwortung, die er mit seiner sträflichen<br />

Unterlassuug hinreichen<strong>der</strong> Bewaffnung <strong>der</strong> Galere, dem Herzog<br />

wie feiner Regierung gegenüber, auf sich geladen hatte, und<br />

au die ihu <strong>der</strong> Herzog — uuteu in feiner Stantia'^) —<br />

nachdrücklichst mag erinnert haben; die ganze heikle Geschichte<br />

kam mit dem pommerschen Gelde ans <strong>der</strong> Welt, <strong>der</strong> Admiral<br />

verstand sich gern zu allerlei Entschuldigungen und Artigkeiten<br />

gegen den Vertreter Venedigs und Herr Zorzi konnte in<br />

allem Ernste glanben und glauben machen, daß er sich um<br />

sein Vaterland sehr verdient gemacht habe. Dazu erlöste<br />

hu eine beson<strong>der</strong>e Nachgiebigkeit des habgierigen Gamyrs uud<br />

des Nimmersatts^) Richi von dem letzten Schein <strong>der</strong> Ergcbnng,<br />

den sein Gang zu den Türken hinüber hätte an-<br />

2^) Hieraus mag die pommcrsche von Kanzow berichtete Sage<br />

entstanden sein von <strong>der</strong> üblen Behandlung, die Vogislav dem<br />

Capitän in dessen Cajüte soll haben angedcihen lassen. Was die<br />

zwei überhaupt da nuten mit einan<strong>der</strong> zn reden hatten, mußte geheim<br />

bleiben.<br />

2") Giotton, bei Sanndo.<br />

'


Herzogs VogiZlao X. in den Orient. 263<br />

nehmen können: Perichi ließ nicht nnr zuerst die Waffen-<br />

stillstandsflaggc aufziehen, er übersandte auch, unter dem Geleit<br />

einer beson<strong>der</strong>en Parlamentärflagge, einen Sicherheitspaß,<br />

offen anf jeden Anfpruch verzichtend, daß Capitän Zorzi sich<br />

als Gefangener erkläre, o<strong>der</strong> als solcher angcsehn werden solle.<br />

Wir versuchen nicht, diese Vcrmnthung, welche nns sehr<br />

nahe zn liegen scheint nnd die wir an<strong>der</strong>erseits nicht über ein<br />

gewisses Maaß bloßer Wahrscheinlichkeit hinausführen können,<br />

des Weiteren zu begründen; unansgefprochen durfte dieselbe<br />

nicht bleiben.<br />

3. Die Galere.<br />

Das schönste nnd eigenthümlichste aller Schiffe, die sich<br />

je einen Namen in <strong>der</strong> Geschichte gemacht haben, stand die<br />

Galere so hoch in <strong>der</strong> Gnnst aller seefahrenden Völker, namentlich<br />

<strong>der</strong>jenigen des Mittelmceres, daß fie viele Menschcnalter<br />

hindurch den Untergang ihrer einstigen hohen Geltung als<br />

Kanffahrcr nnd Kriegsschiff überdauerte. Bis ins vorige<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t hinein erscheint sie, wenn auch znletzt nur als<br />

fürstliches Prachtschiff in den Marinen Frankreichs und Spaniens<br />

und an<strong>der</strong>er Staaten; Lndwigs XIV. Galeren gcnosfen<br />

sogar eines eigenen Vorrechts, fie führten die goldenen Lilien<br />

des königlichen Wappenfchilds in pnrpnrner Flagge; die Republik<br />

von S. Marco aber hielt dicfe Schiffsart für so eng<br />

verbunden mit den ruhmvollsten Zeiten ihrer Geschichte, daß<br />

sie, dankbar für die einst geleisteten Dienste, ihr tren bis zn<br />

Ende blieb, bis zu jenem 12. Mai 1797 und feiner Straßcnverschwörnng,<br />

die dem altersschwächlichen Staate mit seinen<br />

Galeren und Sopracomites ein Ziel setzte. Das war das<br />

Ende des uralten Galerenthums überhaupt.<br />

Zu <strong>der</strong> uns betreffenden Zeit gab es fünf Arten Galeren<br />

o<strong>der</strong> galerenformiger Schiffe:^) iu8t6, Miero sottili o<strong>der</strong><br />

G. Casonis nachgelasseue Sondcrschrift: Doi nuvoli polii-mni<br />

ümi, in den ^Ui 6o11' ^wuco v^uoto, Band II. Seite ?.O7,


264 Actenstücke zur Reise<br />

und g<br />

ßi'0886. ^^) Namentlich die letzteren gehen nns an, da die<br />

Iaffa-Galere von dieser Art lvar. Doch gehörten vielleicht<br />

anch die Galeoni dazu. ^"') Das geilleinsanie dieser verschiedenen<br />

Galerenarten bestand in folgenden Eigenschaften: die<br />

Galere war zngleich Segelschiff lind Nu<strong>der</strong>schiff; <strong>der</strong> Rn<strong>der</strong><br />

wegen hatte sie niedrige Borde nnd in weiterer Folge nnr<br />

mäßigen Tiefgang; sie führte kurze znm Nie<strong>der</strong>legen eingerichtete<br />

Masten mit gewaltigen Segeln nnd mit Naeu, welche<br />

beinahe <strong>der</strong> ganzen Schiffslänge gleichkamen nnd doppelt so<br />

lang wie die sie tragenden Masten waren. Die Segel waren<br />

sogenannte lateinische, d. h. dreieckig geschnittene,^^) nnd gewöhnlich<br />

trug je<strong>der</strong> Mast nnr eine einzige Nae nnd ein einziges<br />

Segel; doch kommen anch Masten mit doppelten: Segel vor.<br />

Sowohl in <strong>der</strong> Nnhe une beim Segelgebranch war das eine<br />

Ende <strong>der</strong> Rae bis nahe an die Schanzkleidnng herabgesentt,<br />

während das an<strong>der</strong>e malerisch hoch in die Lüfte ragte. Nnr<br />

<strong>der</strong> Bng nnd das Hintertheil des Schiffs waren gedeckt, <strong>der</strong><br />

ganze mittlere Ranni, für die Ru<strong>der</strong>er nnd Nu<strong>der</strong>bäuke bestimmt,<br />

war offen. Eine weitere nnd sehr bezeichnende Eigenthümlichkeit<br />

<strong>der</strong> Galere bestand in dem schlanken nnd scharfen,<br />

weitansladendem Sporn o<strong>der</strong> Wid<strong>der</strong>^) am Nng, dessen dreieckige<br />

Plattform im Entcrgefecht eine ganze Schaar von Kriegern<br />

über die Weichen des Gegners hinweg in dessen Mitte hineinzutragen<br />

bestimmt war, ohne daß es dem Feinde gegeben gewesen<br />

wäre, ans dieser Brücke in das enternde Schiff zn gelangen,<br />

denn gleich hinter dein Sporn erhob sich das eben<br />

Venedig 1833. Eine sehr verdienstliche abschließende Arbeit. Anch:<br />

Voue^iii e lo suo 1^Fnm>, 1847. 4 Bde. 4". Band l, I>. Seite I'.'t;.<br />

"5) Sie wnrden anch Galeazze genannt; wann dieser Name aber<br />

anfkam, kann ich nicht feststellen.<br />

^) Ueber diese Schifssgattnng sind die 'Angaben so schwankend,<br />

daß wir in Zweifel gerathen sind, ob nnsre Anmerknng !22, S. -l)^<br />

zutreffend sei. Die Schwierigkeit anf diesem Gebiet ist die rechte<br />

Unterscheidung <strong>der</strong> Zeiten.<br />

2") V(^ iillii latilm o<strong>der</strong> (ln tuul'o.


.Herzogs Vogislav X. in den Orient 265<br />

erwähnte, denselben hoch nnd steil überragende Vor<strong>der</strong>deck-<br />

eastell o<strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>castell, ^) welches als Hauptbollwerk <strong>der</strong><br />

Wehrkraft des Schiffes diente und ans den Kriegsschiffen mit<br />

allerlei Schießzcug ^") versehen war. Doch konnte <strong>der</strong> Sporn<br />

nnr bei Gegnern mit noch niedrigerem Bord in <strong>der</strong> angegebe-<br />

nen Weise beim Entern gebraucht werden, da seme Höhe über<br />

dem Wasserspiegel nur wenige Fnß bctrng; hochbordigen Feinden<br />

gegenüber wnrde <strong>der</strong>selbe als Wid<strong>der</strong> gebraucht. Auch vom<br />

Hinterdeck war ein Theil, nämlich <strong>der</strong> zunächst an den Raum<br />

<strong>der</strong> Ru<strong>der</strong>er stoßende, als Castcll eingerichtet. ^) Ms 5^<br />

Handclsgaleren diente dieser Raun: zum Aufeuthalt <strong>der</strong> vor-<br />

nehmeren Mitreisenden; er war ringsum mit Bänken versehen<br />

nnd von einem Gelän<strong>der</strong> umschlossen und wurde darum Spalliera<br />

genannt. Diese ohne Zweifel mit einem Tuch überspaunte<br />

Spalliera ist also <strong>der</strong> Raum, in welchem wir uns auf <strong>der</strong><br />

Iaffa-Galere die pommcrsche Gesellschaft den Tag über zu<br />

denken haben. Auch war jene Einsteigetrcppe hier, zii je<strong>der</strong><br />

Schiffsseite eine, an welcher <strong>der</strong> gefährliche Streit mit den<br />

stürmenden Ianitscharen bestanden wurde. Gleich hiuter diesem<br />

bevorzngtcn Ramn lag die Tenda, das Capitänszelt. Dasselbe<br />

war dnrch prächtige Ausstattung als Ehrenstättc hervorgehoben:<br />

die Tenda bildete anch den erhabensten Raum <strong>der</strong> ganzen<br />

Galere, während <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>ste Schiffstheil, <strong>der</strong> Bugsporn mit<br />

seiner Plattform, <strong>der</strong>en nie<strong>der</strong>sten ausmachte. Die Profillinie<br />

des Schiffes senkte sich also in mehreren scharfen Absätzen<br />

o<strong>der</strong> Brüchen von hinten allmählig nach vorn, im Verein<br />

mit den mächtigen Segeln ein sehr eigenartiges, zugleich stolzes<br />

wi-j'» di .>I:lriii:l, Mailand 1813, 3 Bde. —<br />

C. A. Marin, Lwriü civile ^ ^mi. dd oolnuierow :n'co


266 AcwMcke zur Reise<br />

und ^fälliges Mld von Thatendrang und Schnelligkeit bietend.<br />

Die Tenda bestand in einer lanbenförmigen Ueberdachuug des<br />

Hinterdecks o<strong>der</strong> eines Theiles desselben; ihre hölzerneu Gurtbögeu<br />

pflegten kunstvoll geschnitzt und theilweise vergoldet zu<br />

sein, innen nnd außen war sie mit kostbaren Tcppichen o<strong>der</strong><br />

Tüchern bekleidet, ^) ^h gleich hinter ihr über den: Steuerru<strong>der</strong><br />

erhob sich als ästhetischer Abschluß jenes eigenthümliche<br />

Ehrenstück aller damaligen Schiffseapitäne von Rang, eine<br />

große kunstvoll gearbeitete und nach dem Range <strong>der</strong> Capitane<br />

verschiedenartige Laterne.^) Endlich war <strong>der</strong> Galere auch<br />

mehr wie an<strong>der</strong>en Fahrzeugen ein reicher Flaggenschmuck eigeu,<br />

vor allen die in zwei o<strong>der</strong> mehreren Lätzen ausgehende mächtige<br />

Trutzflagge, 324) welche in Kirchcufahucngestalt von <strong>der</strong><br />

hochstehenden änßersteu Naespitze herabhing. Ost stand ans<br />

dieser Spitze noch ein kleineres Fähnchen, an einem senkrechten<br />

Stöckchen fliegend. Zn einer Seite o<strong>der</strong> auch zn beiden<br />

Seiten des Einganges <strong>der</strong> Tenda wehten mächtige, gewöhnlich<br />

quadratische Flaggen; auch sieht man bisweilen die ganze<br />

Länge <strong>der</strong> Schanzkleiduugen mit Fähnchen besteckt. Außer<br />

diesem heute nicht mehr vorkommenden Fahnenschmuck trugen<br />

die Galeren auch die jetzt uoch üblichen Flaggen am Spiegel,<br />

an <strong>der</strong> Mastspitze, sowie das Vngsftrictfähnchen, das bei den<br />

Galeren am äußersten Ende des Sporns hing o<strong>der</strong> an einem<br />

aufrechten Stocke flog.<br />

Die Einrichtung <strong>der</strong> Cajüten scheint von <strong>der</strong> heutigen<br />

Weise nicht wesentlich verschieden gewesen zu sein; unsere<br />

pommerschcu Quellen erwähnen ausdrücklich, daß die gesammte<br />

große Reisegesellschaft „ein je<strong>der</strong> in seiner Stantia" untergebracht<br />

gewesen sei. Sauudo beschreibt — Diarien S. 342<br />

a o<strong>der</strong><br />

^) Der oben erwähnte Gagliardo. Die gezackte, vielleicht<br />

symbolische Gestalt dieser Trutz sahnen kommt meines Wissens nur noch<br />

in den räthselhaften Turmerkraa.cn vor, welche die Heraldik und sie<br />

allein kennt.


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 267<br />

— das Prächtige Pizuol, die Cajüte, welche Don Fe<strong>der</strong>igo,<br />

Prinz von Neapel, ans seiner Galere 1496 innc hatte; noch<br />

ausführlicher berichtet Coronelli zwei Jahrhun<strong>der</strong>te später in<br />

seinem Schiffsbuch über die innere Ausstattung <strong>der</strong> Admiralsgalere<br />

Francesco Morosims von etwa 1680; was wir da<br />

von Wohnzimmer, Schlafräumcn, Eßsälcn ?c. hören, gewährt<br />

ein Bild von Ueppigkeit und Behaglichkeit, welches von den<br />

heutigen Leistungen nicht übertroffen wird, uud das uns vollständig<br />

über den Zweifel beruhigt, ob es unserer pommcrschen<br />

Reisegesellschaft auf <strong>der</strong> Iaffa-Galere uicht hieriu an etwas<br />

gefehlt habe.<br />

Eine eigenthümliche Einrichtung bei den größeren Galcren<br />

waren die Laufgänge, welche über den Rumpf des Schiffes<br />

weit hinausragend, zu den beiden Seiten desselben von einem<br />

Castell znm an<strong>der</strong>en liefen, ^") ^d bei dein Vor<strong>der</strong>castell durch<br />

Stirnwände abschließend, dessen Breite und Wi<strong>der</strong>standskrafl<br />

erheblich verstärkten. Mitten durch den Raum <strong>der</strong> Ru<strong>der</strong>er<br />

hindurch und über demselben fort lief eine weitere Vcrbinduugsbrücke^')<br />

<strong>der</strong> beiden Castello, hauptsächlich dem Comito, dem<br />

Obermeister <strong>der</strong> Ru<strong>der</strong>er, zu seinem beständigen Wachgange<br />

dienend.<br />

Es wird noch immer behauptet, daß auf den Galeren<br />

stets mehrere Knechte an demselben Ru<strong>der</strong> verwandt worden<br />

seien und daß die Ru<strong>der</strong>er zu zweien, o<strong>der</strong> dreien, bis<br />

zu fünfen, staffelförmig über einan<strong>der</strong> gesessen hätten; in<br />

solchem Übereinan<strong>der</strong> soll das Wesen <strong>der</strong> ältesten wie <strong>der</strong><br />

späteren ^ii^ini, ti'ii'ouii) ^uin^u6ronli bestanden haben.<br />

Doch ist dies ganz irrig. Allerdings kommen in späterer Zeit<br />

ganze Gruppeu vou Nu<strong>der</strong>kncchten an ein nnd demselben Ru<strong>der</strong><br />

vor, doch schwerlich vordem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t. Ilebereinau<strong>der</strong><br />

gestellte Nu<strong>der</strong>bänke aber hat es niemals gegeben; die letzten<br />

Ungewißheiten hierüber hat G< Casouis erwähnte Son<strong>der</strong>schrift<br />

über den Gegenstand gründlich beseitigt. Sämmtliche


268 Actenstücke zur Reise<br />

Ru<strong>der</strong>knechte saßen in gleicher Höhe, und bei den Biremen<br />

saßen zwei, bei den Triremen drei, bei den Quinqueremen<br />

fünf, halb nebeneinan<strong>der</strong> halb voreinan<strong>der</strong> auf <strong>der</strong>selben zickzackartig<br />

gebrochenen Bank.^) Ini Wasser lagen die Ru<strong>der</strong>,<br />

jedes einen Fuß ungefähr von dem an<strong>der</strong>n entfernt, mit ihren<br />

Schaufeln so nebeneinan<strong>der</strong>, daß alle von gleicher Länge zu<br />

sein schienen, die Länge <strong>der</strong> Stangen aber war in Wirklichkeit<br />

nach <strong>der</strong> Weite verschieden, in welcher die Knechte von <strong>der</strong><br />

Schiffswand entfernt faßen. Auf den Triremen hatten sie dem<br />

entsprechend auch dreierlei verschiedene Namen: torlioliii,<br />

1)08ti(ni) PÌ2>iQ6i'i. Da die Ru<strong>der</strong> ein jedes nnr von zwei<br />

Armen bedient wurde, so konnten dieselben nicht lang und<br />

nicht wuchtig und ihre Wirkung bei schweren Fahrzeugen nicht<br />

groß sein. Die F3.16I-6 Fi'088o gingen demnach, wie ein später<br />

zu nennen<strong>der</strong> Spanier berichtet, auch nnr ungern an ihre<br />

Ru<strong>der</strong>. Casoni scheint die Länge <strong>der</strong> letzteren auf einige<br />

dreißig Fuß anzunehmen und giebt als Grnnd <strong>der</strong> beschriebenen<br />

Stellung <strong>der</strong> Bänke an, daß Raum damit hätte sollen<br />

gespart und Platz für die Aufstellung <strong>der</strong> Balestre, <strong>der</strong> Armbrustgeschütze,<br />

226) nämlich in den Zwischenräumen <strong>der</strong> Ru<strong>der</strong>gruppen,<br />

gewonnen werden. Für diese Zwischenräume,<br />

L, nimmt Casoni drei Fuß Weite iu Anspruch.<br />

327) Eine einmal gebrochene Bank zeigt sich in dem Bild <strong>der</strong> von<br />

oben gesehenen Triremis, das sich in Christoph Canales Mspt. <strong>der</strong><br />

Niii-cillllI. : 6ik1oAdi 6s militi^ inviili von etwa 1550 findet und von<br />

Casoni zn seiner Son<strong>der</strong>schrift nachgezeichnet worden ist. Marin Sanudo,<br />

<strong>der</strong> große Reisende, spricht s1321) in seinem höchst merkwürdigen<br />

lidei' 66 i-6eup6i-Moll6 t6i-i'ü6 LciuewL, (VollFiii-t.) Hannover<br />

1611, Seite 65 vom i'6iniFln-6 nä cjUiU'wroiLZ, ^uiuwi-oioL i-oiuos.<br />

328) Auf den Schiffen, welche die Regierung zu Handelszwecken<br />

vermiethete, waren diese Zwischenräume, wenigstens während <strong>der</strong> Fahrt<br />

nicht mit solchen Schleu<strong>der</strong>geschützen besetzt, boten also Raum zur<br />

Unterbringung von Waaren. Wie es scheint, behielt sich <strong>der</strong> Staat<br />

bei solchen Vermietungen das Verfügungsrecht über diese Nänmevor;<br />

bei Malipiero finden sich häufige Fälle, in denen die Negierung so<br />

und so viele Balestriere« an verarmte adelichc Familien als Pensionen<br />

verleiht.<br />

..


Herzogs Bogislav X. in den Orient. 269<br />

Aus dem Gesagten ergiebt sich, welche Vortheile, welche<br />

Nachtheile mit <strong>der</strong> Galerengestalt verbunden sein mußten. Die<br />

Galere dedurfte ini Nothsall des Windes nicht um vorwärts<br />

zu kommen, sie tonnte selbst gegen den Wind angehen, wenn<br />

es sein mußte, nnd tonnte, ans ihre Nn<strong>der</strong> und ihren geringen<br />

Tiefgang vertrauend, sich in klippenreiche Gewässer und in die<br />

nächste Nähe <strong>der</strong> Küsten wagen. An<strong>der</strong>erseits vermochte aber<br />

anch die größte Galere, mit ihren niedrigen Borden und ihrem<br />

ungedeckten Nanm in <strong>der</strong> Mitte nicht schwerem Seegange hinreichend<br />

Trotz zu bieten,^) sie hatte demnach so lange es<br />

anging das offene hohe Meer zu meiden uud sich den Häfen<br />

möglichst nahe zu haltcu. Noch ein an<strong>der</strong>er Umstand nöthigte<br />

sie, die Nähe <strong>der</strong> Küsten zu suchen; bei <strong>der</strong> geringen Höhe<br />

ihres Rnmpfes konnte <strong>der</strong> Innenraum uur beschränkt sein und<br />

sie hatte demnach bei <strong>der</strong> großen Befatznng, die das Ru<strong>der</strong>werk<br />

uöthig machte, ihre Vorräthe oft zu erneuen. Dem allen<br />

zum Trotze hat sich die italienische Galere Jahrhun<strong>der</strong>te hindurch<br />

zn regelmäßigen Fahrten ans dem buchtenreichen mittelländischen<br />

ins Weltmeer, wenn auch nur das europäische Gestade<br />

cutlang, gewagt. Offenbar waren die Nachtheile <strong>der</strong><br />

Bauart um so eingreifen<strong>der</strong>, je größer das Schiff war; und<br />

so erklärt sich vermuthlich <strong>der</strong> Umstand, daß die einmastige<br />

leichte Galere, die ^lia, Lottilo, auch sür den Kriegsgebrauch,<br />

so lange Galcren überhaupt dazu dienten, das bevorzugte Schiff<br />

blieb, und beispielsweise in <strong>der</strong> Schlacht von Lepanto,^") am<br />

9. Oetober 1571, fast die ganze Schlachtordnung bei<strong>der</strong>seits<br />

ans solchen Einmastern bestand, wenn anch Schiffe größerer<br />

Art, jedoch immer Galeren, al^ Bahnbrecher o<strong>der</strong> schwimmende<br />

Batterieen die Entscheidung herbeiführten.<br />

Für Zwecke des Handelverkehrcs dagegen konnten diese<br />

^') Vgl. die Klagen <strong>der</strong> im Herbste vor Ga^ta liegenden venclianischcn<br />

Capitane bei Sanndo, Tiar. Seite 299: „Die See schlägt<br />

nns bis znr halben ^casthöhe über das Schiff."<br />

-"') Abbildung z. B. bei Gio. Franc. Camotio, I8o!e<br />

Venedig I5)7l. Kl. O.ncrfolio.


270 Actenstücke zur Reise<br />

wenig tragfähigen Einmaster nicht geeignet erscheinen. So war<br />

denn auch die Iaffa-Galerc eiue schwere. Malipiero hat uns<br />

darüber keinen Zweifel gelassen, er nennt sie ausdrücklich eine<br />

AlrÜH gi'083^; dem Seemann genügte die bloße „A^ii^" cilri<br />

/^td nicht, er mußte, zu unseren! Vortheil, dem Schiffe seinen<br />

richtigen technischen Namen geben. Ich sehe nicht dentlich, ob<br />

schon damals dafür die Bezeichnung AÄl63.2>^ gebraucht wurde,<br />

doch mag dies wahrscheinlich sein; Z^i6H226 da. in6ro^nxi^<br />

aber wnrden die schweren Galeren erst nach 1530 genannt, nm<br />

welche Zeit die A^io^n^ da. ^11011^ aufkamen, welche von<br />

den Handelsgaleren sehr verschieden waren. ^) Doch auch die<br />

letztern waren ursprünglich zu kriegerischen Zwecken eingeführt<br />

worden. Nm die alte schwerfällige nnd nicht für Ru<strong>der</strong> eingerichtete<br />

Handels-Galeazza für vorkommende Kriegsfälle vere<br />

wendbar zu machen, hatte man nach dein letzten Frieden mit<br />

<strong>der</strong> Türkei im Jahre 1480 eine Aen<strong>der</strong>ung mit ihr vorgenommen^)<br />

und ihr das galerenartige Wesen gegeben, welches<br />

auf diese Weise auch unserm Jaffa-Fahrer eigen war. Ueber<br />

die Beson<strong>der</strong>heiten dieser ^loi's) ^ro3>80 sind wir vorzüglich<br />

gut unterrichtet durch deu Reisebericht des Pietro Martire<br />

^) Bei Camatio a. a. O. findet sich eine gleich nach dem Ereiguiß<br />

gefertigte Darstellung <strong>der</strong> Schlacht von Lepanto mit <strong>der</strong> Kriegs-<br />

Galeazza, anf welcher <strong>der</strong> venetianische Admiral Dnodo die türkische<br />

Linie durchbricht. Für uns merkwürdig ist ihr swil^ui-äo 6o11«. ci'oco,<br />

ein großes plastisches Kreuz anf <strong>der</strong> Spitze des gleich hinter dein<br />

Vor<strong>der</strong>castell befindlichen Mastes.<br />

^) Aus diesem Gruude ist die hübsche Abbildung einer Galeazza<br />

da mercanzia, welche <strong>der</strong> bereits angezogenen Schrift des Contre-Admirals<br />

L. Fincati beiliegt, für unsere Zwecke nicht verwendbar. Diese<br />

Galeazza ist offenbar kein Nu<strong>der</strong>schiff, auch hat ihr <strong>der</strong> Verfasser selbst<br />

die Jahreszahl 1420 beigesetzt. Bemerkeuswcrth für uns ist die Abbildung<br />

aber dadurch, daß sie zwei große Trutzflaggeu mit dem Kreuz<br />

iu Gestalt vou Kircheufahnen an den Mastspitzen, die Marknsflagge<br />

dagegen au einem Fahncnstock über dem Spiegel, uud au <strong>der</strong> Naespitze<br />

eiueu Gagliardo mit eiuer Figur zeigt, welche vielleicht für die<br />

<strong>der</strong>flagge des Capitäns gehalten werden kann.


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 271<br />

d'Anghiera, welcher im Jahre 1501 als spanischer Gesandter<br />

auf einer solchen Galere von Venedig nach Alexandrien schiffte.<br />

Mit diesem Bericht hat Casoni die schon erwähnten dialogai<br />

8ii11^ militi^ iQHi-ittiinH des Christoforo Canale und zerstreute<br />

Angaben des alten ^ und des jüngeren Sanudo in Verbindung<br />

gesetzt und auf diesem Wege ein Bild <strong>der</strong> F^ioi-o Fro886<br />

entworfen, das für uufere Zwecke vollständiger nicht sein kann,<br />

uud dem wir folgcude Angaben entnehmen.<br />

Während die Fusten kleine einmastige Zweiru<strong>der</strong>cr, ^) ^^e<br />

ino^^^uo und d3.8t^i'ä0 dreirudrige Fusten und die<br />

Lottili größere Bastard-Galcren von über 130 Fuß<br />

Länge waren, führte die ^a.1oi'A Zi'038^ o<strong>der</strong> g^loH^^^ du<br />

m6i'0Hn^ mehrere Masten, war aber sonst nur durch ihre<br />

Größenverhältnissc von den übrigen Galerenartcn verschieden.<br />

Sie maß über 170 Fuß in <strong>der</strong> Länge, das gewöhnliche Maaß<br />

war 175; die vorschriftsmäßige Zahl ihrer Ru<strong>der</strong> und Ru<strong>der</strong>knechte<br />

betrug zu <strong>der</strong> uus angehenden Zeit 150, ihrer sonstigen<br />

Mannschaft an Seeleuten ungefähr 50 Köpfe, fo daß sich die<br />

ganze Besatzung ans etwa 200 Mann belief. Wurde fie<br />

aber für Kriegszwecke in Anspruch genommen und bemanut, so<br />

betrug die Besatzung gegen 300 Köpfe, von denen indessen ein<br />

Theil auch als Schiffshandwerkcr uud Artilleristen verwandt<br />

wurde. Die durchschnittliche Tragfähigkeit <strong>der</strong> schweren Galere<br />

wird ans 1000 venetianische Botte o<strong>der</strong> 500 Tonnen angegeben,<br />

die Botta zu eintausend Pfund gerechnet. Bei voller<br />

Ladung konnte nur die Hälfte <strong>der</strong> Waarcu im sogenannten Ranni<br />

ihreu Platz finden, die an<strong>der</strong>e Hälfte mnßte auf Deck bleiben,<br />

wobei dann auch das Vor<strong>der</strong>castell in Anspruch genommen<br />

wurde, loie das Schicksal beweist, von dem <strong>der</strong> Klei<strong>der</strong>toffer des<br />

kleinen Zorzi betroffen wurde.<br />

Die, wie gesagt, erst nach 1480 aufgekommenen schweren<br />

Galercn waren die ersten Kauffahrer, welche zugleich für den<br />

^) Doch waren mir die Portolati zwcirndrig geordnet, die übrigen<br />

Galeotten waren Einrn<strong>der</strong>er.<br />

18


272 Actenstücke zur Neisc<br />

Kriegsdienst gebant wnrdcn. Bis dahin n^aren sämmtliche Handelsfahrzenge<br />

lediglich Segelschiffe gewesen, von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong><br />

knrzen nnd rnndabfchließenden, hochloandigen ^laoi, Barche o<strong>der</strong><br />

Barze n. s. w. Ihrer vorbehaltenen Bestiinmnng für den<br />

Krieg gemäß wurden diese schwereil Hanoelsgaleren ans den<br />

Werften des Staates gebant nnd fodann alt Unternehmer ans<br />

dem venetianifchen Adel zn Handelszlvecken meistbietcnd vcrnliethet.<br />

So war es fchon Jahrhun<strong>der</strong>te hindnrch mit jenen<br />

an<strong>der</strong>artigen Staatsfchiffen gehalten lvorden, loelche alljährlich<br />

in ganzen Geschwa<strong>der</strong>n nach Flan<strong>der</strong>n nnd an<strong>der</strong>en atlantischen<br />

Küstenlän<strong>der</strong>n zn ziehen pflegten. Immer aber war bei <strong>der</strong><br />

Vermiethnng <strong>der</strong> Vorbehalt <strong>der</strong>, daß inzwischen <strong>der</strong> Staat nich!<br />

selber, seiner Schiffe bedürfen werde. Malipiero erzählt nns<br />

ein Beispiel, wie im Jahre 1479 eine Pilgergalere ans dem<br />

Wege nach Jaffa in Modone festgehalten nnd von dem General-<br />

Capitän, gegen Entschädigung <strong>der</strong> Reisenden, in Ansprnch genommen<br />

wnrde. ^)<br />

lieber die sonstigen Maaße nnd Verhältnisse <strong>der</strong> schwerem<br />

Galeren am Schlüsse des 15. Iahrhnn<strong>der</strong>ts erfahren wir nichts<br />

bei Casom. Nnr berichtet er wie in den Jahren 1520 nnd<br />

1529 die bisherige Größe dieser Schiffe ermäßigt nnd im<br />

letzteren Jahre ans folgende Zahlen znrückgeführt wnrde:<br />

Länge fast 48 Meter, Breite 8 M., Hohe 3 M. Voll<br />

ständiger sind die Angaben Coronellis, welche, obwohl einev<br />

viel späteren Zeit entlehnt, doch in Rücksicht <strong>der</strong> Größenverhältnisse<br />

untereinan<strong>der</strong> ohne Zweifel auch für die ältere<br />

Zeit maßgebend find. Coronelli ^) beschreibt die Generals-<br />

Galere des berühmten Feldherrn Franeeseo Morosini, des<br />

sog. Peloponesiers, welcher im 17. Iahrhnn<strong>der</strong>t noch einmal<br />

Morca <strong>der</strong> Republik wie<strong>der</strong> nnterthänig machte, nnd bestimmt<br />

<strong>der</strong>en Maaße in folgen<strong>der</strong> Weise: Länge 250 Fnß, Breite<br />

des Rumpfes, d. h. die Breite des Schiffs ohne die beiden<br />

A. a. O. Seite 171.<br />

w Lte. Venedig 1s>l)7. 1^"l.<br />

,


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 273<br />

äußeren Lanfgänge 20 F., mit den Laufgängen, die demnach<br />

ein je<strong>der</strong> 8 F. maßen, 36 F., Höhe des Schiffskörpers<br />

8 F., Länge des Hanptmastes 15 F., des Vormastes 12 F.,<br />

Länge <strong>der</strong> 60 Rn<strong>der</strong> 41 F., ein jedes von acht Mann geführt.<br />

Länge des überdeckten Hintertheils 20 F., Breite<br />

desselben an dem Nanm <strong>der</strong> Galcottcn 171/2 F., Breite desselben<br />

am Spiegel 11 F.<br />

Zn Anfang des 14. Iahrhnn<strong>der</strong>ts verlangte dagegen <strong>der</strong><br />

ältere Sanndo''^') für die größte Art Ru<strong>der</strong>galercn eine Länge<br />

von 23 venetianifchen Schritten und 2 Fuß, eine Breite von<br />

20'/x Fnß nnd eine Höhe von 7 Fnß 3 Zoll, mit ">'/. Fnß<br />

Höhe mehr an dem Spiegel nnd 2^/g Fuß am Bng.<br />

Wir kehren hier anf einen Augenblick noch einmal zu <strong>der</strong><br />

Nettungsfrage zurück, doch nnr, nm nns klar zn machen, wie<br />

es <strong>der</strong> Iaffa-Galeazza möglich geworden ist, sich vier o<strong>der</strong> fünf<br />

Stunden hindurch gegen die türkische Uebermacht zn behaupten.<br />

Neben <strong>der</strong> von allen Seiten bewährten Tapferkeit <strong>der</strong> nm ihr<br />

Leben streitenden dreihun<strong>der</strong>t Männer scheinen drei Umstände<br />

vornehmlich das Gelingen dieses ersten Actes des Rettnngswerkes<br />

zn erklären. Erstens war <strong>der</strong> Größenuuterschicd zwischen dein<br />

angegriffenen Schiff nnd den Angreifern fo erheblich, daß die<br />

Türken nnr dnrch Ansetzen von Leitern die Schanzkleidung<br />

<strong>der</strong> Iaffa-Galere zn erreichen vermochten, ein Unternehmen, das<br />

auch bei ruhiger See zu den schwierigeren zn rechnen sein<br />

dürste, namentlich weil es selten gelingen wird, eine größere<br />

Menge von Stürmern zugleich au die Geguer herausbringen.<br />

Von diesen Leitern ist in den pommcrschen Berichten ausdrücklich<br />

die Rede. Ferner, war es den Angegriffenen möglich,<br />

mittelst <strong>der</strong> vielen an Nord befindlichen Waarenballen nnd Kisten<br />

die Schanzkleiduug <strong>der</strong> Galere beträchtlich zu erhöhcu uud zu<br />

verstärken, wobei die dreihun<strong>der</strong>t znr Versüguug stehenden Ver-<br />

A. a. O. bei Vonqcivt.


274 Actenstücke zur Reise<br />

theidiger vollständig ausreichten, um iu <strong>der</strong> Besetzung <strong>der</strong> künstlichen<br />

Wälle keine Lücke zn lassen. Daß diese Nothverstärkung<br />

<strong>der</strong> Brustwehren wirtlich vorgenommen worden sei, berichtet<br />

<strong>der</strong> Ritter Garzoni. Endlich kam <strong>der</strong> bedrohten Galere <strong>der</strong><br />

Umstand zu statten, daß die Windstille den zwei Barken erst<br />

in später Stuude das Nahekommen erlaubte. Auch Garzoni<br />

legt auf dies Fernebleiben <strong>der</strong> Barten ein Hanptgewicht; an<strong>der</strong>nfalls,<br />

nieint er, wäre die Galere unvermeidlich genommen<br />

worden; doch denkt er dabei vermuthlich uur an deu Untergang<br />

<strong>der</strong> Galere o<strong>der</strong> an ihre Ergebung in Folge <strong>der</strong> großen Geschützwirknng,<br />

zu welcher die Barkschiffe im Stande waren;<br />

denn Zu glücklichen Enterversuchen war auch hier, wie m'^r<br />

scheint, keine begründete Aussicht, trotz <strong>der</strong> viel höhereu Bordhöhe<br />

<strong>der</strong> Barken, da die ruuden, bauchigeu Wandungen dieser<br />

Schiffe eine Berührung mit dem feindlichen Schiff auf längere<br />

Strecken <strong>der</strong> Borde unmöglich machten. Anch die Schwerfälligkeit<br />

<strong>der</strong> Barken war hier ein Hin<strong>der</strong>niß, loie an<strong>der</strong>erseits<br />

die langen Nu<strong>der</strong> <strong>der</strong> Galeotten znr Abwehr solcher Annäherung,<br />

anch den kleineren Galeren gegenüber, eine wirksame<br />

Hülfe gewähren konnten.<br />

4- Il Zaffo.<br />

Wie wir gesehen haben, wird nnsre Galere von Sanndo<br />

als ^Hii^ äii /^lO) — auch /^Iio und /5M'o — nnd<br />

von Malipiero, mit einer nicht ins Gewicht fallenden Aen<strong>der</strong>ung,<br />

als


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 275<br />

solch ein Taufnamc gewefen, fo würde <strong>der</strong>selbe nicht mit äi<br />

o<strong>der</strong> äa. zu F^Iia, gesetzt worden sein, son<strong>der</strong>n die Bezeichnung<br />

wäre erfolgt mit ,,I^ Zl^Iill. olii^n^ta. il ^^0" o<strong>der</strong> ohne<br />

Weiteres mit „il Zaffo". Eine an<strong>der</strong>e Wendung erlaubt we<strong>der</strong><br />

die heutige italienische Grammatik, noch <strong>der</strong> alte venetianische<br />

Sprachgebrauch, wie die zahlreichen Benennungen von Schiffen<br />

erweisen, welchen wir bei Sanudo und Malipiero begegnen.<br />

Das dil o<strong>der</strong> dlü /^sso kann immer nur eine genitivische<br />

o<strong>der</strong> ablativische Zugehörigkeit <strong>der</strong> Galere zu einem Zaffo bedeuteu,<br />

<strong>der</strong> mehr als ein Name ist. Aber wer ist dieser<br />

Zaffo?<br />

. Das Wort Zaffo hat verschiedene Bedeutungen, unter<br />

an<strong>der</strong>en eine, welche den Zaffo als Namen für ein ursprünglich<br />

dem Staate gehöriges Schiff an sich ganz gut zu empfehlen<br />

fcheint, es bedentet einen Schützen o<strong>der</strong> Plänkler, in späterer<br />

Zeit einen Späher o<strong>der</strong> Wächter u. s. w., doch kann aus den<br />

soeben entwickelten Gründen von dem Wort in diesem Sinne<br />

hier keine Rede sein. So bleibt denn nur eine einzige Bedeutung<br />

als mögliche übrig, die von Jaffa, auf welche fchon das<br />

vielleicht stetige und jedenfalls öftere Ziel unserer Galere hinweist.<br />

Daß Zafo das vcnetianifche Wort für das fyrifche<br />

Jaffa, den Hafen Ierufalcms, und zwar noch im Jahre 1497<br />

gewesen sei, bedarf keiner Ausführung. Die Thatfache geht<br />

fchon aus dem Schiffsvertrage hervor, den unfer Herzog am<br />

8. März jenes Jahres il: Venedig mit dem Capitän Zorzi<br />

abschloß und den die Klempinschen „Beiträge" wie<strong>der</strong>geben.<br />

Da ist in §. 13 von dem Falle die Rede, daß einer <strong>der</strong> Pilger<br />

mit Tode abgehen würde, ehe man n/I t0i'i^in Xg^Iii gelangt<br />

sei. Am deutlichsten geht die Identität von Zafo und Jaffa<br />

aber wohl aus dem angeführten Werk des älteren Sanudo<br />

hervor, wo sich neben einan<strong>der</strong> im Text und in den geographischen<br />

Karten die Ausdrücke Zapha, Iopen, Iopan, Iafa für<br />

dieselbe Ocrtlichkeit angewandt finden und einmal sogar die<br />

Identität von Iopen und Zapha ausgesprochen wird.^<br />

Seite 2^: .lop^n — vu1


270 Aktenstücke zur Reise<br />

was bedentet das i! vor dein Zafo bei Sanndo nnd<br />

piero, das lvir hier bei dem älteren Sanndo nicht antreffen?<br />

Dem Venetianer ist dies il jedoch nicht im mindesten fremd;<br />

del Zaffo ist <strong>der</strong> Beiname einer <strong>der</strong> berühmtesten Familien <strong>der</strong><br />

Stadt, <strong>der</strong> Contarmi „del Zaffo" nnd noch hente jedem<br />

Venetianer geläufig. „Sie nennt sich del Zaffo", sagt ein mir<br />

grade zur Hand befindlicher „Führer" höherer Art, „weil sie<br />

mit dem Contado di Jaffa, voig-ln-nioiiw ciotta /M'o uud<br />

mit <strong>der</strong> Coutea di Asealone von Catharina Cornaro, <strong>der</strong> Kö-<br />

nigin von Cyftern, belehnt worden war" ^). n contado ilnd<br />

Ici ^onw^ zuiei gleichbedentende Worte, sind soviel une unsere<br />

„Grafschaft"; il Zaffo wäre demnach die Grafschaft Jaffa uud<br />

uusre Galere hätte von dem Land, nicht von <strong>der</strong> Stadt Jaffa<br />

ihren Namen. In den romanischen Sprachen gehen indessen<br />

die Begriffe Land, Ortschaft und Stadt fehr leicht.in einan<strong>der</strong><br />

über, uud so dürfte das Auffällige, welches iu dieser Wenduug<br />

liegt, schwinden. 1^080 und M^8 gelten als Ausdruck für<br />

^aud fowohl wie für Stadt, <strong>der</strong> „toi'i^ X^)1ii" entsprechend,<br />

die nur in dem so eben angezogeneu Schiffsvertrage zur Be-<br />

zeichnung des Hafeus von Jaffa gefnnden haben. Ueberdies<br />

aber versichert uns Thomaso Poreaechi in seinen Isoi^ famoso<br />

äol nioncio von 1572, Seite 17, daß zn seiner Zeit auch<br />

die Stadt Jaffa selbst „il Zaffo" genauut wordeu sei: ,^<br />

li0 il<br />

eiue au<strong>der</strong>c uud letzte Frage dräugt sich hier auf.<br />

Es ist doch kaum denkbar, daß die Iaffa-Galere keinen an<strong>der</strong>en<br />

Namen als den <strong>der</strong> ,,^1i^ ä^i /ä,i'0--, also eigentlich gar<br />

Seite 150, wo von Joppe die Rede ist. Das ausführlichste darüber<br />

geben die 1?oitte8 i^rum iM8ti'. Bd. XIII, Seite lI2, Amn. 2. Wien<br />

1856. Das venetiamsche 2 ist offenbar als weiches 3 aus dem 'I<br />

entstanden, wie xouxoi- aus ^unF^i'o, ^iun^l^.<br />

^) I^olottj, II tio^ cU Vou0/.iu, 1840. 4 Bände. Band IV,<br />

Seite 35. Daß mau ein Mitglied <strong>der</strong> Familie Contarmi mit nn o<strong>der</strong><br />

il 2llt'o bezeichnet, kommt nicht vor, so gelänfia. dein Italiener auch<br />

das il (^ouwi'iui ist.


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 277<br />

keinen Namen gehadl habe. Dies führt uns zu den vielen<br />

Beispielen von Schifssbenennungcn aus <strong>der</strong> Zeit Sanudos<br />

und Malipieros zurück, auf die nur oben bereits flüchtig hin-<br />

gewiesen haben. Wie in altromifchen Zeiten trug auch zu<br />

Ende des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts jedwedes Schiff, schon <strong>der</strong> Unter-<br />

scheidung des einen vom an<strong>der</strong>en, nicht allein <strong>der</strong> ästhetischen<br />

Zier wegen, einen beson<strong>der</strong>en Namen, doch bestand <strong>der</strong>selbe<br />

nicht immer in dem, was wir oben einen Tausnamen genannt<br />

haben. Von solchen Taufnamen begegnen wir da ohne lange<br />

zn suchen, z. B. einer imvo oIimui^tH 111. iicTv<br />

einer u^vo li'luico^ äwimiä^tH 1^ N^d^ion^, einer<br />

(^Ii^ki'ioiH, einer 113.V0 ^i'088H I^ncloi^ einem Qiivi^lio äito<br />

öl 8001^1011 ; es sind also da ungefähr alle Fächer nnd sprach-<br />

lich alle Wendungen vertreten, <strong>der</strong>en wir uns hente auf diesem<br />

Gebiete bedienen. Doch ist diese, so zu sagen unmittelbare,<br />

Weise <strong>der</strong> Schiffsbezeichnnng bei beiden Schriftstellern die Aus-<br />

nahme; die Bezeichnung, welche von Willkür nnd Laune des<br />

Taufvaters absieht und den Namen einem gegebenen Sachver-<br />

hältnisse entlehnt, überwiegt bei Weitem. Die meisten Schiffe<br />

werden da entwe<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> adelichen Familie benannt, zu<br />

welcher ihr Capitäu und Miether, vielleicht auch bisweilen ihr<br />

Eigenthümer gehörte, o<strong>der</strong> werden nach ihrem Inhaber o<strong>der</strong><br />

Capitai! mit dessen persönlichem Namen bezeichnet, o<strong>der</strong> sie<br />

tragen den Namen <strong>der</strong> Stadt, bei <strong>der</strong> sie ihren gewöhnlichen<br />

Standort hatten o<strong>der</strong> zu <strong>der</strong> sie soust irgeud eiue beson<strong>der</strong>e<br />

Beziehnng hatten, uuler an<strong>der</strong>en auch die, daß die Stadt ihr<br />

gewesenes o<strong>der</strong> zutüusliges o<strong>der</strong> gewöhnliches Fahrziel war.<br />

Da in den meisten Fällen <strong>der</strong> Art es <strong>der</strong> dahin gehenden<br />

Schiffe mehrere gab, so schwindet die Bedentuug des Namens<br />

als solchen beinahe ganz, uud die Vermuthung entsteht, daß<br />

uns <strong>der</strong> eigentliche Son<strong>der</strong>name nicht genannt worden sei.<br />

Aehnlich ist es mit den Familiennamen <strong>der</strong> Schiffe. Wir geben<br />

von allen drei o<strong>der</strong> vier Fällen einige Beispiele, indem wir<br />

zuvor noch daraus aufmerksam machen, daß die sprachliche<br />

Form <strong>der</strong> Mehrzahl uach adjeetivisch ist, doch auch <strong>der</strong> Genitiv<br />

und statt dessen auck <strong>der</strong> bloße Nominativ des Eigennamens


278 Actenstücke zur Reise<br />

erscheint, wenn hier nicht etwa das Zeichen des Genitivs aus<br />

Versehen fehlt. I^a navo l^s^ara, 1a nav6 8oi'an2a, Irivi3ana;<br />

1a nav


.Herzogs Vogislav X. in den Orient. 279<br />

befehligten Kriegsschiffe nahmen damals als Namen o<strong>der</strong> als<br />

Beinamen den Geschlechtsnamen ihrer Besitzer o<strong>der</strong> Capitane<br />

an, nnd führteu denselben, so lange solches Verhältniß währte.<br />

So wird von Casoni, Manin und an<strong>der</strong>en Geschichtsschreibern<br />

behauptet, es geht aber auch deutlich aus folgenden bei Sanudo<br />

vorkommenden Ausdrücken hervor: 1^3. (Fa.Ii3.n3. c>1iin, ein<br />

genuesisches Staatsschiff, ininc> cli 1^i'3noo860 8piri0i3^ und<br />

noch bestimmter aus: /5u3n Von in3nd3to 8m'3.00inito ^or<br />

I3, 8i^u0ri3. 811 I3 A3Ü3 so 1i0ml)3, d. h. auf die früher<br />

Nemba genannte Galere des Capitäns Bembo. Wenn daher<br />

Malipiero berichtet, am 21. Dezember 1496 sei die ^3Ü3 d^i<br />

/^3^0 pa.tron ^^U8tin ^ont3i'ini, eon tutti i p6i6^i'ini nach<br />

Venedig zurückgekommen, so ist es nach dem obigen sehr wohl<br />

möglich, daß die hier blos nach ihrem Inhaber genannte<br />

Pilger-Galere dasselbe Schiff mit <strong>der</strong> A3ii^ dil ^3^0 gewesen<br />

sei, welche ein Jahr später von Patron Alvixe Zorzi geführt<br />

uud nach ihm benannt wurde. Als mögliche Ausdruckswendun-<br />

gen zur Bezeichnung unsrer Galere führe ich nach Vorbil<strong>der</strong>n,<br />

die sich bei Malipiero siuden, zum Schluß noch an: I<br />

äii ^Hfo, I3 F3Ü3 äi /Viviyo ^01'^i olio V3, 3<br />

5. Casa Gritti.<br />

Je zweifelhafter es ist, ob sich in Pommern o<strong>der</strong> sonstwo<br />

noch Bauwerke finden, welche in ihrer heutigen Gestalt Bo-<br />

gislav X. zur Wohnuug gedient haben, einst Augenzeugen<br />

seines persönlichsten Thuus und Lassens gewesen sind, um so<br />

erfreulicher und überrafchen<strong>der</strong> ist die Gewißheit, daß hier an<br />

dem Adriastrand eine solche Stätte vorhanden ist, die (^Q3<br />

(^'iti^) nämlich auf <strong>der</strong> Giudccca, welche <strong>der</strong> Herzog bei<br />

seiner Rückkehr vom heiligen Lande mit seinem Gefolge von<br />

Flcmmings und Bugenhagens, von Wedels, von DeWitz, Pode-<br />

wils, Brauuschweigs, Molres und Mollers bewohute uud mehr<br />

So schreibt Sanudo das Wort, die sonstige Weise ist „Gritti".


280 Actenstücke zur Reise<br />

als eine Woche hindurch, von Samstag Abend den 17. bis<br />

Monwg Nachmittag den 26. November^) 1497 mit ausschließlich<br />

pommerschem Leben erfüllte.<br />

Wir wollen uns dnrch Malizierò nicht irre niachen lassen,<br />

welcher, im Wi<strong>der</strong>sprüche mit Sanndo, die Casa Zane ans <strong>der</strong><br />

Gindeeea als Bogislaos damalige Herberge bezeichnet. Vielleicht<br />

waltet hier gar kein Wi<strong>der</strong>spruch ob; das von den<br />

Gritti erbaute Hans mag nicht lange zuvor in den Besitz <strong>der</strong><br />

Zane übergegangen sein, nnd <strong>der</strong> Nmstand, daß Maliftiero<br />

dasselbe nicht Casa Zane schlechthin, son<strong>der</strong>n Casa di Aloise<br />

Zane nennt, scheint unsre Vermuthung unterstützen zn wollen.<br />

Für den Fall eines wirklichen Wi<strong>der</strong>spruchs aber haben wir<br />

hier unbedingt dem Marino Sanudo uud uicht dem Domenego<br />

Malipiero zu glauben. Letzterer war auf solche Art Einzelnheiten<br />

überhaupt viel weniger aus als Sanndo, <strong>der</strong> sich schon<br />

damals als <strong>der</strong> verpflichtete Tagebuchschreiber <strong>der</strong> Republik<br />

von San Mareo und ihrer Siguoria betrachtet zu haben<br />

scheint, nnd als täglicher Gast des Dogenpalastes diesen Dingen<br />

persönlich viel näher stand und besser uuterrichtet sein mnßte<br />

als Malipiero. Dazu kommt, daß Malipiero damals auf<br />

mehrere Jahre die Hauptstadt verlassen hatte, während Sanudo<br />

unzweifelhaft anwesend war. Letzterer giebt selber an,^)<br />

wie er im Herbste 1496 nach fünfmonatlicher Entfernung von<br />

Hause in dienstlichen Angelegenheiten soeben nach Venedig heimgekehrt<br />

sei und sich nun endlich <strong>der</strong> lei<strong>der</strong> so lange unterbliebenen<br />

Fortführung seines Tagebnchs widmen wolle; von<br />

einer ncnen Entfernung, die im Jahr 1497 eingetreten wäre,<br />

erfahren wir nichts, loie denn solche Abwesenheiten überhaupt<br />

bei Sanudo die Ausnahme bilden. Außerdem ist von einem<br />

Zaneschen Hause, das von dem Grittischen verschieden gewesen<br />

sei, in jener Gegend <strong>der</strong> Stadt auch nirgendwo eine Spur zn<br />

entdecken, obschon zu damaliger Zeit die adelicheu Wohuuugen<br />

^") Daliner und Sanudo sind hier übereinstimmend, Malipiero<br />

ueuut dcu 13. als Tag <strong>der</strong> Aukuuft.<br />

>'") Diarii a. a. O. 1879. S. 369.


Herzogs Vogislavs X. in den Orient. 281<br />

daselbst noch nicht zahlreich waren, und darnm auch heute iu<br />

unseren: Falle das Forschungsgebiet uicht umfänglich ist. So<br />

können nur denu getrost ilnd ohue weiteres Zau<strong>der</strong>u die Casa<br />

Gritti, d. h. heute die Casa Nr. 795 auf <strong>der</strong> Giudeeea, Fondamenta<br />

di S. Biagio, etwa einhun<strong>der</strong>t kleine Schritte ostwärts<br />

von <strong>der</strong> gleichnamigen Brücke eutfcrut, als das sichere<br />

Denkmal jenes Abschnittes pommerscher Fürsteugeschichte betrachten.<br />

Als die alte CtM Oriti wird dieses Haus durch<br />

die in seinem Hofe befindliche alteu Grittischen Wappenschilde<br />

beglaubigt. ^")<br />

Die Iusel Giudecca ist heute das verlasseuftc, weil abgelegenste<br />

Viertel Venedigs und uur uoch vou kleiuereu Leutcu<br />

bevölkert. Ehedem aber war die geräumige Insel mit ihren<br />

Gärten und Fel<strong>der</strong>n von den Reichen <strong>der</strong> Hauptstadt als wiudfrischer<br />

läudlicher Aufenthalt fehr geschätzt; doch scheint dieselbe<br />

nicht viel vor <strong>der</strong> uns betreffenden Zeit auch als bleibende<br />

Wohnstätte <strong>der</strong> venetianischen Aristokratie in Mode gekommen<br />

zn sein. Noch hente gehören die dortigen Gärten zu deu zahlreichsten<br />

uud^ größten <strong>der</strong> Stadt, auch hinter C:r Gritti hat<br />

sich ciu solcher, wohl huu<strong>der</strong>t Schritt in die Länge messend,<br />

erhalten und ist links und rechts von gleichen Anlagen umgebcu,<br />

bis zu dem Caual delle Couvertite hiu, au dem <strong>der</strong>selbe mit<br />

einer Mauer abgegrenzt ist. Auch uach voru hin, nordwärts,<br />

ist die Lage des Hauses eine freie: seine Stirnseite geht auf<br />

deu etwa fünfhun<strong>der</strong>t Schritt breiten Wasserarm, welcher die<br />

Gindecea-Insel von <strong>der</strong> Hauptmasse <strong>der</strong> Laguuenstadt scheide!<br />

und schon damals einen herrlichen Blick zu <strong>der</strong>selben hinüber<br />

ans eine glänzende Reihe von Palästen und Kirchen gewährte,<br />

obschon <strong>der</strong> prächtige Abschluß des Pauoramas, die Kirche della<br />

Salute und die Dogaua, eine Schöpfung des 17. Iahrhuu<strong>der</strong>ts,<br />

damals noch fehlte.<br />

>'^) Turch die schon einmal angeführte Beschreibung des verstor-<br />

benen Paoletti: li iìore (ti V^ix^i^, ist es nns möglich gewesen, dem<br />

Palazzo Gritti anf die Spur zu kommen. Von einer Casa Zaue ans<br />

<strong>der</strong> Gindccca weiß we<strong>der</strong> Paoletti, noch sonst jemand.


282 Actenstücke zur Reise<br />

Ein glücklicher Znfall hat nns ein seltsam genaues nnd<br />

trcnes Abbild von jenem Venedig erhalten, wie es Herzog Bogislav<br />

sah, nnd zwar so ungefähr, wie er damals die Stadt<br />

von seinen Fenstern in Casa Gritti erblicken konnte. Aber<br />

noch mehr: nnser Landsmann, welcher das Bild in jener Zeit<br />

fertigte, hat nns den Gefallen erwiesen nnd seinen Standpunkt<br />

noch ein Paar hun<strong>der</strong>t Schritte weiter rückwärts genommen,<br />

fast gerade hinter C^ Oritti, damit er nns anch ein Abbild<br />

von unseres Herzogs damaliger Wohnnng mit <strong>der</strong>en Garten<br />

und Hofraum verschaffe. Dieses Abbild ist <strong>der</strong> bekannte große<br />

Holzschnitt vom Jahr ,,^I. I).", den Albrecht Dürer damals<br />

an Ort nnd Stelle soll aufgenommen haben nnd dessen geschnittene<br />

Tafeln noch hente im Museo Correr zu Venedig aufbewahrt<br />

werden. Jedenfalls war <strong>der</strong> Künstler, dessen steißige Hand das<br />

für die städtische Geschichte Venedigs so bedeutende Werk zn<br />

Stande gebracht hat, ein Deutscher, und die angegebene Zeit<br />

stimmt durchaus mit Stil und Geschichte.-^') Auf diesem<br />

Holzschnitte erscheint Hof, Garten nnd Hans fast noch ganz so,<br />

wie es heute besteht. Schon damals zog sich ein Weinlaubengang<br />

von <strong>der</strong> Hofthür auf den Canal zn, dnrch die ganze<br />

Länge des Gartens, nur daß die denselben abschließende Maner<br />

nicht an einen Canal stieß, son<strong>der</strong>n nnmittclbar an den nicht<br />

eben breiten Lagunenstraud, so daß man demgemäß damals von<br />

den Hinterfenstern des Hanfes auf das weite Binnenmeer nach<br />

Malamoceo Hinansblicken konnte. Anch bestand damals noch<br />

nicht die Areade von Säulen und Rnndbogen, mit <strong>der</strong> sich<br />

hente <strong>der</strong> Hansflnr nach dem Hofe zu öffnet, nnd die den Hof<br />

vom Garten abschließende Mauer war uoch nicht von <strong>der</strong> seltsam<br />

durchbrocheneu Arbeit loie die jetzige. ^) Endlich erscheint<br />

'^5) In Deutschland giebt es meines Wissens nnr einen Abdruck<br />

<strong>der</strong> Ansicht, wenigstens nnr einen, <strong>der</strong> öffentlich ausgestellt ist: in dem<br />

Dürer-Hanse in Nürnberg. In Venedig sind <strong>der</strong>en vier zn sehen, in a,c><br />

nanntem Mnsenm, im Doqenpalast, im Arsenal nnd in <strong>der</strong> Samm-<br />

ln ng Querini.<br />

246) Son<strong>der</strong>barer Weise ähnelt die hentige Gestalt von Hof,<br />

Gartenmauer nnd Garten mehr <strong>der</strong> Darstellung, welche die sogenannte


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 283<br />

auch <strong>der</strong> Vorraum, welcher die Hausfront von dem Giudecea-<br />

Canal trennt, damals viel schmaler o<strong>der</strong> gar nicht vorhanden<br />

gewesen zu seiu. Heute besteht <strong>der</strong>selbe iu einem breiten Kai<br />

o<strong>der</strong> Bollwerk, das dem öffentlichen Verkehre dient. Auf <strong>der</strong><br />

Dürerscheu Ansicht ist die Ca. Gritti westlich von einem an<strong>der</strong>n<br />

Palazzo, <strong>der</strong> Cü. Vendramin, begrenzt, welcher mit seiner<br />

Mauer unmittelbar an die Hausmauer <strong>der</strong> C^ Gritti stößt.<br />

Die C^ Veudramin ist, wenn auch stark verfallen, noch hente<br />

vorhanden, uud jedenfalls ein Van von ungefähr 1500; doch<br />

wäre es möglich, daß um 1497 die C^ Gritti noch nach allen<br />

Seiten hin frei lag. Nach <strong>der</strong> Dürerschcn Aufnahme waren<br />

damals die genannten beiden Palazzi die einzigen auf diesem<br />

großen Abschnitte <strong>der</strong> Giudecea, zwischen den Canälen von S.<br />

Biagio nnd S. Eufemia, alle übrigen, links und rechts neben<br />

denselben gelegenen Gebäude waren unbedeutende stillose Anlagen.<br />

Ein Palast in unserem Sinne ist diese C^ Gritti nicht,<br />

nnd kaum sogar im venetianischen Sinne, obgleich man hier<br />

mit dem Wort nicht eine fürstliche Wohnung von hervorragen<strong>der</strong><br />

Größe, son<strong>der</strong>n jedes herrschaftliche Wohngebäude mit entsprechen<strong>der</strong><br />

stilvoller Bauart und einem gewissen Maaße von<br />

Pracht bezeichnet. Macht man in letzterer Hinsicht nur bescheidene<br />

Ansprüche, so mag die nur mäßig große und mäßig<br />

vornehme Casa Gritti als echter Palazzo gelten; denn ihr<br />

Grnndplan uud ihre Fa^ade sind durchaus <strong>der</strong> Anlage gemäß,<br />

welche das unterscheidende Merkmal eines venctianischen Herrenhanscs<br />

im Gegensatze zu bürgerlichen Prwathäuseru bildet. Es<br />

wird, gewiß uicht mit Unrecht, behauptet, daß diese Aulage<br />

noch die eigenthümliche Mischung von Adelswesen und Kaufmannsart<br />

durchblicken lasse, welche dem venetianischen Herrenthum<br />

seiu Gepräge gab. Die ganze Mitte des Hauses, von<br />

<strong>der</strong> Stirnseite nach dem Hose zn, wird durch alle drei Stockwerke<br />

hiudurch vou eiuem breiten Raum eingenommen, welcher,<br />

Dnrcrschc Ansicht vou den betreffenden Räumen <strong>der</strong> nebenstehenden Cu<br />

Vcndrannn giebt, als dem dortigen Bilde <strong>der</strong> entsprechenden Ocrtlich-<br />

teil <strong>der</strong> Casa Gritti.


284 Actenstücke zur Reise<br />

in den oberen Stockwerken wenigstens, eine Art Mittelding<br />

zwischen Festsaal nnd Flnr bildet nnd als .ein ehemaliger<br />

Waaren-Speicher erklärt wird, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Wohnnng des Handelsherrn<br />

im Anfange nicht zn trennen gewesen sei. Demgemäß<br />

werden ebenfalls die großen nnd breiten Fenster, die<br />

beiden Minestroni gedentet, welche, anch hier in E:^ Gritti, jene<br />

Flurfä'le nach <strong>der</strong> Straße nnd nach dem Hofe zn abschließen,<br />

Sie sollen ans den großen Lnken <strong>der</strong> Speicherräume entstanden<br />

sein, bestimmt znr Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Waaren in die Straße<br />

o<strong>der</strong> das Schiff o<strong>der</strong> den Hof hinnnter zn dienen. Das<br />

Finestrone besteht in einer Reihe von vier o<strong>der</strong> mehr, nnr<br />

dnrch Säulen o<strong>der</strong> Pfeiler getrennten nnd gewissermaßen eine<br />

einzige Oeffnnng bildenden Fenstern, welche bis znm Fnßboden<br />

des Saales hinnntergehen nnd nach anßcn hin dilrch einen<br />

Valeon o<strong>der</strong> eine gitterartige Brüstung abgeschlossen sind. Die<br />

spätere Entwicklung hat ans den Flnrsalen <strong>der</strong> beiden oberen<br />

Stockwerke meistens einen einzigen großen Prachtranm gemacht,<br />

in <strong>der</strong> C^ Gritti indessen haben wir noch die frühere Weise<br />

vor nns. Dagegen hat sich die große breite Treppe, welche<br />

in solchen Hänsern nnmittelbar in den Flnrsaal mündet, nm<br />

welchen herum die übrigen Wohnränme liegen, nicht mehr erhalten<br />

nnd ist dnrch eine bescheidnere Anlage ersetzt worden.<br />

Anch ist <strong>der</strong> einzige an dem Hanse befindliche Baleon, <strong>der</strong> vor<br />

dem großen Fenster des Hanptstockes befindliche, in feiner nrsprünglichen<br />

Gestalt nicht mehr da, son<strong>der</strong>n im 1l>. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

ernent worden. Ans noch späterer Zeit mag <strong>der</strong> Anfbau von<br />

Dachzimmcrn fein, welcher sich über <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Hanptfront<br />

erhebt. Endlich fcheint anch die sehr nnfcheinbare Hausthür,<br />

die in den etwas niedrigen Hausflur führt, nicht ans dein 14.<br />

o<strong>der</strong> frühen 15. Jahrhnn<strong>der</strong>t, nnd fomit ans <strong>der</strong>jenigen Zeit<br />

zn fein, in welcher die Casa Gritti ersichtlich erbaut worden<br />

ist. Daß von <strong>der</strong> inneren alten Einrichtung <strong>der</strong>selben, außer<br />

Mauern und Holzwerk, jetzt nichts mehr vorhanden ist, bedarf<br />

Wohl kaum <strong>der</strong> Erwähnnng; überhaupt ist, foviel ich dav<br />

Iuuere habe besichtigen können, von demselben nichts merk<br />

würdiges zu berichten.


Herzogs Vogislav X. in den Orient. 285<br />

Abgesehen von den soeben gemachten Einschränkungen<br />

steht die C^. Gritti aber noch banlich in demselben Zustande<br />

vor nns, loie sie damals gewesen sein mnß, als Herzog Bogislav<br />

mit den Scinigcn an jenem Novembcrabcnd, sroh ohne<br />

Zweifel, mit Gottes Hülfe so weit gediehen zu sein, daselbst<br />

einzog, kein Prachtban, doch immer „ein stattlich Hans" wie<br />

die pommersche Quelle bei Kanzow sie nennt. Die Casa<br />

Gritti ist dreistöckig, etwa 40 Fuß hoch und 50 Fnß breit<br />

nnd tief. Der Hof ist ein fast gleichseitiges Viereck von 25<br />

Fuß Weite; <strong>der</strong> Garten ebenso breit und wie gesagt nngefähr<br />

100 Schritt lang. Der gothische Stil, in dem <strong>der</strong> Ban ansgeführt<br />

ist, entspricht <strong>der</strong> Weise, die hier im 14. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

nnd bis znr Mitte des folgenden üblich war. Mit Ansnahme<br />

<strong>der</strong> kleinen viereckigen schlichten Fenster des Unterstocks, in dein<br />

sich nach italienischem Brauch keine Wohnungen befinden, sind<br />

sämmtliche Fenster spitzbogig geschlossen, aber nicht bis znm<br />

Boden des Zimmers hcrabgehend, son<strong>der</strong>n einige Fuß über<br />

demselben mit einem Fcnsterstein endend, <strong>der</strong> auswärts von<br />

zierlichen Consolen getragen wird. Die Mancrn sind Ziegelstein,<br />

<strong>der</strong> überkalkt ist; alle Einfassungen, sowie die Säulen<br />

nnd Pfeiler <strong>der</strong> Finestroni und des Balkons von weißlichem,<br />

i'strischcm Marmor. Beson<strong>der</strong>s ansprechend ist die Nanmverthcilnng<br />

an den zwei oberen Stockwerken <strong>der</strong> Hanptfront.<br />

Ganz nahe am Finestrone steht noch zii je<strong>der</strong> Seite je ein<br />

weiteres Fenster nnd sodann nur noch eiues, in jenem weiteren<br />

Abstand von jenem, welcher den romanischen Banten ein<br />

so viel ansprechen<strong>der</strong>es Ansehn giebt als den nordischen, des<br />

Sounengenusscs bedürftigeren Wohnhäusern. Die Finestroni<br />

bestehen ans je vier einzelnen Fenstern bczw. aus drei Rundsänlcn,<br />

die mit zierlichen Capitalen geziert sind, und aus zwei<br />

entsprechenden Pilastcrn, welche das Fenster links und rechts<br />

abschließen. Im Hauptstock sind die Fenster, nach hiesiger sehr<br />

wirkungsvoller Gewohnheit, rechtwinklig eingefaßt, uud die Einfassnngcn<br />

in zierlichem Kerbschnitt; alles einfach aber würdig<br />

nnd hübsch. In <strong>der</strong> Mitte des Hofes zeigt sich ein sehr gefälliger<br />

Brunnentelch, iu Gestalt eiucs Capitals, mit dein schon


286 Actenstücke zur Reise<br />

erwähnten Grittischen Wappen: getheilt, in den: oberen Felde<br />

einschwebendes Kreuz; ein gleicher Schild steht über dem in<br />

den Garten führenden Thor.<br />

Nach alledem erscheint die Cü. Gritti als eine sehr geeignete<br />

Wahl zur Herberge unseres Herzogs. Warum aber die<br />

Wahl gerade auf diese Casa fiel, ist nicht zn sagen. Die<br />

fremden, Venedig besuchenden und von <strong>der</strong> Republik bewirtheten<br />

Fürsten wurden dnrch alle Zeiten hindurch bald in<br />

diesem bald jenem Adelshanse untergebracht; nnr zufällige Umstände<br />

scheinen bei <strong>der</strong> Auswahl entschieden zu haben. Ohne<br />

Zweifel waren die Häuser zu solchen Zwecken von ihren Eigenthümern<br />

den: Staate gegen Entgelt znr Verfügung gestellt nnd<br />

standen entwe<strong>der</strong> in Folge zeitweiliger Abwesenheit <strong>der</strong> Besitzer<br />

o<strong>der</strong> aus an<strong>der</strong>en Ursachen leer, so jedoch, daß es an <strong>der</strong> vollständigen<br />

Ausstattung nicht fehlte. Malipiero erzählt, wie<br />

um diese Zeit im Senate <strong>der</strong> Antrag gestellt worden sei, man<br />

solle, zur Kostenersparnis, den reichen Benedietinern auf <strong>der</strong><br />

Insel S. Giorgio maggiore aufgeben, ihre Kornspeicher in<br />

einen Palast umzubauen, welcher den fremden Fürstlichkeiten<br />

zur Herberge dienen könne. Doch ging <strong>der</strong> Vorfchlag nicht<br />

dnrch. Die Insel S. Giorgio liegt neben <strong>der</strong> Insel Giudeeea,<br />

wie diese von Venedig und von dem Dogenpalast durch eiue<br />

breite Wasserfläche getrennt. Solche Lage empfahl sich in<br />

doppelter Hinsicht zu dem fraglichen Zweck, sie erleichterte die<br />

Überwachung und bot den passenden Raum für die Anfahrten<br />

und Auffahrten mit den Prachtgondeln <strong>der</strong> Signoria, mehr<br />

noch als die Lage am sogenannten großen Canal, an welchem<br />

die meisten Paläste gelegen sind, von denen bei Fürstenbesnchen<br />

als Herbergen Meldung geschieht.<br />

Wir berühren zum Schluß noch eiuen scheinbaren Wi<strong>der</strong>spruch.<br />

Nach den pommerschen, von Malipiero bestätigten<br />

Angaben war die Casa Gritti o<strong>der</strong> die Casa Zane von <strong>der</strong><br />

Signoria für den Herzog eingerichtet und in Vereitschaft<br />

gestellt worden. lind doch lesen wir bei Sanudo, daß<br />

<strong>der</strong> Doge dem Herzog sein Vedauern aussprach, nicht


Herzogs Bogislau X. in den Orient. 287<br />

vorgängig 3") l)on seiner Ankunft in Kenntniß gesetzt worden<br />

zu sein, da er ihm sonst mit dem Bucintoro und allem üblichen<br />

Pomp, bis ans Meer o<strong>der</strong> etwas weiter, würde entgegengefahren<br />

sein. Aber <strong>der</strong> Nachdruck ist hier auf ein „rechtzeitig"<br />

zu legen, obgleich das Wort allerdings nur zwischen<br />

den Zeilen steht. Thatsächlich war <strong>der</strong> Signoria schon lange<br />

bekannt, daß des Herzogs Anknnft bevorstehe, da die Iaffa-<br />

Galere, die ihn an Bord hatte, bei <strong>der</strong> Golfinscl Lesina einige<br />

Zeit hatte Halt machen müssen, ein Theil <strong>der</strong> Mitreisenden<br />

aber, den an<strong>der</strong>n vorans, une Malipicro erzählt, nach Venedig<br />

gekommen war. Dies Wissen aber genügte nicht, nm eine<br />

Entgegenfahrt mit dem Bucintoro zu ermöglichen, dazn gehörten<br />

augenblickliche Vorbereitungen von längerer Daner, sowie<br />

eine geuaue Kenntniß von <strong>der</strong> Stnnde <strong>der</strong> Annäherung. Daher<br />

auch die Fürsten, welche eine solche Bewillkommnnng wünschten<br />

o<strong>der</strong> annahmen, an dein Hafencingang längere Zeit Halt<br />

machen o<strong>der</strong> Malamoeco anlansen mußten. ^)<br />

l). Casa Malipiero.<br />

Das alte Stammhans des seit Kurzem erloschenen Geschlechts<br />

Malizierò war <strong>der</strong> noch hcntc vorhandene und unter<br />

diesem Namen bekannte stattliche Palazzo im Kirchspiel San-<br />

Samnele Hierselbst, mit seiner Fa^ade an dem sogenannten<br />

großen Canal, <strong>der</strong> vornehmsten Straße Venedigs, mit seiner<br />

westlichen Langseite an dem Campo di San-Samnelc gelegen.<br />

^) Herr Di-. in


Actenstücle zur Reise<br />

Wie noch heute die vielen Eingänge und Treppen und die ganze<br />

Nanmvcrtheilnng vermnthen lassen, diente das geränmige Hans<br />

von Lllters her, venezianischer Adel^sitte genläß, nicht nnr<br />

einem einzelnen, son<strong>der</strong>n allen Zweiten des Stammes, so viele<br />

es fassen konnte; selbst davon abgesehen, dürfen wir annehmen,<br />

daß dort auch Herr Mareo Malipiero, <strong>der</strong> Iohanniter-Comtnr<br />

o<strong>der</strong> Groß-Comtur,^) seine Wohnnng gehabt habe, welcher<br />

von Cypern ab des Herzogs Reisegefährte bei dessen Rückfahrt<br />

vom heiligen Lande gewesen war. So wird anch dort das<br />

üppige Festmal — zu 1000 Mark das Couvert, wenn man<br />

den heutigen Mehrwerth des Geldes auf das Fünffache anschlagen<br />

darf — stattgehabt haben, das <strong>der</strong> Komtur am 22.<br />

November 149? seinem fürstlichen Reisegenossen gab, ohne<br />

Zweifel in des Palastes oberein Hanptsaal, dessen Fenster ans<br />

den großeil Canal Hinansgehen. Von jenem Saal aber mag<br />

heute nichts an<strong>der</strong>es mehr als die Wandmauer uud die Holzdecke<br />

übrig fein; zu Ende dee N». o<strong>der</strong> zu Anfang des 17.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts ist, loie <strong>der</strong> Augenschein lehrt, das ganze Han-><br />

innen nnd anßcn neu zugerichtet und theilwcise umgebaut worden.<br />

Vou dem Spihbogenftil, in dem <strong>der</strong> Palazzo ursprünglich<br />

gebaut war, siud heilte nur noch einzelne Ueberbleibsel an<br />

den oberen Fenstern <strong>der</strong> Seitcnwande des Hanses und das<br />

hübsche große Hanptthor vorhanden, alles andre ist rnndbogig<br />

verwandelt worden. Anch noch späier einmal dürsten bauliche<br />

Aen<strong>der</strong>ungen mit dem Hause vorgenommen worden sein, loie<br />

<strong>der</strong> ans dem späteren 17. Iabrhnn<strong>der</strong>t nnweit des Thores<br />

prangende Wappenschild mit dem stehenden Hahnenfuß <strong>der</strong> Malipieri<br />

vermuthen läßt.<br />

Die Lage des „Palazzo di (^l. Malipiero", wie Coronelli<br />

in feinem Schiffbuch sich ausdrüctt, war für die theatralisch<br />

Darstellung, welche nach <strong>der</strong> plattdeutschen Qnelle von Kanzow<br />

vor dem Beginn des Festessens zn lHhrcn Bogislavs nnd znv<br />

Verherrlichnng pommerscher Tapferkeit stattfand, trefflich geeignet.<br />

Ich bin überzeugt, das; diese „Komödie", von welcher<br />

So nennt ihn Malipirvo a. a. ^. ^eite


Herzogs Bogislav X. in den Orient,<br />

in den venctianischen Quellen allerdings keine Nedc ist, in <strong>der</strong><br />

That, nnd zwar dort ans den: großen Canal, als eine Variation<br />

venetianischer sogenannter Regatta aufgeführt worden ist. Was<br />

die pommerschc Ueberlieferung darüber berichtet, sieht schon an<br />

sich sehr wenig nach bloßer Erfindung ans und entspricht<br />

an<strong>der</strong>erseits so sehr den Festen und Spielen, welche die oben<br />

erwähnte Compagnia della Calza zu ihrer eigenen Unterhaltung<br />

uud zu Ehren fürstlicher Gäste uud zum Ruhme Venedigs uud<br />

seines ans <strong>der</strong> letzten Höhe aller damaligen gesellschaftlichen<br />

Entwickelung thronenden Adels zu veranstalten pflegte. Auffallen<strong>der</strong><br />

Weise sagt Kanzows Berichterstatter kein Wort davon,<br />

daß die Bühne, aus welcher das Schaustück gespielt wurde,<br />

uicht <strong>der</strong> Saal des Palazzo, sou<strong>der</strong>n das Wasser davor, <strong>der</strong><br />

Canal grande, gewesen sei. Aus Vergessenheit kann das schwerlich<br />

geschehen sem, <strong>der</strong> Umstand war zu sehr eine Hauptsache,<br />

und wir dürfen vielleicht darans schließen, daß <strong>der</strong>jenige, welcher<br />

die Kanzowsche Darstellung abgefaßt hat, selber kein Angen-<br />

,^'uge, son<strong>der</strong>n nnr ein oberflächlicher fpätcr Nacherzähler gewesen<br />

sei. Um so leichter würde sich die unglückliche Hartnäckigkeit<br />

erklären, mit welcher <strong>der</strong>selbe immer wie<strong>der</strong> auf die uuglaubliche<br />

Mißhaudluug zurückkommt, die <strong>der</strong> Herzog dem Capitäu<br />

Zorzi foll haben angedeihen laffen. Hier muthet er uus sogar<br />

zu, wir sollen glauben, <strong>der</strong> Adel Venedigs habe selber seine<br />

Frende daran gefunden, die Unehrenhaftigkeit eines <strong>der</strong> Seinigen<br />

und defsen Züchtigung dnrch einen Fremden zur öffentlichen<br />

Schau zu briugen. Das verdächtige Behageu an dieser Erfinduug<br />

wirft eiu bedenkliches Seitenlicht auf Kanzows Urtheil<br />

über den Werth feiner Zeugen.<br />

Was von etwaigen Zweifeln an <strong>der</strong> völligen Oruudlosigteit<br />

<strong>der</strong> Kanzowschen Fabel noch irgendwo übrig sein könnte,<br />

dürften die nachfolgenden Angaben über den Lebensgang Alvise<br />

^orzis und deffen Persönlichkeit zu beseitigen im Stande sein.


290 Actenstücke zur Reise<br />

7. Capitän Alvife Zorzi.<br />

Es ist gelegentlich bereits oben berichtet worden, daß <strong>der</strong><br />

Patron <strong>der</strong> Iaffa-Galere, dem die venetianische Regierung und<br />

Herzog Bogislav selbst auf ein halbes gefahrvolles Jahr fein<br />

und <strong>der</strong> Seinigcn Wohlfahrt anvertraute, einem alten Dogen-<br />

Haufe entfprossen war, das sich noch immer im Besitze levantinischer<br />

Fürstentitel befand uud noch im lehten Frieden mit <strong>der</strong><br />

Türkei feine Nesitzrechte auf gewisse Schlösser am Marmara-<br />

Meer hatte bestätigen sehen. Es ist auch erwähnt worden,<br />

wie kurz vor <strong>der</strong> uns betreffenden Zeit das Selbstgefühl des<br />

Geschlechts schwer verletzt worden war durch ein Verbrechen,<br />

das einen Angehörigen des San-Fantinschen Zweiges <strong>der</strong> Zorzis<br />

dem Henker überliefert und feine Familie dem Elende preisgegeben<br />

hatte. Doch hatte dies Unglück das Anfehn des Hausen<br />

nicht dauernd zu erfchütteru vermocht; den Verarmten war <strong>der</strong><br />

Staat zu Hülfe gekommen nnd höher loie je stand jener Hieronimo<br />

Zorzi, den Alvise Zorzi feinen Cugnado nennt, fammi<br />

deffen Bru<strong>der</strong> in <strong>der</strong> öffentlichen Achtung da. Diefer Bru<strong>der</strong><br />

war <strong>der</strong> Vorgänger Domenego Malipieros in <strong>der</strong> Führung <strong>der</strong><br />

gegen Franzofen und Florentiner im Jahr 1496 ansgelanfencn<br />

Flotte, während Hieronymus Gefandter <strong>der</strong> Republik am Hofe<br />

Alexan<strong>der</strong>s VI. war. Auch Alvise Zorzi, uufcr Patron, bekleidete<br />

damals bereits ein höheres Ehrenamt, er war im<br />

Jahre 1496 Provedador del Commi, ^") alfo einer <strong>der</strong> drei<br />

Polizei-Direetoren <strong>der</strong> Hauptstadt, nnd als solcher Mitglied des<br />

hohen Senates. Sanudos Bericht über die denkwürdigen Verhandlungelt,<br />

zu welchen in diesem Jahre die Vorschläge <strong>der</strong><br />

Stadt Tarent den Anlaß gaben, läßt erkennen, in welcher hohen<br />

politischen und sozialen Stellung sich damals Scr Alvife br<br />

fand. In den mehrtägigen heißen Debatten, welche bisweilen weit<br />

in die Nacht hinein währten, war Alvife einer <strong>der</strong> wenigen, desfen<br />

als Redner neben dem Dogen, den Dogcnräthen, Ministern und<br />

Mitglie<strong>der</strong>n vom Rathe <strong>der</strong> Zehne Erwähnnng gefchieht. Dann<br />

'^') Sanudo, Diarii. Venedig 187!'. Seite 382.


Herzogs Vojislav X. in den Orient.<br />

kam das böse Jahr 1497 mit dem Abenteuer vom Canal von<br />

Cerigo. Lei<strong>der</strong> ist es noch nicht gelungen, durch Auffindung<br />

maßgeblicher amtlicher Actenstücke die schließliche Meinung <strong>der</strong><br />

Staatsregiernng über Alvifc Zorzis Benehmen bei jenem Vorfalle<br />

zu erfahren. Doch fcheint Domenego Malivieros Aeußerung,<br />

nnfer Herzog habe sich <strong>der</strong> Signoria gegenüber sehr<br />

günstig über Capitän Zorzis Geschäftsführung ausgesprochen, ^)<br />

die eigene Meinung des Annalisten knnd zu geben nnd als<br />

Vorläufer eines amtlichen Endurtheils gefaßt werden zu können.<br />

Malipicros Meinung fällt hier um so mehr ins Gewicht,<br />

als <strong>der</strong>selbe ein anerkannt tüchtiger Seemann nnd Offizier<br />

war nnd damals eine hohe Stellnng im Flottenbefehl<br />

inne hatte. Die Nntcrlassnng <strong>der</strong> gesetzlichen und vertragsmäßigen<br />

Bewaffnung <strong>der</strong> Iaffa-Galere wird sicher <strong>der</strong> heikelste<br />

Umstand in dieser Frage gewesen sein, aber allem Vermuthen<br />

nach schließlich als ein Zeichen von muthigem Selbstvertrauen<br />

nnd Vertrauen auf den Ruf <strong>der</strong> glorreichen Marcusflagge,<br />

nicht als Leichtfertigkeit ausgelegt und mithin nicht mit vollem<br />

Gewicht in die Wagschale <strong>der</strong> Vorwürfe gelegt worden fein.<br />

Dem entsprechend sind auch die späteren Nachrichten, die sich<br />

über Alvise Zorzis Stellung zn <strong>der</strong> Regierung und seine amtliche<br />

Stcllnng finden. Im Jahre 1504, alfo sieben Jahre<br />

nach <strong>der</strong> Geschichte vom Cerigo-Canal, war Alvise Zorzi Podest^<br />

von Vicenza, also oberster Perwaltnngsbcamter einer <strong>der</strong> bedeutendsten<br />

Städte des venetianischcn Festlands, und 1507<br />

Capitano di Vergamo, also in einer <strong>der</strong> gefahrvollsten Zeiten,<br />

welche die Republik noch zn bestehen gehabt hatte, militärischer<br />

Befehlshaber einer <strong>der</strong> bedeutendsten Grenzfestungen nach <strong>der</strong><br />

bedrohtesten Seite Hill. Vielleicht dürfen wir außer den letzten<br />

beiden Angaben auch noch den folgenden längeren Abschnitt<br />

dem „Campidoglio Veneto" entnehmen als eine Art Zeugniß<br />

darüber, wie sich schließlich das Gesammturtheil über Capitän<br />

Zorzi und das Abenteuer im Cerigo-Canal gestaltet habe. Ieden-<br />

a. a. O. Seite 15'^: Ua lalw ottima


Actenstücke zilr Reise<br />

falls ist die Stelle niertwürdig fiir uns und darf nicht Übergängen<br />

werden. ^) Daß dies Campidoglio nicht überall<br />

Glauben verdient, wird das Mitzutheilende selbst zeigen, doch<br />

ist <strong>der</strong> Umstand hier nicht entscheidend. Wir übersehen:<br />

„1498. Luigi Giorgio, Capitän einer sehr starken Galeon<br />

wurde im Jahre 1496 von türkischen Seeränbern überfallen,<br />

wehrte sich aber während ganzer acht Stunden allein gegen<br />

das ganze feindliche Geschwa<strong>der</strong> mit solchem Muth, daß er<br />

die Ungläubigen zwang, sich mit Schimpf nnd Schaden zurückzuziehen,<br />

während er selbst nnr fünf seiner Soldaten verlor,<br />

aber, ein Beweis seiner eigenen Tapferkeit, von vier Pfeilschüsseu<br />

getroffen wurde."<br />

8. Der Pen<strong>der</strong>'sche Gasthof.<br />

Wir haben oben am Schluß unserer Anszüge von Sanndo<br />

gehört, loie er selbst, <strong>der</strong> damals ein Savio ai ordini<br />

war, das Antwortschreiben <strong>der</strong> Signoria an Herzog Bogislav<br />

vom 22. Februar 1499 zu „Peter Pen<strong>der</strong>, dem Deutschen"<br />

trug, und daß dieser Pen<strong>der</strong> das Schreiben sofort an den<br />

Herzog beför<strong>der</strong>te, „da zufällig gerade einer von dort bei<br />

ihm war".<br />

Zur Erklärung dieser Bemerkung und zur Rechtfertigung<br />

dessen, was ich oben in dieser Beziehung angemerkt habe, sehe<br />

ich eine an<strong>der</strong>e Stelle aus Sauudos Tagebüchern her, die ungefähr<br />

<strong>der</strong>selben Zeit angehört.<br />

„Am 14. Angnst 1500.^')<br />

Es erschien"^) Peter Pen<strong>der</strong>, <strong>der</strong> in hiesiger Stadt in<br />

San-Bortolamio einen Gasthof für Deutsche hält, ^") und zeigte<br />

352) l^impiclog'lio vönoto, di ('iiol ^V1(^s. (^li>


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 2W<br />

an, daß vergangenen Abend ein Abgesandter^') des Königs von<br />

Ungarn, <strong>der</strong> nach Frankreich wolle, bei ihm abgestiegen sei.<br />

Das Collegio beauftragte die Herrn Savij ai ordeni^)<br />

Marin Sanudo nnd Antonio Venier, sich im Namen <strong>der</strong> Signoria<br />

355) zu demselben zn begeben nnd sich znr Verfügung Zn<br />

stellen. Wir gingen denn anch "-^)<br />

Peter Pen<strong>der</strong> war demnach ein Deutscher, welcher mi Bezirk<br />

von Sanct Bartholomäus zu Venedig einen Gasthos für<br />

Deutsche hielt, <strong>der</strong> von ansehnlichen Personen besucht wurde.<br />

Der genannte Bezirk ist <strong>der</strong> zunächst an dem sogenannten Rialto<br />

gelegene, dem Mittelpunkt des venetianischen Verkehres. Dort<br />

lag auch das bekannte Kaufhaus <strong>der</strong> Deutschen, <strong>der</strong> noch heute,<br />

aber in an<strong>der</strong>er Gestalt und zu an<strong>der</strong>en Zwecken bestehende<br />

Fondaco de' Tedeschi.<br />

Die Pflicht, persönliche Anzeige <strong>der</strong> bei ihm angekommenen<br />

Reisenden von Bedeutung, und vielleicht aller, bei <strong>der</strong><br />

Regierung zu machen, mag Pen<strong>der</strong> mit allen Gastwirthen<br />

Venedigs geniein gehabt haben; doch daß sein Haus eine Art<br />

von amtlicher Postanstalt war, daß seinem Besitzer, wie es den<br />

Auschein hat, die regelmäßige Beför<strong>der</strong>ung von Regicruugsschrciben<br />

au die norddeutschen o<strong>der</strong> sämmtlichen deutschen Hose uud<br />

die Auswahl <strong>der</strong> damit zu beauftragenden Personen anvertraut<br />

wurde, giebt dem Haus offeubar einen gewissen Vorrang.<br />

Wir dürfen demzufolge vielleicht vermuthen, daß hier Bogislav<br />

bei seiner ersten Aliwesenheit in Venedig gewohnt habe. Wo<br />

<strong>der</strong> Pen<strong>der</strong>sche Gasthof im Rlalto-Viertcl gelegen gewesen uud<br />

wie er sonst benannt worden sei, läßt sich nicht feststellen.<br />

^') O^tor. Aus dem Schluß <strong>der</strong> ausgezogeneu Stelle geht<br />

hervor, daß mau damals mit diesem Worte fürstliche Boten von je<strong>der</strong><br />

Gattung bezeichnete.<br />

^) Das hier Beschluß fassende Collegio war also ein Collegio<br />

pieno, ein die Signoria in sich begreifendes.<br />

^) Der Schluß lautet i „Er dankte nnd sagte, er würde bei seiner<br />

Rückkehr seine Aufwartung machen. Es ist ein Italiener uud, wie<br />

mir gesagt wurde, ein Maler. Der Zweck seiner Reise war, sich di«:<br />

Damen sür eiue Hcirath des Königs anzusehen."


A)4 Actenstücke zur Reise<br />

ij. Venetianische Ausdrücke in Klempins<br />

„Diplomatischen Beiträgen".<br />

In dem Vertrage, den Herzog Vogislav am 8. Mai 1497<br />

mit Capitän Zorzi wegen <strong>der</strong> Ueberfahrt abschloß, „Diplom.<br />

Beitr." S. 543, kommt in ß. 2 und §. 3 ein oltimnui<br />

ä. (^tli^iioi'UN vor nnd wird in den Anhängen zu dem<br />

Vertrage, S. 544 und S. 546, otäciuiü 8p. ci. (^tlia.ii60<br />

genannt. Klempin hat den Ausdruck ohne Erklärung gelassen;<br />

auch beruht die sprachliche Form, in <strong>der</strong> das Wort hier erscheint,<br />

in beiden Fällen auf einem Mißverständniß.<br />

Das lMoium, von dem hier die Rede ist, war das Amt<br />

<strong>der</strong> Domini o<strong>der</strong> Signori ai Cattav^ri, einer ans drei Edelleuten<br />

bestehenden Behörde, welcher das gesammte Schiffswesen,<br />

insofern es die Beför<strong>der</strong>ung von Pilgern nach Jaffa und<br />

Jerusalem betraf, unterstellt war. Hier mußten die betreffenden<br />

Fahrverträge vorgelegt nnd mußten die Namen aller<br />

Mitreisenden eingeschrieben werden. Alle Streitigkeiten, welche<br />

aus solchen Verträgen entstanden, wurden von den Signori ai<br />

Cattavm'i geschlichtet o<strong>der</strong> polizcirichterlich entschieden, ebenso<br />

die Händel zwischen den Seeleuten <strong>der</strong> Jaffa-Fahrer unter sich.<br />

Der son<strong>der</strong>bare Name stammt von einem an<strong>der</strong>en und<br />

älteren Amt, mit dem diese Behörde betraut war. In einem<br />

Actenstück vom Jahr 1280 werden sie 0lkci^i68 äo<br />

genannt, ad 3ci0Qduin ot. in^uii'miclum inti'^t^Z 6t<br />

8^8 001UNI1Ì8 HIIHO HMoiilmtui- c^wvoi'o. Später kommen<br />

sie vor als IMcia.1i 8(M'Q il OiMavoi-o äol ooinun, o<strong>der</strong><br />

als Mticilüi n, i


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 295<br />

besund keinen Zweifel, wie mir scheint, daß die ersten beiden<br />

beanstandeten Stellen <strong>der</strong> „Dipl. Beiträge" zu lesen sind:<br />

oltioii dormnoriim (^tiin.v^iilli. -V6i'imn o<strong>der</strong> Obliavororuni;<br />

für die letzten beiden Stellen aber möchte ich vorschlagen<br />

zu lesen: oi'üoio, bezw. oitioii, äupi-^diotoi'iiiQ clouiinoriiin<br />

(^tl^voi^, sei es daß <strong>der</strong> Schreiber sich dabei ein unmögliches<br />


Actenstücke zur Reise<br />

ihnen verdingt werde, kommt hier nicht vor. Im weiteren<br />

Sinne also wäre ua!nili8^o: den Fahrvertrag znnschen den<br />

beiden Parteien schließen, und wäre dann gan^ dasselbe, was<br />

in dem Vertrage, Seite 545, zweimal mit co in^o i-sln.ro ansgedrückt<br />

wird. In <strong>der</strong> ersten Stelle concordirt <strong>der</strong> Mitreisende<br />

selbst mit dem Capitän nnd <strong>der</strong> '^otar tritt nur als Bcglaubiger<br />

aus, in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Stelle wird <strong>der</strong> Reisende durch<br />

den Notar eoneordirt.<br />

Daß nlUni1i3Äi'6 hier zweimal in <strong>der</strong> Smgularform erscheint,<br />

wo ein n3.!)iiIÌ8lN'unt o<strong>der</strong> n^!)n1i?5N'mi0 gefor<strong>der</strong>t wird,<br />

beruht auf einer sehr unerfreulichen Eigenthümlichkeit <strong>der</strong> venetianischen<br />

Volkssprache, welche auch das Umgekehrte zu leisten,<br />

den Plural statt des Singulars zu setzen, im Stande ist.<br />

Die 50 „(Incliti sie ^otn.", Seite 544, welche die Pommersche<br />

Reisegesellschaft für den Kopf an Fahrgeld und Kostgeld<br />

zahlte, waren ohne Zweifel eben so viel, une die l>0 „dn^ti<br />

iiui'i", welche Bonifortis Compaxe, Seite 545, zu eutrichten<br />

hatte. Man könnte demzufolge auf den Gedanken kommen,<br />

das „/50tld", welches keinen Sinn giebt, sei als .^ontll/' zu<br />

lesen, <strong>der</strong> Kürzungsstrich über dem 0 sei nur aus Verseheu<br />

nicht mitgeschrieben worden nnd die /ontl^ das venetianische<br />

Wort für ^V^iunt^) Znsatz, bedeute also einen Mehrwert!) besagter<br />

Zonta-Dueaten. Doch will die oenetianische Münzgeschichte<br />

von solchen Dncaten „mit Zusatz" nichts wissen. Es<br />

bleibt somit nichts an<strong>der</strong>es übrig, als unter dem „Zota" ein<br />

ursprüngliches Zeca zn vermnthen. Dies gäbe einen vollständig<br />

passenden Sinn. „Dneati de Zeea" o<strong>der</strong> Zecca ist noch heute<br />

ein üblicher Wechsler-Ausdruck für Ducaten, die in einem Znstande<br />

sind, als ob sie eben aus <strong>der</strong> Münze kämen: vollwichtig<br />

und unverwischten Gepräges. Doch ist <strong>der</strong> Sinn wohl, näher<br />

erwogen, ein an<strong>der</strong>er. Das Wort Zeeea wurde zur Zeit des<br />

Vertrages allein erst von <strong>der</strong> venetianischen Münzstätte gebraucht:<br />

die 50 Ducaten, die <strong>der</strong> Herzog zu zahleu hatte, sollteu nicht<br />

allein baare, son<strong>der</strong>n baare venetianische, also Ducaten von jener<br />

Art sein, die man sünszig Jahr später Zechinen zu uennen begann<br />

; die Vollwichtigkeit mag als eine selbstverständliche Sache


Herzogs Vojislav X. in den Orient. 20?<br />

betrachtet worden sein. Damit stimmt, daß diese Vollwichtigfeit<br />

bei den 60 linciti lnii'i, welche die an<strong>der</strong>n zu zahlen hatten,<br />

nicht vertragsmäßig ausgesprochen wird, nnd daß ohne weiteres,<br />

als ob man so eben den Kurszettel eingesehen habe, 50 Venetianer-Dueaten<br />

für gleichbedeutend an Werth mit 60 Stück<br />

Mailän<strong>der</strong>, Florentiner und an<strong>der</strong>er Dueaten behandelt werden.<br />

Wirkliche Belegstellen für diese Auslegung fehlen mir,<br />

doch führe ich folgende Beispiele weiteren Vorkommens <strong>der</strong><br />

Wendnng an. Von 1497: Hl^ lancio 500 dritti do C6(?ii<br />

m^n^n'i^, wo das Ceca (so geschrieben, weil venetianisch Ceca<br />

zn sprechen wie zeca) den Werth <strong>der</strong> Gabe in <strong>der</strong> Vorstellung<br />

des Lesers offenbar zu steigeru bestimmt ist. Malipiero a. a.<br />

O. Seite 153. Von demselben Jahr: äno^ti 500 ^ni'i cl0<br />

c^Iia,, Geschenk <strong>der</strong> Republik an den türkischen Gesandte!:.<br />

Archiv m I^i'^i. Nä. Lecrot^ 44, Fol. 12. Vom Jahr<br />

1499 : (^(5H 6 (ÜÄ38^ heißt es in den Activen einer Bankerotts-<br />

Bilanz, nachdem schon die älmiu'i coin^äi angegeben sind.<br />

Letztere sind abgezähltes Geld, während (^6CH 6 0^88^ baarcs,<br />

aber loses Geld sein wird. Malipiero a. a. O. 717.<br />

Die tlioloui^ii, tliolcm^ii o<strong>der</strong> toimn^n, welche Seite<br />

544, 545 und 546 den Fahrvertrag auf dem Cattavere-Autt vorlegeu<br />

und deffen Vollziehung besorgen, sind offenbar eine Art<br />

Notare. Man darf also nicht daran denken, das wun<strong>der</strong>lich<br />

lantende Wort, das nur sehr kurze Zeit iu Uebung gewesen<br />

sein muß, deuu Niemand will es hier jemals gehört o<strong>der</strong> gesehen<br />

haben, von ^Innarii abzuleiten, was sprachlich gut ginge,<br />

die tiwloniQAii aber zu Zollbeamten macheu würde. Nun<br />

waren allerdings die amtlichen Neschäftiguugeu <strong>der</strong> altveuetiauischeu<br />

Beamteu meistens so wun<strong>der</strong>lich und willkürlich gemischt,<br />

daß anch hier <strong>der</strong> tliolom^g'iuZ allenfalls als ein Unterbeamter<br />

des Cattavere-Amtes iu desseu Eigenschaft als eine Art Zollamt<br />

uud Steuerann und zugleich als notarieller Vermittler <strong>der</strong><br />

dort abzuschließenden Schiffsverträge zu deukcu sein könute;<br />

indessen ist die Herleituug des Wortes von t^n^rin8, dem<br />

gewöhnlichsten Ausdrucke für Notar, — aber allerdings daneben<br />

auch wie<strong>der</strong> Zollschreiber — jedenfalls einfacher, wenigstens


298 Actenstücke zur Reise Herzogs Vogislav X. in den Orient.<br />

auf venetianischem Sprachgebiet. Denn während Ducangc z. B.<br />

den tsIoiiHi'iuZ in einer ganzen Reihe von mittelalterlichen<br />

Wortgestaltungen kennt, welche denselben beinahe schon zn einem<br />

8 machen, wie t^ionarinL, tkolon^i'iu^ tkolona.u.<br />

s. w., findet sich da neben dem ta.dn1ln'iu8 nur noch<br />

die Nebenform t^doilio; venetianisch aber ist die Wandlung<br />

des t^du1a.i-iu8 in einen t0i0in3,^iu8 ein sich sehr leicht vollziehen<strong>der</strong><br />

Vorgang, ^kni^, das italienische tavola, ist venetianisch<br />

noch heute t^ola., tola,, toi0N6. Durch die dialektische<br />

Neigung, wie sie wenigstens in älterer Zeit bestand, an die<br />

Stelle des n in den Endungen ein m zu setzen, wird aus dem<br />

toloua.i'iiiL wie von selbst ein toiomHrins. Die Endung ai'iu.8<br />

aber ist italienisch nicht nur 3^0, son<strong>der</strong>n auch ^10 uud ging<br />

darunr in mittleren Zeiten ins Lateinische gern als 3^iu8 zurück.<br />

-


Caminer Kirchenglocken.<br />

Von !)r. R. Prümers.<br />

Lange Zeit hatte das Geläute des Kammer Domes geschwiegen,<br />

hatte <strong>der</strong> eherne Mund <strong>der</strong> Glocken die Gläubigen<br />

nicht mehr zum Gebete zusammengerufen, als endlich im Jahre<br />

1620 das Caminer Domeapitel sich bewogen fand, mit einem<br />

Glockengießer in Verbindung zu treten und durch das Umgießen<br />

zweier gespruugener Glocken ein vollständiges Geläute wie<strong>der</strong>herzustellen.<br />

Es war zu damaliger Zeit den Kirchen nicht so<br />

leicht gemacht, wie in <strong>der</strong> Gegenwart, sich mit einem bewährten<br />

Meister zu verständigen und in dessen Gußhause die Arbeit<br />

verrichten zu lassen. Die Glockengießer zogen vielmehr von<br />

Ort zu Ort o<strong>der</strong> wurden dahin berufen, wo gerade ein Bedürfniß<br />

nach ihnen sich geltend machte und hier an Ort uud<br />

Stelle konnten sie erst ans Werk gehen. Die Schwierigkeit des<br />

Transports, <strong>der</strong> fast völlige Maugel an Kunststraßen je<strong>der</strong> Art<br />

wiesen nothgedruugen auf dies Verfahren hin.<br />

Hatte <strong>der</strong> Meister seinen Bestimmungs-Ort erreicht, so<br />

galt es, zunächst ein Gußhaus zu bauen, ja selbst das Material<br />

häufig aus weiter Ferne kommen zu lassen. Ein glücklicher<br />

Umstand war es noch zu nennen, wenn altes Material, welches<br />

sich von neuem verwerthen ließ, vorgefunden wurde.<br />

Nach Camin kam im Jahre 1620, ob berufen, ob auf<br />

einer größeren Reise, lassen wir unentschieden, <strong>der</strong> Glockengießer<br />

Franz Breutel aus Lothringen, wie er bezeichnet wird, ein<br />

Meister in seiner Kunst, wenn man nach den Sätzen, die ihm<br />

bewilligt wurden, schließen darf. Mit diefem wurden die Domherren<br />

<strong>der</strong> Kirche zu Camin am 14. September über den Guß<br />

zweier Glocken einig. Nach dem hierüber durch den Struktua-


300 l)l-. R. Prümers,<br />

rins, den mit den banlichen ^Arbeiten betrauten Domherrn<br />

Heinrich Krause, allfgesetzten Vertrage erhielt Vrentel siir den<br />

Gnß je<strong>der</strong> Glocke 90 Thlr., nnd zuiar den vierten Theil sofort<br />

baar nach Vollendung seinem Werkes die übrigen drei Viertheile<br />

nach Verflnß eines Jahres. Auch sollte dein Ä^eister<br />

em guter Hut, wie er in Camin zu kaufen, gegeben werden —<br />

übrigens begnügte er sich später mü zwei Thalern als Aeqnivalent<br />

für diesen. Er selbst nebst seinen: Gehülfen Thomas<br />

wurde ans <strong>der</strong> Dombankasse beköstigt; für sein Pferd erhielt<br />

er wöchentlich zwei Scheffel Hafer zugestanden. Ferner sollten<br />

ihm alle Anslagen ersetzt werden. Dafür verpflichtete er fich<br />

aber anch, die Arbeit innerhalb vier Wochen zn verrichten,<br />

„daß das geringste Iota o<strong>der</strong> Mangel daran nicht soll gesnnden<br />

werden."<br />

Ncbrigens scheint Franz Breutel nicht <strong>der</strong> einzige bei diesem<br />

Unternehmen Betheiligte gewesen zn sein, da späterhin <strong>der</strong><br />

kunstreiche Dietrich Schapell nnd die Brü<strong>der</strong> Johann, Franz<br />

nnd Magnus Vreutel als Gläubiger <strong>der</strong> Tombankasse für den<br />

ansgeführten Guß bezeichnet werdeu. Der eigentliche Werkmeister<br />

jedoch war jedenfalls Franz Breutel.<br />

Rüstig machte er sich sofort aus Werk. Nach dem Aufbau<br />

des Gußhauses uud in seinem Schutze stellte er mit seinem<br />

Gehülfen Thomas und zwei Handlangern znnächft den Schmelzofen<br />

her, bei dessen Anfbau ihn zngleich ein Maurer aus Camin<br />

unterstützte. 1500 Ziegel-Steine nnd Anker von Z Fuß Länge<br />

wurden erfor<strong>der</strong>t, um den Wandnngen die nöthige Festigkeit zn<br />

geben; zum eisernen Rost sowie znm Modell brauchte er 80 Psd.<br />

Eisen. Mit grobem Hanf nnd Flachs — hentzntage nimmt<br />

man hänftger Häcksel, Knh- o<strong>der</strong> Pferdedung, um den Lehm<br />

trockener zu machen — wnrde <strong>der</strong> Lehm für die Forni selbst<br />

gemischt nud mit Eisendraht in großer Menge befestigt, nm<br />

ihn wi<strong>der</strong>standsfähiger zu machen. Znr Glockenspeise waren<br />

dem Meister zwei zersprnngene Glocken zur Verfügung gestellt,<br />

welche jedoch noch im Thnrme hingen und mit <strong>der</strong>en Abnahme<br />

man den Zinunermeister Jochim Bernd betrantc. Ohne Unfall<br />

ging das schwere Werk von Statten nnd nnn machte sich <strong>der</strong>


Caminer Kirchenglocken. Z01<br />

Grobschmicd Nartholomeus Rüge an die Arbeit, „das Zeug<br />

von <strong>der</strong> Glocke zn schlagen/' d. h. dieselben von den überflüssigen<br />

Eisentheilen, den Oesen, in welchen <strong>der</strong> Klöppel hing,<br />

jowie denen, durch welche die Glocken am Sticht befestigt waren,<br />

zn befreien. An weiterem Material kommen hinzu drei Eentner<br />

Metall zum Preise von 90 Thlr., welche Brentel durch die<br />

Schnlzenpfcrde ans Wolgast geholt hatte, ferner V? Ctr. Zinn<br />

ans Stettin für 3Z fl. Die Herbcischaffnng des Erzes ans<br />

Wolgast hatte weiter teine Kosten geinacht als die Ausgaben<br />

für drei Scheffel Hafer, welcher mitgenommen wnrde, neben<br />

kalter Küche für 24 Groschen nnd an Geld 1 fl. 20 gr. für<br />

Bier und für Ueberfetzcn anf den Fähren mit dem Glockengießer.<br />

Da das Ueberfetzen nicht mit fehr großen Kosten verknüpft<br />

war, so müssen wir in <strong>der</strong> Höhe des letztanfgeführten<br />

Postens eine »gewisse Neignng des Meisters für kühlende Getränke<br />

bei feinem heißen Geschäfte mnthmaßen und mag hier<br />

znr Bestätigung unserer Vermuthung kurz aufgeführt werden,<br />

Ums er in den fünf Wochen zn Camin mit feinem Gehülfen<br />

verzehrt hat. Da stehen anf <strong>der</strong> Rcchnnng 15 fl. für zwei<br />

Mahlzeiten täglich, zn je<strong>der</strong> Mahlzeit drei Gerichte, Fleifch<br />

o<strong>der</strong> Fifche ü. 8 gr., 5 Ort 4 ß. für Weißbrod nnd neben<br />

diesen substantielleren Nahrungsmitteln „3 fl. 12 gr. für Bier,<br />

noch drei Tonnen Bier, die Tonne 10 Ort, machte 7^2 fl."<br />

nnd endlich fcchs Nößel blanken Wein, das Nößcl zn 6 gr.<br />

Man sieht, <strong>der</strong> Meister wnßte zn leben, znmal wenn man die<br />

Einfachheit <strong>der</strong> damaligen Zeit gerade in Bezug auf Reichhaltigkeit<br />

<strong>der</strong> Geuüsse außer bei festlichen Gelegenheiten in Betracht<br />

zieht.<br />

Uebrigens waren diese Kosten garnicht unbedentcnd nnd<br />

gewiß hatte es auch Belang, daß freiwillige Beisteuern anfgebracht<br />

wurden. So verehrten die Stadtlentc zn Camin<br />

25 fl. 17 ß. ohne das Grapenzeug.<br />

Das Gußhaus war nun fertig, das Material zur Stelle,<br />

die eigentliche Arbeit konnte beginnen. Znnächst wurde <strong>der</strong><br />

Stand aus Ziegelsteinen stark gemauert hergestellt. Um diesen<br />

hernm in doppelter Höhe schloß sich <strong>der</strong> Kern ans Lehm, ge-


302 t>. R. Prümers,<br />

mischt mit 10 Pfd. Flachs und grobem Hanf, nnd ihn erhitzte<br />

man so lange, bis er gänzlich trocken, war. Noch jetzt<br />

ist es Sitte, hierauf den Kern mit Bier, Milch o<strong>der</strong> zerschlagenen<br />

Eiern zn bestreichen — es ist das sogenannte Aeschern<br />

— wodurch eine leichtere Lösbarkeit des Metalls von <strong>der</strong><br />

Lehmschicht erreicht werden soll. Unser Meister Vreutel kann<br />

mit seiner bei diesem Posten sehr übertriebenen For<strong>der</strong>nng aber<br />

vor <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> Nachwelt nicht bestehen, da er nicht weniger<br />

als 300 Eier zn diesem Zwecke for<strong>der</strong>te, wahrend vielleicht 20<br />

Stück völlig ansgereicht hätten, wie uns einer seiner Nachfolger<br />

in <strong>der</strong> Kunst versichert. Das Hemd bildete den äußeren<br />

Abschluß <strong>der</strong> Glocken, gleichfalls aus feinem Lehm anf das sorgfältigste<br />

gearbeitet und überzogen mit Eisendraht, nm dein<br />

Ganzen eine größere Haltbarkeit zu geben.<br />

Ohne Fährlichkeiten ging <strong>der</strong> Guß selbst von Statten nnd<br />

am 22. Mai 1621 war den Eaminern die hohe Freude gegönnt,<br />

dem Anfwinden <strong>der</strong> neueu Glocken beiwohnen zn können.<br />

Sie scheinen jedoch bedeutend größer als die früheren<br />

gewesen zu seiu, da <strong>der</strong> Zimmermann Jochim Vcrud einen<br />

ganz neuen Glockenstuhl baueu mußte, dessen Ausdehnung<br />

vielleicht einen Rückschluß anf die Größe <strong>der</strong> Glocken gestattet.<br />

An Holz wurden nämlich 9 Stück Eichen erfor<strong>der</strong>t, das erste<br />

von 37' zu 1 fl., das zweite vou 39" zu 5 Ort, das dritte<br />

vou 46' zu 5 Ort, das vierte von 26" zu 3 Ort, das füufte<br />

von 25' zn 3 Ort, das sechste von 14' zu ^/2 fl., das siebente<br />

von 20' zu 3 Ort, das achte von 35' zu 5 Ort, das nennte<br />

vou 30' zu 1 fl. An Fichten kamen hinzu ein Stück von<br />

39', das zweite von 36', das dritte von 16 ^/2', das vierte<br />

vou 34', jedes Stück zu 3 fl. Der Reepfchläger Hans Nnncken<br />

verbrauchte zur Verfertigung des großen Taus, mit welchem<br />

die Glocke von außen aufgewunden wurde, 7 Stein 2 Pfd.<br />

Hanf zu 15 fl. 1^» ß. und erhielt an Arbeitslohn dazu 6 fl.<br />

Die Wyckschen Leute waren zum Aufziehen <strong>der</strong> Glocken geduugen;<br />

bald fchwebten letztere in schwindeln<strong>der</strong> Höhe und<br />

wnrden durch den erwähnten Zimmermann in dem neuen<br />

Glockenstuhle anfgehangen; anch erwarb ihre Nnterbringnng


Camiuer Kirchenglocken. 303<br />

die volle Zufriedenheit Meister Brcutels, welcher sich jedoch erst<br />

nach Zahlung von sieben Ortsthalcrn dazu verstand, nach seiner<br />

bisher gehabten Mühe zu ihrer Besichtigung in den Thurm<br />

zu steigeu.<br />

Lei<strong>der</strong> war den Glocken nnr ein kurzes Dasein beschieden.<br />

Die Schrecken des dreißigjährigen Krieges drangen auch nach<br />

Camin. Am 4. Inni 1620 brannte die Stadt Camin fast<br />

ganz ab, mit ihr <strong>der</strong> Thurm des Domes; die Glocken schmolzen,<br />

das Gut lag unter Schutt und Trümmer bis zum Jahre<br />

1635, in welchem es gesammelt und zum Guß ueuer Glocken<br />

verwandt wurde, jedoch so unvollständig, daß man noch ini<br />

Jahre 1848 beim Restaurations-Vau große Mengen Gut im<br />

Schutte des Fußbodens fand.


Eimmduicrngstcr Zahresbencht<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche Geschichte<br />

und ^ltcrthumskuudc.<br />

. October bis 31. December 1878.<br />

1. Mitglie<strong>der</strong>ftatistik.<br />

Als ordentliche Mitglie<strong>der</strong> sind <strong>der</strong> Gesellschaft beigetreten<br />

die Herren<br />

1. Kaufmann Arft in Grabow a. O.<br />

2. Königl. Amtsrath Brandt in Codram.<br />

3. Regiernngs-Assessor v. Bunan in Stettin.<br />

4. Praktischer Arzt Di'. Fischer in Massow.<br />

5. „ „ Di'. Ger dt in Gr. Stepenih.<br />

6. Lieutenant Glozin in Coldcmanz bei Greifenberg.<br />

7. Pastor Hafcnstein in Vitzmitz.<br />

8. Lehrer Ianezikowski in Stojenthin.<br />

9. Major z. D. von Kessel in Berlin.<br />

10. Ortsdorsteher Laß in Stolzenbnrg bei Pasewalt.<br />

:i. Kreisrichter Dr. ^c'oll in Stettin.<br />

^12. Schiffsea^»itän Neilinann in GraboU' a. O.<br />

13. Lehrer Nitzschke in Grabow a. O.<br />

14. Praktischer Arzt Di'. Sanerhcring in Stettin.<br />

15. Lehrer Snceow in Penknn.<br />

16. Lehrer Wegner in Zipkow bei Stojenthin.<br />

Im Kalen<strong>der</strong>jahre 15)78 iiberhallpt 69 Ncitglie<strong>der</strong>.<br />

^


(5inundvier^ster Jahresbericht, lll. )>sj5<br />

8< Alterthümer.<br />

Was nur diesmal zu besprechen haben, bezieht sich ausschließlich<br />

ans die im Verlauf <strong>der</strong> letzten drei Monate nnseren<br />

Sammlungen zugegangenen Gegenstände. Es sind <strong>der</strong>en<br />

nicht viele; aber es befinden sich unter denselben Stücke von<br />

hohem Interesse.<br />

Unter Nr. 1 ist <strong>der</strong> Balt. Stud. XXIX Hest 1 S. 116<br />

erwähnte St ein fund von P a se walk verzeichnet, den nur<br />

zu erwerben das Glück gehabt haben. Von beson<strong>der</strong>en: Werthe<br />

sind die beiden Feuerstciukno llen, an welche die erste<br />

Hand gelegt ist, uni aus ihnen Beile zu verfertigen. Der<br />

ganze Fund darf als ein im Wasser geborgener Moorfund angesehen<br />

werden, welche Art Bcrgnng bisher nur bei Bronzesacheu<br />

beobachtet ist.<br />

Die unter ? verzeichnete Mü tzennrn e, ein vorzügliches<br />

Exemplar, das unversehrt ist, entspricht ihrem Habitus nach<br />

durchaus <strong>der</strong> vom Herrn Professor Virchow in den Versammluugeu<br />

<strong>der</strong> Verl. authrop. Gesellschaft November 1874<br />

Seite 22 besprochenen nnd dort Tafel XVI abgebildeten Urne<br />

von Nombeyn bei Wongrowietz, nur daß an Stelle <strong>der</strong> dieser<br />

Urne eigenthümlichen reichen Verzierung anf <strong>der</strong> unsrigen oberhalb<br />

des Bauches ein einfacher ährenartiger Kranz hernmlänft, genau<br />

wie auf <strong>der</strong> vou Herrn Dr. Voß besprochenen Gesichtsnrne<br />

aus dem Kreise Ezarnikau (Verh. <strong>der</strong> Verl. anthropol. Ges.<br />

14. November 1877 Tafel XX). Auf diese Besprechung verweisen<br />

wir auch in Bezug auf die unter Beil. Nr. 8 verzeichnete<br />

Gesichtsurne von Kreitzig, die anßer Nase, Augen<br />

und Ohrenleisten noch Andeutungen <strong>der</strong> Ohrenö'ffnnngen enthält.<br />

Unsere Urne schiebt im Norden die Grenze <strong>der</strong> bisher<br />

beson<strong>der</strong>s zahlreich in Pommcrellen gefundenen Gesichtsurnen,<br />

nachdem dieselben dnrch dcu Major Herrn KaMi auch bei<br />

Neustettin aufgegraben sind, noch weiter westlich bi^ in die<br />

Nähe von Schivelbein.<br />

Der Beilage Nr. 10 verzeichnete Moorsund von<br />

B abbin gehört zn den reichsten, die in unserer Provinz gemacht<br />

20'


Cinundvierzigster Jahresbericht. III.<br />

sind. Das unter k verzeichnete Stück ist von ganz räthselhaster<br />

Forni. Der nnter g erwähnte kleine Barren niit seiner<br />

hernmlanfenden Marke, wo <strong>der</strong>selbe durchgeschnitten ist, möchte<br />

wohl als Werthstück, d. h. als Geld, angesprochen werden<br />

können. Die vielen zerbrochenen o<strong>der</strong> desecten Stücke, insbeson<strong>der</strong>e<br />

aber die drei kupsern e n Gußklumpen machen es<br />

wahrscheinlich, daß <strong>der</strong> Fund unmittelbar aus den Händen eines<br />

Handwerkers stammt, <strong>der</strong> zur Umschmelzung seines ^03 coli^otmlmiQi<br />

einen Vorrath Kupfer mit sich geführt hat.*)<br />

Der Fund des römischen Denars von Co mm odns<br />

(Mr. 17) ist wie<strong>der</strong>nm in Sinzlow erfolgt, wo schon einmal<br />

zwei Kaiserdenarc (Vgl. I. B. XXXIX S. 30) ans Licht<br />

getreten sind, also vollkommen nnverdächtig.<br />

Sehr werthvoll ist <strong>der</strong> Fuud römischer Perlen<br />

(Nr. 24), nur daß <strong>der</strong> Fundbericht lei<strong>der</strong> nichts weiter angiebt,<br />

als daß sie znsammen mit Urnen gefnnden sind.<br />

Eine überaus schätzbare Erwerbung für uuscre Sammlnngen<br />

ist die des Min i at ur bi ld es Barnims XII. (f 1603),<br />

dessen schon Oelrichs (Gepriesenes Andenken Seite 100) im Jahre<br />

1763 als eines Schatzes <strong>der</strong> Bibliothek des Domes in Eolberg<br />

erwähnt. Das sauber gemalte Bild ist das Original <strong>der</strong> in<br />

nnserm Besitz befindlichen (übermalten) Copie auf Holz.<br />

") Herr Medizinalassessor Marqnardt, <strong>der</strong> die Güte gehabt hat,<br />

eine Analyse dieses Kupfers anzustellen, schreibt nns darüber:<br />

„Das Nietall enthielt ans 100 Theile berechnet,<br />

Knpfer 98,8<br />

Schwefelknpser . . . 1,^<br />

Eisen (Spur) Unreinigkeit 0,2<br />

100"<br />

Ob das Schweselkupjer ein beabsichtigter o<strong>der</strong> ans <strong>der</strong> Darstcl«<br />

lnng des metallischen Knpfers herrühren<strong>der</strong> Vestandtheil ist, kann ich<br />

nicht sagen. Die Spur Eisen ist jedenfalls irrelevant."


Beilage. 307<br />

Beilage.<br />

Erwerbungen des antilzuanschen Museums<br />

von Ende November 1878 bis Ende Febrnar 1879.<br />

II'' — Fundorts<br />

I. Heidnische Alterthümer.<br />

.


)l)^ Eimmdvier.na.ster Jahresbericht, lls<br />

in a nu daselbst. ^I. 1472.^ fiieber diese wendische Wohnstätte vgl.<br />

Verhandlungen <strong>der</strong> Berliner anthrovol. Gesellschaft Inni 1373.)<br />

7. u. Mützennrne 25 Ein. h. 20 Cui. Vanchdnrchniesser, <strong>der</strong><br />

Hals 20 Cm. h. Der gewölbte mützenartige Deckel hat eine stöpselartige<br />

Verlängerung nach innen. Wo sich <strong>der</strong> Banch in den Hals<br />

verschmälert, länft eine ährenartige Verzierung hernm. Die Urne ist<br />

glänzend schwarz nnd fast ohne Verletzung.<br />

d. Beigabe: die eine Zange einer Bronze-Pincette 7 Cm.<br />

l. ^ Wierzchutschin, Kreis Lancnburg, beim Chaussecbau im<br />

Walde. — Herr Schachtmeister Deftperma n n in Laueuburg dnrch<br />

Herrn Gymnasiallehrer Haber daselbst. ^I. 1471.><br />

8. i^. Gesichts urne. (Vgl. Balt. Stnd. XXIX Heft 1 S. 120.)<br />

I>. Beigabe: Eiserne Nadel mit rnndem Knopfe nnd wellenförmig<br />

gekrümmtem Halse. 1'' Kreitzig bei Schivelbein. — Herr<br />

Nr. Kl am a nn. II. 1473. j<br />

(^. Bronzesachen.<br />

l). Pa al st ab 14 Cm. l., Schneide 4,5> Cm. b. mit ganz durchgeben<strong>der</strong><br />

Schaftkerbe (siehe Frid. Franc. T. XII l, 7). 1'' Pod ejuch,<br />

Sandberge am Bahnhofe. — Herr Bauunternehmer Lenz hier.<br />

lI 1469^<br />

10. n. Zwei aus 3 Cm. breiten Bän<strong>der</strong>n gewuudeue Oberarmspir<br />

al en, mit fortlaufenden Pnnktlnnen verziert sBrnchstiicte)-.<br />

l). drei vollständige Unterarmspiralen von N, 13, 1 ^ Wiudnngen<br />

und fünf Fragmente von solchen; (^. Diadem (Zweidrittel-<br />

Fragment) ; d. zw e i v ollstän d igc Pa alstäbe ( 17 Cm. l. 8 Cm.<br />

b. nnd 13 Cm. l. 5,5 Cm. breit) ähnlich wie Frid. Franc. Xill, 5-<br />

(!. eine 16 Cm. lange dicke stumpfe Nadel; t'. Bruchstück eiuer<br />

Nadel l?)7Cm. l.; ^. viereckige Barre 14Cm. l. 7 nun. b.,<br />

am oberen Ende neben einem hernmlanfenden Kerb durchgeschnitten;<br />

k. Schneide eines Dolches, 1!) Cm. l. 3 Cm. b. s Griff fehlt) ;<br />

i. fünfLanzenspitzen, I l - 13 Cm. l.; 1


Beilage, 309<br />

II. Münzen nnd Abbildungen von Medaillen.<br />

13, Drcigroschen Herzogs Albert von Preußen v. I. 15)40.<br />

Herr Stadtverordneter Di ttmer hier. ^I. 1467.)<br />

14. Photographie einer Medaille ans Ernst L n d w i g und<br />

Sophie Hedwig v. I. 1589. (Die Medaille ist im Besitz <strong>der</strong><br />

Gesellschaft.) — Herr Rechtsanwalt Kirchhof in Grcifswald.<br />

II. 1468.1<br />

15). Thaler Friedrichs III. von Brandenburg von 1695 nach<br />

dem bnrgundischen Fnß. — Herr Direktor Kl eins orge hier.<br />

lI. 1474.1<br />

16. Denar Kaiser Hei n richs III. wahrscheinlich von Hildeshcim,<br />

Vordcrs. lloiin-i^u8 Imj)r., bärtiges Brustbild des Kaisers, Rucks.<br />

8o^. ^I^riu, Brustbild <strong>der</strong> Iungfran Maria (Dannenbcrg Nr. 709).<br />

1^ Sinzlow. -- Herr Lehrer Richter. ^I. 1475.1<br />

17, Denar des Kai fers Commodus loben fast zur Hälfte ab-<br />

gebrochen) v. I. 177. Vor<strong>der</strong>s.: Um den mit Lorbeer bekränzten<br />

Kopf Im^. (^^l si'. 1^. ^UI'0!. (^01UM0i(Iu8 (3


310 Einundvierzigster Jahresbericht. IH.<br />

23. Eiserne Speerspitze, 23 Cm. l. ^ Vinow, IV2 F, tief<br />

beim Grabenziehen. — Herr Vanerhosbesitzer R ei s sengräber.<br />

24. Vi erzehn Ve rnste inkoral le n von 3,5 Cm. bis 0,5 Cm.<br />

Durchmesser und vierzehn römische Glasperlen, davon<br />

10 rothbrann, 2 glasgrün, 1 blau und gelb, 1 meergrün und<br />

gerillt. ^ Woedtke bei Tauenzin, Kreis Lauenburg, in einem<br />

abgetragenen Berge, in welchem 4 F. tief viele Aschenurnen lagen.<br />

— Herr von Rexin daselbst. A. 1481.)<br />

Druck von Derrcke ^ Lebeling Stettin.


WUNNUUUMMWlU


oer, welche intiVesiy älterer Iahrgällge, beson<strong>der</strong>s I., II., XII. 2, XXI. 1, XX^IV.<br />

und XXVIII. <strong>der</strong> Balt. Studien sind und kein beson<strong>der</strong>es Interesse an denselben haben, werden höflichst<br />

ersucht, sie entwe<strong>der</strong> gratis o<strong>der</strong> gegen einen zu verabredenden Preis <strong>der</strong> Gesellschaft zu überlassen.<br />

Der Vorstand.


Inhalts. Verzeichnis<br />

Di-. Kühne: Das bundekorn !611-455<br />

v. Bülow: Verlassenschaftsinuentar <strong>der</strong> Herzogin Sophie<br />

von Pommern 456—465<br />

u. Vülow: Eine tartarijche Gesandtschaft 465—469<br />

v. Vnlow: SittenvolizeilicheZ ans dem 18. Iahrhnn<strong>der</strong>t 470<br />

Einunduierzigster Jahresbericht. IV. nnd Schlnß . . . 471—504


Das Hundekoru.<br />

Einleitung<br />

von dem Appellationsgerichts-Präsidentcn Dr, Kühne<br />

in <strong>Greifswald</strong>.<br />

In Nenvorpommern lastet auf vielen Gütern eine Abgabe,<br />

welche als „Hundekorn" bezeichnet wird uud meistens in<br />

Getreide, zuweilen auch in einem Geldäquivalente zu entrichten<br />

ist. Der Berechtigte ist in den meisten Fällen <strong>der</strong> Königliche<br />

Fiskus; zuweilen sind es aber auch an<strong>der</strong>e juristische Personen<br />

wie Kirchen, Städte, Stiftungen. Ob Privatpersonen noch<br />

jetzt Hundekorn zu for<strong>der</strong>n haben, ist mir uubekannt.<br />

Das Gesetz vom 2. März 1850 betreffend die Ablösung<br />

<strong>der</strong> Reallasten und die Regulirung <strong>der</strong> gutsherrlicheu und bäuerlichen<br />

Verhältnisse (Preußische Gesetz-Sammlung 1850 Seite 77)<br />

bestimmt in §. 3:<br />

„Es werden ferner folgende Berechtigungen, soweit sie<br />

noch bestehen, ohne Entschädigung aufgehoben:<br />

6. alle in Bcziehuug auf die Jagd obliegenden Dienste<br />

und Leistungen."<br />

Bald nach <strong>der</strong> Emanation dieses Gesetzes wurde die Behauptung<br />

aufgestellt, daß durch die mitgetheilte Bestimmung<br />

die Hundekorn-Abgabe beseitigt sei.<br />

Im Wege des Prozesses machte zuerst die Stadt <strong>Greifswald</strong><br />

den Anspruch auf Auerkeunuug <strong>der</strong> Freiheit ihres Gutes<br />

Wüst-Eldena von einer bis dahin entrichteten Huudekorn-Abgabe<br />

gegen den Königl. Fiskus geltend. Nachdem sie in <strong>der</strong><br />

21


il^ Das vundekoni,<br />

höchsten Instanz obgesiegt iiatte, ') erhoben An<strong>der</strong>e den gleichen<br />

Ailsprilch gegeli den Fistia - auch in diesen späteren Prozessen -)<br />

ist <strong>der</strong> letztere in <strong>der</strong> höchsten Instanz vernrtheilt.<br />

Alle diese Erkenntnisse <strong>der</strong>nhten ans <strong>der</strong> Annahme, das;<br />

Hnndekorn eine Iagdaogade iei, eitstanden an^ dee nrsprünglichen<br />

Verftflichtnllg <strong>der</strong> Unterthanen znr An^siitteriing <strong>der</strong><br />

fürstlichen Iagdhnnde. Insbeson<strong>der</strong>e lvar von deni Gericht,<br />

<strong>der</strong> ersten Instanz, dein Uönigl. Kreisgerichte zn GreifsN'ald<br />

ausgeführt, daß in dieser Vedentnng die Abgabe anch in an<strong>der</strong>en<br />

Gegenden Deutschlands vorkonune, daß sie von den<br />

Schriftstellern, welche sie erwähnten, stets als Iagdabgabe bezeichnet<br />

^) nnd daß ailch ili Nenvorvommern diese ihre Natnr<br />

') Urtheil des 5töuigl. il<strong>der</strong>Tlibuiials zn Berlin Vom l^.<br />

ber 18').'), in Striethorsts Archiv für Rechtfälle Vd, 1^> S. '27 l.<br />

2) Einer dieser späteren Prozesse war <strong>der</strong> von Nr. Niggers in<br />

seinen Gutachten (Abschn. X.) erwähnte: Dieckelmann wi<strong>der</strong> den,^011.<br />

Fiskus. Anch gegen an<strong>der</strong>e berechtigte außer dem Fiskus ist in<br />

gleicher Weise erlannt, z. B, gegen die St. Petri-Kirche zu Wolgasi,<br />

welche die Eintragung einer Abgabe in das Hypothekenbuch über dc^<br />

Hof des Schulzeu Vahl zu ^iidinin verlangte nnd lvelcher Vahl di.-<br />

Einrede entgegensetzte, daß die Abgabe Huudekoru und deshalb beseitigt<br />

sei.<br />

^) Die weit verbreitete, man tann wohl sagen herrschende An<br />

ficht, daß Hundckorn, wo es vorlonnne, stets eine Iagdabgabe sei, hätte<br />

beinahe dahin geführt, daß es in dein Gesetze vom '2. März 1^'>i> be<br />

son<strong>der</strong>s als solche genannt wäre. Die erste Redaction des Gesetz-Enl<br />

wnrfes erklärte nämlich als ohne Entschädigung aufgehoben 1<br />

„die in Vezng ans die Jagd obliegenden Dienste und Leistungen,<br />

wohin anch die nnter dem tarnen: Huudekoru, Huudehafev,<br />

Hundebrod vorkommenden '.'lbgaben gehören."<br />

Diese Spezialisirnng beson<strong>der</strong>s benaiilltcr Abgaben wnrde zlvar<br />

ui den späteren Redactionen weggelassen, aber nur deshalb, weil man<br />

befürchtete, daß die Spezialisirung die Folge haben könnte, daß d!<br />

Natnr an<strong>der</strong>er unzweifelhafter ^agdabgabeu in Frage gebracht werden<br />

köuute. Vergl. Lette, Zeitschrift für Landes - Cnltnr - Gesetzgebung<br />

Bd. ^> S. '^,>l> ff. Stenographische Berichte <strong>der</strong> zweiten Kammer<br />

von 1^4l». S. 8^. l37t;. 1 ll)';. f.<br />

Ucbrigens ist die Deutung des Wortes Huudckoru als Bezeichnung<br />

einer Iagdabgabe anch von den Sprachforschern bisher auschciuend<br />

uicht beanstandet, In Grilnnis Deutschem Wörterbuch fehlt das Wort


Das.Hundekorn. 313<br />

nie bezweifelt sei. ^) Der Fiskus hat, da das Kö'mgl. Ober-<br />

Tribnnal die in dem ersten, von <strong>der</strong> Stadt <strong>Greifswald</strong> angestellten<br />

Prozesse ausgesprochene Ansicht in seinen späteren Urtheilen<br />

fest hielt, seit Anfang des vorigen Deeenninms auch<br />

von an<strong>der</strong>en Giltern, <strong>der</strong>en Besitzer eine gerichtliche Entscheidung<br />

nicht herbeigeführt hatten, die Hnndckornabgaoe nicht mehr erhoben.<br />

^) Dadnrch siel die Veranlassung zu ferneren Prozessen<br />

wi<strong>der</strong> den Fiskns fort.<br />

Eine Hundckorn-Abgabe ist feit alter Zeit von dem Gute<br />

Hinrichshagen sim Kreise Grimmen), dessen gemeinschaftliche<br />

Eigenthümer die Stadt Grcifswald nnd das Hofpital Set. Spiritus<br />

dafelbst sind, an die Universität <strong>Greifswald</strong> entrichtet worden.<br />

Es scheint, daß die Besitzer des gedachten Gutes erst im Jahre<br />

1870 darauf aufmerksam wurden, daß in einer größeren von<br />

dem Gnte an die Universität zu entrichtenden Abgabe auch<br />

Hundekorn enthalten ist. Sie weigerten sich nnn, das Hunde -<br />

körn ferner zu eutrichten. Da aber die Universität auf <strong>der</strong><br />

ferneren Leistung bestand, so klagten ini Jahre 1873 die Stadt<br />

Greisswald nnd das Hospital Set. Spiritus auf Anerkennung<br />

(während bei hnndelager die technisch-juristische Bedeutung nicht angegeben<br />

ist). Anch ist es nicht enthalten in Lercrs Mittelhochdeutschem<br />

Wörterb. (wo nuilt8iun(?i' ^ic^ im Nachtrage steht bei 1mut8-1iin8ol).<br />

Dagegen wird in dem Mittelnie<strong>der</strong>dentsch. Wörterb. von Schiller und<br />

^übben Hnndetorn als „Zehntkorn zur Atznng <strong>der</strong> herrschaftlichen Hnnde"<br />

ertlart nnd dazu eine Meklenb. Urkunde allegirt, in welcher dem Worte<br />

diese Vedeutnug nach I^r. Wiggers Ausführungen nicht zukommt.<br />

4) Für die Natur des Huudckorus als einer Iagdabgabe in Neu-<br />

Vorpommern berief man sich auf einige Landtags-Abschiede Pommerscher<br />

Herzoge, welche aber auch eine an<strong>der</strong>e Deutung zulassen, und anf<br />

einige Schriftsteller: Gadebnsch, Schwedisch-Pommersche Staatsknnde<br />

Abth. 2 S, '»().'> (wo es heißt: „Huudetoru ward vormals zum Unter-<br />

halte <strong>der</strong> fürstlichen Jägerei von den adelichen Gütern gegeben und danert<br />

jeht noch fort."); ferner: v. Vilow, Geschichtliche Entwickeluug <strong>der</strong> Ab-<br />

gaucn-Verhaltnisse in Pommern nnd Rügen S. ^06.<br />

">) Sicherem Vernehmen nach wird in Folge <strong>der</strong> ueuereu, auf dcu<br />

Gutachten Dr. Kleinpins und l)i-. Viggers beruhenden Entscheidung von<br />

denjenigen Gütern, welche nicht dnrch rechtskräftige Urtheile entlastet sind,<br />

das Hnndekorn nebst den durch (vierjährige) Verjährung noch nicht<br />

verlorenen rückständigen Raten seitens des Fiskns wie<strong>der</strong> eingefor<strong>der</strong>t.


314 Das .<br />

<strong>der</strong> Freiheit des Gutes Hmrichshagen von <strong>der</strong> Hnndekorn-Ubgabe<br />

gegen die Universität. Im Lanfe des Prozesses<br />

wendete sich die Universität an den Oberpräfideuten <strong>der</strong><br />

Provinz Pommern, mn zn erfahren, N'as sich ans den<br />

im Königl. Staats-Archiv zn Stettin befindlichen Nrknnden i'iber<br />

die streitige Natnr des verlangten Hnndekorns ergeben möchte.<br />

Der Oberpräsident erfor<strong>der</strong>te Ansknnft von dein Vorstände<br />

des Archivs, Staats-Archivar Dr. Klempin. Diefer erstattete<br />

unter dem 31. October 1873 Bericht (das erste Gutachten<br />

Di'. Klempins), in welchen! er auf Grnnd <strong>der</strong> in: Archive angestellten<br />

Nachforschungen zu dem Nefnltate kam, daß das Hnndekorn<br />

in Vorponimern eine Iagdabgabe n icht sei. Der Bericht gelaugte<br />

demnächst zn den Proeeß-Aeten. Das Gericht <strong>der</strong> erstell<br />

Instanz (das Kreisgericht zn Greisswald) ernannte für den Kläger.<br />

Es erachtete die Natur des Hnndekorns als einer Iagdabgabe anch<br />

in diefem Prozesse sür nachgewiesen nnd führte ans, das; es<br />

dnrch das Gutachten Di'. Klempins voin Gegentheile nicht<br />

überzeugt sei. Iu <strong>der</strong> Appellations-Instanz ilberreichte die<br />

Universität ein neues, vom 15. April 1674 datirtes Gutachten<br />

Dr. Klempins, welches hauptfächlich dazu bestimmt war, die<br />

gegen das erste Gutachten gerichteten Ansführnngen ini erstrichtertichen<br />

Urtheile zu wi<strong>der</strong>legen. Das Appellationsgericht zn<br />

<strong>Greifswald</strong>, welches — abweichend von den Gerichten <strong>der</strong> ersten<br />

und <strong>der</strong> dritten Instanz —- schon in den oben erwähnten alte<br />

reu Prozessen von <strong>der</strong> Ansicht ausgegangen war, daß dnrch den<br />

Namen Hundekoru nnd durch die sich hieraus ergebende faktische<br />

Vermuthung (pi'ÄOgunitio 1imniin3) die Natnr <strong>der</strong> Abgabe<br />

als eiuer Iagdabgabe nicht für dargethan gelten könne, vermochte<br />

das Gewicht <strong>der</strong> von Dr. Klempin geltend gemachten Gründe<br />

nicht zu verkennen nnd befchloß voll Amt^wegen, das Gutachten<br />

uoch eiues au<strong>der</strong>eu, durch seinen Bernf ebenfalls anf d^<br />

Kenntniß des mittelalterlichen Abgabewesens hingeführten nnd<br />

zur Prüfuug <strong>der</strong> aus dem vorliegenden archivalifchen Material<br />

sich ergebenden Folgerungen und Beweise geeigneten Gelehr<br />

ten (Sachverständigen) zu erfor<strong>der</strong>n. Es wählte dazn den Av<br />

chivar an: Großherzoglich Mecklenbnrgifchen Geheimen nnd<br />

,


Das .Hundekorn. 315<br />

Haupt-Archiv, Archivrath Di'. F. Wigger in Schwerin. Dieser<br />

erstattete unter dem 19. December 1875 ein ausführlich motivirtcs<br />

Gutachten, welches — nur in einem für die wesentliche<br />

Frage: ob Iagdabgabe? nicht erheblichen Punkte von Dr.<br />

Klempin abweichend — ebenfalls zn dem Resultate gelangte,<br />

daß das Hundekorn in Vorpommern seinem Ursprünge nach<br />

nicht eine mit <strong>der</strong> Jagd zusammenhängende Abgabe o<strong>der</strong> Leistung<br />

sei. Darauf wies das Appellationsgcricht durch Erkenntniß<br />

vom 2. Februar 1877 die Klage ab, und <strong>der</strong> zweite Senat<br />

des Königl. Obcr-Tribnnals zn Berlin bestätigte durch Urtheil<br />

vom 12. März 1878 diese Entscheidung. Beide Erkenntnisse<br />

beruhen auf <strong>der</strong> Erwäguug, daß „die aus dem bloßen Namen<br />

zu eutnehmende Vermnthung", daß die in Vorpommern unter<br />

<strong>der</strong> Bezeichnung Huudekorn vorkommende Abgabe eine in Beziehung<br />

anf die Jagd obliegende Leistung sei, durch die von<br />

Dr. Klempin und Di'. Wigger beigebrachten Gründe „für beseitigt<br />

zu erachten ist". Das Erkenntniß des Königl. Ober-<br />

Tribunals, welches damit die seinen früheren Entscheidungen<br />

zu Grunde liegende Ansicht über die Natur <strong>der</strong> Hundekorn-Abgabe<br />

verlassen hat, ist in den amtlich edirten „Entscheidungen des Königlichen<br />

Qber-Tribnnals" Bd. 81 S. 228 ff. veröffentlicht.<br />

Der Inhalt <strong>der</strong> Gutachten ist in den Entscheiduugsgründen nur<br />

kurz angegeben. Die trefflichen Arbeiten bei<strong>der</strong> Gntachtcr<br />

(von denen Dr. Klempin den forensischen Sieg seiner Ansicht<br />

nicht mehr erlebt hat) verdienen zu Nutz und Frommen <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

vollständig publicirt zu werden. Nachdem Herr Archivrath<br />

Di-. Wigger feine Einwilligung ertheilt und den Wunfch<br />

ausgesprochen hat, daß die Veröffentlichung seines Gutachtens<br />

in den „Baltischen Studien" erfolgen möge, wird durch die Aufuahmc<br />

<strong>der</strong> Arbeiten <strong>der</strong> beiden Gelehrten in diefe Zeitschrift ein<br />

gewiß nicht gering zn veranschlagen<strong>der</strong> Beitrag Zur Kenntniß des<br />

mittelalterlichen Abgabewesens geliefert. Zu bemerken ist dabei<br />

nur, daß aus den Gutachteu, welche im Uebrigen in ihrem<br />

ganzen Umfange, sowie sie zu den Prozeß-Aetcn eingeliefert<br />

worden, durch diesen Abdruck mitgetheilt werden, nur einige<br />

Sätze weggelassen sind, welche lediglich durch die Prozeßlage


3il> Das Hundetorn.<br />

hervorgerufen lvareu und ohue Mittheilung <strong>der</strong> jetzt nicht mehr<br />

iuteressireuden Entscheidllngsgriinde des Gerichte <strong>der</strong> ersten Iu^<br />

stanz nicht einmal verständlich sein würden.'^)<br />

Di-. Kühne.<br />

Erstes Gutachten<br />

des Staats-Archivars Di. .^lempin.<br />

Bei Durchforschliug des Königlichen Staats-Archivs deziiglich<br />

<strong>der</strong> aus den: Dorfe Hinrichshageu bei Neiuberg au die<br />

Uuiversität zu <strong>Greifswald</strong> fälligen jährlichen Hebung au Geld<br />

uud ^)caturalieu hat sich uur iu <strong>der</strong> schluedischeu Lanoes-Ma<br />

trikel von 1090, ^)Band „Gricpsnalds Disrrichr och<br />

Eldclio^"^ sol. 023, in den „Annorarioncr öfncr<br />

richshac/cn^ die folgende Notiz vorgefunden:<br />

Och hörcr dcln^a hccla 2övg ll,it>cr ^Hcil. G'cist<br />

Clojtcr utj (3ricpsivaldc>sc<br />

5 ^'s ist von den Vollbauern die Rede) Fifn?a 20 ^>r.<br />

lltj ricl^stcpclllnncsar och 5 Rt. pachrcscld och No.<br />

i. 10 Ar. ncnstcpennincsr och 4 Rt. pachr^ och<br />

dcr hos nana »ned roacsn^ 4 häjcar och 2 pcrsohncr<br />

urj Gricps^rvald cnär dcln bcfallcs, alnucscn<br />

rill ^cd klörscll aller annar, dock haf^a l>hc cv<br />

'wijfa riclistcdacsar., dcß urhal^ ttif-wcs rill colislstorilnn<br />

lirj Grvps'wald af hcla Bvcn^ fon:<br />

kallas hlll^dckorN) 105 skicppr ^f r^cs korli och<br />

hasra och Ivka lnvckcr af I)^varr slacscr sampr<br />

dcr hos 10 Rl. 8 Iß ^)orpom. nhrl. ^)<br />

^') Nachträglich mag noch bemerkt werden, daß man vor M0 Jahren<br />

die Anwendung <strong>der</strong> Bezeichnung „Hnndekorn" ans die Getreidehebnng<br />

als unrichtig recht wohl kannte. Vgl. Stavenhagen, Beschreibung von<br />

Anklam, S. 189.<br />

') Im Staatsarchiv zn Stettin.<br />

^) Uebersetznng: „Und es gehört das ganze Gut dein heiligen<br />

Geist-Kloster in <strong>Greifswald</strong>- es mnß ein Je<strong>der</strong> von diesen 5> (Vollbauern)


Das Hundekorn. 317<br />

In Betreff <strong>der</strong> Natnr jener, gewöhnlich mit den: Namen<br />

„Huudekoru" dezeichneten Abgabe hat sich feststellen lassen, daß<br />

die Annahme des Herrn von Bilow in seiner „Eutwickeluug<br />

<strong>der</strong> Abgabenverhältnisse in Pommern", Seite 2()si : „das Huudcloru<br />

sei eine ans den vormals slavischen Dörfern solcher Gegenden,<br />

nw <strong>der</strong> Herzog Jagd zn treiben pflegte, lastende Abgabe,<br />

wodnrch die nralte Pflicht, die Hnnde bei sich zu füttern, dnrch<br />

jährliche Lieferung von zwei bis drei Scheffel Hafer an den Hof<br />

zn Brod für diese Bestien, abgelöst werden müßte" — ans<br />

Irrthnm bernht.<br />

In den Gegenden nämlich, wo <strong>der</strong> ausgedehnten Waldungen<br />

wegen hauptsächlich die großen herzoglichen Jagden betrieben<br />

wurden, wie z. B. in den drei Haideämtern Ueckcrmünde, Iasenitz<br />

und Torgelow, findet sich die Abgabe „Hnndekorn" gar<br />

nicht, dagegen sind die Orte <strong>der</strong> Aemter Wolgast, Loitz und<br />

Barth, in denen dieselbe gezahlt werden mnßte, sämmtlich entwe<strong>der</strong><br />

deutschen Ursprungs o<strong>der</strong> doch sehr srüh vollständig<br />

dentsch geworden. Ich sühre znm Beweise dafür hier nur die<br />

Namen <strong>der</strong> Dörfer im Amte Barth an, die dieser Abgabe<br />

unterworfen waren, nämlich '') Flcmendorf, Großen-Cordshagen,<br />

Bartelshagen bei Stralsuud, Lütkeu-Lordshagcn, Splietsdorf,<br />

Velgast, Kentz, Rnbitz, Kindshagen, Altenhanshagen, Neuenhanshagen,<br />

Dolgen, Dersetendorf, Prusdorf, Neuen-Lübke,<br />

Trinwillershagen, Tetmannsdorf, Arenshagen, Stormsdorf,<br />

Oldenwiller^hagen, Berendshagen, Tempel, Beyershagen, Steinort,<br />

Kükenhagen, Arendfee, Saal, Ncuendorf, Hermannshagen,<br />

Schlechtmühlen, Bartelshagen bei Dammgarteu, Lüdcrshagen,<br />

Martenshagen.<br />

gebcu 50 Nt. Dieustpseunig und 5 Rt. Pachtgeld, uud Nr. 1 10 Nt.<br />

Dienstpsennig uud 4 Nt. Pacht, uud außerdem dieueu mit einem<br />

Wagen, 4 Pferden uud ^ Persoueu iu Greisswald, weuu es<br />

desohleu wird, entwe<strong>der</strong> zu Holzfuhren o<strong>der</strong> etwas An<strong>der</strong>em; doch habcu<br />

sie uicht gewisse Tiensitage. Außerdem wird gegeben an das Cou-<br />

sistorium zu Grcisswald von dem ganzen Gntc das was genannt wird<br />

,V)uudeloru, N).^) Schfsl. Roggen, Hafer nud eine gleiche 3)cenge von<br />

berste, außerdem 10 Nt. 8 Schillinge Pomm. Geld jährlich^.<br />

'') Vgl. Staatsarchiv zu Stettin: Wolg. Archiv Tit. 77 Nr. 38.


^8 Tao Hundekoru<br />

Das „Huudekorn" entstand nicht durch Umwandlung voll<br />

Iagddieusteu in Naturallieferung voit Getreide. Einestheils<br />

erhellt dies schon darail^, daß in den Klostergntern (bei <strong>der</strong>en<br />

Vergabilng an die Klöster alle lueltlichen Lasten, und speciell<br />

anch die Iagddienste, aufgehoben luaren), seitdem sie nach <strong>der</strong><br />

Reformation in den Domanialbesih <strong>der</strong> Herzoge übergingen,<br />

die althergebrachten theils in Pacht-, theils in Bede-Korn be^<br />

stehenden Getreidelieferungen ebenfalls in „Hnndekorn" umgetanft<br />

wnrden; an<strong>der</strong>ntheils crgiebt auch die Zusammeustelluug<br />

<strong>der</strong> Gesammtabgaben <strong>der</strong> mit „Huudekorn" belegten Ortschaften,<br />

daß da^ letztere theils aus <strong>der</strong> Pacht, theils aus <strong>der</strong> Herbstdede<br />

eutstandeu sein ntuß, uud seiue Höhe im eorrespondirenden<br />

Verhältniß zu den in Geld umgewandelten an<strong>der</strong>en Abgaben<br />

steht. So zahlten (vgl. Solg. Arch. Tit. 77 Nr. 35) z. B. :<br />

Saal:<br />

(20 Landhufcu, 17 Vaueru)<br />

Ili!) Acark 11 Schillinge 7 Pfennige Herbstbede uud Pachtgeld,<br />

uud dauebeu:<br />

— Last 1^ Dröntt 11 Schffl. 2^2 Viert Roggen<br />

0 „ 3 „ 10 „ 2 „ Gerste Hundekorn,<br />

li , 5 „ 10 „ 1 „ Hafer<br />

Nedebas:<br />

(24 Landhufeu, 12 Vaueru)<br />

285 Märt 12 Schillinge Pachtgeld, uud dauedeu:<br />

6 Drömt Hafer Hundckorn.<br />

Kentz:<br />

(2l) Landhnfen, 12 Vaueru)<br />

18l) Äcark 13 Schillinge 8 Pfennige Sommer- nnd Herbst<br />

bede uud Pachtgeld, und daneben:<br />

- Last 3 Drö'mt 6 Schffl. Roggen»<br />

— „ 3 „ 6 „ Gerste hilndekorn.<br />

1 „ „ 8 „ Hafer !<br />

Ls bleibt nur uoch ilbrig, aus deu Aintsauschlägen lind<br />

Registern einige Veweife beizubringen, daß dieselben das<br />

„Hnndekorn" entlve<strong>der</strong> mit dem Pachtkorn o<strong>der</strong> dem Herbstbedetorn<br />

als identisch ausprecheu.<br />

,


Das Hnndekorn. 319<br />

In den Mm, betreffend die Abfindung <strong>der</strong> Herzogin Agnes,<br />

Wittwe des Herzogs Philipp Inlins, wegeil ihres Leibgedinges<br />

ans dem Amte Barth, vom Jahre 1020"') lantet es:<br />

Kornpächte:<br />

8 Scheffel Roggen»<br />

8 Scheffel Gerste Hnndekorn.<br />

8 Scheffel Hafer !<br />

In den die Visitation <strong>der</strong> Kirchen, Klöster, Hospitäler<br />

nnd Armenhänser zn <strong>Greifswald</strong> betreffenden Aeten von 1557 ")<br />

werden bei <strong>der</strong> Einnahme des heiligen Geist-Hospitals in<br />

<strong>Greifswald</strong> nntcr <strong>der</strong> Uebcrschrift „Hnndekorn" die Getreidehebungen<br />

ans den Dörfern Stalbrode, Reinberg, Karrendorf,<br />

Düvelsbroock nnd Jäger angeführt nnd am Schluß die Snmme<br />

gezogen unter <strong>der</strong> Bezeichnung:<br />

Summa des Hunde- und Pachtkorns:<br />

5 Drömt 4 Scheffel Roggen,<br />

5 , 9 „ Gerste.<br />

In den Aeten, betreffend die <strong>der</strong> genannten Herzogin<br />

Agnes als Leibgedinge verordneten Aemter Usedom nnd Pudagla<br />

und dessen spätere Transmutation anf das Amt Barth uud<br />

demnächst anf die Aemter Treptow a. T. und Clempenow vom<br />

Jahre 1605 ^) hoißt es unter <strong>der</strong> Korncinnahme des Amtes<br />

Usedom:<br />

Snmnia des Huudekorns nnd <strong>der</strong> Mühlenpacht:<br />

7 Last 3 Drömt 1'/^ Scheffel,<br />

nnd daranf bezüglich im Defcetenverzeichniß:<br />

Pachtroggen: 7 Last 3 Drömt 1'/^ Scheffel;<br />

bei <strong>der</strong> Hnndegcrste nnd Mühlenpacht:<br />

6 Last 4 Drömt 6 Scheffel 2 Viert,<br />

und darauf bezüglich im Defecteuverzeichuiß:<br />

Pachtgcrste: 0 Last 2 Drömt 10 Scheffel >/x Viert,<br />

") Wolg. Arch. Tit. l^/7, Nr. 77, vol. 1. ful. 159 v^-LO (im<br />

Staatsarchiv zu Stettin).<br />

") Wolg. Arch. Tit. t;3, ^cr. 19^ vol. 1. fol. ^21 vci-8(, (im<br />

Staatsarchiv zu Stettin).<br />

'") Wolg. Arch. Tit.


ei dem Hundehafer und Ablagerhafer:<br />

7 Last 4 Drömt '/2 Viert,<br />

uud darauf bezüglich iui Defeeteuverzeichuiß:<br />

Pachthafcr: 0 Last Z Drömt 2 Scheffel '/^ Bierl.<br />

Iu <strong>der</strong> Gerste- und Haferrechnnng ist zwar ein Addniou^<br />

fehler, doch ist <strong>der</strong>selbe aus die Beweiskraft <strong>der</strong> Stelle für dir<br />

Natur des „Hundekorns" von keiuein Belang.<br />

In <strong>der</strong> Beschreibung des Amtes Wolgast von etwa 1N5 '')<br />

heißt es bei den Abgaben des Dorfes Brüusow:<br />

Die vier Bauleute gcbeu für vier Gärten, fo zu ^röveliü<br />

gehören:<br />

l Roggen ><br />

Hunde Gerste ! :^4 Scheffel.<br />

' Hafer '<br />

Endlich syeeifieirt <strong>der</strong> E^traet <strong>der</strong> Einnahmen <strong>der</strong> Kloster<br />

voll etloa 1570 ^) unter den Einnahmen aus dem Amte Eldma i<br />

tom hundck^rli! 65^ rhln^ 4 N7ark 1 Scoii!.,<br />

bcy das hundckorn 11 Srigc 16 Elcscr, facir<br />

11 ß. 9 Pf.<br />

Auch mag noch zur Erwä'huuug kommen, daß nach dem<br />

Extraet des fürstlichen Wolgaster Antheils von 1509 ^) iid^rall<br />

in den Aemtern, wo „Huudekoru" gegebeu wurde, kem Bede<br />

o<strong>der</strong> Pachtkorn erscheiut, uud umgekehrt Bede- o<strong>der</strong> Pachtern<br />

gezahlt wird, wo kein „Hnndekorn" geliefert lvurde, so daß<br />

also auch daraus die stellvertretende Natur dieser Abgabeu er<br />

kannt werden kaun.<br />

Es wurde nämlich gezahlt 1<br />

im Amte Wolgast 1<br />

„Hundekorn", aber kein Bede- uud Pachtkoru:<br />

im Amte Usedom:<br />

„Huudekoru", aber keiu Bede- uud Pachtkoru;<br />

Schwed. Arch. Tit. 85), '^r. 1, i. fim Staatsarchiv zu S<br />

Wolg. Arch. Tit 63, Nr. l'/7.<br />

Wolg. Arch. Tit. 5_', ^ir. 1^.


Das .Hundekorn.<br />

ini Unite Ueckermünde:<br />

Bedekorn, aber kein „Hnndekorn" :<br />

ini Amte Grimmen:<br />

„Hniidekorn", aber kein Bede- und Pachttorn;<br />

im Amte Tribsces:<br />

„Hnndekorn", aber kein Bede- nnd Pachtloru:<br />

im Amte Lindenberg:<br />

Bedekorn, aber kein „Hnndekorn";<br />

endlich im Amte Üoitz:<br />

„Hnudeloru", aber kein Bede- nnd Pachtwrn.<br />

Das ,^Hu!idekorii" war demnach bald Pacht-, bald Bede-<br />

Hebung nnd als solche fast immer gleichmäßig ans den drei<br />

Getreidearten Roggen, Gerste, Hafer bestehend, welche jenen<br />

Namen erhielt, sobald sie auf den Etat für den Unterhalt des<br />

Hofgesindes nnd hauptsächlich zur Ernährung dcr Iagdhuude<br />

gebracht wnrde.<br />

Letzteres verursachte eine keineswegs geringe Ausgabe, da<br />

z. B. unter Herzog Philipp Julius von Wolgast wöchentlich<br />

über 6 Drömt Getreide für die Hnnde verbacken wurden. Solveit<br />

fich die Nachrichten zurückführen lassen, uud besou<strong>der</strong>s<br />

nach Maaßgabe <strong>der</strong> vorhandenen Amtsanschläge und Register,<br />

wurde das Hundekorn ausschließlich aus den fürstlichen Domanialgütern<br />

erhoben. Solche kamen dann später allerdings durch<br />

Kauf, Tausch o<strong>der</strong> Schenkung auch in Privathände.<br />

Vor <strong>der</strong> Reformation genügten für den obigen Etat des<br />

Hofhalts die Naturalhebuugeu aus den Tomanialgütern <strong>der</strong><br />

Aemter Wolgast, Barth, Grimmen, Tribsees uud Loih; als<br />

aber 1569—1603 das Amt Barth mit Franzburg m deu Apanagenbesih<br />

des Herzogs Bogislav XIII. überging, uud wie<strong>der</strong>nm<br />

1592 das Amt Loitz als Lcibgedinge <strong>der</strong> Herzogin Sophie<br />

Hedwig cingethan wurde, uud das Amt Barth 1625 nochmals<br />

als Leibgedinge <strong>der</strong> Herzogin Agnes außer landesherrlicher<br />

Nutznießnng blieb, mußte für den dadurch herbeigeführten Aussall<br />

voii „Hundekorn" andcrwciter Ersah geschafft werdeu, und<br />

wurden dazu die nach <strong>der</strong> Reformation zu deu Tischgütern des<br />

Herzogs geschlagenen ^losterbesitmngen voli Crummm, Pudagla,


Das<br />

nnd ein kleiner Theil von Renen Camp (Franziums)<br />

herbeigezogen.<br />

Stettin, den 31. Oetober 187-z.<br />

Der Staats-Archivar Or. Klempin.<br />

Zweites Gutachten<br />

des Staats-Archivars Di. Klcmpin.<br />

In nieinenl ersten Gutachten habe ich gesagt, das; da


Das .Hundekorn.<br />

1. Sommerbedc: In Geld umgewandelt.<br />

2. Herbstbcde: In Geld umgewandelt.<br />

3. Geldpacht.<br />

4. Bischofszehnten.<br />

5. Einnahme <strong>der</strong> Pacht von den geistlichen Lehnen.<br />

6. Noch an<strong>der</strong>e gewisse stehende Hebungen.<br />

7. Einnahme von gewissen stehenden Hebuugcn.<br />

lr. Weizen. Hierunter ist allein <strong>der</strong> Pachtweizen von<br />

Saal aufgeführt, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Höhe feines Betrages<br />

durchaus dem aus diefem Dorfe gezahlten Huudcroggen<br />

entspricht, nämlich 12 Drömt, 11 Scheffel,<br />

2^/2 Viert.<br />

d. Roggen.<br />

«. Ablagerroggcn. lieber diefe Abgabe, welche von<br />

einer mit <strong>der</strong> fürstlichen Jagd in Verbindung<br />

stehenden Verpflichtung herrührt, werde ich weiter<br />

nntcn sprechen.<br />

/3. Huu<strong>der</strong>oggen.<br />

)/. Roggen ans den Mühlen o<strong>der</strong> stehende Mühlenpacht.<br />

6. Hnndegcrste.<br />

ci. Haber.<br />

«. Ablagerhabcr.<br />

/3. Hnndchaber.<br />

8. Stehende Gcldhcbungcn. Darunter sind Wasserpacht,<br />

Gunstgeld n. a. begriffen.<br />

9. Steigende und fallende Hebnngcn. Hier werden einzelne<br />

Dorfschaften nicht genannt, son<strong>der</strong>n es wird die Oesammt-<br />

Einnahme ans dem ganzen Amte für jedes <strong>der</strong> zehn Jahre<br />

aufgeführt, darunter Einnahmen aus <strong>der</strong> Forstverwaltnng,<br />

Strafgefällc, Zoll, Wcddcschatz, Auflassung, Sommer- nnd<br />

Herbstzehntcn, Weidcgeld, Wasserpacht, Einnahme nnd Ausgabe<br />

aus den herzoglichen Ackerwerken nnd <strong>der</strong>gleichen.<br />

Hier kommt es nur aus die Titel 1, 2, 3 uud 7 an.<br />

Die Vede (pr^u'm) war eine landesherrliche Grnndnnd<br />

Vichsteuer, welche von je<strong>der</strong> Hufe je nach ihrer Größe<br />

nnd Fruchtbarkeit entrichtet wurde und theils in Geld, theils in


3^4 Das ynndekorn.<br />

Natnralhebnngen bestand. Die letzteren sehten sich znsainmen<br />

ans einem Antheil an dem zuwachsenden Vieh nnd ans einer<br />

gewissen Scheffelzahl an Roggen, berste nnd Hafer von je<strong>der</strong><br />

Hnse, daher anch für die Geldhebnngcn <strong>der</strong> Name P cnn i n gbede,<br />

für die Viehsteuer <strong>der</strong> Name Fle ischb ede nnd für die<br />

Kornhebnngen <strong>der</strong> Name Kornbede vorkommt. Gezahlt<br />

wnrden die Geldhebungen zn Walftnrgis und hießen deshalb<br />

Sommerbede, die Fleisch- nnd Kornhebnngen zu Martini,<br />

woher <strong>der</strong> Name Herbstbede stammt.<br />

Die Pacht entsprang ans einer Znsammenlegnng des<br />

Hufenzinses so0U8U8 inllii80i'uni) nnd des Zehntens, welcher<br />

ursprünglich als <strong>der</strong> zehnte Theil <strong>der</strong> ans <strong>der</strong> Hnfe gewachsenen<br />

Feldfrucht genommen, gegen Ende des 1^. Jahrhun<strong>der</strong>ts aber<br />

in eine bestimmte Scheffelzahl <strong>der</strong> verschiedenen ans <strong>der</strong> Feldmark<br />

gebanten Getreidearten als eine jährliche feste Abgabe<br />

verwandelt wnrde. Dies geschah meistens durch einen förmlichen<br />

Vertrag sp^tum) zwischen Grnndherren nnd Unterthanen,<br />

woher <strong>der</strong> Name „Pacht" für die ganze Abgabe. Der<br />

Hufenzins war eine Geldabgabe gewesen, die Zehntpacht eine<br />

Kornhebnng- so war es natürlich, daß die Pacht als Gelduud<br />

als Kornpacht erscheint. Die Höhe des Hnfenzinfes<br />

war bei den Dörfern verschieden je nach <strong>der</strong> Größe nnd Ertragsfähigkeit<br />

und variirt von 2 Schilling bis mehr als 3<br />

Mark für die Hufe. Die Hufenpacht variirte ans denselben<br />

Gründen, doch scheint <strong>der</strong> Hakenhnfe <br />

Drömt Getreide auferlegt worden zn sein. In diesem Nahmen<br />

von 1—0 Drömt wußte jedoch die ^inanzknnst des Mittelalters<br />

ans fehr sinnreiche Weise auch <strong>der</strong> verschiedensten Ertragsfähigkeit<br />

des Bodens gerecht zn werden, indem sie den<br />

vier Getreidcarten, Weizen, Noggen, Gerste, Hafer in <strong>der</strong><br />

Hnfenpacht einen verschiedenen Antheil znwies. Bei nnfrnchtbarem<br />

Boden wurde das Drömt Hnfenpacht halb in Gerste,<br />

halb in Hafer, bei besserer Beschaffenheit in Noggen, Gerste<br />

nnd Hafer zu gleichen Theilen (je vier Scheffel) nnd bei noch<br />

vorzüglicherer Qualität in Noggen allein gefor<strong>der</strong>t. Bei <strong>der</strong>


Das Hundekorn. 325<br />

Landhnfe wnrde in Brandenburg für den Boden erster Klasse<br />

l' Drömt Hnfenpacht ans die Hufe gelegt nnd dabei das Verhältniß<br />

von Hartkorn sWeizen, Roggen, Gerste) znm Hafer<br />

wie 2 zn 4 uormirt, es gab nämlich die Hufe dieser Art ein<br />

Wispel Hartkorn und 2 Wispel Hafer Hufenpacht; in Mecklenburg<br />

nnd Vorpommern, wo <strong>der</strong> Boden schwerer als in <strong>der</strong><br />

Mark unir, wnrde von <strong>der</strong> ersten Klasse ebenfalls nur 6 Drömt<br />

pro Landhufe gefor<strong>der</strong>t, dagegen aber das Verhältniß des<br />

Hartkorns znm Hafer wie 3 zu 3 normirt. Unser Varther<br />

Amtsbnch, in dem beiläufig die Last immer zn 8 Drömt gerechnet<br />

wird, liefert uns davon ein Beispiel in dem Pacht- und<br />

Hundekorn von Saal: Dieses Dorf gab au Pachtweizeu 12<br />

Drömt, 11 Scheffel, 2^/2 Viert; an Huu<strong>der</strong>oggeu genau ebensoviel,<br />

nämlich anch 12 Drömt 11 Scheffel 2^/2 Viert; an<br />

Huudegerfte geuau das Vierfache vou dem Hun<strong>der</strong>oggen o<strong>der</strong><br />

dem Pachtweizcn, das Doppelte bei<strong>der</strong> zusammen, nämlich li<br />

Last 3 Drömt 10 Scheffel 2 Viert ^ 51 Drömt 10 Scheffel<br />

2 Viert; an Hnndehafer das Sechsfache vom Hnn<strong>der</strong>oggcn o<strong>der</strong><br />

dem Pachtweizen, da^ Gleiche vom Pachtweizen, Hnn<strong>der</strong>oggen<br />

uud Hundegerste, nämlich 9 Last 5 Drömt 10 Scheffel 1 Viert<br />

(ganz genan bloß 9 Scheffel 2 Viert) — 77 Drömt 10<br />

Scheffel 1 Viert. Bei dem Pachtweizen fehlen 1 ^/2 Viert an<br />

<strong>der</strong> rnndcn Summe von 13 Drömt, ebensoviel bei dem Hnn<strong>der</strong>oggen,<br />

bei <strong>der</strong> Hundegerste fehlen 1^/2 Scheffel, also das<br />

Vierfache von <strong>der</strong> runden Summe von 52 Drömt, und beim<br />

Hnndehafer fehlen 1^ 4 Scheffel an <strong>der</strong> runden Summe von<br />

78 Drömt, für alle vier Getreidearten Zusammen also 4 Scheffel,<br />

d. h. nngefähr die Pacht von 2 Morgen, welche an <strong>der</strong> 20.<br />

Hnfe gefehlt haben würden. Ergänzt man dieselben zu ihrer<br />

vollen Höhe vou 30 Morgeu, so zahlte Saal von 26 Hufen<br />

13 Drömt Weizen, 13 Drömt Roggen, 52 Drömt Gerste und<br />

78 Drömt Hafer, mithin von je<strong>der</strong> Hufe ^ Drömt Weizen, '/2<br />

Drömt Roggen, 2 Trömt Gerste uud 3 Drömt Hafer, zusammen (><br />

Trömt, in denen Harttorn zu Hafer sich wie 3 zu 3 verhält. Es<br />

liegt iu dieser Berechnung zugleich <strong>der</strong> striete Nachweis, daß<br />

das iu Saal gezahlte .vuudekorn die alte im 13. Iahrhuu<strong>der</strong>t


326 Das Hundekorn.<br />

vereinbarte Pachthebnng war. Pachtkorn nnd Nedekorn waren<br />

die einzigen Getrcidehcbnngen, welche <strong>der</strong> Hnfe aufgelegt nnd<br />

nach <strong>der</strong> Hufenzahl eingefor<strong>der</strong>t wilrden nnd darin besteht ein<br />

wesentlichem Merknlal dieser Abgabe. Ebenso ist das Dreierlei-<br />

Korn bei Getreidehebungen ein speeifisches Merkmal für Kornpacht<br />

o<strong>der</strong> Kornbede. An<strong>der</strong>e Abgaben, die wie die Iagddienste<br />

ans persönlichen Verpflichtungen herrührten, konnten we<strong>der</strong> den<br />

Hufen anfcrlegt, noch in eine an<strong>der</strong>e Getreidcart umgewandelt<br />

werden, als worin sie bisher geleistet wnrdcn. Eine Verpflichtung<br />

znr Hnndefütterung mit Haferbrot würde Niemcmd an<strong>der</strong>s<br />

als mit dem entsprechenden Quantnm von Haferkorn abgelöst<br />

haben, o<strong>der</strong> sich haben ablösen lassen. Es ist mir kciu Beispiel aus dem<br />

übrigen Deutschland bekannt, worin es je an<strong>der</strong>s gewesen wäre.<br />

Die Kornpacht nnd Bedekorn reservirten sich die Fürsten<br />

nicht überall in ihrer ganzen Vollständigkeit, son<strong>der</strong>n nnr so<br />

viel davon, als sie zur Erhaltung nicht bloß des Marstalls nnd<br />

<strong>der</strong> Iagdhnnde, son<strong>der</strong>n überhaupt für deu Staats- und Hofhanshalt<br />

gebrauchten, da die Beamtenbesoldnngen, Gehälter <strong>der</strong><br />

Hofdiener resp. bis zum 17. Jahrhun<strong>der</strong>t hin größtenteils in.<br />

Natnralien bestanden.<br />

Für dieses znr Kammer fließende Reservatkorn wurde in<br />

Brandenburg, pa.i'8 i)i'0 toto, <strong>der</strong> Name „Hundekorn" üblich<br />

und fand von da wahrscheinlich dnrch den Herzog Wartislav IX.,<br />

<strong>der</strong> mehrere Jahre seiner Ingend bei seinem Oheim, dein<br />

Kurfürsten Friedrich I. von Hohenzollern verlebte, in dem von<br />

1368—1479 bestehendenHerzogthnmWolgast diesseits <strong>der</strong>Swine<br />

Eingang, während in dem übrigen Pommern, nämlich im Herzoge<br />

thnm Wolgast jenseits <strong>der</strong> Swine nnd in dein Herzogthnm Stettin,<br />

das 1464 ausstarb, zwar wohl dieselbe Sache, aber nicht <strong>der</strong> Name<br />

„Hnndekorn" für dieselbe bestand. Anch hier rescrvirten sich die<br />

Fürsten das zn ihrem Hof- nnd Staatshanshalt nöthige Getreide in<br />

n^tni'i^ zogen es aber fort uuter dem alten Namen Pachtkorn<br />

nnd Bedekorn znr Kammer ein. Das was die Fürsten für<br />

ihre Zwecke sich nicht in nlitni'li rescrvirt hatten, war in Geld<br />

umgewandelt, und es findet sich deshalb nnter dem Pachtgcldc<br />

und <strong>der</strong> Geldbede nicht immer <strong>der</strong> reine Hnfenzins und die


Das tzuudekorn. 327<br />

reine Pcnningbede, son<strong>der</strong>n dazu gelegt, was bereits an Pachtkorn<br />

o<strong>der</strong> Bedekorn in Geld abgelöst war. Hierans folgt, daß,<br />

wenn in einem kleineren Torfe von geringerer Hnfcnzahl nnd<br />

schlechterer Bodenbcschaffenheit die Geldpacht absolnt nnd vcrhältnißmäßig<br />

größer ist, als die eines reicheren Dorfes von<br />

mehr Hufenzahl nnd besserer Bodcnbeschaffcnheit, das rescrvirte<br />

Quantum des Pachtkorns in dein ersteren klein, in dem letzteren<br />

groß sein mnß.<br />

Nnn findet sich dies Verhältniß bei den von mir angeführten<br />

drei Orten: Saal, das fruchtbarste Dorf dcs Barthcr<br />

Amtsbezirks, zahlte für seine 26 Hufen 84 Mark 12 Schilling<br />

8 Pfennige Pachtgeld, Redebas mit 24 Hufen von guter,<br />

aber doch nicht von so vortrefflicher Bodcnbeschaffenheit wie<br />

jenes, 285 Mark 12 Schilling Pachtgeld und Kentz mit nur<br />

20 Hufen von mittelmäßiger Qualität 137 Mark 10 Schilling<br />

2 Pfennige Pachtgeld. Dem entsprechend war aber auch das<br />

reservirte Quantum Pachtkorn, welches hier unter dem Namen<br />

„Pachtweizen und Huudckoru" steckt, bei Saal 178 Drömt<br />

weniger 3^2 Scheffel, bei Redebas nur 6 Drömt und bei Kcnh<br />

15 Drömt 8 Scheffel. Die Abhängigkeit <strong>der</strong> Größe des Huudekorns<br />

in den verschiedenen Orten von <strong>der</strong> Größe des Pachtgeldes,<br />

zn dem es im umgekehrten Verhältniß steht, ist eben ein schlagen<strong>der</strong><br />

Beweis, daß das Hundekorn hier in den Barther Amtsdörfcrn<br />

nnr Pachtkorn sein kann.<br />

Ich hatte diese drei Dörfer nicht ohne Absicht ans den<br />

34 Ortschaften des Barther Amts ausgewählt, um den Beweis<br />

daran deutlich zu machen. Die exorbitante Höhe des Hundekorns<br />

bei Saal, welche in Scheffelzahl verwandelt, 1712^2<br />

Scheffel ausmacht, sowie die Nilgleichheit gegen das an Hnfenzahl<br />

und Bodenbeschaffenheit jenem wenig nachstehende Dorf<br />

Redebas, das nnr mit 72 Scheffel Hundckorn notirt ist, reden<br />

eine so verständliche Sprache gegen die Annahme, daß in dem<br />

Hundekorn eine Iagdabgabe stecke, daß es eines weiteren Beweises<br />

kanm bedarf. Ein Iagddienst, <strong>der</strong> felbst nach <strong>der</strong><br />

Meinuug des ersten Nichters eine allgemeine Verpflichtung gewesen,<br />

kann in zwei einan<strong>der</strong> an Größe und Steuerkraft nahe-<br />

22


Z28 Das Hundekorn.<br />

stehenden Orten nicht so nngleich abgelöst Uwrden sein, daß in<br />

dem einen eine fast 24 Mal größere Summe gezahlt werden<br />

mnßte als in dem an<strong>der</strong>n. Noch verständlicher spricht die<br />

Höhe des Huudekorus in Saal für sich; denn so viel ist ein-"<br />

leuchtcud, daß die 1712^2 Scheffel Huudekoru in Saal sich<br />

als Iagddienstablösnng zn denken ein baarer Wi<strong>der</strong>sinn ist.<br />

Der Größe <strong>der</strong> Ablösung mnß doch anch die Größe <strong>der</strong><br />

Verpflichtung entsprochen haben. Man berechne also uur, wie<br />

viel Hnnde wöchentlich mit jenem Quantum Getreide erhalten<br />

werden konnten, so hat man die Zahl <strong>der</strong> Hnnde, welche Saal<br />

vor <strong>der</strong> Ablösung zn füttern gehabt haben würde. Die 1712^/2<br />

Scheffel ergeben für 49 Wochen, also fast für ein volles Jahr<br />

fast genan 35 Scheffel, also nahezn ^ Trömt, für die Woche.<br />

Nnn wnrden am herzoglichen Hofe zn Wolgast gegen Ende des<br />

16. Jahrhun<strong>der</strong>ts nur 2 Drömt Hafer wöchentlich für die<br />

Jagdhunde verfüttert; Herzog Philipp Julius freilich, <strong>der</strong> eiu<br />

fchr großer Jäger und Hnndeliebhaber war, vermehrte feine<br />

Mente soweit, daß dafür 6 Drömt Hafer wöchentlich verbacken<br />

werden mnßten. Saal all eiu würde danach mit seinen jährlichen<br />

1712 l/2 Scheffeln Huudekoru die ganze Iagdmcnte des<br />

Wolgaster Hofes am Ende des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts ein Jahr<br />

und 5 Monate uud die viel größere des Herzogs Philipp<br />

Julius nahezn 6 Monate zn füttern verpflichtet gewesen sein.<br />

Um aber diesen Wi<strong>der</strong>sinn noch näher zn legen, habe ich<br />

mir bei einem dnrch achtjährige Erfahrung mit <strong>der</strong> ausschließlichcn<br />

Haserschrotfütternng <strong>der</strong> Jagdhunde vollkommen vertrauten<br />

Landmann darüber Raths erholt, loie viel Iagdhnnde täglich<br />

mit einen! Scheffel Hafer ernährt werden könnten. Derselbe<br />

gab mir die Ansknnft, daß außerhalb <strong>der</strong> Jagdzeit 25 bis 30<br />

Huude vou einem Scheffel Hafer täglich satt gemacht werden<br />

könnten, daß sie aber in <strong>der</strong> Jagdzeit doppelte nnd dreifache<br />

Nahrung verlangten, daß alfo — durch einan<strong>der</strong> gerechnet —<br />

täglich ein Scheffel Hafer für 15 bis 18 Jagdhunde hinreiche,<br />

daß aber, wenn diefem Scheffel Hafer in dem bei dem Saaler<br />

Hnndekorn angegebenen Verhältnis; das nahrhaftere Roggenund<br />

Gersten-Mehl beigemischt wird, auf einen solchen Scheffel


Das Hundekorn. 329<br />

20 Jagdhunde zu rechnen eine mäßige Schätzung sei. Danach<br />

hätten also die Saaler Vanern 49 Wochen des Jahres hin-<br />

dnrch 100 Jagdhunde fedcn Tag zu füttern gehabt. Wenn<br />

nnn <strong>der</strong> Verpflichtung dieser einen Bauernschaft die ähnliche<br />

Verpflichtung in allen an<strong>der</strong>n Dörfern zur Seite stand, wie<br />

viele Millionen Hnndc hätten in Pommern gehalten werden<br />

müssen, nnd da die Hunde doch nur des Wildes wegen da<br />

waren, une groß hätte <strong>der</strong> Wildstand, nnd da dieser nicht ohne<br />

schützende Wäl<strong>der</strong> gedacht werden kann, die Ansdchnnng <strong>der</strong><br />

Walduugcn und Forsten in Pommern sein müssen? Wie viel<br />

Nanu: wäre noch für menschliches Wohnen nnd menschliche<br />

Cultur übrig geblieben? Und wenn <strong>der</strong> Bauer in Saal und<br />

in all den an<strong>der</strong>n Dörfern seinen Pflug nicht führen, seine<br />

Erndtc nicht einbringen konnte, wovon sollte dann wie<strong>der</strong> das<br />

Hnndekorn hergenommen werden? Genng hiervon. Es wird<br />

darans klar sein, daß die Annahme, das in Pommern vorkom-<br />

mende Hnndckorn sei eine Iagddienstablösnng gewesen, eine<br />

Annahme ist, welche kaum diskutirt werdeu kann.<br />

2. Der Behauptung vou Bilow's: das Hundekoru sei<br />

eine ans den slavischen Dörfern solcher Gegenden, wo <strong>der</strong> Herzog<br />

Jagd zu treiben pflegte, lastende Abgabe, habe ich damit zu-<br />

rückgewiesen, daß das Hnndckorn ja hauptfächlich iu deutschen<br />

o<strong>der</strong> früh germanisirlcn Orten Vorpommerns vorkomme.<br />

Darüber, wer zn Iagddiensten verpflichtet gewesen, und ob in<br />

Pommern überhaupt eiue Ablösung <strong>der</strong>selben vorgenommen,<br />

habe ich mich nicht ansgesprochen, son<strong>der</strong>n mich lediglich darauf<br />

beschränkt, nachzuweisen, daß die Getreidchcbung, welche in<br />

Pommern den Namen „Hnndekorn" führt, nicht einer Iagd-<br />

abgabe entstammt. lieber die Iagddienste zur Hundcverpflegnng<br />

selbst, über die zwei verschiedenen Arten, worin bei je<strong>der</strong> die<br />

Verpflichtung bestand, wer <strong>der</strong> Verpflichtete war und in welcher<br />

Art die Ablösung stattfand, darüber werde ich nachher in Be-<br />

zug auf pommerfche Zustände das Nöthige beibringen. Meine<br />

Angabe, daß viele Orte Pommerns, in denen die Abgabe<br />

„Hnndekorn" vorkommt, deutschen Ilrsprnngs seien, habe ich<br />

in meinem ersten Gutachten überhaupt nicht beweisen wollen,<br />

22»


ZIO Das tznndekorn.<br />

was sonst übrigens nicht schlver gewesen wäre. Wenn behauptet<br />

worden ist, daß „die Entwickelung <strong>der</strong> ländlichen Verhältnisse<br />

Neuvorpommern^ überall ans ehemaligen slavischen bäuerlichen<br />

Besitz znrückweist", so wi<strong>der</strong>legt sich diese Ansicht dnrch die<br />

Namen <strong>der</strong> Dörfer allein. Man berücksichtige nur das Zeugnis;<br />

für die Colonisation <strong>der</strong> Dentschen in Neuvorftommeru, welches<br />

in <strong>der</strong> großen Zahl <strong>der</strong> in diesem Landestheile namentlich in:<br />

Süden und Westen <strong>Greifswald</strong>s vorhandenen „Hagen"-Dörfer<br />

liegt, welche die deutsche Axt und <strong>der</strong> dentsche Pflng dem<br />

Mittenwalde zwischen Eldena und Giitzkolv abgerungen hat.<br />

3. Ferner ist gegen mein Gutachten eingewendet worden,<br />

die in demselben vorgebrachte Ausführuug sei „ohne jedes Gewicht,<br />

wenn man nicht von <strong>der</strong> Suppositiou ansgcht, daß <strong>der</strong><br />

Ansdrnck „Pachte", „Korupächte", „Pachtgel<strong>der</strong>" eine feste<br />

Bedeutnng habe, welche den Begriff einer Abgabe znr Fütterung<br />

fürstlicher Hunde ansfchließt". Diese Snpposition trifft<br />

nnu aber gerade in allen von mir angegebeneu Fällen ein,<br />

loie die von mir bezeichneten Amtsregister erweisen. Wie das<br />

oben beschriebene Amtsregister von Barth, so sind in ähnlicher<br />

Weise auch die au<strong>der</strong>eu Amtsregister eingerichtet; alle scheideu<br />

gauz geuau die verschiedenen Einnahmequellen, uutcr dcueu sie<br />

die eingegangenen Abgaben verzeichnen, also Bede, Pacht,<br />

Hundekorn, Ablager resp., so daß hier an eine allgemeine Bedeutuug<br />

<strong>der</strong> Pacht in keinem Falle gedacht werden kann.<br />

Uebrigens gebrancht die Zeit nnserer Amtsregister den Ansdrnck<br />

„Pacht", „Hufenftacht", ausschließlich nnr in <strong>der</strong> Vedeutuug,<br />

wie ich sie obeu bei Besprechung <strong>der</strong> Abgaben ansgeführt<br />

habe, woranf <strong>der</strong> juristische Begriff des loc^i gar keine Anwendnng<br />

findet. Die ländliche Pacht ini Sinne des locln'n<br />

stand nm diese Zeit in Pommern erst in sehr spärlichem Gebrancb,<br />

und hieß uoch das gauze 17. Iahrhuu<strong>der</strong>t hindurch nicht<br />

„Pacht", son<strong>der</strong>n „peiiäio o<strong>der</strong> Arrhende", <strong>der</strong> Pächter „i)on-<br />

3Ì0n^riu3 o<strong>der</strong> Arrhcndator", verpachten „verpensioniren o<strong>der</strong><br />

verarrhendiren."<br />

4. Endlich ist <strong>der</strong> fernere Einwand gegen mein Gutachten<br />

gemacht worden, es sei darin zwar behanptet, aber nicht uach^


Das .Hundekorn. ZZI<br />

gewiesen, „daß die Hundekornabgabe den Klostergütern erst<br />

nach <strong>der</strong> Reformation uuter diesem Namen aufgelegt o<strong>der</strong><br />

audcre Abgaben erst damals so bezeichnet worden, und daß<br />

die Klostcrgüter vorher von allen grundherrlichen Leistungen,<br />

namentlich von Iagdabgaben (was mit Iagddiensten nicht nothwendig<br />

zusammenfällt) frei gewesen seien". Ich muß auch<br />

hier zunächst feststellen, daß in meinem Gutachten nicht behauptet<br />

wird, daß deu Klostergütcru erst uach <strong>der</strong> Reformatiou die<br />

Abgabe Hnndekorn aufgelegt sei, son<strong>der</strong>n — was davon sehr<br />

wesentlich verschieden ist — daß, „die althergebrachten theils<br />

in Pacht, theils in Bcdekorn bestehenden Getreideliefernngen in<br />

Huudekorn umgetauft wurden", d. h. nur den Namen än<strong>der</strong>ten.<br />

Daß die Unterthanen <strong>der</strong> Klöster von allen landesherrlichen<br />

Abgaben und Diensten zn Gunsten <strong>der</strong> Klöster befreit wurden,<br />

ist eine so allgemein bekannte Thatsache und gilt für alle<br />

Klöster, daß sie mir kanm eines Beweises zu bedürfen schien.<br />

Sonst sind die Beweisdoknmente dafür in Betreff <strong>der</strong> pommerschen<br />

Klöster in Fabrkius, Urkunden zur Geschichte Rügens,<br />

nnd in Kosegarten nnd Hassclbach, 0oä6x clipi. ?om. zu Huu<strong>der</strong>ten<br />

anzutreffen, ich greife nur eine über das Kloster Eldeua<br />

vom Jahre 1209 heraus, in welcher es heißt: ^oolono^ ot<br />

6t u^iuni 6s1ìti69.6Ì0N6 voi 1'6P3


Die Einwände gegen mein Giltachten sind demnach überall<br />

als hinfällig nachgewiesen und dasselbe bleibt in allen seinen<br />

Einzelheiten anfrecht erhalten. Es ist nur gewissermaßen znm<br />

Vorwurf gemacht, daß ich meine Untersnchnng nnr ans das in<br />

Pommern vorkommende Hnndekorn beschränkt nnd nnr das<br />

einzige, die ländlichen Abgabenverhältnisse Pommerns besprechende<br />

Werk von Bilow berücksichtigt habe. Indeß war mein<br />

Gutachten nnr in dieser Nichtnng erfor<strong>der</strong>t worden nnd in dem<br />

vorliegenden Prozeß handelt es sich ja anch nnr nm eine<br />

Hundekornabgabe in Pommern; es konnte also meine Aufgabe<br />

nicht sein, die in an<strong>der</strong>n Gegenden Deutschlands in dieser Hinsicht<br />

vorliegenden Verhältnisse zu besprechen. Es würden sich<br />

sonst anch hier Provinzen haben vorführen lassen, in denen<br />

<strong>der</strong> Name Hnndekorn in <strong>der</strong>selben Bedentnng nnd Anordnnng<br />

wie in Pommern gebrancht worden ist, z. B. in <strong>der</strong> Mark,<br />

wofür ich ans Wohlbrück, Geschichte des Bisthums Lebns I.<br />

S. 264 f. verweise.<br />

Es ist für die Annahme, daß „Hnndetorn" eine Jagdabgäbe<br />

fei, geltend gemacht worden, „das; sich die Abgabe des<br />

Hnndekorns nnter diesem Namen o<strong>der</strong> mit .<strong>der</strong> Bezeichnung<br />

„Hundehafer", „Hnndebrot", „Huudslager", „Hnndslagergeld",<br />

0!,uilN'ÌH) c^u^'iuiii und an<strong>der</strong>en Bezeichnungen dnrch ganz<br />

Deutschland in den slavischen Län<strong>der</strong>n nnd in Frankreich findet<br />

und überall ans denselben Grnnd znrückgeführt wird".<br />

In diesem Satze werden „Hundekorn" nnd alle diese<br />

Namen, als wenn es gleichbedeutende Diuge wären, dnrchein^<br />

an<strong>der</strong>geworfen, nnd doch sind alle ganz von einan<strong>der</strong> verschieden.<br />

Der Name „Hnndekorn" bezeichnet ja überhaupt nnr, daß eine<br />

Kornhebnng für die Fütternng von Jagdhunden bestimmt ist;<br />

ob diese Hebnng aber ans <strong>der</strong> Ablösung einer Iagddienstverpflichtnng<br />

entfprnngen, o<strong>der</strong> eine Iagdabgabe, o<strong>der</strong> endlich eine<br />

althergebrachte Pacht- nnd Vede-Hebnng war, welche, auf den<br />

Staats- und Hof-Haushaltsetat gebracht, den Namen „Hnndekorn"<br />

erhielt, weil die Fütternng <strong>der</strong> Jagdhunde an dem<br />

Hofhaushalt einen mcht nnwesentlichen Antheil hatte, darüber fagt<br />

das Wort „Huudekoru" gar uichts. Es besteht eine zweifache


Das Hundekorn. 333<br />

Verpflichtung zur Fütterung von Jagdhunden: ). die Verpflichtung<br />

einer gewissen Klasse bäuerlicher Besitzer, einzelne fürstliche<br />

Jagdhunde aufzufüttern o<strong>der</strong> auszuhalten; 2. die Verpflichtung<br />

adlicher Vafallen, Klöster und Städte, fürstliche<br />

Iagdmcuten zu Herbergen und zu füttern. Im Glosfar von<br />

Ducauge beziehen sich die Artikel o^n^imil) o^Q^ria, auf<br />

die zweite Art dieser Verpflichtung, ebendarauf <strong>der</strong> in Gönner,<br />

Rechtfälle, Band I Seite 219 besprochene Fall; von Bülow<br />

uud Hagemauu, praktische Erörterungen, Band V Seite 182<br />

allein erwähnen beide Arten, wenn auch nicht scharf unterscheidend,<br />

und die zweite Art fo oberflächlich, daß für den nicht<br />

sonst genauer über diese Verpflichtung Unterrichteten eine irrthümliche<br />

Auffassung kaum vermieden werden kann.<br />

In Betreff <strong>der</strong> ersten Art <strong>der</strong> Verpflichtung handeln von<br />

Bülow und Hagemann a. a. O. leidlich ausführlich, sie nenuen<br />

als die Verpflichteten nnr eine ganz bestimmte Klaffe von<br />

Gutsleuten, nämlich die Jagd- o<strong>der</strong> Reitmeier, d. h. in die<br />

pommersche Sprache übertragen, die Lehn- uud Freischulzen.<br />

Sie behandeln dann die Verpflichtung selbst und führen aus,<br />

daß dicfe zu deu gemesfeuen Diensten gehörte und nur zweimal<br />

im Jahr, zur Stroh- und zur Körnerzeit, stattfand. Endlich<br />

fagen sie nichts von ihrer Ablösung, son<strong>der</strong>n besprechen die<br />

Sache, als wenn sie zu ihrer Zeit noch im vollen Gange befindlich<br />

gewefen fei.<br />

Die zweite Art <strong>der</strong> Verpflichtung bespricht Gönner a. a.<br />

O. in einem Beispiele, dem Rechtsfalle des Klosters L., sowie<br />

auch von Bülow und Hagemann a. a. O. in einigen Zeilen.<br />

Hier war <strong>der</strong> Verpflichtete <strong>der</strong> Vafall, das Kloster, die Stadt.<br />

Wenn die beiden letztgenannten Rechtslehrer hier auch „Gutsleute"<br />

hineinziehen, so geben sie dafür keme Begründung und<br />

ist das auch Wohl uur irrthümlich von ihnen geschehen. Die<br />

Verpflichtung hieß „das Huudelagcr", die Ablösung, wenn sie<br />

in Geld stattfand, „das Huudclagergeld" ; ob, wenn sie in eine<br />

jährliche Naturalabgabe umgewandelt wurde, sie „Hundehafer",<br />

„Hundebrot" genannt ward, muß ich bezweifelu. Vielleicht<br />

habeu jeue Nechtslchrer eiue Ablösung <strong>der</strong> ersten Art dieser


334 Das .Hundekorn.<br />

Verpflichtnng, lvelche in einigen Gegenden Deutschlands mittelst<br />

einer geringen Quantität Haferbrot o<strong>der</strong> Haferkorn stattgehabt<br />

haben mag, mit <strong>der</strong> zweiten Art verwechselt nnd deshalb anch<br />

im Eiugange ihrer Besprechung die „Gutsleute" nnter die<br />

adlicheu Vasallen und Klöster gemischt.<br />

Nun liegt die Zache aber noch an<strong>der</strong>s, da wir es ill<br />

nnserm Falle nicht mit einer hannoverschen, son<strong>der</strong>n eiller pommerschen<br />

Abgabe zu thuu haben und es keineswegs voll vorn<br />

herein feststeht, dan alles das, was dort Rechtens war, es<br />

deshalb anch in Pommern gewesen sei. Denn wie ähnlich anch<br />

il! vielen Beziehungen die geschichtliche Entwickelung <strong>der</strong> Rechtsverhältnisse<br />

in Teutschland sich vollzogen hatte, so hat sich doch<br />

manches landschaftlich so eigenartig entfaltet, daß eine Ilebertragnng<br />

<strong>der</strong> Verhältnisse nnd Zustände eines Landes ohne<br />

weiteres auf das an<strong>der</strong>e zu den größten Mißgriffen in historischen<br />

Dillgeil führeu muß, und zwar um so sicherer führen<br />

mnß, je welliger die Praemissen klargestellt sind.<br />

In Pommern bestand die erste jener beiden Arten voll<br />

Iagddienstverpflichtuugen in ganz ähnlicher Form, die zweite<br />

dagegen kam hier nur in dem Ablager znr Erscheinnng, weshalb<br />

ich mich veranlaßt fühle, über das was, hier zn Lande<br />

ill dieser Beziehung Rechtens war, eine knrze Darstellung zn<br />

geben. Die ländliche Bevölkerung Pommerns, mochte sie min<br />

aus eiugeboreueu Wenden o<strong>der</strong> eingewan<strong>der</strong>ten Dentschen bestehen,<br />

war, sowie ili gewissem Grade anch die Bürger <strong>der</strong><br />

Städte, zn Iagddiensten verpflichtet; nnr die Klosternnterthanen<br />

genossen zn Gunsten <strong>der</strong> Klöster Freiheit von solchen Dienstell,<br />

zn denen auch die Verpflichtnng gehörte, einzelne fürstliche<br />

Iagdhnnde auf läugere o<strong>der</strong> kürzere Zeit ill Pflege uud Kost<br />

zu nehmen. Aber diese Verpflichtung war eine <strong>der</strong>artige, daß<br />

man sie we<strong>der</strong> einem Jeden znmnthen konnte noch anch wollte,<br />

weil <strong>der</strong> Verpflichtete dnrch seine Vermögenslage eine gewisse<br />

Garantie darbieten mußte, daß man sich an ihm des Schadens<br />

würde erholeil können, wenn <strong>der</strong> Iagdhnnd — oft ein kleines<br />

Kapital, da er mit vielen Unkostelt ans Belgien, England o<strong>der</strong><br />

Dänemark, o<strong>der</strong> auch nnr aus den entfernteren Gegenden


Das Hundekorn. 335<br />

Deutschlands herbeigeholt wurde — durch seme Schuld o<strong>der</strong><br />

Vernachlässigung krepirte. So kam es, daß man, wie im übrigen<br />

Deutschland, so auch iu Pommern, das Anffüttern junger und<br />

das Aushalten erwachsener Jagdhunde für bestimmte Zeiten<br />

des Jahres nnr einem ganz beschränkten Kreise von bäuerlicher<br />

Besitzern znmuthete, welche dafiir wahrscheinlich durch Befreiuug<br />

von an<strong>der</strong>n Iagddicnsten entschädigt wurden. Als solche Ver-<br />

pflichtete erweisen sich in Pommern, ebenso wie in Hannover,<br />

die Lehn- o<strong>der</strong> Freischützen; neben diesen aber waren es noch<br />

die Müller, <strong>der</strong>en Gewerbebetrieb sie beson<strong>der</strong>s zur Ableistung<br />

dieses Dienstes geeignet machte, sowie auch die Städte, welche<br />

ihrer Verpflichtung auf Stadtunkosten durch die Büttel nach-<br />

t'ommcn ließen. Nach dem Inventar, welches beim Tode des<br />

Herzogs Philipp Julius über die fürstlichen Jagdhunde auf-<br />

genommen wurde ^) betrug die Zahl <strong>der</strong> englischen und <strong>der</strong><br />

Hetzhunde im Jahre 1625 im Ganzen 54, davon standen zwölf<br />

im herzoglichen Hundcstall zu Wolgast, je eiuer im fürstlichen<br />

Hause o<strong>der</strong> Amthause zu Barth, Neckermünde und Iasenitz,<br />

14 bei den Schulzen zu Lotmannshagen, Kühlenhagen, Hans-<br />

Hagen, Hohendorf, Ernsthof, Spiegelsdorf, Diedrichshagen,<br />

Kemnitz, Ladebow und Vorland, vier bei den Müllern über<br />

<strong>der</strong> Fähre, zn Molzkow und Bandemin, 21 bei den Bütteln<br />

<strong>der</strong> Städte Pasewalk, <strong>Greifswald</strong>, Wolgast, Franzburg, Usedom,<br />

Ueckermünde, Anclam, Lassan, Gutzkow und Barth. Außerdem<br />

waren im fürstlichen Jägerhause zu Wolgast noch 18 Koppel-<br />

Jagdhunde, zwei Lcithunde und siebcu Strick Winde, znsammeu<br />

77, vorhanden. Hieraus wird zugleich ersichtlich, daß wie<br />

mau nicht einen Jeden zu dieser Verpflichtung heranzog, so<br />

auch nicht je<strong>der</strong> Jagdhund in unjagdmäßige Hände zur Pflege<br />

gcgebcu wurde; ausschließlich die Hetzhunde, Rüden uud Sau-<br />

packer zu den Hetz- uud Sanjagden, die keiner beson<strong>der</strong>n Dressur<br />

bedurften, waren die Objecte <strong>der</strong> Verpflichtung. Es versteht<br />

sich auch von selbst, daß unter den verpflichteten Lehnschulzeu<br />

und Müllern nur Amtsunterthancn zu verstehen sind, nicht auch<br />

") Wolg. Archiv Tit, Z2 No ^10 (im Staatsarchiv zu Stettin).


336 Das Hundekorn.<br />

Unterthanen von Klöstern, so lange diese vor <strong>der</strong> Reformation<br />

noch selbstständig bestanden. Als ihre Güter bei <strong>der</strong> Säkularisation<br />

zn Amtsgütern wurden, zog <strong>der</strong> Fürst auch hier die<br />

Freischützen und Müller zur Leistuug jeues Dienstes heran,<br />

welchem Ansinnen als einer nnerhorten Neuerung zuerst passiver<br />

Wi<strong>der</strong>stand entgegengesetzt wnrde, indem die Betheiligten die<br />

ihnen zur Auffütterung übergebenen jungen Jagdhunde lauseu<br />

und umkommen ließen. So fand z. V. Hcrzog Barnim XI.<br />

Veranlassung, dnrch ein Mandat an den Amtmauu zu Colbatz<br />

vom 10. September 1566 sämmtliche Müller uud Freischulzen<br />

des Amts zu bedrohen, daß bei fortgesetztem Ungehorsam je<strong>der</strong><br />

von ihnen nm einen Ochsen gestraft werden solle. ") Der<br />

Kreis <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Hnndeverpflegung Betheiligteu war denmach<br />

im Verhältniß zu den Iagohuuden, welche eiuer solcheu Einlagerung<br />

unterworfen zu werden pflegten, groß genug, daß<br />

ein ordentlicher Turnus unter ihnen beobachtet werden tonnte.<br />

In Pommern kam <strong>der</strong> Netheiligte nicht öfter als ein Jahr nm<br />

das an<strong>der</strong>e daran, meistens wohl noch seltener.<br />

Anßer diesem ordentlichen Dienst lag den Lehuschulzen<br />

und Müllern aber noch <strong>der</strong> außerordentliche ob, Jäger uud<br />

Jagdhunde, wenn letztere bei herannahen<strong>der</strong> Jagdzeit aus den<br />

Standorten gesammelt und dem Hoflager zugeführt wurden,<br />

o<strong>der</strong> wenn sie nach beendigter Jagdzeit wie<strong>der</strong> in ihre Staudquartiere<br />

abgeliefert wurden uud im Orte <strong>der</strong> Betheiligten<br />

rasteten, Nachtlager und Mahl für den Jäger nud für die<br />

Hunde herzugeben. Dies hatte auch zu geschehen, weuu eiu<br />

filrstlicher Jäger eiuen o<strong>der</strong> einzelne Huude bei an<strong>der</strong>er Gelegenheit<br />

transportirte nnd im Orte zu fütteru genöthigt war;<br />

doch bedurfte es hierbei jedesmal eines beson<strong>der</strong>en fürstlichen<br />

Mandates, welches die bevorstehende Einquartierung dem Betreffenden<br />

ansagte.<br />

So schreibt Herzog Philipp Julius vou Wolgast aus<br />

uuter dem 21. September 1623 an die Beamten auf Wolgast,<br />

Eldeua, Franzburg, Barth uud Nügeu, sowie au die Schulzen<br />

Stett. Arch. ?. 1 Tit. 8^ 'Nr. 40.


Das Hundekorn. 337<br />

zu Mesekenhagen, Stalbrode und Horst, die herzoglichen Jäger,<br />

welche für die bevorstehende Schweinshetz die in den genannten<br />

Aemtern stehenden Iagdhnnde zn sammeln abgeschickt seien,<br />

mit Fuhrwerk Zum Weiterkommen, uud so lauge sie in ihren<br />

Ocrtern verharren mnßten, auch mit Speise nnd Trank und<br />

mit Brot für die Hnnde zu versehen.<br />

Aehnlich lailtet ein an<strong>der</strong>es Mandat dcl. Wolgast den 23.<br />

Oetober 1624, worin es heißt: „daß die Beamten nnd Schnlzen<br />

jedes Ortes hiermit ersucht werden, ihn (den Jäger) mit schlenniger<br />

Fuhre von einem Orte znm an<strong>der</strong>n .... fortbringen, ihn:<br />

Essen nnd Trinken .... folgen, anch die Nothdnrft an Brot auf<br />

die bei sich habenden Hunde reichen lassen sollen." '^)<br />

Eine Ablösung dieser Verpflichtung hat in Pommern übcrhanpt<br />

nicht stattgefuuden. Wie schon die mitgetheilten Beweise<br />

ergeben, war sie bis znm Schlnß <strong>der</strong> herzoglichen Zeit noch<br />

in voller Ausdehnnng anfrecht erhalten. Nach dem Aussterbeu<br />

des einheimischen Herrscherhauses aber, also seit 1637, wurde<br />

lein Hoflager mehr im Lande gehalten und mußte somit jene<br />

Berpflichtnng, da kein Berechtigter sie mehr in Anspruch nahm,<br />

von selbst erlöschen. Ebensowenig wie nach von Nülow und<br />

Hagemann in Hannover, so scheint anch in Mecklenburg die<br />

Ablösung nicht erfolgt zn sein, wo nach Kamptz, Schulzeulehne<br />

in Metlenburg (in Zepernik Miscellen Band IV. Nr. 1) die Lehnschulzen<br />

im Lande Stargardt noch am Anfang dieses Iahrhnn<strong>der</strong>ts<br />

znr Fütterung landesherrlicher Jagdhunde verpflichtet waren.<br />

Ans diese Weise war <strong>der</strong> Haushalt des Fürsten in Bezug<br />

aus die Ernährung feiner Jagdhunde aber nnr znm<br />

kleinsten Theil gedeckt, da nnr <strong>der</strong> kleinere Theil <strong>der</strong>felben und<br />

dieser auch nur auf gewisse Zeit des Jahres m Pflege gegeben<br />

wurde. Da aber mancher Landesherr feinen Domanialbesih<br />

durch reiche Vergabungen an Klöster geschmälert hatte, anch<br />

mit <strong>der</strong> ihm in unserer Gegend zn Ende des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

dnrch die Landstände zugebilligten, ordentlichen Landbcde o<strong>der</strong><br />

Grundsteuer verschwen<strong>der</strong>isch nmgegangen war, und sie durch<br />

—<br />

'-"1 Wolg. Arch. Tit. .)2 Nr. ^!10.


338 Das .Hundekorn.<br />

Verlehnnng an die Vasallen, Schenkung o<strong>der</strong> Verlehnnng an<br />

Städte nnd Klöster start redm'irt hatte, so snchte er, nm seine zahlreichen<br />

Iagdmeiüen erhalten zn können, nach cineni nahen Ans^<br />

knnftsnlittel nnd fand dasselbe im Mißbranch seines Ve<strong>der</strong>echts.<br />

Außer <strong>der</strong> ordentlichen Bede stand dem Landesherrn das Recht<br />

zn, für gewisse Fälle, z. B. in KricgsZeiten, znr Anslösnng<br />

aus <strong>der</strong> Gefangenschaft, bei Verheirathung einer Tochter nnd<br />

ähnlichen, allen Unterthanen geistlichen nnd weltlichen Standes<br />

eine gewisse Geld- o<strong>der</strong> Kornhebnng als Stencr anfznlegen.<br />

Dieses Recht dehnten einige Fürsten anch ans die Bedürfnisse<br />

ihres Hundestalles ans, z. V. for<strong>der</strong>ten die Herzoge von Baiern<br />

1373 von den Mönchs- und Nonnenklöster!!, den Pfarrern<br />

nnd Viearen eine geringe Geldabgabe znr Ernährung <strong>der</strong> Iagdhnnde<br />

als „liiiiitäwi'ln'". ^) Meist jedoch wurde diese Steuer<br />

nur in Getreide erhoben und hieß dann „lunioim c^num,<br />

Hnndekorn". Ob sie wohl anch für die einzelne Hnfe, anf<br />

die sie gelegt wnrde, nur einen sehr geringen Betrag an Hafer<br />

ausmachte, so war sie doch sehr verhaßt nnd erregte bei den<br />

Fürsten selbst Gewissensbedenken in Betreff ihrer Rechtmäßigkeit,<br />

so daß sie nirgendswo von langem <strong>Bestände</strong> gewesen ist. In<br />

Meklenbnrg z. B. hob sie Herzog Heinrich 1319 ausdrücklich<br />

als eine fluchwürdige Abgabe auf uud verbot seineu Nachkommen,<br />

sie je wie<strong>der</strong> einzuführen.^) Nur in Urkunden des<br />

14. Jahrhun<strong>der</strong>ts wird dieser verwerflichen Steuer Erwähnung<br />

gethan, welche gegen die von dem Iagddienst Befreiten eine<br />

Rechtsverletzung war und die zu solcheu Diensten Verpflichteten<br />

mit doppelter Last belegte, uud hat dieselbe nirgends Spuren anf<br />

die späteren Jahrhun<strong>der</strong>te vererbt. Um so mehr bin ich erstannt,<br />

daß sie ihre Schatten noch in unsere Tage werfen konnte.<br />

Es entspricht dies aber ganz nnd gar nicht <strong>der</strong> historischen<br />

Wahrheit, steht anch nicht einmal in den Rechtsbüchern. In<br />

Frankreich war die Abgabe Aimoii^ oamiin völlig unbekannt ^)<br />

2») Pez, Script, ^ustr. Theil I, Seite 422.<br />

'") Marschalk, ^uiilü. V. o. 4 und Kirchberg,<br />

n) Vergl. Du Cange.


Das Hundekorn. 339<br />

und in Deutschland kam sie nur ganz sporadisch als ein Auswuchs<br />

<strong>der</strong> Fiuauzkunst des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts vor, weil nicht<br />

je<strong>der</strong> Fürst gewissenlos genug war, sich über Recht und Herkommen<br />

hinweg zu setzen und eine willkürliche Auflage zu<br />

machen, uud auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Seite auch die Landstände nicht<br />

überall fo schwach waren, daß sie einem solchen Beginnen nicht<br />

hätten Wi<strong>der</strong>stand leisten können. In Pommern nun, wo die<br />

Landstände an den durch den Hansabund mächtigen Seestädten<br />

einen starken Rückhalt hatten, und wo die Fürsten sich<br />

stets durch Gerechtigkeitssinn und Milde gegen ihre Unterthanen<br />

auszeichueten, hat diese Abgabe nie Eingang gefunden.<br />

Einen bessern Ausweg, sich die Ausgabe für den Hnndestall<br />

zu erleichtern, wußten die Fürsten im 15. Iahrhuu<strong>der</strong>t zu finden.<br />

Der Landesherr besaß nach altem Herkommen seinen Unterthanen<br />

gegenüber das ^jU8 pi^iiäii und Hi^kr^^riHS, d. h.<br />

des Recht, von seinen Vasallen, Klöstern und Städten, und im<br />

gewissen Grade auch von seinen Amtsunterthanen, wenn er in<br />

ihren Grenzen weilte, uueutgeltlich beherbergt und beköstigt zu<br />

werden.<br />

Dieses Gastrecht beschränkte sich aber nicht auf seine Person<br />

allein, son<strong>der</strong>n umfaßte auch alle seine Beamten, Diener, Jäger,<br />

Pferde und Huude, die in feiner Begleitnng o<strong>der</strong> auch bloß<br />

iu seiuem Auftrage die betreffenden Gegenden betraten und<br />

daselbst zu verweileu geuöthigt waren. Durch die allmälige<br />

Eutwickeluug <strong>der</strong> Theorie vom Iagdregal hatten die Fürsten<br />

die Ausübung <strong>der</strong> hohen Jagd auch auf den Gütern ihrer<br />

Vasallen, Klöster und Städte als ihr ausschließliches Recht an<br />

sich gezogen; so kam es, daß, wenn sie zur Abhaltung <strong>der</strong>selben<br />

auf den Klostergütcrn mit großem Gefolge erschienen, das<br />

Kloster durch die Ernährung <strong>der</strong> Menschen und Thiere in<br />

große Unkosten gestürzt wurde und auch soust manche Belästigungen<br />

erfuhr. Daran ließ sich aber mancher Herrscher nicht genügen,<br />

son<strong>der</strong>n belegte die Klöster in willkürlicher Ausdehuuug dieser<br />

Rechte mit seinen Jägern und Hundeu zur Ausfütterung anf<br />

längere Zeit. Dies nannte man das Hund e lager. In den<br />

Urkunden des 15. Jahrhun<strong>der</strong>t werden viele Klagen über die


340 Das Hundekorn.<br />

Belästigungen, welche die Klöster durch das Hnndelager erfuhren,<br />

laut, und die Concilien von Costnitz nnd Basel erließen förmliche,<br />

wenn auch wirkungslose Exeomnmnieationsdecrete gegen<br />

alle die, welche die Geistlichen mit solchen Verationen heimsuchen<br />

würden. Daher sahen sich manche Klöster veranlaßt, einen<br />

Vertrag mit ihren Fürsten über die Dauer des Hnndelagers<br />

abzuschließen. Manche kanftcn sich schon früh von demselben<br />

los, so trat z. B. <strong>der</strong> Probst des Klosters Pöhlde zn Anfang<br />

des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts für den Erlaß des Hnndelagers dem<br />

Herzog Philipp von Brannschwcig den Zehnten im Felde zn<br />

Hagen, nebst drei Maltern Roggen nnd drei Maltern Hafer<br />

ab. ^) Ich habe dieses Beispiel absichtlich aus an<strong>der</strong>n herausgegriffen,<br />

um dabei ans die Entstehung des Hnndezehntens,<br />

Huudedecems aufmerksam zn machen, eine Abgabe, die in Pommern<br />

allerdings nicht vorkommt. In diesem Beispiel trat <strong>der</strong> Probst<br />

den Zehnten, den die Bauern ihm schuldig waren, für eine<br />

Iagddienstverpflichtnng ab, uud weuu unn auch deshalb jener<br />

geistliche Zehnte den Namen Hnndezehntc erhielt, in Bezug<br />

auf die zur Zahlung verpflichteten Vaueru hat er feine Natur<br />

als geistlicher Zehnten gar nicht geän<strong>der</strong>t. Es würde also,<br />

wenn das Gesetz vom 2. März 1850 ans diesen Fall zur<br />

Anwendung käme, den Rechtsnachfolgern <strong>der</strong> Banern zn Hagen<br />

ein unmotivirtes Geschenk gemacht werden znm Nachtheil eines<br />

An<strong>der</strong>n, während doch nnr <strong>der</strong> Rechtsnachfolger des Probstes<br />

zn Pöhlde einen Anspruch auf Restitution <strong>der</strong> geleisteten Abfindung<br />

erheben könnte. In Pommern fand jene Ansdehnnng<br />

des Iagdrechts in Verbindung mit dem Iagdregal nicht statt,<br />

doch ließen sich anch die Pommerschen Herzoge das Iagdrecht<br />

in ihren Klöstern in vollem Maße gefallen uud beanspruchten<br />

es auch für ihr Comitat, wenn sie znr hohen Jagd die Grenzen<br />

<strong>der</strong>selben betraten. Dies nannte man hier zu Laude das „Ablager<br />

halten." Da dasselbe immerhin den Klöstern zn großer<br />

Belästigung gereichte, so begannen diese schon Ende des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

eine Abfindnng für dasselbe herbeizuführen, welche<br />

'") Leuckfeld, ^uti^. Pocld. S. 100.


Das Hundekorn. 341<br />

man ebenfalls das Ablager nannte. So kommen schon 1490<br />

die Ablagcr ans den Klöstern Iasenitz, Pudagla, Verchen,<br />

Wollin, <strong>der</strong> Hofmcisterei zn Treptow a. T. nnd <strong>der</strong> Domprobstei<br />

zn Cammin als Abgabe vor, welche <strong>der</strong> Herzogin Anna,<br />

<strong>der</strong> Gemahlin Herzogs Bogislav X., znm Leibgedinge verschrieben<br />

worden. 25) Auch die Städte waren für ihre Landgüter zum<br />

Ablagcr verpflichtet, so schwebte z. V. im Anfang des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

zwischen demselben Herzog Bogislav X. und <strong>der</strong><br />

Stadt Stettin ein Streit wegen seines Ablagcrrcchtes in Pö'litz,<br />

und noch am Ende dieses und am Anfang des 17. Iahrhnn<strong>der</strong>ts<br />

nahmen die Herzoge Johann Friedrich und Philipp II.<br />

das Ablagerrccht im stettiner Landgute Verglank in Anspruch.<br />

Bei dem pommcrschen Ablager wie bei dem an<strong>der</strong>swo vorkommenden<br />

Hnndelager ist <strong>der</strong> Verpflichtete wie <strong>der</strong> Ablösende<br />

immer das Kloster, die Stadt, und nicht <strong>der</strong>en Unterthanen;<br />

dagegen sinde ich, daß die Amtsunterthancn in gewissem Grade<br />

zur Leistung des Ablagcrs herangezogen worden sind, also<br />

wenn <strong>der</strong> Fürst ans Reisen o<strong>der</strong> Iagdzügen durch ihre Gegend<br />

kam, o<strong>der</strong> auch Beamte in seinem Auftrage, sie in beschränktem<br />

Maße Mehl nnd Fnttcr für Mann, Roß und Hunde haben<br />

hergeben müssen. Auch sie lösten diese Verpflichtungen meistens<br />

im Laufe des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts ab; daher erscheinen in den<br />

Amtsregistern die Titel Ablagergeld, Ablagerroggen, Ablagerhafer.<br />

So zahlte nach dem Barther Amtsregister das Dorf<br />

Saal vier Scheffel Ablagerroggen und vier Drömt Ablagerhafer,<br />

das Dorf Kentz zwei Scheffel Ablagerroggen und zwei<br />

Drömt Ablagerhafer.<br />

Fasse ich znm Schlüsse die Resultate meiner Erörterung<br />

zusammen, so crgcbeu sich daraus folgende Punkte für die vorliegende<br />

Prozeßverhandlung:<br />

1. In bäuerlichen Kreifen hat die Verpflichtung znr Fütterung<br />

von Jagdhunden in Pommern nur den Freischnlzen nnd<br />

Müllern obgelegen und diese Verpflichtung ist niemals<br />

abgelöst worden.<br />

N) Klempin, Diplom- Beiträge Seite 527 ff.


342 Das Hundekorn.<br />

2. Eine Iagdabgabe „Hnndekorn" hat in Pommern niemals<br />

bestanden.<br />

Z. Hnndelagcr waren in Pommern nicht üblich; dagegen<br />

fanden die Ablager stati, diese sind abgelöst nnd die<br />

Ablösungen finden sich in den Amtsregistern nnter dem<br />

Titel „Ablager."<br />

4. Das in Pommern vorkommende Hnndckorn ist eine Pachtnnd<br />

Bedekornhcbnng nnd hat znr Jagd nicht die mindeste<br />

Beziehnng.<br />

Stettin, den 15. April 1874.<br />

Der Staa tsarchivar Dr. Klempin.<br />

Gutachten<br />

des Archiv-Raths Di-. F. Wigger in Schwerin.<br />

Im Jahre 1454, „an deme daghe Sunte Peters in <strong>der</strong><br />

Arne" (also am 1. Angnst), verkaufte Herzog Wartislav d. ä.,<br />

Herzog zu Stettin n. s. w., für sich, seine Söhne nnd Erben,<br />

nm 1400 Mark Snndisch wie<strong>der</strong>tänflich an den Magister Berthold<br />

Zegheberghe, Rathmann zn <strong>Greifswald</strong>, dessen Erben<br />

nnd Cessionarien:<br />

„alle unse bede^ denjrcshelt unde Hundekornc ur<br />

dem dorpe ^Hynrikeshacshel^ by deme Reynebercshe<br />

belecfhel^ als nomlyken xivi^ iN. u»lde<br />

xiiü M. dcnstcfhcldcs lu^de ene laft u»rde<br />

vefftehalvcn schcpel Hundekornes dryerlebe")<br />

nebst Bede ails dem Dorfe „Crneemanshaghen".<br />

Wir fügen hinzn, daß die Universität <strong>Greifswald</strong> später<br />

in den Besitz dieses Pfandbriefes kam, und 1563 die<br />

Landesherrschaft, ans das Einlösnngsrecht verzichtend, <strong>der</strong> Universität<br />

jene Hebnngen znm Eigenthnm überließ, nnd hiermit<br />

die Schnld, für welche jene Hebungen verpfändet waren, abtrng.<br />

Nach den: „Vniversitcten-Register" von 1570/71 bezog


Das tznndekorn. 343<br />

die Universität aus Hinrickshagen damals keine an<strong>der</strong>e Hebungen,<br />

als 61 Mk. „stände Pechtc" nnd 1 Last 9 Scheffel „Korn",<br />

und zwar 2 Drömt 11'Scheffel Roggen, ebenso viel Gerste<br />

und ebenso viel Hafer. Die Differenz zwischen 1 Last 4^/2<br />

Sch. und 1 Last 9 Sch. wird sich aus eiuem verschiedenen<br />

Scheffelmaße hinreichend erklären. Vgl. unten im Abschnitt VIII.<br />

Die Bedeutung des Wortes „hnndckorne" in obiger Urkunde<br />

ist streitig geworden. Es handelt sich nm die Frage,<br />

ob es zn den „in Beziehnng ans die Jagd obliegenden Diensten<br />

und Leistungeu" gehört, welche „alle" durch das Gesetz betr.<br />

die Ablösung <strong>der</strong> Rcallasten n. s. w. vom 2. März 1850<br />

(§. 3, 6) „ohne Entschädigung aufgehoben" sind.<br />

1.<br />

Diese Frage ist zunächst ^. verneinend beantwortet von<br />

dem weiland Archivar Dr. Klempin in einem vom 31. October<br />

1873 datirten Bericht, in welchem <strong>der</strong>selbe einer früheren Ansicht,<br />

als ob „das Hnndckorn eine ans den vormals slavischen<br />

Dörfern solcher Gegenden, wo <strong>der</strong> Herzog Jagd zn treiben<br />

pflegte, lastende Abgabe" sei, „wodurch die uralte Pflicht, die<br />

Hunde bei sich zu füttern, durch jährliche Lieferung von zwei<br />

bis drei Scheffeln Hafer an den Hof zu Brod für diese Bestien<br />

abgelöst werden mußte", — die Wahrnehmung entgegenstellt, daß<br />

dasselbe Korn aus gar vielen schon durch ihre Namen als<br />

deutsche Anlagen zu erkennenden Dörfern Neuvorpommerns<br />

erlegt sei, und seine eigene Behauptung:<br />

„Das Hundekorn entstand nicht durch Umwaudclung von<br />

Iagddiensten in Naturalliefcrung von Getreide",<br />

durch zwei Gründe stützt, nämlich<br />

H. „daß in den Kloster guter n (bei <strong>der</strong>en Vergabung an<br />

die Klöster alle weltlichen Lasten und speeiell auch die<br />

Iagddienste aufgehoben waren), seitdem sie nach <strong>der</strong><br />

Reformation in den Domanialbesitz <strong>der</strong> Herzoge übergingen,<br />

die althergebrachten theils in Pacht-, theils in<br />

Nede--Korn bestehenden Getrcidclieferungcn<br />

ebenfalls in Hundekörn umgetauft wurden".<br />

23


344 Das vundekorn,<br />

d. „An<strong>der</strong>ntheils ergiebt auch dir Znsanimenstellung <strong>der</strong><br />

Gesammtabgaben <strong>der</strong> nnt Hnndekorn belegten Ortschaften,<br />

daß das letztere theils aus <strong>der</strong> Pacht-, theils<br />

ans <strong>der</strong> Herbstbede entstanden sein mnß, nnd<br />

seine Höhe im correspondirenden Verhältniß zn den in<br />

Geld umgewandelten an<strong>der</strong>en Abgaben steht".<br />

Sein positives Resultat faßt Klenipin zusammen iu folgenden<br />

Satz:<br />

„Das „Hundekorn" war demnach bald Pacht-, bald<br />

Bede-Hebnng uud als solche fast immer gleichmäßig ans<br />

den drei Getrcidearten Roggen, Gerste, Hafer bestehend, welche<br />

jenen Namen erhielt, sobald sie ans den Etat für<br />

d e n U n terhalt des H ofgesindes nnd h a n ft t s ä ch l i ch z n r<br />

Ernährung <strong>der</strong> Iagdhnnde gebracht wnrde ".<br />

L. Dagegen hat hernach <strong>der</strong> Nichter erster Instanz (Königliches<br />

Kreisgericht zu <strong>Greifswald</strong>) sich dafür entschieden, daß<br />

das Hundekorn „als eine Iagdabgabe entstanden" sei. Er hat<br />

auszuführen gesucht, daß und weshalb Klempin's Gutachten<br />

nicht überzeugend sei, nnd findet, daß „<strong>der</strong> Hauptgrund,<br />

ans welchem man berechtigt ist, eine un Mittelalter als<br />

Hundekorn geleistete Abgabe auf die h errsch aftlich e<br />

Jägerei und die dafür zn leistenden Dienste als Entstehuugsgruud<br />

zurückzuführen, darin besteht, daß sich die Abgabe<br />

des Hnndekorns unter diesem Namen o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Vezeichnnng<br />

„Hundehafer", „Hundebrot", „Hnndslager",<br />

„Hnndslagergcld", ca.ii^i'i^,


Das bundekorn. 345<br />

tigen und weiter zu begründen unternommen. Da Nur auf<br />

seine Ausführungen noch weiterhin Zurückkommen müssen, so<br />

begnügen wir uus hier, seme Resultate wörtlich anzugcbeu:<br />

1. „In bäuerlichen Kreisen hat die Verpflichtung znr<br />

Fütterung von „(fürstlichen)" Jagdhunden in Pommern<br />

nur deu Freischützen und Müllern obgelegen, und diese<br />

Verpflichtung ist nie in als abgelöst worden".<br />

2. „Eine Jagd abgäbe „Hundckorn" hat in Pommern niemals<br />

bestanden".<br />

3. „Hundelager waren in Pommern nicht üblich, dagegen<br />

fanden die Ablager statt; diese sind abgelöst, nnd<br />

die Ablösungen finden sich in den Amtsregistern unter<br />

dem Titel „Ablager".<br />

4. „Das in Pommern vorkommende Huudekorn ist eine<br />

Pacht- uud Vedckornhcbung und hat zur Jagd<br />

nicht die mindeste Beziehung".<br />

Es liegt nnn dem unterzeichneten Referenten ob, nach<br />

Einsicht des Klempinschen Gutachtens über die Richtigkeit dieser<br />

am Schlüsse aufgestellten Behauptungen ein an<strong>der</strong>weitiges motivirtes<br />

Gutachten abzugeben.<br />

ii.<br />

Die Hauptfrage, nm welche es sich hiebei handelt, ist<br />

also diese:<br />

Was bedeutet das Wort Hundekorn um die Mitte des<br />

15. Jahrhun<strong>der</strong>ts in Neu-Vorpommern?<br />

Klempin hatte schon in seinem ersten Gntachten seine Aufgabe<br />

wesentlich auf Vorpommern beschränkt, da nach seiner Behauptung<br />

die Bezeichnung: Hnndekorn nur iu dem Hcrzogthum<br />

Wolgast dicsseit <strong>der</strong> Swinc snicht aber „im Herzogthum<br />

Wolgast jenseit <strong>der</strong> Swinc und in den: Herzogthnm Stettin,<br />

das 1464 ausstarb") üblich war, und das Dorf Hinrichshagen<br />

zwischen <strong>Greifswald</strong> und Stralsund, also in dein vormaligen<br />

ruyanischen Fürstentum, belegen ist. In den Entscheidnngsgründcn<br />

zu dem Urtheil erster Instanz wird dagegen auf einen<br />

urkundlichen Beweis in Bezug auf das Huudekorn in Neu-<br />

23*


346 Das yundekorn.<br />

Vorpommern verzichtet; <strong>der</strong> Nichter begnügt sich mit <strong>der</strong><br />

Annahme s„ist anzunehmen"), daß <strong>der</strong> „Ursprnng" des Hnndekorns<br />

als Jagd abgäbe „in dunkle Vorzeiten sich verliert",<br />

weil solches „im Mittelalter eine so we ite Vcrbreit u n g hatte",<br />

sowohl in Frankreich, als dnrch ganz Deutschland nnd in slavischen<br />

Län<strong>der</strong>n, „nnd überall ans denselben Grund zurückgeführt wird".<br />

Es erscheint uns deshalb angemessen, vorlänfig noch von<br />

Vorpommern speeiell abznsehen nnd den Gebrauch des<br />

Wortes Hundekorn überhaupt zu erwägen.<br />

Schon die Znsammenstellnng mit den Ausdrücken „Hunde -<br />

Hafer", „Hnndelager" ?c. zeigt, daß <strong>der</strong> Nichter das Wort<br />

„Hnndekorn" vornehmlich wegen seiner Znsammcnsehnng mit<br />

„Hnnd" auf eine Kornliefernng für Hnnde, Jagdhunde,<br />

dentet; nnd anch Klempin nimmt an, daß das Pacht- o<strong>der</strong><br />

Vedekorn den Namen Hnndekorn — dnrch die Fürsten nnd<br />

ihre Diener — erhalten hat, sobald es ans den Etat für den<br />

Unterhalt des Hofgesindes nnd hanptsächlich znr Ernährung<br />

<strong>der</strong> Jagdhunde gebracht wurde. Bei<strong>der</strong>seits ist man also<br />

darüber einig, daß die Etymologie auf Hund — Jagdhund<br />

hinweise; nnd die Uebersetznng dnrch ^niion^ o^nuin,<br />

Himoii^ c^nina, lruui6utnin clrnuiQ, welche uns in<br />

den Urkunden des 14. und des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts häufig begegnet,<br />

unterstützt anscheinend diese Annahme.<br />

Indessen, da, wie sich hernach zeigen wird, das Hunde<br />

körn in nnscrn Gegenden nicht nach Gehöften, son<strong>der</strong>n nach<br />

Hnfen, also nach dem Maße <strong>der</strong> Aecker, berechnet ward, so<br />

dürfte doch zn erwägen sein, daß es neben dem Worte Im.'lt<br />

— 0lruÌ8 im Altnie<strong>der</strong>sächsischen noch ein an<strong>der</strong>es gleichlautendes<br />

Wort liimt in <strong>der</strong> Bedentnng eines Ackermaßes ^<br />

V6 Morgen gab. Auch Du Cange kenut dies Wort; er erklärt<br />

^ lin. 1485 l<br />

, toin. I, vi^ioin. 1^)6l^i0. i)l.iF. 787:<br />

Vili01'6111


Das Hundekorn. 347<br />

Man ersieht aus dieser Form, daß <strong>der</strong> Stamm<br />

nicht „Iiuii^" ist, statt dnn


Das .Hundekorn.<br />

in den uns interessirenden Gegenden erst ans dem 14. Jahr-<br />

hun<strong>der</strong>te bekannt ist, auf einem Mißverständnisse beruhen<br />

kann, das sich sehr leicht daraus erklaren ließe, daß das Wort<br />

Imnt — Ackermaß hier zn Lande nicht mehr üblich war, und<br />

<strong>der</strong> Allsdruck: ^unclokorn bei <strong>der</strong> Einführung desselben im<br />

14. Jahrhun<strong>der</strong>t darum falsch gedeutet werden konnte, nmso-<br />

mehr, da an<strong>der</strong>swo wirklich Hafer für Iagdhnnde gegeben<br />

ward; und daß man den Ausdruck Iluinlokoi-ii in dem Siunc<br />

von: Korn, das von den Aeckern ursprünglich nach dem Huude-<br />

maß gegeben ward, anch später beibehielt, als man nach grö-<br />

ßerer Maßeinheit rechnete, ließe sich durch Aualogien wahrschein-<br />

lich machen.<br />

Jedenfalls aber wird diese Wahrnehmung uns warnen<br />

müssen, nicht überall lediglich <strong>der</strong> einmal vorausgesetzten, aber<br />

zweifelhaften Etymologie zu Liebe das Wort: Hundekorn<br />

überall in gleicher Weise wie den Hundehafer, Hundebrot<br />

?c. zu deuten, ohne daß wir den Ursprung <strong>der</strong> jedesmaligen<br />

Abgabe, ihren Betrag u. s. w. kennen.<br />

Nnd selbst, wenn man das Wort: „Hundekorn" <strong>der</strong> Deu-<br />

tung des späteren Mittelalters gemäß, überall als „Korn<br />

für die herrschaftlichen Iagdhnnde" übersetzen will: so fragt<br />

sich doch weiter, ob diese Kornabgabe ausdrücklich zum Hundc-<br />

futt^r (und zum Iägermahl) eingeführt, bewilligt o<strong>der</strong> gefor-<br />

<strong>der</strong>t ward, o<strong>der</strong> ob etwa ein Theil des Pacht- o<strong>der</strong> Bedekorns,<br />

welcher von <strong>der</strong> Herrschaft znm Bedarf des Iagddeparte-<br />

ments angewiesen wurde, dieseu Nameu durch die Beamten<br />

empfing, o<strong>der</strong> ob das Hnndekorn eine Ablösung von Iagd-<br />

frohnden, vom Huudelager, vom Iagdablager vorstellte, o<strong>der</strong> ob<br />

man eine solche auf die Jagd bezügliche Abgabe uud daucben<br />

uoch an<strong>der</strong>e Abgaben zn leisten hatte, solche aber zusammen-<br />

rechnete uud uach dem Grnndsatze: ,,^ iwtioi'i iid llonomiim-<br />

tio" insgesammt Hunde körn benannte, o<strong>der</strong> endlich, ob man<br />

nicht, wenn einmal eine solche Kornabgabe für die herrschaft-<br />

lichen Iagdhnnde „Hundekorn" benannt war, später nach dieser<br />

Analogie Kornabgaben von ähnlichen! o<strong>der</strong> größeren! Betrage,<br />

die mit <strong>der</strong> Jagd in gar keiner Beziehung standen, ebenso be-


Das Hundekorn. 349<br />

nannte. Wie willkürlich man im Mittelalter und noch später<br />

in <strong>der</strong> Benennung <strong>der</strong> Abgaben verfuhr, ist bekannt genug.<br />

Es sei nnr daran erinnert, daß z. V. in Meklenburg die alten<br />

Zehnten und Beden gar häusig unter <strong>der</strong> Benennung „Pachte"<br />

vorkommen; nnd um eiu an<strong>der</strong>es naheligendes Beispiel anzuführen,<br />

so benannte man Dienstkorn, d. h. Korn, mit welchem<br />

Dienste abgelöst waren, anch Bedekorn.<br />

'n (Wischuer uuweit Wismar) do<br />

ot diuiiäio ^i'O 86i'nitio<br />

Es wird dcuinach unsere Aufgabe sein, Umschau zu halten, in<br />

welchem Sinne das Wort Hundekorn außerhalb Neu-Vorpommcrns<br />

in Gebrauch war, ob es überall eine feste Bedeutung<br />

hatte, o<strong>der</strong> ob diese schwankte.<br />

in.<br />

Es mag dabei vorweg bemerkt werden, daß die in den<br />

Entscheidungsgründcn des ersten Richters angezogenen Stellen<br />

(bei Gönner ?c.) überall nichts beweisen, daß in allen diesen<br />

Stellen das Wort Hund e körn überhaupt uicht vorkommt,<br />

viel weniger von dreierlei Hnndekorn (Roggen, Gerste, Haser,<br />

loie in dem Falle, welcher das gegenwärtige Erachten hervorgerufen<br />

hat) dort die Rede ist.<br />

Es geht ans ihnen nur hervor, was auch Klempin wohl<br />

bekannt war, daß (abgesehen von den eigentlichen Iagdfrohnden,<br />

den Diensten bei <strong>der</strong> Jagd, Fuhren <strong>der</strong> Jäger, Netze und an<strong>der</strong>er<br />

Iagdgeräthe, Stellen <strong>der</strong> Netze, Klappern, Treiben :c.,<br />

welche nach Runde „in <strong>der</strong> Regel" nur <strong>der</strong> Bauer seinem<br />

Grundherrn zu leisten hatte) an vielen Orten in Frankreich<br />

uud Deutschland Vasallen und Klöster (nnd auch Hintersassen<br />

<strong>der</strong> Letzteren, weil die Klöster ihnen solches znschoben) H. zum<br />

„Iagdlager" o<strong>der</strong> „Jagd ab lager", d. h. zur Verabreichung<br />

von Nachtlager nnd „Futter und Mahl" an den Iagdherrn,<br />

dessen Jäger, Pferde, Hunde (und Falken) gehalten waren,<br />

N) Mekl. Urk.-Vuch II. Nr. 792, vom Jahre 1257.


35l) Das hundckovu,<br />

zum Theil aber solche Last durch ein Iägergeld ablösten,<br />

und daß ^. „hin und wie<strong>der</strong> Gutsleute, ja auch adliche Vasallen<br />

nnd Klöster" (auch <strong>der</strong>eu Hintersassen, vermuthlich für das<br />

Kloster) „eiue gewisse Anzahl von Jagdhunden aufziehen uud<br />

füttern, o<strong>der</strong> statt <strong>der</strong> Unterhaltung Huudelagergeld, Hundehaber<br />

o<strong>der</strong> Huudebrot eutrichteu müssen".<br />

Dies ist alles nicht zweifelhaft, uud namentlich <strong>der</strong> Hundshafer<br />

war eiuc so verbreitete Abgabe, daß er sogar zum<br />

Sprichwort benutzt ist (Einem den Hundshafer dreschen — Einen<br />

durchbläueu, s. Grimms Lexikon u. d. W.). Daß auch stellenweise<br />

an<strong>der</strong>es Korn für dell Hafer gegeben sei, daß „in<br />

einem gewissen Fürsteuthum" „ein gottseliger Herzog den<br />

Huudshaber o<strong>der</strong> das Hund e körn" —, „weil verschiedene"<br />

Unterthanen „nicht Haber, son<strong>der</strong>n Korn" (d. h. Roggen)<br />

zu geben gehalten sind", — „verschiedenen Geistlichen zn ihrem<br />

Deputat verordnet", bemerkt Ch. Gottl. Rieeins, zuverläss.<br />

Entwurf vou <strong>der</strong> in Teutschland üblichen Iagtgercchtigkeit (2.<br />

Aufl. v. I. 1772) Seite 218.<br />

Hier begegnen wir also wirklich einmal dem Ausdruck<br />

„Huudekorn"; aber von zweierlei o<strong>der</strong> dreierlei Korn<br />

erwähnt auch Nieeius nichts; uud überdies bezeichnet er nicht<br />

genaner den U rspr ung dieser Roggen-Abgabe. Da sein reiches<br />

Material wesentlich ans Acten und Iagdordnnngen des 16.<br />

uud 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts entuommen ist, so bleibt es fraglich,<br />

ob er nicht ein althergebrachtes „Hundekorn", anch <strong>der</strong> Etymologie<br />

folgend, auf eiue Iagdabgabe gedeutet hat.<br />

Doch auch felbst dauu, weuu sich wirklich nachweisen ließe,<br />

was ich bis auf weiteres uicht für möglich o<strong>der</strong> wahrscheinlich<br />

halte, daß damals, als die wendischen Län<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Ostsee<br />

germanisirt wurden, eine Koruablösung für Iagdfrohnden, o<strong>der</strong><br />

für das Iägerlager o<strong>der</strong> für das Hundclagcr in Nic<strong>der</strong>fachseu<br />

und Westfalen üblich gewesen wäre, so würde es immer noch<br />

sehr gewagt sein, solchen Brauch o<strong>der</strong> auch jene Iagdlasteu<br />

selbst ohne weiteres auch bei deu deutscheu Kolonisten an <strong>der</strong><br />

Ostsee voransznsetzen. Deuu z. V. auch die Ministerialität<br />

ritterbürtiger Familien, welche ans Nie<strong>der</strong>sachsen nach Meklen-


Das Hundekorn. 351<br />

bürg und Neuvorpommern answan<strong>der</strong>ten, nnd die Hörigkeit <strong>der</strong><br />

eingewan<strong>der</strong>ten Bauern wurden hier sofort aufgehoben; und es<br />

verdient bemerkt zu werden, daß im 12. und im 13. Iahrhnn<strong>der</strong>t<br />

in den meklenbnrgischen Landen nie von Iagdfrohnden<br />

o<strong>der</strong> von Iagdabgaben die Rede ist (von Ablager ^o^itiiiin^<br />

aber nicht Jagd Mager, ein einzig Mal ^), wenngleich sie<br />

später, bei <strong>der</strong> prekären Lage des Bauernstandes gegenüber<br />

<strong>der</strong> Landesherrschaft wie den Vasallen, sich hier ebenso entwickelten<br />

wie an<strong>der</strong>swo.<br />

IV.<br />

Ueberhanpt dürfen die Verhältnisse des deutsche n Kolonisten<br />

nicht nach denen des wendischen Bauern bemessen<br />

werden. Da in den Entfcheidungsgründen auch auf die slavischen<br />

Län<strong>der</strong> Bezug genommen und das sla vif che Element<br />

in den bäuerlichen Verhältnissen Vorpommerns betont ist,<br />

so mögen hier folgende Bemerkungen Platz finden.<br />

Nichtig ist es, daß sich in flavifchcn Gegenden des nordöstlichen<br />

Deutschland Iagddienste <strong>der</strong> slav if chen Bauern nachweisen<br />

lassen. Da dies in den Entfcheiduugsgrüuden nicht geschehen<br />

ist, so führen wir hier Einiges an. Z. B. hatten die<br />

polnischen Banern die Verpflichtung, landesherrliche Huude<br />

zu füttern ^)8Ì3.i'8i^i) und fürstliche Huudcwärter und Jagdhunde<br />

bei sich auszunehmen (^glii'o); nnd in Schlesien waren<br />

dicfe Lasten bekannt genug. ^') Herzog Wladiflav von Oppeln<br />

befreite z. B. das Dorf Nepten 1247 u. a. auch von solchen:<br />

„linntio voi 13l;.<br />

^-) Tzschoppe nnd Stenzel, Urkundensanunlnng fiir Schlesien und<br />

Oberlausitz p. 20.<br />

^") Ebendaselbst Nr. 26.


Das Hundekorn.<br />

niI)U8 0( ci031^1'11 IN 0t 0X ^^rt0 ^rincipuin V0NH-<br />

toi'08 C^I'Ottioi'UN) 001V01111N 80l1 ^01'001'Ulli 8i1v0-<br />

8ti'Il1llI 8011 oticilli ^lilll'UUI ^08tii11'11111, it01N l^i0 0-<br />

ll l> 1 ìÌ 8611 CktOli Ä11011P08, 0 XÌ ^ 0 N t 6 8 Viä 01 i 0 0 t<br />

sviili 3 od ti 0 inin il) 11 8 0 0 0i0 8Ìl11'11UI 6xr)0n-<br />

8l13 sii'0 80 O t


Das Hundekorn. 353<br />

Recht, gewissermaßen für die Befreiung von allen Placke-<br />

reien des polnischen Bauern. Es findet sich daher dieses Korn<br />

in den Urkunden über die Verleihung des deutschen Rechts<br />

auch dann, wenn in diesen <strong>der</strong> Iagddienste gar nicht aus-<br />

drücklich Erwähnung geschieht. '^)<br />

Auch in Pommerellen war die Gastung <strong>der</strong> Hunde<br />

nnd Huudewärter wohl bekannt; Herzog Mcstwin befreiete 1294<br />

Bauern des Klosters Hilda bei einer Schenkuug in seinem<br />

Lande von den „cHiiidiiotorilii^". ^) Nnd ohne Zweifel ist<br />

es auch bei den wendischen Banern ans Rügen nicht an<strong>der</strong>s<br />

gewesen. Denn im Jahre 1300 verkauften die Ruyanerfürsten<br />

Wizlav, Wizlav uud Sambor den Einwohnern (cinikn8) ^<br />

Dörfer (^i'03


354 Das Hundekorn.<br />

20 Eier, 1 „km't^o" Roggen nnd ebenso viel Hafer. Dafür<br />

aber sollten sie sein:<br />

,/rvcs vndc Ic>sz vunn aller ril^cil)cli rccl)tlcl)cit<br />

-wccscn dclistc vndc csastvnFc ttanrzlikclr^ (lateinisch<br />

: .^1) 0U1NÌ 1NÌU01Ì iu^tioii^ in 801'nicÜ8 6t ^u-<br />

Ans <strong>der</strong> ersten <strong>der</strong> beiden Ilrknnden geht unzweifelhaft hervor,<br />

daß Vanern anf <strong>der</strong> Insel Rügen, nnd zlvar, wie man ans<br />

<strong>der</strong> Gewährnng <strong>der</strong> freien Ehen nnd ans <strong>der</strong> Rechnung nach<br />

wendischen Maßen (nach „Haken" nnd „Koretzcn") ersieht,<br />

w endisch e Bancrn fürstliche Pferde nnd H nnde zn fiittern<br />

hatten- ebenso bestimmt aber geht ans diesen Privilegien hervor,<br />

daß diese Last mit vielen an<strong>der</strong>n, namentlich anch<br />

mit <strong>der</strong> Ansqnartiernng des Vogtes nnd des Nntervogtes, für<br />

den bei Erwerbung des Erbrechtes festgesetzten Zins abgelöst<br />

wnrde, <strong>der</strong> Zins aber von allen geringeren Diensten für die<br />

Landesherrschaft, vermuthlich also von allen landesherrlichen<br />

Diensten mit Ausnahme des Burg- und Brückenwcrks uud<br />

<strong>der</strong> Landwehr, befreiete.<br />

Wir sehen hier also anf Rügen eine gewisse Analogie<br />

mit den Verhältnissen <strong>der</strong> wendischen Vanern in Schlesien.<br />

Vom Festlande Rügen (Neuvorpomnlern) ist nns ans <strong>der</strong><br />

rnyanischen Zeit, d. h. bis 1325, eine ähnliche Urknnde nicht<br />

bekannt. Ob deutsche Bauern in Nenvorpommern ähnliche<br />

Verpflichtungen znr Gastnng <strong>der</strong> Vögte nnd Ilntervögte nnd<br />

znr Fütternng fürstlicher Pferde nnd Hnnde hatten, o<strong>der</strong> ob<br />

man sie von solchen befreiete, wie man es in Schlesien bei<br />

Verleihnngen des dent s chen Rechts that, haben wir hernach<br />

in den Abschnitten IX. nnd X. zn nntersucheu.<br />

V.<br />

Woher taucht mm aber iu Neuvorpommern das Wort<br />

„Hundekorn" (nicht gar lange, nachdem dies Land dnrch das<br />

Erlöschen des ruyanischeu Fürstenhauses au die Herzoge von<br />

^) Fabricius, ebendaselbst S. 130.


Das Hundekorn. 355<br />

Pommern gekommen war) so plötzlich ans? Spricht dies für<br />

die Einführung einer neuen Abgabe? o<strong>der</strong> tanfte man eine<br />

alte Abgabe um?<br />

Klempin hat in seinem Zweiten Gutachten die Behauptung<br />

ausgesprochen, <strong>der</strong> Ausdruck „Hundekorn" sei für das zur<br />

fürstlichen Kammer fließende, zur Erhaltung des Märstalls,<br />

<strong>der</strong> Iagdhnnde und überhaupt für deu Staats- uud<br />

Hofhaushalt gebrauchte Reservatkorn (1^18 ^0 toto)<br />

in Brandenburg üblich gewesen und habe von dort her<br />

wahrscheinlich durch dcu Herzog Wartislav IX.. <strong>der</strong> mehrere<br />

Jahre in seiner Ingend bei seinem Oheim, dem Kurfürsteu<br />

Friedrich I. von Hohenzollcrn, verlebte, in dem Herzogthum<br />

Wolgast di e ss eit <strong>der</strong> Swine (denn jenseit <strong>der</strong>selben finde es<br />

sich nicht) Eingang gefunden.<br />

Aber fo ansprechend diese Vermuthung auf den ersten<br />

Blick erscheint, so wenig ist sie doch richtig. Denn erstens<br />

fällt die Negierungszeit Wartislavs IX. erst in das 15. Jahrhnn<strong>der</strong>t;<br />

<strong>der</strong> Ausdruck „Hundekorn" findet sich in Vorpommern<br />

aber schon in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Wenigstens schon 1373 verpfändeten die Brü<strong>der</strong> Herzog Wartislav<br />

(VI.) uud Bogislav (VI.) die Bede, Hundekorn uud<br />

Dieust von etlichen Hufen zu Nicnkerken und zu Hinrichshagen<br />

an einen <strong>Greifswald</strong>ischen Nathmann. ")<br />

Desgleichen verpfändete fchon 1384 Herzog Wartislav zu<br />

Stettin den: <strong>Greifswald</strong>ischen Rathmann Vineentius Wiebold<br />

„alle bedc, alle Hundekorn >>an^ achte huucn<br />

in demc dorpe to Tzarneroanye . . rmde alle<br />

bcdc, alle hundekorn ouer twe Hünen in demc<br />

dorpe ro Cerelni^c .. onde alle bede^ alle hun dekorn<br />

oucrtn?ehttucn in dcmedol petoC<br />

und an demselben Tage einem an<strong>der</strong>n Nathmann<br />

4U) Oelnchs, Verzeichuiß S. 100. Dies ist, beiläufig bemerkt,<br />

die älteste Urkunde über „Huudekoru", die Oelrichs erlvähnt; ich weiß<br />

auch keine frühere nachzuweisen.<br />

") Lisch, Vchr. Urk. N. S. ?-_>.


356 Das Hundekorn.<br />

„allc bcdc vndc allc hlllldccorn an dcmc dorpc<br />

tho Grotcn-G astro ^c"^^).<br />

Die Herzoge Barium (VI.) und Wartislav (VIII.) verpfändeten<br />

1401, 22. Deebr., dem Bürgermeister Heinrich<br />

Rnbenow zn <strong>Greifswald</strong><br />

„allc bcdc vndc hulldckornc dcs Fhallczcl:<br />

dorpcs »alkcnhacshcn vndc des cshanczcn<br />

dorpcs -Hcnnckcn hagclr^").<br />

Wenn man aber unter den zufällig gedruckten Urkunden<br />

fchon in so vielen Dörfern das Hundekorn angeführt findet,<br />

so läßt sich behaupten, daß das „Hundekorn" in Vorpommern<br />

schon vor <strong>der</strong> Zeit Wartislavs IX. nicht vereinzelt, fon<strong>der</strong>n<br />

mindestens ziemlich weit bekannt gewesen ist.<br />

Zum an<strong>der</strong>n ist Klempin den Beweis dafür schuldig geblieben,<br />

daß jene Bedeutung des Wortes Hundekorn m Brandenbnrg,<br />

in <strong>der</strong> Kammer Kurfürst Friedrichs I., üblich gewesen<br />

sei. Zu <strong>der</strong>selben Zeit, wo das Wort dem Referenten (bei<br />

lückenhafter Kenntniß des lei<strong>der</strong> nicht gesammelten pommerschen<br />

Urkundenschcches) zuerst in Pommern begegnet, im Jahre 1375,<br />

kommt in dem Landbuche <strong>der</strong> Mark Brandenburg, welches<br />

Kaiser Karl IV. zusammenstellen ließ, <strong>der</strong> Ausdruck Hundekorn<br />

nnr bei zwei Dörfern, und zwar in weitester Entfernung<br />

von Pommern, vor.<br />

Nämlich im Dorf Gräben in <strong>der</strong> Zanche, 30 Hufen<br />

groß, wo dem Markgrafen das höchste Gericht und die Bede<br />

(die aber vom ganzen Dorfe nur 1 Schock Groschen betrug)<br />

zustand, bezahlte jede Hnfe an Zins 8 Pf., an Pacht 2^/2 Schff.<br />

Roggen nnd 2 Schff. Hafer, außerdem an Hnndekorn<br />

V2 Schff. Roggen und ^ Tchff. Hafer (iwm t inoäium<br />

^i1ÌAÌiiÌ8 6t I a.aoiw, (^ui lucani- liiindokoi'n). ")<br />

Feruer hatte das damals znr Altmark (jetzt zum Wollmirstedtschen<br />

Kreise) gehörige Vors S a ndf ur t (nach Seite 287)<br />

von je<strong>der</strong> Hufe au Hans Vogesack ^/2 Scheffel Roggen nnd<br />

") Lisch, Vehr. Urk. III. S. 7li.<br />

") Daselbst S. 135.<br />

") Landbnch (Hertzbergsche Ausg.) S. 145).


Das Hundekorn. 357<br />

^/2 Scheffel Hafer, ,,(11106. dioitul I^imdo^orn^, zu<br />

geben, war aber vom Fleischzehnten befreiet und gab im<br />

Uebrigen an Lndolf v. Griben, <strong>der</strong> in diesem Dorfe das Lehn,<br />

das höchste Gericht, Wagendienst und Kirchenpatronat hatte,<br />

von den 34 Hufen, <strong>der</strong>en 2 <strong>der</strong> Pfarrer hatte und 8 wüste<br />

waren, 30 Scheffel Hafer, 4 Schill. Brand. Pf. und pi'0<br />

Hufe an Pacht ^/2 Wispel Roggen und 6 Scheffel Hafer<br />

(für den Hafer 2 Hufen: Gerste) und 2 Brandenburgische<br />

Schillinge Zins, ohne Vede.<br />

Der Ursprung dieses Hundekorns, das also im ersten<br />

Falle dem Markgrafen, im zweiten einem Privatmanne zn<br />

entrichten war, ist nicht zn ermitteln. Es ist aber zu beachten,<br />

daß beide Orte Magdeburg nahe lagen und daß<br />

in jener Gegend von Alters her das „Hundekorn" bekannt war.<br />

VI.<br />

Nämlich Gebhard Edler von Arnstein übernahm im<br />

Jahre 1211, am 16. August,^) die Schirmvogtei und das<br />

Gericht des Klosters Leitzkau und feiner Unterthanen unter<br />

denfclben Bedingungen, unter welchen folche vor ihm fchon<br />

Everer Herr von Lindow und desfen Sohn Richard als<br />

))d6i'oii80i'63 ot Mcliceä" geführt hatten, daß ihm uämlich<br />

die Unterthaueu des Klosters jährlich die „voZot^oiiniAQ",<br />

im Betrage von 7 Pfund und 7 Schill., und das Getreide,<br />

welches limitioi'ii genannt werde, nämlich 21 Wispel<br />

uud 10 Scheffel bei<strong>der</strong>lei Getreides, Gerste uud<br />

Hafer, welche zu dem Bedarf des Richters gehörten,<br />

leisteten:<br />

iii vniZ3ii'it6i' diomitur vo^ot-<br />

VII t3,i6QtH OHN VII 8o1ìdÌ8,<br />

6t l'i'11 IQ 011t HIN, (luod dioitui' limi t. Korn,<br />

XXI cdoioä omn X inoäiiä<br />

) ot 3>U.6Q0) ^<br />

i 11611t 08. ^<br />

Riedel, c^0^. äi^i. ^1-Äi^0ud. I. Bd. 10, S. 80.


358 Das .Hundekorn.<br />

nnd daß <strong>der</strong> Vogt, <strong>der</strong> dreimal ini Jahre über schwere Verbrechen<br />

zn richten hatte, von den Strafgcfällen den dritten<br />

Pfennig, die ^voääo^omu^o". erhalten sollte. Erfüllt <strong>der</strong><br />

Schirmvogt o<strong>der</strong> seine Erben nnd Nachfolger die Pflicht des<br />

Schuhes nicht, o<strong>der</strong> begehen sie IIebergriffe, so kann das Kloster<br />

von dem Vertrage zurücktreten,<br />

„0t tliNO 01111113. iiili, (^110 0^0 VOI Ii01'0(l08 M61<br />

^ut ipsOlUIQ 8NOO683O1'08 PIO (10^0^310110 0 t<br />

iudioio ip8O17N1^ MINII 0 toniporo 00N80^ni 80I0-<br />

0t<br />

F6, 0t 8Ì<br />

111)01-6 roäiknnt ^ä 0Ooi08Ì^ia<br />

Filr unsere Untersuchung ist dieser Contraet von großer<br />

Wichtigkeit; er zeigt uns, daß, wenigstens in diesem Falle,<br />

schon im Anfange des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts in <strong>der</strong> Gegend von<br />

Magdeburg das „Iiuntivoi'n" nicht eiue Iagdabgabe war,<br />

(beilänfig bemerkt auch nicht Iiund^oi'ii genannt nnd noch<br />

nicht mit irumo-iituiQ o^nuui übersetzt wird), son<strong>der</strong>n als<br />

eine beson<strong>der</strong>e Abgabe für die Schirmvogtei spi'0 60^011310110<br />

6t incuoio), und nicht filr die Iagdhnnde (i^cl 0^1108 iii0nc1o8),<br />

son<strong>der</strong>n ausdrücklich überhaupt zum Wirth schaf tlicheu<br />

Bedarf des Schirmherr:: gegeben ward. Deiln diese Vedentnng<br />

des Wortes 0x^0118^0 ist in: ^Mittelalter so gewöhnlich,<br />

daß sie kaum des Beweises bedarf. Beispiel: 1300<br />

verkauften Heiurich I. uud Heinrich II. von Meklenbnrg <strong>der</strong><br />

Stadt Wismar Mühle und Mi'chlenteich von Alt-Wismar,<br />

,,1'0301'U^ta. 1iol)18 in i^)8^ 1)i80M


Das Hundekorn. 359<br />

Leizkau, das wenigstens im Jahre 1187 erst acht Dörfer und<br />

in fünf verschiedenen Orten zusammen 10^/2 Hufen uud einen<br />

Hof, fowie volle Zehnten ans cincin an<strong>der</strong>n und zwei Drittel<br />

<strong>der</strong> Zehnten aus sechs an<strong>der</strong>n Dörfern hatte,") dem Schirmvogt<br />

aus diesem geringen Besitze eine Kornabgabc von solcher<br />

Höhe bloß für seine Iagdhnnde o<strong>der</strong> als Entschädigung für<br />

Iagdablager o<strong>der</strong> Hnndclager zugestauden hätte.<br />

VII.<br />

Aus dem Magdeburgischen ist nnn, wenn nicht Alles<br />

trügt, <strong>der</strong> Ausdruck: Hundekorn direct nach dem östlichen Meklenburg,<br />

nach <strong>der</strong> Herrschaft Werle, übertragen, zumal wir es<br />

zwischen dem Magdeburgischen und dem Meklenburgischen nicht<br />

nachweisen können. Denn hier erscheint dieses Wort, welches<br />

man in den sämmtlichen erhaltenen, nach vielen Hun<strong>der</strong>ten<br />

zählenden, meklenburgischen Urkunden des 12. uud 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

vergebens sncht, plötzlich (zu Anfang des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts),<br />

gerade, als Günther, Herr von Werle,<br />

Domherr zu Magdeburg war. Ja, wenn wir abschen<br />

von einer gefälschten Urkunde (wovon hernach), so ist<br />

<strong>der</strong> erste Werleschc Brief, in dem wir das Wort Hundekorn<br />

antreffen, eben von jenem Domherrn, Herrn Günther von<br />

Werle, ausgestellt; und wie wir hiernach sehen werden, wird<br />

das Wort im Werleschen auch gerade wie im Magdcburgischen<br />

in <strong>der</strong> Bedeutuug vou Wirthschaftskorn gebraucht.<br />

Die erste Urkunde im Werleschen, <strong>der</strong>en Siegel und junge<br />

Schrift sie verurthcilen, die aber wahrscheinlich auf Grund<br />

einer echten angefertigt ward, ist die Urkunde, in welcher<br />

angeblich Fürst Nicolaus II. vou Werle dem holsteinischen<br />

Kloster Reinfeld 1302, 15. Sept., das Eigenthum und Gericht<br />

des Dorfes Kleth in <strong>der</strong> (vormals pommerschen, 1282 aber<br />

an Werle verpfändeten) Nogtci Stavenhagen verleiht (o<strong>der</strong><br />

vielmehr bestätigt) und dabei die Banern ausdrücklich befreiet<br />

))3


360 Das yundekorn.<br />

(?t ^ ^011811 6t 1> o t ioi 0 II 0 , s^ 11 0 (I ci il^i tiii' II n II -<br />

(Io 1(0 1'11, 0t a


Das Hundekorn. 361<br />

geben, als das in Lübeck noch erhaltene, wenn anch schon zerschnittene<br />

Coneept eines Vertrags <strong>der</strong> fürstlichen Brü<strong>der</strong> Nieolans<br />

III. nnd Bernhard III. von Werle über ihre gemeinschaftliche<br />

Regierung, Residenz und Hofhaltung.^)<br />

Derselbe mnß, da die Fürsten darin ihrer Gemahlinnen<br />

gedenken, sie sich aber erst 1341 vermählten, und da sie an<strong>der</strong>erseits<br />

1347 eine Landestheilnng vornahmen, in die Jahre<br />

1341—1347 fallen. Sie bekennen im Eingange,<br />

„dat n>i na rade r»ser vrunt r>nde trun>cr n^an<br />

vndc s^tede m sainendc hcbben cshclcc^t vlide<br />

lecshen vse stede, slotc^ lant vndc »nan vnde<br />

r» n s e kostende brot an dusdan er (d. h. solcher)<br />

-wys^ dat vser ievoclk scal vtlccscshcn alle iarlik<br />

van svme dele ot vser bey<strong>der</strong> lande datFantze<br />

^lll^dekorli tu vser kost vlidc tn vseni<br />

houe".<br />

Außerdeni soll je<strong>der</strong> 000 M. wend. Pfennige, nnd Uw nöthig<br />

mehr, erlegen „tu r»ser kost vnde l)of tu l)oldelide".<br />

Ein halb Jahr soll die Residenz zn Güstrow, das an<strong>der</strong>e halbe<br />

Jahr zu Nobel sein.<br />

Al vnser an<strong>der</strong>en csnldc (Einnahme) an korne^<br />

fielnivlicshen^ bede i^nde brokc (Gcrichtsgefällen) -<br />

scal lnalk (je<strong>der</strong>) bruken tu syner scnlt".<br />

Die erste Stelle läßt — grammatisch angesehen — eine zwiefache<br />

Auslegung zu, je nachdem man entwe<strong>der</strong> eonstruirt:<br />

vllecscshen tu r»scr kost vnde tu vsem houc dat csantze<br />

Hundekorn van svme dele vt vser bevdcr lande")<br />

o<strong>der</strong> aber:


362 Das Hnndekorn.<br />

das Hnndckorn allein für ausreichend znr ganzen fürstlichen<br />

Haus- nnd Hofhaltuug erachtet ward. Aeeeptiren wir aber,<br />

wozn die Wortstellnng nöthigt, die zweite Constrnetion, so be^<br />

deutet also das „Hundekorn zu unserer eigenen Kost nnd zn<br />

unserer ganzen Hofhaltnng" den, loie wir sagen würden, znr<br />

fürstlichen Haus- und Hofhaltung uöthigeu Kornbcdarf, und<br />

diese Stelle stimmt völlig übereiu mit Klempins oben mitgetheilter<br />

Ansicht von <strong>der</strong> Bedeutnng des Hundekorns nnd mit<br />

<strong>der</strong> oben angeführten Urkunde vom Jahre 1211; wie dort<br />

olioroZ


Das Hundekorn. 363<br />

Vogtei Teterow (1389) auf Lisch, Maltzan Urk. II., 391.<br />

Kalcn (1359) „ „ „ „ II., 164.<br />

Gnoien „ „ Hahn Urk. II., 125.<br />

Malchin (1342) „ M. U.-Buch IX. Nr. 6198.<br />

„ Stavcnhagcn(1354) „ Lisch, Maltzan Urk. II., 74.<br />

Penzlin (1312, 1345) M. U.-Buch V. Nr. 3563.<br />

„ Warcu (1336) auf „ VIII. Nr. 5634.<br />

Malchow (1309) „ „ V. Nr. 3346.<br />

„ Plau (in Registern).<br />

„ Wredenhagen (in Registern).<br />

Krakow (1366) auf Lisch, Maltzau Urk. II., 191.<br />

„ Parchim (1375) „ „ „ „ II., 275.<br />

„ Goldberg (1354) „ „ „ „ II., 116.<br />

Selten wird im 14. Iahrhnn<strong>der</strong>t jedoch <strong>der</strong> Betrag angegeben.<br />

Daß er nicht nnbedentend war, ergiebt sich, wie die angeführteu<br />

Urknnden bezeugen, schon daraus, daß bei <strong>der</strong> Verleihuug<br />

uud Verpfändung von Vogteien und einzelnen Gütern<br />

neben Gericht, Dienst, Pacht und (Geld-)Nede gerade das<br />

Hundekorn als einzige Ko r n einnähme namhaft gemacht<br />

wird. Um recht frühe Beispiele anzuführeu, fo verlieh 1309<br />

Nicolaus von Werle einem Ritter die Hälfte des Dorfes und<br />

Wer<strong>der</strong>s Damerow,<br />

,,ouui oinui i)i'oi)i'Ì6tHw" (d. h. nnter Aufhebung des<br />

Lehusnexus) „6t 1N)6rta.to, onin oinni ini'6 (Gericht)<br />

6t UNIIOI'i) 6UNI t061Uß 1)1'66H1'Ì6 li 1)61'-<br />

6t HU<br />

8UÌ8<br />

Derselbe bestätigte denl Kloster Broda seine Besitzungen im<br />

Werleschen mit allen Gerechtigkeiten:<br />

„kcrklen (Patronate) vndc manlen an dessen suluen<br />

csu<strong>der</strong>en, alle richte^ allen denst^ pachr^<br />

hundekcrn, dllrdeliest hercndcnest^<br />

(Fleischzehntcn). 5')<br />

Mett. Urk.-Viich V. Nr. 3346.<br />

Daselbst Nr, 3563.


364 Das hundckorn.<br />

1375 verpfändeten Lorenz und Johann von Werte dem Rathe<br />

zu Parchim<br />

^de vacshedye rhu Parchiln — lnvr <strong>der</strong> bede gror<br />

vnde Illttict)) dat huli d ekorll e., den te^liden<br />

de korenpenliyiicshe, de lnu»nepe»i-<br />

allen borchdcnst vnde burdenst<br />

menelkcn" (überhaupt) ^alle plecshe vnde<br />

(Einnahmen), ö^)<br />

Bisweilen wird das Hnndekorn znr Bede im lueiteren Sinne<br />

gerechnet und <strong>der</strong> Pfcnnigbcde (als dem an<strong>der</strong>en Theile <strong>der</strong><br />

Vede) gegenübergestellt, z. B. 1354 verpfändeten Johann nnd<br />

Nieolans von Werle die Hebnngcn ans dem vierten Theile<br />

des Landes Stavenhagcn:<br />

,,0inniI)N8 cl 6ii ^i'i o r n ni pi' 0 (^ rii 3 , tl^m ^6wll-<br />

1i!)i.i8 stzerbstbede) cincin 68diu^1idu8 (Sommerbede),<br />

in Iiiis (vier) vi11Ì8<br />

In 5)er Regel lvard unter <strong>der</strong> Bede aber nur die Geldbcde<br />

(i)i'6(^i'i^ c^Q^i'ioruin, Pennigbede) verstanden. Auch als<br />

Pacht wird das Hundekorn gelegentlich bezeichnet,^) wie<br />

denn die Ausdrücke Pacht nnd Bede damals schon längst dnrch<br />

einan<strong>der</strong> gingen uud überhaupt für jede jährliche Abgabe ge-<br />

braucht wurden. In <strong>der</strong> Regel scheint das Hundekorn mit<br />

<strong>der</strong> Herbstbede zusammen gegeben zu sein, Michaelis wird<br />

wie<strong>der</strong>holt als <strong>der</strong> Termin bezeichnet.^) Was den Betrag<br />

angeht, so gab es einen bestimmten Usns. Denn z. V. als<br />

1349 Johann III. von Werle an Gerd Busfehl das Dorf<br />

Sehlstorf mit allem Recht, Eigenthum, Gerichten uud Hebnu-<br />

gen, darnnter anch ,,init Qunci650i'Q6" verpfändete, heißt es<br />

in seinen: Pfandbriefe ^zun<strong>der</strong> (ansgenommen) ouer sestevn<br />

houen beholde n>)? dat hundecorn, al so (wie) dar<br />

55) Lisch, Maltzan Urk. II. 145.<br />

5") Daselbst II. 74.<br />

5


Das .Hundekorn. 365<br />

lncync lant cshifd; dar scal ^lis<br />

liakolnelincshen Gherd vtddcr (o<strong>der</strong>) zmc crncl^ r»th den<br />

zejreyn honen schcppen." Immer bestand es aus<br />

dreierlei Korn, Roggen, Gerste und Hafer, in <strong>der</strong> Regel<br />

zu gleichen Theilen, und zwar zwei Scheffel von je<strong>der</strong> Kornart<br />

von <strong>der</strong> Hufe. Weizen kommt nie als Hundekorn vor.<br />

Wir führen wegen des Betrages einige Beispiele an.<br />

1357 schenkte ein Rathmann zn Waren einer dortigen Kirche<br />

eine Rente von 10 M. nnd 1 Drömt dreierlei Korns zu<br />

gleichen Theilen (d. h. 4 Sch. Roggen, ebenso viel Gerste<br />

uud Hafer — oum trsincxlio ti-iMoi8 ot o^ii2.IÌ8 ^unono,<br />

8ÌIin-iiiÌ8) Iioi'äsi 6t 9.U6116) aus zwei Hufen zu Sommerstorf;<br />

und Herr Bernhard von Werle bestätigte diese Schenkung<br />

in <strong>der</strong> Weise, daß die beiden Hufen 4 M. Pacht und 6 M.<br />

von <strong>der</strong> kleineren und größeren Bede, und das Drömt Korn<br />

vom Hundekorn geben sollten („(inatu.0i' lliHl09.8 cls<br />

8 6t<br />

Beiläusig bemerkt, ist in einer alten, noch<br />

nie<strong>der</strong>sächsischen Nebersetzung dieser Urkunde <strong>der</strong> Ausdruck<br />

)>QQQ0NH o^uum" nicht mit ^httndckorn") son<strong>der</strong>n durch<br />

^ahrfrucht" wie<strong>der</strong>gegeben.<br />

1381 verpfändeten die v. Moltzan Bede, Münzftfennige<br />

und Hundekorn, Dienst ?c. aus Ritzerow (in <strong>der</strong> Vogtei<br />

Stavenhagen) ; <strong>der</strong> Betrag war von <strong>der</strong> Hufe: ^i M. somlncrbedc)<br />

Z M. -wintcrbcde) Hundekorn alz van<br />

cner yes lichen honen Vdrbenomct twc scepel<br />

rocfheN) n sccpcl cshcrsteN) n scepel hancren/^")<br />

Genau so standen Sommerbede und Huudekoru aber auch<br />

noch 1508. Die Baueru zu Ritzerow hatten 32 Hufen unter<br />

dem Pflnge, davon war aber „^2 hone fr)? vmm schultenainptc."<br />

Sie entrichteten an Sommerbede 31^2 M., an<br />

Hundekorn aber 63 Scheffel (also nach Abzug <strong>der</strong> halben<br />

n) Schrö<strong>der</strong>, P. M. 1364.<br />

w) Lisch, Maltzan Urk. II. 332, 333.


366 Das Hundekorn.<br />

Hufe 2 X 31^,2 Sch. Hun<strong>der</strong>oggen, ebensoviel Hnndegerstc und<br />

ebensoviel Hundehafer). Winterbcde wird nicht mehr genannt,<br />

dafür aber Pacht 126V» M., also pro Hufe etwa 4 M.<br />

Vinkenogen, die wohl an Werth jenen 3 M. früherer Miinze<br />

entsprochen haben werden. Auch im Jahre 1556 war <strong>der</strong><br />

Betrag des Hundekorns noch 63 Sch. Roggen, 63 Sch. Gerste<br />

und 63 Sch. Hafer, während die Prüfung <strong>der</strong> Beträge au<br />

Pacht und Sommerbede dnrch die Verän<strong>der</strong>ung des Münzfnßcs<br />

erschwert wird.<br />

Zn diesen letzten Angaben bemerken wir noch<br />

1. daß die Befreiung <strong>der</strong> freien Schulzenhufeu von<br />

<strong>der</strong> Abgabe des huudekorus auch schon früher bezeugt ist.<br />

Als z. B. Nicolaus vou Werle 1359 dem Kloster Dargun<br />

das an<strong>der</strong>weitig erkaufte Dorf Upost verlieh, behielt er sich<br />

nnr in den 17 Zinshnfen Hundekorn nnd Beden vor (<br />

IIÄQt08 1wI)Ì8 ot N03ti'Ì8 Ii61'6sIiI)U8 i^ clictiä XVII.<br />

oc; n 8 u ^ 1 i ^ u. 8 sin n ttlXil t 5liiQ0n^in camnam. ot<br />

^roc;Hi'iii8) in^iorsm vidolic^t ot ininoicm/') ^^)<br />

2. heben wir hervor, daß Ritzerow 1508 nnd 1518<br />

neben jenem ßundekorn noch drei Drömt „Affleger-Hauer",<br />

uud 1556 zum „Hirßableger" o<strong>der</strong> „großen Ableger zum<br />

Hause" (Staveuhageu) eiuen Ochsen, zwei Schafe und drei Dr.<br />

Hafer zu erlegen hatte, daß aber 1508 und 1516 sonst keine<br />

Kornabgabm entrichtet wnrden.<br />

Znr Vergleichung führen wir noch an, daß aus eiuem<br />

Dorfe <strong>der</strong> Vogtei Güstrow, wo neuu Bauleute zwölf Hufen<br />

bebaucten, <strong>der</strong> jährliche Betrag ihrer Abgaben im Jahre 1520<br />

war: Geld 17 M. 13 ß.<br />

„Hnndekorn": 2 Dr. Roggen, 2 Dr. Gerste uud<br />

2 Dr. Hafer.<br />

„Bedehaber": 6 Dr. Hafer.<br />

2 Dr. Hafer,<br />

2 Tonnen Bier,<br />

„Ablager" ^ Riud,<br />

3 Lämmer,<br />

5 Schafe.<br />

Lisch, Maltzan Urk. II, 164.


Das Hundekorn. 367<br />

Hier ist also das Hundekorn dem im Stavenhagenschen erhobenen<br />

gleich, die Geld abgäbe viel geringer; dafür aber kommt<br />

<strong>der</strong> Bedehafer hinzu und ein stärkerer Beitrag zum Ablager.<br />

Aber auch hier ist das Ablagerkorn nur Hafer. Im Amte<br />

Wredenhagen wurden 1564 zum „Iäger-Ablager" auch<br />

Brote geliefert, die man Zu 1 ßl. rechnete; statt einer Stiege<br />

Brote konnten die Vanern auch 1 Sch. Korns liefern; dagegen<br />

fehlte hier <strong>der</strong> Ablager-Hafer, es ward nur „Gift-, Pacht-,<br />

Hunde- und Dedinges-Hafer" gegeben. — Es ward also ein<br />

Ablagerkorn (und zwar einerlei Korn, gewöhnlich Hafer)<br />

neben dem ans dreierlei Korn bestehenden Hundekorn im<br />

Werleschen wenigstens im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t von den Bauern<br />

entrichtet. Eben so Zerlegten die Klöster für ihre Güter im<br />

16. Jahrhun<strong>der</strong>t an die Landesherrschaft zum Ersatz für die<br />

Ablager Ablager Hafer (einige daneben auch noch einen Ochsen<br />

und Hühner); aber Ablagerg erste o<strong>der</strong> Ablagerkorn, welches<br />

aus den drei Kornarten zusammengesetzt wäre, ist im Werleschen<br />

unerhört.<br />

Für die frühere Zeit läßt sich gleichfalls nachweifen, daß<br />

das Ablager neben dem Hundekoru bestand. Z. B. verliehen<br />

die Herren von Werle dein Kloster Dobbertin neuerworbeue<br />

Güter mit Gericht, Dienst, Beden und Hundekorn; daneben<br />

aber verzichteten sie dann noch auf das Ablag er, z. V. in<br />

Bezug auf Gerdshagen Fürst Lorenz 1382:<br />

„vnd ro)? noch mise ammerlyde, mannen cd<strong>der</strong><br />

knechte scholen dar afflecser hcbben,"<br />

ebenso 1402 Herr Balthasar rücksichtlich an<strong>der</strong>er Dörfer.^)<br />

O<strong>der</strong>, um ein an<strong>der</strong>es Beispiel zu wählen, so verschrieb Herzog<br />

Albrecht vott Mcklcnburg seiner Gemahlin Katharina 1482<br />

u. a. die im ehemals werleschen Gebiete belegene Vogtei<br />

Parchim: „mir pechren, tinzcn, renrcn — dunste,<br />

recsede, rockhunre, hundekorne, lecscr r»nde<br />

Vgl. Schrö<strong>der</strong>, P. M. 15)56-. Lisch, Maltzau Urk. II., 441.<br />

Lisch, Maltzau Urt. IV. 73.


368 Das Hundekorn.<br />

Ist hier immer im Allgemeinen vom Ablag er die Rede, so<br />

schloß dieser weitere Begriff natürlich auch die Iagdablager<br />

ein, welche die häufigsten und darnm die drückendsten waren.<br />

Man darf hierans, daß die Verpflichtungen znm Ablager<br />

uud Zum Huudekorn neben einan<strong>der</strong> bestanden, den Schlnß<br />

ziehen, daß das Hundekorn nicht eine Ablösung des Ablagers<br />

war.<br />

Aber anch die Annahme, als ob das Hnndekorn eine<br />

Ablösnng für das hnndslager gewesen o<strong>der</strong> ausdrücklich zur<br />

Ausfütteruug <strong>der</strong> fürstlichen Hnnde eingeführt wäre, ist gänzlich<br />

unstatthaft. Denn zunächst steht <strong>der</strong> Betrag dieses Hnndckorns,<br />

zwei Sch. Noggen, zwei Sch. Gerste und zwei<br />

Sch. Hafer für jede Landhufe, in gar keinem Verhältniß<br />

zn dem angenommenen Zweck. Zn Anfang des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />

wo schon bei <strong>der</strong> im Mittelalter fortlaufenden Veränßernug<br />

von Domanialstücken dnrch Velehunng <strong>der</strong> Vasallen<br />

mit Dörfern nnd dnrch Verleihnngen zn milden Zwecken das<br />

Hundekorn gewöhnlich mit vergeben war uud es z. B. uutcr<br />

mehr als 40 Dörfern in <strong>der</strong> Vogtei Stavenhagen nur noch<br />

aus 16 Dörfern anfkam, betrug die Summe des Hundekorns<br />

aus diefeu 16 Dörfern (1508), obwohl in einzelnen Dörfern<br />

Roggen und Gerste wegen Hagelschadens ausblieb,<br />

341/2 Dr. Roggen ^ 414 Sch. Roggen<br />

30 „ Gerste ^ 360 „ Gerste<br />

52 „ Hafer ^- 624 „ Hafer<br />

in<br />

Man mache sich hiernach einen Ueberschlag über die sämmtlichen<br />

Zu Anfang des 14. Iahrhnndcrts noch nicht verliehenen,<br />

alfo znm Domaninm <strong>der</strong> Herren von Werle gehörigen Güter<br />

und sonstigen Hebungen: so darf man den damaligen Betrag<br />

des Hnndekorns doch sicher auf weit mehr denn 1000 Drömt<br />

Korns veranschlagen.<br />

Zum an<strong>der</strong>n ist Gerste kein Korn, mit dem man<br />

Hnnde fütterte, und wollte man annehmen, sie sei znm Bier<br />

für die Jäger gegeben; wie viele und loie dnrstige Jäger<br />

müßten die Herren von Werle sich gehalten haben, um jährlich


Das Hundekorn. 369<br />

Tausende von Scheffeln Gerste für sie verbrauen zn lassen!<br />

Solche Abgaben konnten aber außerhalb des Domaninms<br />

nicht ohne ständische Einwilligung erhoben werden.<br />

Um es kurz zu sagcu, das Huudckorn als Abgabe im<br />

Werleschen steht mit <strong>der</strong> Jagd in keiner Verbindung, son<strong>der</strong>n<br />

ist nichts An<strong>der</strong>es als die alte, auch im 13. Iahrhnn<strong>der</strong>t<br />

wohl bekannte Kornabgabc von den Hnfcn, die man bald als<br />

Kornbede, bald (als zwischen Pacht nnd constant gewordener<br />

Bede kein Unterschied mehr gemacht ward) als Pachtkorn<br />

bezeichnete. Auch als <strong>der</strong> Ausdruck Huudekorn schon dafür<br />

aufgekommen war, brauchte man doch noch oft den alten<br />

Namen Kornbede dafür, o<strong>der</strong> man sagte einfach „Korn."<br />

Ich lege dabei Gewicht darauf, daß das Huudekoru gelegentlich<br />

selbst so erklärt wird. Z. B. Nicolaus uud Christoph<br />

von Werle erneuerten dem Lüdeke Hahn 1404 seinen Brief<br />

über die Velehnnng mit dcm Dorfc Demftzin,<br />

„mit <strong>der</strong> lmreken bcde vnde mit <strong>der</strong> csroten<br />

bede vnde mit aller bede, 5c me bilden ed<strong>der</strong><br />

bcden (die man erbitten o<strong>der</strong> gebieten) moFhe, ^nde<br />

mid <strong>der</strong> korliebede^ dat nie hnndckorne<br />

hct^ vnde nnt deli muntepenninFhcn" 6w.'^)<br />

Wir finden hänfig genng anch schlechtweg Kornbedc, wo man<br />

in an<strong>der</strong>n gleichzeitigen Urkunden an <strong>der</strong>selben Stelle Hundckorn<br />

gesagt hat. Z. V. wurden 1337 den Gebrü<strong>der</strong>n Hahn<br />

Vasedow nnd an<strong>der</strong>e Dörfer in <strong>der</strong> Vogtei Malchin, wo sonst<br />

das „Huudekorn" üblich war, 'durch Johann III. von Werle<br />

verliehen, mit aller fürstlichen Gerechtigkeit anßcr dem Roßdienste;<br />

aber des Hnndekorns wird nicht gedacht, son<strong>der</strong>n es<br />

heißt:<br />

„mid dcme csrotcstcn — vndc mid dcme minncjlcn<br />

richte nnt crochpcnliincscn^ lnid muntcpcnnlncscli^<br />

nnd rilidcrcshcldc ^ndc mid honrccscldc<br />

vlidc lnid almc slnalteFhcdcn^ nnr aller<br />

Lisch, Hahn Urk. II. 70-73.


370 Das Hundekorn.<br />

p enninchbede vndc mid aller kornbedende dre drompt körn es<br />

drierle)? vnde an<strong>der</strong>halue schepel kornes^tho<br />

Mamero-w vefftcin H.ub. mark cscldes r>nde<br />

necsen schepcl korncs r>nde dre drompt kornes<br />

drierley^ cho Grammcczorv achrchalf -^ub. mk.<br />

Feldes r»nde achtein schcpel kornes dricrlcy^<br />

vndc rho Rodtspalke sos drompr kornes drieri<br />

ey min andcrhaluen schepcl kornes."^^)<br />

Schon <strong>der</strong> Ausdruck „drierley" zeigt, daß wir es hier mit<br />

sonst so genanntem „Hundekorn" zu thun haben. Späterhin,<br />

1486, überließ bei einem Vergleich mit den Landesherren<br />

über diese Dörfer Wedege Moltzan denselben wie<strong>der</strong>: „hoFestc<br />

Ferichte, bede vnde Hundekorne oucr dach csanye<br />

dorp ro tNammeron?)" und es waren ^achtchalue<br />

bedehouen."^) Folglich wurde zu Mamerow für jede<br />

Zins- o<strong>der</strong> Bedehufe ^ ^ 2 M. (Bede) uud ^ . ^ ^ ^<br />

^ 6 Sch. Hundekorn (2 Sch. Roggen, 2 Sch. Gerste, 2 Sch.<br />

Hafer) gegeben.<br />

Schon <strong>der</strong> eine Umstand, daß nie Weizen (dessen Anbau<br />

erst allmählig aufkani uud lange Zeit auf wenig Gegenden<br />

Meklenburgs beschränkt blieb) als Hnndekorn gegeben ward,<br />

65) Mekl. Urk.-Vuch IX. No. 5764; vergl. No. 6206 u. f. w.,<br />

auch Lisch, Maltzan Urk. ll. 77, 79, 92 :c.<br />

66) Lisch, Maltzan Urk. IH. 380.<br />

6?) Das. IV. S. 101.


Das Hnndekorn. 371<br />

nnd zweitens dicWahrnchmnng, daß die freien o<strong>der</strong> Schnlzenhnfen<br />

danernd von <strong>der</strong> Entrichtung des Hnndekorns befreit<br />

blieben, weifen nns znriick in die Zeit <strong>der</strong> ersten deutschen<br />

Kolonisation, wo von vorne herein zwifchen den iniiQ8Ì8 1i^6i'Ì8<br />

— den Hnfcn des loo^tor, <strong>der</strong> das Dorf ansiedelte nnd das<br />

Schulzcnrccht ausübte ^ - und den Zinshufen (m^n8Ì3 oon-<br />

8Ull.1iI)N8) strenge unterschieden ward. Jene blieben aber in<br />

<strong>der</strong> Regel nicht allein vou dein Zins, son<strong>der</strong>n auch von dem<br />

Zehnten frei, von dem <strong>der</strong> Landesherr übrigens (und wie<br />

die öfter vorkommende Mitverleihnng <strong>der</strong> Zehnten beweist, anch<br />

im Werlefchen) einen Theil vom Bischof zn Lehn trng, und<br />

<strong>der</strong>, was den Kornzehnten zumal betrifft, wo es nicht von<br />

vorne herein geschehen war, wenigstens sehr früh fixirt ward.<br />

Es war das Leichteste für den Zinsbauern, feine feste Pacht<br />

(^otum), zn welcher <strong>der</strong> ursprüngliche Zins und <strong>der</strong> fixirte<br />

Kornzchntc vereinigt waren (nnd die man, mit <strong>der</strong> Bede vereinigt,<br />

anch nnter dem Namen (ordentliche) Bede im Gegensatz<br />

zu außerordentlichen Beden zusammenfaßte), in den drei<br />

Arten von Korn, die er allein o<strong>der</strong> doch Vorzugsweife bauete,<br />

Roggen, Gerste und Hafer, zu entrichten. Da aber die große<br />

Menge des Korns, welche auf die Weife zusammenkam, von<br />

<strong>der</strong> Landcshcrrschaft nicht vcrbrancht werden konnte und sich<br />

schwer verwerthen ließ, so ging ihr Bestreben von vorne herein<br />

dahin, statt des Kornzinses uud <strong>der</strong> Korubede möglichst den<br />

entsprechenden Gcldwerth (die Penuigbede, o<strong>der</strong> Sommer- uud<br />

Winterbede, letztere auch schlechtweg Pacht genannt) zu empsangen.<br />

Im Werleschcn ist allem Anscheine nach früh allgemein<br />

die Hnfenpacht in <strong>der</strong> Weife entrichtet, daß dieselbe, die natürlich<br />

je nach <strong>der</strong> Ertragsfähigkeit in den verschiedenen Dörfern<br />

verschieden war, in Geld (Sonnner- und Winterbede, o<strong>der</strong><br />

Pacht) gegeben ward bis ans je zwei Scheffel Roggen, Gerste<br />

nnd Hafer von <strong>der</strong> Hufe, die zum Bedarf <strong>der</strong> fürstlichen Hausuud<br />

Hofwirthfchaft ausreichten. Eben diese Kornabgabe zum<br />

fürstlichen Bedarf ward feit dem Aufauge des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

mit dem — anscheinend dnrch Günther von Werle ans dem<br />

Magdcbnrgischen eingeführten — Ausdruck,, Hnudekorn" bc-


372 Das hnndekorn.<br />

nannt, jedoch so, daß auch gelegentlich dafür, loie wir sahen,<br />

noch die Ausdrücke „Kornbedc" o<strong>der</strong> „Bedet'orn" o<strong>der</strong> schlechtweg<br />

„Korn" vorkommen. Taraus aber, daß das Hnndekorn<br />

eben ein Theil <strong>der</strong> znm Grundzins gewordenen Vede war, erklärt<br />

es sich auch, daß es - mit sehr seltenen Ausnahmen<br />

— ebenso wie die „Vede" (Geldzins) regelmäßig mit verliehen<br />

ward, so oft die Fürsten Grnnd nnd Boden znm Pfand- o<strong>der</strong><br />

Lchnbesih weggaben.<br />

Ganz analoge Verhältnisse finden wir, um auch uoch<br />

einen Blick ans die an<strong>der</strong>n meklenbnrgischen Gebiete außerhalb<br />

<strong>der</strong> Herrschaft Werte zu werfen, im Stargardischen. Aber<br />

<strong>der</strong> Ansdrnck „Hundekorn" begegnet nns hier für die Abgabe<br />

dreierlei Korns änßerst selten. Gegenwärtig sind nur nnr<br />

zwei Fälle. 1368 nämlich bestätigte Herzog Johann dem<br />

Kloster Broda einen von Ianeke Roggentin erkauften Hof<br />

mit zehn Hnfen zn Podewall „myr dcmc thcFhcdcn, nnr<br />

dcr mölcnpacht —


Das Hundekorn. 373<br />

14 Dörfer im Lande Sternberg, ^mir aller bede, pennin cshe<br />

S) nnt alme rechte^).<br />

In <strong>der</strong>selben Urkunde haben wir also die beiden Synonyma:<br />

nnd I(01'niD6d6 !<br />

Freilich erzählt Ernst von Kirchbcrg, <strong>der</strong> aber erst 1378<br />

zn schreiben ansing, in Cap. 71 seiner Rcimchronik, Heinrich<br />

II. von Mecklenburg habe in seinen: Testament (1329) nm<br />

seines Seelenheiles willen befohlen,<br />

„daz man daz hundckorn »nnnnier nie<br />

solde csec^schin (for<strong>der</strong>n) recht als c<br />

vbir svne land vnd sv»: herschaft^;<br />

nnd Klcmpin ist in seinem zweiten Erachten geneigt, hierin eine<br />

Iagdabgabe zn sehen; aber mit Unrecht. Kirchberg hat dabei<br />

nichts An<strong>der</strong>es im Nnge als das, was er im 165. Capitel^")<br />

selbst erzählt nnd was anch ans Dctmars Chronik (z. I. 1321)<br />

bekannt genng ist, daß nämlich <strong>der</strong> Fürst Heinrich in seiner<br />

Kricgsnoth dazn griff, „den papcn r»lldc allen<br />

luden ererenthe, de van de,ne iare en toborede i<br />

lande", zn ^nemen". Er lvard bekanntlich dafür gebannt<br />

nnd mnßte sich wegen solcher „Schahnng" mit den Prälaten<br />

abfinden. Er bekennt in seiner Sühne mit dem Bischof von<br />

Natzcburg vom 17. März 1323 auch,<br />

8U08 l)61I6ii0Ì9.t03 I) 0 N 0 i Ì 0 Ì ^ IÌ I) U 8<br />

Also das Zehntkoru u. s. w., welches <strong>der</strong> Fürst Heinrich <strong>der</strong><br />

Geistlichkeit entzog nnd für feinen eigenen Bedarf verwandte,<br />

beucuut Kirchbcrg uach dem Sprachgebrauche seiner Zeit:<br />

Mell. Urk.-Vuch VII. Nr. 4959.<br />

Westphalen Nonmn. ii>6^,. IX". S. 817.<br />

Mctl. Urk.'Vuch VII. Nr. !4.>l..


374 Das Hundekorn.<br />

Vili.<br />

Indem wir nns nun von <strong>der</strong> Herrschaft Werle nach Vorpommern<br />

hinüber begeben, erinnern wir daran, daß schon oben<br />

in Abschnitt V die ältesten pommerschen Urkunden genannt<br />

wnrden, in denen wir das Hnndekorn antrafen. Die älteste<br />

von diesen gehörte dem Jahre 1373 an. Möglicher Weise<br />

findet es sich schon in älteren, noch nngedrnckten Briefen;<br />

aber schwerlich wird <strong>der</strong> Gebrauch des Wortes viel weiter zurückreichen,<br />

da v. Dreger nnd <strong>der</strong> Archivar Di'. Kleinpin, die<br />

doch mit den Schätzen des Königlichen Staatsarchivs zu Stettin<br />

so vertraut waren, es ans dieser Zeit nicht gekannt haben.<br />

Wir können übrigens leicht zeigen, daß bis etwa znr Mitte<br />

des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts, also etwa bis zu <strong>der</strong> Zeit, welcher die<br />

Urkunde über Hinrichshagen angehört, das Hnndekorn in<br />

Urkunden über die verschiedensten Güter, gleichviel ob sie einen<br />

wendischen, o<strong>der</strong> ob sie einen deutschen Namen tragen, sowohl<br />

innerhalb des alten ruyanischen Festlandes, als auch außerhalb<br />

desselben in Vorpommern vorkommt. Z. B. in den von Lisch<br />

herausgegcbeuen Urknnden znr Geschichte des Geschlechts v.<br />

Vehr, welche thunlichst nach beglaubigten Abschriften von den<br />

Originalen im Königlichen Staatsarchiv zu Stettin gcdrnckt<br />

sind und <strong>der</strong>eu Abdrücke darum Vertrauen verdienen, finden<br />

wir das Hundekorn erwähnt:<br />

in Stnpenhagen 1425,^)<br />

in Gätkenhag en 1450,^)<br />

in Lendcrshagen, Wnlneshagen, Hovede (Hövet),<br />

Mergenha ghe n e, Ln s dyen 145> 1, ^')<br />

in Willershagen 1449, ^)<br />

in Kindesh a g cn 1450,^)<br />

Sehr Urk. III. S. WO.<br />

Daselbst IV. 66.<br />

Maltzan Nrk. IIl. ^5.<br />

Vehr Urk. I V. 53.<br />

Daselbst IV. 66.


Das Hundekorn. 375<br />

inDolgen, S c m l o w, Navenhorst, Stormstorf,<br />

Zarnow, Prnstorf 1450,^-')<br />

in Gnemerstors 1415/«)<br />

in Falkenhagen und Henke nhagen 1401,^^)<br />

in Zarnewanz, Zettelwitz, Candelin, Gr. Zastrow<br />

in Dersckow 1402/3)<br />

im Lande Gutzkow überhaupt 1412,^)<br />

häufig in <strong>der</strong> Gegend von Grcifswald, Z. B.<br />

in Nenenkirchen und Hinrichshagen<br />

in Stilow, Gustebin und Vierow 1402/^)<br />

in Lo ss in 1403/7)<br />

weiter südlich in <strong>der</strong> Vogtei Cnmmerow 1426, ^)<br />

bei Usedom zn Ncggesow (Rcgezow) 1432.^)<br />

Aus dem Anschlag des Amtes Barth ä. a. 1604—14^ ^^. i-. Wolg. Nrch. 7. 22. Nr. 12.<br />

25


376 Das Huttdekorn.<br />

von einer Anzahl Hilfen enthalten, war in <strong>der</strong> Regel keine<br />

Veranlasfnng, den Betrag des Hnndekorns zn specifieiren;<br />

aber in einzelnen Fällen ist es doch gefchehcn.<br />

Z. B. 1384, am 13. Januar, verpfändete Herzog Wartislav<br />

(VI.) dem Rathmann Vinccnz Wicbold zn <strong>Greifswald</strong><br />

„alle bede, alle hundekornc" von acht Hnfen zn Zarnewanz,<br />

von zwei Hnfen zn Zettelwitz nnd von zwei Hufen zu<br />

Caudelin,<br />

„alze van ener iervelken (—jeglichen) huue dre<br />

mark vnde zos sccpcl Hundekorns alle iar<br />

vproborcnde ro zrune Mycheles dacshe^ vnde<br />

allen dcnest ouer de vorbenumeden huuen.^^)<br />

Die Bede betrug also pro Hilfe 3 M., das Hundekorn genau<br />

wie im Wcrlefchen sechs Scheffel. Nebrigens bemerken wir,<br />

daß <strong>der</strong> Herzog in, dieser Urkunde keine an<strong>der</strong>e Kornabgabe<br />

von diesen Hnfen erwähnt, aber sich und seinem Vetter ausdrücklich<br />

nichts darin vorbehält.<br />

In einer an<strong>der</strong>n Urkunde Volt demselben Tage verpfändet<br />

<strong>der</strong>selbe Herzog einem an<strong>der</strong>n Bürger aus <strong>Greifswald</strong> „alle<br />

bcde vnde alle Hundekorne an deine dorpe ro Groren<br />

Auch hier eutrichtete die Hufe 3 M. Bede und sechs<br />

Scheffel Korn; <strong>der</strong> Zahluugstermiu war gleichfalls Michaelis.<br />

Aehnlich finden wir es in einer an<strong>der</strong>n Gegend. Nm<br />

7. Januar 1402 verpfändeten die Herzoge Barnim (VI.) nnd<br />

Wartislav (VIII.) aus dcu Dörfern Stilow, Ghustebyn und<br />

Vicrow:<br />

„alle hundekorne, van ener )?sl)?ken houe<br />

desser naschreuenen dörpc sos schepel dreverle)?e<br />

kornes^)<br />

ferner alles Holzgeld, pro Hufe 8 ß.,<br />

alle Markbede, „ „ 1 M.,<br />

Lisch, Vehr Urk. NI. S. 72.<br />

Daselbst S. 76.


Das tzundekorn. 377<br />

alle Sommerbede, Pro Hufe 6 ß.,<br />

alle Münzpfennige „ „ 6 Pf.,<br />

endlich von je<strong>der</strong> Hufe ein Huhn und vier Eier und allen Dienst<br />

„Vndc allcnr dat, dat n?y an dessen dorpen Vndc<br />

höucn nacfcschrcucn hat Hebben." ^)<br />

Ganz ähnlich lautet <strong>der</strong>selben Herzoge Pfandbrief über das<br />

Dorf Dersekow von demselben Tage, ^) nur daß es hier heißt:<br />

^van ^cvoclkcn houcn rvoe schere! rocscfhel^) troe<br />

schepel Fersten r»nde t'we schcpel Haueren hundeforncs"<br />

))Ulle iar Vproborende vppesunte M^chelis<br />

dagh."<br />

1403 verpfändeten dieselben Herzoge ^alle bedc vndc hrn^dekorne<br />

des cshanycn dorpes ^.odcssyn" (Lossin), und<br />

wie<strong>der</strong>um von je<strong>der</strong> Hufe sechs Scheffel ^dr^erleye kornes."^)<br />

Die Aehulichkeit dieses Hundckorns mit dem im Werleschen<br />

springt in die Augen, namentlich ist zu beachten, daß es<br />

regelmäßig aus dreierlei Korn, und zwar genau o<strong>der</strong> fast<br />

gleichviel von je<strong>der</strong> Kornart, besteht. Dagegen scheint <strong>der</strong><br />

Betrag je<strong>der</strong> Kornart nicht immer gerade zwei Scheffel betragen<br />

zu habeu, wie wir es im Werleschen fanden, so daß<br />

man hieraus nicht so ohne Weiteres z. V. folgern kann, daß,<br />

wenn Hinrichshagen im Jahre 1454 eine Last 4V2 Scheffel<br />

dreierlei Korns Hundekorn entrichtete, das Dorf ^v^^<br />

Zinshufen gehabt haben muß.<br />

Um Zu zeigen, wie weit noch in späterer Zeit die Behauptung<br />

zutrifft, daß in <strong>der</strong> Regel, wo man nicht dnrch eine<br />

kleine Verschiebung des Betrages (je nach <strong>der</strong> Vodenbeschaffenheit<br />

o<strong>der</strong> um Vruchtheile des Scheffels zu vermeiden) ausglich,<br />

das Hundekorn aus Roggen, Gerste und Hafer zu gleichen<br />

Theilen gegeben ward, setzeu wir den Gesammtbetrag des<br />

Hundekorns aus den Aemtern hierher:<br />

Lisch, Behr Urk. III S. 141.<br />

Daselbst S. 143.<br />

Daselbst S. 151.


378<br />

Das hnndekorn.<br />

Roggen. Gerste. Haser.<br />

1. Usedom 4L.4D. I^S. 5L.1D.l/2S. 4L.4D.1'/2S.<br />

(a.0. 1541.)<br />

2. Wolgast<br />

(mitKrnmmin<br />

seit 1562.) 6„ 7 ,<br />

3. Grimmen<br />

(1541?): 1„4 „ 1^<br />

4. Loitz<br />

11 5'/4<br />

(1569): 6 „ 7 „ 1 1<br />

(mit Einschluß des<br />

Dicnfthafers.)<br />

5. Tribsees<br />

(1569):<br />

, 1L.4D.2 S.<br />

6. Barth<br />

(1604/14)<br />

„ 17 „ 3 „ 6'/8 „<br />

Snmma: 2<br />

Roggen. Gerste.<br />

Hafer. -<br />

Wir schalten hier beiläufig ein, daß nach einem Register<br />

des Amtes Tribsees^) ans <strong>der</strong> Zeit Herzog Philipps I.<br />

(f 1560) die Ansätze für das Amt Tribsees ein wenig geringer<br />

sind, für Roggen nnd Hafer nämlich fünf, für die<br />

Gerste vier Scheffel weniger, eine gleichmäßige Differenz, die<br />

sich vermnthlich ans einem verschiedenen Scheffelmaße erklärt,<br />

wie denn anch die Universität 1570 schon 1 Last 9 Scheffel<br />

ans Hinrichshagen bezog, während ihr nnr 1 Last 4^2 Scheffel<br />

1454 verschrieben waren. Die Steigernng ist hier nach <strong>der</strong>selben<br />

Proportion geschehen.<br />

Anch sei hier noch bemerkt, daß das Hnndekorn nach den<br />

Registern gleichfalls so gnt ans Dörfern mit deutschen Namen,<br />

wie ans solchen mit wendischen Namen erhoben ward.<br />

Die Hanptsnmme zeigt also zwischen den Beträgen <strong>der</strong><br />

drei Kornarten (Weizen kommt anch in Pommern nie als<br />

Staatsarchiv zu Stettill 6. r. Wolg. Arch. T. 22. Nr. l2.<br />

Wolg. Arch. Tit. 82 Nr. 11.


Das Hundekorn. 379<br />

Hnndekorn vor) einen sehr bedeutenden Unterschied; man sieht<br />

jedoch sofort, daß dieser wesentlich vom Amte Barth herrührt.<br />

Denn bei Loitz wird ausdrücklich gesagt, daß <strong>der</strong> Dien st Hafer<br />

mit eingerechnet ist, von Wolgast wird dasselbe gelten. Aber<br />

glücklicher Weise existirt gerade von dem Amte Barth eine<br />

genane Specifikation darüber, wie viel Hnndekorn jedes Dorf<br />

zn leisten hatte. Es ward nach dem erwähnten Anschlag 1604/14<br />

dort ans 37 Dörfern erhoben, nnd von diesen entrichteten 31<br />

Dörfer von allen drei Kornarten eine gleiche Quantität, nnr<br />

vier eine ungleiche (Kentze z. B. 42 Sch< Roggen, ebenso viel<br />

Gerste, aber 104 Sch. Hafer, Saal 157^2 Sch. Roggen,<br />

622 Sch. Gerste, 934^4 Sch. Hafer); endlich Starkow und<br />

Redebas entrichteten (neben starker Geldpacht) an Hundekorn<br />

nnr resp. 8 Sch. und 72 Sch. Hafer. Da nun aber diese<br />

wenigen Dörfer im Gegensahe zn den Hun<strong>der</strong>ten von Ortschäften<br />

Vorpommerns eben nur als seltene Ausnahmen erscheinen,<br />

bis znm 17. Iahrhnn<strong>der</strong>te hin anch schon manche<br />

Verän<strong>der</strong>ungen vorgegangen waren, und diese Ausnahmen<br />

weiter nnten ihre ausreichende Erklärung finden werden, so<br />

dürfen wir als die Regel festhalten, daß in Vorpommern das<br />

Hundckorn anch später noch in dreierlei Korn, Roggen,<br />

Gerste und Hafer, und zwar in einem völlig o<strong>der</strong> doch fast<br />

gleichen Betrage von je<strong>der</strong> Kornart gegeben ward.<br />

Die Vertheilnng des Hundekorns auf die drei Kornarten<br />

ist so charakteristisch, daß man eine Abgabe in dreierlei<br />

Korn von etwa gleichem Betrage in solchen Aemtern, wo<br />

überhaupt das Hundekorn üblich war, selbst dann für Hundekorn<br />

halten muß, wenn es auch nicht ausdrücklich als solches<br />

bezeichnet wird. Z. B. 1426 verpfändete die Herzogin Agnes<br />

unter Bestätigung ihrer Söhne aus ihrem Leibgedinge in <strong>der</strong><br />

Vogtei Grimmen, und zwar aus Papenhagen und Hoikenhagen<br />

28^/2 M. Geld nnd 13 Scheffel Roggen, 13 Scheffel Gerste<br />

und 13 Scheffel Hafer; 1449 verpfändete Herzog Barnim (VIII.)<br />

2^/2 M. Winterbede, eben so viel Sonnnerbede ^nnd X sccpcl<br />

dricrlcv korlis im dorpc Dcrsckcndorpc", ferner in<br />

Willershagen 2^/2 M. Sommer- und Winterbede „vnd VIII


380 Das Hundekorn.<br />

(71/2) sccpel drierlcy korns" mit dem höchsten Gericht<br />

und Dienst.^)<br />

Wir würden diese Kornhebungen „dreierlei Korns" für<br />

Hundekorn nehmen, wenn uns auch nicht aus dem Ertraet <strong>der</strong><br />

Aemter des Wolgastischen Theils bekannt wäre, daß in <strong>der</strong><br />

Vogtei Grimmen Huudekoru erhoben ward, und wenn wir<br />

auch nicht aus dem oft angezogenen Anschlage des Amtes<br />

Barth wüßten, daß aus den Dörfern dieses Amtes kein an<strong>der</strong>es<br />

Korn gegeben ward als eben Huudekorn.<br />

Merkwürdig ist nun aber, daß in jenen Aemtern, wo<br />

das Hundekorn erhoben ward, kein Bedekorn vorkommt, dagegen<br />

in an<strong>der</strong>n Aemtern, wo kein Hundekorn einging, Bcdekorn in<br />

ganz gleicher Art (von dreierlei Korn in gleicher Quantität)<br />

üblich war. So erhob das Amt Lindenberg 1569 kein<br />

Huudckorn, aber an Bedekorn:<br />

4 Last 1 Dr. IV2 Sch. Roggen,<br />

4 „ 1 „ 7'/8 „ Gerste,<br />

4 „ 4 „ 3 l/8 „ Hafer.<br />

Ebenso ging bei dem fürstlichen Amte Ueckermünde damals<br />

kein Hundekorn ein, aber aus Dörfern <strong>der</strong> vormaligen Abtei<br />

Stolp (an <strong>der</strong> Peene) Bedekorn:<br />

4 Last 7 Dr. 0 Sch. Roggen,<br />

4 „ 7 „ 31/2 „ Gerste,<br />

5 „ Hafer (aber: „ein paar Scheffel fehlen<br />

alle Jahre daran!" ^)<br />

ImExtraet des Klosters Stolft von ca. 1570^) finden wir<br />

aufgeführt:<br />

1 Last 4 Dr. 6 Sch. Be<strong>der</strong>oggen,<br />

1 „ 4 „ 6 „ Bedegerste,<br />

1 „ 3 „ 5 „ Bedchafer<br />

und außerdem ganz vereinzelt von <strong>der</strong> Stadt Anklam (ver-<br />

N) Lisch, Behr Urk. IV. S. ? und 53.<br />

'M) Staatsarch. zu Stettin Z. i-. Wolgast. Arch. Tit. 22, Nr. 12<br />

Fol. 46. 31 ff.<br />

wl) Staatsarchiv zu Stettin Z. r. Wolg. Arch. Tit. 63, Nr. 127<br />

Fol. 33 u. 34.


Das Hundekorn. 381<br />

muthlich für überlassenen Grundbesitz) 2 Dr. 8 Sch. Roggen<br />

„Hundekorn" und 3 Dr. 10 Sch. Hafer.<br />

Noch eigenthümlicher ist die Bezeichnung im Extracte<br />

des Klosters Verchen (ca. 1570):^)<br />

Roggen: „Heruestbede" 1 Last 6 Dr. 6 Sch.<br />

„Bedegersten" 1 „ 6 „ 6 „<br />

„Bedehauern" 1 „ 6 „ 6 „<br />

Aehnlich heißt es im Extract des Klosters Eldena<br />

(ca. 1570): "3)<br />

Roggen: „Heruestbede" 2 Last 5 Dr. 2 Viert<br />

„Pachtgerste, Heruestbede" 2 „ 5 „ 2 „<br />

„Pacht- und Diensthauer:<br />

Heruestbede od. Hundekorne" 2 „ 2 „ 8^/2 Sch.<br />

„Hnener tom Hnndekorn 65, thuu 4 M. 1 ßl."<br />

„Eiger bey das Huudekoru 11 Stiege 16 Eiger, i^o. 11 s. 9 Pf."<br />

Man sieht hieraus deutlich, daß die Ausdrücke „Hundekorn",<br />

„Bedekorn", „Herbstbede" hier correspondirende Bezeichnungen<br />

sind, und daß in den Domanialämtern „Hnndekorn," in den<br />

Klostcrämtern „Vedekorn" nnd „Hcrbstbed^' vorwalten.<br />

Bei Verlcihuugen von Gütern an Vasallen und Bürger<br />

und Stifter durch Lehn o<strong>der</strong> Verkanf o<strong>der</strong> Verpfänduug stand<br />

es natürlich in dem Willen des Landcsherrn, sich die Einnahme<br />

des Hundekorns zu referviren; ebenso aber stand ihm frei,<br />

dieselbe mitzuveräußern. So geschah es nicht selten, daß<br />

„Hundekorn" aus fürstlichem Besitz an Privatleute und Klöster<br />

überging. Z. B. haben die Herzoge Wartiflav und Barnim<br />

1421 dem Ritter Kurt Moltke und seinen Erben<br />

^cshecscuen und Fhclenet" (also zu Lehn!) ^de<br />

bcde vnde Hundekorn in demc dorpe to dem<br />

StupenhaFhene mit dcme hocshesten rechte darsuiuest<br />

Vnde rves rv^ vor<strong>der</strong> in dem vorscreuen<br />

dorpe r»nde csude hebben."^^)<br />

O<strong>der</strong> uni ein an<strong>der</strong>es Beispiel zu wählen, so verkaufte <strong>der</strong><br />

iw) Staatsarchiv zu Stettin 3. i-. Wolg. Arch. Tit. 63 Nr. 127, F. 52.<br />

'M) a. a. O. Fol. 5 ff.<br />

1«) Lisch, Vehr Urk. III. S. WO.


382 Da<br />

Vasall Heinrich Vrobozen zu <strong>Greifswald</strong> an den Abt zu<br />

Neuenkamp<br />

oinni ^NI'0, jni'i^siil'tiono Nicoli Staninoli,<br />

ot colli,<br />

monto OHNNIN)<br />

und die Herzoge bestätigten (ea. 1415) diesen Verkanf und<br />

verliehen dem Kloster jenes Dorf „onin sooclos!), cloniinoo<br />

t'iunlonto Oldnnin, ino-<br />

Wenn nun die Klöster das Hundekorn in den nenerworbcnen<br />

Gütern in <strong>der</strong> Regel als Vedekorn anfführten o<strong>der</strong> einfach<br />

mit <strong>der</strong> Korn- o<strong>der</strong> Ocldpacht zusammenzurcchuen pflegten, so<br />

behielt das Kloster Eldena in solchen Fällen den Ausdrnck<br />

^-Harucjcbcdc cffrc ^Hul^dckorn^ bei. Solches Korn<br />

erhob das Kloster (nach dem Register von 1578) z. B. aus<br />

Dersekow 8 Sch. Noggeu, 8 Sch. Gerste, 8 Sch. Hafer,<br />

Lotzin 36 „ „ :z0 „ „ 36 „<br />

Vierow 23 „ „ 23 „ . 23 „<br />

Hinrickshagen 18'/2„ „ 18V^, „ 18'/2„<br />

Aus diesen Dörfern ist früher Duudekoru nachgewiesen (s. oben).<br />

Hieraus aber wird sich auch erkläreu, wie <strong>der</strong> Laudesherr<br />

umgekehrt das Koru, welches er aus Klosterdörferu erhob,<br />

Hundekorn benennen konnte. Irrig hat nämlich Klempin<br />

in seinem ersten Gntachteu (gegeu das Eude) behauptet: „Soweit<br />

sich die Nachrichten zurückführen lassen, nnd beson<strong>der</strong>s<br />

nach Maßgabe <strong>der</strong> vorhandenen Amtsanschläge nnd Register,<br />

wnrde das Hnndekorn ausschließlich aus deu fürstlicheu<br />

Do mania lgütern erhoben. Solche kamen dann später allerdings<br />

dnrch Kauf, Tausch o<strong>der</strong> Scheukuug auch in Privathände".<br />

Daß Hnndekorn von <strong>der</strong> Landesherrschaft an Private<br />

veräußert wurde, habeu wir allerdiugs soeben gesehen; daß<br />

es aber, wenigstens stellenweise, mich ans Lehngntern von<br />

den Landesherren bezogen ward, beweist z. B. die Urkuude von<br />

Lisch, Vehr Urk. III. S. l


Daö Hundekorn. 383<br />

1456, ^"') worin Herzog Wartislav dm Brü<strong>der</strong>n Claus nnd<br />

Gerd Vehr verpfändet: Bede nnd Huudekorn ans Dolgen, Navenhorst<br />

nnd Stormstorf, ferner:<br />

„rho Acllncloo^. rho Tzornoro^ to Slcmmvn<br />

vr c liccs^clivlidcrvointccl) uiark vnde<br />

ch schcpcl hondckorn s) Nach Wolg. Arch. Tit. 82. iic'r. l4.<br />

"") Lisch, Bi'hr Uvk. l V. S. s.l!.<br />

lw) Fabric. Nr. 783.<br />

"", s. Lisch, Mllltzan Urk. III. S. 228.<br />

c vnde Gusdvcn csehctcn dar Für


Z84 Das Hundekorn.<br />

Diese waren seit dem 13. Jahrhun<strong>der</strong>t im Besitze <strong>der</strong> Kirche<br />

zu Riga und des Klosters Neuenkamp. Ferner ist es bezeugt<br />

vou Dörfern des Klosters Eldena, und zwar von solchen, welche<br />

im ursprünglichen Klostergebiete lagen. Herzog Barnim VIII.<br />

zu Barth verpfändete nämlich 1434 dem Kloster Eldena die<br />

Bede ^Geldbede), das Huudekorn nnd Dienst aus „Hennekenhagen"<br />

und dem „Kytz", bei <strong>Greifswald</strong>, wie seine Vorfahren<br />

sie früher an Gottschalk von Letzenitz verpfändet, und das Kloster<br />

sie von dessen Erben uud zuletzt von den Rathmännern Nieolans<br />

Below und Hans Nubeuow eingelöst hatte. ^^) Das<br />

Dorf hcnnekenhagen hatte das Kloster auf dem Gebiete des<br />

uralten, schon 1207 als solches vorkommenden Dorfes Leist<br />

(I^o3tuioo) erbauet, man nannte es anch ursprüuglich 1^68iii2,<br />

und das alte I^ostnit^o ward Kieshof (15)'^) benannt. ^")<br />

Es entrichtete auch im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t noch seine Kornpacht<br />

an das Kloster Eldena, sogut wie <strong>der</strong> Bauer „vpm Kytzhaue".<br />

Das Kloster blieb nnn aber nicht im Pfandbesitze jener fürstlichen<br />

Hebungen. Herzog Wartislav IX. bestätigte 1456 <strong>der</strong><br />

Universität <strong>Greifswald</strong> alle seine Beden und Korn Hebungen<br />

(0Q1N68 ii08ti'H8 proc^rias ot HNiionlliin) aus deu drei<br />

Dörfern I^o^ini^on (Leist), Wampen und Hennekenhagen, mit<br />

allem ihm bisher zuständigen Eigenthum (onin oinni proprioti^to<br />

ot äomiriiO) pront no8 1^otonu3 1i^I)uirQu.8) ; <strong>der</strong><br />

Herzog schlug den Ertrag auf 300 M. Sundisck an. ^")<br />

Wampen lag gleichfalls auf dein ursprünglichen Klostergebiete,<br />

kommt auch schou seit 1207 als Besitzung des Klosters<br />

Eldena vor"^) und zahlte an dasselbe seine Herbstbede und<br />

Kornpacht bis zur Säcularisation. "^')<br />

">) Lisch, Behr Urk. IV. S. 14.<br />

"-) Vgl. Ooä. I'oiusi-. äipi. Nr. 83, 118, 299, 429, auch S.<br />

995 und 1054, desgl. Fabricius Nr. 141, 231, 341.<br />

l'3) Dähnert, Sammlung II. S. 748.<br />

I") (^a. I>0M61-. äipi. Nr. 88 :c.<br />

U5) Register des Klosters Eldena von 1577/78, im Besitze <strong>der</strong><br />

Universität <strong>Greifswald</strong>.


Das ßundekorn. 385<br />

Wartislavs IX. Sohn, Wartislav X., bestätigte nun am<br />

1. August 1459 <strong>der</strong> Universität den Pfand besitz<br />

„<strong>der</strong> bcdc unde hundekornc unser dorpe<br />

Wampen^-Hcnnekenhacscn undc Rvesz" — „beth<br />

to <strong>der</strong> tyd) dar voy se ncd<strong>der</strong> loset hcbbcn na<br />

lüde <strong>der</strong> vorsccsclden brcve


386 Das tzundekorn.<br />

baares Geld verpfändet waren uud 1456 und wie<strong>der</strong>um 1563<br />

von ihnen unter dem Verzicht auf das Einlösungsrecht <strong>der</strong><br />

Pfaudinhaberin zum Eigenthum (,^uin oiinu ^iopriotlito od<br />

clomiiiio/' ^ta,n(iu^in i)i'0i)i-Ì03") iiberlafsen wurden, sind<br />

aus dem „Vniuersitetcu-Register do ^nno 1570 intt 1571"<br />

(Michael. 1570/71) zu erkennen. Diese Dörfer entrichteten au<br />

die Universität:<br />

„an standen Pachten" „an Korn"<br />

Roggen: Gerste: Hafer:<br />

Wampen 21M.12'/2s.; 2Dr. 10 Sch.; 2Dr. 10Sch.; 2Dr.10Sch.<br />

Hennikenhagen<br />

mit dem<br />

„Kytzhof" 39 ., 8 , 2 „ 11'/2,, 2 „ 11'/2. 2 „ 11'/2.,<br />

„Letzen"<br />

(ursprünglich) 42 „ — „ (kein Korn)<br />

Dagegen hatte Wampen (22 Landhufeu) an das<br />

Kloster Eldcna Zu geben: „Haruestbede" : 39 M. 12 ßl.<br />

8 Pf. und 8 Last 3 Dr. 8 Sch. Roggeupacht, 2 Last<br />

6 Dr. 9 Sch. Gerste, uud 5 Last 5 Dr. 6 Sch. Hafer.<br />

Aus dem Dorfe Heunikenha geu mit dem „Kytzhaue"<br />

(111/2 Hägerhufen) bezog das Kloster Eldena (außer etwas<br />

Wisch-, Krugpacht 3c.) „Roggeupacht:" 6 Last 1 Sch.,<br />

Gerste: 1 L. 5 Dr. 11 Sch., Hafer: 2 Last 2 Dr. 9 Sch.<br />

Endlich „Letzen" hatte dem Kloster an Roggenpacht:<br />

2 Last 7 Dr., Gerste: 2 Last 2 Dr. 8 Sch., Hafer 3 Last<br />

4 Dr. zu geben. „Haruestbede" bezog das Kloster aus<br />

Hennikenhagen, dem Kytzhofe und Leist nicht.<br />

Die Universität bezeichnete also die „bebe" (wie die<br />

Landesherren sagten) als stehende Pachte, das damit<br />

verbuudene „hundckorn" schlechtweg als „Korn." Noch<br />

interessanter ist aber jedenfalls, daß <strong>der</strong> pommersche Canzler<br />

im Jahre 1563 die Ausdrücke „bedc" uud ^<br />

nicht, wie es früher 1456 gefchah, durch prec^i-i^ und<br />

o<strong>der</strong> wie es in früherer Zeit soust üblich war, durch pro<br />

und luinoQa. ognuni (o<strong>der</strong> ^immnl, oluiinn. o<strong>der</strong> ii'n-<br />

luiuin) wie<strong>der</strong>giebt. Es scheint, er hat selbst kein<br />

„Korn für die fürstlichen Huude" iu dieser Abgabe des


Das Hundekorn. 387<br />

Klosters Eldena erblickt. Nicht min<strong>der</strong> auffallend ist es, daß<br />

in <strong>der</strong> Confirmation Herzog Wartislavs IX. von 1456 einfach<br />

^iniOQ^ statt linQ0QH oHnnm. gebraucht ist, obwohl es<br />

seinen oben angeführten Beträgen nach so benannt werden<br />

konnte und von seinen Söhnen auch so benannt ward. Wir<br />

kommen auf dieses Hundekorn weiter unten noch einmal zurück.<br />

Diese Fälle beweisen, daß das an die Landesherren entrichtete<br />

Korn aus eiuem Kloster, welches z. V. im Amte Ueckermünde<br />

Bedekorn genannt ward (s. oben), bisweilen anch als<br />

Hundekorn bezeichnet wurde. Ebenso kommt es aber auch vor,<br />

daß iu einem fürstlichen Amte das Hnndekorn Bede körn<br />

benannt wird. Z. B. in einem Register des Amts Grimmen<br />

ans <strong>der</strong> Zeit Herzog Philipps I. (f 1560) ^o) wird keine an<strong>der</strong>e<br />

Korneinnahmc genannt als:<br />

„Ahn Roggen: 3 Last 3 Dr. 4^2 Sch. Bedhekorn<br />

vnd körn vth <strong>der</strong> Mollen" (Mühle),<br />

„Ahn Garsten vnd Molte 2^2 Last 9 Sch.<br />

„Ahn Hauereu: 3 Last 1 Dr. 10 Sch. 1 Viert Hundekorne<br />

vnd Diensthaueren".<br />

Da hier ein Theil des Hafers als „Huudekorue" bezeichnet<br />

ist, fo bleibt nichts an<strong>der</strong>es übrig, als den Roggen, <strong>der</strong> hier<br />

Bedhekorn genannt wird, gleichfalls für Huudekorn anznsehen,<br />

wie auch sonst jenes „Bedhekorn" in Grimmenschen Amtsextracten<br />

Hundetorn hieß, wo kein Bedekorn aus dem Amte<br />

angegeben ward.<br />

Als Hauptergebniß unserer Untersuchung hat sich herausgestellt,<br />

daß das Huudekorn in Vorpommern ganz wie das<br />

Werlcsche in den drei Kornartcn: Roggen, Gerste und Hafer,<br />

gegeben ward. Es unterscheidet sich also wesentlich von <strong>der</strong><br />

Kornabgabe, welche sonst nachweislich in Süd- und Mitteldeutschland<br />

vielfach als ein Snrrogat für das Hundelagcr üblich<br />

war, stets aber nnr in einer Kornart, gewöhnlich in Hafer<br />

(daher „Hundshafcr" genannt), selten in Roggen geleistet ward.<br />

'^) Staatsarch. zu Stettin 8. r. Wolg. Arch. Tit. 82 Nr. 14. F. 34.


388 Das Hundekorn.<br />

IX.<br />

Wir sind bei nnserer Nntersuchnng über die Verbreitung,<br />

den Betrag nnd die Art des Hnndckorns in Vorpommern darauf<br />

geführt, daß wenigstens stellenweise Bede- und Hundekorn<br />

synonyme Ausdrücke waren. Es möchte nun aber jemand etwa<br />

sagen, daß vielleicht das Hundekorn nnr als speciellerer unter<br />

den Begriff Bedekorn als den allgemeineren subsumirt sei, mithin<br />

<strong>der</strong> Ursprung des hnndekorns immerhin seines Namens<br />

wegen, wiewohl wir die etymologische Deutung schon oben als<br />

durchaus zweifelhaft nachgewiesen haben, noch auf eiue Iagdabgabe<br />

gedeutet werdeu könne, trotz aller Ähnlichkeit, welche<br />

diefes Hnndekorn in Pommern fönst mit dem im Werlescheu als<br />

Kornbedarf zum fürstlichen Hofhalt nachgewiesenen zeige, uud<br />

trotz aller Verschiedenheit vou dem als Iagdabgabe uicht bestrittenen<br />

an<strong>der</strong>swo üblichen Hundshafer.<br />

Es liegt uus demnach ob zu uutersuchcn, ob nnd welche<br />

Iagdlaste.n in Vorpommern zu trageu waren gegenüber <strong>der</strong><br />

Landesherrschaft. Denn fo viel wir feheu, kommt das Huudekoru<br />

nur als eine fürstliche Hebung vor und iu dem Besitze<br />

von Privaten (Vasallen und Bürgern) und Klöstern nur dann,<br />

wenn es von <strong>der</strong> Laudesherrschaft an jene durch Verkauf, Verpfändung<br />

o<strong>der</strong> Belehnung veräußert war. Soll das Hundekorn<br />

eine Iagdabgabe an die Landesherrschaft sein, so haben<br />

wir es entwe<strong>der</strong> anznsehen als eine directe Abgabe, eingefor<strong>der</strong>t<br />

zum Behuf <strong>der</strong> Unterhaltung <strong>der</strong> fürstlichen Iagdhuudc<br />

nnd vielleicht <strong>der</strong> ganzen fürstlichen Jägerei, o<strong>der</strong> als eine Ablösuug<br />

vou Iagddiensten, welche dem Laudesherrn zu<br />

leifteu waren, also entwe<strong>der</strong> des Hundelagers o<strong>der</strong> des<br />

Ablagers, o<strong>der</strong> vielleicht bei<strong>der</strong>.<br />

In dem letztereu Falle, das Hnndekorn für eine Ablösung<br />

von Iagddiensten genommen, dürfte man allerdings von<br />

vorne herein erwarten, daß es als eine persönliche Leistung<br />

nach <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Bauern, alfo <strong>der</strong> Gehöfte, nicht <strong>der</strong> Hnfen,<br />

entrichtet und daß es zn dem Dienstkorn gerechnet, also<br />

auch wie das Dienstkorn nicht in dreierlei Korn, son<strong>der</strong>n


Das Hundekorn. 389<br />

(wie in Pommern nach Ausweis <strong>der</strong> Register üblich war)<br />

allein in Hafer („Diensthafer") entrichtet o<strong>der</strong> mit dem an<strong>der</strong>n<br />

Diensthafcr in Geld abgelöst wäre. Dies macht fchon von<br />

vorne herein die ganze Annahme unstatthaft.<br />

Indessen untersuchen wir die Iagdlasten! Wir haben<br />

oben (im Abschnitt IV) nachgewiesen, daß wendische Bauern<br />

auf <strong>der</strong> Infel Rügen eben so wie slavische Banern in Schlesien<br />

2c. verpflichtet waren, fürstliche Hunde (und Pferde) auszufüttern<br />

und den fürstlichen Beamten (also wahrscheinlich auch<br />

Jägern, denn genannt sind diese nicht) die „Gastung" zu gewahren.<br />

Bei <strong>der</strong> Festsetzung eines Erbrechtes und Zinses aber<br />

wurden solche Verpflichtungen, wie wir sahen, aufgehoben. In<br />

Schlesien sielen solche Dienste, wie die Iagddienste, mit <strong>der</strong><br />

Verleihung des deutschen bäuerlichen Rechts weg (s. Abschnitt<br />

l.V). Es ist deshalb durchaus nicht als selbstverständlich anzusehen,<br />

daß, weil die wendischen Bauern auf Rügen ehedem<br />

zum Hundelagcr und zum Ablager verpflichtet waren, die<br />

deutschen Ansiedler in Vorpommern von vorne herein<br />

auch das Hundelagcr und die Gastung zu tragen hatten. Und<br />

in den Hun<strong>der</strong>ten von Urkunden aus <strong>der</strong> ruyanischcn Zeit (d.<br />

h. bis 1325), welche Fabricius gesammelt hat, begegnet man<br />

auch keiner Spur davon, daß die Bauern in Vorpommern<br />

znm Iagdablager und zum Hundclagcr verpflichtet waren.<br />

Auch ist es nicht einmal wahrscheinlich. Denn wollte man<br />

Fremde zum Anbau des noch uncultivirteu Landes herbeiziehen,<br />

so mußte man ihnen größere Freiheiten und Rechte bieten,<br />

als sie daheim gehabt hatten. Auch ist noch gar nicht nachgewiesen,<br />

ob im 12. und im 13. Jahrhun<strong>der</strong>t die deutschen<br />

Baueru (von den Schulzen nnd Müllern abgesehen!) in den Gegenden,<br />

aus denen die deutschen Ansiedler nach Pommern zogen,<br />

jene Lasten zu tragen hatten. Und wie sehr man bemüht war, den<br />

Ansiedlern ihre schwere Aufgabe zu erleichtern, sieht man recht<br />

deutlich aus dem geringen Betrage, zu welchem man die Zehnten<br />

fixirte. Indessen, die Geschichte des deutschen Bauernstandes<br />

in den wendischen Ostseelän<strong>der</strong>n zeigt ein allmähligcs Versinken<br />

des freien Bauern in die Dienstbarkeit und znletzt in Leibeigen-


390 Das hundckorn.<br />

schaft, in <strong>der</strong>selben Art, wie wir es anch in an<strong>der</strong>n deutschen<br />

Län<strong>der</strong>n wahrnehmen. Ob die wendischen Bauern neben<br />

ihnen noch lange zn wendischem Bauernrechte sas;en, vermögen<br />

wir nicht zn sagen, anch nicht anzugeben, welchen Proeentscch<br />

diese etwa in <strong>der</strong> bäuerlichen Bevölkerung bildeten, obwohl eine<br />

genauere Untersuchung über die Verbreitung <strong>der</strong> wendischen<br />

(Haken-) Hnfen mit den deutschen (Land- nnd Häger-)Hufen<br />

darüber Aufschluß geben möchte. Für nnsere Frage hätte eine<br />

solche Forschuug eben keinen Werth, da sich in <strong>der</strong> zweiten<br />

Hälfte des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts Unterschiede in Bezug auf Iagdlasteu<br />

zwischeu ehemals wendischen und ursprünglich deutscheu<br />

Dörfern schwerlich mehr wahrnehmen lassen.<br />

In <strong>der</strong> Zeit uun, wo wir das Huudekoru in Vorpommern<br />

nachgewiesen haben, bestand bereits hier auch (ebenso wie im<br />

Werleschen) das Ab lager (die Gastung) neben dem Hundekorn.<br />

Wie führen nach unserer Weise dafür zunächst ein paar<br />

Beispiele aus Urkunden an. Bei <strong>der</strong> oben erwähnten, am 13.<br />

Januar 1384 geschehenen Verpfandung des Hundekorus n. s. w.<br />

ans Zarnewanz, Zettelwitz uud Candelin verzichtete Herzog<br />

Wartislav VI. noch ausdrücklich auf jedes Ablagcr für sich und<br />

seine Beamten in den genannten Dörfern:<br />

Vorttncr louc (geloben) n?i,—dar noch (we<strong>der</strong>) "wi,<br />

oftc (o<strong>der</strong>, noch) dc vnscn cddcr ncmant -van<br />

vnscr n)cFhcn cddcr vliscr crfllanlcn vllde narrccshcn<br />

scholcn aflccshcr cddcr<br />

cddcr vodcrlnFl)c (Filtterung)<br />

terincshc (Zehrung) al: dcinc vorcbclnllncdc<br />

dun cddcr hcbdcll" — —.<br />

Einen ähnlichen Verzicht finden wir in dem angeführten Pfandbriefe<br />

<strong>der</strong> Herzoge Barnim VI. und Wartislav VIII. über<br />

Stilow, Gustebye und Vierow vom Jahre 1402:<br />

„(vk skolc n?y vndc nvllcn liccncrlc^c (keinerlei)<br />

ynlccshcr hcbbcn cddcr l^cinalid ^alr vscr voccshcn<br />

an dcjscll vorbclioincdcli dorpcn cddcr l^cclicrlcvc<br />

bcsvoarvlics^c (Belästigung) dun; vndc


Das tzundekorn. 391<br />

rvere yd


392 Das .Hundekorn.<br />

Wnfsekenn, Kagcndorf" . Eine Weile war dafür Geld<br />

gegeben: „Ictzo niinbt man wie<strong>der</strong> Aflager." In<br />

an<strong>der</strong>n Aemtern finden wir nnter den Einnahmen an<br />

Naturalien anßer den: Hnndekorn nnd von diefeni ganz<br />

geschieden noch Ablag er Hafer (o<strong>der</strong> dafür Ablager geld)<br />

nnd im Amte Barth anch ein wenig Ablagerroggen Zn<br />

einem bestimmten Qnantnm verzeichnet. Im Amte Barth<br />

entrichteten nämlich nach dein Anschlage von 1604/14 von<br />

den 56 Dörfern, ans denen überall damals Abgaben zum<br />

Amte eingingen, 16 Dörfer Ablagerroggcn in verschiedenem<br />

Betrage (z. V. Tempel ^/4 Sch., Flcmendorf 2 Sch., Lü<strong>der</strong>shagen<br />

4 Sch.), 17 entrichteten Ablagerhafer (z. B. Tempel<br />

14 Sch., Flemendorf 24 Sch., Lü<strong>der</strong>shagen 36 Sch., Saale<br />

48 Sch.); darunter waren 13 Dörfer, ans denen neben dreierlei<br />

Hundekorn auch Ablagerroggen und Ablagerhafer gegeben<br />

ward. Der ganze Betrag aus dem Amte Barth belief sich<br />

damals jährlich auf:<br />

Ablagerroggcn — Lst. 2 Dr. 2 Sch. 2'/2 Viert<br />

Ablagerhafer 4 „ 1 „ 6 „ 3V2 „<br />

Summa 4'M7^Dr7^ Sch.^ ^ ^<br />

Dagegen betrug, wie oben gezeigt ist, das tzundekorn<br />

aus jenem Amte damals jährlich 36 Last 9 Sch. 2 Viert.<br />

Aus dem Amte Loitz wurden um 1579 au Ablagerhafer<br />

erhoben: 2 Last 5 Dr. 9 Sch. (Ablagerroggen<br />

gar nicht), 2 Speckseiten, 78 Pfd. Butter, und für an<strong>der</strong>e<br />

Vietualien znm Ablager wnrdcn 134 M. 4 ß. baar bezahlt. ^3)<br />

Das Amt Grimmen erlegte neben feinem Hnndekorn<br />

(s. oben) 38 M. 8 ß. Ablagergc ld e r nnd 1 Last Ablagerhafer<br />

(keinen Ablagerr o gg e n).<br />

Im Amte Usedom werden nm 1570 anßer dem Hundekorn<br />

(s. oben) 2 Last 5 Dr. 3^/4 Sch. Ablager Hafer (kein<br />

Ablagerroggen) verzeichnet, 1491 aber<br />

„XXV csllldcl^n afftcgcr VP Nsdttm/"24)<br />

Wenn aber das Ablager neben <strong>der</strong> Verpflichtung zum Hunde-<br />

'^) Vgl. oben den Betrag des Hnndekorns.<br />

'^) Klempin, Dipl. Beiträge S. 528.


Das Hundekorn. 393<br />

körn bestand, das Ablagerkoru (Hafer, im Amte Barth auch<br />

ein wenig Roggen) neben und außer dem Hundekorn<br />

dreierlei Korns entrichtet ward, so geht daraus mit größter<br />

Evidenz hervor,<br />

daß das Hundekorn kein Surrogat sür das<br />

Ablager war.<br />

Im Ganzen war also <strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> Lasten wegen <strong>der</strong><br />

Ablager (unter denen für manche Gegenden die Iagdablager<br />

die Mehrzahl bilden mochten) für die Bauern in den Dom an ialci<br />

intern nicht allzu groß; viel bedeuten<strong>der</strong> war, was die<br />

Herzoge vom Pommern für ihre Ablager aus den geistlichen<br />

Stiftern, nnd zwar theils von den Klostervorstehern<br />

(Aebten und Pröbstcn), theils aber auch, weil es die Aebte<br />

und Pröpste auf diefe gewälzt hatten, direct von den Klosterbauern<br />

empfingen.<br />

Freilich waren ursprünglich feit <strong>der</strong> Stiftung <strong>der</strong><br />

Klöster <strong>der</strong>en Hinterfaffcn von allen Diensten uud Leistungen<br />

(mithin auch von allen I a g d leistungen) an die Landesherrfchaft<br />

dnrchaus befreit; als Ausnahme erscheint es,<br />

wenn 1188 Anastasia bei <strong>der</strong> Verleihung des Dorfes Zglattiz<br />

und <strong>der</strong> Gegend Lipa au das Kloster Groba (Usedom, Pudagla)<br />

sich deu Dienst des Bnrgbaues von den Bauern<br />

vorbehält. "5)<br />

Diese ursprüngliche Immunität <strong>der</strong> Stifter ist in Pommern<br />

so allgemein gewesen, daß ich deswegen einfach auf die<br />

ältesten Klostcrbriefe im 0oä6x ?oinoi'5UiiH6 cli^ioni^ticna<br />

verweisen könnte. Da aber <strong>der</strong> Richter erster Instanz den<br />

Beweis für die Freiheit <strong>der</strong> Klostcrleute von Iagddicnsten<br />

vermißt, uud in <strong>der</strong> Appcllations-Rechtferiiguug diese Immunität<br />

irrig als eine Befreiung „von allen aus dem gutsherrlichen<br />

und Patr i m on i al Verhältnisse herrührenden Abgaben<br />

und Leistungen" (das würde hier fein: von allen Abgaben<br />

und Leistungen an das Kloster) gedeutet wordeu ist: so ziehe<br />

Hasselbach und Kosegarten, (>'0ä. ?om. 6ipl. Nr. 65.<br />

26»


394 Das Hundekorn.<br />

ich eine Anzahl von Nnmmern des genannten Codex für ein-<br />

zelne Stifter an.<br />

In Bezug auf Eldena nenne ich Nr. 85 uud 88,<br />

Iaromars I. Urkunden von 1207 und 1209 („nt ii6iiiiiii<br />

do!)65mt 1N8Ì 8o1i 600 6t.<br />

0" !) ; — Nr. 87, Kasimirs II. Urkunde; Nr. 118,<br />

Vogislavs II. Urkunde von 1218 (,,lüoIollO3 6t iiill^i-uni<br />

6i^1l8ti'^1ii11I1 Qlil)itlitoi'68 1i1)6rO8 3^1) Ollllli 8 6 l'Ilio io<br />

6t 6XQ6tioii6 60ii3titiliillli8");-' Nr. 126, 135, 399.—<br />

Namentlich aber fei hier verwiesen auf die generellen Privile-<br />

gien des Fürsten Wizlav II. von 1241^6) ^nd Herzog<br />

Wartiflavs III. von 1241 ^) und 1248. ^) Nizlav II.<br />

sagt ausdrücklich:<br />

6t iiiiilN'UNI 6i^U8tri Q01NÌ1168<br />

i^UÌ66 6t Ul-<br />

6t ^Olltinili 8tl><br />

6t 1)1'01'8U8 lrl) 0MNÌ 8 6lliiti() 6t 6X3.6-<br />

1i1)61'08 imp61'1)6tuUN1 (1011^111118) vt U6-<br />

171ÌQÌ


Das hnndekorn. 395<br />

Q c^U6 80I-UÌ0Ì0 nostro 8ÌU6<br />

Dem Kloster Neuenkamp gab Wizlav I. schon 1231<br />

in Bezug auf die Colonen die Zusicherung:<br />

ornili ox^otÌ0Q6 00init^lli) Hduooatolum. et. indi-<br />

— —, ita ut ii 0 in i n i HuioMam 8 6 riiitii<br />

11Ì8Ì 80Ü cl60 6t 1N0Qaatoi'Ì0."<br />

Ebenso bestimmt lauten die Zusicherungen für die Klöster<br />

Stolp,^) Verchen Madessow),^) Groba (Usedom, Pudagla),<br />

^2) Bergen,^) für die Güter <strong>der</strong> Klöster D ob eran,134)<br />

Dargun^^) u. s. w.<br />

Aber später, als die Abteien dnrch die größte Thätigkeit<br />

<strong>der</strong> Mönche, <strong>der</strong> Conversbrü<strong>der</strong> und <strong>der</strong> von ihnen angesiedelten<br />

deutschen Banern, sowie <strong>der</strong> Wenden, die <strong>der</strong>en Beispiel<br />

nachahmten, reich geworden waren, blieb diese Immunität<br />

nicht bei Bestand, sie ward mehrfach durchbrochen. Einmal<br />

dadurch, daß die Prälaten mit den Mannen und Städten <strong>der</strong><br />

Landesherrschaft zur Aufrechterhaltung des durch Kriege und<br />

an<strong>der</strong>e kostspielige Ereignisse und Schulden erschwerten Landesregimentes<br />

nnd Hofhaltes Beden (^Grundsteuern) auch von<br />

ihren Hintersassen bewilligten. Zum an<strong>der</strong>n aber legten die<br />

Landesherren den Klöstern dnrch die anfänglich Ehren halber<br />

bewilligten, hernach zur Gewohnheit gewordenen und als<br />

Pflicht gefor<strong>der</strong>ten und gesteigerten Ablag er eine sehr schwere<br />

Last auf. Wohl sträubte sich hiegegen das Kloster Neuenkamp;<br />

in dem Konservatorium desselben, welches Pabst<br />

Johann XXII. am 15. Mai 1320 den Decanen zu Magde-<br />

in) 0oä. ?0mer. Nr. 188.<br />

'30) ebendas. Nr. 40, 52, 1Z9, 178, 187, 296 und die generellen<br />

Privilegien Nr. 208 und 326, auch Dreger, Ood. I. Nr. 0 0 II.<br />

l") ebendas. Nr. 346.<br />

"2) ebendas. Nr. 37, 65, 106. 125. 129, 202.<br />

'N) ebendas. Nr. 71.<br />

"4) ebendas. Nr. 316.<br />

lN) ebcndas. Nr. 36, 128, 162, 163, 310.


396 Das Hundekorn.<br />

bürg und Brandenburg übertrug,^') finden luir neben an<strong>der</strong>n<br />

Klagen des Klosters über Bedrückungen weltlicher Herren auch<br />

die über die Ablager (6(^08, 6lin68 6t<br />

Ablager!) in 6l^n8ti'^, 6ui 13.3, moisndin^ 6t<br />

6ÌU8(i61U 1110I1^8t61'ii cld 51.1611 (Inin 86 u ^^dul5i.11(Ini1) mit-<br />

tunt, in ^)!-6c1Ì6t0 M0ii^8t6i'Ì0 6t 1)01113 i^oinnt ^ll^cit^<br />

36N Malica. PHI-I^lli6nta. salso Landtage!), 3>ä ^U6 6U111<br />

3 6t<br />

6t ^6clitu.m ^666(i6lit68<br />

^01'3Iit 36 UÌ6tU3,1Ì3, 6t 1768<br />

6t 60U8ninunt). Doch schützte auch dieser Schutzbrief nicht;<br />

die Ablager entwickelten sich weiter.<br />

Nun kam es wohl vor, daß sich <strong>der</strong> Landesherr bei einer<br />

Verpfändung vou ueuen Dörfern an ein Kloster ein Ablager<br />

in denselben vorbehielt ^s. oben die Urkunde Herzog Wartislavs<br />

IX. vom 20. December 1451); sonst aber fanden sich die<br />

Klöster mit den Landesherren durch ein Fixum ab, das sehr<br />

bedeutend war. Theils sandten die Aebte selbst Bedekorn uuter<br />

dem Namen „ Deputat von des Abtes dische" und Victualien<br />

Zur Hofstatt, theils legten sie ihren Bauern die Entrichtung<br />

von Ablager körn und von Victualien Zum Ablager<br />

so<strong>der</strong> eine Geldablösnng) an die Landesherrschaft anf.<br />

Um das Jahr 1447 pflegte das Kloster Neuenkamp dem<br />

Landesherrn jährlich 600 Mark Sundisch zu entrichten (plccsen<br />

to Fheucndc). ^) 1491 verschrieb <strong>der</strong> Herzog Bogislav<br />

X. seiner Gemahlin zum Leibgedinge u. a. als Einkünfte vom<br />

Abt zum Camp (Neueneamp):<br />

461 fl. für 20 Last Hafer, 3 Last Gerste, 8 Last Roggen,<br />

20 Tonnen Kuhfleisch, 6 Ochsen, 30 Speckseiten, 4<br />

Tonnen Vntter, 8 Tonnen Schaffleisch und 100 fl. baar,<br />

und außerdem ^Vun den buren in <strong>der</strong> abbcdlFcn"<br />

(Neuenkamp) noch das Geld für 14 Last Hafer, 11 L. 1 T.<br />

Vier, 43 Schafe, 18 Ochsen, 26 Speckseiten, 6 Schock Hühner,<br />

in) Fabricius Nr. 796.<br />

"?) Lisch, Maltzan Urk. III. S. 180^


Tas Hundekorn. 397<br />

2 Tonnen Butter und 28 sl. weniger 1 M. für Kraut und<br />

Fischgeld. '")<br />

Unter welchem Rechtstitel <strong>der</strong> Herzog diese Abgaben erhob,<br />

wird hier nicht gesagt; aber aus dem schon augezogeneu<br />

Extract <strong>der</strong> Aemter Wolgastischen Theils von 1569^9) ersehen<br />

wir, daß dies eben theils das Deputat, theils die Abfindung<br />

sür das Ablager war. Denn 1569 mußten znm Ablager<br />

die Baueru <strong>der</strong> Vogtei Neucnkamp 527 M. 5 ß. uud<br />

25 Speckseiten liefern; <strong>der</strong> Ablagerhafer ans <strong>der</strong> Campischen<br />

Vogtei belief sich aus 13 Last 6 Dr. 9 Sch.; die „Vittalie<br />

aus dem Kloster Camp von den" ftormaligeni „Monigken"<br />

(Ochsen, Schafe ?e.) wurden zu 190 fl. 24 s. geschätzt; das Deputatkorn<br />

bestand in 8 Last Roggen, 3 Last Gerste, 20 Last Hafer."<br />

Aehnliche Abgaben leisteten, je nach ihrem Vermögen, auch<br />

die an<strong>der</strong>n Klöster. Als „Afflager" von den Banern des Klosters<br />

Eldena finden wir ca. 1570 150 M. und 27 Speckseiten<br />

verzeichnet; <strong>der</strong> Ablager haser war bereits zu Geld gerechuet<br />

und zur Pacht geschlagen; das Deputatkorn von Eldena bestand<br />

in 5 Last Roggen, 3 Last Gerste und 15 Last Hafer.<br />

Das Kloster Reinfeld entrichtete „vor Alters" (heißt<br />

es ca. 1570 in dem schon angeführten Klosterextract) für seine<br />

6 Dörfer in Pommern Zum Ablager 240 M.<br />

Die „Prorvcsiicse chor Nerch c n" leistete 1491 jährlich:<br />

„ivo csulden astecrcrcselr^ z6 Fuldcn vor 6 last<br />

haueren, 23 Fuldcn vor z last rocscsen^.<br />

Das Amt Ueckermüude hatte 1491:<br />

„xx cfulden afflccser in <strong>der</strong> ebbedicsen",<br />

„xx Fulden vor vili osscn afflcFcr in <strong>der</strong> cbbedigc<br />

rho „Stolpe und <strong>der</strong> „Abbat rho Srolp<br />

csifft allc Iar: zz guldeli 1 Mark ahn Feldc, 8<br />

csulden vor 6 rh. sci)apflcss


398 Das Hundekorn.<br />

Dagegen betrug ca. 1570 das Ablager aus den Abteidörfern<br />

26 fl. 20 ß. 4 Pf. (es war erhöhet) und 2 Last 1 Dr. 11<br />

Sch. Hafer.<br />

Von Pudagla und Bergen finden wir um 1570 kein<br />

Ablager verzeichnet, son<strong>der</strong>n nur Deputattorn: aus Pudagla<br />

3 Last Roggen und 7 ^/2 Last Hafer, ans Bergen nur Haser<br />

(6 Last).<br />

Wir bemerken auch hier, daß Gerste wohl als D eputatkörn,<br />

aber nicht als Ablagerkorn genannt wird.<br />

,<br />

X.<br />

Wenn man nun in <strong>der</strong> Bewilligung des Deputatkorus<br />

von Seiten <strong>der</strong> Aebte und Pröbste <strong>der</strong> Stifter auch ein Zugeständniß<br />

einer Bede erblicken muß, so lag doch in <strong>der</strong> Verpflichtung<br />

ihrer Hintersassen zur Lieferung von Hafer nnd von<br />

Victualien Zum Ablag er <strong>der</strong> Herzoge unzweifelhaft eine Verletzung<br />

<strong>der</strong> ursprünglichen Immunität <strong>der</strong> Klöster. Wir<br />

haben oben ferner gesehen, daß die Herzoge im Jahre 1434<br />

auch Dienst aus ursprünglichen Klosterdörfern verpfändeten;<br />

doch muß <strong>der</strong> sehr unbedeutend gewesen sein, da er 1456 und<br />

1486 nicht einmal erwähnt wird. Worin er bestand, bleibt<br />

uns verborgen. Wäre es ein Iagddienst, etwa die Verpflichtung<br />

zum Hundelager gewesen, wie in manchen deutschen<br />

Län<strong>der</strong>n Klöster zu solchen genöthigt wurden und sie dann<br />

wohl auf ihre Unterthanen wälzten, so würde daraus nur hervorgehen,<br />

daß das daneben genannte Huudekorn keine Ablösung<br />

des Hundelagers wäre.<br />

Wir haben jedoch keinen einzigen Beweis dafür gefunden,<br />

daß den Klöstern Vorpommerns von den Herzogen je Hundelager<br />

angesonnen wären. Wohl aber kann als ein Beweis<br />

gegen solche Annahme gelten, was bereits Klempin (in seinem<br />

zweiten Gutachten) nach Stettiner Archivaeten angeführt hat,<br />

daß, als nach <strong>der</strong> Säkularisation <strong>der</strong> pommerschen Stifter die<br />

Landesherrschaft Kolbatzer Klosterlcuten (Müllern und Freischulzen)<br />

Hunde zur Verpflegung zugesandt hatte, diese solchem<br />

Ansinnen als einer Neneruug nicht Folge gaben, son<strong>der</strong>n die


Das tzundekorn. 399<br />

jungen Jagdhunde laufen und umkommen ließen, fo daß Herzog<br />

Barnim XI. am 10. Septbr. 1566 weiter fortgefetzten Ungehorsam<br />

mit fcharfer Strafe bedrohen mußte.<br />

Freilich kommt diefe Frage, ob die Klöster (o<strong>der</strong> auf<br />

<strong>der</strong>en Befehl die Klosterbauern) fürstliche Hunde zu verpflegen<br />

gehabt haben, hier weniger in Betracht, da aus den Klosterdörfern<br />

meistens wohl entsprechendes Bedekorn, das Hundekorn<br />

aber vernehmlich aus den Domanialdörfern erhoben ward. Da<br />

indessen, wie wir fahen, beide Benennungen in einan<strong>der</strong> übergingen,<br />

fo macht eben <strong>der</strong> Umstand es fchon allein zweifelhaft,<br />

ob das Hundekorn als ein Surrogat für das Hundelager an«<br />

gesehen werden könne.<br />

Ferner ist zu erwägen, daß bei Ablösung einer Verpflichtung<br />

dnrch eine feste Kornabgabe man in eben <strong>der</strong> Kornart<br />

abzulöfeu Pflegte, iu welcher jene Verpflichtuug geleistet ward.<br />

Eben weil man die Hunde mit Haf erbrot zu fütteru pflegte,<br />

ward in an<strong>der</strong>n Gegenden Teutschlands das dort übliche<br />

Hundelager mit Hundshafer abgelöst, hie und da auch wohl<br />

mit etwas Roggen statt des Hafers, weil man stellenweise<br />

den Hunden Rog genschrotbrot gab. Daß es aber je mit<br />

Gerste o<strong>der</strong> mit Korn von dreierlei Gattung geschehen<br />

wäre, ist nicht bezeugt und fchon darum uuglaublich, weil man<br />

die Gerste nicht als Hundefutter verwandte. Wäre<br />

aber jemals <strong>der</strong> Dienst des Huudelagers ' in Pommern durch<br />

Korn abgelöst, fo würde diese Ablösung unter das Dienst -<br />

körn gefallen, nicht daneben aufgeführt sein; als solches aber<br />

begegnet uus in den Amtsregistern nur Dien st Hafer, kein<br />

Dienstroggen o<strong>der</strong> gar Tienstge rst e (z. V. das kleine Amt<br />

Tribsees ergab 4 Last 1 Dr. 4 Sch. „Denesthauehren.")<br />

Schließlich aber, was die Hauptsache ist, hat Klempin<br />

(iu seinem zweiten Gutachten) aus den Acten des königl.<br />

Staatsarchivs zu Stettin nachgewiesen, 1. daß in Pommern<br />

allerdings <strong>der</strong> Dienst des Huudelagers bestand, daß die Städte<br />

fürstliche Hunde durch ihre Büttel erhalten ließen, im Domaniunl<br />

nicht die Bauern, son<strong>der</strong>n nur die Freischulzeu<br />

und die Müller (wie dies auch iu an<strong>der</strong>n deutschen Län-


Das Hundekorn,<br />

<strong>der</strong>n Brauch war) ^") verpflichtet wurden, fürstliche Hunde Zu<br />

unterhalten, auch den Jägern, wenn sie diefe Huude zur Jagd<br />

einholten o<strong>der</strong> nachher sie wie<strong>der</strong> vertheilten, unterwegs Nachtlager<br />

uud Mahl uud den Hunden Futter zu reichen. 2. hat<br />

Klempin dort gezeigt, daß dieser Dienst in Pommern nie<br />

abgelöst ist, son<strong>der</strong>n bis zum Erlöschen des pommerschen<br />

Herzogshauses fortbestanden hat, hernach aber nicht weiter<br />

gefor<strong>der</strong>t ist.<br />

^„Denn es kommt hier nicht in Betracht, daß nach einem<br />

Bericht <strong>der</strong> Regierung vom 18. Mai 1742 (wie sich ans den<br />

Acten des Kreisgerichts zu <strong>Greifswald</strong> in Sachen Diekelmann<br />

coutil den Königl. Fiskus ergicbt) im Jahre 1714 bei<br />

Anwesenheit des Königs Karl XII. in Pommern „denen zu<br />

Fälluug des Wildes vor die Königl. Taffel gebrauchten Heyde-<br />

Bedienten, in Ermangelung des Zuganges zu ihrem ordentlichen<br />

Lohn, von jeden: Müller in Königl. A embt e r n<br />

monahtlich ein Scheffel Rocken an Hnnde-Korn gereichet ist,"<br />

um so weniger weil, als ,,^o. 1721 von dem — Ober-<br />

Jägermeister Baron von Kirchbach solche Hundekoru-Liefferuug<br />

an den Iagt-Stat alß eine in alter odLorv^nc^ gegründete<br />

1)i'3.68tatioii <strong>der</strong> Müller augegeben und ans solcher Ursache<br />

gefor<strong>der</strong>t werden wolle, sich dazu kein hinlänglicher Gruud<br />

gefunden, und daher solche gäntzlich unterblieben."^<br />

Von einer Verpflichtung ritterschaftlicher Güter in<br />

Vorpommern zur Verpfleguug fürstlicher Huude ist keine Spur<br />

aufgefunden, obwohl auch von diesen oben die Liefernng von<br />

Huudekorn nachgewiesen ward.<br />

Und wollte man etwa den Einwand erheben, daß diese<br />

Verpflichtuug von Klempin erst aus dem 16. und 17. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

nachgewiesen ist, dieselbe den Müllern uud Schulzen<br />

aber vielleicht eben deswegen in spaterer Zeit erst aufgebürdet<br />

o<strong>der</strong> bei ihnen von Bestand geblieben sei, weil die Bauern<br />

dieselbe früher, etwa eben durch das Hundekorn, abgelöst<br />

hätten: so stellt sich diese Annahme bald als ganz nnstatthaft<br />

'4") vgl. v. Biilow und Hagemann, Prakt. Erörterungen V.<br />

S. 183, auch Göbel, lHomuiont. äo M-o vouaiM I. S. 86.


Das .Hundekorn. 401<br />

heraus, wenn man die Last des Hnndelagers mit dem angenommenen<br />

Aequivaleut vergleicht. Werthvolle Hunde gab<br />

man natürlich Vancrn überhaupt nicht hin, son<strong>der</strong>n behielt<br />

sie unter <strong>der</strong> Obhut <strong>der</strong> Iagdbeamten, desgleichen solche, die<br />

man täglich zur Jagd gebrauchte, und solche, die dressirt<br />

werden mußten o<strong>der</strong> nicht aus <strong>der</strong> Dressur kommen durften.<br />

Wenn man sich nun die Zahl <strong>der</strong> übrigen fürstlichen Hnnde<br />

auch noch so erheblich denkt, so wird, wenn man die Hun<strong>der</strong>te<br />

von Domanialdörfern in Vorpommern dagegen in<br />

Anschlag bringt (und die von den Städten verpflegten Hunde<br />

außer Rechuung läßt), sich leicht ergeben, daß jedes Dorf erst<br />

nach einer Reihe von Jahren wie<strong>der</strong> daran kommen konnte,<br />

einen fürstlichen Hund die Monate hindurch, wo er nicht<br />

zur Jagd gebraucht ward, unterhalten zu müssen. Schon<br />

bei <strong>der</strong> historisch nachweisbaren Beschränkung des Hundelagers<br />

ans die Schulzen und Müller kam (nach Klempin) „<strong>der</strong><br />

Betheiligte nicht öfter als ein Jahr um das an<strong>der</strong>e<br />

daran, meistens Wohl noch seltener." Wer möchte glauben,<br />

daß die Bauern eine so unbedeutende Last, wie die Verpflegung<br />

eines Hundes auf noch kein volles Jahr war, und<br />

welche das Dorf erst nach einer Reihe von Jahren wie<strong>der</strong><br />

treffen konnte, mit einer jährlichen Abgabe von etwa<br />

6 Scheffel Korn — nicht für das ganze Dorf, son<strong>der</strong>n<br />

von je<strong>der</strong> Hufe — abgelöst hätten? Es würde dann in<br />

<strong>der</strong> That nur noch die Annahme übrig bleiben, daß ihnen<br />

das Hundekorn statt des Hundelagers o<strong>der</strong> überhaupt als eine<br />

Abgabe zur Unterhaltung <strong>der</strong> fürstlichen Hnnde o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

ganzen fürstlichen Jägerei von <strong>der</strong> Landesherrschaft aufgezwungen<br />

wäre. Dies gilt indessen immerhin nur von den<br />

Domanialbauern; daß Vasallen und Klöster <strong>der</strong> Landesherrschaft<br />

eine solche Abgabe sür eine so geringe Last bewilligt<br />

haben sollten, ist undenkbar.<br />

XI.<br />

Aber auch die Auuahme, daß das Huudekorn in Vorpommern<br />

eine von <strong>der</strong> Landcsherrschaft ausdrücklich und


402 Das Hundekorn.<br />

speciell zum Unterhalte <strong>der</strong> fürstlichen Hunde o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ganzen<br />

fürstlichen Jägerei erhobene Abgabe sei, erweist sich leicht als<br />

ganz unannehmbar.<br />

Wenn man anch davon absehen mag, daß eine gewisfe<br />

Ungleichheit und Ungerechtigkeit darin läge, daß folche Abgabe<br />

nur in Vorpommern erhoben wäre (denn die pommerschen<br />

Lande waren ja um die Zeit, da das „Hundekorn" in Pommern<br />

auftaucht, eben unter Bogislav V. nnd Barnim IV.<br />

getheilt), so wäre es doch kaum glaublich, daß in Vorpommern<br />

selbst ganze Aemter davon verschont, dagegen an<strong>der</strong>e dazu<br />

herangezogen wären. Anch hierin darf man noch einen Grnnd<br />

mehr finden für das fchon oben auf an<strong>der</strong>em Wege gewonnene<br />

Resnltat, daß das Bedekorn aus jenen Aemtern sz. B. Lindenberg)<br />

nud das Hundekorn in diesen identisch find. Ferner<br />

haben wir oben gesehen, daß <strong>der</strong> Landesherr das ans Neueneampischen<br />

nnd Eldenaischen Klosterdörfern erhobene Korn<br />

auch Hundekorn nannte. Sollen wir aber alles dieses Korn<br />

für eine Jagd abgäbe halten, so ist zn erwägen, daß die<br />

Landesherrfchaft aus den Klosterdörsern keine Bede erheben<br />

konnte ohne ständische Zustimmung. Man müßte also schon<br />

annehmen, daß nm die Mitte des 14. Iahrhuu<strong>der</strong>ts o<strong>der</strong><br />

etwas später die pommerschcn Herzoge von den Ständen die<br />

Erhebung einer Kornbede im Betrage von etwa 2 Scheffel<br />

Roggen, ebensoviel Gerste und ebensoviel Hafer von je<strong>der</strong><br />

Hufe ausdrücklich und speciell zur Unterhaltung <strong>der</strong> fürstlichen<br />

Iagdhuude o<strong>der</strong> des ganzen fürstlichen Iagdstaates uuter dem<br />

Namen „Hundekorn" begehrt und erlaugt hätten. Aber zn<br />

beweisen steht dies gar nicht; ja solche Annahme ist geradezu<br />

undenkbar, wenn man sich wie<strong>der</strong>um das Bedürfniß zu<br />

solcher For<strong>der</strong>ung und den Betrag <strong>der</strong>selben ein wenig vergegenwärtigt;<br />

es ist we<strong>der</strong> denkbar, daß die Landesherrschaft<br />

sich bewogen fühlte, neben den Ablagern noch eine neue<br />

Iagdabgabe von solcher Größe von den Klöstern zu begehren,<br />

noch daß die Stände, namentlich die Prälaten, sich veranlaßt<br />

gefuuden hätten, solche nene Iagdabgabe zu bewilligen. Der<br />

angenommene Zweck steht zn <strong>der</strong> Höhe des Betrages in gar


Das Hundekorn. 403<br />

keinem Verhältnisse, nnd die Korn arten selbst wären für<br />

diesen Zweck ganz unpassend gewählt.<br />

Denn snmmirt man die oben angeführten Quantitäten<br />

des Hundekorns aus den 6 Aemtern Usedom, Wolgast, Loitz,<br />

Grimmen, Tribsees und Barth im 16. und 17. Iahrhnn<strong>der</strong>t,<br />

so ergiebt sich aus:<br />

Roggeu: 28 Last 4 Drömt 5V2 Schffl.<br />

Gerste: 34 „ 7 „ 10^8 „<br />

Hafer: 46 „ 6 „ 7^8 „<br />

die Summe von 110 Last 2 Drömt 10 Scheffel ^<br />

10594 Scheffel.<br />

Damit aber hat man noch lange nicht den Betrag gewonnen,<br />

<strong>der</strong> aus diesen Aemtern ursprünglich bei <strong>der</strong> angenommenen<br />

Einführung dieser Iagdabgabe aufkam. Denn seit<br />

diesem Zeitpunkte, im Laufe von 200 Jahren, war durch<br />

Verkauf, Verpfändung und Velehnung fchon unendlich viel<br />

Hundekorn von den Herzogen veräußert, selbst aus ganzen<br />

Vogteicn, z. B. aus <strong>der</strong> Vogtei Cnmmerow an die von Malhan.<br />

^") Man nmß ferner, wenn man einen richtigen Anschlag<br />

<strong>der</strong> ursprünglichen Menge gewinnen will, das entsprechende<br />

Bedekorn ans den an<strong>der</strong>n Aemtern hinzudenken. Wahrscheinlich<br />

wird man also nicht irre gehen, wenn man den<br />

ursprünglichen Betrag ans 16—20,000 Scheffel Korn veranschlagt<br />

!<br />

Wer aber möchte, anch ohne weitere Forschungen, den<br />

pommerschen Herzogen im Mittelalter einen Iagdstaat zuerkennen,<br />

<strong>der</strong> auch nur annähernd jährlich eine solche Menge Korns<br />

verschlungen hätte, für den sie eine solche Beihülfe hätten<br />

for<strong>der</strong>n mögen? Doch liegen uns auch sichere Nachrichten vor,<br />

um zu erkennen, wie groß dieser Iagdstaat zu verschiedenen<br />

Zeiten war, und um danach gründlicher nrtheilen zu können.<br />

Klempin hat aus Archivnachrichten (in seinem zweiten<br />

Gutachten) mitgetheilt, daß am Ende des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

für die fürstlichen Hunde wöchentlich 2 Drömt Hafer, unter<br />

^ls Lisch, Maltzan Urk. II. S. 56Z; lll. S. 206, 354; IV. S.<br />

7l, 294.


404 Das Hundekorn.<br />

dem passionirten Iagdfrcund Herzog Philipp Julius (f 1625)<br />

aber lvöchcntlich 6 Drömt Hafer fiir die fürstlichen Hunde<br />

(so viele <strong>der</strong>selben nicht bei Müllern und Schulzen auf Hunde-<br />

lager gegeben waren) verbacken wurdeu. Im ersteren Falle<br />

wurden also jährlich uugefähr 1250 Scheffel, im letzteren<br />

Falle etwa 3750 Scheffel Hafer jährlich für die fürstlichen<br />

Hunde verbraucht, also selbst in dem letzteren ganz ungewöhn-<br />

lichen Falle vielleicht etwa die Hälfte desjenigen Hafers, <strong>der</strong><br />

ursprünglich vom Hundekorn aufkam. Und wozu uun die fast<br />

eben so große Menge <strong>der</strong> Gerste und dann die Menge des<br />

Roggens? Wie viel Jägermeister, Jäger und Hundewärtcr<br />

sollte denn Wohl ein pommcrscher Herzog gehalten haben, uni<br />

vielleicht 4—5000 Scheffel Roggen uud ebensoviel Gerste (zum<br />

Bier!) für sie in Anspruch zu nehmen?<br />

Glücklicher Weise besitzen wir aber noch eine Uebersicht<br />

über das Hofpersonal pommerschcr Herzoge im 1 4. Jahrhun-<br />

<strong>der</strong>t, aus dem zur Geuüge hervorgeht, wie bescheiden ein<br />

mittelalterlicher Hofstaat im Gegensatz zu solchem im 16.<br />

nnd 17. Jahrhun<strong>der</strong>t war. Nämlich Herzog Otto I. nnd<br />

sein Sohn Barnim (III.) vereinigten sich zum leichtereu Ab-<br />

trag <strong>der</strong> Schulden 1321 mit Herzog Wartislav IV. über eine<br />

gemeinsame Hofhaltung auf 4 Jahre („w i)i'686ntidu8 ini-<br />

6t. 6U1'Ì6 ^ä c^iatuoi' lrQN08 60ntinu03<br />

imionoiri".) Dabei beurkundet Herzog Otto:<br />

„6t una. onm ^Hti'iio Q08ti'0 (Wartislav) ^rodioto ti'6 8<br />

kI^rUIQ 6(iuit^nt68 6t kl'6 8 6UN1<br />

du. 08 i^1^0Nll>rÌ08 6t clu08, (M 6Ì-<br />

6ciuit8.ut63^. ^^^) Das war <strong>der</strong> ganze<br />

Iagdstaat <strong>der</strong> drei Herzoge — 10 Jäger! Nicht einmal ein<br />

Jägermeister sii^AÌ8t6i' vou^torum) war vorhanden. Dagegen<br />

waren die an<strong>der</strong>n „Hofdepartemcnts" viel ausgebildeter; Her-<br />

zog Otto allein hatte außer zwei Caplancn, einem Schreiber<br />

und einem Scholaren 2 Cavaliere (milit68 eui'io), 12 Stall-<br />

knechte, 1 Kammermeister und 6 Kämmerer, 1 Küchenmeister,<br />

Dähnert, Sammlung I. 244 flgd.


Das tzundekorn. 405<br />

2 reitende Köche, 1 reitenden Küchcnknccht nnd 2 zn Fnß, 1<br />

Hofmarschall, 1 Spcisemeister nnd 2 Kellerknechte, sowie 2<br />

Fenerwärter. Wahrlich! nnr mn 10 Jäger zn speisen, zn<br />

<strong>der</strong>en Unterhalt überdies schon das Ablagerkorn diente, hätte<br />

<strong>der</strong> Hof jährlich 5000 Scheffel Roggen nnd ebensoviel Gerste<br />

zum Bier we<strong>der</strong> begehrt, noch von den Ständen bewilligt erhalten!<br />

Das Jagddepartement verlangte am Hofe bei weitem<br />

nicht das meiste Korn, viel mehr Hafer als die Iagdhnnde<br />

verzehrten natürlich die damals in verhältnißmäßig großer<br />

Anzahl erfor<strong>der</strong>lichen Kriegsrosse nnd die Gänle und Reitpferde<br />

des Marstalls.<br />

Knrz, man würde wohl niemals ans die Idee, daß das<br />

Hnndekorn in Vorpommern eine ans die Jagd bezügliche Leistung<br />

gewesen, gekommen sein, wenn man 1. geahnt hätte, wie<br />

groß ursprünglich nnd später noch <strong>der</strong> Betrag desselben war,<br />

wenn man 2. sich den Unterschied zwischen dem drei theiligen<br />

Hnndckorn in Werle und Vorpommern nnd dem an<strong>der</strong>swo<br />

üblichen eintheiligen, meistens Hnudehafer (selten Roggen), klar<br />

gemacht hätte, 3. wenn bekannt gewesen wäre, daß, als <strong>der</strong><br />

Ansdruck „Hundekorn" nach Pommern gelangte, dieser in<br />

nnscrn Gegenden, im Magdcburgischen nnd später im Werleschen,<br />

gar nicht „Korn für die fürstlichen Hunde", son<strong>der</strong>n<br />

das Korn bedeutete, welches <strong>der</strong> Empfänger für seine Wirthschaft<br />

brauchte, 4. wenn man nicht dnrch die durchaus zweifelhafte<br />

Etymologie irre geleitet wäre nnd „Hnnd" ohne Weiteres<br />

auf das Iagdthier gedeutet hätte, während man es, wo von<br />

drei theiligem Hnndekorn die Rede ist, mit viel größerer Wahrscheinlichkeit<br />

ans das alte Wort Iinnt in <strong>der</strong> Bedeutung eines<br />

Ackcrmaßes zurückzuführen hat, fo daß es ursprünglich die von<br />

den „Hunden" ^Aeckcrn) und <strong>der</strong>en Ertrage zn leistende Kornabgabe<br />

bedeutet, uud man diesen nralten Ansdruck auch dann<br />

beibehielt, als man nicht mehr nach „Hunden", son<strong>der</strong>n nach<br />

dem größeren Ackermaße <strong>der</strong> Hnse rechnete.<br />

XII.<br />

Endlich aber kommt nun sür Vorpommern speciell noch


406 Das .Hundekon:.<br />

in Betracht, daß das Hnndekorn zu jener Zeit, wo es hier<br />

zuerst in den Urkunden erscheint (in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des<br />

14. Jahrhun<strong>der</strong>ts), nicht eine erst damals eingeführte, fon<strong>der</strong>n<br />

bereits eine alte Abgabe war, die fchon ans <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong><br />

Nnyanerfürsten (die 1325 abgingen) herstammte. Für diefe<br />

Behauptung haben wir keinen geringeren Zengen, als den<br />

Herzog Wartiflav VI. von Pommern-Barth. Ganz ausdrücklich<br />

fagt diefcr Fürst in dem schon oben angeführten Pfandbriefe<br />

vom Jahre 1384 über die Bede, das Hundckoru ?e.<br />

aus Zarnewanz, Zettelwih nnd Candelin, er verleihe dies alles<br />

„mir alzodancmc (solchem) rechte, dut n»i darinnc<br />

(in jenen Dörfern) hcbbcn vndc to tokomendcn<br />

tidcn hcbbcl^ mocshcn, nnt aller lnlttcchcit (Nntznng),<br />

^ricshcit vnde rcchtcchcit) alsc dc vorstc<br />

to Rllyel^ vl^dc vnsc oldcrcn ^ndc vvi dc<br />

vorbcnulncndcn huucn, bcdc, hlindckorl^<br />

dcncjl, richte^ vricshcit bczctclr hcbbcn."<br />

Da man nnn aber doch unmöglich glanben kann, jene Abgabe<br />

habe eine so verborgene Existenz geführt, daß sie 50 Jahre<br />

lang und länger in den Urkunden nicht zn Tage gekommen<br />

wäre, und da sie anch nnter dem Namen Hnndekorn in den<br />

mit annähern<strong>der</strong> Vollständigkeit durch Fabrieius publicirteu<br />

Urkunden ans <strong>der</strong> rnyanischen Zeit niemals erscheint: so<br />

bleibt nnr <strong>der</strong> Schluß übrig, daß „Hund e körn" ein in<br />

<strong>der</strong> zweiten Hälfte des 14. Iahrhuu<strong>der</strong>ts nen aufgekommener<br />

Name für eine alte Abgabe war.<br />

Erkennt man aber diesen Schluß an, so fällt damit anch<br />

<strong>der</strong> lehte Grnnd — <strong>der</strong> aus dem (überdies anscheinend mißdeuteten)<br />

Namen genommene — weg, das Hnndekorn als<br />

eine Abgabe zur Uuterhaltuug <strong>der</strong> fürstlichen Hnnde nnd<br />

überhaupt <strong>der</strong> gauzeu fürstlicheu Jägerei zu betrachten.<br />

XIII.<br />

Wir glauben hiermit nnsere Anfgabe gelöst und erwiesen<br />

zu habeu,<br />

daß das Huudekorn in Vorpommern keine mit <strong>der</strong>


Das Hundekorn. 407<br />

Jagd zusammenhangende Abgabe o<strong>der</strong> Leistung gewesen<br />

ist.<br />

Doch wollen wir uns <strong>der</strong> Mühe nicht entziehen, nachdem<br />

wir erwiesen haben, was das Hnndekorn seinem Nrsprnngc<br />

nach nicht gewesen ist, noch zn zeigen, welche ältere Abgabe<br />

in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts den nenen<br />

Namen Hnndekorn empfing.<br />

Wir müssen zu dem Ende etwas weiter ansholen und<br />

stellen darum zur leichteren Orientirung das Resnltat nnsercr<br />

Forschung voran. Es lautet:<br />

„Hundekorn" ist <strong>der</strong> nene Name für die alte Kornbcde,<br />

d. h. für denjenigen Theil <strong>der</strong> Bede, welchen<br />

<strong>der</strong> Landesherr nicht in Geld erhob, son<strong>der</strong>n in dreierlei<br />

Korn zum Behufe seiuer fürstlichen Hofwirthschaft.<br />

Vergegenwärtigen wir uns znm Beweise dieser Behauptuug<br />

erstens, daß, wie oben in Abschnitt VIII gezeigt ist,<br />

anch noch später Huudckoru uud Bedekoru in verschiedenen<br />

Aemtern verschiedene Ausdrucke für eine<br />

und dieselbe Abgabe waren. Zweitens haben wir gesehen,<br />

daß <strong>der</strong> Landesherr Huudekoru nicht nnr aus seiuen Domanialdörfern,<br />

son<strong>der</strong>n anch ans ritterschaftlichen uud aus<br />

Klosterdörfern erhob; mithin kann das Huudekorn ursprüuglich<br />

uicht eiue Abgabe gewescu sein, die ihm als dem Gutsherrn<br />

zukam, son<strong>der</strong>n nur eiue solche, welche er als Landesherr<br />

einnahm. Es solgt darans, daß das Hnndekorn ursprünglich<br />

kein Zins körn o<strong>der</strong> Pacht körn war, überhaupt keine<br />

aus dem g u ts herrlich e n Nexus hervorgegangene Abgabe.<br />

Im Allgemeinen nahm die Entwickelung <strong>der</strong> bäuerlichen<br />

Abgaben in Vorpommern seit <strong>der</strong> Germanisirung des Landes<br />

denselben Verlauf wie iu dem augrenzenden Meklenburg. Die<br />

Hauptabgabeu des Vaucru (von den Freischulzeu sehen wir ab)<br />

waren ursprünglich 1) <strong>der</strong> Zins (c^iiäuä) von den Hnfcn an<br />

den Grundherrn (an den Landeshcrrn im Domanium, an<br />

den Vafallen im Lehngut, au das Kloster im Klostergut),<br />

ä) <strong>der</strong> Z e Hute (döoiinll) an den Bischof o<strong>der</strong> den, dem dieser<br />

27


4l)8 Das tzuudekoru.<br />

densclbeu ganz o<strong>der</strong> theilweise abgetreten hatte, nud 3) im Domaniilm<br />

und in den Lehngütern die Steuer an die Landes-<br />

Herrschaft, die in den Nrknnden bald zx^titio, bald 6xliMo<br />

(bisweilen tiidntmn) ^^) genannt wird, von welcher aber,<br />

wie wir oben sahen, die Klosterbanern regelmäßig ausdrücklich<br />

befreit wnrden.<br />

Ein Verttag vom Jahre 1221 regelte den Antheil an<br />

den Zehnten, welchen <strong>der</strong> Landesherr vom Bischof von<br />

Schwerin zn Lehn nahm;^) anch <strong>der</strong> Bischof von Camin<br />

gestand den Landesherren Zehnten in beträchtlichem Maße zn ^).<br />

Von den ihnen selbst verbliebenen Zehnten verschenkten die<br />

Bischöfe nicht wenige an geistliche Stifter, veräußerten anch<br />

sonst manche; die übrigen fixirten sie. ^^') Auch die Landesherren<br />

verscheukten ihrerseits manche Zehnten: ^") den Vasallen<br />

verliehen sie die Zehnten ans den Lehngütern. ^) Iu den<br />

Domanialgütern schlugen die Fürsten den Kornzehnten znr<br />

Pacht, <strong>der</strong> Schmal- o<strong>der</strong> Flcischzehnte ward noch später erhoben<br />

(z.B. w^0t-, d. h. Zehnt-Lännner); die Vasallen machten es<br />

ebenso in ihren Gütern. ^")<br />

Zins nnd Zehnten des Grundherrn wilrden dann aber<br />

(seit <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 13. Iahrhnn<strong>der</strong>ts) allgemein durch<br />

einen Vertrag (^^otuui) fixirt, sie hießen daher (zusammengerechnet)<br />

Pacht; nicht mir <strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> Pacht für jede<br />

Hnfe ward festgesetzt, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Regel ward anch von<br />

Seiten des Grundherrn ans jede nene Nachmessuug verzichtet,<br />

das heißt, auch die Hnfcnzahl für jedes Torf ward als fest<br />

'«) Fabncius 428d, 4We.<br />

l") Fabricius Nr. XIV.<br />

l") Vgl. z. B. Fabricius Nr. 194, Drcger )^r. CXXXI,<br />

'^) Z- V. Fabricius Nr. 51^, Klt.'mpin, Diplomat. Beitr. S.<br />

384 f.<br />

l") Z. V. Fabricius 3ir. XI., 514.<br />

l") Vgl. z. V. Fabricius Nr. 7ä5, 78^.<br />

l") Fabricius, 5131), 59od, 785, ,^98: ^xumam >li(;imn Vin^w^Ilc,d«u,<br />

3Ìcut al l


Das .Hundekorn. 409<br />

angenommen. ^'") Die Pacht intercssirt nns hier jedoch vorläufig<br />

nicht n^eiter, weil sie dein gutsherrlicheu Ne^ns angehört.<br />

Die schon erwähnte Grundsteuer au deu Landesherrn<br />

war eine allgemeine Verpflichtung: sie ward nicht<br />

nnr von den Hufen <strong>der</strong> Domanialbaueru, son<strong>der</strong>n eben so gnt<br />

von denen <strong>der</strong> rittcrschaftlichen Vanern erhoben. Dies crgiebt<br />

sich nicht nnr ans den Klosterprivilegieu, in welchen die Klostcrlente<br />

von <strong>der</strong>selben befreit wurden, son<strong>der</strong>n auch aus solchen<br />

Urkunden, in denen <strong>der</strong> Fürst sich diese Einnahme vorbehält<br />

sz. V. Fabrieins 514 bei <strong>der</strong> Verleihung des Eigenthums<br />

von Arnesse uud Veuet'enHagen au das H. Geist-Haus zu<br />

Stralsnnd 1^94: ,,8cä ))


410 Das Hunoekoru.<br />

Ständen-, ^up unsc lnal^ ^Vasallen^, up Ullsc srcdc<br />

-onde up abdcr 2lrlioldc van dcmc r7vcnca»npc"^^)<br />

die an<strong>der</strong>slvo bestehenden 3 Stände! Prälaten, Vasallen nnd<br />

Städte, waren also anch hier schon ausgebildet - ltnd im Jahre<br />

1320 fanden wir (s. oben im Abschnitt IX) „pln'i^inont^"<br />

erwähnt. Von den Land ständen mußten die Landesherren<br />

nun zu <strong>der</strong> alten Stener nenc erbitten, die eben deshalb<br />

^roo^i'i^o, dentsch „Beden", genannt wurden. Solche<br />

Znschnsse werden bisweilen zn Anfang als durchaus freiwillige<br />

bezeichnet, z. V. die von Barth bewilligte jährliche Hülfe von<br />

20 Mk. Pfennige (ox ooruni ^i'o^rio lli'ditrio 3


Das .Hundekorn. 411<br />

nur werden hernach sehen, daß Fürst Wizlav schon 1299 Vede<br />

ans Dörfern des Klosters Eldena verpfändete; nnd wenn 1320<br />

das Kloster Ncuenkamp sich beim Papste Iahann XXII. beklagte,<br />

es werde genöthigt ,,^cl ooiiti-i1)ii6Q(1uin in tallii« 6t<br />

^'"), so blieb, falls darunter anch etlva<br />

die Beden begriffen fein sollten, das erfolgte päpstliche Conservatorinm<br />

in Bezng anf diefe doch ohne Wirkung. Denn<br />

wir haben schon oben Beden ans Dörfern diefcs Klosters gefnnden.<br />

Beweise sür die Bedepflicht <strong>der</strong> Lehn guter liefern<br />

nns die Urkunden ans <strong>der</strong> ruyanischen Zeit viele ^^), ilnd die<br />

v. Dechow vertanften lZ19 eine Rente ans Hufen in Beiers-<br />

hagcn niit dein Beinerten: ,,0xo6^)ta. tHiu.6ii<br />

1101'NIII iu 1^)318 M^113Ì8 8ÌCi2t ili I^ii^uia 8ui t 6 1'l'i -<br />

toi'ii ^NQUütim O^)tin0^it^ ^^).<br />

Sehr verschieden lvar null aber die Art, wie solche<br />

Abgaben, Pacht, Bede, Zehnten (anch die Ablösung voli Diensten,<br />

die uns aber hier nicht angeht), entrichtet wurden. War<br />

e^ für den Bauer das Bequemste, feine Abgaben in Korn zn<br />

entrichten, um <strong>der</strong> Mühe des Verkaufs bei schwierigen Absatzwegen<br />

überhoben zu sein, so war es für den Empfänger selbstverständlich<br />

das Willkommenste, anstatt desjenigen Kornes,<br />

welches er nicht in seiner Wirthschaft verbraucheil konnte, baar<br />

Geld zn erhalten. So finden wir denn die Pacht bald in<br />

Korn festgesetzt, z. B. in Lü<strong>der</strong>hagen, ^) bald in Geld,<br />

z. B. iil Schlichteniiiöleu, Bulow ^e. ; ^^) ja man ließ wohl gar<br />

den Banern srei, ob sie ihre Pacht in Korn o<strong>der</strong> in dem<br />

entsprechendeil Gelde entrichten wollten, z. V. in SanZ; "'')<br />

'^) Fabric. Nr. 7


Das .hnndekorn.<br />

in an<strong>der</strong>n Dörfern endlich, z. B. in Arnesse ""), ward die<br />

Pacht theils in Geld, theils in Korn entrichtet. So<br />

finden wir denn anch in den späteren Registern an einer Stelle<br />

nnr Geld Pacht, an einer an<strong>der</strong>n nnr Korn Pacht, an einer<br />

dritten Geld- nnd Kornpacht. Für die Entrichtung des Zehn-<br />

ten war allerdings nrsprünglich die Natnralleistnng die sachge-<br />

mäße; doch finden wir anch hier frühzeitig Abweichnngen.<br />

Während un Schweriner Bisthnm das ^ehntkorn üblich<br />

blieb, empfing von Alters her <strong>der</strong> Bischof von Cani in von<br />

je<strong>der</strong> Hilfe je 2 Schff. Roggen, 2 Schff. Gerste nnd 2 Schff.<br />

Hafer, sowie 2 Schillinge Nischofpfennige nnd noch von jedem<br />

Dorfe 2 Schillinge; ^) nnd mit dem Bischof von Roeskilde<br />

ward 1306 ein Abkommen getroffen, wonach er an Zehnten<br />

von <strong>der</strong> Infel Rügen jährlich 35 Last weniger 2 Pfnnd<br />

(16 Schfs.) Roggen nnd anf jede Last noch 2 Schillinge baar<br />

haben sollte."")<br />

Was nnn die Bede angeht, so wissen wir nicht, wie<br />

die nrsprüngliche oxactio entrichtet ist, wohl aber, wie es<br />

geschah, nachdem diese mit <strong>der</strong> pi^clriill verbnnden war. Anf<br />

<strong>der</strong> Insel Rügen finden wir 1314 als „proc^ii^ nnr<br />

Geld, kein Korn verzeichnet"^), von je<strong>der</strong> Hakenhnfe 12 (anf<br />

Wittow allein von je<strong>der</strong> nnr 8) Schillinge; doch, da hiernach<br />

<strong>der</strong> ,,C0N3N8 cimiln'ioi'nm" für fich berechnet ist nnd dann<br />

noch die „i'0äc1itn8 annone'- folgen, fo wissen wir nicht, ob<br />

nicht die letzte Rnbrik anßer Pachtkorn anch Oedekorn ent-<br />

hält. Uebrigens ist bisher wenigstens ans alter Zeit anch<br />

von <strong>der</strong> Abgabe des Hnndekorns anf <strong>der</strong> Insel Rügen nichts<br />

bekannt geworden. Anch anf den: Festlande Rügen wird<br />

nnter <strong>der</strong> prooln-i^ in den Urkunden, wo <strong>der</strong> Betrag genannt<br />

ist, in <strong>der</strong> Regel nnr Geld verstanden, theils weil die Beden<br />

später meistenteils in Geld gegeben wnrden, vornehmlich aber,<br />

weil es sich in den Urkunden, wo <strong>der</strong> Netrag angegeben ist,<br />

N) Fabric. Nr. 513 b.<br />

"") Klcmftin, Dipl. Beiträge S. 354 f.<br />

"') Fabric. Nr. 566.<br />

'") Fabric. 'Nr. 762.


Das Hundekorn. 413<br />

um Verpfändung handelt, zu <strong>der</strong> sich Geldreuten besser eigneten<br />

als Kornrenten. Nichts desto weniger uuterliegt es keiuem<br />

Zweifel, daß hier ein Theil <strong>der</strong> zu erlegenden Bede don <strong>der</strong><br />

Landesherrschaft in Korn erhoben ward. Z. B. verläßt <strong>der</strong><br />

Fürst Wizlav IV. 1322 "2) seinen: Vasallen Arnold Scerf<br />

seine fürstliche Vede von 4 Hnfen im Dorfe Iohannshagen,<br />

soviel <strong>der</strong> Fürst dort jährlich zu empfangen hatte, außerdem<br />

Korn, weil <strong>der</strong> Fürst dieses zu seinem eigenen Bedarf<br />

behalten will:<br />

i ^ ^ t IN5lQ3Ì8 ìli viiili.<br />

Hier haben loir also das Vedctorn so<strong>der</strong> die Kornbede,<br />

wie jenes im Gegensatz zur „Pennigbede" genannt ward),<br />

und dazu denselben Ausdruck ,.cid x^


as hnndckorn.<br />

den Gütern <strong>der</strong> Klöster Stolp nnd Verchen blieb <strong>der</strong> alte<br />

Name: Vede körn, für das Bedekorn ans den Klöstern<br />

Eldena nnd Nenenkanip luard <strong>der</strong> nene ^nune: Hnndckorn<br />

üblich, nnd das Kloster Eldena fing selbst an, zwischen beiden<br />

zn schwanken (Harnestbede o<strong>der</strong> Hllndekorn). Nicht selten<br />

nannte man das Bedeiorn anch einfach „Korn". Die Geldbeden<br />

dagegen, welche später in „Sommerbede" nnd<br />

„Herbstbede" bestanden, nannte man nnn schlechtweg anch<br />

„bcdc". Alls diesen! Verhältnisse zloischclt bcde (Geldbede)<br />

und ^lllit>ckorn, daß sie nämlich nrsftrünglich Theile einer<br />

Abgabe waren, erklärt es sich dann anch, daß sie so hänsig<br />

bei Verleihungen nnd Verpfändungen mit einan<strong>der</strong> verbunden<br />

werden (bcdc vndc hundckornX s. z. V. die in Abschnitt IV<br />

citirte Urknnde von 1384.<br />

So allgemein die Verpflichtnng zn Bedeleistuugen war,<br />

so ging doch <strong>der</strong> Landesherrschaft im Lanfe <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

viel Bede verloren, so daß die Erscheinung dieser Abgabe<br />

allmählich eine sehr nngleiche ward. Bei <strong>der</strong> Schenkung des<br />

Eigenthums von neilerworbenen Gütern an die geistlichen<br />

Stiftungen, Klöster, Pfarren, Vieareien, pflegten die Fürsten<br />

in <strong>der</strong> Regel anch die Bede u mitznverleihen ; ^") ^Z geschah<br />

nicht häufig, daß sie sich solche vorbehielten. ^) Die Herzoge<br />

von Pommern wareu hierin liberaler, als die letzten Ruyanerfürsten,<br />

welche freilich anch stark verschuldet waren. Einmal<br />

(1281) bclehute sin uLium louclum ot I^g'^io) Herzog<br />

Bogislav lV. vou Pomniern das Kloster Eldena sogar mit<br />

<strong>der</strong> ganzen Bede, welche ihm nnd seinen Nachfolgern in den<br />

Klostergütern znstand („t^t^iii ^ioclni^in, c^uo nol)i« et<br />

-') ^^). Ob freilich diese Belehnnng in späterer Zeit<br />

voll Bestand geblieben ist, lassen wir dahin gestellt. Jedenfalls war<br />

sie für die Güter, welche das Kloster Eldcna in dem Fürsten-<br />

l") z. V. FabriciuZ Nrn. 255, 446 vgl. 487, 721.<br />

"!) z. V, Fabric. Nr. 514, 762 d., 785.<br />

'") Lisch, Vehr Uvk. I. S. ^l5I.


Das Hundekorn. 415<br />

thnm Nilgen besaß, ^') überhaupt nicht von Geltung.<br />

Wizlav III. von Rügen verpfändete dann auch schon 12 99<br />

den Gebrü<strong>der</strong>n von Blixem „ i n ^) r 6 o. 3. r i lr 0 x ^ot10 n c<br />

.^iuguli 8 Aliili 8 N 0 8 C0 Nt Ì 11^ 0nt0 ìli I) O 11 Ì ^<br />

6t ?0t6i'8liHg6ii", eine Rente von<br />

62 M. ^') Eben ans Neuenkirchen verpfändeten hernach<br />

1373 "5) die Herzoge Wartislav VI. und Bogislav VI. Bede<br />

und Hunde körn; nnd desgleichen ward, wie wir uus aus<br />

dem oben (in Abschnitt VIII) Mitgetheilten erinnern, in: 15.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t Vede und Hundekorn aus den Eldenaischen<br />

Klosterdörfern Wampen nnd Hennckenhagen von <strong>der</strong> Landesherrschaft<br />

zn Pfand ausgethan. „Bede nnd Hundekorn" hieß<br />

also nnn, was 1299 mit dem allgemeinen Begriff ,,in ^)i'6c^in."<br />

zusammengefaßt war.<br />

Glücklicher als Eldcna kam das Kloster Dargun wegen<br />

seiner Bedepflicht für die in Pommern belcgencn Dörfer davon.<br />

Der herzogliche Vogt Wedego Walsleben zu Temmin erhob<br />

aus deu Dörfern Warrenzin, Zarnckow, Barlin uud (halb)<br />

Bru<strong>der</strong>storf, welche jenem Kloster gehörten, „ny bcde eddcr<br />

h ll li d c korli c". Auf herzoglichcu Befehl aber vom Jahre<br />

1402 „hörte" er (d. h. ließ er sich vorlesen und übersetzen)<br />

mit Lüdeke Moltzan und An<strong>der</strong>n deswegen die Klosterbriefe.<br />

Sie gewannen daraus die Ueberzeugung, dut dc hcrcn van<br />

Slcrvn l>cinc Fot>cs^)usc ro Darcsulr dc doroc zo<br />

jn cncshc vorbrcuer hcbbc»^ dar dar limnlnclN (niemand)<br />

nvchr vali rechte alic hcbbcn schal^ bchalucn (aus<br />

genomnien) dar Fodcshus ro Darcfmi." ^^) Damit ver^<br />

weist <strong>der</strong> Vogt ans Barnims I. Privileg von 1266, ^") wo<br />

anch namentlich in jenen Dörfern die Bauern von allen fürstlichen<br />

Beden freigesprochen werden („^<br />

Fabric. vl'r. VI.<br />

Fabric. Nr. 465.<br />

Oclrichs S. 100.<br />

^i>ch, Maltzan Url. NI. S. 10.<br />

Mellb. Urk.-Buch II. ^c'r. 10?I.


41k Das Hundetorn.<br />

nnd anf den Vergleich des Klosters mit<br />

den Herzogen Otto I. nnd Barnim Ili. von I-^)-;/") worin<br />

das Kloster dem Herzog Barnim anf seine Lebenszeit<br />

von je<strong>der</strong> eigenen Hnfe jährlich 24 Schill, nnd > Scheffel<br />

Roggen, 1 Schff. Gerste nnd 1 Schff. Hafer (also dreierlei<br />

Korn, wie das „Hnndekoru") zugesteht, mit dieser clon^riorinn<br />

ot lliin0U6 ^nmin^ aber für jene Dörfer die volle<br />

Immnnität, die Exemtion „^1) oiinn!)U8 ^t, 8ÌuaIÌ8 o.x^ooioni^u«<br />

i)i'6ClrriÌ8 ot ^ii^^i'ii8", fiir immer erlangt.<br />

Die Befreiung von <strong>der</strong> Bede befreiete also auch später vom<br />

Hnndekorn — weil dieses ein Theil <strong>der</strong>selben war.<br />

Anch von den Beden, welche ihr ans den Gütern <strong>der</strong><br />

Vasallen gebührten, veräußerte die Landeccherrschaft durch<br />

Verlehnnng, Verschenkung, Verkauf und Verpfändnng ohne hernach<br />

erfolgte Einlösung nicht wenig. Z. B. 1^75 belehnten<br />

Herzog Barnim I. nnd sein Sohn Vojislav IV. die v. Vehr<br />

mit <strong>der</strong> Bede in ihren Lehngütern in den Landen <strong>der</strong> Herzoge<br />

( t 1 i ^IÌ i^ i<br />

ili I)0NÌ8 'ii)801'II1U, ^uc cr 1wI)Ì3 ili<br />

lQt ^tl^uo t6Q0Qt, in V0Il.1N<br />

i6g'^1o^. ^^) Verschenkungcu, Verkäufe nnd Verpfändungen<br />

von Bede treffen wir in früherer Zeit ebenso an, ^^) wie<br />

später noch Bede nnd Huudekorn zusammen uicht selten veräußert<br />

ward. Daraus erklärt es sich, das; auch späterhin<br />

mauche Lehngüter zur Lieferung des Hnndekorns verpflichtet,<br />

an<strong>der</strong>e dagegen davon frei waren.<br />

Was den Betrag des Korns angeht, welches sich <strong>der</strong><br />

Landesherr als einen Theil <strong>der</strong> Bede mtter dein Namen Bedekorn<br />

o<strong>der</strong> Hnndekorn erlege:: ließ, so ist oben ini Abschnitt<br />

VIII gezeigt, daß es regelmäßig aus deu drei Kornarten, die<br />

man von Anfang <strong>der</strong> Germanisiruug an in Pommern bauete,<br />

Roggen, Gerste, Hafer, und zwar zu gleichen Theilen, bestand,<br />

l^l) Mekl. Urk.-Vuch VIII. Nr. 5<br />

'^) Lisch, Behr Urk. I. S. 180, vgl. auch lll. S. 64, 68 :c.<br />

'") Fabric. Nr. 5l)4, 598, 690. 696, beson<strong>der</strong>s 845.


Das Huudc-korn. 417<br />

Weizen aber nnd Erbsen nie nmer dein Huudekorn waren.<br />

Das 3N a ß je<strong>der</strong> Kornart richtete sich freilich naturgemäß zunächst<br />

nach dcni Bediirfnisse <strong>der</strong> Hofhaltung. Da indessen dem<br />

Fürsten ja freistand, nach Gefallen einen größeren o<strong>der</strong> einen<br />

geringeren Theil von <strong>der</strong> Pacht ans seinen Domainen in<br />

Korn o<strong>der</strong> in Geld Zn erheben, nnd da nur wahrnahmen, ^)<br />

daß in Gegenden, welche in kirchlicher Beziehung unter dem<br />

Bischof von Camin standen, <strong>der</strong> Betrag des Hnndckorns gerade<br />

ebenso groß war (2 Scheffel von je<strong>der</strong> <strong>der</strong> drei Korngattnngen)<br />

une die Menge desjenigen Korns, welches dieser Bischof von<br />

Alters her als einen Theil feines Zehnten erhob ss. oben in<br />

diesem Abschnitt): so ist es nicht unwahrscheinlich, daß hier<br />

des Bischofs Beispiel auf jene Maßbestimmung des Hnndekorns<br />

eingewirkt hat. — In den ehemals r iranischen Gebieten,<br />

die uuter dem Bischöfe von Schwerin standen, vermögen wir<br />

das Maß des Hnndekorns von je<strong>der</strong> Hufe nicht fo gnt zu constatiren,<br />

theils weil nns von mehreren Aemtern Specifikationen<br />

über die Beträge des Huudekorus aus je<strong>der</strong> Ortfchaft und znglcich<br />

über deu Hufeustaud <strong>der</strong>selben fehlen, theils weil man<br />

das hnndekorn hier in den fpateren Negistern nicht immer sür<br />

sich geson<strong>der</strong>t berechnete nnd aufführte, son<strong>der</strong>n deu Hundehafer<br />

mit dem Diensthafer nnd, wie wir sehen werden, das ganze<br />

Huudekoru voll eiuigeu Dörfern ini Amte Barth mit dem<br />

Pachtkorn znfammenrechnete. Solch.' Zusammeufasfuug landesherrlicher<br />

nnd gutsherrlicher Einnahmen war uatürlich uur in<br />

Domanialdörfern möglich, wo <strong>der</strong> Landesherr znglcich <strong>der</strong><br />

Gntsherr war.<br />

Um hierfür einige Beispiele anznführcn, so fanden wir<br />

loben Abschnitt VIII) im Amte Loitz 15l)9 den Diensthafer<br />

mit dem Hafer von Hnndekorn zusammengerechnet, ebenso im<br />

Amte Grimmen einmal den „Bedberoggen" mit dem Mühlenroggen<br />

und das Hundekorn mit dein „Dieusthauereu" zusam<<br />

mengeworfen, während ein an<strong>der</strong> Mal das Huudekoru für sich<br />

augegebeu ward. Bei <strong>der</strong> Visitation <strong>der</strong> Kircheu, Klöster, Ho-<br />

Abschnitt VIII.


418 Das hundetorn.<br />

spitäler illld Armenhäuser zn <strong>Greifswald</strong> inl Jahre 155)7 '^)<br />

werden Getreidehebllngeil ans Dörfern des Heil. Geist-Hauses<br />

nnter <strong>der</strong> Ueberschrift „Hnndetorn" anfgerechllet, darnnter<br />

aber <strong>der</strong> Gesammtbetrag als „8l.iiuin^ des Hnndc- nnd Pachtkorns"<br />

bezeichnet. Mehrere ähnliche Fälle zählt Klempin in<br />

seinen! ersten Gutachten ans.<br />

XIV.<br />

Etwas genaner nlüssen wir nns aber nlit dem A in te<br />

Barth beschäftigen. Nach Ausweis des oft eitirten Anschlages<br />

von 1604/14 ward in diesem Amte die Pacht damals ganz<br />

in Geld erlegt; wenigstens erwähnt wird in dem Anschlage<br />

kein an<strong>der</strong>es Pachtkorn als <strong>der</strong> ganz vereinzelt dastehende Pachtweizen<br />

von Saal (^ 1 Last 4 Dr. 11 Sch. 2'/2 Viert).<br />

Bei einigen Dörfern finden wir neben <strong>der</strong> Geldpacht anch<br />

Herbstbede (in Geld) nnd Sommerbede sin Geld) angegeben,<br />

nnd daneben noch Hnndekorn (anch, was hier aber nicht interessirt,<br />

Ablagerkorn). Z. B. Tempel hatte zn liefern: 4 M.<br />

10 V- ßl. Sommcrbede, 18 M. 12 ßl. Herbstbcde, 27 M. 4<br />

ßl. Geldpacht nnd an Hnndekorn 10 Schffl. Roggen, ebensoviel<br />

an Gerste nnd an Hafer. Bei den meisten Dörfern ist<br />

aber Sommerbede gar nicht notirt, dagegen sind z. B. bei<br />

einigen die übrigen erwähnten Leistungen, bei Gr. Cnrtshagen:<br />

69 M. 8 ßl. Herbstbede, 164 M. 10 ßl. Pacht, Hundekorn<br />

34 Schffl. voll je<strong>der</strong> Kornart; bei Splitsdorf: 116 M. 5 ßl.<br />

Pacht, aber nnr 5 M. 9 ßl. 5 Pf. Winterbede nnd nnr 4<br />

Schffl. Roggen, 4 Schffl. Gerste nnd 4 Schsfl. Hafer als<br />

Hundekorn. In den letzten Angaben ist offenbar das ursprüngliche<br />

Verhältniß schon verschoben, die Pacht uuverhältnißmäßig<br />

hoch gegen die Bede nnd das Hnndekorn; also entwe<strong>der</strong> sind<br />

diese theilweise abgelöst, o<strong>der</strong> aber das meiste von ihnen ist<br />

znr Pacht geschlagen. Die letzte Annahme erweist sich als<br />

'^) Wolg. Arch. Tit. 63 Nr. 193 Vol. 1. f. 2^1.


Das Hundekorn. 419<br />

die richtige: denn nnter 14 an<strong>der</strong>n Dörfern finden wir nnr<br />

noch Pacht in Geld, daneben keine Beden nnd keinHunde-<br />

korn verzeichnet, die Geld Pacht aber dafür znm Theil hoch,<br />

z. B. von Lossentin 183 M. 10 ßl. 2 pf. Am auffallendsten<br />

ist, daß Nedebas snicht einmal das bedeutendste Dorf im<br />

Amte), alle an<strong>der</strong>n Dörfer weit überragend, 285 M. 12 ßl.<br />

Pacht, daneben aber keine Beden nnd an Hnndekorn nur 72<br />

Schffl. Hafer zu erlegen hatte. Hier sieht man recht dentlich,<br />

daß alle Abgaben von diesem Dorfe in Geld umgesetzt waren<br />

(anch <strong>der</strong> Hnn<strong>der</strong>oggen und die Hundegerste), mit Ausnahme<br />

des Hnndehafcrs, und daß <strong>der</strong> Begriff Pacht nnnmehr also<br />

anch die Beden und einen Theil des Hundekorus mit umfaßte.<br />

Ganz ebenso entrichtete Starkow neben 84 M. 5 ßl. Oeldpacht<br />

nnr noch 8 Schffl. Hafer an Hundekorn.<br />

Hier wird es danu auch am Orte fein, daran zn erinnern,<br />

daß, wie oben im Abschnitt VIII angegeben ward, 4 Dörfer<br />

im Amte Barth ausnahmsweise eiue merkwürdige Ungleichheit<br />

zeigen in den Quantitäten an Roggen, Gerste uud Hafer, die<br />

sie unter dem Namen Hnndekorn in den Jahren 1604/14 zu<br />

entrichten hatten. Es lieferten<br />

h unde - hundeHunde- Pacht und<br />

roggen g e r st e hafer Vede<br />

Kentz 3 Dr/ 6S. 0L.3Dr.<br />

6S. 1^,.0Dr.<br />

8 S. 189! N.5ßl. 8 Pf.<br />

hermannshagenKindes-<br />

2 „ 10^/g„ 0. 3 „ '/4 ., 0,. /2 " 301 7 4 „<br />

hagen 0 „ 5 ., 0. 0 „ 5 ., 0 „ 3 „ 11 10 ., 12 „ 0 ..<br />

Saal ^l2<br />

.115/,,, 6. 3 „10'/-2,,


420 Das Hundekorn.<br />

in Korn geben nnchte, Geldpacht und Kornpacht also zu<br />

einan<strong>der</strong> in umgekehrter Proportion standen, folglich in <strong>der</strong><br />

großen Kornmenge, welche Saal entrichtete ^wozn noch <strong>der</strong><br />

Pachtweizen hinznznrcchncn ist), wiewohl dieselbe den Namen<br />

„Hund e körn" trägt, doch auch Pachikorn — außer dem<br />

nrsprünglichen Hnndekorn — stecken mnß. Tasselbe dürfen wir<br />

dann auch rücksichtlich <strong>der</strong> Hafer quanta bei deu an<strong>der</strong>n drei<br />

Dörfern annehmen. Znr Erklärnng niüssen wir darauf hinweisen,<br />

daß man damals des ursprünglichen Unterschiedes<br />

zwischen Hundekorn nnd Pachtkorn, loie wir schon oben fanden,<br />

sich nicht mehr streng bewußt war; und nachdem in allen an<strong>der</strong>n<br />

Dörfern des Amtes keine Kornpacht mehr erhoben ward, schien<br />

es wohl unnöthig, nm jene vier Dörfer, in denen man noch<br />

Pachtkorn entwe<strong>der</strong> forterhob o<strong>der</strong> vielleicht anch erst später für<br />

einen Theil <strong>der</strong> Geldpacht wie<strong>der</strong> einführte, eine beson<strong>der</strong>e<br />

Rubrik „Pachtkorn" neben dem „Hnndekorn" anzulegen; man<br />

zog die Beträge bei<strong>der</strong> Kornabgaben eben zusammen, znmal sie<br />

beide gleichzeitig (im Herbst) erlegt wurden. Immer aber<br />

blieb auch iu diesem Ausnahmefalle die Bezeichnung des Pachtkorns<br />

als Hnndekorn <strong>der</strong> nrsprünglichen Bedeutung des Wortes<br />

„Hnndekorn" in Vorpommern in so fern gemäß, als dieselbe<br />

einer von <strong>der</strong> Landesherrschaft zum Behuf <strong>der</strong> Hofhalmng beibehaltenen<br />

(nicht in Geld umgesetzten) o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> statt des<br />

Geldes eingetretenen Kornhebuug beigelegt ward.<br />

Wir stimmen demnach mit Klempins Ansicht, daß das<br />

Hnndekorn in Vorpommern „bald Pacht- bald Vedehebung"<br />

war, überein, jedoch mit <strong>der</strong> Modificatimi, daß wir in demselben<br />

ursprünglich uur Bedekoru erkennen tonnen, die<br />

Bezeichnung von Pachttorn als Hnndekorn aber für eine fpäte<br />

Aen<strong>der</strong>nng erklären müssen, die erst nach <strong>der</strong> Reformation<br />

eintrat. In den uus zur Inspektion zngegangenen Acten<br />

finden wir solches nur, und zwar ausnahmsweise, in den<br />

erwähnten 4 Dörfern des Amtes Barth in dem Amtsanschlage<br />

von 1W4 — 14. Da uus wesentlich oblag, den Ursprung<br />

und die Natur des „Huudckorus" in Vorpommern .ni ermitteln,<br />

so hatte die Ausdehnung <strong>der</strong> Bedeutuug dieses Wortes


Das .Hundekorn' 421<br />

auf das Pachtkorn (im 16./17. Jahrhun<strong>der</strong>t) für uns kein<br />

weiteres Interesse: und lediglich <strong>der</strong> Vollständigkeit halber<br />

führen nur hier an, daß nach Klempins Forschung, als<br />

„1569 — 1003 das Amt Barth mit Franzbnrg (Neuenkamp)<br />

in den Apanagenbefitz des Herzog Vogislav X11I. überging,<br />

und wie<strong>der</strong>um 1592 das Amt Loitz als Leibgedinge <strong>der</strong><br />

Herzogin Sophie Hedwig eingcthan wurde, und das Amt<br />

Barth 1625) nochmals als Leibgedinge <strong>der</strong> Herzogin Agues<br />

außer landesherrlicher Nntzniesznng blieb, für den dadurch<br />

herbeigeführten Ausfall von „Hnndekorn" an<strong>der</strong>weitig Ersatz<br />

geschafft werden mußte, uud dazu die nach <strong>der</strong> Reformation<br />

zu deu Tischgütern des Herzogs geschlagenen Klostcrbcsitzungen<br />

vou Crummiu, Pudagla, Eldena ui^d ein kleiner Theil von<br />

Neuencamp (Frauzburg) herbeigezogen wurden."<br />

XV.<br />

Fassen nur nuu kurz die Resultate iluserer Forschung<br />

zusammeu, so können wir dieselben in folgenden Sätzen aus-<br />

sprechen :<br />

1. Das „Huudekoru" iu Vorpommern ist und war seinem<br />

Ursprünge nach keiuc mit <strong>der</strong> Jagd zusammen-<br />

hangende Abgabe o<strong>der</strong> Leistung, inson<strong>der</strong>heit<br />

kein Surrogat für Jagd ablag er (IX.) o<strong>der</strong><br />

f ü r da s H und elagcr (X.), a u ch k eiue spe eiell<br />

z u r II u t e r haltullg d e r f ii r stlich en Jagd h n n d e<br />

o<strong>der</strong> überhaupt d er für stlichcn Jägerei gefor-<br />

<strong>der</strong>t e uud geleist ete K o r n a b g a b e (XI. ).<br />

2. Vielmehr ist „Huudekorn" eiue nach dem früher im<br />

Magdeburgischen (VI.) und ini Wcrleschen (VII.) üblicheu<br />

Sprachgebrauche im 11. Jahrhun<strong>der</strong>t in Vorpommern<br />

bei den meisten Aemtern eingeführte uene B e n e n u i: n g<br />

(XII.) für denjenigen Theil <strong>der</strong> Bede, welchen die<br />

Herzoge nicht in Geld, fon<strong>der</strong>n Zum Behufe ihrer<br />

H ofwirt h s ch a st in dreierlei Korn, Roggen,<br />

Gerste uud Hafer (VIII.) erhobeu (XIII.).


422<br />

Das Hnndekorn,<br />

Z. Nach <strong>der</strong> Reformation ist die Benennung „Hnndetorn"<br />

anch ailf P a ch tkorn, N' e l ch e s z n d e ni selbe n<br />

Zlvecke bestiinmt loard, ausgedehnt worden (XIV).<br />

Schwerin, d. N). Deeember 1875.<br />

I)r. F. Wigger,<br />

Archivar am Großhcrzoglichcn<br />

Gt,'h. und Haupt-Archiv.


Das Hundekorn.<br />

Anhang.<br />

Zur Etymologie des Wortes Hundekorn.<br />

Von dem Appellationsgerichts-Präsidenten Di'. Kühne<br />

in <strong>Greifswald</strong>.<br />

423<br />

Die seit langer Zeit herrschende, fast allgemeine Annahme,<br />

daß Hnndekorn (huntkorn) eine Iagdabgabe sei, ist für Vorpommern<br />

— wie ich meine — dnrch die Gutachten Di'. Klempin's<br />

nnd Di'. Wigger's wi<strong>der</strong>legt. Möglich ist es freilich,<br />

daß dio Hnndekorn-Abgabe in an<strong>der</strong>en Gegenden Deutschlands<br />

mit <strong>der</strong> Jägerei im Zusammenhange steht, möglich anch, daß<br />

die Vermuthung Dr. Klemftin's richtig ist: Der Name <strong>der</strong><br />

ursprünglich sür die Unterhaltung <strong>der</strong> Jagdhunde<br />

bestimmten Abgabe sei in Vorpommern später<br />

auf an<strong>der</strong>e Gefälle (Vede uud Pacht) ausgedehnt. Wahrscheinlich<br />

ist mir aber nach demjenigen, was wir durch die<br />

Gutachteil erfahren haben, we<strong>der</strong> das eiue noch das an<strong>der</strong>e.<br />

Wenn eine Ableituug des Nameus <strong>der</strong> Abgabe gefunden werden<br />

kann, welche die Beziehung zn dem vierfüßigen Gehülfen des<br />

Jägers ausschließt, so würde dadurch nicht allein das Resultat<br />

<strong>der</strong> Gutachten bestätigt werden, son<strong>der</strong>n es ergäbe sich daraus<br />

auch für die in an<strong>der</strong>en Gegenden Deutschlands vorkommende<br />

Hundekorn-Abgabe, daß aus dem Namen noch nicht einmal<br />

eine faktische Vermuthung für die Natur <strong>der</strong>selben als einer<br />

Iagdabgabe eutnommeu werden darf.<br />

Hieraus so wie aus dem sich daran anknüpfenden historischen<br />

Interesse wird sich <strong>der</strong> folgende Versuch einer<br />

Erkläruug des Namens <strong>der</strong> Abgabe rechtfertigen.<br />

28


424 Das Hundekorn.<br />

I.<br />

In seinem Gutachten (Absch. II und XI a. E.) hat<br />

Dr. Wigger die Vermuthung ausgesprochen, daß das in <strong>der</strong><br />

Bezeichnnng Hnndekorn enthaltene Wort Hunt o<strong>der</strong> hlmd in<br />

<strong>der</strong> Bedeutung eines Ackermaßcs zu versteheu sei. Zuerst<br />

war ich sehr geneigt, dieser Ansicht beizutreten; ich bin dadurch<br />

veranlaßt worden, dem Entstehen, <strong>der</strong> Bedeutung und <strong>der</strong><br />

geographischen Verbreitung dieser Ackermaß-Bezeichnung nachzuspüren.<br />

Ueber das Resultat meiner Ermittelungen werde<br />

ich im zweiten Abschnitt dieses Anhangs berichten.^) H^r<br />

wird die unten zu begründende Bemerkung genügen, daß selbst<br />

nach <strong>der</strong> für die größere Ausdehnung günstigsten Berechnung<br />

ein Hnnt doch immer noch eine verhältnißmäßig recht kleine<br />

Fläche ist; sie beträgt danach nur V10 Magdeburger Morgen<br />

^ 0,17473 Hektars<br />

Es ist mir in hohem Grade unwahrscheinlich, daß man<br />

in alten Zeiten den Namen einer Abgabe an ein so<br />

kleines Flächenmaß angeknüpft haben sollte; insbeson<strong>der</strong>e will<br />

mir die Annahme Dr. Wigger's nicht einleuchten, daß man in<br />

uralten Zeiten eine Kornabgabe nach Hunten berechnet haben,<br />

später aber bei Reparation <strong>der</strong> Abgabe auf die größere Hufe<br />

übergegangen fein follte. Die Beziehung nämlich zwischen <strong>der</strong><br />

Abgabe und dem Huut würde doch Wohl nur die sein können,<br />

daß die Abgabe nach Hunten repartirt o<strong>der</strong> auf jedem einzelnen<br />

Hunt lastend gedacht wäre. In solch kleine Verhältnisse<br />

ist man im Mittelalter, wo die Hundekorn-Abgabe entstanden<br />

ist, bei Vertheilung <strong>der</strong> Grundabgaben schwerlich eingegangen.<br />

Eine Hufen-Steuer, repartirt auf das ganze Besitzthum eines<br />

!U6) Obgleich ich die Nichtigkeit <strong>der</strong> von Dr. Wigger aufgestellten<br />

Vermuthung bezweifle, so bin ich doch weit entfernt, sie als wi<strong>der</strong>legt<br />

anzusehen. Vielleicht ist die iu Absch. II enthaltene Zusammenstellung<br />

meiner Ermittelungen über das Ackermaß Hunt geeignet, als Grundlage<br />

für weitere Forschungen zu dienen nnd dadurch beizutragen zur<br />

Feststellung <strong>der</strong> ursprünglichen Bedeutung des räthselhasten Wortes<br />

Hundekorn. Deshalb sei mir gestattet, zu dem in Aosch, 1 enthaltenen<br />

Exkurse durch Absch. II einen ueuen hinzuzufügen.


Das Hundekorn. 425<br />

Abgabepflichtigen — gewöhnlich eine Nauerhufe — ist leicht<br />

erklärlich, nicht aber eine Abgabe von dein Hunt.<br />

Es tritt hiuzu, daß die Hnndekorn-Abgabe in Gegenden<br />

(wahrscheinlich sogar nnr in solchen Gegenden) vorkommt, für<br />

welche <strong>der</strong> Gebranch des Ackermaßcs Hnnt nicht nachgewiesen<br />

werden kann nnd daß wir das Ackermaß Hunt finden in<br />

Gegenden (wie<strong>der</strong>um wahrscheinlich nnr in solchen Gegenden),<br />

wo die Hnndet'orn-Abgabe unbekannt geblieben ist.<br />

So viel ich für die nenere Zeit durch vielfache Erknndignngen,<br />

für die ältere dnrch Prüfnng des mir zn Gebote<br />

stehenden urkundlichen nnd literarischen Materials zn ermitteln<br />

im Stande gewesen bin, kommt das Flächenmaß Hunt sowohl<br />

in älterer als in neuerer Zeit —- wenigstens in <strong>der</strong> Form<br />

Hnnt, Hnnd, Hundts — nnr in dem höchsten Norden<br />

Dentschlands vor und auch hier nnr in den Küstenlän<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Nordsee, namentlich in Oldenburg, den Herzogtümern Bremen<br />

nnd Verden nnd in Holstein; ^) ich glaube auch uicht, daß<br />

diese Flächenmaß-Bezeichnuug in südlicheren Gegenden jemals<br />

gebräuchlich gewcseu ist. ^") — In jenen Landschaften kommt<br />

aber Huudekoru nicht vor, insbeson<strong>der</strong>e nach meineu<br />

Ermittelungen nicht in Oldenburg uud auch uicht in den<br />

Küstenlän<strong>der</strong>n zwischen Elbe nnd Weser.<br />

Dagegen finden wir Hnnd e körn seit dem Anfang des<br />

13. Jahrhun<strong>der</strong>ts in Urkunden, welche den östlich, rechts <strong>der</strong><br />

Elbe belegcnen Theil des Erzbisthums Magdeburg betreffen,<br />

und im folgenden Jahrhun<strong>der</strong>te in Urkunden <strong>der</strong> Mar<br />

'") Ueber die Vorte Ilüä nnd Ilo^dt, welche auch Ackermaße bezeich-<br />

nen, vgl. unten Absch. II.<br />

^) So z. B. gehören alle Urkunden, welche in dem Versuch<br />

eines bremisch-nic<strong>der</strong>sächs. Wörterbuches nnd bei Schiller und Lnbben,<br />

Mittelnie<strong>der</strong>deutsch. Nörterb. als Beläge für die Ackcrmaßbezeichnnng<br />

Imut angezogen sind, diesen Län<strong>der</strong>n an.<br />

'^) Die Gründe, welche mich anßer dem Umstände, daß ich diese<br />

Maßbezeichnnng in keinem Sprachdenkmal einer südlicheren Gegend<br />

finde, zn dieser Annahme bewogen haben, liegen darin, daß das Hunt<br />

sich nnr in Marschen nnd einigen marschähnlichen Landstrichen nach-<br />

weisen läßt. Vcrgl. Absch, II.<br />

28"'


426 Das Hundekorn.<br />

Brandenburg, Meklenburgs und Vorpommerns. Das Acker-<br />

maß Hunt ist in diesen einst wendischen Gegenden niemals<br />

gebräuchlich gewesen.<br />

Dr. Wigger hat es wahrscheinlich zu machen gesucht, daß<br />

<strong>der</strong> Name tniiMorii aus dem Magdeburgischeu nach Meklen-<br />

bürg und Vorpommern eingeführt sei. In diesen Län<strong>der</strong>n ist<br />

das Ackermaß Hnnt nie bekannt gewesen. Ist Dr. Wigger's<br />

Annahme richtig, so leuchtet es schwer eiu, wie die Bezeichnung<br />

Hundekorn sich in Meklenburg nnd Vorpommern so schnell ein-<br />

gebürgert haben sollte, wenn man dabei an ein in diesen Ge-<br />

genden unbekanntes Flächenmaß zu denken gehabt hätte; denn<br />

<strong>der</strong> Name einer Abgabe, welcher von einer erst durch die An-<br />

schauung verständlich werdenden Maßbezeichnuug abgeleitet ist,<br />

wird sich kaum in Gegenden übertragen, in welchen jene An<<br />

schauung fehlt, wo also das Wort ohne faßlichen Inhalt bleibt.<br />

Wenn aber, wie ich hiernach anzunehmen geneigt bin, das<br />

Ackermaß Hnnt mit dein Hnndekorn in keinem Znsammenhange<br />

steht, woher ist dann <strong>der</strong> Name <strong>der</strong> Abgabe abzuleiteu?<br />

Da Knut o<strong>der</strong> Iiunä eine alte Form des Zahlwortes<br />

Hun<strong>der</strong>t ist, ^") so könnte man, analog dem Zehnten (ä^iina.),<br />

an einen Hun<strong>der</strong>tsten ^6ii^68Ìm^) denken. Ohne darauf weiter<br />

einzugehen, will ich nnr bemerken, daß für ciue solche Ablei-<br />

tung, außer <strong>der</strong> Aehnlichkeit (Gleichheit) des Stammwortes, alle<br />

Anhaltspunkte fehlen.<br />

'N) Grimm, Wörterd. Bd. 4. Abth. 2. Spalte 1919. Aber kommt<br />

diese Form des Zahlwortes ini Mittelnie<strong>der</strong>deutschen vor? Der<br />

Versuch des bremisch-nie<strong>der</strong>sächs. Nörterb. enthält nichts darüber;<br />

Schiller nnd Lübben, Mittelnie<strong>der</strong>deutsch. Wörterb. Vd. 2, S. 332,<br />

nehmen ohne weitere Begründung an, daß im Landmaße Imut das<br />

Zahlwort enthalten sei. Letzteres gerade bezweifle ich.<br />

Die von Di-. Pyl (40. Jahresbericht <strong>der</strong> Rüg.-Pomm. Abthei'<br />

lnng <strong>der</strong> Gesch.-Ges. S. 77) aufgestellte Vermnthnng, daß das Wort<br />

Hnndekorn daher kommen möge, daß die „Hundskornbede" die Sommer '<br />

bede sei, welche von den Hnnd sta gen ihren Namen erhalten habe, wird<br />

dnrch die thatsächlichen Verhältnisse nicht bestätigt. Die „Sommerbede"<br />

wurde zu Walpnrgis entrichtet — nnd, soweit ich habe ermitteln können,<br />

ist das hnndekorn niemals in den Hundstagen fällig, son<strong>der</strong>n entwe<strong>der</strong><br />

ebenfalls im Frühjahr o<strong>der</strong> im Herbst.


Das Hundekorn. 427<br />

Eine an<strong>der</strong>e Ableituug hat sich mir aufgedrängt, welche<br />

ich für die wahrscheinlichste halte.<br />

Hnnt, Hund, Hunne, Hnn, Honne (denn alle diese<br />

Formen kommen vor; altdeutsch: hunno) ist nach <strong>der</strong> deutschen<br />

(insbeson<strong>der</strong>e fränkischen) Gauverfassuug des Mittelalters <strong>der</strong><br />

Name des Vorstehers <strong>der</strong> Hundschaft (Hun<strong>der</strong>tschaft). In<br />

lateinischen Urkunden wird er O6ntoua.i'in8, vio^i'iu8, auch Wohl<br />

^uäox geuannt. In <strong>der</strong> nachsrä'nkischcn Zeit erscheint <strong>der</strong><br />

Hnnne als grundherrlicher Vogt. In noch späterer Zeit sinkt<br />

das Amt noch tiefer nnd wird mit dem des Schultheißen und<br />

villico identifieirt; ^) znletzt wird sogar nur noch <strong>der</strong> Gemeindediencr<br />

eines Dorfes mit dem Worte Hunne bezeichnet,<br />

nnd in dieser Vcdeutuug soll das letztere noch jetzt in einigen<br />

Gegenden am Nie<strong>der</strong>rhein nnd in Westphalcn im Gebrauche<br />

sein.<br />

Der Centenar o<strong>der</strong> Hnnne hat nach <strong>der</strong> fränkischen Verfassnng<br />

die Verpflichtung, für Beitreibung <strong>der</strong> für den König<br />

zu entrichtenden Steuern zu forgen. Als grundherrlicher Beamter<br />

(Vogt) mnß er die gruudherrlichen Zinsen uud an<strong>der</strong>e Einkünfte<br />

erheben, darunter auch die für gewährte Schirmvogtei und<br />

für die Rechtspflege zu entrichtenden Abgaben. Für diefe an<br />

den Hunnen zn entrichtenden Steuern, welche von Anfang an<br />

auch zum Zwecke feiner eigenen Susteutation gedient haben<br />

mögen, wurden in Deutschland die Namen: lionnoliLiioi',<br />

Iiuntlioii^i') wahrscheinlich — wenngleich ich deutsche Urkunden<br />

dafür augenblicklich nicht nachweisen kann — auch<br />

''") Es wurde hier nicht am Orte sein, auf die rcchtshistorischeu<br />

Details uud Streitfragen einzugehen, welche das Amt des Ceuteuars<br />

uud die verfchiedeueu Bezeichnungen des Trägers dicfes Amtes betreffen.<br />

Es mag die Bemerkung genügen, daß <strong>der</strong> Centenar früher allgemein<br />

mit dein vio«(;


428 Das Hundekorn.<br />

gebräuchlich."^) Die in alten englischen Ur-<br />

kunden vorkommenden Bezeichnungen: lionä^m^, Iiun


Das .Hundekorn. 429<br />

Auffallend ist es zwar, daß sich keine unverdächtige Urkunde<br />

^) ans denjenigen Landschaften, in welchen die alte<br />

Gauverfassnng in Kraft gewesen ist, nachweisen läßt, die eine<br />

an den Hunnen Zu entrichtende Getreide-Abgabe, insbeson<strong>der</strong>e<br />

1in,iitlv oi'ii erwähnte. Aber daß dort Natural-Abgaben<br />

an den Hunnen auch vorkamen, geht aus Urkunden des 14.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts hervor, welche als solche Abgabe den Hnndswein<br />

(llnnt^>vin, Iluiiiouin vinnm) erwähnen, welcher in den Erzbisthümcrn<br />

Trier und Cöln zu entrichte:: war. ^) — Die meines<br />

Wissens zwei ältesten Urkunden, welche das Wort Iimitkoi'n<br />

enthalten, sind Magdeburgischc; sie datircu beide aus dem Jahre<br />

1211; die eine ist genau cineu Mouat älter als die an<strong>der</strong>e.<br />

Die ältere, vom 16. Juli 1211, betrifft eiucn Vergleich,<br />

nach welchem dein Kloster Berge „docimg. ot Im littorii in<br />

?6Q0k68t.k0i-i)" (Pfcnnigsdorf) zufällt. ^6) — Die zweite,<br />

vom 16. August 1211 ist die bereits vou I)r. Wigger angezogene,<br />

nach welcher Gebhard von Arnstcin die Schirmvogtei<br />

des Klosters Leitzkan übernimmt. '")<br />

Gegend des Neckar kamen. Vergl. Lappenberg, Gesch. von England.<br />

Vd. 1 S. 82 st. X^mi.I^, 'Illo 8ux0U8 in NnFiaud. L. I 0d. 1.<br />

'") Die bei Grimm, Weisthümer Vd. 4 S. 480 ff. mitgetheilte<br />

Urkunde kann nicht in Betracht kommen; we<strong>der</strong> ist ihr Alter bekannt,<br />

noch liegt sie in <strong>der</strong> ursprünglichen Fassung vor. — Dr. Pyl, a. a. O.<br />

S. 76 referirt, daß Dr. Frommann ihm nutgetheilt habe, daß <strong>der</strong><br />

Ausdruck „Huudekorn" in oberdeutschen Schriften sehr selten vor-<br />

komme; ich habe ihn in oberdeutschen Urkunden und Schriften über-<br />

haupt nicht ermitteln können.<br />

^) Lacomblet, Archiv für die Geschichte des Nie<strong>der</strong>rheins<br />

Bd. 1 S. 233 st.<br />

'^) Urkundeuduch des Klosters Berge bei Magdeburg, bearbeitet<br />

vou Dr. Holstein (Halle I87i)) S. 44.<br />

"7) Riedels x mpIomM^us Nrliua(mdurF6ULÌ3. Thl. 1,<br />

Vd. 10, S. 80. Den Inhalt dieser charakteristischen Urkuude, welche<br />

wir uns hier iu das Gedächtniß zurückrufen müssen, will ich etwas<br />

vollständiger mittheilen, als es in Dr, Wigger's Gutachten geschehen<br />

ist. Gebhard vou Arnsteiu sagt vou deu Kauouikeru des Klosters<br />

Leitzkaui „(juo^ ^ ,


430 Das Hundekorn.<br />

Wir müssen darauf anfmerksam machen, daß sowohl das<br />

Kloster Leitzkan als Pfennigsdorf in dem am rechten Ufer <strong>der</strong><br />

Elbe befindlichen Theile des Erzbisthums Magdeburg liegen,<br />

in dein wendischen Gan Morzane, ^) welchem im 12. Iahrhnn<strong>der</strong>t<br />

durch Erzbischof Wichmann eine sehr starke, vom Nie<strong>der</strong>rhein,<br />

aus Holland, überhaupt aus den deutschen Gauen des<br />

alten fränkischen Reiches kommende Einwan<strong>der</strong>ung zilgeführt wurde<br />

— und daß in dem westlichen, links <strong>der</strong> Elbe belogenen Theile des<br />

VoFtponui^o vidolioot VII tl^outll «um VII 80U6Ì8 od<br />

l'rumontum (juoä clioitur l l ,i utk oru 8oilioot XXI onoi-()8 oum X<br />

M0(Ui^ litriu8cjuo trumouti orcloi ot liuono ild oxpon8<br />

Z) 01 ti N0Ilt08 lilllluo tompoi'0 milli 0t Il0!'o6ibu8 M6I8<br />

8uoooö80ridu8 ciliro äodorout 8ud


Das Hundekorn. 431<br />

Erzbisthums, welcher von Germanen bewohnt war nnd welcher<br />

von <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ung nicht o<strong>der</strong> nnr in sehr geringem Umfange<br />

betroffen wnrde, Hundckorn sich nirgends findet. —<br />

Hiernach liegt die Vermuthung nahe, daß die deutschen Kolonisten<br />

das Wort Iiuntkoi'n, welches bald nach <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>nng<br />

plötzlich in dem bisherigen Wcndenlande auftaucht, eingeführt<br />

und es entwe<strong>der</strong> ans eine neue Abgabe, welche sie an<br />

gleichartige o<strong>der</strong> ähnliche Leistungen in ihrer früheren Heimath<br />

erinnerte, angewendet o<strong>der</strong> es anf eine analoge, im Wendenlande<br />

bereits bekannte Abgabe, nnter Abwcifung <strong>der</strong> slavischen<br />

Bezeichnung, übertragen haben. ^) Selbst wenn die Einwan<strong>der</strong>er<br />

das Wort Iiunt^orn in ihrer früheren Heimath nicht<br />

gebraucht, son<strong>der</strong>n nnr 1^untli«1l6i', Koiin6ii6i1oi', Iiunt^v/in<br />

gekannt haben sollten, so lag es für sie doch sehr nahe, daß<br />

sie für eiue Getreideabgabe das Wort Iiuntkorn bildeten.<br />

Die Natural-Abgabc an Stelle <strong>der</strong> in <strong>der</strong> früheren Heimath<br />

<strong>der</strong> Kolonisten wohl häufigeren Geldabgabe ilniiMolioi') erklärt<br />

sich aus deu wirthschaftlich weniger entwickelten Verhältnissen<br />

des Wendenlandes o<strong>der</strong> daraus, daß die Abgabe unter eiuen<br />

an<strong>der</strong>n (wendischen) Namen als Getreide-Abgabe bereits bestand.<br />

Der Einfnhruug des Wortes Iiuntkoi'n wird es gewiß nicht<br />

eutgegeugcstaudeu haben, daß die Kolonisten in <strong>der</strong> neuen Heimath<br />

einen Huut o<strong>der</strong> Hunnen nicht vorfaudeu. Man braucht<br />

sich nicht zu <strong>der</strong> gewagten Conjeetur zu versteigen, daß die<br />

'^) Ist vielleicht das wendische vvonxop zum jnmtkcn'ii nmgetanft<br />

worden? Auffallend ist es, daß die wendische Abgabe ^vc^/x^,, welche<br />

im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t in dein östlichen Theile des Erzbisthmns Magde-<br />

burg noch so häufig ist, daß Erzbischof Wichmann diese anscheinend<br />

anch in mehrerlei Getreide zn entrichtende Leistung in einer Urknnde<br />

von 1164 bezeichnet als „i6, (juoä mor« totius ti'll.u8u1diu« i)>'0-<br />

VÌNCÌ6 >V055/OP nolnllmtn!'", im folgenden Jahrhun<strong>der</strong>t zn verschwinden<br />

beginnt, zn <strong>der</strong>selben Zeit, wo zuerst das IiuiMoi-n anstritt. Vergl.<br />

Urknndenbuch des Klosters Uns. Lieb. Frauen zn Magdeburg, be-<br />

arbeitet von Or. Hertel. (Halle 1878) S. 34, l3. Dazn Winter<br />

a. a. O. S. 232: „Bei den deutschen Kolonisten trat an die Stelle<br />

des Wozzops eine bestimmt für jede Hufe festgesetzte Getreidelieferuug<br />

an den Landesherrn. ^


Das Hundekorn.<br />

eingewan<strong>der</strong>ten Deutschen den mit <strong>der</strong> Abgabenerhcbung beauftragten<br />

Beamten des Wendenlandes mit dein in ihrer früheren<br />

Hcimath gebräuchlichen Namen bezeichnet hätten; denn im 12.<br />

Iahrhnn<strong>der</strong>t war anch in <strong>der</strong> alten Heimath das Hnntamt be^<br />

reits in Verfall gerathen nnd wahrscheinlich anch dort vielfach,<br />

wenn auch noch nicht bei den Gelehrten, doch im Volke, <strong>der</strong><br />

Znsammenhang des Namens <strong>der</strong> Abgabe mit dem alten Amte<br />

des Centenars, Vogts, Schnltheißen schon vergessen. Die Uebertragung<br />

des Namens auf eine sonst aualoge, vielleicht mit<br />

einem Worte <strong>der</strong> verachteten Wendensprache bezeichnete Abgabe<br />

erklärt sich, ohne daß dabei an das Amt des Hnnnen gedacht<br />

sein branchie, aus <strong>der</strong> Aehnlichkeit <strong>der</strong> übrigen Verhältnisse.<br />

Daß aber diese Verhältnisse, namentlich die Zwecke, für<br />

welche die Abgabe entrichtet wurde, sehr ähnliche waren, wie<br />

diejenigen, für welche iu deu deutschen Gauen Beisteuern dnrch<br />

den Huunen erhoben wnrden — das erkennen wir deutlich aus<br />

jeuer das Kloster Leitzkau betreffenden Urkunde, auf welche<br />

aufmerksam gemacht zn haben des Verdienst Di-. Wigger's<br />

ist. Die alte Hun<strong>der</strong>tschaft war vor Allem ein Verband zum<br />

Zwecke staatlichen Schutzes uud <strong>der</strong> Gerichtspflege; <strong>der</strong> Hunt<br />

war vor Allem Beamter des Grafen für die Erreichung dieser<br />

Zwecke. Dazu wurden die an den ersteren zn entrichtenden<br />

Steuern vorzugsweise erhoben. In dem Zwecke dieser Abgaben<br />

wurde nichts Wesentliches geän<strong>der</strong>t, als <strong>der</strong> Hunne zum grundherrlichen<br />

Vogt geworden war. Für gleiche Zwecke wurde das<br />

Iiuntkoi-n in <strong>der</strong> „transalbinischen Provinz" des Erzbisthums<br />

Magöeöurg gegeben: )Fi'0 cic/6^8i'ou6 st Mcii'cio" „^ci sx-<br />

1)6N8^8 Mdic:Ì8 ^ei'tinoQZ". ^") Bemerkenswert!) ist es auch<br />

— worauf schon I)r. Wiggcr hingewiesen hat, — daß man<br />

'-^) In wie weit <strong>der</strong> in <strong>der</strong> magdeburgischen Urkunde genannte<br />

^'aclsx dem grundherrlichen Hnnnen <strong>der</strong> westlichen Ganen, namentlich<br />

des Nie<strong>der</strong>rheins, entsprach, kann füglich dahin gestellt bleiben. Auch<br />

wird es nicht in das Gewicht fallen, daß in jener Urknnde von einem<br />

Klostervogte die Rede ist; denn wenn anch die Klostervögte eine<br />

beson<strong>der</strong>e Stellung hatten, so war dieselbe doch insofern von <strong>der</strong>jenigen<br />

an<strong>der</strong>er Vögte nicht verschieden, als anch sie die vogteilichen<br />

Abgaben einzogen.


Das tzundekorn, 433<br />

bei <strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong> das Kloster Leitzkan betreffenden Urkunde<br />

im Jahre 12 N das Imntkoi'ii noch nicht mit ii-nni6ntum<br />

CHNHU1, ^nilon^ ciininH o<strong>der</strong> einem ähnlichen lateinischen<br />

Ausdrucke bezeichnete, wie es in <strong>der</strong> späteren Zeit, schon im<br />

Mittelalter, allgemein gebräuchlich wurde. Die bei <strong>der</strong> Ausstellung<br />

<strong>der</strong> Urkunde, theils als Vertragsparteien, theils als<br />

Zeugeu anwesenden Personen waren — wie die Urkuude ergiebt<br />

— zum großen Theile Cleriker, also Gelehrte, welchen wahrscheinlich<br />

noch bekannt war, daß das Iiuntkoi'n in keinem Zusammenhange<br />

stand mit dem 0HNÌ8. Aber die vorsichtig deklarirenden<br />

Zusätze — namentlich: „pro cl6l0ii8ioiio 6t^udioio"<br />

und ,,g>ä 6X^01189.8 ÌU(IÌ0Ì8 ^01^11161^68" lassen erkennen, daß<br />

die bloße Bezeichnung <strong>der</strong> Abgabe als „kuntkorn" im Magdeburgischen<br />

nicht allgemein verständlich war. — Daraus, daß<br />

man im späteren Mittelalter bei dem Worte Knut, kund,<br />

Iiuii nur noch an den vierfüßigen Freund des Jägers zu<br />

denken Pflegte, erklärt es sich denn auch, daß das Wort<br />

in späteren lateinischen Urkunden naiv mit<br />

lmnona 05unii^ übersetzt wurde und dadurch jeuer<br />

Gedanke zum Ausdruck tam. Der Gedanke selbst aber beruhte<br />

sicher auf einem Mißverständnisse. ^) Aus jenen latei-<br />

A)l) Solche auf Mißverständnissen beruhende Uebersetzungen sind<br />

in alter und neuer Zeit nicht selten.<br />

Ergötzlich ist es zu scheu, was man dem armen Hunnen<br />

angedichtet hat, als mau die richtige Ableitung seines Namens<br />

vergessen hatte. Die Beschreibung eines Hungerichtes, welche Se-<br />

bastian Bnrggrav. ein Bürger von Speier, im Jahre 1594 ver-<br />

saßt hat, enthält solgcnde Stellei „In solchem Gericht sitzen 2!<br />

Schöpfen, haben eine Person im Gericht, den man den Hun nennt.<br />

Solcher (welchen ich auch gesehen und mir solches erzehlt hat) wohnt<br />

jetzun<strong>der</strong> zne Weitersheim, gebeut den 31 Schöpfen, wenn man Einen<br />

hinrichten will, zuesam. Solcher Hun, wenn man den Uebelthäter<br />

hinrichten will, mueß dreimal wie ein Hundt auß dem Us-<br />

ui eil er Heckcheu bellen, wenn mau den Armen zum Galgen<br />

führt." Grimm, Weisthümer Bd. 1 S. 796, bemerkt hierzu: „Die<br />

Wcisthümcr <strong>der</strong>selben Gegend haben keine Spur solcher Bestimmungen."<br />

Sehr begreiflich! Der würdige Speierer, welcher den alten Hun, dessen<br />

Name ihm nicht mehr verständlich war, zum Bello degradirt, hat


434 Das.Hundekorn.<br />

nischen, freilich weit verbreiteten Ausdrucken kann für den ursprünglichen<br />

Zusammenhang des Wortes Huudekorn mit jenem<br />

Iagdthiere nichts hergeleitet werden.<br />

Wie die Vezcichnnng Huntkorn, welche im Anfange des<br />

14. Jahrhun<strong>der</strong>ts in Mcklenburg und einige Dceennien später in<br />

Vorpommern zuerst vorkommt, nach diesen Län<strong>der</strong>n übertragen ist,<br />

wird sich zwar mit Sicherheit schwerlich feststellen lassen; aber<br />

die Vermuthung Dr. Wigger's, daß <strong>der</strong> Magdeburgische Domherr<br />

Güuther v. Werle <strong>der</strong> Vermittler gewesen sei, will mir nicht einleuchten.<br />

Es ist mir unwahrscheinlich, daß <strong>der</strong> bisher in den wendischen<br />

Län<strong>der</strong>n an <strong>der</strong> Ostsee unbekannte Ausdruck durch einen einzelnen<br />

Mann importirt und, ohne daß wir dafür eine Erklärung<br />

hätten, sofort eingebürgert nnd so weit verbreitet sein sollte,<br />

wie es nach den vorliegenden Urkunden in demselben uud dem<br />

folgenden Jahrhun<strong>der</strong>t geschehen ist. Die Annahme scheint<br />

mir natürlicher, daß anch nach Meklenbnrg und Vorpommern<br />

die Bezeichnung einer Getreide-Abgabe als Huntkorn — ebenso<br />

wie nach dem Magdebnrgischen Gau Morzane — dnrch deutsche<br />

Einwan<strong>der</strong>er eingeführt und unter den Kolonisten auch dieser<br />

ehemaligen Wendenlän<strong>der</strong> bald verbreitet und gebräuchlich geworden<br />

ist. Dazu gehört freilich <strong>der</strong> Nachweis, daß die deutschen<br />

Kolonisten dieser Län<strong>der</strong> aus Gegenden gekommen sind,<br />

in welchen <strong>der</strong> Huune o<strong>der</strong>, wenn auch dieser nicht mehr, doch<br />

Huntkorn o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Abgaben, welche nach dem Huuueu benannt<br />

waren, wie Huutheller o<strong>der</strong> Hnndswein, bekannt waren.<br />

Die deutsche Einwan<strong>der</strong>nng insbeson<strong>der</strong>e nach Pommern<br />

hat erst im 13. Iahrhuu<strong>der</strong>t eiuen größeren Umfang gewonnen,<br />

nachdem die wendischen Bewohner dieser Gegenden im 13.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t znm Christenthnm bekehrt waren. In welcher<br />

Anzahl die Kolonisten ans den verschiedenen deutscheu Land'<br />

schaften kamen, läßt sich nicht mit einiger Sicherheit feststellen:<br />

aber wir haben Nachrichten, daß ein nicht unerheblicher Theil<br />

<strong>der</strong> Kolonisten aus Franken, vom Nie<strong>der</strong>rhein uud aus den<br />

sächsischeu Landschaften an <strong>der</strong> mittleren Elbe gekommen ist. —<br />

sich von dem Spaßvogel, <strong>der</strong> ihm „solches erzehlt hat", etwas aufbinden<br />

lassen!


Das Hundekorn. 435<br />

Ob die Sachsen, welche in Folge <strong>der</strong> Kriege Heinrichs des<br />

Löwen uud <strong>der</strong> dadurch hervorgerufenen Verwüstung ihrer heimathlichen<br />

Län<strong>der</strong> nach den Gestaden an <strong>der</strong> Ostsee zogen, wo<br />

sie von den Pommern-Herzögen mit offenen Armen aufgenommen<br />

wnrden, den neueu Namen Huntkorn nach den Wendenlän<strong>der</strong>n<br />

gebracht haben, mag dahm gestellt bleiben; ich bezweifle<br />

es, weil in Nicdcrsachsen an <strong>der</strong> mittleren und unteren<br />

Elbe, so viel wir wissen, <strong>der</strong> Centcnar, die Hun<strong>der</strong>tschaften, also anch<br />

wohl Abgaben, welche nach dem Huuucn benannt waren, nicht cxistirt<br />

haben mögen. Aber auch die Sachsen werden sehr geneigt gewesen<br />

sein, deutsche Bezeichnungen sich anzueignen, welche von an<strong>der</strong>n<br />

deutschen Stämmen eingeführt waren, die uuu mit ihnen vermischt<br />

die germanischen Kolomeen in den Wendenländcrn bewohnten.<br />

Die Einwan<strong>der</strong>er ans Franken und vom Nie<strong>der</strong>rhcin aber<br />

lamcn aus Län<strong>der</strong>n, in welchen <strong>der</strong> Huuue die Abgaben früher<br />

erhoben hatte o<strong>der</strong> (am Nie<strong>der</strong>rhcin) zur Zeit <strong>der</strong> Kolonisation<br />

Pommerns noch erhob.<br />

Der Apostel <strong>der</strong> Pommern war <strong>der</strong> Bischof Otto von<br />

Bamberg. Wir wissen, daß er bei seinen zwei Bekehrnngsreisen<br />

nach Pommern mit nicht unbedeutendem Gefolge kam und daß<br />

durch seinen Einfluß deutsche Ausiedelungen in Pommern angelegt<br />

wurden. Mögen die letzteren zunächst auch vorwiegend<br />

von Klerikern bewohnt gewesen sein, so zogen doch diese später<br />

an<strong>der</strong>e Kolonisten in das Land; jedenfalls bildeten die Franken<br />

in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Germanisirnng Pommerns einen nicht unerheblichen<br />

Theil <strong>der</strong> Kolonisten.<br />

Noch wichtiger für uns ist die Einwan<strong>der</strong>ung vom Nie<strong>der</strong>rhcin.<br />

In den nie<strong>der</strong>rhcinischcn Län<strong>der</strong>n war, wie nur aus<br />

den erhaltenen Urkunden bestimmt wissen, "^) zur Zeit <strong>der</strong><br />

deutscheu Einwan<strong>der</strong>ung nach Pommern <strong>der</strong> Hun noch eine bekannte<br />

Persönlichkeit; am Niedcrrhein wurde noch damals von<br />

ihnen Huntheller und Huudswein erhoben. Die Einwan<strong>der</strong>uug<br />

vom Nie<strong>der</strong>rhcin ging aber, wie wir ebenfalls wissen, vorzugs-<br />

^-) Vergl. oben Amn. l9^.


436 Das hundekorn.<br />

weise nach Vorpommern, uud ein großer Theil <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>er<br />

muß sich gerade da angesiedelt haben, wo die Hundekorn-<br />

Abgabe — wie wir ans Di'. Klemftins Forschungen erfahren<br />

haben — wohl am häufigsten war, im Lande Barth.<br />

Denn dort errichteten Cistercienser-Mönchc vom Nie<strong>der</strong>rhcin<br />

das Kloster Rosengarten (^08otnin), dessen ursprünglicher<br />

Name bald in Vergessenheit gerieth, weil seine Bewohner in<br />

treuer Anhänglichkeit an das Mutter-Kloster Kamp (bei Gel<strong>der</strong>u<br />

im Erzbisthnm Köln) den Namen Neuen-Kamp vorzogen. ^)<br />

Herzog Wizlaw 1. erklärte in <strong>der</strong> im Jahre 1231 vollzogenen<br />

Stiftungsurkunde: „vedimi (^o^no pi-oiatiZ lra.ti-ibii8<br />

063.MÌ ad 86 0d colloo^näi udionn^uo V0-<br />

P088688Ì0Q6 prkl^tk 6^oi6816 CUM80UUciU6 A0NtÌ8<br />

ot cu^u8^un(^u6 ^^18 lioniin03". Die frommen Brü<strong>der</strong><br />

werden nicht verfehlt haben, in Folge dieser Ermächtigung<br />

Landsleute vom Nie<strong>der</strong>rhein herbei zu rufeu. ^) — Wir sindeu<br />

also nie<strong>der</strong>rheinische Ansiedelungen „im Landt zn Bart" ;^^)<br />

'^") Das Kloster Neuen-Kamp stand an <strong>der</strong> Stelle <strong>der</strong> heutigen<br />

Stadt Franzburg. Die Stadtkirche, jetzt ein thnrmartiges Gebäude,<br />

dessen Länge zn seiner Höhe in keinem Verhältnisse steht, ist ein kleiner<br />

Rest <strong>der</strong> ehemaligen Klosterkirche. Dieselbe ist neuerlich restanrirt und<br />

bei dieser Gelegenheit hat man die Fundamente des zerstörten groß-<br />

artigen Gebändes ermittelt. Vergl. die Mittheilung von Di-. Pyl in<br />

dem 40. Jahresberichte <strong>der</strong> Rüg.-Pomm. Abtheilung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

für Pomm. Geschichte. Greisswald 1879. S. 57.<br />

264) Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Geistlichen viel zurHerbei-<br />

ziehnng deutscher Kolonisten in die Weudenlän<strong>der</strong> beigetragen haben.<br />

Sie sind dabei sogar anf Mittel verfallen, mit denen sie hent zn Tage<br />

kaum vor dem §. 144 des deutschen Strafgesetzbuches (Verleitung zur<br />

Auswan<strong>der</strong>ung) bestehen würden. Der größte Schwärmer für seine<br />

Pommersche Heimath wird doch kaum bestreiten können, daß eine<br />

„Vorspiegelung falscher Thatsachen", eine „unbegründete Angabe"<br />

o<strong>der</strong> ein „auf Täuschung berechnetes Mittel" darin lag, wenn die<br />

frommen Brü<strong>der</strong> von Pommern rühmten: ,,8i vitein 6t oloam «t<br />

Loum kiidoret, tsri-aiu putn.i'68 638« lopi-onnsLiomg." Varthold,<br />

Gesch. von Rügen und Pommern, Vd. 1 S. 482 Anm. 1.<br />

205) So bezeichnet Kantzow in seiner Chrouik (Ausgabe von Kose«<br />

garten Vd. 1 S. 232) den Ort, wo „das herrliche Abtkloster znm<br />

Campe" liegt.


Das Hundekorn.<br />

— am Nie<strong>der</strong>rhcin sind Honnehellcr und Hundswein noch znr<br />

Zeit dieser Ansiedelungen gebräuchlich und diese Abgaben sind<br />

dort, wie nicht bezweifelt werden kann und nie bezweifelt ist,<br />

so genannt, weil sie an den Hunnen entrichtet wurden; — im<br />

Lande Barth vorzugsweise finden wir später die Hundekorn-<br />

Abgabe! Man wird nicht in Abrede stellen können, daß hierin<br />

mindestens ein starkes Indici um dafür enthalten ist, daß in<br />

dem dunkeln Worte Hundckorn <strong>der</strong> alte Hunne verborgen liegt. ^)<br />

Dazu kommt noch <strong>der</strong> höchst bemerkenswerthe Umstand,<br />

daß nach Dr. Klcmpins Forschungen das Hundekorn fast ausschließlich<br />

nur in Ortschaften vorkommt, welche entwe<strong>der</strong> deutschen<br />

Ursprungs (die Hagen^Dörfer) o<strong>der</strong> nachweislich sehr<br />

früh germanisirt sind. ^) Dies deutet wenigstens auf den<br />

deutscheu Ursprung auch <strong>der</strong> Abgabe hin, welche in einem fest<br />

bestimmten Maße von den in den ersten Zeiten nach <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ung<br />

sehr begünstigten deutschen Kolouisten gefor<strong>der</strong>t<br />

wurde, während den Wenden nach alter slavischer Gewohnheit<br />

an<strong>der</strong>e und drücken<strong>der</strong>e Lasten aufgebürdet fein mögen.<br />

Hiernach ist es nur höchst wahrscheinlich, daß die Bezeichnung<br />

Hundckorn in Vorpommern (lind in Meklenburg) in ganz<br />

gleicher Weise gebräuchlich geworden ist wie in dem wendischen<br />

Gau Morzanc an <strong>der</strong> Elbe, nachdem sie zuerst unter den<br />

deutschen Kolonisten aufgekommen o<strong>der</strong> von ihnen in die Wendenlän<strong>der</strong><br />

eingeführt war.<br />

Ist dies aber richtig, so bleibt mir über die Ableitung<br />

des Wortes kaum ein Zweifel.<br />

Nach den Rcfultaten <strong>der</strong> Forschungen Dr. Klempins und<br />

Dr. Wiggers scheint die Annahme gerechtfertigt, daß <strong>der</strong> Name<br />

266) Es soll keineswegs behauptet werden, daß alle Getreideab-<br />

gaben im Laude Barth, welche dort als Hundekoru bezeichnet sind,<br />

schon ursprünglich von den deutschen Kolouisten vorgefunden uud so<br />

genannt wurden; ich folgere aus <strong>der</strong> weiten Verbreitung, welche <strong>der</strong><br />

Name dort gefuudcu hat, nur, daß <strong>der</strong> Name den Bewohnern jener<br />

Landschaft von Alters her geläufig gewesen sein muß.<br />

A") Die betreffende Bemerkung Dl-. Klempins wird dnrch das-<br />

jenige, was Dr. Wiggcr in Abschu. VIll seines Gutachtens über die<br />

Verbreitung des huudckorus anführt, eher bestätigt als wi<strong>der</strong>legt.


438 Das tzundekorn.<br />

Hnndekorn von <strong>der</strong> zunächst damit bezeichneten bald übertragen<br />

ist ans an<strong>der</strong>e Abgaben, welche eine gleiche Verwendung fanden<br />

wie das Hundekorn. — Letzteres, seiner ursprünglichen Bedeutung<br />

nach in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Germanisirung Pommerns, wo <strong>der</strong> Hunne<br />

schon zum grundherrlichen Vogt geworden war, eine Abgabe<br />

für gewährte Schirmvogtei, wurde dem Fürsten als dem Schirmvogt<br />

<strong>der</strong> Kolonisten ad 6xp6ii83.8 (I1102.I68 P6i-t.in6ii8 entrichtet.<br />

Als später em Theil <strong>der</strong> Kornbede zur Unterhaltung <strong>der</strong> fürstlichen<br />

Hofwirthschast verwendet wurde, war es nicht zu verwun<strong>der</strong>n,<br />

daß man auch diesen Theil <strong>der</strong> Kornbcde mit dem<br />

Namen Hundekorn belegte.<br />

Ich bin weit entfernt von dem Glauben, durch die vorstehenden<br />

Ausführungen die Etymologie des Wortes Hundekorn<br />

festgestellt zu haben. Zwar zweifle ich nicht, daß fich für<br />

meine Annahme noch mehr urkundliches Material beibringen<br />

lassen wird; ^) ^h^ ^ würde kaum weniger befriedigt fein,<br />

wenn kundige Forscher meine Conjeetur wi<strong>der</strong>legten, als wenn<br />

sie dieselbe durch neue Grüude bestätigten. Es genügt mir,<br />

die Frage angeregt zu haben; ihre sichere Beantwortung, wenn<br />

sie überhaupt möglich ist, wird nur uach sorgfältiger Auffuchuug<br />

und Prüfung des gewiß noch vorhandenen, für die Beantwortung<br />

zu verwendenden urkundlichen Materials erfolgen können.<br />

'^) Ob <strong>der</strong> Hun nicht noch in an<strong>der</strong>en Worten enthalten ist, mit<br />

welchen Abgaben bezeichnet worden, ist eine m. E. nicht ganz von <strong>der</strong><br />

Hand zn weisende Frage. Ein solches Wort ist z. B. Huhnschatz «<br />

hnhn. Dasselbe ist bisher nicht erklärt. Lüntzel, die bäuerlichen<br />

Lasten im Fürstenthnm Hildesheim (Hildesheim 1330) S. 204 sagt<br />

darüber: „Hnhnschatzhühner kommen in Malerten vor. Es giebt dort<br />

ein Hos drei Hnhnschatzhühner und vier Hlihner. Der Namen deutet<br />

auf eiue Steuer, obgleich es nicht wahrscheinlich ist, daß eine Schätzung<br />

jemals uach Hühneru veranlagt wäre; dazu kommt auch <strong>der</strong> Namen<br />

zn vereinzelt vor." Malerten liegt im alten Bisthum Hildesheim, im<br />

heutigen Amte Gronau. Sollte vielleicht, <strong>der</strong> Ableitung uach. richtiger<br />

zu schreiben sein: Hnnschatzhnhn? Das „Rauchhuhn" kommt in Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

als gerichtsherrliche Abgabe vielfach vor. Vergl. anch Grimm,<br />

Nechtsalterthümer S. 374 ff. Stobbe, deutsches Privatrecht, Bd. ^<br />

S. 486 Anm. 30.


Das Hundekorn. 439<br />

Zu solchen weiteren Forschungen fehlen nur Zeit und Gelegenheit.<br />

II ^)<br />

Es kann nicht bezweifelt werden, das; das Wort Hunt<br />

(Hund, Hundt) auch ein Flächenmaß bezeichnet. Aber we<strong>der</strong><br />

ist die geographische Verbreitung des Wortes bisher festgestellt,<br />

noch ist <strong>der</strong> Umfang (Inhalt) <strong>der</strong> dannt bezeichneten Fläche<br />

überall <strong>der</strong>selbe, noch ist die Ableitung des Wortes klar.<br />

Die geographische Verbreitung <strong>der</strong> Ackermaßbezei<br />

ch uuug Huut betreffend, wollen wir zunächst von <strong>der</strong><br />

Frage abseheu, ob die in Hollaud uud Westphaleu vorkommeudeu<br />

Flächenbezeichnnngen Ilocdt, II()t, Hüt dasselbe Wort wie<br />

Hunt in an<strong>der</strong>er Form enthalten. -— Dies vorausgeschickt,<br />

glaube ich annehmen zu dürseu, daß in Demschland die Ackermaß-Bezeichnnng<br />

Huut nur in Oldenburg, iu Hannover, iu<br />

dem Gebiete <strong>der</strong> freien uud Haufestadt Bremen uud iu Holstein<br />

vorkommt uud zwar nur iu deu Marschen au <strong>der</strong> Elbe<br />

u u d W e f er uu d (bei Bremen) iu deu Tief- uud M o o r -<br />

läu<strong>der</strong>eien, welche deu 3)iarschen insofern ähnlich sind,<br />

als auch sie <strong>der</strong> Weser und kleinen Nebenflüssen <strong>der</strong>selben durch<br />

Eindeichung abgewonnen wurdeu uud in ähnlicher Weise mit<br />

2N) Ein großer Theil des Inhalts dieses Abschnittes bericht ans<br />

Mittheilungen, welche ich ans ineine Erkundigungen erhalten habe.<br />

Ich kann nicht unterlassen, allen denen hier meinen Dank zn sagen,<br />

welche mir freundlichst Ansknnft ertheilt haben, insbeson<strong>der</strong>e Herrn<br />

Bibliothekar Dr. A. Liibben in Oldenburg und einem lieben Frennde<br />

in Celle, welcher, in Stade geboren nnd erzogen, längere Zeit als<br />

Beamter im alten Laiide angestellt war, Land nnd Lente <strong>der</strong> Elb-<br />

marschcn genan kennt nnd in <strong>der</strong> Geschichte wie in <strong>der</strong> Sprache<br />

Nie<strong>der</strong>sachsens wohl bewan<strong>der</strong>t ist. Der letztere hat mich auch ans<br />

die Konjektnr hingeführt, welche ich am Ende dieses Abschnitts auf-<br />

gestellt habe nnd welche ich deshalb nicht als mein alleiniges Eigen-<br />

thum in Ansprnch nehme. Ich selbst bin einige Zeit in E^ade<br />

aiigestellt gewesen nnd habe dadurch eine Anschauung von <strong>der</strong> ^ion-<br />

figuratimi <strong>der</strong> Marscheu — des Landes Kehdiugen nnd des Alten<br />

Landes — gewonnen.


440 Das Hundekorn.<br />

Hülfe von Entwässernngsgräbcn :e. knltivirt werden, ^i^ —<br />

In Oldenburg kommt das Hnnt nnr vor im Stedingerlandc, ^")<br />

einer tief gelegenen Marsch ani linken Ufer <strong>der</strong> Weser; in<br />

Hannover finden wir das Hnnt nur ini Alten Lande — <strong>der</strong><br />

Elbmarsch Zwischen Harbnrg und Stade, — ferner im Lande<br />

Kehdingen — <strong>der</strong> Elbmarsch zwischen Stadc uud dem Ansfluffe<br />

<strong>der</strong> Elbe in die Nordfee — endlich in dem Marschlande des<br />

Amtes Hagen an <strong>der</strong> Wefer, Osterstade genannt; in dem Ge-<br />

biete <strong>der</strong> Stadt Bremen begegnen wir den: Hunt in dem Marsch-<br />

lande am linken Ufer <strong>der</strong> Weser nnd den tief gelegenen, kulti-<br />

virten Landstrichen ^Ver<strong>der</strong>land, Nlockland, Hollerland in den<br />

Urkunden oft genannt: „in pHiudiI)U8", d. i. im Moore) ani<br />

rechten Ufer dieses Flusses. "^) Anch in Holstein kommt das<br />

210) Mf meine Erkundigungen habe ich überall die Auskunft<br />

erhalten, daß das Hunt im Geestlande sso bezeichnet man an <strong>der</strong> unteren<br />

Elbe uud an <strong>der</strong> unteren Weser das hoch gelegene, trockene Land im<br />

Gegensatze znm Tieflande an den Flüssen, namentlich im Gegensatz<br />

zur Marsch) nicht nachgewiesen werden könne; ich habe alle mir bekannt<br />

gewordenen Urkunden, in welchen das Hnnt erwähnt wird, nach dieser<br />

Richtung geprüft bezw. über den Inhalt <strong>der</strong>jenigen, welche ich nicht<br />

selbst einsehen konnte, zuverlässige Auskunft erhalten; so weit die<br />

Urkunden überhaupt erkennen lassen, wo die Län<strong>der</strong>eien liegen, auf<br />

welche die Urkunden sich beziehen, betreffen sie ausnahmslos entwe<strong>der</strong><br />

Marsch- o<strong>der</strong> (bei Bremen) Tiefland. Vergl. die folgenden Anmerkungen.<br />

211) Nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Bibliothekars<br />

Di-. Lübben in Oldenburg. Auf das Stedingerland beziehen sich die<br />

in dem Mittelnie<strong>der</strong>dent. Wörterbuch von Schiller nnd Lübben angezogencn<br />

Oldenb. Urkunden.<br />

212) Dies beruht auf deu auf mciue Erknndiguugeu betreffend die<br />

Provinz Hannover uud das Gebiet voll Bremen mir gemachten Mittheilungen<br />

mehrerer Freunde. Für Hannover wird es bestätigt durch<br />

die unten erwähnte Bekanntmachung des Obcrprä'sidenten dieser Provinz<br />

vom 30. October 1869; denn diese Bekanntmachung führt das Hnnt<br />

nur auf für das Alte Laud, das ^'aud Kchdingcn nnd das Amt Hagen.<br />

Das letztere besteht zwar nicht blos in Marschland; aber nach erhalte«<br />

uer Auskunft ist auch im Amte Hagen das Hunt niemals anf Geestland<br />

angewendet. Was die Urkunden betrifft l^ergl. Aum. 210), so<br />

will ich diejenigen, welche Hannover nnd Bremen angehen, einer<br />

kurzeu Musterung nuterziehen, uni meiue Behauptung zn erweisen:<br />

u.) Die Urkunden betreffend das Kloster Lilienthal — welche Dr. Wig-


Das Hundekorn. 441<br />

Hunt wahrscheinlich nur in den Marschen vor. — So sicher<br />

ger in Abschn. II seines Gutachtens angezogen hat uud welche in dem<br />

Bremischen Urknndcubuche von Ehmck uud v. Bippeu Vd. 1 S. 313,<br />

562 veröffentlicht sind — enthalten folgende Worte: die Urkunde von<br />

1257: ,,iu Hoi'8t trin Imin", die Urkunde von 1299: ^UÄtuor nuut<br />

iu Horst" nnd ,,ti'08 ül5ix»8 in I^e8inuil6erd!'o^e (Lesumerbruch) et<br />

vigiliti 8ex Iiunt iu 1>UI^/- Duug, jetzt Dnnge o<strong>der</strong> Düuge, ist eiu<br />

Dorf im Bremischen Verdcrlaude, marschartigem Tieflaude rechts <strong>der</strong><br />

Weser. Horst ist wahrscheinlich das heutige Wasserhorst, im<br />

Bremischen Blocklande, eingedeichtem Tieflande, d) Die Urkunde von<br />

1259 — angezogen im „Versuch eines Vremisch-nie<strong>der</strong>sächs. Wörterb."<br />

Bd. 2 S. 670 nnd mitgetheilt bei Vogt, Nonumeuta weäiw I^m. II.<br />

S. 218 — ebensalls das Kloster Lilieuthal betreffend: ^.uovein wmt<br />

iu DuF." Das ist wahrscheinlich das zn l^. bereits erwähnte Dnng, dessen<br />

Namen hier verschrieben o<strong>der</strong> vou Vogt unrichtig gelesen sein wird,<br />

c) Die Urkunde von 129l', — welche Dr. Nigger a. a. O. anzieht, Brem.<br />

Urkuudeubuch Bd. 1 S. 543 — : „terru iutezrli iu ^1) als inöglich hinstellen, ist nach dein übrigen<br />

Inhalte <strong>der</strong> Urkunde unwahrscheinlich, d) Die Urkunde von 1307 —<br />

angezogen im „Versuch eines Vrem.-uic<strong>der</strong>sächs. Wörterb." Bd. 2<br />

S. 671 uud bei Schiller uud Lübbeu a. a. O. Vd. 2 S. 335, Vrem.<br />

Urkundenbnch Vd. 2 S. 88 — : ,,


442 Das Hnndekorn.<br />

wie für Oldenbnrg, Bremen nnd Hannover bin ich zwar für<br />

Holstein durch das Resultat <strong>der</strong> von mir angestellten Ermittelungen<br />

nicht; aber ich habe wenigstens von Holsteinern, welche<br />

das Innere des Landes gcnan kennen, erfahren, daß dort<br />

eine Ackermaßbczeichnnng Hnnt nicht gebräuchlich sei; die mir<br />

bekannt gewordenen Urkunden, welche Holstein betreffen nnd<br />

das Hnnt erwähnen, beziehen sich beide ans Marschlän<strong>der</strong>eien. ^)<br />

Wenn wir über die Grenzen Deutschlands Hinansschauen<br />

nach Holland nnd die mehrfach angenommene, auch von Dr.<br />

Wigger gebilligte Ansicht zu Grnnde legen, daß das latinisirte<br />

Wort donali das deutsche Hunt ist, so weist anch die einzige<br />

Nrknnde, in welcher uuseres Wissens jenes latinisirte Wort vorkommt,<br />

auf Holländisches, tief gelegenes nnd eingedeichtes<br />

Land hin. 2'4)<br />

2") Ganz sicher ist dies in Betreff <strong>der</strong> Urkunde von 1192 (Lappenberg,<br />

Hamburgisches Urkundenbnch Bd. 1 S. 726), welche sich anf<br />

Län<strong>der</strong>eien in <strong>der</strong> Cremper Marsch, nördlich von Glückstadt bezieht:<br />

Bürger von Crempe versprechen den Hambnrgischen Domherren Geldzins<br />

statt <strong>der</strong> bisherigen Kornrente: ),Il6^uoiniiunu8 pro 6uodu3 ^u«6i'ikuZ<br />

6t VM0 Imutli) (^o6ä6l


Das Hundekorn. 443<br />

Die sehr alte Flächcnbezeichmmg Hunt ^) ist noch heut<br />

zu Tage gebräuchlich, wenn sie auch seit <strong>der</strong> deutschen Maßund<br />

Gewichts-Ordnung amtlich nicht mehr anerkannt wird, in<br />

den Marschlän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Provinz Hannover; ^') ob auch noch<br />

in Oldenburg, Bremen und Holstein, ist mir nicht bekannt.<br />

Was ist <strong>der</strong> Größeninhalt eines Hunt? Schon<br />

eine oldenburgische Urkunde vom Jahre 1597 bezeichnet das<br />

Hnnt als den sechsten Theil eines Morgens. ^^) Damit stimmt<br />

überein Diedcrich von Stade in seiner „Erklärung <strong>der</strong> vornehmsten<br />

deutschen Wörter, <strong>der</strong>eu sich Di'. Martin Luther in<br />

Ilebersetzung <strong>der</strong> Bibel in die deutsche Sprache gebrauchet".<br />

(Bremen 1724.) Bei <strong>der</strong> Mittheilung seiner „Gedanken über<br />

die Zahlwörter" und „von Zahlen und Maßen" (wobei es ihm<br />

nicht darauf ankommt, daß die Maßbezeichnung Hunt von<br />

Luther nicht gebraucht ist) sagt er Seite 65:<br />

„Ein Hunt Landes wird im Bremischen genannt <strong>der</strong><br />

auch genannt: ,,80pwm^ug'ei':l cum sc^wm Iwuäiä." Wateringe liegt in<br />

Holland, etwa eine Meile südlich vom Haag („Mvtti ll^um ^oiuitis<br />

iu iloiluiM^"). Wie diese konäi belegen waren, sieht man deutlich<br />

daraus, daß die Kleriker nach Inhalt <strong>der</strong> von Miräus gleichfalls mit-<br />

getheilten Acceptations-Urtuude ihrerseits unter An<strong>der</strong>em versprechen:<br />

„8Ì spi'iitMctuin oonvouwm) l'uiMtn.? cum terriL<br />

diluvii 8udni6i'


444 Das hnndekorn.<br />

sechste Theil eines Morgens o<strong>der</strong> 20 Nnthcn in <strong>der</strong><br />

Länge nnd vier Rnthen in <strong>der</strong> Breite; man weiß aber<br />

nicht mehr, wie in alten Zeiten die Maße eingerichtet<br />

gewesen, wie man anch solches von den alten ^.u^oi<br />

8^x011 nicht weiß."<br />

Aus dem Bnche Die<strong>der</strong>ich's von Stade ist diese Beschreibung<br />

<strong>der</strong> Form des Hunt in den „Versuch eines bremisch-nie<strong>der</strong>sächsischen<br />

Wörterbuches", in Grimm's Wörterbnch nnd in das<br />

Mittelnie<strong>der</strong>deutsche Wörterbuch von Schiller nnd Lübben<br />

übergegangen. Sie ist anch sicher richtig; nnr ist sie nicht erschöpfend,<br />

namentlich insofern nicht, als anch Hnnt in <strong>der</strong><br />

Breite von zwei Rnthen nnd <strong>der</strong> Länge von 40 Ruthen<br />

vorkommt.<br />

Lassen wir zunächst die Beschreibung <strong>der</strong> Form eines<br />

Hunt auf sich beruhen! Was die Beschreibung <strong>der</strong> Größe<br />

als eines Sechstel-Morgens betrifft, so gewinnen wir dadurch<br />

keinen sicheren Anhalt; denn wir wissen nicht, wie groß <strong>der</strong><br />

gemeinte Morgen ist. ^) Unzweifelhaft ist <strong>der</strong> Marschmorgen<br />

gemeint; denn ealenberger Morgen waren in <strong>der</strong><br />

hannoverschen Provinz Bremen, welche erst knrz vor <strong>der</strong> Zeit,<br />

als Diedrich von Stade sein Bnch veröffentlichte, dem Kurfürstenthum<br />

Hannover einverleibt war, noch nnbekannt; zuerst<br />

im Jahre 1765 versuchte man die hannoverschen Maße in<br />

die Provinz Bremen einzuführen. ^) Die Größe des Marsch-<br />

^) Puffendorf, 0ds3. ^om. II odg. 185: ,,6<br />

erklärt das Hnnt anch für „ein Scchsteil Morgen." Aber er geht<br />

darin offenbar irre, daß er den hannoverschen (calenbergischeu) Morgen<br />

als Einheit zn Grnnde legt. Der Marfchmorgen ist ein Vielfaches<br />

des calenberger Morgens. Es sind nämlich 1 Kehdinger Morgen -^<br />

4 calenberger Morg., 1 Altlän<strong>der</strong> Morg. — 3 V^ calenberger Morg.<br />

219) Sowohl 1765 als fpäter, im Jahre 1836, wo man in Hannover<br />

Gleichheit <strong>der</strong> Maße herbeizuführen suchte, gestattete man den<br />

Gebrauch <strong>der</strong> alten, in den einzelnen Landestheilen üblichen Maße<br />

neben den gesetzlichen. Dadurch ist es zn erklären, daß in den Marschen<br />

das Hunt bis in die neuste Zeit hinein im Gebrauche<br />

geblieben ist.


Das Hundekorn. 445<br />

morgens, welche in den verschiedenen Marschen verschieden<br />

waren, vermögen wir aber wenigstens annähernd anzugeben. ^")<br />

Um die ^eit des westfälischen Friedens wnrde die von<br />

den Herzogtümern Bremen uud Verden aufzubringende Kontribution<br />

nen veranlagt. Die Marschlän<strong>der</strong>eien wurden zu<br />

diesem Zwecke vermessen und bonitirt. Aber bei <strong>der</strong> Vermessung<br />

wurde nicht gleichmäßig verfahren; zwar geschah sie überall<br />

nach Morgen, Rnthen nnd Fußen, nnd <strong>der</strong> Normal-Fuß war<br />

anscheinend überall <strong>der</strong> alte Stadt-Bremer Fuß; auch wurde<br />

überall <strong>der</strong> Morgen, 120 Rutheu lang und vier Ruthen breit<br />

gemessen. Aber während im Lande Kehdingen die Gräben<br />

(welche in den Marschen vielen Ranm in Anspruch nehmen)<br />

in die vermessene Fläche eingerechnet wurden nnd die Rnthe<br />

zn 16 Fuß angenommen war, wurden im Alten Lande die<br />

Gräben in die vermessene Fläche nicht eingerechnet, die Ruthe<br />

aber wurde zu uur 14 Fuß angenommen. ^) EZ ist mir<br />

nicht gelungen, die genaue Größe des alten Stadt-Bremer<br />

Fußes zu ermitteln. Snbstituiren wir demselben einmal den bis<br />

vor Kurzem in Preußen gesetzlichen rheinländischen Fuß, welcher<br />

wahrscheinlich nicht unbedeutend länger ist, und nehmen wir<br />

das größere Maß <strong>der</strong> Ruthe — zu 16 Fuß — an, so ergiebt<br />

die Rechnung, daß ein hiernach berechneter Marschmorgen<br />

gleich ist 3^3 Magdeburger Morgen (o<strong>der</strong> nahezu -^/e Hektar).<br />

Danach würde ein Huut als <strong>der</strong> sechste Theil eines Marschmorgens<br />

sein 5/9 magdebnrgcr Morgen.<br />

Als die am 1. Januar 1872 iu Kraft getretene deutsche<br />

Maß- uud Gewichts-Ordnung vom 17. August 1868 emanirt<br />

war, erließ gemäß Artikel 21 <strong>der</strong>selben <strong>der</strong> Obcrpräsident <strong>der</strong><br />

'"") Das Folgende ist entnommen ans: (Pratje) Altes und Neues<br />

aus den Herzogthümern Bremen nnd Verden. Stade 1769 — 1781.<br />

Vd. 2 S. 325 ff. Bd. 6 S. 321 ff.<br />

'"') Diese Abweichung für das alte Land ist interessant, weil die<br />

alte holländische Nnthe 14 Fuß enthielt, nnd die Bewohner des<br />

Alten Landes ganz überwiegend die Nachkommen <strong>der</strong> holländischen<br />

Kolonisten sind, welche dieses fruchtbare Stück Erde den Fluthen ab-<br />

gerungen haben. Man hat ihnen offenbar mit <strong>der</strong> 14füßigen Ruthe<br />

eine Concession gemacht.


446 Das Hundekorn.<br />

Provinz Hannover eine Bekanntmachung voni 30. Oktober<br />

1869. 222) Danach ist<br />

1 Hnnt im Alten Lande — 0,13378 Hektar.<br />

1 Hnnt im Lande Kehdingen und ini Amte Hagen ^<br />

0,17473 Hektar.<br />

Ob diese Umrechnung in das nene Maß genau richtig ist,<br />

mag dahin gestellt bleiben. ^) Wenn wir das größere Kehdinger<br />

Hunt nach dieser amtlichen Berechnung auf das uus<br />

geläufigere Flächenmaß von Magdeburger Morgen reducireu, so<br />

ergicbt sich, daß ein Kehdinger Hunt gleich ist ^/10 Magdeburger<br />

Morgen. Das ist <strong>der</strong> größte Inhalt einer Fläche,<br />

welche nach den verschiedenen Maßangaben mit dem<br />

Worte Hunt bezeichnet wird.<br />

Ein dem Inhalte nach noch an<strong>der</strong>es Maß scheint das<br />

Hnnt im oldenburgischen Stedingerlande zn sein. Hier enthält<br />

<strong>der</strong> Morgen 350 ^Ruthen zu 400 HÜFnß. Aber anch hier bestätigt<br />

sich die mehrerwähnte Angabc, daß das Hnnt <strong>der</strong> sechste<br />

Theil eines Morgens ist: das Hunt enthält 58^3 ^Ruthen. 2'")<br />

Ein in den Elb- nnd Weser-Marschen ^) überall gleiches<br />

Maß ist also das Hnnt nicht; aber wenngleich ans Obigem<br />

seine genaue Größe nicht zu entnehmen ist, so ist doch jeden-<br />

222) Amtsblatt für Hannover 1369 Stück 45. Der Bekannt-<br />

machung ist eine Tabelle beigefügt, „enthaltend die Verhältnißzahlen<br />

für die Umrechnung <strong>der</strong> in bestimmten Gegenden bisher gültigen be-<br />

son<strong>der</strong>en Maße in die durch die Maß-- nnd Gewichts^Ordnnng für<br />

den Norddeutschen Bund festgestellten nenen Maße nnd Gewichte."<br />

Dieser Tabelle sind die obigen Verhältnißzahlen entnommen.<br />

'"^) Man hat sich bei <strong>der</strong> Umrechnung die Sache etwas leicht<br />

gemacht, indem man den beiden verschiedenen Hnntmaßen einfach das<br />

Verhältniß von 14.zn 16 zn Grunde legte, ohne daß man beachtete,<br />

daß im Lande Kehdingen die Gräben mitgemessen sind, im Alten<br />

Lande nicht.<br />

224) Nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Bibliothekars<br />

Dr. Lübben in Oldenburg.<br />

2'25) Ueber die Größe des Hnnt in Holstein habe ich nichts<br />

erfahren; ich habe Ermittelungen speciell hierüber nicht angestellt,<br />

weil es für unsern Zweck ausreichen wird, daß die Größe des Hunt<br />

in den hannoverschen Marschen festgestellt ist.


Das Hundekorn. 445<br />

morgens, welche in den verschiedenen Marschen verschieden<br />

warm, vermögen wir aber wenigstens annähernd anzugeben. ^")<br />

Um die Zeit de5 westfälischen Friedens wurde die von<br />

den Herzogthümern Bremen und Verden auszubringende Kontribution<br />

neu veranlagt. Die Marschlän<strong>der</strong>eien wurden zu<br />

diesem Zwecke vermessen nnd bonitirt. Aber bei <strong>der</strong> Vermessung<br />

wurde nicht gleichmäßig verfahren; zwar geschah sie überall<br />

nach Morgen, Ruthen und Fußen, uud <strong>der</strong> Normal-Fuß war<br />

anscheinend überall <strong>der</strong> alte Stadt-Bremer Fuß; auch wurde<br />

überall <strong>der</strong> Morgen. 120 Ruthen lang und vier Ruthen breit<br />

gemessen. Aber während im Lande Kehdingen die Gräben<br />

^welche in den Marschen vielen Raum in Anspruch nehmen)<br />

in die vermessene Fläche eingerechnet wurden und die Rnthe<br />

zu 16 Fuß angenommen war, wurden im Alten Lande die<br />

Gräben in die vermessene Fläche nicht eingerechnet, die Ruthe<br />

aber wurde zu nur 1-1 Fuß angenommen. ^) (zZ ist mir<br />

nicht gelungen, die genaue Größe des alten Stadt-Bremer<br />

Fußes zu ermitteln. Substituiren wir demselben einmal den bis<br />

vor Kurzem in Preußen gesetzlichen rheinländischen Fnß, welcher<br />

wahrscheinlich nicht unbedeutend länger ist, und nehmen wir<br />

das größere Maß <strong>der</strong> Ruthe — zu 16 Fuß — an, so ergiebt<br />

die Rechnung, daß ein hiernach berechneter Marschmorgen<br />

gleich ist 3^3 Magdeburger Morgen (o<strong>der</strong> nahezu ^/e Hektar).<br />

Danach würde ein Hunt als <strong>der</strong> sechste Theil eines Marschmorgens<br />

sein ^ Magdeburger Morgen.<br />

Als die am 1. Januar 1872 in Kraft getretene deutsche<br />

Maß- und Gewichts-Ordnung vom 17. August 1868 emanirt<br />

war, erließ gemäß Artikel 21 <strong>der</strong>selben <strong>der</strong> Oberpräsident <strong>der</strong><br />

'^n) Das Folgende ist entnommen aus: (Pratje) Altes und Neues<br />

aus den Herzogthümern Bremen nnd Verden. Stade 1769 — 1781.<br />

Bd. 2 S. 325 fs. Bd. 6 S. ."^1 ff.<br />

'-^l) Diese Abweichung für das alte Land ist interessant, weil die<br />

alte holländische Nuthe 14 Fuß enthielt, nnd die Bewohner des<br />

Alten Landes ganz überwiegend die Nachkommen <strong>der</strong> holländischen<br />

Kolonisten sind, welche dieses fruchtbare Stück Erde den Fluthen ab-<br />

gerungen haben. Man hat ihnen offenbar mit <strong>der</strong> 14füßigen Nuthe<br />

eine Concession gemach!


446 Das tzundekorn,<br />

Provinz Hannover eine Bekanntmachung vom 30. Oktober<br />

1869. 222) Danach ist<br />

1 Hnnt im Alten Lande — 0,18Z78 Hektar.<br />

1 Hnnt im Lande Kehdingen nnd im Amte Hagen —<br />

0,17473 Hektar.<br />

Ob diese Ilmrechnnng in das nene Maß genau richtig ist,<br />

mag dahin gestellt bleiben. ^) Wenn wir das größere Kehdinger<br />

Hnnt nach dieser amtlichen Berechnung auf das uns<br />

geläufigere Flächenmaß von Magdeburger Morgen reduciren, so<br />

ergicbt sich, daß ein Kehdinger Hnnt gleich ist ^/io Magdeburger<br />

Morgen. Das ist <strong>der</strong> größte Inhalt einer Fläche,<br />

welche nach den verschiedenen Maßangaben mit dem<br />

Worte Hunt bezeichnet wird.<br />

Ein dem Inhalte nach noch an<strong>der</strong>es Maß scheint das<br />

Hnnt ini oldenbnrgischen Stedingerlande zn sein. Hier enthält<br />

<strong>der</strong> Morgen 350 ^URuthen zu 400 lüFuß. Aber auch hier bestätigt<br />

sich die mehrerwähnte Angabe, daß das Hnnt <strong>der</strong> sechste<br />

Theil eines Morgens ist; das Hnnt enthält 58 >/3 ^Ruthen. 224)<br />

Ein in den Elb- nnd Weser-Marschen '^) überall gleiches<br />

Maß ist also das Hnnt nicht; aber wenngleich aus Obigem<br />

seine genaue Größe nicht zu entnehmen ist, so ist doch jeden-<br />

222) Amtsblatt für Hannover 1869 Stück 45). Der Bekanntmachung<br />

ist eine Tabelle beigefügt, „enthaltend die Verhältnißzahlen<br />

fiir die Umrechnung <strong>der</strong> in bestimmten Gegenden bisher gültigen beson<strong>der</strong>en<br />

Maße in die dnrch die Maß- nnd Gewichts'Ordnnng für<br />

den Norddeutschen Vnnd festgestellten uenen Maße nnd Gewichte."<br />

Dieser Tabelle sind die obigen Verhältnißzahlen entnommen.<br />

2'"3) Man hat sich bei <strong>der</strong> Umrechnung die Sache etwas leicht<br />

gemacht, indem man den beiden verschiedenen Huntinaßen einfach das<br />

Verhältniß von 14. zn 16 zn Grnnde legte, ohne daß man beachtete,<br />

daß im Lande Kehdingen die Gräben mitgemessen sind, im Alten<br />

Lande nicht.<br />

224) Nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Bibliothekars<br />

Oi-. Lübben in Oldenburg.<br />

225) Ueber die Größe des Hnnt in Holstein habe ich nichts<br />

erfahren; ich habe Ermittelungen speciell hierüber nicht angestellt,<br />

weil es für unsern Zweck ausreichen wird, daß die Größe des Hunt<br />

in den hannoverschen Marschen festgestellt ist.


Das Hundekorn. 447<br />

falls so viel daraus zn ersehen, daß das Hunt immer eine verhältnißmäßig<br />

kleine Fläche bezeichnet.<br />

Woher ist <strong>der</strong> Name des Ackermaßes Hunt abzuleiten?<br />

Schon Diedcrich von Stade weiß auf diese Frage<br />

keine Antwort. Er tröstet sich damit, daß auch <strong>der</strong> Name des<br />

angelsächsischen I2nnäi'0ä nicht aufgeklärt sei. Einen Zusammenhang<br />

zwischen den Hun<strong>der</strong>tschaften (englisch Imnäi-Oää) und<br />

dem kleinen Ackermaße Hnnt vermag ich nicht aufzufinden. ^)<br />

Wir begegnen aber vielfach <strong>der</strong> Behauptung, daß auch in <strong>der</strong><br />

Ackermaß-Bezeichnung Hunt das Zahlwort Hun<strong>der</strong>t enthalten<br />

sei. Vorab muß zwar zugegeben werden, daß Ornici eine alte<br />

Form des Zahlwortes Hun<strong>der</strong>t ist; aber es ist zu bezweifeln,<br />

daß diese alte Forni sich da findet, wo das Ackermaß Hunt<br />

gebräuchlich war. We<strong>der</strong> findet sie sich im Altfriesifchen noch<br />

im Nie<strong>der</strong>deutschen. ^') Schon dadurch schwindet die Wahrscheinlichkeit,<br />

daß in <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>deutschen Ackermaß-Bezeichnung<br />

das Zahlwort enthalten ist. Wenn die erstere in Grimm's<br />

Wörterbuch a. a. O. durch die Ausstellung erklärt werden soll:<br />

„dem Maße liegt die Einthcilnng eines Landstriches in hun<strong>der</strong>t<br />

Theile zu Grunde", so ist doch <strong>der</strong> Lexikograph jeden Beweis<br />

für feine Behauptung schuldig geblieben; ich kann mir nicht<br />

denken, was das für eine Hun<strong>der</strong>ttheilung fein sollte. Dafür<br />

daß das Hunt <strong>der</strong> hun<strong>der</strong>tste Theil einer großen Fläche fein<br />

follte, liegt nichts vor; am wenigsten wird man es nach <strong>der</strong><br />

Konfiguration <strong>der</strong> Marschen unterstellen können, wenn meine<br />

Annahme richtig ist, daß das Hunt nur in den Marschlän<strong>der</strong>n<br />

226) Die deutschen Hun<strong>der</strong>tschaften und die angelsächsischen iiuu-<br />

ärsäs sind, so viele Zweifel über ihre Entstehung nnd ihre ursprüng-<br />

liche Verfassung auch obwalten mögen, jedenfalls zunächst poli-<br />

tische Verbände, welche auf bestimmte Bezirke, vielleicht auf hun<strong>der</strong>t<br />

Bauerhufeu (Iü^:w, ni6o8) beschränkt waren. Was sollte ein solcher<br />

Verband o<strong>der</strong> <strong>der</strong> geographisch abgeschlossene Kreis desselben zu <strong>der</strong><br />

winzigen Ackerfläche Hnnt für eine Beziehung haben? Ist in <strong>der</strong><br />

Ackermaßbezeichnnng Hunt wirklich das Zahlwort Hun<strong>der</strong>t enthalten,<br />

so ist dieser zufällige Umstand gewiß ohne alle Beziehung zu dem<br />

Namen jener Verbände und Bezirke.<br />

22?) Vcrgl. oben Nnm. 1l)0.


448 Das Hundekorn.<br />

vorkommt. Dagegen kann für die Aufstellung, daß das Hunt<br />

in sich hun<strong>der</strong>t kleinere Theile enthalte, eine Stelle aus einein<br />

Register des 15. Iahrhnn<strong>der</strong>ts angeführt werden, welches verschiedene,<br />

am Nie<strong>der</strong>rhein geltende Maßbestimmungcn angiebt. "6)<br />

Die Stelle lautet:<br />

ecn hollan^c MorFcn hclt scß ^Hocdr; ecn<br />

^Hocdr hclr hon<strong>der</strong>r )>odcn; ccn hollanrzc<br />

Rodc helr vcrthicn Nocdt".<br />

Schiller und Lübben a. a. O. bemerken dazu, daß Hoedt nnr<br />

eine an<strong>der</strong>e Form des Wortes Hnnt sei; ich muß das dahin<br />

gestellt sein lassen. ^) Die Angabe, daß <strong>der</strong> Morgen sechs<br />

Hoedt enthalte, scheint allerdings ans das Hunt, welches auch<br />

das Sechstel eines Morgens ist, hinzuführen; aber die Stelle<br />

bleibt doch unklar. Denn indem sie fortfährt: ein Hoedt enthalte<br />

hun<strong>der</strong>t Ruthen und eine Ruthe 14 Fuß, reihet sie an<br />

die Flächenmaße Morgen nnd Hoedt (vorausgesetzt, daß dieses<br />

Wort gleichbedeutend ist mit Hunt) Bezeichnungen an, welche<br />

nnr Längenmaße sind: Rnthen nnd Fuße. Geviertruthen und<br />

Geviertfuße warm im 15. Jahrhun<strong>der</strong>t, ans welchem das<br />

Register herrühren soll, noch nicht gebräuchlich; die Messungen<br />

nach Quadratmaßen sind eine Erfindung viel späterer Zeit.<br />

Wenn aber die Rnthe (Gerte, Ì6rd) nnd <strong>der</strong> Fuß in <strong>der</strong><br />

Stelle Längenmaße bezeichnen, so ist nicht zn verstehen, wie<br />

ein Hoedt (Flächenmaß) hun<strong>der</strong>t Ruthen (Längenmaß) enthalten<br />

kann. 22") Zwar mnß dabei noch in Betracht gezogen werden,<br />

228) Mitgetheilt in Lacomblet's Archiv sür die Geschichte des<br />

Nie<strong>der</strong>rheins Bd. 1 S. 207 f. Die Stelle auch bei Schiller nnd<br />

Lübben a. a. O. Vd. 2 S. 335 — wo aber statt: vo6ou zn lesen<br />

ist: i'oäLu.<br />

2N) Die bei Schiller und Lübben a. a. O. angeführte Analogie:<br />

Ltot — Lwut (gemeint sind die beiden Präterita des Verbnm Lt^u)<br />

ist mir bedenklich. Vergl. unten Anm. 235 über die Formen Imn6t — Quu6t.<br />

220) Dabei mnß ich gestehen, daß mir ans gleichem Grunde eine<br />

an<strong>der</strong>e Urknnde nicht verständlich ist (Zeitschrift des bergischen Ge»<br />

schichts-Vereins 1873 S. 222): „Voi-tmo iwi-ot in clon uoÜ' 2 6/u


Das Hundekorn. 449<br />

daß bei alten FlächenbeZeichmmgen nicht felten nur die Länge<br />

<strong>der</strong> Fläche angegeben und die Breite als bekannt vorausgefetzt<br />

o<strong>der</strong> vielleicht als uubcdeuteud variirend für uicht wefentüch<br />

erachtet wird. Aber wenn man danach den Morgen ohne<br />

Weiteres zu eiuer bestimmten Breite, etwa zu vier Ruthen,<br />

anzunehmen hat, fo daß alfo die ausgedrückten Ruthen nur<br />

die Länge bezeichneten, fo würde ein Morgen zu fechs Hoedt<br />

600 Ruthen lang fein nnd daraus sich ein Morgenmaß von<br />

fönst uuerhörter Größe ergeben. Lei<strong>der</strong> find wir außer<br />

Stande, den Werth <strong>der</strong> von Lacomblet ohne alle Angaben über<br />

ihre Schrift, ihre Unterfchrift, den Fundort u. f. lo. veröffentlichten<br />

Urkunde zu beurtheilen; aber ich kann mich eines uugünstigcn<br />

Eindruckes, welchen ihr Gesammtinhalt macht, nicht<br />

erwehren: sie fcheint mir flüchtige Notizen zn enthalten, welche<br />

ein Mönch o<strong>der</strong> irgend ein an<strong>der</strong>er Schreiber hingeworfen hat.<br />

Deshalb kann ich <strong>der</strong> Urkunde ein erhebliches Gewicht für die<br />

Beantwortung unferer Frage uicht beimessen. ^)<br />

Größere Bedeutung für die Ansicht, daß in <strong>der</strong> Ackermaßbezeichuuug<br />

Hunt das Zahlwort Hun<strong>der</strong>t enthalten sei, würde<br />

den Urkunden beizulegen fein, welche das Wort Huu<strong>der</strong>t direkt<br />

als Ackermaßbezeichnung enthalten, wenn feststände, daß<br />

diese Maßbezeich nuug identifch ist mit dein Hunt<br />

<strong>der</strong> Marfchen. Solche Urkunden sind bei Schiller und<br />

Lübben a. a. O. bei dein Worte Huu<strong>der</strong>t zwei angeführt, beide<br />

aus Oldenburg und beide aus dem Jahre 1543:<br />

H. ^v^ffrich hun<strong>der</strong>t landcs oftc trrynnch und<br />

csraszc landcs".<br />

d. „dre hun<strong>der</strong>t landes".<br />

n>) Wöste, welcher in <strong>der</strong> Zeitichrist des bergischen Geschichts-<br />

Vereins 1873 S. 132 ff. verschiedene Ackcrmaße besprochen hat,<br />

ideutificirt liooät mit dem nie<strong>der</strong>sächsischen Iiüt und erklärt dies als<br />

Haut, welches Wort zunächst die Einzäunung, das Umgebende, Ein-<br />

schließende, Behütende und danu als Ackermaß das Eingezäunte<br />

bezeichne, in dieser Bedeutuug aber dem englischen Iii^« verwandt sei.<br />

Ob dies richtig ist, lasse ich dahin gestellt- verfehlt aber ist es jedenfalls,<br />

wenn Wöste serner die Ansicht ausspricht, daß das in den Eibgegendeu


450 Das Hundekorn.<br />

Aber diese Urkunden betreffen nicht die Marschen. Einer<br />

brieflichen Mittheilung des Herrn Bibliothekars Or. Lübben<br />

entnehme ich Folgendes:<br />

„Daß Ilniidoi't ein Ackermaß ist — 100 Nnthen, ergiebt<br />

sich anch aus eincni an<strong>der</strong>en Oldenbnrgischen Maße, das<br />

aber nur im Je<strong>der</strong> lande üblich ist. In diesem<br />

Ländchen wurde nämlich nach Matten, Grasen und Hun-<br />

<strong>der</strong>ten gerechnet: 1 Matt — 1^2 Gras — 3 tznn<strong>der</strong>t —<br />

300 lüRnthen ^ 58,800 lüFnß. Die Matten waren übri-<br />

gens verschieden, je nachdem die Län<strong>der</strong>eien Grodelände-<br />

reien o<strong>der</strong> Binnenlän<strong>der</strong>eien waren"<br />

„Ein Hnnt 222) wird im Ganzen und Großen immer 7<br />

Ruthen betragen haben. Die Breite (droäo) eines Ackers<br />

kam weniger in Betracht; wenigstens habe ich nie bei<br />

den so häufig vorkommenden Breden ein bestimmtes<br />

Maß angegeben gefunden".<br />

Das Hun<strong>der</strong>t im Ieverlande erklärt sich hiernach von selbst<br />

als 100 ^Ruthen. ^) Das „Hnn<strong>der</strong>t" des Ieverlandes ist<br />

eine Maßbezcichnung in einem an<strong>der</strong>en System, als das System,<br />

in welchem das Hunt vorkommt (ein Sechstel Morgen), und<br />

ich bezweifle, daß man folgern darf: da in einem Lande eine<br />

Ackermaßbezeichnung Hnn<strong>der</strong>t vorkommt, so sei die in einem<br />

an<strong>der</strong>n Lande gebräuchliche Ackermaßbezcichuung Hunt gleich-<br />

bedentend mit Hun<strong>der</strong>t.<br />

Ich neige mich <strong>der</strong> Ansicht zu, daß die Bezeichnung des<br />

Ackermaßes Hnnt mit dem Zahlworte Hun<strong>der</strong>t überhaupt nicht<br />

zusammenhängt. Darin bestärkt mich <strong>der</strong> Umstand daß,<br />

wie wir gesehen haben, die Ackermaßbczeichnung eine sehr<br />

als eine Ackermaß-Bezeichnung gebrauchte Wort liunt ans jenem nüd<br />

ver<strong>der</strong>bt sei. Vergl. unten Anm. 235.<br />

^) Di-. Lübben schreibt hier „Hnnt", obgleich er nicht sagt,<br />

daß dieses Wort (o<strong>der</strong> diese Form des Wortes) im Ieverlande vorkomme;<br />

er vertheidigt nämlich die Ansicht, daß die Ackcrmaßbezeichnnng<br />

Hnnt in den Elb- und Wesermarschen identisch sei mit <strong>der</strong> alten<br />

Form des Zahlwortes für Hun<strong>der</strong>t.<br />

2N) Ob die Erklärung schon für 1543 paßt, ist mir freilich recht<br />

bedenklich.


Das tzundekorn- 451<br />

alte, schon im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t vorkommende ist. Zwar haben<br />

die Zahlwörter auch bei unseren Altvor<strong>der</strong>en ans die Bezeichnung<br />

gewisser Verbände, gewisser Abgaben und <strong>der</strong>gleichen ihre<br />

Verwendung gefunden; die Hun<strong>der</strong>tschaften nnd die Zehnten<br />

find nahe liegende Beispiele. Aber die Verwendung <strong>der</strong> Zahlwörter<br />

zur Bezeichnung <strong>der</strong> Längen- und Flächen-Maße ist<br />

neueren, fast mo<strong>der</strong>nen Ursprungs. Sehen wir von dem zweifelhaften<br />

Hunt ab und durchmustern wir die von den Deutschen<br />

im Mittelalter gebrauchte!: Längen- und Flächenbezeichnnngen,<br />

so finden wir fast nur Naturmaße, bildliche Ausdrücke,<br />

welche nicht immer fehr genan die Größe bezeichnet haben<br />

mögen, aber den einfacheren Verhältnissen und zugleich den<br />

geistigen, die Phantasie anregenden Bedürfnissen unserer Vorfahren<br />

genügten; letztere verlangten für eine Maßbezeichnung<br />

mehr die Hinweisung auf eine konkrete, veranschaulichende Gestalt,<br />

als einen abstrakten Zahlenbegriff. Daher: <strong>der</strong> Fuß, die<br />

Ruthe (Gerte, M'äe, )^i-ä, vii'^a, p68tioH), <strong>der</strong> Morgen, das<br />

Tagewerk, die Wende, die Scheffelaussaat, das Joch. Würden<br />

die m südlicheren Gegenden gebräuchlichen und die in ihrer<br />

figürlichen Bedeutung uns nicht mehr ebenso leicht verständlichen<br />

Längen- o<strong>der</strong> Flächenmaßbezeichnungen älterer Zeiten<br />

herangezogen, so würden sich die obigen Beispiele leicht auf<br />

das Zehn- und Zwanzigfache vermehren lassen; schwerlich wird<br />

sich aber aus alter Zeit eine Maßbezcichnung anführen lassen,<br />

welche mit Sicherheit von einem Zahlworte abzuleiten ist. ^4)<br />

^) Vielleicht wird das im Ieverlande vorkommende „Hun<strong>der</strong>t"<br />

ausgenommen werden müsseu. Seine urkundliche Beglaubigung be-<br />

zweifele ich nicht; aber ich nehme Anstand, die mo<strong>der</strong>ne Neduzirung<br />

auf ^Nutheu dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t zuzuschreiben o<strong>der</strong> als schon da-<br />

mals bekannt anzunehmen. — Das Wort Hufe als Aäermaßbczeich-<br />

uuug ist allerdings kein bildlicher Ausdruck; wahrscheinlich bedeutet<br />

es zunächst ein geschlossenes Bcsitzthum (Vauerhufe, Nittcrhuse) uud<br />

ist erst später Maßbezeichnung geworden. Vcrgl. Grimm, Wörter-<br />

buch Vd. 4 Abth. 3 Spalte 1867. Daß einmal (o<strong>der</strong> vielleicht einige<br />

Male) eine alte Maßbezeichnung vorkommt, welche nicht eine bildliche,<br />

son<strong>der</strong>n aus Vesitzbezeichuuugen übertragen ist, wird meiner Ansicht<br />

nicht entgegengehalten werden können.


452 Das .Hundekorn.<br />

Meine Vermnthnng geht dahin, daß das Hnnt <strong>der</strong> Marschen<br />

ein Naturmaß, eine bildliche Bezeichnung ist. Was danach<br />

das Wort bedeutet, ist schwer zu sagen. Aber auf die Gefahr<br />

hin, von Knndigeren mit <strong>der</strong>selben Zurückgewiesen zn werden,<br />

will ich eine Konjektnr aufstellen, welche allerdings mir diejenigen<br />

ganz verstehen werden, welche die Konfiguration <strong>der</strong><br />

Marschlän<strong>der</strong> kennen.<br />

Die Aecker in den Marschen — namentlich in den Elbmarschen<br />

— haben sals Morgen) in <strong>der</strong> Regel eine Breite<br />

von vier Ruthen, seltener


Das .Hundekorn. 453<br />

in den Marschen Huut nennt. Man denke sich die Figur eines<br />

solchen Ackerstückcs! — Hat das Wort Hunt eine Bedeutung,<br />

welches auf eine solche Figur angewendet werden kann?<br />

„Hvasa ma slaich icfcha ncrpch mich cha Hund,<br />

sa brcckt hi siftcnc scillmFar."<br />

So bestimmen die Emsinger Nußtaxen — §. 41 —235)<br />

Das heißt in wörtlicher Übersetzung:<br />

Welcher Mann schlägt o<strong>der</strong> wirft mit dem Knittel, so<br />

verbricht er fünfzehn Schillinge.<br />

Der korrcspondirende mittelnie<strong>der</strong>deutsche Text <strong>der</strong>sclbcu<br />

Vorschrift lautet:<br />

„die slacshcn -wert ofrc ^orpcn m^t cencn Hunt,<br />

dc breck XV scillingc."<br />

235) v. Richthofcn, Friesische Rcchtsquellen S. 243. Die Uebersetzung<br />

nach v. Nichthofen's Altfriesischem Wörterbuch. In dem<br />

letzteren ist 1iun6 als Knittel erklärt und es siud dafür mehrere<br />

Autoritäten angeführt. Eiu Stein kauu nicht darunter zu verstehen<br />

sein, jedenfalls nicht in <strong>der</strong> alten nie<strong>der</strong>deutschen Uebersetzung, welche<br />

die an obige Worte unmittelbar sich anschließende friesische Stelle:<br />

^Viyalcc thrimme furlhere" überträgt: ^m^t eonen stenen een<br />

<strong>der</strong>do dcol mer." Außerdem spricht für die gedachte Bedeutung des<br />

Wortes <strong>der</strong> Umstand, daß in an<strong>der</strong>en altfriesischen Vußtareu ganz<br />

ähnliche Strafen „pro iotu duculi", „LwtLloo", „LwiLiesclv" au-<br />

gedroht siud. sv. Nichthoseu, Fries. Nechtsquelleu S. 92 liu. 27 S. 93<br />

Iw. 27 uud 3iote 13.) Der alte nie<strong>der</strong>deutsche Text, wie er oben<br />

mitgetheilt wird, ist bei v. Nichthofcu neben dem friesischen als tz. 36<br />

des ersteren abgedruckt. Iu dem Wörterb. tbeilt v. R. anf S. 830<br />

mit, daß in einer Handschrift des mittelnie<strong>der</strong>deutschen Tertes <strong>der</strong><br />

Eiusinger Bußtarcn an unserer Stelle deutlich nicht Iiuut, son<strong>der</strong>n<br />

Innit geschrieben stehe: „Die bestimmten Züge <strong>der</strong> Schrift gestatten iu<br />

keiuer Weise dafür nuut zu lesen; über jedem u steht deutlich eiu<br />

Halbkreis." Diese an<strong>der</strong>e Forni desselben Wortes läßt sich daraus<br />

erklären, daß im Nie<strong>der</strong>deutschen <strong>der</strong> Ausfall des u vor einem an<strong>der</strong>n<br />

Konsonanten nicht selten ist und daß dadurch <strong>der</strong> dem ausgestoßcucu<br />

11 vorangehende Vokal gedehnt wird, so daß also aus duuä wird Iiüd<br />

o<strong>der</strong> Iluuä. Dem Abschreiber mag die letztere Form geläufiger<br />

gewesen sein (die Haudschrist stammt aus dem 15. Jahrhun<strong>der</strong>t. Vergl.<br />

v. Richthofen, Ncchtsquelleu S. X VIII). Ob das „hottantzc Hoedt"<br />

hiernach zu erklären ist svergl. oben Anm. 229), lasse ich auch hier<br />

dahin gestellt.


454 Das Hundekorn.<br />

Denken wir nun zurück an unser Ackerstück Hunt in <strong>der</strong><br />

Marsch, dessen Figur wir mit <strong>der</strong> Nebenerwägung betrachten,<br />

daß — zu schweigen von dem Längenmaße Nuthe o<strong>der</strong><br />

Gerte — noch eine an<strong>der</strong>e, schon im 14. Jahrhun<strong>der</strong>te vorkommende<br />

Bezeichnung für eiue Landfläche von eiuem Stücke<br />

Holz hergenommen ist: ein „Block Landes",^) so dürfte es<br />

unserer Phantasie, welche an Lebhaftigkeit die <strong>der</strong> alten friesischen<br />

Marschbewohner schwerlich erreicht, nicht zu viel<br />

zugemuthet sein, wenn wir iu dem 4 Ruthen breiten und<br />

20 Rutheu langen o<strong>der</strong> 2 Rutheu breiten und 40 Ruthen<br />

langen, in <strong>der</strong> Mitte mit einem <strong>der</strong> Länge nach verlaufenden<br />

Bnckel versehenen Ackerstücke den dicken Knittel wie<strong>der</strong> erkennen<br />

sollen, den die alten Friesen darin sehen mochten. ^)<br />

Sollte meine Phantasie doch lebhafter gewesen sein, als<br />

es <strong>der</strong>jenigen eines alten Naturvolkes zugetraut werden kann,<br />

so bitte ich meine geneigten Leser wegen dieser neuen Konjektur<br />

um Entschuldigung.<br />

N6) Schiller und Lübben a. a. O. Bd. 1 S. 360 unter:<br />

Vergl. auch Grimm, Wörterb. Bd. 2 Spalte 137. Im Gebiete <strong>der</strong><br />

Stadt Bremen heißt ein Landstrich: Blockland.<br />

^) Vemerkenswerth dürfte es auch sein, daß das Ackermaß Hnnt<br />

o<strong>der</strong> HoriänZ sich nnr nachweisen läßt an Orten, welche entwe<strong>der</strong><br />

ursprünglich von Friesen bewohnt waren o<strong>der</strong> nach welchen eine starke<br />

friesische (holländische) Einwan<strong>der</strong>ung stattgefnnden hat, wie nach den<br />

Elb- nnd Wesermarschen. Das dürfte meine Konjektnr, nach welcher<br />

das Wort Hunt als Ackermaßbezeichnnng ursprünglich ein altjriesisches<br />

sein müßte, unterstützen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ließe sich daraus<br />

ableiten, daß auch in dem Worte Hnndekorn die Ackermaßbezeichnung<br />

enthalten sei und daß die holländischen Einwan<strong>der</strong>er das so zu<br />

erklärende Wort Hnndekorn in das Magdebnrgische übertragen<br />

hätten. Aber die oben angegebenen Gründe machen dies unwahrscheinlich,<br />

nnd wir wissen we<strong>der</strong> etwas von einer Hnndekorn-Abgabe<br />

bei den Friesen noch von einer friesischen Einwan<strong>der</strong>ung nach Pommern<br />

nnd nach Meklenbnrg, wo das Hnndekorn viel häufiger vorkommt<br />

als im Magdebnrgischen.


Das Hundekorn. 455<br />

Nachtrag. ')<br />

In <strong>der</strong> Einleitung uud in dem Anhange habe ich mitgetheilt,<br />

daß die Annahme, Hnndekorn sei stets eine Iagdabgabe,<br />

bisher die herrschende gewesen sei; ich will aber nicht<br />

unerwähnt lassen, daß diese Ansicht schon in älterer Zeit als<br />

eine unrichtige bezeichnet ist. So z. B. referirt Stavcnhagcn<br />

in seiner „Topographischen und Chronologischen Beschreibung<br />

<strong>der</strong> Stadt Anklam, <strong>Greifswald</strong> 1773," den Inhalt<br />

eines Vergleiches, welchen die Stadt mit dem Kloster Stolp<br />

im Jahre 1348 „umme de Elven Pundt Koru-Geldeß tho<br />

Gellende" abgeschlossen hat, mit folgenden Worten (S. 180):<br />

„daß das Kloster die Hebung des Korngeldes zu Gellendin,<br />

welches man zu uuserer Zeit mit II n recht<br />

Hundekorn nennt, so lange behalte bis die Stadt<br />

ein gleiches Korngeld in des Klosters Güter angekauft<br />

und sür die Gcllendinschc Hebung vertanschct habe."<br />

Anch scheinen schon ältere Schriftsteller bei Erwähnung<br />

<strong>der</strong> Kornhebungcn für die Iagdbcrcchtigten darüber Zweifel<br />

gehabt zu haben, ob diefe Hebungen nicht vielmehr mit <strong>der</strong><br />

Gerichtshcrrlichkcit zusammenhängen. Dergleichen Andeutungen<br />

finde ich z. B. in Lsäoläi t1i083>ui'ii8 ^ractionZ 6ä. Diot-<br />

Iioi'i' ot ^ritZoli) ^0i'iuil). 1679^ 8iil) voci^. Forst,<br />

Forstliche Obrigkeit (S. 260 ff.) uud Vogthaberen (S. 972.<br />

S. 613: „In<br />

t moclii, Iagthabern, Forsthabern. Ii<br />

Hundshabcrn.") Vielleicht ergeben weitere Forschungen,<br />

daß anch die als Hu nd e Hafer bezeichnete Abgabe cille Iagdabgabe<br />

nicht ist und daß die in dieser Veziehuug vou Di'. Klem-<br />

Pin gemachten Einränmuugcn schou zu weit gehen.<br />

^) S. S. 316 Anm. 0.<br />

Di'. Kiihne.<br />

30


456 Verlassenschaftvnwentar<br />

Verlajstnschaftöinuentar<br />

<strong>der</strong> Herzogin Sophia von Pommmt, Erbin des Königs<br />

Erich von Schweden nnd Wittwe des Herzogs Erich II.<br />

von Pommern.<br />

1497.<br />

Mitgetheilt von Dr. von Vülow, Staatsarchivar.<br />

Der Ruhm, welchen <strong>der</strong> Unionskönig Erich von Dänemark,<br />

Norwegen nnd Schweden in seinem großen Reiche sich erworben<br />

hatte, war gering, nm so unermeßlichere Reichthümer<br />

aber brachte er sammt dem Haß seiner bisherigen Unterthanen<br />

im Jahre 1439 von dort in sein angestammtes hinterpommersches<br />

Herzogthnm wie<strong>der</strong> mit zurück. Kanzow berichtet über<br />

dieselben, theils ans eigner Anschauung, theils nach den Erzählungen<br />

An<strong>der</strong>er folgendes ^):<br />

Zuerst nennt er als Hauptstück ein Iesusbild, so groß<br />

als ein Knabe von fünfzehn Jahren, ans lauterem arabischem<br />

Golde, dazn die Bildsäulen <strong>der</strong> zwölf Apostel „wie Kin<strong>der</strong><br />

groß" ans gediegenem Silber, eine goldene Schanmünze,<br />

100,000 Gulden werth, die <strong>der</strong> König mit seinem Gemahl,<br />

Königin Philippa zum Brautschatz erhielt, eine goldene Gans,<br />

die auf dem Thurme des Schlosses Wordingborg als Wetterfahne<br />

gedient hatte, dazu eine Menge königliches Silbergeschirr,<br />

Credenzschüsseln, Kleinode ?c. Selbst gesehen hatte Kanzow<br />

diese Schätze nicht, wohl aber eine nicht min<strong>der</strong> kostbare Monstranz<br />

eitel von arabischem Golde und ein ganzes Einhorn,<br />

') Kosegarten, Pomerama, II. S. ')4. Kanzow schrieb seine<br />

Chronik etwa 1530 ff.


<strong>der</strong> Herzogin topina von Pommern. 4,57<br />

letzteres bekanntlich ini Mittelalter höher geschätzt, als die<br />

edelsten Metalle nnd köstlichsten Steine. Die Monstranz hatte<br />

Erich <strong>der</strong> Schloßkirche zn Nügenwalde, wohin er sich zurück-<br />

gezogen hatte, geschenkt nnd das Einhorn als Wächter davor<br />

gestellt. „Wie es nm die übrigen Schätze ist", fährt er fort,<br />

„weiß man nicht, etliche meinen, sie seien noch ganz vor-<br />

handen,, etliche meinen nein, aber die Fürsten lassen ihre Heim-<br />

lichkeit nicht gern wissen."<br />

Die Erbin dieser Reichthümer war nach des Königs in:<br />

Jahre 1459 erfolgten Tode die Tochter seines Vetters Herzogs<br />

Bogislav IX., Sophia, seit dem November 1451 mit ihrem<br />

Neffen Herzog Erich II. von Pommern-Wolgast vermählt, nnd<br />

wenn anch <strong>der</strong> Chronist an <strong>der</strong> eben angeführten Stelle die<br />

Vcrmnthnng durchblicken läßt, als fei mit dem Nachlaß nicht<br />

ganz ordnungsgemäß verfahren worden, so giebt er an andrer<br />

Stelle'^) doch zn, daß die Herzogin „gemeiniglich alle Schätze,<br />

so König Erich mit sich gebracht, noch fand und bekam."<br />

Die Herzogin Sophia war bekanntlich eine auf ihre<br />

königliche Abkunft (sie stammte mütterlicherseits vom polnischen<br />

Herrscherhause ab) stolze Frau, die den anch nicht eben sanft<br />

gearteten Gatten den Abstand <strong>der</strong> Gebnrt und des Reichthnms<br />

so sehr fühlen ließ, daß des eheliche Verhältniß darnnter schwer<br />

litt und beide getrennt von einan<strong>der</strong> lebten. Als Erich II.<br />

am 5. Juli 1474 starb, überkam die Herzogin die Fnrcht,<br />

sein Nachfolger, <strong>der</strong> kräftige Bogislav X., werde die dem Vater<br />

nnd in früher Ingend anch ihm selbst angethane Schmach<br />

nnd Vernachlässigung rächen, so daß sie eilends ihre Schätze<br />

nnd Kleinodien zusammeuraffte nud mit ihrem Hofhalt von<br />

Rügenwaldc erst nach Stolp und dann nach Danzig floh.<br />

Dort soll sie in verbotenem Umgänge mit ihrem Hofmeister<br />

Hans von Massow gelebt und iu kurzer Zeit viel von ihren<br />

reichen Schätzen verschwendet haben. Obgleich sie sich nach<br />

einigen Jahren uuter Aufgabe aller Ansprüche an das Land<br />

Pommern uud au ihr Leibgcdinge mit ihrem Sohn wie<strong>der</strong><br />

^'1 Pomcrania II. S. 105.<br />

30»


458 Verta ssenschaftsinuentar<br />

aussöhnte nnd von demselben Stadt und Amt Stolp zum<br />

Leibgedinge erhielt, so ist doch erwiesen, daß von den nnermeßlichen<br />

Schätzen des Königs Erich nur ein geringer Theil<br />

ans Herzog Vogislav vererbte ^). Was er erhielt, ist ersichtlich<br />

aus dem nach <strong>der</strong> Mntter Tode von ihrem Eigenthnm aufgenommenen<br />

Inventar, welches nuteu im Abdruck folgt.<br />

Dasselbe enthalt zwar eine Menge Kleinodien nnd mit Perlen<br />

nnd kostbaren Steinen besetzte Schmnckfachen, die Hanptstücke<br />

ans dem früheren königlichen Schatz fehlen jedoch, wie die<br />

folgende Vergleichnng zeigen wird.<br />

Die Moustranz nnd das Einhorn müssen vorab ausgeschieden<br />

werden, da König Erich dieselben für die Kirche zn<br />

Rügenwalde bestimmt hatte nnd sie zn Kanzows Zeiten noch<br />

dort gewesen waren. Einzelne Stücke werden aber von dem<br />

Einhorn vorher abgelöst worden sein, denn in Sophiens Nachlaß<br />

findet sich sowohl „ein Stück vom Einhorn, nicht groß"<br />

als auch „ein Paternoster von Einhorn".<br />

Die eigentlichen Prnnkstücke des Schatzes fehlen sämmtlich,<br />

so zunächst das Iesnsbild, ebenso <strong>der</strong> Zehntausendguldeupfennig<br />

und die goldene Gans. Heiligenbil<strong>der</strong> von edlem Metall enthält<br />

das Inventar zwar mehrere, doch darf an die zwölf<br />

Apostel des Königsschatzcs nicht gedacht werden; diese waren<br />

von Silber uud von beträchtlicher Größe, „wie Kin<strong>der</strong>", die<br />

Heiligenbil<strong>der</strong> des Nachlasses waren dagegen golden nnd werden<br />

ansdrücklich als von <strong>der</strong>jenigen geringen Größe bezeichnet,<br />

loie man sie an Rosenkränzen zn tragen pflegte. Auch stellten<br />

diese Bildchen, mit Ansnahme des Johannes, keine Apostel<br />

dar, son<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>e Heilige, S. Lanrentins, S. Kathariua<br />

nnd S. Georg. Was dagegen vorhanden ist, war ja allerdings<br />

von Werth, wie die vielen Ketteil nnd Kreuze mit Perlen ?e.,<br />

es war aber nichts, was sich nicht ini Nachlaß einer jeden<br />

') Vgl. auch die Klageschrift Bi?gislavs gegeu seine Mutter aus<br />

<strong>der</strong> Zeit vou 1480—1483, abgedruckt iu Klempiu, Dipl. Beiträge,<br />

S. 477. Au an<strong>der</strong>er Stelle äußert sich <strong>der</strong> Herzog: „llnnd schall mmv<br />

densutvenn schat wed<strong>der</strong>schickenn, denn iv^ aclnenn up lnin<strong>der</strong>r<br />

dusenr guldenn." Staatsarchiv zu Stettin: Mscr. St.-A. II. !2, Vl. 202.


<strong>der</strong> Herzogin Sophia von Pommern. 45.)<br />

Fürstin jener Zeit anch gesunden haben würde, denn selbst die<br />

,. goldene Krone nnt Peilen" branchi nichl als königliches<br />

Wiirdezeichcn erklärt zn n^erdeu, son<strong>der</strong>n kann ein weiblicher<br />

Kopfschmuck gelvefen sein Von dein silbernen Tafelgeschirr<br />

mögen einzelne Stücke noch vom König Erich herstammen,<br />

sie kommen aber nicht in Betracht im vergleich mit dem was fehlt.<br />

Mag mm anch die Herzogin, welche ihren Gemahl nm<br />

23 Jahre überlebte, nnd <strong>der</strong> seit <strong>der</strong> Anssöbnnng nnt ihrem<br />

Sohne nichts Tadelnswerthee nachgesagt werden kann, während<br />

dieser langen Zeit manches kostbare Stück verschenkt, zu frommen<br />

Zwecken verwendet o<strong>der</strong> anch verkauft baden, so ist doch nicht<br />

anzunehmen, daß dies unbemerkt babe geschehen können, ani<br />

wenigsten mit einem <strong>der</strong> im ganzen Lande bekannten Prachtstücke,<br />

an <strong>der</strong>en einige ja sogar Dänemark für seinen Staatsschatz<br />

Ansprüche machen zn können glanbte. Einige Kleinode<br />

schenkte die Herzogin a in Mittwoch nach Marine Gebnrt<br />

s12. Sept.) 1464 dem Eonvente des Predigermönchskloster?<br />

zn Stolpe, damit dafür an allen Montagen, Mittwochen nnd<br />

Freitagen Psalmen gesungen werden sollten. «Staatsarchiv zu<br />

Stettin: Orig. Stolpe, Nr. 7!5.) Ter Mangel laß! sich wohl<br />

kanm an<strong>der</strong>s erklären, al^ dasz Sophia znr Bestreitung <strong>der</strong><br />

Kosten ihres zügellosen Lebens mit Hans voli Massoni, namentlich<br />

während des Aufenthalts in Tanzig, sich <strong>der</strong> werthvollsten<br />

Stücke des Schatzes entäußerte, wozu die verwandtschaftlichen<br />

Beziehungen zu dein prunkliebenden polnischen Hos die gewünschte<br />

Gelegenheit geboten haben werden<br />

van<br />

dcmml mlllcjmio quadrmgvnrcjimo nona^<br />

scpmno llppcn mandaci) na sunrc 25arrholodacsc^)<br />

hcbbcnn 5cjsc nascrcvcncnc ^hcscbikcdc<br />

') Staatsarchiv zu Stettin'. Tucalia, ')lV. 7>,<br />

^', Äiontag nach S. ^avilioloinäus trifft im ^alnc 1 l97 aus<br />

^. August.


460 Verlassenschaftsinventar<br />

Pomernn :c. hcrteg)?lrne, in asfvoesende des hochgeborini<br />

forsten, hernn Bllgslaff ro Sterili ?c. hertoge»^,<br />

l:einelick ^affrens Stoycnnn, ^alls Stoyentin,<br />

Gurgeli Ixleest, ^enningk Glasenap, Gllrge<br />

Jochlln Czil)rvit)e, Cläres CzilZ-wiye, Gurgelt<br />

kummer ili b^'wesende her ^Hans Mafsorven rid<strong>der</strong>ò<br />

iuncfron?c 2lbelen Margarete Massoroen, Clarvcs<br />

'vorlnan, tLngelke Jordan^ Peter Ivlemtzen, des radcs<br />

to Stolpe unnd lnyns, notarien hirun<strong>der</strong> csesereven,<br />

upgeslaren unnde bosiehtiget de gudcrc, de de hochgebornn<br />

furstynne, vrou^e Sophia to Stetin^ Pamcrnn<br />

:e. hertoghynne seliger dechtnisse nalaten hadde^<br />

unnd svnt gebunden in allen fasten lnind spynden,<br />

zo hir nasere^en steyt. Item desulven gu<strong>der</strong>e hebbenn<br />

de upgnanten igesehickedeil re<strong>der</strong>e angenomen<br />

erem gnedigcn hernn unnd denvenen to gude, de<br />

dar mochten r>an erves i^egeli recht to Hebben.<br />

(Nuemet ock to botalinge <strong>der</strong> schulde, 30 deden zc<br />

protestatien dat ze de nicht ivv<strong>der</strong> annemen wolden<br />

zun<strong>der</strong> ze botalingc <strong>der</strong> schulde<br />

don unnde ere rverdunge langen lnochten.<br />

Item int erste ys geflllideli yn redense gelde<br />

trre sware nobelen, elven unghersche gülden, dre<br />

unde druchtich rinschc gülden, ullde dre Hunt gülden<br />

Postulat.<br />

Item e)m stucke vamme enhorne, nicht groth.<br />

Itein sovell unde drllttich ghulden al^ sulver<br />

gelde, minus soß ß.<br />

Iren: ene gülden natele.<br />

Item dre unde tn>intich güldene rynghe.<br />

Itein enen güldenen lepel.<br />

Item c^n paternoster vanll enhornn unlld parlen.<br />

Itcn: e^n gülden cruce luvt elrer keden, dar<br />

stan ^er sophire ynne.


<strong>der</strong> Herzogin Sophia von Pommern,<br />

Item noch eyn cruce


^6^ Verta ssenschaftv in ucntar<br />

Itcnl cyn klrorret bekcr vorcshllldcr lllldc cyn<br />

klcn vorcsuldcr bckcr.<br />

Ilc»?^ cyli klcyn bckcrkcu, dar ys yunc borvrachr<br />

cync »ncrsnycscsc^ lnldc c^n slllvcrcli kanuckcn inidt<br />

bildckcn.<br />

Itcin rvoc sulncrnc klcl^c koppc^ dc inc to hopc<br />

stcckr.<br />

Itcm c)'n klcn kcnnckcn is vorcslll<strong>der</strong>crc


<strong>der</strong> Herzogin Sopliia ^on Ponunern, 463<br />

Item cvn brilli lnanrcl nni>c c^li srvartcli<br />

llcli rock unt>c clicn arra<br />

m l>cr rodcli kvjlc clicli rock valili o<br />

stllckc lllil>c clicn rock vali cncm<br />

cyli rock van clicin blav^cli undc csclcli<br />

guldcn stllckc.<br />

Itcln cvn rock vali blan?cln ^ainlnil^ mit hermc-<br />

Icli fodcrt.<br />

Irclli cvn blav»? dalnaskcn rock mvt laßkcnn<br />

fot>crr.<br />

crllkc mouvocli van cmldcn stucken.<br />

tvr>c dcckcn<br />

lioch rvoc kistcn, in l>cr clicn synr roprc,<br />

in dcr a»idcrcli synr lakcnli li»idc halirdivclcnclic pustc<br />

cyli olr sidcli kujfcn.<br />

IlclN nccscli rol>c f>ll>Ic midc vccr rot>c<br />

vali Icddcr.<br />

Irclli drc luidc vcrrict) rvnncnc vatc luttick lllil>c<br />

grolc I linsjunics hanrvat, XV Frapcli<br />

llnl>c I schorrcll^ra^cli.<br />

Ircm XXXIII rvinicnc srosc, llirrick nndc cs<br />

IrelN Uli i^rolc kcrkcnc, XII! klclic bcrkcnc<br />

III


464 Verlassenschaftsmventar<br />

Item VII misschinFessche luchterc, VI klene<br />

tynnene vlafschenli.<br />

Iren: ene csrore blcckvlafsche^ ene holtene spuntvlafsche<br />

unde II par dischmcfse.<br />

Item cne tynnene vlafsche lnyt eneme vo<strong>der</strong>e.<br />

Item vlff beddealß lin-want unde II stucke Hollandes liniwant)<br />

nicht vele, II stucke czeter^^ blaw unde roth.<br />

Item I stucke -roestvels.<br />

Item in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en kisten synt XIIII par lakene.<br />

Item III badekappeN) XV hemmeden, viff kufsenburen^<br />

I stllcke litrvoant unde ene beddcsbure.<br />

To<br />

In dcme have to Groten Bruscoro synt ane<br />

vertich lutke unde Frote.<br />

Zeter, ein Zeug.<br />

Brüskow im Amte Stolp.


<strong>der</strong> Herzogin Sophia von Pommern. 465<br />

Ircm XXXV hovcde cfroth rvnrvcc.<br />

XI kalvcre.<br />

up dclnc kornebovcli is II dromer<br />

Ircm XII güße.<br />

Item m cr schune zynr I^XXVII<br />

rocscscncr csarvcn.<br />

by XI. schapcn.<br />

Ira cst quo silpra Simili Brrni norarills scripstt<br />

manu propria.<br />

Eine tartansche Gesandtschaft.<br />

1681.<br />

Im Sommer des Jahres 1681 traf eine tartarische Gesandtschaft<br />

ans ihrem Wege nach Stockholm zu dem Könige<br />

Karl XI. von Schweden in Stettin ein, nm von dort ans<br />

die Reise zn Wasser fortzusetzen. An <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong>selben<br />

stand Schach Kazy Aga, welcher ein Gefolge von 20 Personen<br />

mit 40 Pferden hatte, von denen zwei als Geschenk für<br />

den König von Schweden bestimmt waren. Ueber den Zweck<br />

<strong>der</strong> Sendung geben hiesige Acten ^) keine Auskunft.<br />

Die Reise geschah ans königliche Kosten, und da grade<br />

kein Schiff in Stettin nach Stockholm bereit lag, so wurde<br />

mit dein stettiner Bürger und Schiffer Hans Hartke untet<br />

dem 30. August 1681 eigens aecordirt, daß er seine Bojarte<br />

von etwa 20 Last fertig machen, Ballast einnehmen, und die<br />

Gesandtschaft mit dem nächsten favorablen Winde im Namen<br />

>4) viom ^ 100 - 120 Garben o<strong>der</strong> Hausen.<br />

') Staatsarchiv zu Stettin: Schwed. Arch. Tit. 77 Nr< 1.


466 Eine tartarische Gesandtschaft.<br />

Gottes nach Stockholm fortschaffen solle. Da er keine weitere<br />

Fracht laden durfte, so wnrden ihm für die Fahrt 150 Thaler,<br />

in zwei Raten zahlbar, zngefagt. Die Pferde, mit Ansnahme<br />

<strong>der</strong> zwei für den König von Schweden bestimmten, blieben<br />

mit ' fünf bis sechs Personen, die dieselben zn warten hatten,<br />

znnächst in Stettin zurück nnd wnrden anf die Stadtwiesen<br />

zur Weide gelassen; doch war das Gras daselbst zu naß,<br />

die tartarischen Stallknechte führten Beschwerde, und <strong>der</strong> Rath<br />

von Stettin sah sich nach an<strong>der</strong>er Gelegenheit nm. Anf Anfragen<br />

berichtete denn auch schon unter dein 21. September<br />

<strong>der</strong> Proviantmeister Stolting aus Damm, daß auf dem dortigen<br />

Stadtfelde soviel Wiesewachs vorhanden, daß die gedachten<br />

Pferde daselbst noch eine Zeitlang weiden könnten, auch seieu die<br />

Heuwiesen sowohl am podejuchschen Wege als nach dem Knüppeldamm<br />

zn anf festem Grunde gelegen nnd mit Nachmaht wohl<br />

bewachsen. Nicht min<strong>der</strong> werde für die dazu gehörigen Leute<br />

sich Unterkommen finden. Die Umquartierung <strong>der</strong> Pferde uud<br />

Mannfchaft nach Damm geschah in Folge dessen <strong>der</strong> Art, daß<br />

die bisher bei dem Vürgervorfprach Samuel Wulff liegenden<br />

Soldaten an<strong>der</strong>swo untergebracht wurden, uud er dafür die<br />

Tartaren erhielt.<br />

Die fremden Gäste gaben ihrem nenen Wirth viel Urfach<br />

zur Klage und wenn auch, wie dies bekanntlich in solchen<br />

Fällen immer geschieht, seine an die königliche Regierung in<br />

Stettin gerichteten Befchwerdcfchreiben, in denen er fich als<br />

das unschuldige Opfer von Intrigueu darstellt, vou Uebertreibung<br />

nicht frei sein werden, fo mag doch immerhin etwas<br />

Wahres daran sein, und jedenfalls haben wir keine Urfach das<br />

anzuzweifeln, was er von <strong>der</strong> Lebensart und dem Gebahren<br />

<strong>der</strong> Tartaren sagt.<br />

Der Rath von Damm hatte übrigens in Voraussicht<br />

dessen, was kommen würde, nicht nur die füuf tartarischeu<br />

Stallknechte in ein gemeinsames Quartier gelegt, denn er wollte<br />

lieber eine Beschwerde wegen füuf, als fünf Beschwerden<br />

wegen je eines nnliebsamen Einlegers haben, son<strong>der</strong>n er hatte<br />

anch feinerfeits bei <strong>der</strong> königlichen Regierung vorgearbeitet und


Eine tartarische Gesandtschaft. 467<br />

<strong>der</strong>selben dargestellt, daß eine Aen<strong>der</strong>nng nicht möglich sei und<br />

<strong>der</strong> Wirth ja anch dadurch eine Erleichterung genösse, daß er<br />

von <strong>der</strong> gewöhnlichen Einquartierung befreit wäre. Wulff<br />

seinerseits beschwerte sich, die Tartaren hätten in seiner Abwesenheit<br />

von einem Stall, worin er sein bischen Vieh stehen<br />

habe, das Schloß abgehaucu, denselben mit Gewalt nnd in <strong>der</strong><br />

Absicht geöffnet, sein Vieh hinauszutreibeu und statt dessen<br />

ihre Pferde einzustellen, ja schließlich hätten sie dieselben ans<br />

seinem Hansflnr uutergebracht. Auch gegen ihn felbst und<br />

seme schwache und kränkliche Frau hätten sie sich gewandt, sie<br />

aus ihrer Wohnstube vertrieben uud sich allerhand an<strong>der</strong>e Gewaltthätigkeiten<br />

erlaubt, „auch bey ihrem mehr denn viehischen<br />

Leben und Gesöffe des Nachts folch Feur" augemacht, „daß<br />

ich uud die meinigcn so wenig alßdan als des Tages einige<br />

Ruhe vor ihnen haben können uud alle Augenblick ein gemeines<br />

Unglück befahren müssen. Wenn dan solch Ungemach<br />

weiter zu dulden nur nicht muglich, mich auch zur Desperation<br />

nnd dahin bringen wird, daß ich etwas anfangen möchte,<br />

darauß nichts gutes erfolgen dürffte, alß bitte ?c."<br />

Wulffs Bitte ging zunächst dahin, daß nicht mehr Pferde<br />

bei ihm eingelegt würden, als er ohne Schaden für sein Vieh<br />

bei sich unterzubringen vermöchte, sowie daß nicht alle Knechte<br />

bei ihm einqnartiert würden; nnd obgleich <strong>der</strong> Rath in seinem<br />

vorerwähnten Schreiben an die Negierung die Unmöglichkeit<br />

einer Umlcgung behauptet hatte, so muß irgend ein Ausweg<br />

sich doch gefunden haben, denn Wulffs Schreiben trägt die<br />

Randbemerkung: „Diesem Beschwer ist bereits remedyret."<br />

Auf feiue zweite Beschwerde wegeu <strong>der</strong> drohenden Feuersgefahr<br />

wurde nn Interesse <strong>der</strong> allgemeinen Sicherheit ebenfalls,<br />

uutcr dem 24. Oetober, Verfügung getroffen, indem <strong>der</strong> in<br />

Damm commandirende Lieutenant Befehl erhielt, eine Schildwache<br />

vor das Haus zu stellen, nm dem Bürger Schutz zu<br />

halten, den tartarischen Leuten Zuznfprcchcn uud sie zu gebührendem<br />

Comporlement anzuweisen. Letztere hatten ihrerseits<br />

auch I^sache zu klagen, denn sehr bald nach <strong>der</strong> Umquartierung<br />

nach Damm war ihnen eins <strong>der</strong> anvertrauten Pferde, ver-


468 Eine tartaresche Gesandtschaft.<br />

muthlich durch Diebstahl, abhanden gekommen, so daß sie sich<br />

deshalb bei <strong>der</strong> Regierung in Stettin beschwerten. Auf Wulff<br />

fiel übrigeus kein Verdacht, doch konnte die angeordnete Untersuchung<br />

auch den wahren Thäter nicht ausfindig machen.<br />

Sämmtliche Uebelstände wnrden dadurch beseitigt, daß<br />

<strong>der</strong> Gesandte Schach Kazy Aga seine Geschäfte in Stockholm<br />

sehr schnell erledigte nnd sich alsbald auf den Heimweg machte.<br />

Schon am 26. Oetober werden von Stettin aus alle königliche<br />

Beamte von <strong>der</strong> Rückreise desselben benachrichtigt und beauftragt,<br />

ihm und seinem Gefolge jede Erleichterung zu verschaffen.<br />

Der König von Polen hatte dem Gesandten den<br />

polnischen Großen Adam Ratecky als Geleitsmann zugeordnet.<br />

Nach gütigst von dem königlichen Reichsarchiv zu Stockholm<br />

ertheilter Auskunft erschienen in den Jahren 1680 und<br />

1681 drei tartarische Gesandtschaften in Schweden,^) von<br />

denen die des Kazy Aga die zweite war und keinen an<strong>der</strong>n<br />

Zweck hatte, als zwischen beiden Herrschern als Nachbarn Rußlands<br />

freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten und zu vermehren.<br />

Davon zeugt das folgende Antwortfchreiben, welches<br />

König Karl XI. dem Gesandten für seinen Herrn mitgab, uud<br />

dessen Concept im Archiv zu Stockholm aufbewahrt wird.<br />

^ä 861-6"""" ^HI-t^I-01-IHQ I56A6IQ Nui^t (^61-61<br />

w. 80I-6IN83Ì1I10<br />

ut ot t61'1'Q6 1(^061^6^6, (16111(^116 15.681(1611 tÌ516 oin-iina<br />

D0IUÌI10<br />

81166688U8. 86I'6QÌ88ÌM6 ?iil166r)8^ ^N1166 oli3118811116,<br />

1)1'6V6 t6IH^01-Ì8 8PlitÌi1II1 Ìt6lHtÌ8 ^08 Iit61-Ì8,<br />

V68t61' 86lia.6li X^)^ ^.ZH 6xIiÌI)UÌt, ìli-<br />

VÌ86I-6 Ì 1 ä it1i ^ t<br />

6I1ÌN1<br />

2) Vgl. über dieselben Carls on Sweriges Historia un<strong>der</strong><br />

Konungarne af Pfaltziska huset 111. Seite 330.


Eine tartaresche Gesandtschaft. 469<br />

13.11^UiI111 10601'NIII<br />

^1NÌ6ÌtÌ3. 60F11086Ì<br />

P0tuit. It^116 no 0^1ii6 H 1)^1^6 ^08ti'H iu 8Ì1NÌ1Ì<br />

liti<br />

ÌiNll16I180 D6Ì 1)61165610<br />

1111116<br />

1110611111 ^ p )<br />

, 11011 0NiÌtt6It1I18<br />

8tucIÌ0 0MUÌl)N8 118,<br />

in-<br />

6t ^)61' li1Ì^U6111 Ìiit61'I1U1itÌi1Q1 ^08triim t^1H 6.6<br />

III060 V08 I'6666r6 66rtÌ0r68, intuii Ìt6111 ^08)<br />

8Ì6 P086111it, 3.6 8ÌMÌ1ì^ liiit<br />

I1Ì866 6i6IN6nt6r 6imittimi13<br />

D^lintui' ili N6F1H<br />

Ì 6Ì6 3" 06tob. ^" 1681.<br />

Zum Schluß bemerke ich noch, daß die beim Staasarchiv<br />

aufbewahrten Schriftstücke den Namen des Gesandten durchgehends<br />

Razy schreiben, während die stockholmer Acten, denen<br />

ich hierin gefolgt bin, den Gesandten Kazy nennen. Ich bin<br />

nicht in <strong>der</strong> Lage zn entscheiden, welche Form die richtige ist.<br />

«1.


470 Sittenpokzeiliches aus dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t,<br />

Sitteupolheiliches aus dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

Zu Anfang des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts war die tönigl. Regierung<br />

in Stargard genöthigt, nachstehende Verordnung Zn<br />

erlassen:<br />

Nahmens ?e. wirdt je<strong>der</strong>männiglich hiemit dcmandiret und<br />

anbefohlen, sich von nun an nicht gelüsten zu lassen, innerhalb<br />

dehm Rathhause an diesem Orthe o<strong>der</strong> inwendig an denen<br />

Thüren und in denen Winckeln das Wasser abznschlagen o<strong>der</strong><br />

sonst aufs an<strong>der</strong>e Arth dieses Gebänwde zn verunreinigen,<br />

undt zwar soll <strong>der</strong>jenige, so das erste Mahl betroffen wirdt,<br />

einen Rdl. Straffe geben, o<strong>der</strong> da er nicht Mittel hätte, mit<br />

<strong>der</strong> Straffe, eine Stunde im Halseisen zu stehen, beleget nnd<br />

nachgehends, wenn jemandt sich weiter betreten ließe, die ^)06NH<br />

duftliret werden.<br />

Stargardt, 3. Juli 1706.<br />

de Somnitz. de Cors wandt, de Schrö<strong>der</strong>.<br />

Die gerügte schlechte Sitte muß sehr tief eingewurzelt<br />

gewesen sein, denn kurze Zeit darauf berichtete <strong>der</strong> Canzleidiencr,<br />

daß er einen von Grape ertappt habe, wie er im Rathhause<br />

vor den Regierungsräumen das Wasser abgeschlagen<br />

habe. In dem deshalb auf den 26. September angesetzten<br />

Termin ') erschien <strong>der</strong> Beklagte, wegen Krankheit und Steinbefchwerden<br />

sich entschuldigend, nicht persönlich, seine Frau<br />

aber kani und läugnete das Factnm. Erst als <strong>der</strong> Canzleidiencr<br />

von Neuem bezeugte, „daß er ihn selbst darüber angetroffen,<br />

es gesehen und gehöret, auch deswegen angeredet<br />

habe", bat die Frau, die Sache diesmal „so hingehen zu lassen<br />

nnd die Strahffe in lOZ^räe ihrer zu schenken."<br />

Es wurde entschieden, „daß diesesmahl von dehm von Grapcn<br />

nichts mehr als ein Ndl., so dehm Cantzleydiener zugebillieget,<br />

gcfo<strong>der</strong>t werden soll."<br />

l) Staatsarchiv zu Stettin: Stett. Arch. l'. I. Tit. W Nr. 39


EimmdmclWfter Jahresbericht<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommerschc Geschichte<br />

und Merthumskmlde.<br />

IV. und Schluß.<br />

1. Januar bis 1. April 1879.<br />

In den äußeren Verhältnissen <strong>der</strong> Gesellschaft hat sich<br />

in dem abgelaufenen Verwaltungsjahre nichts von Erheblichkeit<br />

geän<strong>der</strong>t, mit Dank darf vielmehr auch an dieser Stelle<br />

hervorgehoben werden, daß nicht bloß dnrch die reichlicher<br />

ihr jetzt Zufließenden außerordentlichen Geldunterstützungcn,<br />

son<strong>der</strong>n auch durch die stetig zunehmende Theilnahme an ihren<br />

Bestrebungen sie in den verschiedensten Kreisen sich geför<strong>der</strong>t gesehen<br />

hat. Die Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> ist in einem noch<br />

immer stetigen, wenn auch uicht mehr so rapiden Wachsen,<br />

wie vor einigen Jahren, begriffen. Der letzte Schlußbericht<br />

wies am 1. April 1878 einen Bestand an 455 nach<br />

es kamen hinzn im Lanfe des Jahres 40<br />

495<br />

es starben o<strong>der</strong> schieden ans 29<br />

somit bleibt ein Bestand von 466<br />

welcher gleich ist einer Zuuahme von 11 Mitglie<strong>der</strong>n.<br />

Außer den in den Quartalberichten schon nachgewiesenen<br />

31


Einundvierzigster Jahresbericht. lV.<br />

1? und 16 neuen Mitglie<strong>der</strong>n sind <strong>der</strong> Gesellschaft im letzten<br />

Vierteljahr noch beigetreten folgende 7 Herren: Nitter-Gntsbesitzer<br />

Vahrfeldt in Rieh - Nenendorf bei Pfaffendorf,<br />

Appcllationsgerichts-Nath vonT e w i tz, Major v o n K a m e k e<br />

in Stettin, Kreisrichter von Mellcnthin in Schivelbcin,<br />

Ritter-Gutsbesitzer von Petersdorf in Buddendorf bei<br />

Maffow, Kreisrichter Tonrbiö in Värwalde, Krcisgerichts-<br />

Rath Weg euer in Eolberg.<br />

Einen fehr enipfindlichen Verlnst erlitt die Gesellschaft<br />

durch den Tod ihres Ehrenmitgliedes des Geheimen Negicrungs-<br />

Nathcs Herrn Professor Dr. O. F. Schömann in Greifsniald,<br />

<strong>der</strong> in dem hohen Alter von nahezu 86 Iahreu an: 25. März<br />

d. I. verschieden ist. In ihm schicd <strong>der</strong> Nestor <strong>der</strong> Gelehrten<br />

uuscrer Provinz und zugleich eiue unvergleichliche Zierde ihrer<br />

Hochschule, <strong>der</strong>en eigenthümliche Seiten sich in ihm vielfach<br />

geradezu verkörpert hatten. Wir entnehmen ans einem ehrenden<br />

Nachrufe, deu ihm <strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong> Nügisch-Pommerschen<br />

Abtheilung unserer Gesellschaft Herr Professor I)r. Theodor<br />

Pyl in <strong>der</strong> Stralfun<strong>der</strong> Zeitung widmete, über seinen äußereu<br />

Lebensgang nnd seine geistige Entwickelung das Nachstehende:<br />

Georg Friedrich Schömann wnrde geboren am 28. Juni 1793<br />

zu Stralfuud als <strong>der</strong> Sohu des Nechtsanwals Jakob Georg<br />

Schömann und erhielt, da häusliche Verhältnisse eine Nebcrsiedelung<br />

nöthig machten, feine Erziehnng im Hanfe feines<br />

Großvaters, des Nathsherrn G. E. Schömann in Anklam,<br />

nnd befnchte das dortige Gymnasimn nnter den Neetoren<br />

Ioh. Gottfried Lueas Hagenieister uud Thiel. Wenn jener<br />

ihm auch eine allgemeine geistvolle Auffassung des Alterthums,<br />

sowie <strong>der</strong> Geschichte und neneren Literatur, und dieser eine<br />

tüchtige grammatische Ausbildung zu gewähren vermochte, fo<br />

war ihr Einflnß doch so wenig von Dancr nnd Tiefe, daß<br />

Schömann, als er im Jahre 1809 die Universität <strong>Greifswald</strong><br />

bezog, im Zweifel war, ob er Mediein o<strong>der</strong> Philologie studiren<br />

folle. Er befnchte daher abwcchfelnd die Vorlesungen<br />

bei<strong>der</strong> Facnltäten, wnrde aber durch die Sccttonen des anato<br />

mischen Theaters von <strong>der</strong> Mediein so abgeschreckt, daß er sich


Einundvierzigstcr Jahresbericht. IV. 473<br />

dann dauernd <strong>der</strong> Philologie zuwandte. Allein auch ans<br />

diesem Gebiete vermochten ihm we<strong>der</strong> die damals in Oreifswald<br />

lehrenden Professoren, Overkamp, Wallcnius, Tillberg u. A.<br />

noch die vorhandenen Hülfsmittel <strong>der</strong> Universitätsbibliothek Zu<br />

genügen, und gleichen Zuständen begegnete er, als er im Laufe<br />

<strong>der</strong> Jahre 1809—12 die heimathliche Hochschule mit <strong>der</strong> von<br />

Jena vertauschte. Wohl aber erkannte er, daß die philologische<br />

Wissenschaft ihre ebenbürtigen Vertreter in Gottfried Hermann<br />

in Leipzig uud August Bocckh iu Berlin besitze, und richtete<br />

daher sein eifrigstes Bcstrebeu darauf, aus den Schriften bei<strong>der</strong><br />

Gelehrten sich zu unterrichten und mit ihnen,'da seine Mittel<br />

ihm ein längeres Stndium ans jenen Hochschulen nicht gestatteten,<br />

in brieflichen Verkehr zu treten. Er gelangte auch<br />

zu dem gewünschten Ziele und uameutlich Vocckh kam ihm so<br />

freundlich entgegen, daß er ihm alle Bücher, welche Schümann<br />

zu seiucn Studieu gebrauchte, bereitwillig zugänglich machte.<br />

Da Beide nur durch ein Alter von 8 Jahren getrennt wurden,<br />

eutstaud aus dem Verhältniß von Lehrer uud Schiller bald<br />

eine dancrnde Freundschaft, welche Voeckh mit gleicher Achtung<br />

auf seincu jüngeren Gefährten blicken ließ. In <strong>der</strong> ersten<br />

Zeit nach seiner Rückkehr aus Jena wandte er sich jedoch dem<br />

praktischen Schulfache zu, wurde 1813 Conrector in Anklam,<br />

wo er sich anch in erster Ehe vermählte, dann 1814 Conreetor<br />

uud von 1817—1826 Proreetor in Grcifswald. Am 10. Mai<br />

1815 zum Doctor <strong>der</strong> Philosophie promovirt, habilitirte er<br />

sich in dieser Facultät 1820, wurde 1823 außerordentlicher<br />

und 1827 ordentlicher Professor, so wie nach Verwaltung des<br />

Unterbibliothekanats 1821, im Jahre 1844 Obcrbibliothekar<br />

<strong>der</strong> Universität, uud schloß auch 1824 seiue zweite Ehe mit<br />

<strong>der</strong> Tochter seines Amtsgenosseu, des Professors <strong>der</strong> Rechte<br />

Di'. Schildener. Schon während seines Schulamics hatte er<br />

durch seine erste Schrift ,,O


474 Einundvierzigster Jahresbericht. IV.<br />

gestellten Preisangabe. Als er dann nach seinem Abgange<br />

vom Gymnasinm freiere Zeit gewann, sich dein Stndinm <strong>der</strong><br />

Griechischen Rechtsalterthümer im weiteren Umfange zn widmen,<br />

veröffentlichte er als die Frncht dieser Bestrebungen 1880—31<br />

die Reden des Isäns nnd 1838 )Anti


Einundvierzigster Jahresbericht. IV. 475<br />

seine Thätigkeit als Bibliothekar geleitet, anch die übrigen<br />

philosophisch-historischen Wissenschaften mit regem Eifer, und<br />

begegnete sich ans dem Gebiete <strong>der</strong> allgemeinen Geschichte in<br />

gleicher Neignng mit Leopold Ranke, wie im Felde <strong>der</strong> Rügisch-<br />

Pommerschen Specialhistorie mit seinem Jugendfreunde Mohnike.<br />

Bis in das höchste Alter erfreute er sich eines staunenswerthen<br />

Gedächtnisses und des feiusteu kritischen Blickes, welche ihn auf<br />

jedem Gebiete, welches das Gespräch berührte, stets orientirt<br />

und als Meister <strong>der</strong> Sache erscheinen ließen. Wenn sich in<br />

dieser Weise das Bild des klassischen Alterthums uach seiner<br />

höchsten Vollendung seinem Geiste wie<strong>der</strong>spiegelte, uud auch<br />

die folgenden Zeiten, die sich aus <strong>der</strong> Griechisch-Römischen<br />

Welt entwickelten, vor seinem Blicke ausgebreitet lagen, so bewahrte<br />

er dessenungeachtet auch <strong>der</strong> Gegenwart ein warmes<br />

Interesse und widmete namentlich dem Kaiser und Könige,<br />

dem greisen Altersgenossen, eine innige Verehrung. Als<br />

Schümann bei <strong>der</strong> Feier des vierhun<strong>der</strong>tjährigen Jubelfestes<br />

<strong>der</strong> Universität 1856 die Hochschule als Reetor vertrat, ehrte<br />

<strong>der</strong> Monarch, <strong>der</strong> damals seinen königlichen Bru<strong>der</strong> begleitete,<br />

ihn durch eine längere Unterredung, und bekundete durch die<br />

höchsten Auszeichnungen, welche er in <strong>der</strong> Folge ihm zu deu<br />

eigenen Jubelfesten fpendete, seine Hochachtung und Huld.<br />

Der Vorstand hat durch die Cooptation des Herrn<br />

Kreisgerichtsrath Küster die Zahl seiner Mitglie<strong>der</strong> auf 14<br />

vermehrt und diefe Cooptation die statutenmäßig nachgesuchte<br />

Genehmigung <strong>der</strong> General-Versammlung erhalten. Er bestand<br />

demnach im verflossenen Jahre aus folgenden Herren:<br />

1. Stadtschulrath Balsam.<br />

2. Oberlehrer Dr. Blümcke.<br />

3. Staatsarchivar Dr. von Bülow, Bibliothekar.<br />

4. Oberlehrer Di'. Haag.<br />

5. Professor Di'. Hering.<br />

6. Rentier Knorrn, 2. Sekretär.<br />

7. Oberlehrer Dr. Kühne, Confervator u.Kassenführcr.<br />

8. Krcisgerichtsrath Küster.<br />

9. Professor Lemcke, 1. Sekretär.


476 Einundmer.^qster ^adres<strong>der</strong>icht. IV.<br />

10. Gerichtsassessor a. D. Mueller.<br />

11. Geh. Iustizrath Pitzschky, Rcchnnngsrevisor.<br />

12. Realschullehrer Or. Schlegel.<br />

13. Oberlehrer Schmidt.<br />

14. Ober-Negierungsratt) Trieft.<br />

Die Redaktion <strong>der</strong> baltischen Studicu ist von einem be-<br />

son<strong>der</strong>eil Redaktions-Ansschuß, bestehend ans dem 1. Sekretär<br />

nnd den DOi-. v. Bülolo nnd Haag, besorgt worden.<br />

An die Stelle <strong>der</strong> für ein kleineres Pnbliknm berechneten<br />

nnd mehr anf Speeialuntersuclumgen bernhenden öffentlichen<br />

Wintervorträge hat <strong>der</strong> Borstand in dem vergangenen Winter<br />

den Versuch gemacht, einen Cnelns von solchen Vorlesungen<br />

eintreten zu lasfen, welche eine Uebersicht über die ganze Ge-<br />

schichte Pommerns geben nnd einen größeren Znhörerkreis ver-<br />

sammeln sollten. Das Letztere ist in ungeahntem Maße <strong>der</strong><br />

Fall gewesen und es ist damit <strong>der</strong> Beweis gegeben, daß das<br />

Interesse an unserer heimathlichen Geschichte ein weit lebhaf-<br />

teres und allgemeineres ist, als man gewöhnlich anzunehmen<br />

geneigt ist. Anßer den Stettiner Mitglie<strong>der</strong>n, den Herren<br />

Di-. Kühne, Professor Di'. Hering uud Di-. Haag haben<br />

auch von Auswärtige die Herren Di-. Hanncke ans Cöslin,<br />

Di-. Franck und Di'. Starck aus Demmin sich hierbei zu<br />

betheiligen die Güte gehabt, ihnen allen sei anch an dieser<br />

Stelle nochmals <strong>der</strong> gebührende Dank gesagt.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> eorrespondirenden Vereine hat sich<br />

nm zwei vermehrt, den Naturwissenschaftlichen Verein für<br />

Schleswig-Holstein in Kiel und den Verein für die Geschichte<br />

<strong>der</strong> Stadt Nürnberg.<br />

Die Kasse, welche in dein vorjährigen Bericht mit einem<br />

Baarbestand von 214.74 Mark abschloß, hatte eine Einnahme<br />

von M. 5358.—.<br />

Dazu Resteinnahme ans 1877 „ 740.33.<br />

Obiger Baarbestand „ 214.74.<br />

Summa aller Eiuuahmen M. 6313.07.<br />

Die Ausgabe betrug „ 4256.70.<br />

Somit verblieb als Baarbestand . . . . ^ " M


Einundvierzigstcr Jahresbericht. IV. 477<br />

Transport . . . M. 2050.37.<br />

Außerdem besitzt die Gesellschaft ein zinsbar<br />

angelegtes Kapital von „ 4200.—.<br />

Somit betrug das Vermögen am Schlüsse des<br />

Jahres 1878 M. 6256.37.<br />

Die Rechnung ist nach geschehener Prüfung ordnnngsmaßig<br />

in <strong>der</strong> Vorstandssitzung vom 8. Mai 1879 dcchargirt<br />

worden. Einen Auszug aus <strong>der</strong>selben giebt die Beilage 0.<br />

Die Sammlungen haben anch jetzt wie<strong>der</strong> eine reichliche<br />

Vermehruug erfahren; über die <strong>der</strong> Bibliothek theils durch<br />

Schenkung, theils dnrch Kauf zngegaugenen Bücher giebt die<br />

Beilage ^. die nähere Auskunft; die Erwerbnngen des antiquarischen<br />

Museums sind bis zum Februar inel. schon in den<br />

Quartalberichten verzeichnet und ebendaselbst anch sonst über<br />

die Alterthümer berichtet wordeu.<br />

Außer in <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Gesellschaft herausgegebeuen Zeitschrift<br />

ist die Pommersche Geschichte anch an<strong>der</strong>weitig ein Gegenstand<br />

eifriger Forschung gewesen. Wir nennen von den einschlägigen<br />

literarischen Unternehmuugen an erster Stelle eine<br />

Schrift, die mit dem historischen auch einen patriotischen Zweck<br />

verfolgt uud von dem Oberlehrer Herrn Dr. Blase ndor ff<br />

in Pyritz verfaßt die wie<strong>der</strong>holte Anwesenheit <strong>der</strong> Königin<br />

Lili se in Pommern zum Gegeustand ihrer Darstelluug<br />

macht. Da <strong>der</strong> Verfasser außerdem den ans dem Verwnf zu<br />

erzielenden Erlös für eine milde Stiftung, die Waisenkasse <strong>der</strong><br />

Lehrer an den höheren Schulen Pommerns, bestimmt hat, so<br />

ist <strong>der</strong> anziehenden kleinen Schrift, welche auch au Allerhöchster<br />

Stelle sich <strong>der</strong> Auerkenuuug zu erfreuen gehabt hat, um so<br />

mehr eiue recht weite Verbreituug dringend zn wünschen.<br />

Außerdem erschienen:<br />

Geschichte <strong>der</strong> Stadt <strong>Greifswald</strong> von Di'. Theodor Pyl in<br />

dem Jahresbericht <strong>der</strong> Rügisch - Pommerschen Abtheilnng<br />

uuscrer Gesellschaft.<br />

Die Nicolai- und Iaeobikirche in Stralsund von O. Francke<br />

sin den Hansischen Geschichtsblättern),.<br />

Chronik <strong>der</strong> Parochie Hohen-Selchow von den ältesten Zeiten


Liuuudvierziqster Jahresbericht. IV.<br />

bis auf die Gegeuwart vou C. G. F. Scheut. Schwedt<br />

1878.<br />

Zur Geschichte <strong>der</strong> Stadt Schlawe. Theil IV. 1412—1480.<br />

Mit 26 Urkuudeu von Dr. Becker. Programui des Progyuiuasiums<br />

zu Schlawe 1878.<br />

Pommeru zur Zeit Otto's vou Bamberg vou Di'. H. Le limami.<br />

Berlin 1878.<br />

Ciu Veitrag zur Geschichte <strong>der</strong> Züufte <strong>der</strong> Stadt Lauenburg<br />

vou I.Haber. Programui des Progymuasiums zu Laueuburg<br />

1878.<br />

Geschichte <strong>der</strong> Kircheu uud uiildeu Stiftuugeu <strong>der</strong> Stadt Stargard<br />

a. d. Ihna vom Oberlehrer Sch m id t. Stargard 1878.<br />

Bausteine zur Neustettiuer Lokalgeschichte vou Dr. H. Lehuiauu.<br />

Programm des Gymnasinms zn 3censtettin 1879.<br />

Bischof Otto von Bamberg als Apostel <strong>der</strong> Pommern I. von<br />

Dr. Zinzow. Programm des Gymnasiums zu Pyritz 1879.<br />

Lesestücke aus <strong>der</strong> Heimathskuude uud Geschichte Pommerus<br />

vou Suppriau, Seminardirektor. Bielefeld uud Leipzig<br />

1879.<br />

Die Zollrolle Barnim I. von Dr. Blümcke. Programm des<br />

Stadtgymnasiums zu Stettin. 1879.<br />

Die Politik Schwedens im Westfälischen Friedenseongreß von<br />

C. T. Odhner. Gotha 1877.<br />

Pommerns Küste von <strong>der</strong> Dievenow bis zum Dars vou<br />

Paul Lehmann. Breslau 1878.<br />

M. Johannes Rhenanns, Ein Beitrag zur Bergwcrksgeschichte<br />

Pommerus aus dem 16. Iahrhuudcrt vou H. Cramer.<br />

Hatte 1879.<br />

Die Belagerung Stralsunds durch deu großen Kurfürsteu<br />

vou Fraucke (2. Bearbeitung des Aufsatzes in den Balt.<br />

Stud. XXII.)<br />

Alt <strong>der</strong> Fortsetzung des Pommerschen Urkundeubuches<br />

lvird, wie wir mittheilen können, in dem hiesigen Staatsarchiv<br />

durch Herrn Dr. Prümers rüstig gearbeitet uud darf<br />

das Erscheiueu des 2. Bandes als nicht mehr zu ferusteheud<br />

bezeichnet werden.


Einundvierngster Jahresbericht. IV. 479<br />

Die Arbeiten für das Inventar <strong>der</strong> Kunstdenkmäler<br />

schritten lei<strong>der</strong> ans den schon früher erwähnten Gründen<br />

nicht in erfreulicher Weise fort. Zwar konnte die Arbeit<br />

für den Negierungs-Bezirk Stralfund durch Herrn Stadtbaumcister<br />

von Haselbcrg in Stralsund nahezu bis zum Abschluß<br />

gebracht worden, dagegen mußte für die beiden an<strong>der</strong>en Regiernngs-Bezirke<br />

noch immer die Gewinnung von Mitarbeitern<br />

als eine vergeblich erhoffte bezeichnet werden. Erst gegen das<br />

Ende des Winters Zeigte sich auch hier eine erfreuliche Aussicht<br />

auf die Gewiunuug eiuer Kraft, die mit regem Eifer sich<br />

an <strong>der</strong> Lösuug <strong>der</strong> Aufgabe betheiligen will.<br />

Die General-Ve rfam mlun g fand in <strong>der</strong> gewohnten<br />

Weife am 18. Mai 1878 statt. Nach dem von dem ersten<br />

Sekretär erstatteten Jahresbericht trug Herr Di'. Blasendorff<br />

unter vielem Beifall einen Theil aus <strong>der</strong> oben erwähnten<br />

Schrift vor, in welchen! er dasjenige zusammengestellt hatte,<br />

was sich anf die Anwesenheit <strong>der</strong> Königin Luise in Stettin<br />

bezog.<br />

Der Vorstand <strong>der</strong> Gesellschaft für Pommerschc<br />

Geschichte und Merthumskunde.


480 Einundvierzigster Jahresbericht. IV.<br />

Beilage<br />

Zuwachs <strong>der</strong> Bibliothek<br />

vom 1. slpril 1878 bis 1. April 1879.<br />

A grani.<br />

I. Durch Austausch.<br />

cUnu 1. Ni-. 1—3.<br />

Banlberg. Historischer Verein für Oberfranken.<br />

40. Bericht.<br />

Basel. Historische und antiquarische Gesellschaft.<br />

1. Deckengemälde in <strong>der</strong> Krypta des Münsters zn<br />

Basel vouA. Ver noni lli. A. u. d. T. Mittheilungen<br />

Nene Folge. I.<br />

i?. Die Finanzverhältnisse <strong>der</strong> Stadt Basel im 14.<br />

nnd 15. Jahrhun<strong>der</strong>t von G. Schön berg.<br />

Bayreuth. Historischer Verein für Oberfranken.<br />

1. Archiv XIII. 3. XlV. 1.<br />

2. Inbiläumsschrist: l)r. Theodor Mornng von<br />

Kranszold. H. 1. 2.<br />

Berlin. ^. Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und<br />

Urgeschichte.<br />

Verhandlnngen bis November 1878. Ferner Jahrgang<br />

1871.<br />

d) Verein für die Geschichte Berlins.<br />

1. Schriften Lieferung 15. Das Dorf Tempelhof<br />

von C. Brecht.<br />

c;) Der deutsche Herold.<br />

Jahrgang 1877 nnd 1878.


Beilage ^. 481<br />

V istriz. Gewerbeschnle.<br />

4. Jahresbericht.<br />

Berll. Allgemeine geschichl^sorschende Gesellschaft.<br />

Jahrbuch Bd. II!.<br />

Vremen. Historische Abtheilung <strong>der</strong> Gesellschaft des Künstlervereins.<br />

Jahrbuch Bd. lX-X.<br />

Vreslall. !l.) Vereiil für vaterländische Cnltnr.<br />

5>5. Jahresbericht uebsl Schriftenverzeichnis; 1364—<br />

1876.<br />

I)) Verein für Geschichte nnd Alterthümer Schlesiens.<br />

Zeitschrift XIV. 2 uud Audienz Breslaucr Bürger<br />

bei Navotcon 1.<br />

B n dysin. Nl^ic^ 8(3i'I)8^


482 Einundvierzigster Jahresbericht I V.<br />

Freiburg i. B. Gesellschaft für Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Geschichts-,<br />

Alterthums- und Volkskunde.<br />

Zeitschrift Bd. VI. Heft l u. 3.<br />

Genf. 8oci6tü do Z60Ai'3^1)Ì6.<br />

^ (^iodo vol. XVII. l—4. XVIli. I. ^l>l>pi(m>^ul !.<br />

Görlitz, l^) Oberlausitzische Gesellschaft <strong>der</strong> Wissenschaften.<br />

Neues Lausitzisches Magazin Bd. I.IV. Heft 1. 2.<br />

Bd. I.V. heft 1.<br />

d) Naturforfchende Gesellschaft.<br />

Abhandlungen Bd. XVI.<br />

Graz. Historischer Verein für Steiermark.<br />

1. Beiträge Jahrg. XV. 2. Mittheilungen H. 26.<br />

Halle a. S. Thüringisch-Sächsischer Geschichts- nnd Alterthnmsverein.<br />

Neue Mittheilungen Bd. XIV. H. 2.<br />

Hambnrg. Verein für Hamburgische Geschickte.<br />

Mittheilungen 1878. No. 7—12. 1879. No. 1-5.<br />

Hanau. Bezirksverem für Hessische Ocschichts- u. Landeskunde.<br />

Die Grabmäler nnd Särge <strong>der</strong> in Hanan bestatteten<br />

Personen aus den Hänsern Hanan und Hessen<br />

von R. Suchier.<br />

Hannover. Historischer Verein für Nie<strong>der</strong>sachsen.<br />

Zeitschrift Jahrg. 1878.<br />

Heilbronn. Historischer Verein für das Württembergische<br />

Franken.<br />

Zeitschrift Bd. X. 8. Register zn Bd. I-1X.<br />

Hermannstadt. Verein für Siebenbürgische Landeskunde.<br />

1. Archiv N. F. XIV. 1. 2. 2. Die Ernteergebnisse<br />

ans dem ehemaligen Königsboden von M.<br />

Schnster. 3. Jahresbericht 1876/77. 4. Programm<br />

des Gymnasiums zu Hermannstadt 1876/77. 5. Bericht<br />

über das von Vrückenthalische Museum I.<br />

Kahla. Verein für Geschichts- und <strong>Alterthumskunde</strong> zu<br />

Kahla und Roda.<br />

Mittheilungen Bd. II. H. 1.<br />

Kiel. ^Gesellschaft für Schleswig-Holstein-Lauenburgische<br />

Geschichte.<br />

Zeitschrift Bd. VIll.


Beilage ^. 483<br />

1>) Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig-<br />

Holstein.<br />

I. Mittheilungen Heft 1, 4 — 7, 9. 2. Schriften Bd. l.<br />

H. 1. ^. Vd. li. H. _'. Bd. III. H. I.<br />

c;) Schleswig-Holsteinisches Museum vaterländischer<br />

Alterthümer.<br />

.".6. Bericht znr Alterthnmstnnde Schleswig-Holsteins<br />

von H. Handelmann.<br />

Königsberg i. Pr. n.) Alterthnmsverein Prussia.<br />

Altprenßifche Monatsschrift 1878 No. 1—4 n. 7—8.<br />

187^) No. 1--2.<br />

l») Physit'al.-ökonomische Gesellschaft.<br />

Schriften Vd. XVII. 1. 2. XVIII. 1.<br />

Kopenhagen. Xon^eiigo uoräiälio 01d8i^doi'ilnuläc^o 1^ott6i^


484 Einnndvierzigster Jahresbericht' IV.<br />

Meininge n. Alterthnmsforfchen<strong>der</strong> Verein.<br />

Eiuladuugsschrift zuui 1 j. )ll?v. 1378.<br />

München. ^) Königl. Bayerische Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften.<br />

Abhandlungen Bd. XIV. H. 2. Sitzungsberichte-<br />

1878. I. II.<br />

^) Historischer Verein für Oberba^ern.<br />

Archiv Bd. XXXVI. Jahresbericht 36/38.<br />

Münster. Verein für Gcfchichte nnd Alterthiimer Westfalens.<br />

Zeitschrift Bd. XXXV. n. XXXVI.<br />

Namiir. 8oc;i6tü ai'^^olo^icsul?.<br />

^Vnn:l.1«8 1^(1. XIV. '2. 3. uini 1^05 lic!l^ «In i;onit,«><br />

Nürnberg, a) Germanisches Mnsenm.<br />

Anzeiger fiir Kunde <strong>der</strong> deutscheu Vorzeit 1878.<br />

I)) Verein für Geschichte <strong>der</strong> Stadt Nürnberg.<br />

Mittheilungen Heft 1.<br />

Oldenburg. Landesverein fiir Alterthnlnsknnde.<br />

Bericht für 1877/78.<br />

Osnabrück. Historischer Verein.<br />

Mittheilungen Bd. XI,<br />

St. Peter s b n r g. (^ou^inig^ion iin^i'i^Ic ^i'eli^olooiciuG.<br />

1^p^)0i'ty POUI' los nnin'cs 187,'), 1376.<br />

Neval. Esthländische literarische Gesellschaft.<br />

Beiträge Bd. II H. 3. Archiv, N. F. Bd. VI.<br />

Riga. Gesellschaft für Geschichte nnd Altcrthnmsknnde<br />

<strong>der</strong> Ostseeprovinzen Rnßlands.<br />

Sitzungsberichte 1876.<br />

Salzwedel. Altmärkischer Verein für vaterländische Geschichte.<br />

19. Jahresbericht.<br />

Schwerin. Verein fiir Meklenbnrgischc Geschichte nnd Alterthmnsknnde.<br />

Jahrbücher Iahrgaug 43. Urkuudeubuch Bd. XI.<br />

Sigma ringen. Verein für Geschichte nnd Alterthnmsknnde<br />

in Hohenzollern.<br />

Mittheilungen Iahrgaug 11.<br />

Stadtamhof. Historischer Verein für Oberftfalz nnd Regens^<br />

bnrg.<br />

Verhandlungen Bd. XXXIII.


Beilage ^. 485)<br />

Ituttgar t. Würtemberqischer Alterthnmsverein.<br />

Vicrteljahrsschrift 1373. H. 1^ 4. Kloster Manldronn,<br />

Heft _>. ^.<br />

Tongres. 8c)cu'i5 8ci(?ntiin^u'


486 Eiuundvierzigster Jahresbericht. IV.<br />

6. Von dem Oberregiernngsrath Herrn Freih. von Tcttan in<br />

Erfurt dessen i<br />

Urkundliche Geschichte <strong>der</strong> Tettan'schen Familie in den Zweigen<br />

Tettan und Kinsky. Berlin 1878.<br />

7. Von dem Rektor des Progymnasiums iu Laucnbnrg i. P. :<br />

Ein Beitrag znr Geschichte <strong>der</strong> Zünfte <strong>der</strong> Stadt Lanenbnrg von<br />

I. Haber. Programm des Progymnasiums 1878.<br />

3. Von dem Herrn Ober Präsidenten von Hannover im Auftrage<br />

Sr. Erc. des Herrn Ministers <strong>der</strong> geistl. :


Beilage ^. 487<br />

18. Von dem Rektor des Progyiiiiiasinms in Schlawe Herrn N>-.<br />

Becker dessen:<br />

Die in den Grundstein des Progymnasialgebändcs gelegte Urkunde<br />

voin 1.^. October 1878 und i>cachrichteu über zwei städtische Stiftungen<br />

ans den Jahren 1550 nnd 1590. Schlawe 1879. 1".<br />

19. Von dein Herrn Semiuardirektor Snpprian in Berlin dessen i<br />

Lesestiicke ans <strong>der</strong> Heiniathslnnde nnd Geschichte von Ponnnern.<br />

Bielefeld nnd Leipzig 1^79. ^'.<br />

20. Von dein Kalligraphen Herrn Fabian hier dessen:<br />

Stammbaum des Hauses Hohenzollern.<br />

21. Von dem Oberlehrer Herrn Di'. Blümcke hier dessen:<br />

Die Zollrolle Barnim's l. Programm des Stadt-Gymnasinms<br />

zn Stettin 1879.<br />

22. Von dem Herrn I. A udrà e hier:<br />

!l. Ein eigenhändiges schreiben <strong>der</strong> Prinzessin Elisabeth aus dem<br />

Jahre 1838.<br />

l^. Wöchentliche Stemner Frag- nnd Anzeignngs-Nachrichten vom<br />

5. Martins 177,",.<br />


488 Einunduierzigster Jahresbericht. IV.<br />

14. Imhof-Blnmer: Portraitköpfe ans römischen Münzen. Leipzig<br />

1879.<br />

15. Die Bau- und Kunstdenkmäler <strong>der</strong> Provinz Sachsen, heransgegeb.<br />

von <strong>der</strong> historischen Commission <strong>der</strong> Provinz Sachsen. Heft 1 :<br />

Der Kreis Zeitz. Von Otte u. Sommer. Halle 1879.<br />

16. Kunstdenkmäler und Alterthümer im Hannoverschen von K. W.<br />

h. Mithoff. VI. Bd. Hannover 1879. 4^.<br />

17. Lindenschmit: Heinrich Schliemann's Ausgrabungen in Troja<br />

und Mycenä. Mainz 1878.<br />

18. Cramer, H. M.: Johannes Nhenanus, ein Veitrag zur Berg«<br />

werksgeschichte Pommerns ans dem 16. Iahrhnn<strong>der</strong>t. Halle 1879. 8^.<br />

19. Franz Winter, Die Cistercienser des nordöstlichen Deutschlands.<br />

3 Thle. Gotha 1868—71. 8^.<br />

20. Die Chroniken <strong>der</strong> deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahr'<br />

hun<strong>der</strong>t. Bd. 1—15. Leipzig 1862—78. 8^.<br />

21. Berendt, Ch.: Die Pommerellischen Gesichtsurnen. Königsberg<br />

1878. 40.<br />

22. Desselben: Nachtrag zn den Pommerellischen Gesichtsurnen.<br />

23. Schäfer, D. Die Hansastädte und König Waldemar. 1879. 8°.<br />

24. Gozzadini, G. Di uu natica usoi-opois n Nai-^dotto nel<br />

Voi0Fue86. Bologna 1865. 2^.<br />

25. Gozzadini, G. Di uiwi-ioi-i seopei-to uoii' iiuticn. N60i'0p0ic<br />

Ä ^^i-2^d0tt0. Bologna 1870. 2«.<br />

26. An gu st in. Die mittelalterlichen und vorchristlichen Alterthümer<br />

von Halberstadt. Wernigerode 1872. 4°.


heyeichms; <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommcrschc Geschichte und<br />

bis zum 1. April 1879.<br />

489<br />

I. Protector.<br />

Sc. Kaiserliche und Königliche Hoheit <strong>der</strong> Kronprinz des<br />

deutschen Reiches nnd von Prenßen.<br />

II. ^Präsident.<br />

Der Königliche Oberpräsident von Pommern,<br />

Wirkl. Geheinie Rath Herr Freiherr v. Äciinch-<br />

Hansen Exeellenz.<br />

III. (^hronnlitglic^rr.<br />

1. Se. Königl. Hoheit <strong>der</strong> Prinz Carl von Prens;en.<br />

2. Se. Durchlaucht <strong>der</strong> Reichskanzler nnd Minister-Präsident<br />

Dr. Fürst v. Vismarck in Varzin.<br />

3. Sc. Execllcnz <strong>der</strong> General <strong>der</strong> Cavallerie und Kommandirende<br />

General des 2. Armee-Korps Herr Hann von<br />

Weyhern in Stettin.<br />

4. Se. Excellenz <strong>der</strong> Königliche Wirkliche Geheime Rath<br />

und General-Landschafts-Direetor Herr v. Koller in<br />

Carow bei Lades.<br />

5'. Der Großhcrzoglich Mecklenburgische Geheime Archiv-Rath<br />

Herr Di'. Lisch in Schwerin i. M.<br />

6. Der Geheime Med.-Rath Herr Professor Dr. Virchow<br />

in Vcrlin.<br />

7. Der Professor und O<strong>der</strong>^Bibliolhttar Herr Dr. Hirsch<br />

in Grcifswald.


490 Einnndvierzigster Jahresbericht. lV.<br />

8. Der Geheime Rath und Professor Herr Di'. W. von<br />

Gì esc brecht in München.<br />

9. Der Direetor des germanischen Mnsenms Herr Professor<br />

Di'. Essen wein in Nürnberg.<br />

10. Der Dircetor des römisch-germanischen Ceutral-Museums<br />

Herr Professor Dr. Lindenschmit in Mainz.<br />

11. Der Direktor im Königl. Ital. Ministerium <strong>der</strong> answärtigcn<br />

Angelegenheiten Herr Christo foro Negri<br />

in Rom.<br />

14. Der Kaisers. Ober-Ceremonienmeister Graf v. Stillfried-Aleantara,<br />

Exeellenz in Berlin.<br />

IV. Eorrespondirende Mitglie<strong>der</strong>.<br />

1. Freiherr von Köhne, Wirkt. Geh. Staatsrath in St.<br />

Petersburg.<br />

2. Prof. Dr. Berghaus in Grünhof-Stettin.<br />

3. Dr. Ceynowa in Bukowiee bei Schwetz.<br />

4. Hering, Apftell.-Gcrichts-Direetor in Arnsberg.<br />

5. Di-. Grosse, Syndicus in Altenburg.<br />

6. Di-. Kurd von Schlözer, Gesandter in Washington.<br />

7. Plathner, Baumeister in Berlin.<br />

8. Di-. Volger, Archivar in Goslar.<br />

9. Di'. Wigger, Archivrath in Schwerin i. M.<br />

10. Freiherr v. Tettau, Qber-Regierungsrath in Erfurt.<br />

11. Di-. Beyersdorff, Arzt in Beruhen in O.-S.<br />

12. Kasiski, Major z. D. in Neustettin.<br />

13. Nichter, Lehrer in Sinzlow bei Neumark i. Pomm.<br />

14. Danneuberg, Stadtgerichtsrath in Berlin.<br />

15. Dr. Fricdlän<strong>der</strong>, Direetor des Königl. Münzkabinets<br />

iu Berlin.<br />

16. Dr. Pertsch, Professor in Gotha.<br />

V. Ordentliche Mitglie<strong>der</strong>.<br />

^. In Pommern.<br />

in Alt-Damm 1. Kumbier, Apotheker,<br />

in Auelam 2. Billerbeck, Iustizrath.


Beilage 401<br />

3. Grübe, Privatlehrer.<br />

4. 1)r. Hanow, Oberlehrer.<br />

5. Keibel, Lehrer d. höheren Töchterschule.<br />

6. Pottcke, Buchdruckereibesitzer.<br />

iuBärlvalde i. P. 7. Tourbi6, Kreisrichter.<br />

iu Bahn 8. Di'. Bet hg e, Apotheker.<br />

9. Ha geni ei st er, Bürgermeister.<br />

10. Fromm, Reetor.<br />

11. Dr. Kauitz, Rcetor.<br />

12. Koch, Kreisrichter.<br />

13. Müller, Superintendent.<br />

14. Mülle r-H ochhei m, Lientn. nnd Gutsbes.<br />

15. Sachse, Lehrer.<br />

bei Nahn IN. Flaminius, Oberamtm. in Wlldenbruch.<br />

17. Nahn, Amtsvorsteher in Rohrsdorf,<br />

in Belgard 18. Apolant, Kaufmann.<br />

19. Nr. Kierski, Kreis-Physikns.<br />

20. Klewe, Gyuinasiallehrer.<br />

21. Knorr, Gymnasiallehrer.<br />

22. Dr. Kriiger, Gymnasiallehrer.<br />

23. Dr. Petersdorff, Oberlehrer.<br />

24. Dr. Scheibner, Gymnasiallehrer.<br />

25. Stettin, Rechtsanwalt.<br />

bei Belgard<br />

bei Callies<br />

in Cammin<br />

bei Casetow<br />

26. Wegner, Superintendent.<br />

27. v. K l ei st-Retzow, Ober-Präsident a. D.<br />

in Kieckow.<br />

28. v. Klitzing, Rittergutsbes. in Zuchow.<br />

29. Liipke, Archidiaconus.<br />

30. Kücken, Ziegclcibesitzer.<br />

31. Kücken, Ingenieur.<br />

32. Schenk, Pastor in Hohenselchow.<br />

bei Charlottenhos 33. Petersen, Ober-Amtmann in Drenolv.<br />

bei Clempenow 34. Gieseb recht, Pastor in Golchen.<br />

in Codram 35. Brandt, Königl. Oberamtniann.<br />

in Colberg 3li. Crusius, Generalmajor z. D.<br />

37. Meier, Zeichenlehrer.


492<br />

Einimdvievzigster Jahresbericht. I V.<br />

36. Prüft, Stadtrath und Kämmerer.<br />

39. Di'. Ziemer, Gymnasiallehrer.<br />

40. Di-. Schuffert, Gymnasiallehrer.<br />

41. Di-. Streit, Gymnasial-Director.<br />

42. Wegner, Kreisgerichtsrath.<br />

bei Colberg 43. v. Ramin, Rittergutsbes. in Iarchow.<br />

bei Cöslin 44. v. Kameke, Rittergutsbes. in Lustebuhr.<br />

45. Klawonn, Pastor in Bast.<br />

46. Lenz, Pastor in Tessin.<br />

bei Crössin 47. Kypke, Pastor in Naseband.<br />

in Daber 48. Wegner, Superintendent.<br />

bei Daber 49. v. Dewitz, Rittergutsbes. in Wussow.<br />

50 v. Dewitz-Krebs, Rittergutsbesitzer in<br />

Weitenhagen,<br />

in Demmin 51. Di-. Frank, Oberlehrer.<br />

52. Dr. insci. Stark, Pract. Arzt,<br />

bei Demmin 53. Graßmann, Pastor in Sophienhof.<br />

54. Baron v. Seckendorf, Rittergutsbesitzer<br />

in Brook.<br />

55. Schmidt, Pastor in Cartlow.<br />

bei Denzin 56. v. Zitze Witz, Rittergntsbes. in Bornzin.<br />

bei Dölitz 57. Eben, Rittergutsbesitzer in Linde.<br />

58. Schmidt, Pastor in Suckow.<br />

in Falkenburg 59. Plato, Ober-Prediger,<br />

in Ferdinandstein 60. Höppner, Lehrer,<br />

in Fiddichow 61. Herm. Glöde, Bürger,<br />

bei Fiddichow 62. Grundmann, Rittmeister a. D. in<br />

Lindow.<br />

63. Coste, Landschaftsrath in Brusenfelde.<br />

64. Baron v. Stein äcker, Rittergutsbesitzer iu<br />

Rosenfelde.<br />

bei Friedrichsgnade 65. Steffen, Gutsbesitzer in Instemin.<br />

in Gartz a. O. 66. Heydemann, Prem.-Lieuteuant.<br />

67. Krielke, Maurermeister,<br />

in Köuigsberg i. N. 68. Ramthun, Gymnasiallehrer.<br />

69. Nnnge, Hanptmann.


Beilage N. 493<br />

70. Di'. iu


494 Einnndmerzigster Jahresbericht. IV,<br />

in Iasenitz 102. Wegner, Pastor.<br />

in Lebbin 103. Franz Kü ster, Amtsvorsteher in Kalkofen.<br />

104. Hngo Küster, in Kalkofen,<br />

in Massow 105. Dr. moä. Fischer, Arzt,<br />

bei Massow 106. Rohrbeck, Rittergutsbes. in Müggenhall.<br />

107. v. Petersdorf, Rittergutsbesitzer in<br />

Buddendorf,<br />

bei Mittelfelde 108. Frcih. v. W an gen heim, Rittergutsbes.<br />

in Neulobitz.<br />

bei Naugard 109. Bar. v. Flemming, Erblandmarschall<br />

in Basenthin,<br />

bei Neumark i. P. 110. Obenaus, Pastor in Sinzlow.<br />

111. Rieck, Rittergutsbes. in Glien.<br />

bei Nörenberg 112. Dahms, Rittergutsbes. in Seegut,<br />

in Neustettin 113. Betge, Gymnasiallehrer.<br />

114. Baack, Gymnasiallehrer.<br />

115. Bind seil, Gymnasiallehrer.<br />

116. Bö hl au, Gymnasiallehrer.<br />

117. Blunk, Baumeister<br />

118. v. Vonin, Landrath.<br />

119. Beckmann, Baumeister.<br />

120. Beyer, Baumeister.<br />

121. Haake, Gymnasiallehrer.<br />

122. Di-. Hoff, Rathsherr.<br />

123. Hnth, Kaufmann.<br />

124. Kohlmann, Gymnasiallehrer.<br />

125. Di et le in, Prorector.<br />

126. Di'. Lehmann, Gymnasial-Direetor.<br />

127. Reclam, Gymnasiallehrer.<br />

128. Schmidt, Hauptm. und Catastercontroll.<br />

129. Spreer, Oberlehrer.<br />

130. Schünemann, Rechtsanwalt.<br />

131. Schirmeist er, Gymnasiallehrer.<br />

132. Schwanbeck, technischer Gymnasiallehrer.<br />

133. Wille, Gymnasiallehrer.<br />

134. Di-. Ziemßen, Oberlehrer.


Beilage N. 4^5<br />

bei ÄceuU'arp 135. v. Enckevort, Rittergutsbesitzer in<br />

Albrechtsyof.<br />

in Paselvalk 13l>. Graf v. Vismark-Bohlen, Premier-<br />

Lientenant.<br />

137. v. Enckeoort, Rittmeister.<br />

138. v. Winterfeldt, Premierlieutenant,<br />

ul Peneun 139. Sneeow, Lehrer.<br />

bei Plathe. 140. Havenstein, Pastor in Witzniitz.<br />

in Polzin 141. Richard N'ietardt, Kaufmaun.<br />

bei Polzin 142. v. V^antenffel, Rittergutsbesitzer und<br />

Mitglied des Herrenhanscs in Redet,<br />

bei Pricnchausen 143. Mühlenbcck, Rittergutsbesitzer<br />

in Gr. Wachlin.<br />

in Pyritz 144. Backe, Bnchhändler.<br />

145. Balcke, Gymnasiallehrer.<br />

146. Berg, Ober-Prediger.<br />

147. Dr. Blas end or ff, Oberlehrer.<br />

148. Brei tsprecher, Seminarlehrer.<br />

149. Ei sentra ut, Bankdirector.<br />

150. Dr. N0sl. Hartwig, Arzt.<br />

151. Di-. Kalmus, Prorector.<br />

152. Dr. Maskow, Gymuasiallchrer.<br />

153. Di-. Qio^. Möller, Arzt.<br />

154. E. Schreiber, Nankbuchhalter.<br />

155. T um me ley, Fabrikbesitzer.<br />

150. Wetzel, Rector und Hülfsprediger.<br />

157. G. Wetzel, Rector <strong>der</strong> Mädchenschule.<br />

158. Zietlow, Snperintendent.<br />

159. Di- Zin^ow, Gymnasialdireetor.<br />

bei Pyrw 1 l)0. Nehring, Rittergutsbesitzer in Rakitt.<br />

1 l)1. v. Schöning, Rittergutsb. iu Liibtow V.<br />

15, Gnst. Schnltz, Kaufniann.<br />

166. Hallen kleben, Heilgehülfe,


496 Eimmdmerzigstei Jahresbericht, IV.<br />

in<br />

in<br />

in<br />

lx'i<br />

in<br />

dci<br />

in<br />

in<br />

Rügenwalde<br />

Schivelbein<br />

Schlawe<br />

Schlawe<br />

Stargard<br />

Stargard<br />

Stepenitz<br />

Stettin<br />

167.<br />

168.<br />

169.<br />

170.<br />

171.<br />

172<br />

173<br />

174<br />

175.<br />

176.<br />

177.<br />

178.<br />

179.<br />

180.<br />

181.<br />

182.<br />

183.<br />

184.<br />

185.<br />

186.<br />

187.<br />

188.<br />

189.<br />

190.<br />

191.<br />

192.<br />

193.<br />

194.<br />

195.<br />

196.<br />

197.<br />

198.<br />

199.<br />

200,<br />

Hemptenmacher, Commerzienrath.<br />

v. Mellenthin, Kreisrichter.<br />

Waldow, Bnchdrnckereibesitzer.<br />

Di-. Crnsins, Kreis-Physicus.<br />

Brandenburg, Rechnungsführer in<br />

Adlich-Suckow.<br />

Berg haus, Hauptmann.<br />

Dr. Lothholz, Gymnasialdirector.<br />

Müller, Rentier und Stadtverordneter,<br />

v. Nickisch-Rosenegk, Landrath.<br />

Petrich, Gymnasiallehrer.<br />

Roh le<strong>der</strong> Gymnasiallehrer.<br />

Di'. Schmidt, Oberlehrer.<br />

Schwarze, Rector.<br />

Dr. Wiggert, Prorector.<br />

Dr. Ziegel, Gymnasiallehrer.<br />

Witzlow, Lieutenant und Rittergutsb.<br />

in Ferchland.<br />

Dr. uioä. Ger dt, Arzt.<br />

Holz, Referendar.<br />

Rahm, Oberförstercandidat.<br />

Richter, Oberförster.<br />

Tech, Domainenrath.<br />

Abel, Bankier.<br />

Allendorf, Kaufmann.<br />

Appel, Gutsbesitzer.<br />

Aron, Emil, Kaufmann.<br />

Baevenroth 36n., Kaufmann.<br />

Balsam, Stadtschulrath.<br />

Barsekow, Bankdirector.<br />

Bartels, Kaufmann.<br />

C. Becker, Kaufmann.<br />

Bennthsow, Kaufmann.<br />

Dr. Blümcke, Oberlehrer.<br />

Bock, Stadtrath.<br />

E. Böttcher, Kaufmann.


Beilage N. 497<br />

201. Botzow, Kaufmann.<br />

202. Bon, Ober-Regieruugsrath.<br />

203. v. Borcke, Vant'direetor.<br />

204. Bonrwig, Instizratb.<br />

205. Di. Brand, Arzt.<br />

206. Brc n n h a n sen, Banmeister.<br />

207. I)r. Brunn, Gymnasiallehrer.<br />

208. Bueck, Appellationsgerichtsrath.<br />

209. Di'. v. Biilou^, Staatsarchivar.<br />

210. v. Bunan, Reg.-Assessor.<br />

211. Di-. Carus, Consistorialrath.<br />

212. Di-. Clans, Oberlehrer.<br />

213. B. Cohn, Kaufmann.<br />

214. H. Dan nenberg, Buchhändler.<br />

215. Degner, Kaufmann.<br />

216. Denhard, Krcisgerichtsrath.<br />

21,8. Dekkert, Kanftnann.<br />

218. v. Delvin, Appellatwnsgerichtsrath.<br />

219. Di'. Dohrn .suli.<br />

220. v. Dücker, Köuigl. Forstmeister.<br />

221. Dr. Eckert, Oberlehrer.<br />

222. v. Fereutheil und Gruppeubcrg,<br />

Oen.-Lieutn. und Kommandant.<br />

223. Fischer v. Rös le r st a nnn , Redaetcur.<br />

224. Flügge, Rentier.<br />

225. Furbach, Iustizrath.<br />

226. Gadebuich, Stadtrath.<br />

227. Gehrkc, Divisiouspfarrer.<br />

227. Gentzensobn, Bnchdruckercibesitzer.<br />

229. G ies e brecht, Syndiens.<br />

230. Rud. Grauhe, Kaufmann.<br />

231. Di'. Graßinann, Gymnasiallehrer.<br />

232. E. Grefsrnl h, Kaufmann.<br />

233. Ori bel, General-Consnl.<br />

234. v. Groneseld, Ober-Negierilngsrath.<br />

235. N. Grundmann, Kaufmann.


498 Einunduierzigster Jahresbericht. IV.<br />

236. Dr. Haag, Oberlehrer.<br />

237. Haken, Ober-Bürgermeister.<br />

238. Hammerstein, Kreisrichter.<br />

239. Harms, Staatsanwalt.<br />

240. Heidenhain, Oberlehrer.<br />

241. Heinrich, Director.<br />

242. Hemptenmacheri, Kaufmann.<br />

243. Di-. Hering, Professor.<br />

244. v. Heyden-Cadow, Landesdirector.<br />

245. Hoffmann, Oberlehrer.<br />

246. Rob. Iahnke, Kaufmann.<br />

247. Iobst, Oberlehrer.<br />

248. Kabisch, Director.<br />

249. C. Kanzow, Kaufmann.<br />

250. v. Kameke, Major.<br />

251. Karkutsch, Kaufmann.<br />

252. Karow, Commerzieurath.<br />

253. Keßler, Kreisgerichts-Director.<br />

254. Kießling, Referendar.<br />

255. Kisker, Konsul.<br />

256. Knorrn, Rentier.<br />

257. Köhn, Staatsanwalt.<br />

258. Dr. König, Redacteur.<br />

259. Kossak, Baumeister.<br />

260. Krähn st över, Kaufmann.<br />

261. Kre ich, Kaufmann.<br />

262. Krummacher, Consistorialrath.<br />

263. Dr. Kühne, Oberlehrer.<br />

264. Küster, K. Forstmeister.<br />

265. Küster, Kreisgerichtsrath.<br />

266. Langhoff, Kaufmann.<br />

267. Latsch, Rector.<br />

268. Lebeling, Buchdruckereibesiher.<br />

269. Lemcke, Professor.<br />

270. Dr. Lieber, Oberlehrer.<br />

271. Lincke, Realschullehrer.


Beilage N. 499<br />

272. Dv. Löwe, Gymnasiallehrer.<br />

273. Lossius, Director.<br />

274. Mag nun a, Director.<br />

275. Di'. Marburg, Oberlehrer.<br />

270. Marqnardt, Medizinal-Assessor.<br />

277. Masche, Iustizrath.<br />

278. Metzel, Rentier.<br />

279. W. H. Meyer, Kaufmann.<br />

280. Isidor Meyer, Kaufmann.<br />

281. Milcntz, Kreisgerichtsrath.<br />

282. Mitzlaff, Kaufmann.<br />

283. Di'. jui-. Moll, Kreisrichtcr.<br />

284. Mügge, Inspcctor.<br />

285. Müller, Dircetor <strong>der</strong> Proviuzial-<br />

Zuckersie<strong>der</strong>ei.<br />

280. Müller, Prediger.<br />

287. v. d. Na hin er, Buchhändler.<br />

288. F. A. Otto, Kaufmann.<br />

289. E. Pietschmann, Kaufmann.<br />

290. Carl Julius Piper, Kaufmann.<br />

291. Pitfch, Professor.<br />

292. Pitzschky, Geh. Iustizrath.<br />

293. Fr. Pitzschky, Kaufmann.<br />

294. Di-. Prümers, Archivfecrctair.<br />

295. Rabbolu, Kaufmann.<br />

290. Rahm, Geh. Commerzienrath.<br />

296. v. R^dei, Kaufmann.<br />

298. Em. Richter, Kaufmaun.<br />

299. Rohlc<strong>der</strong>, Kaufmaun.<br />

300. Di-. Rühl, Gymnasiallehrer.<br />

301. Rusch, Hanptlehrcr.<br />

202. Dr. iu0ä. Sauerhering, Arzt.<br />

303. Saunier, Buchhäudler.<br />

304. Dr. ni(^ä. Schar lau, Arzt.<br />

3l>5. Scheut, Rector.<br />

30. Schi ff mann, Archidiaconus.


500 Einunduierzigster Jahresbericht. IV.<br />

307. F. F. Schiffmann, Kaufmann.<br />

308. Schinkc, Manrermeister.<br />

309. Schintke, Goldarbeiter.<br />

310. I)r. Schlegel, Realschullehrcr.<br />

311. Schlesack, Stadtrath.<br />

312. Schlichting, Kreisgerichtsrath.<br />

313. W. Schlutow, Geh. Commerzicnrath.<br />

314. A. Schlutow, Stadtrath.<br />

315. Th. Schmidt, Oberlehrer.<br />

316. Schmidt, Appellationsgcrichtsrath.<br />

317. Schreyer, Consnl.<br />

318. Sch ridde, Oberlehrer.<br />

319. Hellm. Schrö<strong>der</strong>, Kanfmann.<br />

320. v. Schrot ter, Kgl. Forstmeister.<br />

321. C. H. S. Schultz, Director.<br />

322. Fr. Leop. Schultz, Kanfmann.<br />

323. Schnltz, Prediger.<br />

324. Sehlmach er, Instizrath.<br />

325. Sievert, Dircctor.<br />

326. Silling, Kanfmann.<br />

327. Sotzmann, Kgl. Oberförster a. D.<br />

328 Sperling, Rentier.<br />

329. Di-. ia6ä. Steffen, Sanitätsrath.<br />

330. Steffen ha gen, Gymnasiallehrer.<br />

331. Steinmetz, Prediger.<br />

332. Svenbeck, Kanfmann.<br />

333. Thierry, Reichsbankkassirer.<br />

334. Thiem, Vankdirector.<br />

335. Ferd. Thiede, Kaufmann.<br />

336. Trieft, Ober-Regiernngsrath.<br />

337. v. Twardowski, Hauptmann.<br />

338. Uhfadel, Bankdirector.<br />

339. Wächter, Confnl.<br />

340. v. Warnstedt, Polizei-Präsident.<br />

341. Dr. Wegner, Schuluorsteher.<br />

342. Dr. E. Wegner, Arzt.


Beilage ^. 501<br />

343. N. Weguer, Kaufinauu.<br />

344. Wehmer, Kaufmann.<br />

345. Weigert, Kreisrichter.<br />

346. Di'. Neicker, Gi^nnasial-Direetor.<br />

347. Weise, Bürgermeister a. D.<br />

348. Dr. Wehr mann, Geh. Reg.-Nath.<br />

349. Wendlandt, Iusttzrath.<br />

350. Werner, Rechtsanwalt.<br />

351. Weyland, Kaufmann.<br />

352. Dr. W iß mann, Medizinalrath.<br />

353. Dr. Wol ff, Chef-Redacteur.<br />

354. A. H. Zan<strong>der</strong>, Kanfmann.<br />

355. v. Zcpelin, Hauptinann.<br />

bei Stettin 356. Kolbe, Rittergntsbcsitzer in Pritzlow.<br />

357. v. Ramin, Geh. Rath in Brnnn.<br />

358. Wetzel, Pastor in Mandelkow.<br />

in Stojenthin 359. Janezikowski, Lehrer.<br />

bei Stojenthiit 360. Wegner, Lehrer in Zipkolv.<br />

in Stolp i. P. 361. v. Home y er, Rittcrgntsbef.<br />

362. Pippow, Banmeister.<br />

363. v. Rcckow, General-Major z. D.<br />

bei Stolp i. P. 364. Arnold, Rittergutsbesitzer nnd Lientn.<br />

in Reetz.<br />

365. Trenbrod, Brcnnerei-Insp. in Gumbin.<br />

in Stolzenburg 366. I. Laß, Ortsuorstehcr.<br />

bei Tantow 367. Hüfenctt, Rittergutsbes. in Nadrense.<br />

bei Trainpkc 368. Abraham, Rittergutsb. iu Sasfenhagen.<br />

369. Rohrbeck, Rittergutsbef. in Sassenhagen.<br />

370. Kolbc, Rittergutsbes. iu Uchtenhagcn.<br />

in Trcptowa.R. 371. Boden st ein, Bürgermeister.<br />

372. Di-. Bo ut er weck, Gymnasial-Direetor.<br />

373. Calow, Kreisrichter und Landschafts-<br />

Syndieus.<br />

beiTreptowa.R. 374. v. Ramiu, Rittergntsdes. in Schwedt.<br />

375. Stumpf, Oberförster iu Grünhaus,<br />

iu TreptowaT. 376. Oelgardt, Courector.


502 Einundvierzigster Jahresbericht. IV.<br />

bnTreptowa.T. 377. Thilo, Pastor in Wer<strong>der</strong>.<br />

bei Uchtdorf 378. Agahd, Lehrer in Iägersfeldc.<br />

in Neckermünde 379. Graf v. Rittberg, Landrath.<br />

bei Ueckermünde 380. v. Enckev o rt,Rittergntsb. in Vogelsang.<br />

bei Vitzig 381. v. Zitzewitz, Nittergntsbes. in Zezenow.<br />

in Wangerin 382. Petermann, Zimmermeister.<br />

bei Wangerin 383. v. Pütt kam er, Rittmeister a. D.<br />

in Henkenhagen.<br />

in Wartenberg i. P. 384. Wentz, Superintendent,<br />

bei Wartenberg i. P. 385. Hildebrandt, Superintendent<br />

in Babbin.<br />

in Wolgast 386. Bödcher, Gymnasiallehrer.<br />

387. Herm. Witte, Kaufmann,<br />

bei Wolgast 388. Kasten, Pastor in Katzow.<br />

bei Wollin i. P. 389. Di'. Preußner, Dir. in Iordanhütte.<br />

bei Zinnowitz 390. Dieckmann, Pastor in Netzelkow.<br />

in Züllchow 391. Dr. nicxl. Steinbrück. Arzt.<br />

U. Außerhalb Pommerns.<br />

in Aachen 392. Paul, Hauptzollamts Assistent.<br />

inAngermnnde 393. Di'. Mathien, Pastor,<br />

in Barmen 394. Hasfe, Apothekenbesitzer.<br />

395. Schultz, Polizei-Inspeetor.<br />

in Berlin 396. A. Arndt, Lehrer.<br />

397. Bartz, Anstaltsprediger in Plötzensee.<br />

398. v. Corswandt, Rentier.<br />

399. Vrömel, Seeretair.<br />

400. I)r. incxl. Groß mann, Arzt.<br />

401. v. Heller mann, Rittmeister.<br />

402. v, Heller mann, Lieutenant.<br />

403. v. Kefsel, Major z. D.<br />

404. G. Iähnke, Bibliothekar an <strong>der</strong><br />

Unwersitäts-Vilbliothek.<br />

405. Oppenheim, Ober-Tribunalsrath.<br />

406. Der Pommern-Verein.<br />

407. v. Rönne, Stadtgerichtsrath.


in<br />

in<br />

Culm<br />

Danzig<br />

408<br />

409<br />

410<br />

411<br />

412<br />

413<br />

Beilage N. 503<br />

v. Somuitz, Prcmierlieutenant.<br />

Sllpprian, Seminar-Director.<br />

v. Zitzcwitz, Oberstlieutenant a. D.<br />

Faß mann, Gymnasiallehrer.<br />

Bertling, Arichidiaeonns und Stadtbibliothekar.<br />

Or. Gicsc, Lehrer a. d. Realschule zu<br />

St. Iohaun.<br />

in Glogau 414, Gallus, Rechtsanwalt.<br />

in Halle a. S. 415, Dr. Wehrmann, Gymnasiallehrer.<br />

in Iusterburg 410 H e nipel, Apftellationsgerichtsrath.<br />

in Kiel 417. Dr. Haupt, Professor.<br />

in Königsberg i. N, 418. v. Lühmann, Oberlehrer.<br />

beiKrziezanowitz 419, Weltzcl, Geistlicher Rath in Tworkau.<br />

in Lennep 420. Encke, Lehrer.<br />

in Lissa N.-P. 421, Knooft, Gymnasiallehrer.<br />

in Luckenwalde 422. Dr, M6ä. Klauiaun, Arzt.<br />

bei Psafsendors 423 E. Bahrjeld, Rittergutsb. uud Ort^^<br />

Vorsteher in Rieh-Ncucudorf.<br />

in Posen 424. v. Kuuowski, Uppcllatiousgerichts-Ches-<br />

Präsident.<br />

in Potsdam 425. v. Ücttow, Oberst im ersten Garde-<br />

Negllueut zu Fuß.<br />

in Schönsließ i. N. 426. Eick, Amtsrath in Steinwehr.<br />

in Siegen 427. Di'. Tägcrt, Direetor.<br />

in Sorau 428. Petcrsen, Oberförster.<br />

in Schnx'tz 429. M agunua, Staatsanwalt.<br />

in Tarnowih 430. I)r. Pfund hell er, Oberlehrer<br />

beiNeu-Trebbiu 431. Tesmar, Pastor in Alt-Trebbin.<br />

in Wiesbaden 432. Müller, Assessor a. D.<br />

in Würzburg 433, Di'. Schrö<strong>der</strong>, Professor.


504 Beilage 0.<br />

Beilage «3.<br />

Auszug aus <strong>der</strong> Rechnung für 1878.<br />

Einnahme,<br />

a) Aus Vorjahren:<br />

1. Kassenbestand ^. 214.74.<br />

2. Nestcinnahme<br />

d) Ans 1878:<br />

„ 740.33.<br />

1. Jahresbeiträge<br />

2. Unterstützungen<br />

„ 1274.—.<br />

des Staats „ 600.—.<br />

<strong>der</strong> Provinz „ 625.—.<br />

<strong>der</strong> Stadt Stettin „ 600.—.<br />

des Nsedom-Wolliner Kreises . . . „ 50.—.<br />

des Prinzen Carl von Preußeu . . „ 36.—.<br />

<strong>der</strong> Stadt Colberg „ 15.—.<br />

des Wissensch. Vereins in Cöslin . . „ 20.—.<br />

3. Zinsen „ 171.—.<br />

4. Erstattete Porti „ 18.15.<br />

5. Für Baltische Studien „ 1392.—.<br />

6. Diverse „ 546.85.<br />

Ausgabe.<br />

Ankauf von Münzen


-<br />

Diese Zeitschrift erscheint in Vierteljahrsheften nnd kostet<br />

im Buchhandel 4,50 Mark <strong>der</strong> Jahrgang. Aelterc Jahrgänge<br />

bis XX. incl. werden mit Ausnahme von I, II, XII 2, XX11,<br />

welche vergriffen sind, zu herabgesetzten Preisen, <strong>der</strong> Jahrgang<br />

zu 1,50 Mark, verkauft, und sind zu beziehen durch den<br />

Hauptlehrer Rusch hier, Iohannishof 1—2.<br />

Die geehrten Mitglie<strong>der</strong> ersuchen wir, ihre Geldsendungen<br />

nicht an die Gesellschaft für Ponnu. Gesch. :c., son<strong>der</strong>n<br />

an den Oberlehrer Di'. Kühne, Hohenz ollernst<br />

raß e 8, alle an<strong>der</strong>en Zusendungen und Correspondcnzen an<br />

den Professor öemcke, Königsftlatz 12, adressiren zu wollen.<br />

Im Verlage von H. DlltMenberg in Stettin ist erschienen<br />

nnd durch jede Vuchhandluug zu beziehen:<br />

Die Königin Lnise in Pommern, von<br />

Dr. Vlasendorff, Oberlehrer am Gymnasium zu Pyritz.<br />

Preis 1 Mark.<br />

Der Ertrag <strong>der</strong> Schrift ist bestimmt für die Waisenkasfe<br />

<strong>der</strong> Lehrer an den höheren Schulen Pommerns.

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