Alterthumskunde. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald
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attische Studien.<br />
Herausgegeben<br />
uon <strong>der</strong><br />
Gesellschaft für Pommersche Geschichte<br />
und<br />
<strong>Alterthumskunde</strong>.<br />
!)! e u n u n d z w a n z i g st e r Jahrgang, ' ^ > l ! -<br />
Stettin, 1879.<br />
Ans Kosten und ini Nerlagc <strong>der</strong> Gesellschaft.
Inhalts-Verzeichniß des 29. Jahrgangs.<br />
u. Vülow: Inventarien von Wildenbruch . . . . . 1—32<br />
Pastor Kasten! Der Vurgwall in <strong>der</strong> Prägel.... 33—49<br />
v. Bülow: Klosterordnung von Wollin und Marienssieß 50—62<br />
Dr. Vlasendorff: Die Königin Louise in Pommern , 63—64<br />
Derselbe: Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit . . . 65—76<br />
I. L. Löffler: Die Klosterkirche zu Bergen auf Rügen 77—114<br />
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II 115—142<br />
v. Vülow: Kleinodiendiebstahl ans dem herzoglichen<br />
Schlosse zu Stettin 1574 143—166<br />
Iul. Mueller: Venetianische Actenstücke zur Geschichte<br />
vou Herzog Bogislavs X. Reise in den Orient im<br />
Jahre 1497 167—298<br />
Or. N, Prümers: Caminer Kirchenglocken 299—303<br />
Einundvierzigster Jahresbericht. III. 304—310<br />
Oi-< Kühne: Das Hundekorn 311—455<br />
v. Vülow: Verlassenschaftsinventar <strong>der</strong> Herzogin Sophie<br />
von Pommern 456—465<br />
v. Vülow: Eine tartarifche Gesandtschaft 465^469<br />
v. Vülow: Sittenpolizeiliches aus dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t 470<br />
Einuudvierzigster Jahresbericht. IV. und Schluß . . . 471—504
Mitglie<strong>der</strong>, welche im Besitz älterer Jahrgänge, beson<strong>der</strong>s I., II.,.XII. 2, XXI. 1, XXIV.<br />
und XXVIII. <strong>der</strong> Valt. Studien sind und kein beson<strong>der</strong>es Interesse an denselben haben, werden hoflichst<br />
ersucht, sie entwe<strong>der</strong> gratis o<strong>der</strong> gegen einen zu verabredenden Preis <strong>der</strong> Gesellschaft zu überlassen.<br />
Der Vorstand.
Inhalts-Verzeichnis<br />
S.<br />
v. Bülow: Inventarien von Wildenbrnch 1—32<br />
Pastor Kasten: Der Burgwall in <strong>der</strong> Prägel.... 33—49<br />
v. Bülow: Klosterordnung von Wollin nnd Marienflieh 50—62<br />
Dr. Blasend or ff: Die Königin Louise in Pommern . 63—64<br />
Derselbe: Ans <strong>der</strong> Franzosenzeit 65—76<br />
I. L. Löffler: Die Klosterkirche zn Bergen auf Rügen 77—114<br />
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II 115—142
Inventarien<br />
<strong>der</strong> S. Johanniterordenscomthnrei Wildenbruch<br />
aus dcu Jahren 154? und 1560.<br />
Mitgetheilt von Di'. v. Vülow, Staatsarchivar.<br />
Die Herrschaft Wi ldenbruch<br />
^V^IdOndi'nolio) gehörte zum Lande Bahn, welches Herzog<br />
Barnim I. von Pommern durch eine zu Spandan am 28. Dez.<br />
1234 ausgestellte Urkunde ^) an diesem Tage dem Orden <strong>der</strong><br />
Tempelherren Zur Unterstützung des heiligen Landes verlieh,<br />
wobei er demselben auch die Marktgerechtigkcit und Gerichtsbarkeit<br />
über das ganze Territorium übergab. Nach Aufhebung<br />
des Ordens dnrch den Papst Clemens V. kam mit dem Hauptorte<br />
<strong>der</strong> Landschaft nnd mehreren Dörfern anch Wildenbruch<br />
im Jahre 1312 2) an den Iohanniterorden, <strong>der</strong> in Folge eines<br />
Streites mit <strong>der</strong> Stadt Königsberg i. N. die Comthurei von<br />
dem dnrch die Bürger in Brand gesteckten Ordenssitze Nörchen<br />
weg nach Wi ldenbruch verlegte, welches von da an bis zu<br />
seiner Sä'cularisirnng einem hohen Ordensbeamten zur Residenz<br />
gedient hat. Die Urknnde <strong>der</strong> Verlegung datirt vom<br />
16. April 1382 ^).<br />
Wegen <strong>der</strong> in Pommern gelegenen Güter war <strong>der</strong> Orden<br />
') Pomm. Urkundenbuch I, Nr. 308 und 309.<br />
2) Nicht 1311. Obgleich Kratz, die Städte Pommerns, Seite 20<br />
deu vou Guudliug (Pomm. Atlas v. 1724, Seite 94) begangenen und<br />
von Vrnggemann (Beschreibung von Hinterpommern II Seite 73)<br />
wie<strong>der</strong>holten Fehler in <strong>der</strong> Jahreszahl dieses Vesitzwechsels aufgedeckt<br />
hat, so wird <strong>der</strong>selbe doch immer wie<strong>der</strong> nachgeschrieben, z. V. in<br />
Bcrghans Landbnch von Pommern II, 3, Seite 173.<br />
3) Varthold, Gesch. von Pommern lll, Seite 500.<br />
1
2 v. Vülow,<br />
den Herzogen mit Lehnpflicht verwandt, beson<strong>der</strong>s mußten die<br />
Comthure von Wildenbruch zur Beschirmung <strong>der</strong> Landesgrenzen<br />
zwischen O<strong>der</strong> und Randow sich verpflichten, und wenn auch<br />
bei <strong>der</strong> durch die Reformation herbeigeführten Umgestaltung<br />
<strong>der</strong> Verhältnisse <strong>der</strong> Orden den Versuch machte, sich seiner<br />
Obliegenheiten als pommerscher Vasall zu entledigen (1544),<br />
so mißlang dies doch vollständig. Wäre <strong>der</strong> Vorschlag' des<br />
Landtags zu Treptow vom Herzog angenommen worden, so<br />
hätte <strong>der</strong> Comthur zu Wildenbruch mit <strong>der</strong> Einziehung <strong>der</strong><br />
Ordensgüter büßen müssen, so aber gelang es dem Herrenmeister<br />
Thomas Runge, einem geborenen Pommer, wie<strong>der</strong> einzulenken,<br />
so daß mit einem am 26. Sept. 1547 zu Wolgast<br />
abgeschlossenen Vertrag die alten Verhältnisse wie<strong>der</strong> zurückkehrten,<br />
jedoch nach Maßgabe des neuen Glaubensbekenntnisses^).<br />
Durch den Iasenitzer Erbvertrag vom 25. Juli 1569 kam<br />
die Comthure: Wildenbruch mit allem Zubehör an den „Ort<br />
Wolgast", im westphälischen Frieden aber wurde sie säcularisirt,<br />
wechselte mehrmals die Besitzer, bis die Kurfürstin Dorothea<br />
die Herrschaft kaufte, wonach dieselbe einen Theil <strong>der</strong> neugebildeten<br />
Markgrafschaft Schwedt ausmachte.<br />
Als Comthure von Wildenbruchkommenbis1544vor:<br />
Degenhard von Predöl, 1406. . . Riedel I. xiv. S. 294.<br />
Michael van <strong>der</strong> Büke, 1407. . .<br />
Gedeke Schulte, 1413<br />
Nicolaus von Tirbach, 1435. . .<br />
Hans van <strong>der</strong> Büke, 1440. . . .<br />
Caspar von Güntersberg, 1460. .<br />
Otto von Vlankenburg, 1478. . .<br />
Bernd von Rohr, 1492. . . .<br />
Gottschalk von Veltheun, 1527. .<br />
Balthasar von <strong>der</strong> Marwitz, 1544.<br />
Wegen des letztgenannten entstanden ernste MißHelligkeiten<br />
zwischen dem Orden und dem Herzog Philipp I. von Pommern,<br />
„ „<br />
„<br />
II.<br />
„<br />
l.<br />
„ „<br />
„<br />
VI.<br />
XIX.<br />
V.<br />
VI.<br />
XXIV.<br />
„ 298.<br />
„ 313.<br />
„ 42.<br />
„ 343.<br />
„ 64.<br />
„ 406.<br />
„ 478.<br />
„ 345.<br />
.. 247.<br />
4) Barthold IV. 2. Seile 319. Dähnert Forts. I. Seite 918.<br />
Gadebusch Samml. I. Seite 276.
Inventarien von Wildenbruch.<br />
welcher nach Gottschalk von Veltheims Tode (etwa 1543)<br />
seinen Kanzler Balthasar von Waldow zum Nachfolger<br />
ernannt sehen wollte, und da ihm nicht gewillfahrtet<br />
wurde, die Comthureigüter einzog und durch jährlich wechselnde<br />
Beamte verwalten ließ. Obgleich die Acten darüber nichts<br />
verlauten lassen, so muß <strong>der</strong> Herzog doch positive Ursache <strong>der</strong><br />
Unzufriedenheit mit Balthasar von <strong>der</strong> Marwitz gehabt haben,<br />
und nach dem vorhin Gesagten werden wir dieselbe eben in<br />
dem Bestreben des Ordens suchen müssen, die Lehnspflicht los<br />
zu werden ^). Der Orden wußte sich in diesem Streit übrigens<br />
kräftige Beihülfe zu verschaffen, indem ihm nicht nur die Kurfürsten<br />
Joachim und Johann von Brandenburg ihre Vermittelung<br />
versprachen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kaiser selbst unter dem<br />
1. Juli 1545 von Worms aus ein scharfes Mandat an den<br />
Herzog Philipp erließ, den Comthur in feinem Besitz nicht zu<br />
stören. Den brandenburgischen Fürsten gelang es, eine Verständigung<br />
zu erzielen, denn schon vor dem schließlichcn Vertrag<br />
vom 26. Sept. 1547 erklärte sich Philipp mit <strong>der</strong> Person des<br />
Balthasar von <strong>der</strong> Marwitz als Comthur einverstanden unter<br />
<strong>der</strong> Bedingung, daß künftig immer nur eine den Herzogen von<br />
Pommern genehme Person evangelischer Religion zum Comthur<br />
ernannt werde, wogegen <strong>der</strong> neue Herreumeister Thomas Runge<br />
die fortgesetzte Leistung <strong>der</strong> Pflichten eines getreuen Lehns-<br />
2) Eine Urkunde vom 1. Ott. 1544 (Riedel, ^oä. 6p<br />
I. XXIV. Seite 24?) belehrt uns, daß auch wegen <strong>der</strong> Commende<br />
Zachan ein ähnlicher Streit zwischen dem Orden und dem Landesherrn<br />
schwebte, denn in <strong>der</strong>selben giebt <strong>der</strong> Herrenmeister Joachim v. Arnim<br />
zu Sonnenburg in Gemäßheit eines Capitelbeschlusses den Comthuren<br />
zu Lagow und Wildenbruch, Andreas v. Schlichen und Balthasar vd.<br />
Marwitz Vollmacht, die Commende Zachan zu verkaufen „wegen<br />
Beschwerde mit Herzog von Pommern, desgleichen Wildenbruch, so<br />
Pommern noch vor Meisters Tode eingenommen." Der Verkauf von<br />
Zachan fand 26. Jan. (23. März) 1545) an den stettiner Hofmarschall<br />
Wolf v. Vorck statt (Staatsarchiv zu Stettin: 0ri^. Dnc. Nr. 608<br />
und ?riv. Nr. 423.) Wolf v. Borck war am 8. Dez. 1541 vom<br />
Herzog Barnim zum Hofmarschall zunächst auf drei Jahre angenommen<br />
worden. (Ebenda Ori^. Duo. Nr. 592.)
4 u. Vülow,<br />
manns nnd herzoglichen Rathes seitens des Comthnrs verheißt.<br />
Diese Vereinbarung geschah zn Wolgast am 28. Febr. 1547^).<br />
Ans <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> herzoglichen Besitzergreifung finden sich<br />
in den Aeten des König!. Staatsarchivs zn Stettin mehrere<br />
Inventarien von Wildenbrnch, denen die nachstehenden<br />
Mittheilungen entnommen sind?). Der erste vom Herzog<br />
Philipp eingesetzte Beamte war Jürgen von Arnim, er<br />
blieb bis zn Iohannis 1545 und übergab bei seinem Abgange<br />
das Ordenshaus nnd die dazu gehörigen Schäfereien und Vorwerke<br />
Thänsdorf nnd Rörchen sammt allem Inventar seinem<br />
Nachfolger Nicolaus von Selchow. Das von beiden gemeinsam,<br />
„als Jürgen von Arnhim afftoch" aufgenommene<br />
Verzeichniß datirt von Montag vor Iohannis Baptistae<br />
(22. Juni) 1545. Auch Nicolaus von Selchow blieb nnr<br />
ein Jahr, und das von ihm hinterlassene, vom Freitag in den<br />
Pfingsten (18. Inni) 1546 datirte Verzeichniß, „darin vortekent<br />
alles, so van Nickel Szelcho up deme Huße tho Wildenbrugk<br />
na synem Nfftage vorbleven, alße he ein Iar lanck un<strong>der</strong><br />
Handt gehat hefft" zeigt nur geringe Verschiedenheit von dem<br />
vorigen. Das dritte Inventar gehört <strong>der</strong> Zeit an, als die<br />
mit Beschlag belegten Ordensgüter wie<strong>der</strong> an den früheren<br />
Besitzer zurückgegeben werden sollten, es datirt vom Sonnabend<br />
nach Michaelis (1. Oct.) 1547 und wurde durch des Herzogs<br />
Philipp I. Räthe und des Herrenmeisters dazu verordnete<br />
Commissarien gemeinsam aufgenommen. Man scheint nicht<br />
ganz gut mit dieser Arbeit zu Stande gekommen zn sein, denn es<br />
existiren drei verschiedene Redactionen dieses Inventars, welche<br />
nnr wenig Übereinstimmendes haben. Das hier abgedruckte<br />
ist das ausführlichste. Dreizehn Jahre später, 1560, starb<br />
<strong>der</strong> Comthnr Andreas von Blumenthals) ^ Unterlassung<br />
von „ungeferlich fast ihn die fünfftausent Gnlden" Schulden,<br />
«) Staatsarchiv zn Stettin: Wolg. Arch. Tit. 73, Nr. 84, vol. I.<br />
') Ebenda: Wolg. Arch. Tit. 73, Nr. 111.<br />
6) Ebenda. Ob Vlumenthal <strong>der</strong> dirette Nachfolger von Marwitz<br />
gewesen, o<strong>der</strong> ob zwischen beiden noch ein Wechsel stattgefunden hat,<br />
ist nicht ersichtlich.
Inventarien von Wildenbruch. 5<br />
von denen seine Verwandten nur 870 Gulden ans sich nehmen<br />
zn wollen erklärten. Mit Zustimmung des Herzogs Johann<br />
Friedrich von Pommern wurde Martin von Wedels zu<br />
seinem Nachfolger bestimmt, und ihm die Comthurci unter <strong>der</strong><br />
Bedingnng cingethan, daß er die Schulden von dem nach dem<br />
alten Inventar von 1547 Vorhandenen bezahlen solle.<br />
Zu dem Zweck wurde eine Zusammenstellung des Vorraths von<br />
1560 mit einem <strong>der</strong> Inventare von 1547 gemacht^), dieselbe<br />
ist aber, was das letztgenannte Jahr anlangt, höchst dürftig,<br />
und enthält fast nnr leere Eolumucn. Interessanter ist das<br />
Inventar von )560, von dem außer iu <strong>der</strong> erwähnten Zusammenstellung<br />
noch eine zweite Version mit geringen Abweichungen<br />
bei den Acten anfbewahrt wird.<br />
Endlich existirt noch ein Inventar vom Jahre 1576,<br />
nach Absterben des Comthnrs Martin v. Wedel durch die<br />
herzoglich pommerfchen Räthe und die Abgeordneten des Herrenmeisters<br />
Martin Grafen von Hohcnstein am l7. Jan. d. I.<br />
aufgenommen. Es interessirt namentlich durch die dariu enthaltene<br />
sehr genaue Bezeichnung <strong>der</strong> einzelnen Zimmer und<br />
Gemächer, so daß wir an seiner Hand einen Gang durch die<br />
von einem <strong>der</strong> vornehmsten Edlen Pommerns bewohnten Räume<br />
machen können und ein ziemlich genaues Bild <strong>der</strong> inneren<br />
Einrichtung des alten Ordensschlosses zn jener Zeit gewinnen.<br />
Seitdem hat dasselbe freilich viele Verän<strong>der</strong>ungen erfahren,<br />
seine Wohn- nnd Wirthschaftsräume sind den Bedürfnissen<br />
einer neuen Zeit angepaßt worden und haben den Charakter<br />
einer wehrhaften Bnrg verloren, <strong>der</strong> einzige Zenge <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
dürfte <strong>der</strong> alte Wartthurm sein, <strong>der</strong> noch heut<br />
neben dem Hauptgebäude sich erhebt. Betrat man vor 300<br />
Jahren die Eomthnrei Wildenbruch, so empfing den Eintretenden,<br />
wenn er den Graben und das befestigte Thorhaus<br />
hinter sich hatte, im eigentlichen Wohngebäude zuerst „die<br />
") f Ende 15>75.<br />
'") Staatsarchiv zu Stettin: Wolg. Arch. Tit. 7^ Nr. I11:Vcsse-<br />
rnnge undt Menge! bey<strong>der</strong> Inventarien des Hansses Wildenbrnch, eins<br />
Anno :c. M^vii, das an<strong>der</strong> Ao. lx uffgerichtet.
6 v. Bülow,<br />
Hofstube", eine Art gemeinsames Gemach o<strong>der</strong> Halle, mit<br />
an <strong>der</strong> Wand herumlaufenden Bänken, mehreren Tischen und<br />
einem Hängeleuchter. Dies war <strong>der</strong> Aufenthaltsort eines Theils<br />
<strong>der</strong> reisigen Knechte und des Gesindes, hier traten auch die<br />
von an<strong>der</strong>wärts gesandten Voten und Diener ein und warteten<br />
<strong>der</strong> Abfertigung. Dann kam ebenfalls im Erdgeschoß „des<br />
Comthurs Zimmer", mit einer daran stoßenden Kammer<br />
als Schlafgemach, nach dem „ganzen und halben Himmelbett"<br />
zu urtheilen, die darin aufgestellt waren. Diese Kammer<br />
ist wohl identisch mit <strong>der</strong> im Inventar von 1547 an dieser<br />
Stelle genannten „finstern Kammer". Der übrige Theil<br />
des Erdgeschosses mag Wirthschaftszwecken gedient haben. Der<br />
Comthur hatte im ersten Stock noch ein Zimmer „über <strong>der</strong><br />
Hofstube", welches jedoch gelegentlich auch als Gastzimmer benutzt<br />
worden zu sein scheint (1547). Gleiche Bestimmung<br />
werden zwei Zimmer gehabt haben, die als „nächste Kammer<br />
bei dem Seiger" und als „Vor<strong>der</strong>kammer nächst <strong>der</strong> Seigerkammer"<br />
bezeichnet werden; im Inventar von 1547 tragen sie<br />
die Namen von Ordensglie<strong>der</strong>n: „Herrn Hans Rohrs Kammer",<br />
„Ruuges Kammer", und „Johann Werbelows Kammer". Kam<br />
noch vornehmerer, landesherrlicher Besuch, so wurde er in<br />
„des Fürsten Gemach" (1547) aufgenommen, worunter<br />
wohl das später (1570) sogenannte „obere vertäfelte<br />
Gemach" mit feinen zwei zu beiden Seiten gelegenen Kammern<br />
zu verstehen ist, <strong>der</strong>en eine „die grüne Kammer" hieß.<br />
Außerdem gab es noch eine „grüne Stube" und eine<br />
„lehmen Kammer", letztere so bezeichnet, weil ihre Wände<br />
nicht mit Kalk verputzt, son<strong>der</strong>n nur mit Lehm ausgestrichen<br />
waren. Das zu jeuer Zeit kein Luxus mit großeu o<strong>der</strong> elegaut<br />
ausgestatteten Wohnungen gemacht wurde, und daß heut <strong>der</strong><br />
Bürger oft geräumiger und besser eingerichtet ist, als damals<br />
ein Fürst, ist bekannt und zeigt sich hier bestätigt, denn das<br />
Fürstengemach besitzt an Meublen im Jahre 1547 nur zwei<br />
Tische uud vier Bänke; keine Hängeleuchter o<strong>der</strong> Gemälde verzierten<br />
dasselbe, und das Einzige, was 1576 im oberen vertäfelten<br />
Gemach als Luxusgegenstand bezeichnet werden könnte,
Inventarien von Wildenbruch. 7<br />
ist ein grüner, wollener Teppich über den Tisch. Nur ein<br />
Ofen wird namhaft gemacht, er stand in dem Raum vor <strong>der</strong><br />
Hofstube, und reichte in diefe hinein, die er vielleicht von außen<br />
heizte. Selbstverständlich darf man aber daraus nicht schließen,<br />
daß es keine weiteren im Haufe gab. Zur Bequemlichkeit<br />
dienten allerdings die vielfach verzeichneten Polster und Le<strong>der</strong>kissen,<br />
doch ist dabei zu bedenken, daß gepolsterte Sessel o<strong>der</strong><br />
Bänke zu den Seltenheiten gehörten, und jene Kissen dazu<br />
waren, das Sitzen auf den harten Holz- o<strong>der</strong> Steinbänken erträglicher<br />
zu machen. „Lehnbänke" sind nur wenige verzeichnet<br />
und das heut zu Tage übliche halbe Dutzend Stühle in jedem<br />
Zimmer war unbekannt. Ein o<strong>der</strong> zwei Stühle o<strong>der</strong> Sessel<br />
genügten im Gemach, da die an <strong>der</strong> ganzen Wand entlang<br />
gehende Bank nur felten fehlte. Wie an<strong>der</strong>wärts fo vermissen<br />
wir auch hier die vielen Gegenstände mancherlei Art, mit denen<br />
wir gegenwärtig unsre Zimmer wohnlich machen und schmücken;<br />
so kommen, um nur einen zu nennen, „gemalte Tafeln", d. h.<br />
Gemälde nur zwei o<strong>der</strong> drei Mal vor. Man darf diesen<br />
Mangel nicht dadurch erklären wollen, daß diese Gegenstände<br />
Privateigenthum des jedesmaligen Inhabers <strong>der</strong> Eomthurei<br />
waren und nicht mit verzeichnet wurden, denn die Inventarisirung<br />
erstreckte sich auch auf die Klei<strong>der</strong> und Leibwäsche des Eomthurs,<br />
und in <strong>der</strong> That wurden in seinem Gemach mancherlei Dinge<br />
gefunden, die, fei es zum Gebrauch o<strong>der</strong> zur Zier, auch unsre<br />
Zimmer in <strong>der</strong> Gegenwart füllen, aber sie standen und lagen<br />
nicht offen da, son<strong>der</strong>n stacken in großen Kisten im wirren<br />
Durcheinan<strong>der</strong> mit Vorräthcn aller Art, Waffen, Geschirr zu<br />
Ehren und Unehrcn und dgl.<br />
Viel mehr Werth legte man dagegen auf die Wehrhaftigkeit<br />
des Haufes und feiner Bewohner, und nach diefer<br />
Seite hin läßt die Comthurei Wildenbruch denn auch nichts<br />
zu wünschen übrig, vielmehr finden wir Alles, was zur Vertheidigung<br />
eines so wichtigen Platzes wie das Ordensschloß<br />
gehörte, in reichlicher Menge vorhanden. Einen großen Theil<br />
seiner Festigkeit verdankte dasselbe freilich seiner Lage am See,<br />
<strong>der</strong> von drei Seiten das Andringen feindlicher Macht ver-
8 v. Bülow,<br />
hin<strong>der</strong>te; aber anch die 5lllilst hatte znr Sicherung <strong>der</strong> Belvohner<br />
das ihrige beigetragen, ein aufgeworfener Graben mit<br />
Wall und Mauer schützte vou <strong>der</strong> Landseite. Auf <strong>der</strong> „Außcuniauer"<br />
waren znnächst „vier Karrenbüchseu", d. h. Kanonen<br />
inehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> schweren Kalibers, auf Lafetten aufgestellt,<br />
die nöthige Munition dazn fand sich in <strong>der</strong> „Zeugkammer",<br />
die ebenfalls auf o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Anßenmauer sich befand, denn<br />
die vier Karrenbüchsen werden als „neben <strong>der</strong> Zeugkammer"<br />
aufgestellt bezeichnet. Letztere enthielt auch eine große Anzahl<br />
„Haken", d. h. kleinere Geschütze auf Rä<strong>der</strong>n, nach An<strong>der</strong>n<br />
eine Handkanone; ferner „Handrohre" zur Abwehr einzeln Anstürmen<strong>der</strong><br />
und eine Menge Formen zum Kugelgießen. Das<br />
„Thor" war beson<strong>der</strong>s befestigt, es hatte über dem Erdgeschoß<br />
mindestens noch ein Stockwerk und konnte einem nicht zu heftigen<br />
Angriff selbständig wi<strong>der</strong>stehen. Der Comthnr hatte ein eigenes<br />
„Gemach auf dem Thorhause" (1576), von dem aus er den<br />
Angreifer übersehen und die Abwehr leiten konnte. Das Thorhaus<br />
wird daher auch „das Vorschloß" genannt und zwei<br />
Doppelhaken dienten zn seiner Vertheidigung. Als zweites<br />
Befestigungswerk ist die „Bastei" zu nennen; ihre Lage war<br />
aber nicht, wie man denken sollte, weit nach außen hin als<br />
vorgebaute Schanze, vielmehr ging sie nach dem Hof zu, auch<br />
war kein Geschütz daselbst angebracht. Sie hatte ein oberes<br />
Stockwerk mit mehreren gemalten Zimmern, die Befestigung<br />
bestand also vielleicht nur in einem dickgemauerten Erdgeschoß.<br />
Im Schloß befand und befindet sich jetzt noch eine „Kapelle" ;<br />
auch sie konnte im Nothfall vertheidignngsfähig gemacht werden,<br />
denn 1576 werden „vier Stücke Geschütz über <strong>der</strong> Capellen<br />
o<strong>der</strong> Kirchen" erwähnt. Das Centrum aber <strong>der</strong> Vertheidigung,<br />
die letzte Zuflucht <strong>der</strong> Belagerten, wenn das Thor uud Vorschloß<br />
gefallen, die Mauer erstürmt war, nnd <strong>der</strong> Hof von<br />
Feinden wimmelte, welche die Brandfackel in die Gebäude zu<br />
werfen sich anschickten, war <strong>der</strong> starke uud feste „Thurm", dem<br />
das Feuer nichts anthat und dessen flaches Dach von nuten<br />
her nicht beschossen werden konnte. Er war mit einem Falkonet<br />
auf Rä<strong>der</strong>n nnd zwei Doppelhaken besetzt, anch befand sich
Inventarien von Wildendruch. 9<br />
einiger Pnlvervorrath oben. Hier auf <strong>der</strong> einen weiten Rund-<br />
blick gestattenden Hohe war auch <strong>der</strong> „Hausmann" o<strong>der</strong> Thurm-<br />
wächter Postirt, <strong>der</strong> von dort aus auszuschauen hatte nnd wenn<br />
er Verdächtiges erspähte, mit dem Horn ein Zeichen geben<br />
mnßte. 1576 stand ihm dazu lei<strong>der</strong> nur „1 Tromette ohne<br />
Mnndstücke" znr Disposition. Das eigentliche Wachtpersonal<br />
befand sich am Thor im „Vorschloß", wo es, um sich bei rauher<br />
Jahreszeit vor Kälte zu schützen, „2 Wechterpclze" Vorsand.<br />
Die Waffen für deli täglichen Dienst in Friedenszeit lagen<br />
„vor <strong>der</strong> Hofstnbe" in einem „Harnischkasten", daneben lehnten<br />
die nöthigen Spieße und Stangen. Das Arsenal des<br />
Schlosses aber, ans welchem die Ritter nnd die reisige Mann-<br />
schaft des Ordens fammt dem Fußvolk und den Schützen be-<br />
waffnet und zu einem Kriegszug vollständig gerüstet werden<br />
komrten, war „die Harnischkammer". Hier ist zunächst die<br />
volle Rüstnng, „<strong>der</strong> Kyritzer" o<strong>der</strong> Küraß, des Comthurs zu<br />
nennen, dann die stählernen Sättel und Stirnen für die Streit-<br />
rosse, vier vollständige Rüstzeuge mit allem Zubehör, Haupt-<br />
harnisch, Ringkragcn 3e., die Ausrüstung für sieben Schützen,<br />
dazu eiue Menge Harnische, Pickelhauben, kurze und lange<br />
Schwerter, Dreiecker, Pö'cke, Streithammer, Bogen von Horn<br />
und Stahl und die Winden dazu, Köcher für die Pfeile neben<br />
den Fenergewehren, Haken nnd Büchsen, Ladestöcke zum groben<br />
Gefchütz sammt den Lunten, ein großer Kugclvorrath nebst<br />
Formen, um neue zu gießen, Pulver und Schwefel in Menge.<br />
Nach gemachtem Gebrauch wurde Alles wie<strong>der</strong> hichergebracht,<br />
wo man Vorrichtnngen hatte, um erlittene Schäden auszubessern,<br />
das Ringzeng zu reinigen, die Rüstnngen mit Fett einzufchmieren ?e.<br />
Der Pnlvcrvorrath ist übrigens über das ganze Gebäude vertheilt,<br />
außer an den genannten Orten, wo er hingehört und erwartet<br />
werden kann, trifft man ihn auch an<strong>der</strong>wärts, bald in des<br />
Comthnrs Kammer, in den Gastzimmern, hier und da in einem<br />
Kasten in größerer o<strong>der</strong> geringerer Menge; ob aus Nachlässigkeit<br />
o<strong>der</strong> mit Absicht, mag dahin gestellt bleiben.<br />
Daß in ruhigen Zeiten die friedliche Beschäftigung mit<br />
Jagd und Fischerei eisrig getrieben wurde, davon geben
10 v. Vülow,<br />
die vorhandenen Gerätschaften Zengniß. Theils mit dem<br />
„Pirschrohr", theils mit dem „Knebelspieß" wurde Feld und<br />
Wald von <strong>der</strong> fröhlichen Iägerschaar durchstreift, öfter noch<br />
wurde still ani Vogelheerd die arglose Schaar <strong>der</strong> muntern<br />
Sänger o<strong>der</strong> die vom langen Wan<strong>der</strong>flnge ermüdet einfallende<br />
Kette <strong>der</strong> Enten überlistet, o<strong>der</strong> es wurde <strong>der</strong> große Jagdzeug,<br />
die „Wildtücher", „Reh- und Hasennetze" zu einem gestellten<br />
Jagen hinausgefahren. Die kleinere Jagdbeute ward<br />
in die Küche geliefert und verschwand in den großen Kesseln,<br />
von den größeren Jagden stammen die „Bärenhäute" und das<br />
„Hirschgeweih", die im Inventar aufgezeichnet sind, auch das<br />
Material zu dem „Wolfspelz mit Sammt verbrämt" wird bei<br />
solcher Gelegenheit gewonnen sein.<br />
Eine Art des Luxus war damals unter <strong>der</strong> Männerwelt<br />
herrschend, die wir in dem Grade heut nicht mehr kennen, <strong>der</strong><br />
Klei<strong>der</strong>aufwand. Davon zeugen die zahllosen Klei<strong>der</strong>ordnnngen<br />
und Luxusgesehe, mit denen man bis in das vorige Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
vergeblich dem maßlos gewordenen Unwesen steuern wollte.<br />
Es ist in dieser Beziehung interessant, einen Blick in des<br />
Comthurs Gemach zu thun, wo in einem halben Dutzend großen<br />
Kasten o<strong>der</strong> Truhen, wie wir sie heut noch vorzugsweise<br />
bei <strong>der</strong> ländlichen Bevölkerung im Gebrauch finden, em großer<br />
Vorrath von Kleidungsstücken in ziemlich ordnungsloser Mischung<br />
mit an<strong>der</strong>n Gegenständen aufbewahrt sind. Die Zahl<br />
<strong>der</strong> Wämser, <strong>der</strong> Hosen und Jacken ist enorm, und nicht min<strong>der</strong><br />
groß die Verschiedenheit ihrer Ausstattung. Neben dem<br />
alten abgetragenen „Mantel von kindischem Tuch" und den<br />
altbewährten le<strong>der</strong>nen Hosen, 'die des Schmuckes nicht bedurften<br />
"), liegen da die prächtigsten Wämser aus Seidentaffet und<br />
Sammt, mit Pelz verbrämt und mit Silber gestickt, ja eine<br />
Menge Stoffe sind noch nicht verarbeitet, son<strong>der</strong>n erst zugeschnitten,<br />
um in <strong>der</strong> „Schnei<strong>der</strong>ei" (1560) . unter <strong>der</strong> künstlichen<br />
Hand des Bru<strong>der</strong> Schnei<strong>der</strong>s vollendet zu werden. Nennen<br />
wir unsere heutige Art, uns zu kleiden, bequem, so hatte<br />
") Doch gab es auch rothe Le<strong>der</strong>hoftn (1560).
Inventarien von Wildenbruch. 11<br />
die damalige Zeit entschieden den Vorzug <strong>der</strong> Schönheit;<br />
prächtig hat gewiß <strong>der</strong> Comthur ausgesehen, wenn er sich mit<br />
seinem Festkleide schmückte, dem „damasten Atlasrock mit Sammit<br />
vorbremet und Mar<strong>der</strong>kehlcn gefüttert, an den Ermeln<br />
mit silbernen Schnüren", dazu „ein Paar leibfarbene Hosen<br />
mit Sammit vorbremet." Um den Hals legte er dann wohl<br />
„die güldene Ketten mit des Herzogen von Preußen Conterfei",<br />
welche 153 Glie<strong>der</strong> hatte und für den „Perlenkranz" und das<br />
„silberne Kreuz" kaum noch Raum übrig ließ. Wir würden<br />
dieser Pracht unsern vollen Beifall geben, wenn nicht dem<br />
Reichthum <strong>der</strong> Klei<strong>der</strong>stoffe und Schmucksachen ein bedenklicher<br />
Mangel an Leibwäsche gegenüber stünde, denn trotz genauer<br />
Zählung besaß <strong>der</strong> Comthur noch nicht ein halbes Dutzend<br />
Hemden, davon ist eins noch dazu ein wollenes, vertritt also<br />
mehr eine heutige Flanelljacke. Nicht größer ist <strong>der</strong> Vorrath<br />
an Taschentüchern, da die 15 „Facinetlein", die man gern<br />
dafür nehmen wollte, durch eine berichtigende Anmerkung<br />
zu Tellertüchern ungestempelt werden; am schlimmsten aber<br />
sieht es mit den Strümpfen aus, „1 Paar gestrickte Strumpe"<br />
ist Alles, was verzeichnet werden kann, denn dieser heut so<br />
nothwendige Wäscheartikel war damals noch wenig im Gebrauch,<br />
man bekleidete den Fuß mit zusammengenähten Zeugstücken.<br />
Dagegen ist erfreulicher Weise sehr viel Tisch- und<br />
Bettzeug vorhanden und noch größer sind, <strong>der</strong> Gewohnheit<br />
<strong>der</strong> Zeit gemäß, die Mengen unverarbeiteter Leinwand, die<br />
aus allen Gemächern zum Vorschein kommen.<br />
Für Speis und Trank war ebenfalls aufs reichlichste gesorgt:<br />
190 Speckseiten, 7^/2 Schock Würste, 85 „Spieß" von<br />
allerlei Fleischvorrath, 161 Tonnen Bier und an 2 Fu<strong>der</strong><br />
verschiedenen Weines lassen die Furcht uicht aufkommen, daß<br />
die Ordensleute hätten Mangel leiden müssen. Die Tonnen<br />
Butter und Käse sind dabei noch nicht gerechnet, viel weniger<br />
das lebende Inventar <strong>der</strong> fetten Schweine und Kälber, auch<br />
war Malz und Korn genug vorhanden, um im „Backhaufe",<br />
o<strong>der</strong> im „Helm uf dein Kirchoffe, da mahn Wasser in brendt",<br />
neuen Stoff für durstige Kehlen zu bereiten.
12 o. Vülow,<br />
Einer Annehmlichkeit muß noch gedacht werden, die das<br />
Mittelalter vor <strong>der</strong> Jetztzeit vorans hatte, „<strong>der</strong> Badestube."<br />
Sehr häufige warme und kalte Bä<strong>der</strong> waren ein so allgemein<br />
ues Bedürfniß, daß in den Städten oft Stiftungen vorkommen,<br />
durch welche Wohlhabende ihren ärmeren Mitbürgern den Genuß<br />
des Bades umsonst bereiteten. Es fällt anf, daß in<br />
den älteren Inventarien von Wildenbrnch <strong>der</strong> Badestnbe keine<br />
Erwähnung gethan wird, da sie doch jedenfalls existirt hat,<br />
erst 1570 wird sie genannt nnd wir lernen dabei zugleich ihre<br />
Einrichtung kennen. Danach befand sich „vor <strong>der</strong> Badtstnben"<br />
ein heizbarer Ranm, in welchem als wesentlicher Bestandtheil<br />
eines Bades eine eingemauerte Pfaune augebracht war, „darinnen<br />
ohngefehr ein Thonne Wasser gehet," „in <strong>der</strong> Badestuben"<br />
dagegen ist vor allem ein „Wasserfas", dann aber eine<br />
„Oberbanck mit zwe Vorbencken o<strong>der</strong> Triftpen" vorhanden.<br />
Auf diese terrassenförmig aufsteigeuden Bänke setzte o<strong>der</strong> legte<br />
<strong>der</strong> Badende sich, um eine Zeit lang zu transftiriren. Hier<br />
käme denn auch die „Badekaftfte" zur Verwendung (1560),<br />
wenn <strong>der</strong>selben nicht durch eine Randbemerkung eine an<strong>der</strong>e<br />
Bestimmung gegeben würde.<br />
Die Geschäfte, welche <strong>der</strong> Comthur als Vertreter des<br />
Ordens, als mächtiger Lehnsmann und Herr eines großen<br />
Gebietes und vieler Unterthanen zu führeu hatte, wurdeu in<br />
<strong>der</strong> „Canzlei" vollzogen, welche im Erdgeschoß „über dem<br />
Keller" lag. Dort wurden die Abgaben von den Dörfern<br />
eingeliefert, Kaufverträge abgeschlossen nnd die Urknnden darüber<br />
ausgefertigt, wobei <strong>der</strong> „Prior" als Schrift- und Rechnungsknndiger<br />
behülflich gewesen sein wird. 1560 diente die<br />
Canzlei an<strong>der</strong>n Zwecken, sie war Vorrathskammer für allerhand<br />
Geschirr und Eisenwerk, anch wnrde eine Menge Vogelnetze<br />
daselbst aufbewahrt. Auch über des Priors Wohnung<br />
war, an<strong>der</strong>s disponirt worden, 1570 heißt es: „im Priorat,<br />
da itzo die Schule ist"; doch wurde nur ein Zimmer so verwendet,<br />
drei blieben noch übrig und hatten eine wohnliche<br />
Einrichtung.<br />
Die Wirthschaftsgebäude bedürfen keiner beson<strong>der</strong>en Er-
Inventarien von Wildenbruch. 13<br />
wähnung, sie sind nicht an<strong>der</strong>s als auf jedem größeren Gutshof<br />
und haben wir aus diesem Grunde auch davon abgesehen,<br />
die in allen genannten Verzeichnissen nach dem Inventar des<br />
Hauses Wildenbruch folgenden Inventare von Rörchen und<br />
Thänsdorf mit ihren Vorräthen an Feldfrüchten mitzutheilen.<br />
Die Verzeichnisse enthalten viele <strong>der</strong> Erklärung bedürftige<br />
Ausdrücke, welche nicht immer leicht zu geben ist, da es dazu<br />
einer schwer zu erlangenden Kenntniß nicht nur des mittelalterlichen<br />
Lebens und Treibens im Allgemeinen, son<strong>der</strong>n auch<br />
<strong>der</strong> einzelnen Hantirungen uud Gewerbe bedarf. Es ist daher<br />
wohl möglich, daß in den Deutungen nicht immer das Richtige<br />
getroffen fein mag, z. B. über die vermiedenen Arten<br />
<strong>der</strong> Feuerwaffen, da oft dieselbe Waffengattung an an<strong>der</strong>em<br />
Ort auch einen an<strong>der</strong>n Namen trägt.<br />
Inventarium des Hauses Wildenbruch gemacht doselbst<br />
durch Herzogk Philipsen zu Pommeru Rethe,<br />
uud des Hernmeisters Sanct Iohans Ordens ?c.<br />
dar zu geordenten Bev el chabern, gescheen zu Wildenbruch,<br />
Sonnabends nach Michaelis Anno ?c.<br />
xlvij (1. Oct. 1547).<br />
In <strong>der</strong> Hofestobenn. Vor <strong>der</strong> Hofestuben.<br />
7 Tische 6 Fürspiesse<br />
5 Vengke 3 Stangen<br />
2 Schencketisch 1 Harnischkastcn<br />
1 Hantbecken 2 Spinde<br />
2 Leuchtereisenn<br />
1 Brotkorb i2) Ins Comptors Gemache.<br />
1 Schüsselringk ^) 2 Spanbetten<br />
2 Branteiser^) 1 Flechte<br />
l2) 1545 mit dem Zusatz: „darynne alle Almiß aufgehoben werden" ;<br />
1546: darinne alle Brockhel gesammelt werden".<br />
") 1545: „Thischrinck"; 1546: „Schottelrinck", Ning nm das Geschirr<br />
nnd die Schüsseln ans dem Tisch festzustellen.<br />
") 1545 mit dem Znsatz: „vor dem Schorstein", also Eisen, um<br />
das Feuer im Kamin zu schüren.
14 v. Vülow,<br />
3<br />
1<br />
1<br />
2<br />
1<br />
8<br />
5<br />
2<br />
26<br />
1<br />
1<br />
1<br />
3<br />
1<br />
1<br />
ledige Kasten<br />
schloßfeste Tisch<br />
Cuntor in die Wand gemnret<br />
i5)<br />
Bangkpfüle<br />
beschlagen Stnel<br />
Tischtücher<br />
Handtücher<br />
vorhangende Schlosser<br />
Bücher<br />
Flaschenfntter<br />
clein Spindechen<br />
Trommeten<br />
Eyßhagken<br />
Ciesem (!) Bnxe<br />
unbeschlagcn Stuel<br />
Sezstuel<br />
1 Sn<strong>der</strong>bbangk (!) ^)<br />
27 Hellebarten<br />
3 gemalte Figuren<br />
In <strong>der</strong> finster Kammer.<br />
11 Tafelkannen<br />
9 hulzene Schüsseln<br />
! Tonne Pnlfer, feilet ein<br />
weinigk daran<br />
3 Firtel Festlein mit Pulfer<br />
missingen Begken<br />
1 holzenne Wanne<br />
! Tonne Schwefel<br />
2 missings Lenchtcr<br />
4<br />
3<br />
1<br />
4<br />
2<br />
Bodem Wachs, feilet ein<br />
wenigk dran<br />
Stüle<br />
clein Tischlein<br />
Bencke<br />
eisern Hespen<br />
In <strong>der</strong> Gastkammerüber<br />
<strong>der</strong> Hofestubenn.<br />
7 Spanbeten ^)<br />
15 Betten<br />
4 Hoftpfüle<br />
2 Küssen<br />
In Er Hans Roers<br />
Kam mer.<br />
3<br />
1<br />
1<br />
1<br />
2<br />
1<br />
Betten<br />
Spanbette<br />
In Rnngen Kammer.<br />
Spanbette<br />
In Jochen Werblows<br />
Spanbette<br />
Kammer.<br />
In <strong>der</strong> Schnei<strong>der</strong>ei.<br />
Spanbette<br />
Tische<br />
Kasten<br />
I^em. in <strong>der</strong> Canzley.<br />
missings Hantfaß<br />
'5) Schrank, Spind, Fach an einem Tisch.<br />
'6) Wohl verschrieben für Siedelbank, Seitenbank, welche an <strong>der</strong><br />
Wand hinlief nnd meist an <strong>der</strong>selben befestigt war.<br />
") Spanbette: ein tragbares Gestell, dessen nach Art unserer Feldstühle<br />
gespannter Sitz mit Kissen belegt wurde; Nnhebett.
1 Tisch<br />
1 Bangkpfuel<br />
4 Bencke<br />
1 Stuel<br />
1 Feuereisen<br />
1 eiserne Schupe<br />
1 Schareisen<br />
Vor d er Harnisch kämm er.<br />
8 Betten<br />
4 Hoptpfüle<br />
2 Spanbetten<br />
1 Kasten<br />
1 offen Knm<br />
In <strong>der</strong> Harnischkammer.<br />
1 Kuritzer^)<br />
4 Gezeuge mit aller Zubehorung,<br />
ohne 3 Fausthemmer,<br />
die hat Er Baltzar von <strong>der</strong><br />
Marwitz Weggenohmen.<br />
6 Hoptharnisch<br />
2 Par Ermel, die hat Vizentz<br />
von Wermsdorf weggenohmen.<br />
Inventarien von Wildenbruch. 15<br />
6 stelene Stirnen<br />
2 Hemer<br />
3 Schurtze<br />
1 Par Flanckern^)<br />
1 Rinckkragen 20), hat auch<br />
Wermsdorf Hinweggenohmen.<br />
1 fielen Glu<strong>der</strong> (?) ^) mit<br />
aller Zubehorungk, hat<br />
Wermsdorf auch von hier<br />
genohmen<br />
7 Schützengezeuge<br />
5 Schwerte mit Silber beschlagen<br />
5 kurze Degen mit Silber beschlagen<br />
6 Dreiecker 22)<br />
7 hörnen Bogen<br />
1 stelen Bogen<br />
6 Winden dorzu<br />
8 stelene Sattel, 1 Sattel hat<br />
Golitz weggenohmen<br />
2 Par Streithamerken (?) ^)<br />
1 Nietzeugk<br />
'8) Kuritzer, Küraß, von ouii-^386, also eigentlich Le<strong>der</strong>panzer, ein<br />
mit dem Gegenstand selbst aus dem Französischen übernommenes Wort.<br />
w) Flanker: Zierrath (?) am Panzerschurz. Brinkmeier, Glossar.<br />
n) Der Ringkragen o<strong>der</strong> die Halsberge ist von Stahl und wie<br />
unsre mo<strong>der</strong>nen Stehkragen gestaltet, doch mit einem den oberen Theil<br />
<strong>der</strong> Brust und des Rückens soloie die Schlüsselbeine bedeckenden Ansatz,<br />
<strong>der</strong> dem Vrustharnisch zur Unterlage und Stütze dient.<br />
2') Vielleicht für Glode ^ Feuerzange ? Hans. Urk. II. S. 57.<br />
22) Stoßwaffe mit dreikantiger Klinge.<br />
22) Streit- o<strong>der</strong> Fansthammer, eine Neiterwaffe, die gegen Mitte<br />
des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts erscheint. Die vor<strong>der</strong>e Halste des Eisens endigte<br />
in eine lange gekrümmte Spitze, um in die Rüstung des Gegners ein<br />
Loch zu schlagen, und denselben dadurch festzuhalten. Beim Nicht-<br />
gebrauch hiug <strong>der</strong> Streithammer am Sattelknopf.
1 » > v. Vülow,<br />
4 Par Stangen<br />
5 Kocher<br />
5 alte Vomsettel<br />
1 Tisch mit einen: Cnntor ^)<br />
4 Bencke<br />
2 Stügk von einer hirschhant<br />
1 Cuntorschrauben, hat Werms-<br />
dorf weggcnohmen<br />
Item neben <strong>der</strong> Harnisch-<br />
kammer in <strong>der</strong> wüesten<br />
3 Spanbette<br />
Camer.<br />
Item in dem nigen Ge-<br />
mach über dem Thor.<br />
17 Betten<br />
^<br />
4 Küssen<br />
Z Hoptpfüle<br />
3 Par Lagkcn<br />
4 Spanbetten<br />
1 missings Cammerbecken<br />
Inn meins HernSchlaf-<br />
8 Vette<br />
3 hoptpfüle<br />
1 Par Lagken<br />
1 Hoptküssen<br />
k a m ni e r.<br />
1 missings Cammerbegken<br />
5 Betten<br />
Im Mars stalle.<br />
1 Hoptpfüel<br />
24) 1576 war <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Haruischkammer im Wesentlichen<br />
<strong>der</strong>selbe, was Hand- und Schußwaffen anlangt, neu dagegen ist ein<br />
großer Vorrath von Schußwaffen und Zubehör. Nach dem „Tisch mit<br />
einem Cnnthor", welches letztere übrigens 1576 nicht mehr vorhanden<br />
war, heißt es weiter:<br />
9 lange Nohr mit Fenerschlösser<br />
10 Hacken mit Laden<br />
11 eiserne Hacken ohne Laden<br />
2 grosse Büchsenn<br />
1 Kammerbüchse<br />
9 lange Fürspiesse mit Eisenn<br />
6 Ladestöcken zum grossen Geschüze<br />
sampt etlichen Lnntenn.<br />
1 Achtentheill<br />
Pnlver<br />
'/2 Eimmer<br />
3 eiserne Formen zun Büchsen<br />
2 steinerne Formen<br />
3 ehrne Buchsenn, darin man Fet<br />
vorwahret, damit die Rüstunge<br />
geschmiret wirdt<br />
1 Thonnen, darin man den Ringzeug<br />
reinigt.<br />
1 beschlagen Fntter, darin Briefe<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong> Dinge geführet<br />
werdenn<br />
162 bleiene Kugeln zu Handtrören<br />
nnd halben Hacken<br />
4 Stücke Geschüz über <strong>der</strong> Capellen<br />
o<strong>der</strong> Kirchen<br />
1 Viertelt <strong>der</strong> Tonnen Schwefel<br />
4 Par Stangen<br />
Dagegen fehlt <strong>der</strong> Vorrath in <strong>der</strong> Zengkammer uud die Armirnng<br />
des Thurmes uud <strong>der</strong> Mauer ganz. Auffällig ist, daß im Inventar<br />
von 1560 gar kein Geschütz, überhaupt unr sehr wenig Waffen vorkommen.
Item alleruberst uf dem<br />
Torme.<br />
1 Falgkenetlein<br />
2 dubbelte Hagken<br />
1 T. Pnlfer<br />
In des Fürsten Gemach.<br />
2 Tische<br />
4 Bencke<br />
In <strong>der</strong> Zeugkkammer.<br />
28 Hagken<br />
4 Hantrore<br />
1 M Kuglet)<br />
3 Hantfeßlein mit Pulfer<br />
10 Formen^)<br />
Item ans <strong>der</strong> Manren.<br />
4 Karrenbüxen neben <strong>der</strong><br />
Zengkkammer<br />
Ufm Thor im Forschloße.<br />
2 dnbbelte Hagken<br />
In <strong>der</strong> Küchenn.<br />
26 Seitten Spegk<br />
34 große czennene Schüssel<br />
7 mittel zinen<br />
12 große zenene Teller<br />
9 cleine zenene Teller<br />
Inventarien. 17<br />
5 Saltzirgenn<br />
30 Kessel groß und clcin, böse<br />
und gut<br />
2 eiserne Nrathpfannen<br />
3 Brathspiesse<br />
2 orene Tiegel<br />
2 Bagkpfannen<br />
3 Grapen<br />
1 Dreifues<br />
1 Reibeiser<br />
1 Morser<br />
1 großer Schüsselgraften<br />
2 cleine Bodemen<br />
4 Roste<br />
3 Kesselhagken<br />
3 lange Hagken<br />
6 kopperne Deckel<br />
1 eiserne Schuppe<br />
1 Kalragke^)<br />
3 missings Spritzen<br />
3 Betten<br />
1 Hoptpfül ohne Zichen<br />
1 Kasten in <strong>der</strong> Küchendornze 26)<br />
2 Zober<br />
Item im Keller.<br />
8 zinnenne Kannen gros und<br />
clein<br />
In den Prior a dt.<br />
8 Bücher<br />
n) Ob M o<strong>der</strong> m ^ 1000? Das wäre sehr viel.<br />
2") Als 1620 das städtische Zeughaus zn Stettin mit Vorräthen<br />
versehen werden sollte, kaufte <strong>der</strong> Nath auch Kugelform eu, das Stück<br />
zu 4 Gulden, eiue ucue Trommel zu 3 Gulden 8 Schill., <strong>der</strong> Preis<br />
vou Musketen variirte vou 2—3'/? Thlr.<br />
'^') Kohlrake, s. u. Aum. 6^.<br />
'^) War Eigenthum des Kochs, 1576.<br />
2
18 v. Bülow,<br />
1 Tisch<br />
1 Spini<br />
2 Bencke<br />
1 missings Hantfaß<br />
In Er Adams Gemach.<br />
1 Spanbette<br />
1 Tisch<br />
1 Sidelbangk<br />
Im Bagkhause.<br />
1 Breupfanne<br />
3 Bodemen<br />
1 Küpe<br />
5 Schliefen<br />
2 Siebe<br />
1 Backtroch sampt dem Bagkgerethe<br />
1 groß Kessel<br />
6 Segke<br />
Nf dem Forschlosse.<br />
3 Rorschuefel<br />
5 Sehelen 29)<br />
1 grosse Buxe unter <strong>der</strong> Treppe<br />
2 Holzwagen<br />
1 Kumb zue Ziegelerde ^)<br />
1 Fischkarn^)<br />
1 Kiste in Rammen Kammer<br />
2 Wechterpelze<br />
Item im Vi ehe Hofe.<br />
1 Schogk und 9 alt Henpt<br />
Rintviehe, dorunter seint<br />
46 mulgke Kühe<br />
26 Kelber vom überm und<br />
diesem Iare<br />
1 Schogk Mastschweine<br />
71 hungerigc Schweine clein<br />
und gros ungeferlich<br />
2 Schogk Gcnse<br />
Anu Milchspeise.<br />
3 Viertel Bottcr<br />
4 Achtenteil<br />
1/2 Tonne Puter<br />
1 Salztuune Kese<br />
7 Seitten Sftegk<br />
1 Pfanne, do man dem Viehe<br />
inne hitzt<br />
4 Kessel groß und klein<br />
2 Kesselhagken<br />
14 Scheffel Malz<br />
5 Stogke Bienen im Hofe<br />
Ufm Viehehofe.<br />
2V2 Wispel Gerste<br />
1 Wispel 3 Schefel Rogkm<br />
'/2 Wispel Erbessm<br />
V2 Wispel Malz<br />
In <strong>der</strong> Schenne vordem<br />
V orw cr gke.<br />
^/2 Scheune voll Hafer bis an<br />
die Mittelhebinge<br />
Sehelen, Halssehle, Siele, Theil des Pferdegeschirrs.<br />
Kum.' 1576 „zur Ziegelerde, mit Eisen beschlagen".<br />
Fischgarn.
In <strong>der</strong> großen Schcnnc<br />
nfm Berge bei Sanct<br />
Georgen.<br />
31/2 Viertel Gersten<br />
2 Viertel Gersten<br />
1 Viertel Hafer<br />
'/2 Viertel an Rogkcn, Gersten<br />
nnd Hafer, gehört den:<br />
Gotshanfe<br />
In <strong>der</strong> Schennen bei<br />
<strong>der</strong> Clanse.<br />
Viertel Rogken<br />
Inventarien. 19<br />
'/2 Wispel gedroschen Nogkcn<br />
in <strong>der</strong> Schennen<br />
6 gntte Viertel vol Nogken<br />
in zweien Schennen bei <strong>der</strong><br />
Schefferci<br />
1 Viertel Erbessen ><br />
Von diesem Nogken anßgesehet<br />
11V2 Wispel in diessem Agkerwcrgk<br />
znm Wildcnbrugk.<br />
Nnn folgen die Inventare <strong>der</strong> Schäferei zn Wildeubruch,<br />
fowie <strong>der</strong> Vorwerke zu Nörchen nnd Thänsdorf, welche hier<br />
fortgelassen worden sind.<br />
Inventarium des Hanfes Wild enbruch, fo nach Absterbe<br />
n des ComPthcrs, Ern Andre ascn von Blu -<br />
meuthal seligcu, iu Iegeuwardt <strong>der</strong> fürstlichen<br />
Wolgastischen nnd des Hcrnmcisters Nethe unnd<br />
Geschickten den Sonnabend in den h eiligen Osternfeiertagen<br />
Anno :c. Scchzigk ist aufsgericht<br />
(13. April 1560).<br />
In <strong>der</strong> Hoffstncben.<br />
6 Tische, daruuter eiu ver-<br />
schlossen Cnntor<br />
1 groß Spinde, ahn Oeffen<br />
2 myssinges Luchter<br />
1 Lichtputze<br />
2 Sicdclbencke<br />
2 Tischringhe<br />
2 Banckpfüle<br />
1 Becken<br />
1 Hirschzweich 32)<br />
9 Thonncn Salz<br />
1 klein Spindt in <strong>der</strong> Höhe<br />
1 altt Schnei<strong>der</strong>kastcn<br />
32) Die Bestimmung dieses Hirschgeweihs lernen wir erst aus dem<br />
Inventar von 15)76 kennen, wo es heißt: „1 eisern Hengelenchter mit<br />
einem Hirschhornn". Seit Auftreten dieses so verzierten Hangelenchters<br />
fehlen in <strong>der</strong> Hofstnbe die noch 1547 vorhandenen zwei Lenchtereisen.<br />
2*
1 Lichtkasten vor den Hoeffstueben<br />
In deß Hern Compthers<br />
un<strong>der</strong>stenGemach gehgen<br />
<strong>der</strong> Hoeffstubenn.<br />
82 Thaler im altten Kasten<br />
befunden<br />
4 Gulden Göttinger<br />
1 Gulden 4 Gr. Dutken<br />
1 Ortsthaler<br />
3 Gulden 29 Gr. ahn<br />
Pfenninge<br />
Der Schuelenburgische Bekentnuß<br />
über 50 Gulden<br />
4 Gulden altte pommerische<br />
Muntze<br />
2 Gulden 2 Pf. gemeine<br />
Muntze<br />
Z<br />
In zweien Korben allerlei<br />
Myssiven, in dem einem den<br />
Blumentaln belangendt, in<br />
u. Vülow,<br />
dem an<strong>der</strong>n aber daß Hauß<br />
Wildenbruch,<br />
allerlei Myssiven Peter<br />
Hanff belangendt, auch ezliche<br />
Schreiben di Loizen belangendt<br />
Registraturen zum Hause Wildenbruch<br />
gehörigk, in ein<br />
Convolutum geschlossen<br />
In dem leinen Secklein allerlei<br />
fürstliche Schreiben<br />
Ern Iohan Hoffmeister Predigtten<br />
in foliis; ^) ^in<br />
an<strong>der</strong> papistische Postill in<br />
foliis per Johann Will,<br />
Dumprediger zu Menz.<br />
Catechismus Ruberei iu octavo.<br />
Der Vergilius zweimahll.<br />
ein Gesanckebuch Martini<br />
Lutheri.<br />
Obdormitio<br />
^) Vgl. unten die im vertäfelten Gemach befindlichen Bücher und<br />
die Anni. 74. Im Inventar von 1576 heißt es allgemeiner: „Was<br />
zn Wildenbruch an Büchern vorhanden: 9 alte grosse Bücher, darunter<br />
OL0i-6wm (3i'Mliui, 8oxtu8 äßorowlium zwemall nnd andre mehr<br />
ox ^ur^ (^uouieo nnd eivili. Item über die nenn Bücher ist noch<br />
ein Bnch in gelb Pergament, darin Herr Gotschalck von Velthem<br />
allerlei Nhrphede undt abgeschriebene Handtlnngen mit den Gefangenen<br />
vorzeichnet." Ioh. Hofmeister war ein unter dem Namen Antilutherus<br />
bekannter Doctor <strong>der</strong> Theologie und Angustinermönch ans<br />
Colmar, dessen Predigten berühmt waren. Er war 1546 Generalvicar<br />
in Deutschland und den Nie<strong>der</strong>landen, nnd starb den 21. Aug. 1547<br />
zu Cunsberg, erst 39 Jahre alt. Jochen Gel.-Ler.<br />
34) Die Dialectik Melanchthons erschien zuerst 1520 unter dem<br />
Titel: 0omp6U(Ulu-w ^iulooti^ä ratio und erlebte bis 1526 zehn
lium.<br />
lüoäox MI-Ì8.<br />
ein Stück schwebisch<br />
zwelff Strenen Garn<br />
ein Stuel mit Pockeln<br />
cm an<strong>der</strong> schlechter Stuell<br />
ein Siedellbanck<br />
zwei Tische, und sonst ein klein<br />
Tisch<br />
zwe grüne lundische Tischdecken<br />
drei gemaelte Taffeln<br />
ein altter Kasten mit Eyfer<br />
beschlagen<br />
ein Repositorium mit zwei<br />
Fachen<br />
ein Thunne mit Bricffen vorn:<br />
Gemach<br />
Inventarien von Wildenbruch. 21<br />
ein grosser spitzer Kasten<br />
in <strong>der</strong> Kammer bei obgemelttem<br />
Gemach, darin ein<br />
Fueter mit Leffell<br />
drei kleine zinnen Schüssell<br />
zehen Mar<strong>der</strong>khelen ^^)<br />
ein besiegeltte Schachttell, darauf<br />
geschrieben gewesen: dein<br />
Bischoff von Lnbns unnd<br />
dem Stiefft zustendigk ^^)<br />
zwei Fliegenwedel!, einer von<br />
Pfaufe<strong>der</strong>, <strong>der</strong> an<strong>der</strong> von Holz<br />
ein Sack mit Wuertze, Pfeffer<br />
und Muscatenblumen<br />
zwei Stücke Leinewandt us<br />
dem Kasten<br />
noch ein Kasten mit Bethlacken<br />
unnd an<strong>der</strong>em une<br />
folget<br />
Ausgaben. Die griechische Grammatik, die er, fast selbst noch<br />
ein Knabe, ^geschrieben hatte, erschien zuerst 1518, die lateinische<br />
verfaßte er 1522 zum Privatgebrauch iu seinem Hause; sie wurde 1525<br />
ohue seine Einwilligung gedruckt.<br />
N) Georg Wizel, ein Theologe des Neformatiouszeitalters, <strong>der</strong><br />
mehrmals seinen Glauben gewechselt hat. Er war 1501 zu Fulda<br />
geboreu uud starb 1573 zu Maiuz. Zuerst wandte er sich <strong>der</strong> evangelischen<br />
Lehre zu, nahm an deu Vauermmruheu Theil uud wurde zum<br />
Tode verurtheilt, erhielt aber auf Luthers Verwendung uicht mir<br />
Verzeihung, son<strong>der</strong>n auch eiue Pfarrstelle. Da er diese aus Hinneigung<br />
zum Ariauismus verlassen mußte, trat er wie<strong>der</strong> zum Katholicismus<br />
zurück und eiferte vou uuu au, am Hofe <strong>der</strong> Kaiser Ferdinand<br />
1. und Maximilian II. lebend, iu Wort und Schrift heftig gegeu<br />
seme früheren Glaubensgenossen. Er starb 1573 zu Maiuz.<br />
n) Randbemerkung: „Empfangen 4, uageben 6."<br />
2') Gleichzeitige Randbemerkung: „Hat H. (o<strong>der</strong> M ^ Meister?)<br />
Iohau empfaugeu." Seit 11./24. Juli 1555 war Markgraf Joachim<br />
Friedrich vou Brandenburg Vischos vou Lebus.
o, Bülow,<br />
ein Ende schwebische Lcinewandl 25> 3^llndstiicke<br />
ein Stück kleine Leinewandt 11 Par gele Pockeln<br />
ein Badekappe ^)<br />
15 zwilch Faeinetlein ^^)<br />
ein Stück kleine Leinewandt<br />
ein Ende schwebisch<br />
3 Hemden<br />
ein Küssenziche<br />
drei zwilche Handttücher<br />
ein Tischtnch von kleiner Leinewandt<br />
neun zwilche Tischtücher<br />
zwelff Lacken<br />
fünff weisse Schnuptücher<br />
vier zwilche Bethtücher<br />
sechs breßlowsche Bed-<br />
debühren<br />
zwe Stück zu Heupt-<br />
bnehren.<br />
vier Handttücher<br />
sechs Tischtücher<br />
Im dritten Kasten.<br />
5 alte Wemmesser")<br />
1 altter lnndischer Manttell<br />
1 Fneter Fell<br />
1 Led<strong>der</strong>überzngk znr Palue-<br />
sen o<strong>der</strong> Pfüele<br />
5 Par Stangen<br />
Inl vierdeit Kasten.<br />
1 Stneck kleine Leineloandt<br />
Im fünfften Kasten.<br />
2 Tischtücher<br />
1 Leuchter, ein kleiner, cin<br />
grosser<br />
1 klein lehers Ledlein<br />
1 schwarze Decke nfm Tisch<br />
von Holze<br />
1 Kotzschendecke<br />
Noch ein Ka st en, darum<br />
ein Lenchter nlit dreien<br />
Rorhen<br />
2 nene Nachtscherbell<br />
2 nene Schüßlein<br />
1 großer Leuchter mit vier<br />
Rorehn<br />
2 myssinges Spriezen<br />
1 Bnndt altte Schlüssell<br />
1 Stnck Zinnen und ezliche<br />
altte Schusselt nnnd Kan-<br />
nen<br />
Z nene Blechschlosser<br />
^) Gleichzeitige Randbemerkuug: „Ist eine Khorkappe," also ein<br />
priesterliches Gewand.<br />
n) Gleichzeitige Randbemerkuug: „Sein Tellertücher." Sonst heißt<br />
Facenetlein, ital. idioletto, auch Halstuch, Schnnpstuch, und ist in<br />
letzterer Bedeutung in <strong>der</strong> Schweiz noch hent gebräuchlich.<br />
") Wämser.
Im großen Kasten hin-<br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong> Thür.<br />
2 Maulkörbe<br />
1 große holzene Kandell<br />
2 Ende Leinewandt<br />
2 myssings Becken<br />
') Secke snller blcien Kuegel<br />
zn ganzen nnnd halben<br />
Haecken<br />
1 groß unnd klein Bodden<br />
Wachs<br />
2 Spaubedde, darin drei Iin<strong>der</strong>bedde,<br />
1 Pfnel nnnd ein<br />
Henptküssen<br />
1 Tischdecke goldtgcell<br />
2 Büchssen mit Halfftern<br />
1 Pnlfferslasche<br />
1 korzer Pocke")<br />
1 Schwerdt mit Sylber beschlagen<br />
1 Rappier<br />
1 ledige Holffter<br />
4 Par Stieffell<br />
1 Waedtsack<br />
3 Knebelspies<br />
2 reisige Stuell, darunter einer<br />
mit Eyser beschlagen<br />
ezliche altte nnnd neue Hin<strong>der</strong>zeuge<br />
Inventarien von Wildenbruch. 23<br />
1 Beili<br />
1 altte Behrhautt<br />
In des Compthers Gemach<br />
oben <strong>der</strong> Hoesfst<br />
neben in einer Lade<br />
gefunden.<br />
Des Hern Compthers Pitschafftringk<br />
12 sylber Leffell<br />
1 sylberen kleiner Becher<br />
ein güldene Ketten mit deß<br />
Herzogen von Preusßen<br />
Konterfei, unnd hat 153<br />
Geliett<br />
1 Vernsteinpaternoster von 14<br />
Stein<br />
1 Kharellenpaternoster^) mit<br />
50 Steinen und 6 sylberen<br />
Steinen unnd ein sylberen<br />
Knopf<br />
1 sylberen Krenz<br />
14 Elle Sannnit, so <strong>der</strong> Herzogk<br />
von Preussen dem Hern<br />
Eompther seligen vorehren<br />
hatt lassen<br />
15 Ellen schwarzen Varstaedt^)<br />
1 schwarze Sammitkappe<br />
1 sammit spanisch Varreth<br />
1 Perlenkraenz<br />
") Pock : Dolch.<br />
42) Korallen.<br />
") In einer belon<strong>der</strong>en Abschrift dieses Verzeichnisses <strong>der</strong> Schmucksachen<br />
und Klei<strong>der</strong> steht hierfür: Vorstadt. Sollte <strong>der</strong> im Englischen<br />
bezeichnete Stoss gemeint sein?
v. Bülow,<br />
1 großer Poeck<br />
Messer ")<br />
mit vier 3 Vedden, 1 Heuptpfuel<br />
<strong>der</strong> Kammer<br />
in<br />
1 lang kemler Rock 1 groeß neue Himmelbedde<br />
1 langk Pärchen Pelz mit 1 Par Lacken<br />
Schmaschen gefuetertt 7 neue Bettebürhen<br />
1 roeth wullen Hemde 1 Sieb zur Kreude^)<br />
eine buntte Decke von Garne ") 2 leddige Laden<br />
Banckpfuell<br />
1 klein Ledichen mit Fachen<br />
1 le<strong>der</strong>en groeß Bette 2 kleine Becken<br />
1 le<strong>der</strong>en klein Pulsier 1 Vundt Wueßtuch^)<br />
4 grosse neue Tische, darunter 1 Schlaffmueze<br />
zwe mit Contoir<br />
1 ledige Wnschtasche<br />
1 klein Tisch<br />
2 Waedtsecke<br />
2 kleine Leuchter, je<strong>der</strong> mit 2 seyden Atlaßrock mit Sam-<br />
1 Rorhe<br />
mit unnd mit Mar<strong>der</strong> ge-<br />
1 alttcr zurbrochener Leuchter fuetertt<br />
lnit 1 Rohre<br />
1 tamasken mit Sammit vor-<br />
4 Vedden, 2 Heuptpfuele, 2 bremet und Mar<strong>der</strong>nkhelen<br />
Küssen<br />
gefuetert, ahn den Erm-<br />
1 Par Lacken liegen ufs len mit sylberen Schnueren<br />
Compthers Bette, dorauff 1 Seydentafft gestieptt^)<br />
ehr gestorben<br />
1 kartecken 5") Haertzkappe mit<br />
1 Hemde<br />
drei Strich Sammitt<br />
") Ist durchgestrichen und mit <strong>der</strong> Raudbemerkuug Verseheu: „Hat<br />
Blumeuthal bekommen," ist also wohl an die Verwandten gelangt.<br />
S. o. Anm. 41. Dolche mit mehreren dnrch einen Fe<strong>der</strong>drnck hervortretenden<br />
Klingen waren sehr häufig.<br />
45) durchgestrichen.<br />
46) 1576 wird bei jedem Bett auch „1 Vancke dafür," o<strong>der</strong> „ein<br />
Tritt" verzeichnet; in des Comthurs Gemach ans dem Thorhause gab<br />
es damals anch „1 klein Bette rnndt umbher mit Venckcn vorwahrct,"<br />
und iu einer Kammer stand „l Schnbbette, dafür ein Tritt."<br />
") Kreude: Kraut, Gewürz.<br />
^) Die Zusammenstellung <strong>der</strong> Inventare von 1547 uud 1560 hat<br />
„Wuschtiicher" und zwei Zeilen weiter „Waschtasche."<br />
") gesteppt, nämlich Rock, wie auch bei tamaskeu.<br />
^) Karteten: eine Art linnenes Zeug, vielleicht von Kortryk<br />
(Courtray) wie cambrick von Cambray.
1 schwarzer Trawermanttell<br />
1 schwarz Hosen unnd Wam-<br />
mes mit weisser Seiden ge-<br />
stiept<br />
1 Par leibfarbe Hosen mit<br />
Sammit vorbremet<br />
1 rocth kartecken Wammes<br />
1 seyden Attlaß Wamms, Zu-<br />
schnitten^)<br />
1 Par schwarze le<strong>der</strong>ne Hosen<br />
1 schwarzsammit Koller, zu-<br />
schnitten<br />
1 Par schwarze Hosen mit<br />
Sammet und<br />
1 schwarz Zwilchwammes mit<br />
Sammet<br />
1 Par schwarze Hosen mit<br />
Sammet<br />
1 zindcldorth Wammes^)<br />
1 Par schwartz Gewandt Hosen<br />
unnd<br />
1 zaden Wammes^)<br />
1 Par rothe le<strong>der</strong>ne Hosen<br />
mit Kartete durchzogen unnd<br />
schwarzen Sammet vorbremct<br />
Inventarien von Wildenbruch.<br />
1 syden Atlaswamms unvor-<br />
bremet<br />
1 schwarz Pärchen Wammes<br />
1 scharlachen Bruestlatz<br />
1 roeth Fueterhemde<br />
1 schwarze Haerzkappe^) von<br />
Gewände, darahn die Er-<br />
mel mit Fuchsse gefuetertt<br />
1 weiß schmaschen^) Fueter<br />
1 Stueck weiß gemeine Ge-<br />
wandt<br />
1 gefuetertte Jacke mit Vaum-<br />
wulle gefuetertt<br />
1 Par le<strong>der</strong>en Hosen unnd<br />
Wammes mit Sammet<br />
1 schwarz fuchssen Pelz mit<br />
Gewandt überzogen ^)<br />
1 Pulsier<br />
1 Par gestrickte Strumpe<br />
2 Vehrenheutte<br />
2 Bedde, 1 Heuptpfüell, 1<br />
Lacken<br />
1 Klei<strong>der</strong>borste<br />
12 Mittel zinnen^)<br />
1 rother Sack mit Ncgelein<br />
5') Diese und die nächste Zeile sind durchgestrichen. Daneben<br />
steht die gleichzeitige Randbemerkung: „schwartz gewesen."<br />
5") Andre Lesart: zin<strong>der</strong>oeth, doch ist die im Text gegebene die<br />
richtige, denn Zindeldorth ftolii 8ud86i'ioa torta.) ist ein halbseidenes<br />
durchsichtiges Gewebe. (Vrinckmeicr Glossar.)<br />
53) zaden, von Zaian, Saia, Say, ein französisches Zeug.<br />
54) Zunächst <strong>der</strong> kurze Leiuwandkittel <strong>der</strong> Vewohuer des Harzes,<br />
dann überhaupt ein kurzes Gewaud, speciell Meßgewand, endlich allgemein<br />
für geistliche Kleiduug.<br />
55) Schmaschcn (von suik 8kw?) sind kleine Lämmerfelle, zu Futter<br />
viel benutzt.<br />
56) Diese und die folgende Zeile sind durchgestrichen.<br />
57) zu supplire»: Schüssel o<strong>der</strong> <strong>der</strong>gl.
1 Sack mit Pfeffer<br />
1 Sack darin Zymmet<br />
1 roeht Secklein mit Inngber<br />
1 weiß Sack Margendalischer ^)<br />
Pfeffer, so die Fischer geben,<br />
sollen 18 U sein<br />
in einem Papftier etwahn<br />
ein K o<strong>der</strong> ^/2 A Saffran<br />
2 Schwerdtte<br />
1 Berßroher^)<br />
1 Roher am Sattell<br />
2 Pulverflaschen<br />
2 Pocke mit einer' Sammetscheidm<br />
1 Brottmesser<br />
1 Par Schaelen mit dem Gewichte^)<br />
Im oben vorteffelttem<br />
n e uen Gemach ^^) und in<br />
den beiden Kammern.<br />
v, Bülow,<br />
darunter ein gemaelttes mit<br />
einem Schraubette<br />
7 alte beschlagene Settell<br />
9 altte Dreiecker mit weinig<br />
Sylber beschlagen<br />
1 Rappier^)<br />
2 neue kleine Kessell<br />
4 altte knrze Poecke nlit kleinen<br />
sylbernen Ortbenden ^'^)<br />
86xt. lil).<br />
1118t.<br />
lid.<br />
0U.1Q.<br />
2 große neue Himelbedde, 8 Feurspieße<br />
Q0VU.IQ<br />
^) Marienthal, Dorf zur Herrschaft Wildenbruch gehörig.<br />
59) Pürschrohr. Neben diesen Waffen steht die Randbemerkung:<br />
„Alles was ehr zu seinem Leibe au Wheren und Bnchsen gebraucht<br />
hatt."<br />
60) Hierzu die Randbemerkung: „Hierzu gehören die Juristen uund<br />
an<strong>der</strong> Bücher, so im Spinde vorhanden nnnd ordentlich ufgeschrieben<br />
sein, wie die heißen."<br />
61) Dieses Gemach wnrde erst während Blumenthal Comthur<br />
war angelegt.<br />
62) Randbemerkung von gleichzeitiger Hand: „Ist Her Gotschalck<br />
(von Veltheim) gewesen, bleibt billich."<br />
62) Ort : äußerstes Eude, Spitze, Ecke. Ortband ist die metallene<br />
Umkleidung und Bedeckung <strong>der</strong> Spitze einer Stoßwaffe; Zwinge.<br />
t") Angelus. Ein Jurist aus Arezzo in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 15.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts, gest. zn Ferrara, <strong>der</strong> mehrere wissenschaftliche Schriften<br />
hinterlassen hat. Iöcher, Gel,-Ler.<br />
8.<br />
) ^
2 Stormhawen, darunter 1<br />
niitt dnllenl Sammet übcrzoegeu<br />
5 Pickclhawen mit schwarzen<br />
Hüeten<br />
5 schwarze Schurtzharnisch ^)<br />
darunter ein gestreiffter nüt<br />
langen Scheren, nnnd ein<br />
schwarzer nüt Scheren<br />
1 Ningkrahgen<br />
4 Par Ermmcll und 2 Schnerz<br />
etliche altte Armborst nnt<br />
Scnlen<br />
ein Handfeßlein Pulver<br />
1 grocß neu grüen Schloß<br />
ahn die Thüre<br />
ezliche eyserne unnd Bleikugelln<br />
10 Salz- unnd Bierthnnncn<br />
darin Fe<strong>der</strong>n<br />
3 große Glaeßfenster<br />
1 Stücke Garn znm grossen Garn<br />
1 rothe Lenchte, neue<br />
2 altte Halhsehle<br />
1 Niedtzeugk in einer Wißtasche<br />
Ueber <strong>der</strong> Kruegdornze<br />
im Gema ch.<br />
2 Vnndt Pusemendtbortten<br />
1 Sammet Barreth<br />
ezliche Ellen gehell Fuetertuch<br />
Inventarien von Wildendruch.<br />
ezliche Ellen ungeferlich achte<br />
weiß Parchendt<br />
1 kartekcngefnetert Mnezlein<br />
1 Wußtasche<br />
^l Par Sporn deß H. Compthers<br />
selig<br />
Die Propheten alle deutsch,<br />
Martini Lutheri<br />
1 lvulffcn Pelzken von Pnrprian<br />
^^) überzoegen unnd<br />
Sannnet verbremmet<br />
In <strong>der</strong> Küchenn.<br />
24 grosse zinnen Schüssell<br />
4 zerbrochen zinnen Schüssell<br />
15 mittel zinnen gned und<br />
boeß<br />
6 Salsier ^^) gnedt unnd boeß<br />
12 neue zinnen Teller<br />
24 guette an<strong>der</strong> zinnen<br />
Teller<br />
4 kleine zinnen Teller<br />
10 Kessel groeß unnd klein,<br />
doch nicht alle guet<br />
1 erden Diegell<br />
8 kupperne Decken groß unnd<br />
klein<br />
66) Schurzharnisch, <strong>der</strong> vom Vrustharnisch abwärts gehende, die<br />
Oberschenkel schützende Theil <strong>der</strong> Rüstung.<br />
66) Pnrpnr. In <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Abschrist des Verzeichnisses <strong>der</strong><br />
Schmucksachen und Klei<strong>der</strong> heißt es statt Pnrprian: „mit purperganischern<br />
Tnche."<br />
l'?) Slllznäpschen.
28 v, Vülow,<br />
4 Vraetspies<br />
3 Roesten guet und boeß<br />
3 Kesselhaecke<br />
2 lange Haecken<br />
1 Salzmeste<br />
2 Ahnrichttische<br />
1 großen Grapen<br />
3 Spinde<br />
2 Backeyser<br />
1 Hebeschüssell<br />
1 eyserne Schippe<br />
1 Kahellracke^)<br />
2 Spriezen<br />
1 Reibeyser<br />
1 Bradewen<strong>der</strong> mit einer<br />
Rose 69)<br />
1 Axe neue<br />
1 Radehawe<br />
174 Seite neue Speck<br />
16 Seite altten Speck<br />
7^/2 Schock Bratworste<br />
2 Thonnen 1 Achtendeill altte<br />
Putter<br />
1 Verdell 3 Achtendeill frische<br />
Putter<br />
4'/2 Thonnen Kuhekese<br />
1 Gewichte mit holzen Schaelen<br />
o<strong>der</strong> Bretten<br />
2 Thonnen Schweineklaben ^<br />
63 Schmer<br />
108 droge Gense<br />
11 Spieß Rücknochen<br />
66 Schweinekop<br />
11 Spies Stiech- o<strong>der</strong> Kehelbratten<br />
19 Spies Ripsper<br />
36 Spies droge Schaffleisch<br />
8 Spies droge Rindfleisch<br />
l/2 Thonne Honningk<br />
Im Keller.<br />
1 glesern Wilkom<br />
1 erden Wilkom<br />
1 Iungkfer ") mit 4 Schlosse,<br />
ein Handeisen mit einem<br />
Schlosse<br />
1 Borer<br />
2 zinnen Wilkom, die Lesch-<br />
truncke genanndt<br />
5 leipziger Quarterkannen mit<br />
bretten Füßen<br />
2 schlechte Quartirkannen<br />
68) Kohlrake, wohl ein Eisen, nm Kohl und Krant damit zn<br />
schneiden, Krauthobel.<br />
6") Wohl identisch mit dem „Rad darin die Hunde den Braten<br />
wenden" von 1576.<br />
^) Schweineklanen, eingesalzene.<br />
") Jungfer, ein Strafwerkzeug, das in den Schauerromanen zwar<br />
eine hervorragende Rolle spielt, über dessen Einrichtung aber keine<br />
sichere Nachricht bisher zu erlangen gewesen ist. Vgl. Mekl. Jahrbücher<br />
V, S. 41; VI, S. 198- XV, S. 357. In Sammlungen sieht<br />
man gelegentlich ein <strong>der</strong>artiges Instrument, aber von zweifelhafter<br />
Aechtheit.
3 schlechte Nossellkannen")<br />
2 gereifte Nossellkannen<br />
2 breite zinnen Kannen, je<strong>der</strong><br />
von 3 Nossell<br />
2 Schenckannen<br />
1 myssinges Gießkanne<br />
1 breet Nossellkennichen<br />
6 Vierhane guedt unnd boeß<br />
4 Weinhane<br />
4 Loeßkannen<br />
2 Tyftkannen<br />
3 beschlagene Vornkannen<br />
3 unbeschlagene Bornkannen<br />
11 Taffelkannen<br />
4 halbe Taffelkannen<br />
1 zinnen Putterbuchsse mit<br />
einer Decke unnd Schrawe<br />
5 Stück Luchter<br />
1 Messer<br />
161^/2 Thonnen Vier gefunden<br />
den 14. Aprilis'<br />
3 Verdell blancken Wein<br />
1 Fuc<strong>der</strong> rothen Wein<br />
1/2 Fue<strong>der</strong> Kochwein<br />
Uf <strong>der</strong> Cantzelei oben<br />
dem Keller.<br />
16 leipziger neue Quarterkannen<br />
mit bretten Fueßen<br />
4 Nosselkannen<br />
2 Flaschenfneter mit 9 Flaschen,<br />
darunter 1 große<br />
Inventarien von Wildenbruch.<br />
1'/2 Thonnen Biergleser<br />
1 Kramfaß, fast füll mit ungehecheltem<br />
Flachß<br />
1 klein Feßlein mitt Firniz<br />
1 Schneneze<br />
8 Recken ungebleichte grobe<br />
Leinewandt<br />
2 Tische<br />
1 lediger Kasten<br />
1 Achtendem Vretnegell<br />
5 Schneidemesser<br />
8 Par altte Stangen<br />
4 Vlatschlosfer zu kleinen<br />
Spinden<br />
Deß Ordens Stabiliment unnd<br />
sonst 2 altte Bücher<br />
Finckennez zu dreien Herden<br />
10 Strecknez<br />
1 Vraeckvoegelnez<br />
2 Enttennez unnd 2 Feldnezen<br />
zu Entten unnd<br />
Gensen<br />
In <strong>der</strong> Kammer geghen<br />
des Hern Compthers<br />
Gemach.<br />
1 eysern Gewicht mit aller<br />
Zubehorung<br />
1 flaseren (!) Thüre mit einem<br />
neuen Schlosse<br />
3 neue Tischfueß<br />
14 Wullsccke guet uund boeß<br />
^) Nößel, Diminutiv eines unbekannten Wortes, bezeichnet eiu<br />
tleiues Fliijsigkeits- uud Trockenmaaß, eiue halbe Kanue, etwa eiu<br />
Schoppeu.
1 Blocksaege<br />
23 dubbelde Haccken in Er<br />
Vehren Gemach<br />
In d er Harnischkammer.<br />
2 gemachte Bedden mit 6<br />
Bedden, 3 Heuptpfüle, 4<br />
Küssen unnd 2 Par welsche<br />
Lacken<br />
2 Beddeu, 1 Par Hedenlacken<br />
uf dem Rholbedde<br />
1 Brnnzscherbell ^)<br />
3 neue Bencke<br />
1 nene Tisch in <strong>der</strong> Sweben<br />
1 alt Tisch mit einem Cnntor<br />
1 rothe Decke nf dem Tisch<br />
1 Lnchter<br />
1 ledige Beddespnnde<br />
Im ncnen Gemach oben<br />
<strong>der</strong> Posteyen.<br />
4 gemachte Bedden, daranft<br />
10 Vedden, 4 Henptftfüele<br />
13 Küssen unnd 4 Par<br />
flexin und Heden Lacken<br />
Im kleinen Kemmerchen<br />
jegenüber.<br />
2 gemachte Bedden, daranff<br />
7 Bedden, 4 tzeuptpfüele,<br />
2 Müssen, 1 Par welsch<br />
unnd 1 Par flechssen Lacken<br />
1 Iungeubedde mit 2 Bedden,<br />
u. Vülow,<br />
Nachtgeschirr, wie oben Nachtscherbel.<br />
1 Heuptpfüll uund 1<br />
Heden Lacken<br />
Brnnzscherbell<br />
Im grünen Gemach.<br />
2 Tische, 2 Sicdellbencke<br />
1 groß Becken<br />
1 Lnchter<br />
1 Pulster<br />
Uf dem Dhorhause.<br />
Par<br />
2 Tische, uf einem ein lundisch<br />
grün Tuch<br />
2 Pnlster<br />
1 gemacht Bedde mit 5 Bedden,<br />
2 Heuptpfüelc nnnd<br />
1 Par welsche Lacken<br />
Ingemeine vor alle<br />
Diener.<br />
3 Vedden, 1 Hcuptpfüel unnd<br />
1 Par Heden Lacken in<br />
Rungen Kammer<br />
6 Bedden, 3 Heuptpfücle, 3<br />
Par hedeu Lacken uf drei<br />
Vedden, vor den Kornschreiber,<br />
Voigte uund Becker<br />
2 Bedden, 1 Heuptpfüel, 1<br />
Par Heden Lacken <strong>der</strong> Kellerknccht<br />
10 Bedden, 4 Heuptpfüle,<br />
1 Küssen uund 4 Par<br />
Heden Lacken, oben den<br />
Prioratt
5 Bedden, 1 Heuptpfüell unnd<br />
2 Par Lacken im Marstalle<br />
2 Veddcn, 1 Par Lacken im<br />
Wagenstalle<br />
1 Vedde <strong>der</strong> Thorwechter<br />
4 Veddcn, 1 Henfttpfüel nnnd<br />
2 Par Lacken im Vehoffe<br />
1 Vedde in: Malzhanse<br />
2 Veddcn in <strong>der</strong> Knchen unnd<br />
1 Par Heden Lacken<br />
In <strong>der</strong> Kirchen.<br />
Inventarien von Wildenbruch.<br />
2 gülden Stücck, ein roth,<br />
daß an<strong>der</strong> ^) grün verblümet<br />
1 altt gülden Stüeck<br />
1 5^asell ^') von geblumeter<br />
Leinewandt<br />
1 schlvarz Zamlott ^) mit<br />
einem Crucifix<br />
1 rothe Khorkappc verblumet,<br />
mit einer Christall in Syldcr<br />
gcfasset<br />
4 Alven^)<br />
1 Kelch mit einer Pathen<br />
Auf dem hohen Altar.<br />
6 große Luch ter unnd 2 kleine<br />
2 Crucifix<br />
2 Helm uf dem Kirchhoffe,<br />
da mahn Waßer in brcndt<br />
Im Backhause.<br />
2 Voddcm zum Vier<br />
2 Kucffcu<br />
1 Brawpfanne<br />
1 Vacktroch<br />
1 Tisch<br />
14 Secke<br />
1 Backtyene^)<br />
1 Towers<br />
1 Voddem, da mahn Gerste in<br />
bcgiest im Malzhause<br />
1 Sperwagcn nf dem Hanse<br />
1 groß nene Garn<br />
2 Klippen<br />
8 Wmdeblocke<br />
1 eyserne Wegcstange<br />
14 Hascnnez<br />
9 Rhenez guet unnd boeß<br />
3 große Wildtnez<br />
9 Wildttücher bei dem Graffcn<br />
von Vierraden<br />
") lö76: „In die Kirche sollen von <strong>der</strong> Witwen (des Comthurs<br />
Martin v. Wedel) gekaufst werden: die heilige Biblia, Hauspostilla<br />
und Kirchenpostilla Luthcri."<br />
^) Kasel: oaäul^, Äceßgewand.<br />
^') zamlot: camelot, aus Kameelshaaren, wohl eine Decke o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong>gleichen.<br />
^) Alve: Alba, priestcrliches Meßgewand ans weißer Leinwand.<br />
'") Tiene: Wanne, Trog.<br />
'") Tower: Zober.
32 u. Bülow, Inventarien von Wildenbruch.<br />
Rindtvhie unnd Schweine 2 Schock 43 Pölcke ^)<br />
im Vehoff zu Wilden- 36 Soechferckell<br />
bruch. 37 alte Wilden«')<br />
9 zwejerische Falen<br />
30 mulcke ^) Kuhe 3 Wagenpferde<br />
10 Kuhe, die noch Kelber 11 Pferde im Marstalle, klein<br />
soegen unnd groß, hievon einß balde<br />
11 gueste^) Kühe gestorben, einer verdorben,<br />
2 Bullen den besten wil <strong>der</strong> Her<br />
27 überjerische Kelber Meister haben, den Zelter<br />
16 gespendet) Kelber haben die Blumenthal, blei-<br />
10 Kelber, die noch saugen ben 7 Pferde im Marstalle ^)<br />
1 Schock 5 altte Schweine^) i Voigtklopper^)<br />
Hieran schließt sich das Inventar von Thänsdorf und<br />
Rörchen, dessen Mittheilung wie bei dem Inventar von 1547<br />
so auch hier unterbleiben kann, da wir es nur mit dem Hause<br />
Wildenbruch und nicht mit allen dazu gehörigen Comthureigütern<br />
zu thun haben.<br />
66) nmlk: für melk, eine Kuh, die gekalbt hat, milchgebend.<br />
bl) güst, keine Milch gebend, trocken, noch trächtig. Vergl. das<br />
trockene Geestland im Gegensatz zn <strong>der</strong> fruchtbaren Marsch.<br />
82) entwöhnt.<br />
^) Gleichzeitige Randbemerkung: „Nota. Der Leibschweine o<strong>der</strong><br />
Zuchtschweine zu fragen."<br />
^) ein halbwachsenes Schwein.<br />
n) Stute.<br />
66) Gleichzeitige Randbemerkung: „Hievon die Vlumenthal noch<br />
einen bekommen, bleiben 6."<br />
67) Klopper: für Klepper, nicht im heutigen verächtlichen Sinne<br />
zu verstehen, son<strong>der</strong>n ein rasches Reitpferd.
Der Surgwall in <strong>der</strong> Priigel.<br />
Von Pastor Kasten in Katzow.<br />
(Hierzu zwei lithographirte Tafeln.)<br />
Ungefähr 1V2 Meilen westlich von Wolgast liegt in <strong>der</strong><br />
znm königlichen Forstrevier Iägcrhof gehörigen Waldnng, welche<br />
die Prägel genannt wird, ein großer wendischer Vnrgwall.<br />
Er hat in dem 2. Heft des XI. Jahrgangs (S. 21) <strong>der</strong><br />
Balt. Stnd. bereits eine Erwähnung nnd im 2. Heft des<br />
XIV. Jahrgangs (S. 19) eine knrze Beschreibung nnd eine Art<br />
bildlicher Darstellung gefunden. Doch dürfte es sich <strong>der</strong> Mühe<br />
verlohnen, ein etwas genaueres Bild von ihm zn geben, loie<br />
ich es hiermit versuche.<br />
Von keiner Seite kann man jetzt an<strong>der</strong>s zn ihm gelangen,<br />
als durch weiten Wald. Der königliche Wald, an dessen westlicher<br />
Grenze er liegt, erstreckt sich nach Südost hin in einer<br />
zusammenhängenden Masse von 12000 Morgen; nach Nordwest<br />
und Westen schließen sich, nnr zum Theil dnrch eine Wicsenfläche<br />
geschieden, die Waldungen von Karbow nnd die <strong>der</strong><br />
Greifswal<strong>der</strong> Universität, im Süden die Wrangelsbnrger Forst<br />
an. Trotz dieser seiner abgeschiedenen Lage ist er aber in <strong>der</strong><br />
Gegend keineswegs unbekannt; er ist vielmehr in schönen Somrnertagen<br />
ein sehr beliebtes Ziel für Land - o<strong>der</strong> vielmehr<br />
Waldpartien zu Fuß und zu Wagen. Gerade die weite Entfernung<br />
von menschlichen Wohnplätzen, <strong>der</strong> Schmnck, welchen<br />
ihm die den ganzen Ranm bedeckenden uralten Buchen verleihen,<br />
dazu die Werke <strong>der</strong> grauen Vorzeit, welche zn dem Gemüth<br />
des Menschen reden, geben ihm etwas eigenthümlich<br />
Anziehendes.<br />
Man benutzte zur Anlage diefer alten Befestigung eine<br />
3
34 Pastor Kasten,<br />
Art Halbinsel, die sich in eine beträchtliche Wiesen- und Bruch-<br />
Nie<strong>der</strong>ung hineinstreckt und mit dein festen Lande durch eine<br />
nur etwa 120 Schritt breite Landzunge zusammenhängt. Das<br />
Ganze hat ungefähr die Gestalt eines Ovals, dessen größte<br />
Ausdehnung (von NNW. nach SSO.) fast 400 Schritt und<br />
dessen Breite (von W. nach O.) 250 Schritt beträgt. Den<br />
Flächeninhalt kann man auf 14 magdbg. Morgen schätzen.<br />
Der umwallte Raum zerfällt in zwei Abtheilungen, eine<br />
vor<strong>der</strong>e, größere, nur von einem einfachen Wall eingeschlossen,<br />
und eine Hintere, kleinere, bestehend aus eiuem Ringwall, <strong>der</strong><br />
znm größeren Theil noch von einem zweiten Wall umgürtet ist.<br />
Am stattlichsten präsentirt sich, wenn man durch den eine<br />
Ansicht aus <strong>der</strong> Ferne nicht gestattenden Wald herantritt, <strong>der</strong><br />
vor<strong>der</strong>e Wall. An seinem Fuße erkennt man noch deutlich die<br />
Spuren eines Grabens, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> westlichen zur östlichen<br />
Nie<strong>der</strong>ung herüberführt und in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> vollen Verteidigungsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> alten Burg vermuthlich, eben so wie die den<br />
Mittel- und Ringwall begleitenden Gräben, mit Wasser gefüllt<br />
war. Durch den Graben führt, ebenfalls noch deutlich erkennbar,<br />
eine Art Damm hinauf zn dem Eingang, welcher sich als<br />
ein tiefer Einschnitt darstellt. Unmittelbar zur Rechten des<br />
Eingangs hat <strong>der</strong> Wall seine höchste Kuppe, die 25—30 Fuß<br />
über dem Niveau <strong>der</strong> Wiesen liegen mag. Dieser alte Eingang<br />
wird jetzt nicht benutzt: <strong>der</strong> jetzige Fahrweg führt vielmehr<br />
durch die Einsenkung, welche den Vorwall von dem östlichen<br />
Walle trennt. Man kann aber nach meiner Ansicht nicht daran<br />
zweiseln, daß bei a. <strong>der</strong> alte Hanpteingang <strong>der</strong> Burg sich<br />
befindet, obwohl auch die Ginsenkung bei d. eine ursprüngliche<br />
zu sein scheint. Denn wenn man sich in späterer Zeit zn<br />
Holz- und Heufuhren eiuen Weg anlegen wollte, fo würde man<br />
ihn nicht da dnrch den Wall gebrochen haben, wo <strong>der</strong>selbe am<br />
höchsten ist. Bemerkenswerth scheint mir beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Umstand,<br />
daß neben dem Eingang die höchste Kuppe des Walles liegt.<br />
Dasselbe findet sich bei dem Bnrgwall von Arkona wie<strong>der</strong>. ^)<br />
Balt. Stud. XXIV, S. 270.
Vurgwall in <strong>der</strong> Prägel. 35<br />
Hier wie dort mochte diese Kuppe den Thurm tragen, welcher<br />
den Haupteingang schützte, ein Schutz, <strong>der</strong> um so nöthiger war,<br />
als <strong>der</strong> Damm den Zugang erleichterte; <strong>der</strong> Nebeneingang bei<br />
d. mochte dnrch den davor liegenden Wassergraben und — in<br />
ernsterer Lage — durch aufgepflanzte Pallisaden gesichert<br />
werden.<br />
Von dem Punkte c. aus, wo <strong>der</strong> Vorwall in den westlichen<br />
Seitenwall übergeht, läuft dieser in ziemlich gera<strong>der</strong><br />
Richtung in geringer Höhe, die bis d. 12, von da an 15 Fuß<br />
über <strong>der</strong> Wicseufläche betragen mag, bis zu dem Mittelwall<br />
hin, von welchem sie aber durch einen tiefen Graben-Einschnitt<br />
getrennt ist. Der östliche Wall, etwas bedeuten<strong>der</strong> an Höhe,<br />
zieht sich in einem großen Bogen bis zur nördlichen Spitze<br />
des Mittelwallcs hin. Auch an <strong>der</strong> innern Seite haben die<br />
Seitenwälle Graben-Vertiefungen, z gerade wie auf Arkona, dem<br />
Venzer Burgwall und <strong>der</strong> auf S. 211 des Loäox ?oin.<br />
äipiom. gezeichneten alten Burg Guttin bei <strong>Greifswald</strong>. Der<br />
innere Burgraum erscheint demnach als eine sanfte Wölbung,<br />
<strong>der</strong>en Scheitel ungefähr in gleicher Höhe liegt, wie <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Seitenwälle.<br />
Der Ringwall und <strong>der</strong> ihm vorgelegte Mittelwall sind<br />
von ziemlich gleicher Höhe und Stärke, doch wird letzterer auf<br />
<strong>der</strong> Strecke vou l. bis 6. etwas uicdrigcr und verläuft im Nordwesten<br />
in einer zuletzt kaum merklichen Boden - Erhebung.<br />
Merkwürdig ist die Ausbiegung des Walles bei o, durch welche<br />
hier <strong>der</strong> zwischen beiden Wällen liegende Graben sich beträchtlich<br />
erweitert, welche Erweiterung jedoch durch unregelmäßige<br />
Erd-Aufschüttungen zum Theil wie<strong>der</strong> ausgefüllt wird. Ursprung<br />
und Zweck <strong>der</strong>selben bleibt mir unerklärt. War hier<br />
vielleicht ein Eingang o<strong>der</strong> Zugang zu dem Ringwall, <strong>der</strong><br />
durch eine Laufbrücke vermittelt wurde? Fast fcheint es fo, da<br />
bei A. die Wallkrone eine kleine Einsenkung zeigt; doch war<br />
<strong>der</strong> Haupt-Eingang jedenfalls gegenüber bei k., <strong>der</strong> noch jetzt<br />
<strong>der</strong> gewöhnliche ist. Auch hier macht man wie<strong>der</strong>um dieselbe<br />
Bemerkung, daß unmittelbar neben dem Einschnitt bei li. <strong>der</strong><br />
Wall seine höchste Kuppe hat. Der von dem Ringwall einge-
36 Pastor Kasten,<br />
schlossene Ranni hat ungefähr 50 Schritt im Durchmesser.<br />
Von <strong>der</strong> Stelle, wo die Enden des östlichen Seitenwalles und<br />
des Mittelwalles zusammenstoßen, führt ein Damm dnrch die<br />
Wiesennie<strong>der</strong>ung bis zu dem gegenüber liegenden festen Erd-<br />
reich (jetzt Karbower Wald). Dieser Damm gehört wahr-<br />
scheinlich zu dem alten Vefestigungssystem; er sicherte den<br />
Belagerten, wenn sie von Süden her bedrängt wurden, die<br />
Kommunikation nach <strong>der</strong> entgegengesetzten Seite hin und bil-<br />
dete im Fall <strong>der</strong> Noth eine Rückzugslime. Sowohl die An-<br />
lage des Ringwalles, <strong>der</strong> von einem zweiten Wall zu drei<br />
Viertheilen umfaßt wird, wie <strong>der</strong> Damm im Rücken erinnert an<br />
die alte Burg von Tribsees. ^) Die spätere Zeit würde an <strong>der</strong><br />
Aufschüttung eines solchen Dammes kein irgend wie ersichtliches<br />
Interesse gehabt haben.<br />
Es ist bekannt, daß von den Burgen <strong>der</strong> Wenden die<br />
einen die Bestimmung hatten, größere o<strong>der</strong> kleinere Bezirke zu<br />
beherrschen, als Mittelpunkt einer Provinz zu dienen, und<br />
darum auch beständig bewohnt waren, während an<strong>der</strong>e nur als<br />
Zufluchtsörter zu Zeiten feindlicher Einfälle dienten und im<br />
Frieden unbewohnt waren. Jene hatten zum Theil eine agres-<br />
sive Bedeutung, man könnte sie als Trutzvesten bezeichnen;<br />
man denke nur an das in den Peenestrom hinausgeschobene<br />
Wolgast, an das die Höhen des O<strong>der</strong>stroms dominirende Stet-<br />
tin u. a. ; diese dienten ihrem Zweck desto mehr, je versteckter<br />
sie lagen. ! War nun unser Prägel-Burg wall ein befestigtes<br />
Waldversteck? Ich glaube, daß diese Frage verneint werden<br />
muß. Alles spricht vielmehr dafür, daß entwe<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Burg<br />
selbst o<strong>der</strong> unter ihrem Schutze iu <strong>der</strong> Nähe eine Ansiedelung<br />
bestand. In alter Zeit lag die Burg uicht so versteckt im<br />
Walde, wie jetzt, konnte ja auch selbst natürlich nicht bewaldet<br />
sein. Es leuchtet leicht ein, daß ein bis an die Gräben und<br />
Wälle <strong>der</strong> Burg heranreichen<strong>der</strong> Wald ihre Sicherheit keines-<br />
wegs vermehrte, im Gegentheil das unbemerkte Herannahen <strong>der</strong><br />
Feinde erleichterte.<br />
I>om. cUpiom. Tafel ^ zu S. 34.
Burgwall in <strong>der</strong> Prägel. Z7<br />
Znnächst ist bemerkenswerth, daß <strong>der</strong> dem Burgwall zunächst<br />
liegende Waldtheil, welcher einen ebenen, leichten, aber<br />
nicht nnfrnchtbaren Boden hat nnd jetzt mit jungen Buchen bestanden<br />
ist, im Volksmnnde noch heute das Wendenfeld o<strong>der</strong><br />
Wendseld heißt. Anch auf <strong>der</strong> Special-Karte des Forstreviers<br />
ist ein daselbst belogenes Moor als „Wendefcld-Moor" bezeichnet.<br />
Die Tradition verlegt denn anch hierher das untergegangene<br />
Dorf Wiendorf. Als vor 33 Jahren die dort stehenden<br />
alten Buchen hernntergenommen nnd die Stümpfe ausgerodet<br />
wurden, fand man an einer Stelle — die ich auf <strong>der</strong><br />
beifolgeuden Karte durch kleine Kreife bezeichnet habe — dicht<br />
unter <strong>der</strong> Oberfläche <strong>der</strong> Erde viele Steine in regelmäßigen<br />
Reihen, loie sie in den Fundamenten ländlicher Gebände gelegt<br />
zu werden pflegen. ^) Ob nnn aber wirklich dies die<br />
Ueberreste <strong>der</strong> untergegangenen Ortschaft sein mögen, dürfte zu<br />
bezweifeln seiu, da die Wenden die Fundamentirung mit Granitblöcken<br />
nicht angewandt zu haben scheinen; man müßte denn<br />
annehmen, daß bereits eine deutsche Ansiedelung an Stelle <strong>der</strong><br />
wendischen getreten sei, was mir indeß wenig wahrscheinlich ist.<br />
Das ehemalige Dorf „Wiendorf" existirt aber durchaus uicht<br />
blos in <strong>der</strong> Sage, son<strong>der</strong>n eine „wüste Feldmark Wiendors"<br />
kennen auch die alten Landes-Vermessnngen des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
schon; wahrscheinlich anch schon früher, doch stehen<br />
mir darüber keine Quellen zu Gebote. In dem hiesigen Pfarr-<br />
Archiv ist eine Areal-Ansrechnnng <strong>der</strong> einzelnen Ortschaften<br />
des Kirchspiels vom Jahre 1757 vorhanden, welche sich wie<strong>der</strong>um<br />
aus eine allgemeine Vermessung im I. 1694 bezieht.<br />
Lei<strong>der</strong> sind einzelne Blätter ans diesem Schriftstück ausgerissen.<br />
Es heißt dort nnter dem Titel: „Areal-Ausrechnung über<br />
Wiendorf" sich ergänze das Fehlende in Klammern): „Zwischen<br />
Katzow, Pritzier nnd dem Cron Holtze sdie Prägel^ ist<br />
in alten Zeiten ein Dorfs gewesen, so Wien ^dorf geheißen^,<br />
solches sist^ nunmehro seit langer Zeit ^als^ Weide gebrauchet<br />
^) Nach dem Berichte des jetzigen Pächters Herrn Ianzen zu<br />
Alt-Wiendors.
38 Pastor Kasten,<br />
worden." Die wüste Feldmark ist dann aber vollständig geson<strong>der</strong>t<br />
vermessen und wird genau nach <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Morgen<br />
und Quadratruthen angegeben. Zum Schluß heißt es dann,<br />
nachdem bei den an<strong>der</strong>n Ortschaften angegeben worden, wie<br />
viel Acker seit <strong>der</strong> Vermessung von 1694 neu in Kultur genommen<br />
:<br />
„Wiendorf. Auf diesem Felde ist alles seit voriger<br />
Vermessung unverän<strong>der</strong>t geblieben. Was den wüsten Acker betrifft,<br />
so ist selbiger überall von gröblichem Sande, etwas röthlich,<br />
hin und wie<strong>der</strong> schießen itzt etliche Tannenbüsche auf,<br />
und es wird selbiger von allen umliegenden Dörfern zur<br />
Weide gebraucht, die ihr Vieh dahin treiben. Würde allhie<br />
etwas ausgebrochen, welches mit <strong>der</strong> Zeit wohl geschehen dürfte,<br />
so kann selbiges alle 6 und 9 Jahre besäet werden, erst mit<br />
Buchweitzen, und hernach mit Rocken." Eine im hiesigen Pfarr-<br />
Archiv aufbewahrte ältere „Charte über den Pfarracker in<br />
Katzow copirt von dem im Jahre 1800 von Aug. Borries<br />
gemessenen Originale" hat im Südwesten des Ackers die Bezeichnung:<br />
„Hieran grenzet das wüste Wiendorfer Feld." Ich<br />
habe diese Grenzlinie zwischen Wiendorf und Katzow, so weit<br />
diese Specialkarte sie bot, auf <strong>der</strong> beifolgenden Karte angedeutet.<br />
Was in <strong>der</strong> Landes-Vermessung als wüstes Wiendorfer Feld<br />
bezeichnet ist, kann übrigens nur ein Theil <strong>der</strong> zu dem alten<br />
Wiendorf gehörigen Feldmark sein; denn das vorhin genannte<br />
Wendefeld umfaßte es nicht. Man muß sich eben denken, daß<br />
in früherer Zeit das Feld, von Waldstücken unterbrochen, von<br />
dem Burgwall sich bis zu jener Grenzlinie ausdehnte, dann<br />
aber <strong>der</strong> Wald sich rings um den Burgwall schloß und nur<br />
an seinem Rande ein als Weide benutztes wüstes Feld übrig<br />
blieb.<br />
Auf jene alte Landesvermessung von 1694 bezieht sich<br />
auch eine Notiz in Bie<strong>der</strong>städts Beiträgen zur Geschichte <strong>der</strong><br />
Kirchen und Prediger in Neuvorpommern. Es heißt dort<br />
Thl. III. S. 24: „Wiendorf gränzte gegen Norden und Osten<br />
an Katzow, gegen Süden an Pritzier, gegen Westen an Kühlenhagen<br />
und die Kronhölzung Prägel. Es soll zum borgwaldi-
Vurgwall in <strong>der</strong> Prägel. 39<br />
schen Schloß in <strong>der</strong> Kronholzung Prägel gehört haben. In<br />
Ansehung des in dieser Waldnng Gelegenen Borkwall o<strong>der</strong><br />
Borgwalls bemerkt <strong>der</strong> königliche Landmesser Hesselgrecn in<br />
<strong>der</strong> Areal-Neschreibnng: Derselbe zeigt Nu<strong>der</strong>à von einem alten<br />
Schlosse, welches in früheren Zeiten Hierselbst gestanden haben<br />
soll, welches mit 3 Gräben nnd Erdwällen umgeben gewesen;<br />
dessen Platz ziemlich groß aus einer Erdzunge zwischen Wiesen<br />
uud Morästen, nahe bei Knhleborn belegen ist und jetzt einen<br />
hohen Waldhügel representirt. Diese Ueberreste lassen ver-<br />
muthen, daß dies Schloß zn seiner Zeit von nicht geringem<br />
Glanz und Ansehen gewesen sey. Nun ist es mit vielen<br />
Eichen und Buchen bewachsen und dienet den wilden Thieren<br />
zum Aufenthalt."<br />
Die ans <strong>der</strong>selben Seite bei Niedcrstedt befindliche Angabe:<br />
„Wiendorf heißt auch Wüst-Wcndorf, Krittower-Hof im Kirch-<br />
spiel Katzow" ist jedoch in zwiefacher Hinsicht eine irrthümliche.<br />
Deun erstens heißt Wiendorf in Urkunden wie im Volksmunde<br />
nie Wendorf, fondcrn stets Wiendors. Die Annahme einer<br />
Umwandlung des Namens Wendors in Wicndorf o<strong>der</strong> einer<br />
Verwechseluug bei<strong>der</strong> ist iu hiesiger Gegend, wo <strong>der</strong> Orts- nnd<br />
Personen-Name Wendors geläufig genug ist, ganz unstatthaft.<br />
Zum audcrn lag <strong>der</strong> untergegangene Hof Krittow nachweislich<br />
nördlich von Katzow, zwischen den Dörfern Katzow, Lodmanns-<br />
hagen uud Netzband, nnd darf mit Wieudorf nicht identificirt<br />
werden.<br />
Wiendorf mnß aber fchon sehr früh untergegangen sein.<br />
Denn schon in <strong>der</strong> alten Kirchenmatrikel Katzows vom Jahre<br />
1581 wird es nnter den Dörfern des Kirchspiels nicht mehr<br />
aufgeführt. Als die Burg zerstört o<strong>der</strong> verlassen wurde, zog<br />
sich wahrscheinlich auch die wendische Bevölkerung von dort<br />
hinweg, uud, wie ich vermuthe, zum größten Theil nach Katzow<br />
hin. Verschiedene Gründe sprechen mir dafür, daß in Katzow<br />
eine dichter gedrängte wendische Bevölkerung noch fest saß, als<br />
schon rings Heruni die Deutscheu sich ansiedelten. Ich will<br />
hierauf jedoch uicht näher eingehen.<br />
Anf dem Grund und Boden <strong>der</strong> alten wüsten Feldmark
40 Pastor Kasten,<br />
Wiendorf aber entstanden im Lauf <strong>der</strong> Zeit wie<strong>der</strong> menschliche<br />
Wohnsitze. Denn es liegt hier jetzt die Oberförsterei und Försterei<br />
Iägerhof. Wann sie angelegt worden, vermag ich nicht<br />
zu sagen, wahrscheinlich erst im Lauf des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Etwas älter, obwohl gleichfalls noch dem vorigen Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
angehörend, mag <strong>der</strong> kleine Pachthof sein, welcher heutigen<br />
Tages den wie<strong>der</strong> aufgelebten Namen Alt-Wiendorf trägt. Er<br />
liegt in einem von bewaldeten Höhen umkränzten anmuthigen<br />
kleinen Thale am Ufer des aus dem Prägelwalde kommenden<br />
Baches, eine halbe Stunde von dem Burgwall entfernt. Hier<br />
hat in drei Generationen bis zum Jahre 1848 eine Iägerfamilie<br />
gehaust, <strong>der</strong>en Geschichte die Sage mit <strong>der</strong> des ehemaligen<br />
Dorfes in Verbindung bringt. Sie erzählt nämlich: im<br />
dreißigjährigen Kriege sei Wiendorf zerstört, alle Einwohner<br />
seien umgekommen; nur ein kleiner Knabe sei übrig geblieben,<br />
Namens Richert, den die Hunde groß gesäugt hätten; daher<br />
habe er die Fähigkeit bekommen, das Wild spüren zu können;<br />
als er herangewachsen, habe er sich das Haus am Bache gebaut<br />
und sei ein Wolfsjäger geworden. Diese Sage birgt an<br />
historischem Kern schwerlich mehr, als die Erinnerung an das<br />
untergegangene Dorf und die Thatsache, daß ein Richert das<br />
Gehöft aufgebaut, durch welches <strong>der</strong> Name Wiendorf sich erneute.<br />
Es kann dies erst um 1750 geschehen sein; das alte Wiendorf<br />
aber hat so wenig noch bis zum dreißigjährigen Kriege gestanden,<br />
daß man schon 1694 von ihm als einem längst verschollenen<br />
reden konnte. Einiges Dunkel zwar schwebt über<br />
dem Besitz des kleinen Pachthofes; <strong>der</strong> erste Richert hat ihn<br />
als Eigenthum besessen, jetzt wird er von Seiten des Forst-<br />
Fiskus verpachtet. Eine Tradition behauptet, <strong>der</strong> Sohn o<strong>der</strong><br />
Enkel habe sich in trunkenem Zustande das Besitzdokument<br />
ablisten lassen, sei als Besitzer vor dem Amt erschienen und<br />
als Pächter wie<strong>der</strong> heimgegangen. So wenig glaubhaft das<br />
klingt, schreibt doch die Königl. Regierung zu Stralsund selbst<br />
in einer Verfügung vom 19. Mai 1849 an die Katzower<br />
Kirchen-Administration: Nachdem <strong>der</strong> ehemalige Wolfsjäger<br />
Otto Richert, welcher das zu Alt-Wiendorf belegene Haus nebst
Bnrgwall ili <strong>der</strong> Prägel. 41<br />
Acker und Wiese nnd <strong>der</strong> gestatteten Weidefreiheit für eine Kuh<br />
und zwei Pferde in <strong>der</strong> Königl. Forst auf feine Lebenszeit<br />
von allen Abgaben befreiet besessen hatte, gestorben war, wurden<br />
dein Sohne und später dessen Enkel die gedachten Gegenstände<br />
gegen Zahlung eines Grundgeldcs überlassen und diefem<br />
dabei auferlegt, gleich wie es von dem Otto Nichert geschehen,<br />
die Aufsicht auf das Katzower Kirchen- nnd Pfarrholz zu<br />
führen 3c." Also er ist ein von allen Abgaben befreiter Besitzer<br />
gewesen. Wie aber ist <strong>der</strong> Sohn ein Pächter geworden?<br />
Das bleibt unanfgehellt.<br />
So viel aber steht uns nach dem Bisherigen fest, daß man an<br />
<strong>der</strong> Existenz des alten Dorfes Wiendorf, an feinem Zusammenhang<br />
mit dem Burgwall und an <strong>der</strong> Forni des Namens Wiendorf ^)<br />
nicht zweifeln kann. Gehen wir mm einen Schritt weiter und<br />
fragen: Sollte denn diefe alte Burg von Wiendorf, die doch<br />
noch jetzt so anfehnlich, die nach ihrer Weise mit so viel Kunst<br />
und System angelegt ist, gar keine Erwähnung in Urkunden<br />
o<strong>der</strong> Chroniken gefunden haben? Ich antworte darauf, daß sie<br />
nach meiner Meinung an einer Stelle <strong>der</strong> Knytlinga-Saga<br />
genannt ist. Es wird dort nämlich ^) znm Jahr 1178 o<strong>der</strong><br />
1177, denn die Knytlinga-Saga selbst giebt keine Jahreszahlen,<br />
erzählt: „König Valdcmar erfuhr, daß die Venden zwei Burgen<br />
an <strong>der</strong> Flatzmynne (.<strong>der</strong> Swiene) anlegten, während sie verglichen<br />
42 Pastor Kasten,<br />
ausrüsten sollten, und nach Vindland ziehen und sich dort begegnen.<br />
Der Herzog rückte mit seinem Heere vor Dimin.<br />
König Waldemar bot wie<strong>der</strong>um eine Flotte auf von Dänemark,<br />
und segelte Valagust (Wolgast) vorbei nach Fuznon, und heerte;<br />
und alles Volk entfloh; er aber verbrannte drei Burgen Fuznon,<br />
Vinborg und Fuir. Da wurde wie<strong>der</strong>um ein Sendgebot<br />
geschickt zwischen König Waldemar und Herzog Henrik, daß sie<br />
sich in Grozvin treffen sollten; da kam König Waldemar zu<br />
<strong>der</strong> Stelle, wo sie die Begegnung beredet hatten, aber Herzog<br />
Henrik kam nicht. Darauf belagerte König Waldemar die<br />
Burg, welche Kotskovburg (Gutzkow) heißt; er lag um die<br />
Burg über Nacht, und verbrannte sie die folgende Nacht,<br />
begab sich darauf zu seinen Schiffen, und zog davon in Unfrieden.<br />
Darauf segelte König Waldemar zur Flatzmynne, und<br />
zog da hinaus; aber die zwei Burgen, welche die Venden<br />
angelegt hatten, hatte <strong>der</strong> Fluß im Winter überschwemmt und<br />
ganz vernichtet. Der König zog darauf heim." Die hier<br />
genannte Vinborg kann wohl kaum eine an<strong>der</strong>e fein, als <strong>der</strong><br />
Burgwall in <strong>der</strong> Prägel.<br />
Ich weiß wohl, daß die Zuverlässigkeit <strong>der</strong> Knytlinga-<br />
Saga von <strong>der</strong> neueren Kritik sehr gering veranschlagt wird,<br />
L. Giesebrecht (in den Wendischen Geschichten) gebraucht sie<br />
zwar zur Ergänzung Saxos, O. Fock dagegen ^) räth, bei ihrer<br />
Benutzung für unfere heimische Geschichte in jedem einzelnen<br />
Fall mit <strong>der</strong> größten Vorsicht zu Werke zu gehen und will<br />
ihre Nachrichten, selbst wenn sie nicht an innerer Unmöglichkeit<br />
o<strong>der</strong> Unwahrscheinlichkeit leiden, immer nur unter Reserve aufnehmen.<br />
Er weiß ihr eine Reihe <strong>der</strong> ärgsten historischen und<br />
topographischen Verstöße nachzuweisen. Allein gerade in Bezug<br />
auf diese letzteren wird man, glaube ich, zu <strong>der</strong> gegentheiligen<br />
Meinung Kombsts ^) zurückkehren, daß „die Geographie <strong>der</strong><br />
Knytlinga-Saga im Ganzen sehr genau sei." Gerade was<br />
L. Giesebrecht s) ihr als Hauptvorwurf anrechnet, daß nämlich<br />
Rügensch-Pommersche Geschichten I. S. 126 ff.<br />
Balt. Stud. I. S. 39.<br />
Wend. Gesch. III. S. 385.
Burgwall in <strong>der</strong> Präge!. 43<br />
zu ihrer Zeit die Identifieirung <strong>der</strong> Iomsburg mit Iulin<br />
„bereits zur festen Tradition versteinert" gewesen sei, wird jetzt<br />
allgemein als das richtige angenommen; und was O. Fock über<br />
das ganz planlose Hin und Her, Vor- und Rückwärts des<br />
Zuges des Däuen von <strong>der</strong> Warnowmündnng nach Swold<br />
und von da nach Valung redet, hebt sich ans die einfachste<br />
und natürlichste Weise, wenn man uuter Swold nicht die Greifswal<strong>der</strong><br />
Ol, son<strong>der</strong>n ^) die Rhede von Barhöft versteht.<br />
Was speciell die oben angeführte Stelle über deu Zug<br />
Kö'uig Waldemars iu die Peeue vom Jahr 1178 betrifft, so<br />
ist hier Aulaß, Plau, Ausführuug und Geographie des Zuges<br />
durchaus klar. Der Dä'nenköuig erfährt, daß die Pommern<br />
zwei Vurgen an <strong>der</strong> Swienc ^) angelegt haben, was ihm sehr<br />
schlecht gefällt, da er daraus die Absicht erkennt, das Verhältniß<br />
<strong>der</strong> Abhängigkeit zu lösen, zu welchem sie sich hatten bequemen<br />
müssen. Er vereinbart daher einen gemeinsamen Kriegszug<br />
mit seinem alten Buudesgeuossen, Heinrich dem Löwen, uud<br />
zwar in <strong>der</strong> Weise, daß letzterer von Südwest her an die obere<br />
Peeue zieht, Waldcmar aber ihm entgegen von <strong>der</strong> Peeuemüudung<br />
her, so daß sie sich, wie sie schon früher gethau, au<br />
<strong>der</strong> mittleren o<strong>der</strong> unteren Peene treffen. Waldemar läuft<br />
mit seiner Flotte in die Pcene ein — war sie früher durch<br />
Steiue und Pfähle gesperrt, so konnten die Pommern selber<br />
in eignem Interesse die Sperre wie<strong>der</strong> entfernt haben — bei<br />
Wolgast vorbei, welches er nicht anzugreifeu wagt, o<strong>der</strong> durch<br />
dessen Belageruug er zu lauge würde aufgehalteu sein. Links<br />
uud rechts verheert er die Uferlandschafteu. Bei dieser Gelegenheit<br />
verbrennt er drei Burgen, Fuzuon, Viuborg und<br />
Fuir, welche also zwischcu Wolgast und <strong>der</strong> Mündung des<br />
Pceneflufscs in den Pecnestrom auf dem pommerschen Fcstlande<br />
o<strong>der</strong> auf Usedom zu sucheu sind. Ob mit Fuzuon Usedom<br />
bezeichnet sei, lasse ich dahin gestellt fein; wenn kurz<br />
9) O. Franckc, Balt. Stud. XXV. 1.<br />
'") Kombst und Barthold verstehen nnter <strong>der</strong> Plazmynne o<strong>der</strong><br />
Flatzmynne die Pcenc, Giescbrccht die Swiene; letztere Ansicht scheint<br />
die richtigere.
44 Pastor Kasten,<br />
nachher Usedom mit dem richtigen Namen Usna genannt ist,<br />
so ist dies wenigstens zweifelhaft. Fuir nachzuweisen, darauf<br />
muß ich ebenfalls verzichten; es würde sich etwa <strong>der</strong> unweit<br />
Ranzin, eine Viertelmeile, südlich vom Bahnhof Züssow belegene<br />
Burgwall von Oldenburg darbieten, wenn er nicht schon etwas<br />
zu weit ins Land hinein läge. ") Vinborg aber, glaube ich,<br />
kann nichts an<strong>der</strong>es sein, als unser Burgwall von Alt-Wiendorf<br />
in <strong>der</strong> Prägel. Landeten die Dänen an <strong>der</strong> Mündung <strong>der</strong><br />
Ziese bei dem heutigen Hohendorf, so hatten sie von dort nur<br />
einen Weg von 1^4 Meilen landeinwärts zu machen. Nach<br />
<strong>der</strong> Einäscherung <strong>der</strong> drei Burgen zieht Waldemar weiter, um<br />
mit Heinrich in Großwin zusammenzutreffen. Allein dieser<br />
hatte inzwischen seine Zeit mit <strong>der</strong> vergeblichen Belagerung<br />
Demmins zugebracht, hatte dann jedoch Geißeln empfangen<br />
und war wie<strong>der</strong> abgezogen. Während dessen rückt Waldemar<br />
von Großwin, wo er den Herzog wi<strong>der</strong> die Verabredung nicht<br />
findet, weiter bis Gutzkow vor, brennt es nie<strong>der</strong> und kehrt<br />
schließlich durch die Swiene wie<strong>der</strong> heim. Die an <strong>der</strong>selben<br />
errichteten Burgen <strong>der</strong> Pommern waren im Winter bereits<br />
durch Überschwemmung vernichtet.<br />
Hier ist nirgends eine Verwirrung, während Giesebrecht<br />
und Barthold zugeben, daß Saxos Bericht über diesen Zug<br />
an Verwirrung leide. Wenn nun aber die Vinborg unweit<br />
des Peenestroms zu suchen ist, so muß man gestehen, daß die<br />
Aehnlichkeit des Namens es sehr nahe legt, an den Burgwall<br />
von Wiendorf im Prägelwalde zu denken.<br />
Am 6. Juni 1877 nahm ich, nachdem die Königliche<br />
Regierung zu Stralsund die Erlaubniß dazu ertheilt hatte,<br />
einige Nachgrabungen auf dem Burgwall vor. Zuerst wurde<br />
im vor<strong>der</strong>en Vurgraum, in <strong>der</strong> Nähe des Einganges 9,. ein<br />
Graben von etwa 12 F. Länge, 3 F. Breite und 3 F. Tiefe<br />
ausgehoben. Hierbei kamen einige Urnenscherben von ziemlich<br />
") Man könnte auch an die öfter erwähnten alten Burgen von<br />
Lassan o<strong>der</strong> Ziethen denken, <strong>der</strong>en Namen die Knytlinga-Saga nach<br />
ihrer Weise übersetzt o<strong>der</strong> sich dänisch mundrecht gemacht hätte.
Vurgwall in <strong>der</strong> Prägel. 45<br />
dicken Wänden (an den stärksten Stellen ^/2 Zoll dick), ohne<br />
Verzierungen, und aus grober Thonmischung ' verfertigt, zum<br />
Vorschein; dieselben müssen einer frühen wendischen Zeit zugewiesen<br />
werden. Dann wurde, fast in <strong>der</strong> Mitte des Ringwalles,<br />
ein ähnlicher, noch etwas längerer Graben aufgeworfen.<br />
Hier fand sich jedoch nichts, nur daß in einer Tiefe von ca.<br />
l/2 F. erst eine Grandschicht und darunter eine mehrere Zoll<br />
starke Schicht aus grobkörnigem, röthlich gefärbten Sande, <strong>der</strong><br />
mit einer darunter sitzenden gräulich- und bläulich-gemischten<br />
schmierigen, thonartigen Masse zusammenhing, aufgedeckt wurde.<br />
Unter <strong>der</strong> genannten Schicht fchien Urboden zu liegen. Diese<br />
Sand- und Schmierschicht ist vermuthlich von animalischen Stoffen<br />
stark durchzogen und kann als eine natürliche wohl nicht angesehen<br />
werden. Es würde noch eine nähere Untersuchung<br />
nöthig sein, um festzustellen, aus welchen Stoffen diese Schicht<br />
besteht. Sie zog sich durch die ganze Länge des aufgeworfenen<br />
Grabens hin. Dann wurde in <strong>der</strong> Sohle des zwischen dem<br />
Ring- und Mittelwalle liegenden Grabens ein Einschnitt gemacht.<br />
Nach einer starken sehr humusreichen Schicht traf man<br />
hier auf bläulich gefärbten feinen Sand in ziemlicher Mächtigkeit,<br />
den die Arbeiter für Urboden erklärten, <strong>der</strong> wahrscheinlich<br />
indeß erst bei <strong>der</strong> allmähligen Versandung <strong>der</strong> Gräben sich<br />
abgelagert hat. Da man noch in bedeutende Tiefe hätte gehen<br />
müssen, um etwas genügendes festzustellen, wurde die Nachgrabung<br />
an dieser Stelle aufgegeben; beim Wie<strong>der</strong>zuwerfen <strong>der</strong><br />
Grube wurden noch einige Knochen, wahrscheinlich Menschenknochen,<br />
gefunden. Das vierte Loch wurde wie<strong>der</strong>um in dem<br />
großen vor<strong>der</strong>en Burgraum, doch mehr nach <strong>der</strong> Mitte zu,<br />
gegraben. Nicht sehr tief unter <strong>der</strong> Oberstäche stieß hier ein<br />
Arbeiter auf ein Stück, das er mit großer Bestimmtheit für<br />
Aes (Schlacke), wie <strong>der</strong> Schmied in <strong>der</strong> Esse habe, erklärte.<br />
Bald fanden sich mehr <strong>der</strong>gl. Stücke, zuletzt stieß man, in<br />
<strong>der</strong> Tiefe von ungefähr 2^/2 Fuß auf einen förmlichen Heerd<br />
von etwa 4 Fuß im Quadrat, <strong>der</strong> mit solchen Schlackenstücken<br />
dicht bepackt war. Unmittelbar unter <strong>der</strong> Schlacke fand sich<br />
eine dünne Schicht rothgebrannten Lehms; an manchen Stücken
46 Pastor Kasten,<br />
ist die Schlacke mit demselben zu einer Brandmasse vereinigt.<br />
Zwischen den Schlackenstücken, nnd zum Theil auch mit ihnen<br />
zusammengeschmolzen zeigten sich eine Menge Holzkohlen.<br />
Ferner fanden sich in unmittelbarer Verbindung mit diesem<br />
Heerde zahlreichere Nrnenscherben. Das vollständigste Bruchstück<br />
<strong>der</strong>selben läßt auf die Form des Gefäßes einigermaßen<br />
schließen. Dieselbe würde etwa diese sein. Mit Wellenlinien<br />
ist es nicht verziert, son- 5"""? <strong>der</strong>n nnr mit einfachen,<br />
horizontal herumlaufenden /< Rillen. Anch im Innern<br />
sind horizontale Linien zu s ^^^^z sehen, welche auf eine Anfertigung<br />
auf <strong>der</strong> Töpfer- ^ / schcibe schließen lassen.<br />
Es ist auf <strong>der</strong> Außenseite X / noch ganz mit einem dicken<br />
schwarzen Ruß bedeckt. Eine Anzahl von gewöhnlichen Feldsteinen<br />
wurde hier ebenfalls gefunden, die an <strong>der</strong> einen —<br />
flachen — Seite schwarz vom Ruß waren, wahrscheinlich also<br />
um das Feuer herumgestellt sein müssen, um es zu schützen<br />
o<strong>der</strong> zusammenzuhalten. Auch ein kleiner, roh bearbeiteter<br />
Feuerstein gehörte zu <strong>der</strong> Ausbeute dieser Stelle. Ferner noch<br />
Stücke einer flachen Scheibe aus roth gebrantem Lehm, am<br />
Rande etwas abgedreht, die, vervollständigt, 5^/4 Zoll im Durchmesser<br />
haben würde. Es würde wohl nicht schwer sein, durch<br />
einen Sachverständigen feststellen zu lasseu, woraus die Schlacke<br />
besteht, damit man daraus beurtheilen könne, welcher Art die<br />
Industrie war, welche hier betrieben wurde. Eiuzelne Stücken<br />
machen ganz den Eindrnck, als wenn es Eisenschlacke wäre;<br />
bei allen zeigt die Oberfläche eine Glasur.<br />
Als Frucht <strong>der</strong> Arbeit eines einzigen Nachmittags, die<br />
mit wenigen (3) Arbeitern unternommen uud auf gut Glück<br />
versucht war, konnte das Gefundene dnrchans als befriedigend<br />
angesehen werden. Dentliche Spuren menschlicher Thätigkeit<br />
waren zu Tage gekommen; wollte man die Nachgrabungen<br />
fortsetzen, so würde man höchst wahrscheinlich auf dem großen<br />
vor<strong>der</strong>en Burgraum noch mancherlei finden. Der Heerd und<br />
die Schlacke dürfte den Beweis liefern, daß hier ständige menschliche<br />
Wohnsitze waren. Ob aber das Innere des Ringwalles<br />
auch bewohnt war? Fast möchte man, nach dem bisher gewon-
Vurgwall ili <strong>der</strong> Prägel. 47<br />
nenen, freilich noch nicht entscheidendem, Resultat vermuthen,<br />
daß er es nicht war, vielleicht aber ein Tempel-<br />
Heiligthum barg. Alle die wichtigeren wendischen und<br />
rügenschen Burgwälle waren ja Tempelburgen. Als mensch-<br />
liche Wohnstätte hatte <strong>der</strong> Ringwall, selbst für einen edlen<br />
Herrn, wenig Anziehendes; aber für eine Tempelstätte würde<br />
er passen. Ein Bach fließt an seinem Fuße durch die Wiese<br />
dahin, waldumschlossene Seeen, <strong>der</strong>en Wasser er abführt, sind<br />
in geringer Entfernung; und sollte jene vorhin erwähnte röth-<br />
liche Sandschicht nicht irgend wie mit dem Kultus des Heilig-<br />
thums zusammenhängen?<br />
Als Nachtrag füge ich noch hinzu, daß, wie mir <strong>der</strong> Herr<br />
Oberförster von Bernuth zu Iägerhof mitgetheilt hat, das dem<br />
Burgwall gegenüberliegende, mit demselben durch den bereits<br />
erwähnten Damm verbundene Waldterrain, welches zu Karbow<br />
gehört, von den Karbowern ebenfalls „Burgwall" genannt wird,<br />
jedoch keine Spuren von VerWallungen aufweist.<br />
Unerwähnt kann ich schließlich nicht lassen, daß auf <strong>der</strong><br />
Mitte des Dammes eine Eiche und unter <strong>der</strong>selben ein großer<br />
Sandstein steht, auf dessen platter Fläche folgende Inschrift<br />
mit großen Buchstaben eingegraben ist (<strong>der</strong> Stein ist etwas<br />
auf die Seite gesunken und dadurch einzelnes nicht mehr zu lesen):<br />
1783<br />
hat Carl V. Ov^ätien. ^) ^ ^ Wiesen roden lassen und die<br />
Bewässerung angelegt. Selbiges Jahr . . . . 150 Fu<strong>der</strong> Heu<br />
gebracht.<br />
Es wäre also möglich, daß <strong>der</strong> Damm zum Zweck <strong>der</strong><br />
Bewässerung angelegt worden wäre; es ist mir indeß nicht<br />
wahrscheinlich, vielleicht hat man den schon vorhandenen Damm,<br />
<strong>der</strong> nur 50 Schritt lang ist, zu <strong>der</strong> Anlage mit benutzt.<br />
In mehrfacher Hinsicht erinnert das bei dem Prägel-<br />
Burgwall befolgte System <strong>der</strong> Befestigung an den Garzer<br />
Burgwall. Zunächst schon die doppelte Umwallnng; dann<br />
aber ist die Art eigenthümlich, loie die Endpunkte <strong>der</strong> beiden<br />
V.
48 Pastor Kasten,<br />
äußeren Wälle dem Eingang znm innern Burgraum gegen-<br />
überliegen. ^) Dasselbe finden wir bei uuserm Burgwall wie<strong>der</strong>.<br />
Sicherlich galt es, den Eingang beson<strong>der</strong>s zu schützen. Auf<br />
<strong>der</strong> erwähnten Zeichnung des Garzer Burgwalls ist bei 3,. eine<br />
Höhe angedeutet, in welcher die beiden äußereu Wälle zu-<br />
sammengestoßen haben sollen; sie ist jetzt nicht mehr vorhanden,<br />
ihre frühere Existenz soll aber genügend bezeugt sein. '^)<br />
Denkt man sie sich hinweg, so wird die Ähnlichkeit bei<strong>der</strong><br />
Anlagen noch frappanter. Auf eben diesen selben Eingangspunkt<br />
lief, wie a. a. O. S. 249 berichtet wird, eine Pfahlreihe durch<br />
den Sumpf zu. Sind dies Ueberreste einer Brücke o<strong>der</strong> eines<br />
Sumpfweges, so würde er dem Verbindungsdamme zwischen<br />
dem Prägel-Burgwall und dem sog. Karbower Bnrgwall<br />
entsprechen.<br />
Um die Frage, welcher Zeit <strong>der</strong> Prägcl-Burgwall angehört,<br />
ihrem Abschlüsse näher zu bringen, sind ani 3. Oktober 1877<br />
und 5. September 1878 erneute Nachgrabungen vorgenommen<br />
worden. An dem ersten Tage war Herr I>. R. Vaicr aus<br />
Stralsund dabei gegenwärtig; die Ausbeute war lei<strong>der</strong> sehr<br />
geringfügig. Mehr ergab <strong>der</strong> zweite Tag, wenigstens kam eine<br />
ziemliche Menge von Urnenscherben unzweifelhaft wendischen<br />
Ursprungs, dazu Holzkohlen nnd von Rauch und Feuer ge-<br />
schwärzte Feldsteine zum Vorschein, säst alles aber in dem<br />
vor<strong>der</strong>en Burgraum dicht hinter dem ersten Hanptwall. Auf-<br />
fallend ist, daß innerhalb des Ringwalles, <strong>der</strong> bei allen Nach-<br />
grabungeu natürlich in erster Linie in's Auge gefaßt wurde,<br />
überhaupt kein Gegenstand von Bedeutung gefunden wurde.<br />
Ob <strong>der</strong>selbe eine Kultusstätte barg, erscheint daher zweifelhaft.<br />
Dagegen wird die Vermuthung, daß <strong>der</strong> Burgwall <strong>der</strong> späteren<br />
wendischen Zeit, speciell <strong>der</strong> Zeit nach <strong>der</strong> Eroberung Rügens<br />
durch die Dänen, angehört, einerseits durch die Wohlerhaltcn-<br />
heit, Klarheit und Vollständigkeit <strong>der</strong> Befestigungsanlage, welche<br />
ihres Gleichen fucht, an<strong>der</strong>erseits durch die an Zahl und Be-<br />
Taf. I. zu Jahrg. XXIV. <strong>der</strong> Balt. Stud.<br />
Ebenda S. 246 ff.
Vurgwall in <strong>der</strong> Prägel. 49<br />
dentung nnr geringen Funde, welche ein jahrhun<strong>der</strong>telanges<br />
Bewohntsein nicht wahrscheinlich machen, bestätigt.<br />
In <strong>der</strong> Zeit, als die Rügianer, auf die dänische Macht<br />
sich stützend, ihr festländisches Gebiet auf Kosten <strong>der</strong> Pommern<br />
bedeutend erweiterten, als König Kanut von Dänemark in dem<br />
von <strong>der</strong> Herzogin Anastasia von Pommern und dem Fürsten<br />
Iaromar von Rügen ihm vorgelegten Grenzstreit die oberlehnsherrliche<br />
Entscheidung fällte, daß zur Burg Wolgast die Landschaften<br />
Bukow, Lasfan und Ziethen, zur Burg Gutzkow aber<br />
die Landschaften Meseritz und Loitz gehörten (1194), als Fürst<br />
Iaromar I. von Rügen dem Kloster Eldena den zwischen <strong>der</strong><br />
Hilda uud Gutzkow belegenen Wald und das Dorf Kemnitz<br />
verlieh (1207) — da lag die Prägelburg gerade auf <strong>der</strong><br />
Grenze des von den Pommern noch behaupteten Landes Wolgast<br />
In <strong>der</strong> bald darauf folgenden Zeit mußte sie ihre Bedeutung<br />
verlieren.
50 v. Vülow,<br />
Klosterordnung von Wollin und Marienstieß.<br />
1569.<br />
Von Di'. von Vülow, Staatsarchiuar.<br />
Ans dem dem Erbvertrage von Iasenitz nm wenige<br />
Wochen vorangehenden Landtage zu Wollin im Mai 5 509<br />
wnrde anch iiber die pommerschen Inngfranenklöstcr endgültig<br />
beschlossen, indem <strong>der</strong> Bescheid des stettiner Landtages von<br />
1560 genaner gefaßt und die Errichtung von fünf „Zucht-<br />
schulen" adlicher Jungfrauen nnter fürstlicher Aufsicht auge-<br />
ordnet wurde. Das königliche Staatsarchiv bewahrt die nnter<br />
dem 23. Mai 1565 für die Klöster Wollin nnd Maricnfließ<br />
entworfene Klosterordnuug in zwei alten Abschriften des 16.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts auf, von denen die wollincr jedenfalls nach 1575<br />
geschrieben sein muß, denn sie schließt mit einer auf Marien-<br />
fließ bezüglichen Bemerkung ab, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Landtagsabschied<br />
von 1575 erwähnt wird.<br />
Der Text bei<strong>der</strong> Ordnungen ist, abgesehen von <strong>der</strong> Or-<br />
thographie und kleinen unwesentlichen Varianten, für beide<br />
Klöster ganz gleichlautend, nur bei dem für die Klosterjuug-<br />
frauen festgesetzten Deputat an Lebensmitteln hat die maricn-<br />
siießer Version noch eine Zugabe an frifchen Fischen, die in <strong>der</strong><br />
wolliner fehlt. Die letztere ist dem hier folgenden Abdruck zu<br />
Gruude gelegt worden, aus <strong>der</strong> marienfließer Version dagegen<br />
stammen die hier mit kleiner Schrift unter den Text gefetzten<br />
Noten, die in <strong>der</strong> Originalabschrift als Randbemerkungen von<br />
<strong>der</strong> Hand eines herzoglichen Beamten mit rother Dinte sich<br />
geschrieben finden. Sie sind nach dem Jahre 1588 Hinzuge-
Klosterordnung von Nollin und Marienfließ. 51<br />
fügt und haben dadurch Werth, weil sie angeben, welche Verän<strong>der</strong>ungen<br />
die Klosterordnung von Marienfließ gegen Ende<br />
des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts erfahren hat. Die wolliner Version<br />
hat keinerlei Randbemerkuugen, und ist also anzunehmen, daß<br />
in Wollin die im Jahre 1569 festgesetzte Ordnuug unverän<strong>der</strong>t<br />
geblieben ist.<br />
Kloster-Ordenuug zue Wolliu.<br />
Anno 1569 publicirt.<br />
Vonu Gottes Gnaden wir Varnimb <strong>der</strong> elter, Iohans<br />
Fri<strong>der</strong>ich, Vugschlaff, Ernst Ludtwig, Varnimb <strong>der</strong> jüuger<br />
unud Caßmir GeVettern und Gebrue<strong>der</strong>e Hertzogenu zue Stettinn,<br />
Pommeru, <strong>der</strong> Caßuben unnd Wenden, Fürsten zue<br />
Reugeu undt Graffen zue Gutzkow, thun kundt unnd bekennen<br />
hiemitt: nachdem wir auff negst zu Wollin dem 17. 18. unndt<br />
19. lauffeuden Monats May gehaltenem Landtage denen von<br />
<strong>der</strong> Ritterschafft fürnemblich zue son<strong>der</strong>n Gnaden auff Conditivi:<br />
unudt Maß dem Abscheide einvorliebett die Kloster zu<br />
Marieufließ, Stolp, Verchen, Bergen in Nuigen, auch wir<br />
Hertzogk Iohaus Frie<strong>der</strong>ich als Bischoff zu Camin das Kloster<br />
zue Kolberg zur Erziehung unnd Unterhaltung <strong>der</strong> Iuugrawen<br />
guediglich gewilliget unud ferner Vertröstung gethan,<br />
welchermaßenn kunfftig zue Gartz das sechste Kloster als eiue<br />
Zuchtfchule vor die Iungfrawen anzuerichtcn, mehren Einhalts<br />
obgedachten zue Wollin geschloßenen unndt publicirten Landtagsabscheids,<br />
als haben wir unnß ferner mit gemeinem Rath<br />
nachfolgende Ordnung die eheberurtenn Schulen anzurichten<br />
unnd zu halten vereiniget unndt Verglichcnn.<br />
Nemblich unndt zum ersten follen in ein jedeß Kloster<br />
zwanzig Iungfrawen, nicht unter funfzehen Jahr alt, fo gottsehliges,<br />
christliches Lebens, Nahmens unnd Wandels, auch<br />
adelicheu Standes, mit unserm Vorwißen, Consens und Verwilligung<br />
genommen, erhalten unnd ihrer unnd an<strong>der</strong>er notwendigen<br />
Persohnen Undcrhaltuug etwas Gewißcs ohne allen<br />
Abgang verordnet uundt perpetuiret werdenn.
52 v. Vülow,<br />
Vorschlagt vonn wegenn <strong>der</strong> Inngfrawen Kloster.<br />
Nachdein mein g. F. unndt Herr Einhalt des Abscheides<br />
gnediglichen ans Condition, Maß nnndt Wege gewilliget, denn<br />
Praelaten nnndt Ritterschafft fnrnemblich zn Gnaden, zu Erhaltnng<br />
unndt Erziehung unndt Znchtschnlen <strong>der</strong> Inngfrawen<br />
die Klöster Marienflies, Stolp, Verchen, Bergen in Ruigen,<br />
das Kloster zn Kolberge zu verordnen, anch künfftig Einhalt<br />
des Abscheides das sechste Kloster zuc Garz anrichten zu laßen,<br />
unndt das in einem jedem Kloster 20 Iungfrawen nicht unter<br />
funfzehen Jahr alt, so gotsehliges christliches Lebens, Nahmens<br />
unndt Wandels, adelichen Standes, mit ihrer f. G. Vorwißen<br />
unndt Verwillignng darein genomen, erhalten unndt zne ihren<br />
unndt an<strong>der</strong>n notwendigen Persohnen Un<strong>der</strong>haltnng etwas Gewißes<br />
ohne allen Abgang zu verordnen nnnd zne perftetuiren,<br />
so sollen in einem jeden Kloster zwo alte betagte, sehligen<br />
christlichen gueten Lebenswandels nnndt Nahmens, adelichen<br />
Standes, Witwen o<strong>der</strong> Inngfrowen nicht nnter fnnfzig Jahren<br />
alt, die schreiben unnd lesen können, als Regentinnen sein,<br />
unterhalten werden. Dieselbigen zwo Rcgentinnen sollen sampt<br />
unndt son<strong>der</strong>lich anff die Inngfrawen vorncmblich, auch sonst<br />
über Megde unndt an<strong>der</strong> Volck Befehlich nnd guette fleißige<br />
Aufsicht haben, damit allenthalben godtsehlig, christlich Leben<br />
nnndt Wandell im Kloster erhaltenn unndt son<strong>der</strong>lich die ihn<br />
das Kloster verordnet unndt sonst zur Lehre darein gethane<br />
Kin<strong>der</strong> Einhalt <strong>der</strong> Ordnung ihren Christenthnmb lehren uundt<br />
sonsten darein sich üben, auch nicht gestattenn, das Manspersohnen<br />
ihn das verschlossene Klosters ferner als vor das Sprachhanß,<br />
anßerhalb des Predigers, davon hernach gemeldet, und<br />
sonst keine Frawe, Jungfern o<strong>der</strong> Megte in das Kloster nicht<br />
gehörich, ohne ihr Vorwißen kommen, noch lenger als sie nachgeben<br />
darein verharren laßenn.<br />
An<strong>der</strong>e Personenn, so ihm Kloster zn haltenn.<br />
20 Iungfrawenn<br />
l) Mit Verschließuug ists niemaln zu Wercke gerichtet.
Klosterordnung von Wollin und Marienfließ. 53<br />
2 Megde vorr die Regentinnen<br />
2 Megde vorr die Iungfrawen<br />
1 Schafferin, so Alles verschleust, außgiebet, auf Nrawen unnd<br />
die gantze Haußhaltung siehet<br />
1 Kellerin, so auf die Schafferinne warthet<br />
1 Küchinne<br />
2 Megde in die Küchen<br />
1 alt frommer betagter Mahn zum Pförtner, <strong>der</strong> in Pflicht<br />
genommen Wirt, Iemandts ohne <strong>der</strong> Regentinnen Befehlich<br />
ein o<strong>der</strong> auh dem Kloster nicht zue lassen, daß ehr auch<br />
die Schlüssell nicht bei sich habe, son<strong>der</strong>n je<strong>der</strong>zeit, wan<br />
das Kloster auff vorgehenden Nefehlich <strong>der</strong> Regentinnen<br />
sol geöfnet werden, die Schlüßell holet unnd baldt wie<strong>der</strong><br />
bringt.<br />
Summarum 32 Persohnen mit dem Pförtners.<br />
Darzu werden außerhalb des Klosters gehalten ein alter<br />
redlicher Pfarner, <strong>der</strong> auch denn Iungfrawen lesen unndt<br />
schreiben leren kan; dem Wirt zur Verrichtung seines Ambts<br />
auf den Dorffern ein geschickter Küster o<strong>der</strong> Cappelan gehalten,<br />
<strong>der</strong> nicht in das Kloster kommen, son<strong>der</strong>n wie gemeldet des<br />
Pfarhern Ampt auf den Dorffern versehen. Schaffer o<strong>der</strong><br />
Rentmeister mit einem Jungen o<strong>der</strong> Knechte, <strong>der</strong> alles, was<br />
verordnet, zue rechter Zeit schaffe unnd den Regentinnen unnd<br />
Schafferinncn verandtworten, darvon auch klare Rechenschafft<br />
den verordenten Conservatoren und Inspectorn unnd sonst auch<br />
wegen <strong>der</strong> Landesfürsten Alles bestellenn ^).<br />
2) Hernach ist erbetten, das ein je<strong>der</strong> Part eine beson<strong>der</strong> Wohnung<br />
haben und das Deputat unter sich verteilen mochten.<br />
2) Hirin ist nnterscheidtlich Veren<strong>der</strong>nng gewest und hat sich zulest<br />
befunden, <strong>der</strong> alte Graf auch (<strong>der</strong> sich zuvor als eiu Oberhaubtmau<br />
nf Sazig und Nath die Oberufsicht zugeeignet) selbst verordnen helfen,<br />
das ein gewisser Ambtman zn Ufsicht des Klosters und Hofgesindes,<br />
Bestellung <strong>der</strong> Bawerck und Iurisdiction bestellet würde und stets<br />
kegenwertig were, dar also weiniger nfgangen, weil nicht allein <strong>der</strong> Graf<br />
deswegen evhohetes Deputat gehabt, son<strong>der</strong>n das Deputat <strong>der</strong> hieschen<br />
Ambtsdiener viel hoher gewesen, als da einem bestendigen Ambtman,
5)4 v. Bülow,<br />
Die Amfttleute jedes Ordeß ^) sollen die Iurisdiction<br />
unndt oberste Aussicht haben unnd behalten nnnd denselben zur<br />
Visitation, Inspektion nnd Conservation jedes Orts ein Hoffraht<br />
ilnndt zwcn ehrliche, ansehnliche verstendige vom Adell<br />
zugeordnet werden-"').<br />
Die zwanzigk Persohnen, so in jedes Kloster mit <strong>der</strong><br />
Landesfürsten Bewilligung und auff gehörtes Bedenken <strong>der</strong><br />
verordenten Inspectoren unndt Conservatorn wie gemeldet,<br />
sollen unberüchtigte ehrliche Iunfern sein, unndt außerhalb <strong>der</strong><br />
Regentinnen, Schafferin unndt Küchin keine Witwen o<strong>der</strong><br />
Frawespersohnen darein genommen werden, unndt darein die<br />
rechten Armen, die nicht Vater o<strong>der</strong> Mutter haben, sonsten<br />
auch gebrechlich sein, vor an<strong>der</strong>n Vermnegenen in dem Einnehmende<br />
Acht gehabt werden.<br />
Nnndt soll frey sein, das die Iunfern auß den Klöstern<br />
gefreihet werden, jedoch wan die Heyratungen fürfallen, sollen<br />
dieselbigen nicht an<strong>der</strong>s alß aus Rath unnd Willen <strong>der</strong> Eltern,<br />
Vormün<strong>der</strong> unndt negstverwanten Freunde, anch mit Vorwißen<br />
<strong>der</strong> Regentinnen und Inspectorn vorgenommen ^), volnzogen<br />
und wan sie verleubt, durch die Eltern o<strong>der</strong> Frennde darauß<br />
genommen, nnnd die an<strong>der</strong>e, so die erste Vertröstung darauf<br />
erlangt, wie<strong>der</strong>um in ihre Stadt tretten.<br />
Wan auch die Iungfrawen, so darauß gefreihet, gahr<br />
arm, wollen die Landesfürsten zu Hülff des Ehegeldes sich in<br />
Gnaden bezeigen ^).<br />
<strong>der</strong> kegenwertige gute Disposition anzustellen gehabt, folgents ein gewisse<br />
Deputat zugeordnet.<br />
Der hier erwähnte „alte Graf" ist Graf Ludwig von Eberstein,<br />
Hauptmann zu Satzig, <strong>der</strong> nebst Bernd von Dewitz, Magnus von<br />
Wedel und Messig Borke auf dem Landtag zu Wolliu zum Klosterin«<br />
spector ernannt war.<br />
4) als in Vorpommern und stettinscher Negieruug.<br />
2) Sein nur vom Lande 3 vom Adel verordnet, jezo über viel<br />
Jahr hero uur 2 gewesen, als Ewaldt Fleming und Jochim v. Wedel<br />
zu Crempzow.<br />
6) Gefchicht wohl, aber ohne <strong>der</strong> Inspectorn Vorwitzen.<br />
') Ist niemaln also erfolgt.
Klosterordmmg von Wollin nnd Marienstieß. 55<br />
Die Klöster sollen verschloßen gehalten unndt ein Sprach-<br />
haus ahm Thor mit einem Gitter erbauwet und zugerichtett<br />
werdend). Unndt wo Iemandts vonn <strong>der</strong> Iungfrawenn<br />
Freunde o<strong>der</strong> sonst Iemandts ansprechen will, soll dieselbige<br />
Persohn durch den Thorwer<strong>der</strong> bey <strong>der</strong> Regentinnen sich an-<br />
geben laßen "). Darauff eine von den Regentinnen sampt noch<br />
einer Iungfrawen in das Sprechhauß gehen, darein so lange<br />
pleiben, biß die Un<strong>der</strong>redung gescheen, nnd darnach wie<strong>der</strong>umb<br />
sampt den Iungfrawenn in ihren Gewarsamb gehen ^).<br />
Wo auch Frauwen o<strong>der</strong> Iungfrawen, die bei ihren Freun-<br />
den einen Tag o<strong>der</strong> Nacht o<strong>der</strong> in furfallenden Schwagheiten<br />
lenger bei ihnen sein nnd ihm Kloster verharren wolten, daßel-<br />
bige soll ihnen frei sein, jedoch das sie ihre Pferdte und Wagen-<br />
knechte und Mansgesinde in dem Kruege auf ihren Uncosten<br />
lassenn ").<br />
Unndt da <strong>der</strong> Iungfrawen Elteren o<strong>der</strong> sonst negste Ver-<br />
wante, Freunde o<strong>der</strong> Frundinnen die Iungfrawen eine Zeit-<br />
lang bei sich haben o<strong>der</strong> wor mit hinnehmen wolten, soll ihnen<br />
daßelbige mit bei<strong>der</strong> Regentinnen Willen frei sein unndt das<br />
sie disfals die Iuugfrawen selbst o<strong>der</strong> durch ehrliche Matronen<br />
darauß holen unnd in bestimbter Zeit darein wi<strong>der</strong> bringen<br />
laßen i2).<br />
Von Disciplin nnd Uebung were eine christliche Orde-<br />
nung Zu verfassen ^), darob anch zu halten und auf die Un-<br />
gehorfahme Straf zu fetzenn, unudt zu verordnen, wo eine<br />
Iungfraw die ihm Kloster wcre, sich unehrlichenn verhalten<br />
wurde, das dieselbige gekopfft unnd die Helffte dessenn was sie<br />
nachgelassen, halb unter die Armen ausgetheilet, unnd die<br />
6) Ist uiemalll zu Wercke gerichtet.<br />
9) Geschicht also nicht, son<strong>der</strong>n gehet ein Je<strong>der</strong> gerade zu.<br />
") Geschicht nicht.<br />
") Geschicht also.<br />
l2) Ersolgt also nicht.<br />
^) Es ist noch keine Verordnung deswegen geschehen, sousten sein<br />
wol alte Vorschlege vorhanden, aber nicht zn Wercke gerichtet. Ao.<br />
38 ist in einem Abscheidt deswegen auch Vertröstung geschehen, aber<br />
daraus uichtes erfolgt.
56 u. Bülow,<br />
an<strong>der</strong> Helfte zu deß Klosterß Bauwtc gelangen wurde"),<br />
unnd die Manspersohnen, so Unzucht mit Iungfrawen getrieben<br />
o<strong>der</strong> sonsten sich <strong>der</strong>selbigen unterstanden, und überwnnnen<br />
würden, auch gekopfet, o<strong>der</strong> wan sie nith bekommen, proscribirt<br />
und wo es adeliche Persohnen, vonn Schildt und Helm getheilet<br />
unnd nach <strong>der</strong> Fürsten Ermeßigung von ihrer Erbschafft<br />
o<strong>der</strong> den Früchten des Lehens zu den Klosterstructurn etwas<br />
gegeben werden.<br />
Vonn Kleidungen.<br />
Die Iungfrawen sollen nicht an<strong>der</strong>s im Kloster als<br />
schwarz Zaden unnd Wand-röcke unndt weiße Schleyer, wie<br />
die zu verordnen, tragen, unndt einer jeden Regentinnen und<br />
Iungfrawen füuf stetteinische Ellen breit schwarz lundisch Gewandt<br />
unnd einen halben Thaler zum Schleiger ^), zwelff<br />
Scheffel! Lein, drey Scheffell Hanfsaet darzu jerlich gesehet<br />
werden^) unndt einer jeden Regentinnen 6 st undt jeden<br />
Iungfrawen 3 st Offergeldt gegeben ^), und alle da obgeschriebene<br />
Persohnen besoldet werden, auch notturfftiglich Holtz und<br />
Kolen verschaffet und die Bawte erhalten werden.<br />
Folgett das Deputat.<br />
Waß <strong>der</strong> jungen Iungfrawen unnd Kin<strong>der</strong>n Eltern und<br />
Freunde, die in dem Kloster sein werden, geben, solte auch<br />
zu beßerer Unterhaltung zu dem vorigen Deputat kommen.<br />
24 Dromett Roggen^)<br />
l4) Solch ein Fal hat sich Lob Gott noch nicht zugetragen wi«<br />
ßentlich.<br />
!5) Das Tuch bekommen sie jerlich. Schleiergeldt ist aber niemaln<br />
geben.<br />
i6) Anstadt dieses Lein und Hanfsehens ist ihnen von Anfange<br />
her alles Pachtflachs, welches 300 Topfe sein sollen, geben.<br />
") Priorin nnd an<strong>der</strong>e Jungfern bekommen nur ein jede gleichviel<br />
als 3 st, es wirdt aber nicht gefochten.<br />
^) Erfolgt richtig. Diese fast bei jedem einzelnen Lieferungsgegenstand<br />
sich wie<strong>der</strong>holende bestätigende Randbemerknng ist <strong>der</strong> Raum«<br />
ersparniß wegen beim Abdruck weggelassen worden.
Mosterordnung von Wollin und Marienftieß. 57<br />
30 Dromett Gerstenn<br />
12 Sch Weitzen<br />
2^/2 Dromett Grutzkorne<br />
1^/2 Dromett Erbsenn<br />
1 Last Habern zur Grütze und die Gense zue mesten, Alles<br />
stargardischer Maßen.<br />
1 Kohlhoff zue Kohlle, Röven, Cipollen unnd an<strong>der</strong> Kuchennnotturfft.<br />
30 feiste Schweine<br />
7 feiste Kuchenochfenn<br />
90 Schnitfchaffe<br />
4 Hafen alle Quarthall ^)<br />
90 Zegetlemmer ^)<br />
600 Höner<br />
100 Gense<br />
30 Farckenn<br />
1 Tonne Schaffbutter<br />
2 Tonne Schaffkefe aus den Schäffereyen.<br />
Darzn follen sie den Ackerhoff vom Kloster mit aller<br />
Abnutzung von Viehe, Milch, Butter, Keese, Kelber velhaftig<br />
in ihre Verwaltuug uuud Gebrauch behaltenn.<br />
12 Tonne lunenborges Saltz<br />
2 Tonne Ael<br />
4 Thonne Dorfch<br />
3 Thonne Heringk<br />
1 fchwere Thonne Vergersisch<br />
30 Schock Flackfisch ")<br />
in) Hasen haben sie niemalen bekommen.<br />
A)) Anstadt <strong>der</strong> 90 Lemmer haben sie von Anfang her 30 Kelber<br />
bekommen und nicht gestritten.<br />
2') Nach dem Flackfisch schiebt die Marienfließer Ordnung hier<br />
noch ein: „1 Tunnhe Lachs" und „alle Vischiage frische Bische", sagt<br />
aber zur Lachslieferung am Rande: „Anstadt des Lachses, bekommen<br />
sie 13 Schl Hopfen, weil sie damit proportionalster nach dem<br />
zugeordneten Gersten gerechnet, nicht zureichen können, Habens also<br />
von Anfang her bekommen, und ist also gudt gelaßen worden;" uud zu<br />
den frischen Fischen: Die Fischerei ist alhie sehr geringe, darumb <strong>der</strong> kern-
58 v. Bülow,<br />
1 Last Hopffenn 22)<br />
1 Futter new Landtwein ^)<br />
30 fl für Gewnrz<br />
5 große Stein Wulle<br />
notturfftigk Holtz nnndt Kohlen ^)<br />
Urkundlich mit unserm aufgedruckten Pittschaftenn besteti-<br />
get unndt gegeben zu Wollin Montags nach Exaudi, den 23.<br />
May Anno 1569.<br />
Daß marienflietische Kloster wollenn I. f. G. laudt des<br />
Landtages Abfcheideß und Ordenung ihnen gnediglich verrei-<br />
pendorfische Sehe diesem Ambt mit zu befischen verordnet, wie es anch<br />
ein Grenzsehe ist, deswegen aber mit dem Hern Hanbtman nf Sazig<br />
Streit, vorlengst anch bei<strong>der</strong>seits Fundamente nnd 9^oturfft zn Hofe<br />
übergeben, darnf aber noch znr Zeit eingefallenen wichtigen Gescheffte<br />
halben kein Bescheidt erfolgt.<br />
22) Bekommen noch 18 Schl mehr, wie beim Lachs gedacht.<br />
22) Den Wein sollen sie von Anfang her, wie die Inngfern berichten,<br />
nnr 2 mal bekommen haben, folgents ists nicht geschen.<br />
24) Anstadt des Holzes nnd Kolen ist erstlich 30 Fadem Grenzholz<br />
zugeordnet, folgents noch mit 10 Fadem verbessert, das es also 40<br />
Fadem sein. Sonsten noch darüber an Strauch über 3 o<strong>der</strong> 4 Wochen<br />
(sie wollens all 14 Tage haben) so viel als eine Dorfschafft füren<br />
kan. Stehet zu bedencken, weil die Holzung alhie sehr lieb wirdt, ob<br />
anstadt des Strauches ihnen nicht mochte Torff, so eine alhie sehr<br />
gute und den Panren angenehme Fenrnng ist, mochte verordnet<br />
werden. Damit dan allererst von mir <strong>der</strong> Anfang gemacht, uud<br />
oue üppigen Ruhm gute Gelegenheit an Torff-M o'ren, wie sie<br />
genandt werden, erfunden, dadurch ein Großes jerlich an Holz geheget<br />
und ersparet werden kan, weil von armen Leuten in nmbliegenden<br />
Dörffern (so dan keine eigene Feurholznng haben) anß Nott heimlich,<br />
weil unmuglich in den langen kalten Winternechten mit Ufsicht es zu<br />
verhüten, dieselbe sehr angriffen und also zu keiuem Gehege o<strong>der</strong> Increment<br />
kommen mügen; dahero den und weil den Inngfern davon<br />
ihre Deputatholz nicht gefolget werden können, die drögen Beume<br />
müssen angriffen werden, welche baldt verlesen sein.<br />
Hiruber ist nach geschlossener Ordnung und von Anfang her nf<br />
<strong>der</strong> Inngfern Bitten noch ihnen zugeordnet worden:<br />
6 Schock Eier, welchs den alle Pachteier sein von den Krügern.<br />
2 Viert Hirse.<br />
1 Achtenteil Honnich.
Klosterordmmg von Wollin und Marienftieß. 59<br />
chen laßen, maß ihnen gepeuret, land Abscheidt Anno 1575<br />
zue Wollin.<br />
Daran schließt sich noch eine anscheinend von <strong>der</strong>selben<br />
Hand wie die Randbemerkungen znr marienfließer Klosterordnung<br />
herrührende<br />
Erinnerung<br />
bei verfaßcter newen Closterordnung.<br />
In <strong>der</strong>selben wird tadelnd erwähnt, daß die Jungfern,<br />
wenn sie zu Chor gehen, des Gottesdienstes zu Pflegen, das<br />
Haar ums Haupt fliegen lassen und auch soust also angethan<br />
sind, daß sie sich billig scheueu müßten, einem ehrlichen Manne<br />
entgegen zu gehen, vielmehr aber vor Gottes Angesicht zu<br />
treten und des Gebetes und an<strong>der</strong>en Gottesdienstes zu warten,<br />
woraus auf geringe Herzensandacht, und daß sie nur die Gewohnheit<br />
<strong>der</strong> Stunden begehen, zu schließen.<br />
Der Priorin wird geboten, Niemandem die Erlaubniß<br />
aus dem Kloster zu verreisen Zu geben, sie wisse denn, daß<br />
es auf For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Eltern o<strong>der</strong> Freunde geschehe, weil befunden<br />
worden, daß unter dein Schein, kranke Eltern o<strong>der</strong><br />
Gefreundte zu besuchen, die Jungfern manchmal Gastereien<br />
und an<strong>der</strong>n weltlichen Lustbarkeiten nachziehen.<br />
Wenn sonst glaubwürdig bescheinigt wird, daß die Jungfern<br />
nothwendiger Geschäfte halber verreisen müssen, so soll<br />
doch nach früherem und nicht unbilligem Gebrauch dem Hauptmann<br />
Anzeige gemacht werden und dieser erfor<strong>der</strong>lichen Falles<br />
Amtsfuhrwerk dazu stellen.<br />
Es wird getadelt, daß, obgleich in das große Thor nichts<br />
als Holz, Mehl und Gerste eingeführt werden sollen, und bei<br />
Ausfahrten <strong>der</strong> Jungfern die Wagen gleich denen von Besuchenden<br />
im Krnge o<strong>der</strong> auf dem Ackerhof ihren Stand haben,<br />
jetzt Freunde und Fremde zum großen Thor aus- und einfahren,<br />
als wenn das Kloster ein öffentliches Wirthshaus<br />
wäre, und daß <strong>der</strong> Hauptmann, wenn er nicht mit unnützen<br />
Worten wolle abgespeist werden, den Pförtner spielen müsse.
60 u. Bülow,<br />
Auch wenn <strong>der</strong> Hauptmann den besuchenden Freunden im Kloster<br />
ans dem fürstlichen Hause kein Nachtquartier einräumen<br />
wolle, müsse er Manches hören; ohne erhebliche Ursache sei<br />
daher von nun an Niemandem Logirung auf dem fürstlichen<br />
Hause zu gewähren. Früher habe <strong>der</strong> Pförtner die Aufsicht<br />
im Thor gehabt und habe verdächtige Personen abweisen o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Priorin anzeigen müssen. Jetzt sei sein vornehmstes Amt,<br />
zwei, drei uud mehr Meilen weit mit Briefen umherzulaufen,<br />
und gehe je<strong>der</strong>, den es gelüstet, inzwischen unangemeldet ein<br />
und aus. Ebenso stehe die Kirche, durch die man in und aus<br />
dem Kloster kommen kann, Tag und Nacht offen, während<br />
früher die inneren Kirchthüren durch die Priorin, die äußeren<br />
durch den Hauptmann verschlossen gehalten und nur zum Gottesdienst<br />
geöffnet wurden. Die Jungfern haben aber den<br />
Amtleuten soviel Verdruß bereitet, daß diese des Schließens<br />
überdrüssig geworden seien. Zu Vermeidung allerlei Verdachts<br />
und heimlichen namentlich nächtlichen Durchschleifs empfehle sich<br />
die Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> alten Gewohnheit.<br />
Da öffentlich verlobten Jungfern im Kloster kein langer<br />
Aufenthalt gestattet sei, so habe das Unwesen <strong>der</strong> heimlichen<br />
Berlöbniß sich eingeschlichen, <strong>der</strong> Bräutigam habe dann seine<br />
Braut im Kloster wie<strong>der</strong>holt besucht, Gastereien, Abendreihen<br />
und andre mehr weltliche als klösterliche Lustbarkeiten seien<br />
vorgekommen, bis endlich nach Jahr und Tag die öffentliche<br />
Verlobung stattfand. Dem könne vielleicht dadurch abgeholfen<br />
werden, daß dnrch den Hauptmann und die Provisoren ein<br />
Termin gesetzt werde, bis zu welchem sie ihr Vorhaben verwirklichen,<br />
danach aber das Kloster meiden sollen.<br />
Weil die Jungfern mehr Mägde annehmen, als die alte<br />
Klosterordnung erlaubt, bisweilen auch alte uud vieler Unthaten<br />
berüchtigte Vetteln an sich ziehen und sich mit überflüssigem<br />
Gesindel behängen, so daß die Praebenden nicht zureichen wollen,<br />
und die Jungfern sich beklagen, daß sie von auswärts her<br />
sich Lebensmittel zu verschaffen genöthigt sind, so soll die<br />
Priorin ein Auge auf die Dienstboten haben und die überflüssigen<br />
allenfalls mit Beistand des Hauptmanns entfernen.
Klosterordnung von Wollin und Marienfließ. 61<br />
Die Jungfern halten sich zum Theil eigne Schweine im<br />
Kloster und füttern sie mit ihrem Küchenabfall. Das benöthigt<br />
nicht nur mehr Gesinde, son<strong>der</strong>n verursacht im ganzen Gebäude<br />
viel Stancks und Unflaths, <strong>der</strong> die Luft verpestet; sogar in<br />
<strong>der</strong> Kirche beim Altar sind die Schweine gespüret und gesehen<br />
worden. Dem muß abgeholfen werden und will man die<br />
Jungfern bei ihrer Säuzucht lassen, so hat dieselbe doch auf<br />
dem Ackerhofe zu geschehen, wo Kosen und Ställe angebracht<br />
werden können.<br />
Der Remter wurde früher zu den Zusammenkünften <strong>der</strong><br />
Jungfern, auch bei Begräbnißfeierlichkeiten gebraucht, jetzt<br />
muß man eines solchen Raumes entbehren, da <strong>der</strong>selbe zur<br />
Wohnung für eine <strong>der</strong> Conventualinnen eingerichtet ist.<br />
Eine <strong>der</strong> Klosterjungfrauen that Küsterdienste und hatte<br />
namentlich das Stellen des Seigers zu besorgen. Da sie<br />
ihres Amtes aber nicht mit <strong>der</strong> nöthigen Pünktlichkeit wartete,<br />
kamen die Jungfern selten zu rechter Zeit zu Chor, und wird<br />
daher dies Geschäft dem Pförtner übertragen.<br />
Die täglichen Gebetsgottesdienste und das Psalmensingen<br />
werden nicht zu <strong>der</strong> vorgeschriebenen Zeit und den Bestimmungen<br />
<strong>der</strong> Klosterordnung gemäß abgehalten. Die Zeit des Gebets<br />
wird sehr verkürzt und jede liest o<strong>der</strong> singt was ihr vorkommt<br />
ohne Harmonie; auch ist unter allen keine, die den Ehor<br />
recht zu regieren weiß, so daß nirgends rechter Ernst und Vorsatz,<br />
Gott zu dienen, gespürt wird. Es wird daher <strong>der</strong> Wunsch<br />
ausgesprochen, <strong>der</strong> neue Pastor möge eine neue Ordnung für<br />
diese Andachten entwerfen und über <strong>der</strong>en Beobachtung wachen.<br />
Schließlich wird noch bemerkt, daß die Kirche gar häßlich<br />
und übel gezieret ist, und einer silbernen Monstranz erwähnt,<br />
die man vielleicht zu an<strong>der</strong>m Gebrauch verwenden könne.<br />
Der Bestand des Klosters um diese Zeit o<strong>der</strong> doch nicht<br />
viel später geht hervor aus einem Verzeichniß <strong>der</strong>
69 v. Bülow, Klosterordnung von Wollin und Marienfließ.<br />
Iunckfrauwen, Personen und Wittwen, welche ihm Kloster Marienfließ<br />
Ao. 70 den 17. Aprilis befunden worden^)<br />
Iunckfrauwen so ingekledet.<br />
1. Elisabet Podewilsen, Priorin.<br />
2. Regina von Wedeln, Subpriorin.<br />
3. Walburg vom Wolde.<br />
4. Frosina Podewilsen.<br />
5. Margareta von Guntersbergen.<br />
6. Anna Hanowen.<br />
7. Margareta Volten.<br />
8. Gerdrutt Podewilsen.<br />
9. Katrina Schwade.<br />
10. Hcdewich von Nresen.<br />
Wittwen.<br />
11. Christoffer von Wedelsche.<br />
12. Niclaus Kreyesche.<br />
13. die Warnowsche, ist einß Hanowen Tochter.<br />
Iungkfrauwen welche nicht ingekledet.<br />
./ ^ ^ Geschwestern die von Wedeln von Nchtenhaaen.<br />
15. Barbara ^ ^ "<br />
16. Elisabet Weygerß von Malckentin.<br />
^ ^' «v> Kletzen, Geschwestern, von Tichow.<br />
18. Margareta<br />
19. Anna<br />
__, ^ ,<br />
20. Margareta<br />
> > ><br />
^ ^. .
Die Königin Luise in Pommern.<br />
Den Verehrern <strong>der</strong> hochseligen Königin Lnise wird es<br />
angenehm sein Zn hören, daß die edle Frau auch Pommern<br />
wie<strong>der</strong>holentlich mit ihrem Besuche beehrt hat. Es geschah<br />
dies 1798, 1802, 1800 und 1809. 1798 begleitete sie ihren<br />
Gemahl zur Huldigung nach Königsberg; sie kam am 25. Mai<br />
in Stargard an, nahm am 26. und 27. an <strong>der</strong> dort stattfindenden<br />
Revue theil und fuhr dann nach Danzig in <strong>der</strong><br />
Weise voraus, daß sie am 27. bis Plathe, am 28. bis Cöslm,<br />
am 29. bis Lauenburg gelangte.<br />
1802« wie<strong>der</strong>holte das königliche Paar seine Reise nach<br />
Pommern. Es fuhr an: 25. Mai von Berlin nach Stargard,<br />
nahm dort vom 26.—28. die Revue ab, und beehrte am 27.<br />
das von den Pommerschen Landständen im Exerziergarten veranstaltete<br />
große Fest mit seiner Gegenwart. Die Weiterfahrt<br />
ging nach Mockerau in Westpreußcn wahrscheinlich durch die<br />
Neumark.<br />
Zum dritten Male besuchte die Königin Luise Pommern<br />
im März 1806. Die Majestäten fuhren am 8. März von<br />
Schwedt nach Stettin, um dem Durchmarsche eines russischen<br />
Corps unter dem Grafen Tolstoy beizuwohuen. Ihre Anwesenheit,<br />
durch viele Feste gefeiert, dauerte bis zum 12. März;<br />
sie verdient um so mehr Beachtung, als die Königin diesmal<br />
in Pommern ihren Geburtstag beging.<br />
Unter gar traurigen Verhältnissen sah die Königin Pommern<br />
wie<strong>der</strong>. Sie kam allein auf <strong>der</strong> Flucht von Berlin am 19. October<br />
in Stettin an, begab sich aber schon am folgenden Tage<br />
über Podejuch, Garden und Schönflicß nach Cnstrin zu ihrem<br />
Gemahle. Der patriotisch gesinnte Kaufmann von Essen aus<br />
Stettin begleitete sie dorthin. Acht Tage später kehrte die Königin
64 Die Königin Lnise in Pommern.<br />
in Begleitung ihres Gemahls in unsere Provinz zurück. Das<br />
Königspaar reiste nämlich am 28. October von Driesen über<br />
Arnswalde nach Stargard in <strong>der</strong> Hoffnung, daß das Hohenlohesche<br />
Corps Stettin erreichen würde, eilte aber schon am<br />
folgenden Tage, als ungünstige Nachrichten eingetroffen waren,<br />
nach Deutschcrone weiter. Die Reiseroute ist nicht bekannt, wahrscheinlich<br />
ging sie über Freienwalde, Nörenberg nnd Dramburg.<br />
Zuletzt ward den Pommern das Glück zu Theil,<br />
ihre Königin zu sehen, als im Dezember 1809 die königliche<br />
Familie von Königsberg nach Berlin übersiedelte. Die königlichen<br />
Kin<strong>der</strong>, unter denen sich auch Prinz Wilhelm befand,<br />
trafen am 17. in Neustettin, am 18. in Friedrichsdorff (in<br />
<strong>der</strong> Gegend von Dramburg) und am 19. in Stargard ein,<br />
während die Majestäten am 19. in Neustettin, am 20. in<br />
Dramburg, am 21. in Stargard übernachteten und am 22.<br />
ihre Reise über Pyritz nach Freienwalde a. O. fortsetzten.<br />
Genauere Nachrichten über einige <strong>der</strong> erwähnten Besuche<br />
sind in Adamis Buche gegeben, manches Neue haben die von<br />
mir angestellten Forschungen in den Acten des königlichen<br />
Staatsarchivs und des Stargar<strong>der</strong> Stadtarchives geliefert.<br />
Einzelne werthvolle Mittheilungen verdanke ich auch den Mittheilungen<br />
von Augenzeugen o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>n. Da ohne<br />
Zweifel auch in den Archiven an<strong>der</strong>er Städte sich noch Acten<br />
über die erwähnten Königsreisen befinden, sowie in manchen<br />
Familien Aufzeichnungen über dieselben vorhanden sind, so<br />
richte ich an die geehrten Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche<br />
Geschichte die herzliche Bitte, darauf ihr Augenmerk<br />
richten und mir von etwaigen Funden gefälligst Nachricht geben<br />
zu wollen. Auch Mittheilungen über Vorgänge, die durch<br />
mündliche Neberlieferung bekannt geblieben sind, werden mir<br />
willkommen sein. Ich beabsichtige nämlich die Bezieh ungen<br />
<strong>der</strong> Königin Luise zu Pommeru genau zu erforschen<br />
und das Ermittelte zu Anfange des nächsten Jahres in einer<br />
kleinen Broschüre zu veröffentlichen.<br />
Pyritz. Dr. Vlasendorff.
Aus <strong>der</strong> Frmyojenzeit.<br />
Mitgetheilt von Dr. Vlasendorfs.<br />
Am 29. October 1806 Abends '/2I2 Uhr ward im<br />
französischen Hanptqnartier zn Möhringen die Capitulation<br />
abgeschlossen, welche die Festung Stettin den Franzosen überlieferte.<br />
Znm vorläufigen Commandanten ward Napoleons<br />
Generaladjntant Denzel ernannt, <strong>der</strong>selbe traf am 3. November<br />
in <strong>der</strong> Stadt ein und übernahm sofort die Geschäfte seines<br />
Amtes. Bald daranf löste ihn <strong>der</strong> Brigadegeneral Thonvenot<br />
unter dem Titel eines Commandanten und Gouverneurs von<br />
Pommern ab; ihm zur Seite trat als kaiserlicher Commissarius<br />
und Intendant <strong>der</strong> Finanzen L'aigle. Eine umfassende Schil<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> frauzösischeu Verwaltung in Pommern fehlt bis<br />
jetzt, sie würde den Beweis liefern, wie gründlich uud rücksichtslos<br />
<strong>der</strong> allmächtige Sieger und seine Werkzeuge unsere Provinz<br />
anszubeuten verstanden. Soweit man nach den im hiesigen<br />
Kreisarchive erhaltenen Acten schließen kann, war Thouvenot<br />
bei seinen Anordnungen wenigstens in <strong>der</strong> Form höflich und<br />
Vorstelluugeu Zugäuglich, aber auch das än<strong>der</strong>te sich, als an<br />
seine Stelle <strong>der</strong> Divisionsgeneral Liebert trat (Ende April 1807),<br />
ein Mann, <strong>der</strong> in Grobheit nnd Rücksichtslosigkeit seines Gleichen<br />
suchte. Der Intendant L'aigle scheint ein gewandter Geschäftsmann<br />
gewesen zn sein. Er suchte sich eine genaue Kenntniß<br />
<strong>der</strong> Provinz uud uamcutlich ihrer Leistungsfähigkeit zu verschaffen<br />
und war bemüht, durch zweckmäßige Anordnungen die<br />
in die Kassen <strong>der</strong> Provinz fließenden Gel<strong>der</strong> vor den Parteigängern<br />
Schills zu sichern. Die folgenden Verfügungen des<br />
Intendanten aus <strong>der</strong> ersten Zeit seiucr Amtsführuug werden<br />
dies beweisen.<br />
5
66 vi-. Vlasendorff,<br />
Daß ich gerade sie zur Veröffentlichung auswähle, dazu<br />
bestimmt mich <strong>der</strong> Umstand, daß die von den in Stettin versammelten<br />
Landräthen <strong>der</strong> besetzten Kreise verfaßten Antworten<br />
mancherlei Angaben enthalten, welche für die Geschichte unserer<br />
Provinz wichtig sind.<br />
Die erste Verfüguug lautet:<br />
Der kaiserliche Commissarius des Departements Stettin nud<br />
Intendant <strong>der</strong> Finanzen <strong>der</strong> Provinz Pommern an die<br />
Herren Landräthe.<br />
Stettin, den 3. Dezember 1806.<br />
Ich habe die Ehre, Sie um Auskunft über folgende<br />
Fragen zu bitten:<br />
1. Welche Städte befinden sich in den Kreisen?<br />
2. Wie viele Flecken o<strong>der</strong> Dörfer?<br />
3. Wie viele Domänen?<br />
4. Wie viele Dörfer haben adliche Besitzer?<br />
5. Welches sind die adlichen o<strong>der</strong> sonstigen Besitzer,<br />
welche 1000 Thlr. o<strong>der</strong> mehr Einkünfte haben?<br />
6. Welcher Art sind die Ernten des Kreifes und wie<br />
hoch sind sie zu schätzen?<br />
7. Welches ist die Ausdehnung des angebauten Landes?<br />
8. Welches die <strong>der</strong> Forsten, wenn solche vorhanden sind?<br />
9. Welche Manufaeturen o<strong>der</strong> Fabriken giebt es in den<br />
Kreisen?<br />
10. Wie groß ist <strong>der</strong> Viehbestand?<br />
11. Welche Ereignisse o<strong>der</strong> Umstände vermin<strong>der</strong>n in diesem<br />
Augenblicke die Hilfsquellen?<br />
Ich habe die Ehre Sie zu grüßen.<br />
L'aigle.<br />
Die Landräthe beantworten diese Verordnung in folgen<strong>der</strong><br />
Weise:<br />
An Sr. Excellenz den kaiserlichen Commissar zu Stettin und<br />
Intendanten <strong>der</strong> Finanzen.<br />
Ew. Excellenz verehrliche Zuschrift vom gestrigen Tage<br />
ist uns ausgehändigt.<br />
Wir erkennen Ew. Excellenz menschenfreundliche Absicht,
Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit. 6?<br />
Sich aufs genaueste von dem Znstande <strong>der</strong> hiesigen Provinz<br />
zn unterrichten, und bitten dieselben, unsern gehorsamsten Dank<br />
dafür anzunehmen.<br />
Ew. Excellenz werden Sich dadurch am vollkommensten<br />
von <strong>der</strong> Armnth <strong>der</strong> Provinz überzeugen, und wir dürfen<br />
alsdann um so zuversichtlicher auf Ihren gnädigen Schutz<br />
und Fürsorge in Betreff <strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>ten extraordinären Steuer<br />
hoffen.<br />
Wir werden es uus daher auch gewissenhaft zur Pflicht<br />
machen, die uns vorgelegten Fragen <strong>der</strong> strengsten Wahrheit<br />
gemäß zu beantworten.<br />
Wir sind in Absicht <strong>der</strong> mehrsten dieser Fragen außer<br />
Stande, dieses mit <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Genauigkeit zu thun,<br />
ohne die Aeten unserer Kreisarchive zur Hand zu haben, und<br />
muffen aus diesem Grunde um Aufschub bis zu unserer Zuhausekunst<br />
gehorsamst bitten. Da aber die hiesige Kriegs- und<br />
Domainenkammer die genaueste Nachwcisung über alle diese<br />
Gegenstände durch unsern jährlichen Bericht erhält, so stellen<br />
Ew. Excellenz wir es gehorsamst anheim, ob Hochdieselben<br />
geruhen wollen, die Beantwortung <strong>der</strong> zweiten, dritten, vierten,<br />
sechsten, siebenten, achten, neunten und zehnten Frage von gedachter<br />
Kammer zu erfor<strong>der</strong>n, um fo mehr als Ew. Excellenz<br />
dadurch eine fchnelle nnd vollständige Uebersicht <strong>der</strong> ganzen<br />
Provinz erhalten werden, welche unsere einseitigen Berichte<br />
deshalb nicht gewähren kann, weil cinestheils beinahe die Hälfte<br />
unserer Mitglie<strong>der</strong> zur Zeit noch den Befehlen des Gouvernements<br />
in Colberg Folge leisten muß, uud an<strong>der</strong>ntheils auch,<br />
weil wir mit den Specialverhältnissen <strong>der</strong> in unseren Kreisen<br />
befindlichen Städte uud Aemter, welche nach <strong>der</strong> Landesverfassung<br />
unmittelbar Zur Kammer resfortiren, ganz unbekannt find.<br />
In Abficht <strong>der</strong> fünften Frage, welches die adelichen odcr<br />
an<strong>der</strong>n Gutsbesitzer sind, die 1000 Thlr. Einkünfte und darüber<br />
haben, müssen wir gehorfamst anzeigen, daß bei <strong>der</strong> genauesten<br />
Kenntniß unserer Kreise wir doch außer Stande sind, darüber<br />
zuverlässige Auskunft zu geben, weil fürs erste die Mehrheit<br />
<strong>der</strong> adelichen Güter von den Besitzern selbst bewirthschaftet<br />
5"
68 vi-. Blasendorff<br />
wird, und <strong>der</strong> Betrag sich nicht bestimmt ausmitteln läßt, weil<br />
<strong>der</strong>selbe in Ermangelung aller Fabriken und Mannfacturcn,<br />
die nur in den Städten existircn, lediglich auf den seit sieben<br />
Jahren so ungewissen Kornbau uud auf Viehzucht beruht.<br />
Fürs zweite und hauptsächlich aber deshalb, weil alle adelicheu<br />
Güter in <strong>der</strong> Provinz verschuldet sind, und <strong>der</strong> Kreislandrath<br />
daher nicht wissen kanu, wie viel, nach Abzug <strong>der</strong> Schulden,<br />
die Einkünfte jedes Gutsbesitzers betragen.<br />
Indem wir uus schmeichelu, Ew. Excellenz durch diese<br />
Gründe zu überzeugen, daß es nicht Mangel an gutem Willen<br />
ist, wenn wir diese Fragen nicht befriedigend beantworten,<br />
stellen wir es ganz gehorsamst anheim, von <strong>der</strong> Lehnskanzlei<br />
allhier den Extract des allgemeinen Land- uud Hyftothekenbnchs<br />
Zu erfor<strong>der</strong>n, woraus sich <strong>der</strong> Werth sämmtlicher adelichen<br />
Güter nnd <strong>der</strong> Betrag aller eingetragenen Schnlden ergeben mnß.<br />
Das Resultat dieses Extraets wird zwar nicht vollständig<br />
sein, weil die Wechsel- nnd Familienschuldeu <strong>der</strong> Gntsbesiher,<br />
worüber zur Erhaltung des Credits nur Privatverschreibungeu<br />
ausgestellt werden, daraus nicht ersichtlich sind; aber auch ohne<br />
diese werden Ew. Exeellenz sich dadnrch überzeugeu, daß <strong>der</strong><br />
pommerfche Adel ebenso arm als zahlreich ist.<br />
In Betreff <strong>der</strong> elften Frage, welches die Begebenheiten<br />
<strong>der</strong> Umstände sind, welche in diesem Augenblick die Hülfsquellen<br />
vermin<strong>der</strong>n, haben wir die Ehre, folgendes gehorsamst<br />
anzuzeigen:<br />
Die Hanpterwerbsquellen des platten Landes <strong>der</strong> hiesigen<br />
Provinz sind Kornban und Viehzucht; Fabrikeu, Manufaeturcn<br />
und die mehrsten Handwerke sind ein Vorrecht <strong>der</strong> Städte.<br />
Innerer Handel existirt nicht, weil außer <strong>der</strong> O<strong>der</strong> keine<br />
Flüsse schiffbar find. Der Landmann fetzt seine rohen Producte<br />
iu den nächsten Städten ab, wo selbige theils consumirt,<br />
theils exportirt werden. Indessen hat eine Reihe mittelmäßiger<br />
Ernten seit 1798 die Exportation theils ganz gehemmt, theils<br />
bedeutend vermin<strong>der</strong>t, und <strong>der</strong> Sold <strong>der</strong> iu <strong>der</strong> Proviuz stehendeu<br />
Truppen nebst <strong>der</strong>en Vergütigungsgel<strong>der</strong>n für das zum<br />
Unterhalt <strong>der</strong>selben erfor<strong>der</strong>liche Mehl, für Fonrage und für
Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit. 69<br />
die vom Lande zu leistenden Fuhren waren in diesem Zeitpunkte<br />
die Hülfsqnellen des eirmlirenden Geldes.<br />
Seit dem Monat Octobcr v. I. hat alles dieses aufgehört.<br />
Die Armee wurde mobil, und bis ans die Besatzung<br />
von Stettin nnd Colberg marschirten alle in <strong>der</strong> Provinz<br />
garnisonirenden Trnppen. Dabei mnßte Pommern gleich allen<br />
übrigen Provinzen eine extraordinäre Mehl- uud Fonragelieferuug<br />
leisten. Die dafür verheißene Vergütiguug ist nicht<br />
allein noch größtenteils rückständig, son<strong>der</strong>n die Provinz ist<br />
noch ein Capital von 100,000 Thlr. für ein Quautum Fourage,<br />
das nicht in n^tui-H geliefert werden konnte und daher<br />
pa,r 6Qti'0^)i'Ì86 angeschafft werden mußte, schuldig, und man<br />
war anßer Stande, auf den Credit <strong>der</strong> ganzen Provinz diese<br />
Schuld zu negociren. Selbst die königliche Bank versagte<br />
die Anleihe auf dieseu Credit, obgleich die höchste Finanzbehörde<br />
in Absicht <strong>der</strong> Domainenämter dieser Anleihe beitreten wollte.<br />
Im Monat März dieses Jahres marschirte das russische<br />
(Üoi'pZ ä'^rmöo i) des Generals von Tolstoy durch die ganze<br />
Länge von Pommern. Es mußte verpflegt werden, veranlaßte<br />
durch seine Consumtion beinahe Hnngersnoth, und die<br />
conventionsmäßige Vergütigung ist bis jetzt nicht erfolgt.<br />
Die diesjährige Ernte ist in Abficht des Haufttproducts<br />
des Roggens fo total mißrathen, daß an vielen Orten nicht<br />
die Saat, und im Durchschnitt <strong>der</strong> Provinz nicht 1^/2 Kornertrag<br />
gewonnen ist.<br />
Die nnglücklicheu Folgen des jetzigen Krieges, <strong>der</strong> durch<br />
die Flüchtlinge <strong>der</strong> preußischen Armee sowohl, als durch die<br />
Durchmärsche <strong>der</strong> siegreicheu Truppeu verursachte Nachtheil ist<br />
um so sichtbarer, weil alle öffentlichen Kassen, theils von dem<br />
Sieger, theils von dem Besiegten in Beschlag genommen, und<br />
daher alle Zahlnng aushört.<br />
Außer diefen allgemein bekannten Thatfachen, welche<br />
Pommerns geringen Wohlstand in diesem Augenblick unmittelbar<br />
erschüttern, hat die Circulation des baaren Geldes auch<br />
Es kehrte aus Hannover nach Rußland zurück.
70 Dr. Vlasendorff,<br />
wesentlich durch die Besitznahme von Südprenßen gelitten, weil<br />
1794 das baare Geld ans Berlin, dem allgemeinen Znflnchtsorte<br />
aller Creditbedürftigen, beinahe ausschließlich nach <strong>der</strong><br />
neuen Acquisition geflossen ist.<br />
Ans dem platten Lande <strong>der</strong> hiesigen Provinz giebt es<br />
keine Kapitalisten, son<strong>der</strong>n alles vorhandene Vermögen besteht<br />
in Grundstücke und Vieh. Die Gutsbesitzer dienen entwe<strong>der</strong><br />
dem Staate o<strong>der</strong> bewirthschaften ihre Güter selbst nnd leben<br />
von ihren Erzeugnissen.<br />
Die Wahrheit dieser pflichtgemäßen Darstellung werden<br />
Ew. Excellenz durch alle vorhandenen statistischen Nachrichten<br />
<strong>der</strong> Provinz bestätigt finden, und Sich dadnrch zu überzeugen<br />
gernhen, daß die Provinz Pommern, welche niemals wohlhabend<br />
war, in diesem Augenblick völlig Hülfslos, und beson<strong>der</strong>s<br />
vom baaren Gelde entblößt ist.<br />
Wir :c. Den 5. Dezember 1806.<br />
Die in dem Antwortschreiben ausgesprochene Bitte, den<br />
Landräthen die Angaben über die Einkünfte <strong>der</strong> Grundbesitzer<br />
zu erlassen, schlug L'aigle rundweg ab und uöthigte so die<br />
Herren zn einem höchst peinlichen Geschäfte. Der Landrath<br />
des Pyritzer Kreises von Schoening wnßte sich keinen an<strong>der</strong>n<br />
Rath als die einzelnen Besitzer nm genaue Auskunft über ihr<br />
Vermögen zu bitten. Die gelieferten Nachweise ergaben die<br />
Richtigkeit <strong>der</strong> von den Landständen abgegebenen Erklärung,<br />
daß <strong>der</strong> Grundbesitz mit hohen Schulden belastet sei nnd die<br />
Thatsache, daß die meisten Eigenthümer eben nur so viel besaßen<br />
o<strong>der</strong> durch die Bewirthschaftung erwarben, als zu einem<br />
anständigen Lebensunterhalte erfor<strong>der</strong>lich war. Von 58 Gntsbesitzern<br />
hatten nur neun ein Einkommen von mehr als 1000 Thlr.<br />
Eine zweite Verfügung des Intendanten, gleichfalls an<br />
die Landräthe gerichtet, betraf das Kassenwesen und hatte folgenden<br />
Wortlaut:<br />
Meine Herren!<br />
Ich habe die Ehre Ihnen bekannt zu machen, daß ich<br />
zu Ende jedes Monats die Uebersicht des Znstandes je<strong>der</strong> einzelnen<br />
Kasse erhalten muß, welche Zu den öffentlichen Ein-
Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit. 71<br />
künften gehört, nnd sich in Ihren Kreisen befindet. Ich bitte<br />
Sie, mir die Namen aller Kassirer o<strong>der</strong> Einnehmer anzuzeigen,<br />
und ihnen die nöthigen Befehle dieserhalb zu geben. Diese<br />
Kassenabschlüsse müssen mir, in ciurlo ausgefertigt, eingereicht<br />
werden und ich wünsche sie vom 1. Dezember d. I. aufs<br />
baldigste zu haben.<br />
Ich empfehle Ihnen anch, M. H., daranf zu sehen, daß<br />
die Zahluug, welche vou den einzelnen Einnehmern an die<br />
Hanptkasse zu Stettin geleistet werden müssen, pünktlich in den<br />
vorgeschriebenen Terminen statthabe, und daß <strong>der</strong> Transport<br />
<strong>der</strong> Gel<strong>der</strong> mit Sicherheit geschehe.<br />
Sie werden den Kassirern o<strong>der</strong> Einnehmern bekannt machen,<br />
daß sie für die Gel<strong>der</strong> ihrer Kasse verautwortlich sind, nnd<br />
daß man keinen Vorwand von Defeet o<strong>der</strong> Wegnahme gestatten<br />
wird. Es ist Ihre Sache, die nöthige Vorsicht zu<br />
branchcn, damit nichts Gefahr lanfe, verloren zu geheu. Sobald<br />
die Geusdarmerie des Departements organisirt sein wird,<br />
wird sie die nöthigen Befehle erhalten, nm nötigenfalls die<br />
Gel<strong>der</strong> fortzuschaffen, zu begleiten und zu schuhen.<br />
Ich habe die Ehre Sie zu grüßen.<br />
L'aigle.<br />
Ans diese Verfügung erfolgte nachstehende Antwort:<br />
Mein Herr!<br />
In Verfolg <strong>der</strong> Befehle, welche Ew. Excellenz uns unterm<br />
3. d. M. wegen <strong>der</strong> in unseren Kreifen befindlichen öffentlichen<br />
Kassen ertheilt haben, erstatten wir folgenden Bericht:<br />
Nach <strong>der</strong> Landesverfassung stehen nnr die adelichen Kreiskassen,<br />
wohin die Gefälle des platten Landes fließen, nnter<br />
Aufsicht <strong>der</strong> Kreis-Landräthe.<br />
1. Die Kasse <strong>der</strong> Domainenämter,<br />
2. die Accise- und Stemperasse,<br />
3. die Postkasse<br />
stehen unter Aufsicht ihrer resp. Behörden, nnd ihr Zustand<br />
ist dem Kreislandrath völlig nnbekannt, wir können also nur<br />
in Betreff <strong>der</strong> Kreiskassen Ew. Excellenz Befehle erfüllen.<br />
Die Einnahme dieser Kasfe ist durch cineu festen Etat
72 Nr. Vlasendorff,<br />
bestimmt, und die Gefälle werden zu Ende jedes Monats eingezahlt.<br />
Die Kriegeskasse zn Stettin, von <strong>der</strong> alle diese beson<strong>der</strong>en<br />
Kassen abhängen, hat ihre Etats, und wenn Ew. Excellenz<br />
geruhen wollen, dieselben Sich von gedachter Kasse einreichen<br />
zu lassen, so würde sich daraus eine sichere und schnelle Uebersicht<br />
des Zustandes je<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Kasse vom 1. Dezember<br />
und des totalen Ertrags von jedem Monat ergeben.<br />
Wir werden nicht ermangeln, bei unserer Zurückkunft den<br />
Kreiseinnehmern Ew. Excellenz Befehle in Betreff <strong>der</strong> Einzahlungen,<br />
welche an die Hauptkasse in Stettin geschehen sollen,<br />
bekannt zu machen, und mit <strong>der</strong> Ordnung und <strong>der</strong> Folgsamkeit<br />
dieser Männer bekannt, dürfen wir Ew. Excellenz ihres Gehorsams<br />
versichern, zugleich aber müssen wir, die Landräthe<br />
des Daber, Osten, Borcken, Greiffenbergschen, Flemmingschen<br />
Kreises und des Capitels Eammin, unsere mündliche Anzeige<br />
wie<strong>der</strong>holen, daß die Patrouillen aus Colberg unsere Gegend<br />
besuchen und schon bis Massow vorgedrungen sind, so daß sie<br />
unsere Kassen wegnehmen können, ohne daß we<strong>der</strong> die Einnehmer<br />
noch wir es hin<strong>der</strong>n können.<br />
Wir schmeicheln uns, daß Ew. Excellenz unserer Redlichkeit<br />
trauen uud überzeugt sind, daß wir solche Wegnahme nicht<br />
veranlassen werden, aber Dieselben werden auch einzusehen geruhen,<br />
daß <strong>der</strong> friedliche Landmann keinem Militair Wi<strong>der</strong>stand<br />
leisten darf, und daß wir also für das, was wir nicht verhin<strong>der</strong>n<br />
können, auch nicht verantwortlich fein können.<br />
Wenn wir dnrch die Verfügungen des kaiserl. Militair-<br />
Gouvernements von dieser Seite gesichert werden, so wird <strong>der</strong><br />
Transport bis Stettin um so weniger Schwierigkeit haben,<br />
als nach <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Zeitung bekannt gemachten Verfügung des<br />
ersten Postamts in Berlin die Posten nunmehr angewiesen sind,<br />
Gel<strong>der</strong> anzunehmen und alsdann die Gensdarmerie, welcher<br />
kein Militär Wi<strong>der</strong>stand leisten würde, dazu dienen könnte, die<br />
Posten gegen Straßenräuber zu sichern.<br />
Wir haben die Ehre, Ew. Excellenz beiliegend die namentliche<br />
Liste <strong>der</strong> Einnehmer zu überreichen.
Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit. 73<br />
Während L'aigle, wie wir gesehen haben, seine Angelegenheiten<br />
in streng geschäftsmäßiger Form behandelte, benutzte<br />
Thouvenot bei Abwickelung <strong>der</strong> seinigen gern die Gelegenheit,<br />
von seinem Wohlwollen für die Provinz zu sprechen o<strong>der</strong> Bemerkungen<br />
über die politische Lage hinzuzufügen. Ich wähle<br />
ein Schreiben desselben aus, welches die Milde und den hohen<br />
Sinn seines Kaisers in ein Helles Licht zu stellen bestimmt ist<br />
und lasse es, um ihm Nichts von seiner Eigenthümlichkeit Zu<br />
rauben, im französischen Wortlaute folgen. Gerichtet ist es<br />
ebenfalls an die in Stettin versammelten Landräthe.<br />
Ltottin, lo 4. V60. 1806.<br />
N688Ì6NI-8 !<br />
8oQ ^V1t6886, 16 ?l1Q66 66 ^61it6iiH.t6i, N^Ol (^OUYI^I<br />
66 I'^rra^, m'a ^Ii^r^ö an 110m. 66 8g, Ng^68t6, äs lui<br />
1'6n6i'6
74 Di-. Blasendorff,<br />
8011 Q0IH, ä. 8011 1'0A116, Ü< 80N<br />
^6 Wn8 168 t^1oiit8 6t tout68 ><br />
60110 (Io lui äii'6 1a völ'itö, wuw. 1^<br />
8UÌ8 3.V60 1ß8 86ntimoiit8 äs 1^<br />
Es würde diesmal zn weit führen, weitere Schriftstücke<br />
des Gouverneurs zur Charakteristik seiner amtlichen Thätigkeit<br />
hinzuzufügen, ich komme vielleicht ein an<strong>der</strong> Mal darauf zurück.<br />
Aber ich versage mir nicht, eine Verfügung des Generals<br />
Liebert mitzutheilen, welche die Verschiedenheit <strong>der</strong> beiden<br />
Gouverneure kennzeichnet. Veranlassung zu <strong>der</strong>selben gab folgen<strong>der</strong><br />
Vorfall: In <strong>der</strong> Nacht vom 22. zum 23. März 1807<br />
waren zu Stargard von einer militärisch gekleideten und bewaffneten<br />
Persönlichkeit, die sich Andreas An<strong>der</strong>snahme nannte,<br />
die <strong>Bestände</strong> <strong>der</strong> Salz- nnd <strong>der</strong> Acchetasse, sowie die <strong>der</strong> dort<br />
befindlichen Pyritzer Kreiskasse fortgenommen worden. Den<br />
Einnehmern hatte er dabei eine Cabinetsordre des Königs von<br />
Preußeu vorgezeigt, welche ihn ermächtigte, den Feinden möglichst<br />
großen Abbruch zu thun. Die darüber eingeleitete Untersuchung<br />
war noch nicht zum vollständigen Abschluß gelangt,<br />
als Liebert das Heft in die Hand bekam. Er erlies also nachstehende<br />
Verfügung an die Landräthe:<br />
Stettin, den 25. April 1807.<br />
Sie wissen sehr gut, mein Herr, daß in hiesiger Provinz<br />
täglich auf öffentlichen Landstraßen, in Dörfern und selbst in<br />
Städten Räubereien begangen werden. Diese Räubereien geschehen<br />
durch bewaffnete Banden ^886nMoin6iit8 a.i'M68),<br />
welche sich das Ansehen geben, als wenn sie als Parteigänger<br />
im Dienste Sr. Majestät des Königs von Preußen sich,- befinden.<br />
Glauben Sie das nicht, mein Herr, die Sache verhält<br />
sich ganz an<strong>der</strong>s. Die preußischen Soldaten kämpfen und betragen<br />
sich nicht wie Straßenrän<strong>der</strong>, und wenn sie es gewesen<br />
wären, würde das Handwerk, das sie treiben, ihnen jene Eigenschaft<br />
nehmen. '
Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit. 75<br />
Diese Banden berauben zwar direct Franzosen, aber es<br />
ist leicht Ihnen zn beweisen, daß es die Bewohner Pommerns<br />
sind, welche indirect dies Schicksal trifft. Z. B. : Eine öffentliche<br />
Kasse wird beraubt, dann muß die Stadt, welche dies<br />
zugab, das geraubte Geld ersetzen. Ein Franzose wird ausgeplün<strong>der</strong>t,<br />
dann muß <strong>der</strong> Ort, wo es stattfand, den Werth<br />
<strong>der</strong> geraubten Gegenstände wie<strong>der</strong> erstatten, wie dies eben zu<br />
Fiddichow am 20. d. M. gescheheu ist. Sie werden also<br />
darnach sich leicht überzeugen, daß es Pommerns Bewohner<br />
sind, welche beranbt werden. Es ist nun Zeit, diesen Räubereien<br />
ein Ende zu machen und den friedlichen Einwohnern die<br />
Ruhe wie<strong>der</strong>zugeben. Sie müssen mir, mein Herr, die Schlupfwinkel<br />
und die Stärke dieser Banden anzeigen, die Namen <strong>der</strong>jenigen,<br />
welche Sie erfahren können, fowie ihr Signalement<br />
angeben, kurz ich brauche Angaben, welche mich in den Stand<br />
setzen, die Provinz von diesen Vagabonden zu reinigen. Ihre<br />
Ruhe, Ihre Sicherheit, Ihr Eigenthum hängen davon ab, ja<br />
ich will sogar hinzufügen, daß Ihre Ehre dabei betheiligt ist<br />
(vot.1'6 1i0NU6U1' ^ 08t Htt^clio).<br />
Schreiben Sie mir mit vollem Vertrauen. Seien Sie<br />
überzeugt, daß Sie nicht werden compromittirt werden. Sie<br />
können es nur dann fein, wenn Sie mir keine Rechenfchaft<br />
geben; denn dann könnte ich Ihr Stillschweigen nur als eiuen<br />
bestimmten Beweis dafür ansehen, daß Sie diesen Räubern<br />
Schutz gewähren würden.<br />
Ich grüße Sie.<br />
Der Divisionsgeneral und Gouverneur von Pommern.<br />
Liebert.<br />
Der Landrath von Schöning hatte den Muth, die in <strong>der</strong><br />
Verfügung enthaltenen Verdächtigungen in gebühren<strong>der</strong> Weife<br />
zurückzuweisen. Er schrieb zurück:<br />
St argard, den 30. April 1807.<br />
Mein Herr!<br />
Ich habe soeben den Brief Ew. Excellenz vom 25. d. M.<br />
erhalten und er giebt mir einen fchätzbaren Beweis <strong>der</strong> hochherzigen<br />
Sorge, durch welche Ew. Excellenz dazu beitragen
76 5>r. Vlasendorff, Aus <strong>der</strong> Franzosenzeit.<br />
will, unserer Provinz die Ruhe uud Sicherheit, welche durch<br />
Räuber bisweilen gestört ist, wie<strong>der</strong>zugeben. Alle Bewohner<br />
<strong>der</strong> Provinz, je<strong>der</strong> Patriot und alle Civilbehörden erkennen<br />
diese Absichten mit vollkommener Dankbarkeit an, weil beide<br />
gleich leiden und dabei die Civilbehörden Gefahr lanfen, verkannt<br />
zu werden. Meine wirklichen Empfindungen für das Eigenthum<br />
meiner Mitbürger uud für das Wohl <strong>der</strong> Provinz treiben<br />
mich gleichfalls, bei den Maßregeln mitzuwirken, welche getroffen<br />
sind, um so bald als möglich zu diesem Ziele zu gelangen und<br />
heißt mich, die Pflicht dazu anzuerkennen. Ich habe den oben<br />
erwähnten Brief in Uebersetzung abschriftlich an den Magistrat<br />
von Pyritz und die Aemter des Pyritzer Kreises gesandt, ich<br />
habe sie verpflichtet, in ihrem Bezirk Acht zu haben und den<br />
dort vorgeschriebenen Befehlen genau zu gehorchen, auch werde<br />
ich den Dörfern meines Bezirks den Inhalt dieses Briefes mittheilen<br />
lassen, soweit er auf sie Bezug hat. Sobald ich Anzeigen<br />
über einen Vorfall dieser Art o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Gegenwart<br />
von Räubern in dem einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Bezirk haben werde,<br />
werde ich nicht verfehlen, davon Ew. Excellenz sobald als<br />
möglich zu benachrichtigen, aber es ist mir nicht bekannt, daß<br />
sie Schlupfwinkel in meinem Kreise habett und es ist mir nicht<br />
einmal wahrscheinlich, weil man sagt, daß sie sich gewöhnlich<br />
in <strong>der</strong> Nachbarschaft <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> finden, welche vollständig in<br />
<strong>der</strong> Umgebung meines Kreises fehlen.<br />
Ich wage noch Ew. Excellenz zu gestehen, daß <strong>der</strong> Schluß<br />
des Briefes vom 25. d. M. mich sehr aufgeregt hat, weil er<br />
die Möglichkeit voraussetzt, als befände ich mich im Einverständnisse<br />
mit den Räubern, was mit meinem Amte, meiner<br />
Lage, meinem Charakter und <strong>der</strong> Würde meines Königs unvertraglich<br />
ist, uud daß ich es vorziehen würde, mein Amt nie<strong>der</strong>zulegen<br />
als zu sehen, daß man meinen Handlungen mißtraut.<br />
Ew. Excellenz<br />
gehorsamster Diener<br />
v. Schöning.
Die Mosterkirche zu Bergen auf Rügen.<br />
Von I. L. Löffler.<br />
Uebersetzt von G. von Rosen, Regierungsrath a. D.<br />
Vorbemerkung des Nebersetzers.<br />
Die Vereinsschrift <strong>der</strong> Rügisch-Pommerschen Abtheilung<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche Geschichte und <strong>Alterthumskunde</strong><br />
in Stralsund nnd <strong>Greifswald</strong> brachte im Jahre 1872 Beiträge<br />
zur Rügisch-Pommerscheu Kunstgeschichte von Karl von Rosen,<br />
<strong>der</strong>en erstes Heft Dänemarks Einflnß auf die frühste christliche<br />
Architektur des Fürstenthums Rügen nachwies. Die bezügliche<br />
Untersuchung that dar, daß zunächst die Kirche zu Bergen<br />
zweifellos als eiu dänisches Werk zu bezeichuen und die Kirche<br />
zu Altenkirchen auf Wittow möglicher Weise von demselben<br />
Baumeister errichtet ist, daß in <strong>der</strong> Kirche zu Schaftrode ein<br />
<strong>der</strong> vorgenannten verwandter Bau vorliegt und daß bei Errichtung<br />
des Klosters zu Eldcna dänischer Einfluß eine durchgreifeude<br />
Rolle gespielt hat, wie er auch im Bau <strong>der</strong> Kirche<br />
zu Semlow zu erkennen ist, und weist dieses geschichtlich wie<br />
künstlerisch nach. Im Anschluß hieran hat nun <strong>der</strong> dänische<br />
Architekt Löffler im Jahre 1873 eine technische Untersuchung<br />
<strong>der</strong> Kirche zu Bergen vorgenommen, <strong>der</strong>en Ergebniß er in den<br />
Publikatioueu <strong>der</strong> Gesellschaft für nordische Alterthums- und<br />
Geschichtskuude (Kopenhagen 1874) nie<strong>der</strong>gelegt hat. Dieselbe<br />
ist von um so höherem Interesse, als auch auf diesem Wege<br />
ein gleicher Nachweis erbracht wird.
I. L. Löffler,<br />
Etwa zwanzig Jahre sind verflossen, seit <strong>der</strong> Bericht über<br />
die in König Friedrich VII. Beisein vorgenommene Untersuchung<br />
<strong>der</strong> Königsgräber in <strong>der</strong> Kirche zn Ningstedt herauskam, in<br />
welchem <strong>der</strong> Conservator nnserer (dänischen) Alterthnms-Denkmäler<br />
Etatsrath I. I. A. Worsaae mit schlagenden Gründen<br />
ausführte, daß Ringstedts jetzige Kirche nach ihrem Material<br />
une nach <strong>der</strong> Eigenthümlichkeit ihres Baustils nicht für dasjenige<br />
Bauwerk erachtet werden kann, welches Bischof Svend<br />
Norbagge zu Ende des eilften Jahrhun<strong>der</strong>ts aufführen ließ,<br />
son<strong>der</strong>n daß dieselbe vielmehr als ein Denkmal angesehen werden<br />
muß, welches im Wesentlichen Waldemar dem Großen seine<br />
Entstehung verdankt. Dem Verfasser diente als weiterer Anhalt<br />
für seine Untersuchung über die Zeit <strong>der</strong> Erbauung <strong>der</strong> Kirche<br />
(etwa 1160) die Beachtung <strong>der</strong> von Franz Kugler angestellten<br />
Ermittelungen über die am Schlüsse des zwölften und zn<br />
Anfang des dreizehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts in Pommern nnd auf<br />
Rügen errichteten kirchlichen Denkmäler (Kleine Schriften und<br />
Studien zur Kunstgeschichte, erster Band), in denen <strong>der</strong> ausgezeichnete<br />
Sachkenner die bestimmte Vermuthung ausspricht,<br />
daß mehrere jener Bauwerke von Baumeistern ausgeführt sind,<br />
die aus <strong>der</strong> dänischen Schule herstammen. Schon damals
Die Klosterkirche zu Bergen. 79<br />
sprach Etatsrath Worsaae es aus, wie wünschenswert!) es sei,<br />
eine mit genauen und zuverlässigen Abbildungen versehene<br />
Untersuchung <strong>der</strong> ältesten Kirchen dieses Landestheiles zu erhalteu,<br />
um die auf Wahrscheinlichkeit begründeten Vermuthungen<br />
Kuglers durchzuführen nnd festere Anhaltspunkte als die wenigen<br />
Skizzen zu gewinnen, welche feinen Untersuchungen beigegeben<br />
sind; wie doch anch solches ausführliche Material erfor<strong>der</strong>lich<br />
ist, um die Vermuthungen zur feststehenden Gewißheit zu erheben.<br />
Aber viele unferer eigenen bedeutendsten Denkmäler<br />
mittelalterlicher Bankunst waren damals nur erst theilweise<br />
gezeichnet und beschrieben, so daß eine Untersuchung in Norddeutschland,<br />
um zuverlässige Ausbeute zu geben, vorläufig eine<br />
Zeit lang ausgesetzt werden mußte.<br />
In dem nächstfolgenden Jahre, nachdem das Werk über<br />
die „Königsgräber zn Ringstedt" herausgekommen war, trat<br />
<strong>der</strong> „Verein für die Herausgabe dänischer Denkmäler" zusammen,<br />
durch dessen Wirksamkeit eine Reihenfolge von ausführlichen<br />
Zeichnungen und Beschreibungen unserer interessantesten<br />
Kirchenbanten uud namentlich solcher zu Stande gebracht<br />
wurde, welche etwa um die Zeit Waldemar des Großen ausgeführt<br />
waren. In genauer Verbindung mit dieser Arbeit<br />
erschien im Jahre 1870 Pastor I. Helms' und Etatsraths<br />
Heinrich Hansens werthvolles Werk über unser hauptsächlichstes<br />
romanisches Denkmal: Die Domkirche zu Ribe. Nachdem damit<br />
mm eine genauere Kenntniß <strong>der</strong> EntWickelung des romanischen<br />
Stils und dessen eigenthümlichen Gepräges hier im Lande<br />
gewonnen war, unternahm Etatsrath Worsaae im Sommer<br />
1868 eine antiquarische Reise nach Norddeutschland, an dessen<br />
Alterthumsdenkmälern er namentlich bei mehreren Kirchen<br />
Rügens als über jeden Zweifel erhaben feststellte, daß sich dabei<br />
ein direkter dänischer Einfluß geltend gemacht hat.<br />
Der große Werth, welchen es haben müßte, wenn diese<br />
Bauwerke sorgfältig untersucht und gezeichnet würden, war<br />
somit festgestellt und, da Etatsrath Worfaae mich 1872 auffor<strong>der</strong>te,<br />
zu diesem Eude eine Reise nach Rügen auszuführen,<br />
unternahm ich diesen Vertrauensauftrag voll Dankbarkeit und
80 I. L. Löffler,<br />
Eifer. Verschiedene Umstände machten es indeß nothwendig,<br />
die Reise bis Znm Herbste zn verschieben, dann aber wnrde<br />
dieses Unternehmen, wenn anch in <strong>der</strong> ungünstigen Jahreszeit<br />
ausgeführt. Es glückte mir, das benöthigte Material znr Beschreibung<br />
<strong>der</strong> Hauptkirche <strong>der</strong> Insel, <strong>der</strong> Marienkirche in<br />
Bergen, zu sammeln und muß ich es mit Bestimmtheit aussprechen,<br />
daß <strong>der</strong>selben im Vergleich mit Rügens übrigen Kirchen,<br />
das bei Weitem überwiegende Interesse anhaftet.<br />
I. Uebersicht über die Geschichte des Klosters.')<br />
Als Waldemar <strong>der</strong> Große und Asger Rygs berühmte<br />
Söhne im Jahre 1168 Arkona erobert, Svantevits Tempel<br />
verbrannt und dessen Götzenbild in Stücke zerhanen hatten,<br />
war ihre erste That, den Einwohnern des Landes den Christenglauben<br />
verkünden nnd sie auf dm Namen des dreieinigen<br />
Gottes taufen zu lassen.<br />
Eine Kirche wurde sofort und zwar von dem Holze errichtet,<br />
welches Waldemar zu Aufführung eines Blockhauses<br />
und von Verfchanznngen hatte hauen lassen, das aber nicht<br />
zur Verwendung gekommen war, weil <strong>der</strong> Ort sich den Dänen<br />
bald nach ihrer Ankunft ergeben hatte. Diese Holzkirche war<br />
unzweifelhaft das erste Gotteshaus, welches die Bewohner<br />
Rügens zu gemeiusamer Andacht versammelte, denn es hat<br />
nicht den Anschein, als wenn anch nnr die allerdürftigste Kirche<br />
von jenem Priester errichtet wäre, welcher sich nnr kurze Zeit<br />
auf <strong>der</strong> Insel aufgehalten hatte, als Erik Emnnd ein Menschenalter<br />
früher Arkona eingenommen und dessen Bewohnern das<br />
Christenthum aufgezwnngen hatte, welches von denselben gleich<br />
nachher wie<strong>der</strong> aufgegeben wnrde. Nach Arkona sielen schnell<br />
die an<strong>der</strong>en großen Städte, die Bildsänlen, das Rngivit, Porevöt<br />
!) Bezüglich <strong>der</strong> diefes Kloster betreffenden geschichtlichen Bemerkungen<br />
habe ich im Wesentlichen das Werk des Dr. I. I. Grnmbke<br />
benutzt: „Gesammelte Nachrichten zur Geschichte des ehemaligen Cister«<br />
zienser-Nonnenklosters Sancta Maria in Bergen anf <strong>der</strong> Insel Rügen."<br />
(Stralsund 1833.)
Die Klosterkirche zu Bergen. 81<br />
und Porenutz wurden verbrannt und ihre Temftel nie<strong>der</strong>gebrochen.<br />
Rings auf <strong>der</strong> Insel wurden nun Kirchen errichtet,<br />
welche gewiß alle von Holz waren, Kirchhöfe wurden<br />
geweiht und Priester eingesetzt, um das Volk im christlichen<br />
Glauben zu stärken o<strong>der</strong> dazu anzuleiten. Absalon aber war<br />
die eigentliche Seele des Ganzen und erhielt es im Gange.<br />
Der Fortgang entsprach dem, wie die gleichzeitigen Berichte ergaben.<br />
Ueberall war er mit Rath und That zur Stelle, ja<br />
er wirkte so unverdrossen im Dienste <strong>der</strong> Kirche und seines<br />
Königs, daß er in ganzen drei Tagen nnd Nächten sich nicht<br />
die allergeringste Nnhe gönnte. Obschon gewiß seine gewaltige<br />
Persönlichkeit und sein energisches Auftreten in beiden Eigenschaften,<br />
sowohl als Krieger, wie als Kirchenfürst <strong>der</strong> hauptsächlichste<br />
Grund dafür war, daß die Bewohuer Rügens sich<br />
in das erst fo kurze Zeit angenommene Christenthum so schnell<br />
einlebten, so muß man doch auch darau erinnern, daß er unmittelbar<br />
nach <strong>der</strong> Einnahme Arkonas eine kräftige Stütze in<br />
einem <strong>der</strong> eigenen Söhne des Landes, in dem Bru<strong>der</strong> des<br />
Königs Tetislaw, dem edlen Fürsten Iaromar von Rügen, fand.<br />
Dieser Mann, <strong>der</strong> so ganz dem christlichen Glauben zugethan<br />
blieb, schloß sich innig an Absalon an und blieb auch,<br />
nachdem Rügen dem Roeskil<strong>der</strong> Bisthnm (am 4. November<br />
1168) zugelegt war, iu all den Streitigkeiten, welche später<br />
zwischen Knud VI. und Herzog Vogislav von Pommern bestanden<br />
und erst im Jahre 1185 mit <strong>der</strong> vollständigen Unterwerfung<br />
des betreffenden Landestheiles endeten, Dänemark ein<br />
treuer Nothhelfer.<br />
Etwa zwauzig Jahre verflossen, nachdem Svantevits Tempel<br />
<strong>der</strong> einstweiligen Holzkirchc Waldemars hatten Platz machen<br />
müssen. Die sich ununterbrochen folgenden Kämpfe hatten<br />
Iaromar zu friedlicher Beschäftigung kanm Zeit gelassen. Nicht<br />
sobald aber war <strong>der</strong> Friede vollständig hergestellt und die Einwohnerschaft<br />
<strong>der</strong> Insel zu Kräften gekommen, als wir ihn<br />
mit dem bedeutenden Banunternehmen, <strong>der</strong> Aufführung des<br />
Marienklosters zu Bergen o<strong>der</strong> Gora, wie die Stätte damals<br />
hieß, beschäftigt finden.<br />
6
82 I. L. Löffler,<br />
Es war nicht ohne guten Grund, daß Iaromar gerade<br />
diese Ortslage auswählte; denn Bergen erhebt sich hoch über<br />
<strong>der</strong> umliegenden Gegend, so daß die Bewohner Rügens Meilen<br />
weit ihre heilige Stiftung vor Augen haben konnten. Große<br />
Wäl<strong>der</strong> fanden sich in <strong>der</strong> Nähe, so daß an Bau- und Brennholz<br />
kein Mangel war, auch schnitt östlich in einer Entfernung von kaum<br />
einer halben Meile die fischreiche Iasmun<strong>der</strong> Bucht ins Land. ^)<br />
Ueber das Jahr, in welchem <strong>der</strong> Bau begonnen wurde,<br />
hat die Geschichte nichts aufbewahrt; nach <strong>der</strong> Stiftnngsurkunde<br />
Iaromars^) aber ward das Kloster 1193 eingeweiht und muß<br />
man darnach annehmen, daß etwa vier Jahre früher <strong>der</strong> Grund<br />
dazu gelegt ist. Hier war es nämlich nicht ein Fachwerksbau,<br />
welcher errichtet werden sollte, son<strong>der</strong>n ein Bau, für dessen<br />
Umfassungswände ausschließlich gebrannte Ziegelsteine gewählt<br />
2) Auf einem mächtigen Hügelrücken, kaum eine Viertelmeile nord-<br />
östlich von <strong>der</strong> Höhe, anf welcher das Kloster aufgeführt war, lag seit<br />
1120 Iaromars befestigte Bnrg Rügegard. Der pommersche Geschicht-<br />
schreiber Th. Kantzow, welcher nm die Mitte des sechszehnten Jahr-<br />
Hun<strong>der</strong>ts schrieb, nimmt an, diese Bnrg habe im Jahre 1316 <strong>der</strong><br />
Insel zur Vertheidigungsstätte gedient; jedenfalls aber geht ans einer<br />
Verleihungsnrknnde, welche die 1207 von Iaromar gegründete Cister-<br />
zienserabtei zu Eldena bei <strong>Greifswald</strong> betrifft und 1295 von Bischof<br />
Iaromar von Camin in „o^ti-o uoLtro Nu^ai-ä" ausgestellt ist,<br />
hervor, daß sie in diesem Jahre noch stand. (A. G. v. Schwarz,<br />
diplomatische Geschichte <strong>der</strong> Pommersch-Nngischen Städte, S. 529.)<br />
Die Burgstelle trägt jetzt den Namen Rngard; da aber, wo früher<br />
eine Befestigung nnd Kapelle stand, wird in diesem Herbste ein Aus-<br />
sichtsthnrm errichtet. In <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Burg lag eine kleine Kapelle<br />
(ecclesia. I^ZKai-66), welche Fürst Wizlaw 1285 dem Kloster schenkte,<br />
die Nonnen zn St. Marien aber schon im vierzehnten Iahrhnn<strong>der</strong>t<br />
abbrechen ließen, ohne daß sich dafür ein bestimmter Grund angegeben<br />
findet. (Grnndbuch des Bisthums Roeskild in äci'ipt. rer. van. VII.<br />
Seite 145 und Grümbke S. 52.)<br />
3) Das Original dieser merkwürdigen Urkunde ist lei<strong>der</strong> vernichtet.<br />
Es findet sich aber eine Abschrift aus dem dreizehnten Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
vor, welche Grümbke mittheilt und die sich anch bei A. G. v. Schwarz,<br />
Seite 530 findet. Vgl. den verbesserten Abdrnck im Ooä. ?om.<br />
dipi, v. Hasselbach n. Kosegarten Nr. 71 S. 169 ff. n. Pomm. Urkbch.<br />
I. S. 93.
Die Klosterkirche zu Bergen. 83<br />
wurden. Dieses Material, welches bekanntlich mit <strong>der</strong> römischen<br />
Cultur nach Nordeuropa kam, fand Anfangs wohl durch die<br />
Einwirkung <strong>der</strong> Geistlichkeit einige Verwendung bei den umwohnenden<br />
Volksstämmen; im Laufe des elften und zwölften<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts, bei weiterer Verbreitung des Christenthums,<br />
finden wir aber doch Bruchsteine als das zumeist bei Kirchen -<br />
bauten zur Verwendung kommende Material. ^) Zweifelhaft<br />
ist es, auf Grund welches Einflusses wir seit Mitte des zwölsten<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts wie<strong>der</strong> Ziegel als Baumaterial in Norddeutschland<br />
verwendet antreffen und, obgleich ein Denkmal, wie die<br />
Klosterkirche zu Ierichow (1147 bis 1152), wohl kaum als<br />
<strong>der</strong> erste Versuch angesehen werden kann, welcher den Grund<br />
zur Anwendung dieses Materials gelegt haben möchte, so steht<br />
dieselbe bisher doch als die frühste, sicher datirte Ziegelkirche<br />
dieser Periode da. ^)<br />
Etwa um dieselbe Zeit wurden Ziegel hier im Lande als<br />
das hauptsächlichste Baumaterial gebräuchlich und blieben es<br />
auch. Bis dahin hatte man Kalk, Granit, Kreide, selbst Raseneisenstein<br />
in mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> verarbeiteter Form benuht.<br />
Kanm aber hatten unsere Baumeister mit dem sauberen, leicht<br />
zu behandelnden gebrannten Steine nähere Bekanntschaft gemacht,<br />
da entstanden ringsum im Lande, namentlich auf Seeland, im<br />
südlichen Theile <strong>der</strong> Insel Möen, auf Lolland und Falster eine<br />
Anzahl charakteristischer Bauten, bei denen <strong>der</strong>selbe und zwar<br />
ausschließlich nicht nur für die Massen <strong>der</strong> Mauern, son<strong>der</strong>n<br />
auch zur Herstellung <strong>der</strong> Einzelheiten verwendet wurde, in<br />
denen hierdurch auch neue uud eigenthümliche Formen auftraten.<br />
Wenn nun auch <strong>der</strong> Größe und <strong>der</strong> Gestalt <strong>der</strong> Steine,<br />
ebenso wie <strong>der</strong>en Maaßen, in denen sie sich in Schichten lagern<br />
4) Bischof Bernward von Hildesheim (f 1022), welcher selbst<br />
Ziegelbrennereien anlegen ließ, benutzte beim Anfban <strong>der</strong> von ihm<br />
begonnenen Michaeliskirche ausschließlich Hausteiu. Zur Verstärkung<br />
<strong>der</strong> Kirchenstände, Mauern, Thürme 2c. wendete er dagegen Ziegel an.<br />
I. Helms: Tufjsteiukircheu in <strong>der</strong> Umgegend von Ribe. S. 15.<br />
5) F. von Quast: Zur Charakteristik des älteren Ziegelbaus in<br />
<strong>der</strong> Mark Brandenburg. Seite 7.
84 I. L. Löffler.<br />
ließen, <strong>der</strong> Einflnß zugeschrieben werden mnß, welchen uns<br />
die Kenntniß des Materials zuführte, so scheint es doch auch,<br />
als wenn unsere ältesten gebrannten Steine nicht ganz ohne<br />
eine gewisse nationale Eigenthümlichkeit geblieben sind. Dieselbe<br />
besteht in <strong>der</strong> Art und Weise, in denen die Hauptmasse <strong>der</strong> im<br />
Mauerwerke sichtbaren Bin<strong>der</strong>- und Läuferseiten behandelt ist,<br />
indem diese nämlich nicht glatt gestrichen, son<strong>der</strong>n mit einem<br />
schrägen Falz versehen sind, welcher von <strong>der</strong> Formung herzurühren<br />
scheint. 6)<br />
Waldemar und Absalon waren es, welche — soweit wir<br />
zu ermitteln vermögen — zuerst den gebrannten Stein zu<br />
großen kirchlichen Banwerken benutzten und zwar sowohl bei<br />
<strong>der</strong> Aufführung <strong>der</strong> Klosterkirche zu Soroe, wie zum Aufbau<br />
von Svend Norbagges Klosterkirche zu Ringstedt. ?)<br />
Diese so eigenthümlichen Denkmäler, <strong>der</strong>en offenbare Gleichzeitigkeit<br />
nicht allein ans <strong>der</strong> Grundform <strong>der</strong> Anlage, son<strong>der</strong>n<br />
auch aus den architektonifchen Einzelheiten hervorgeht, sind in<br />
dem Zeitraum etwa von 1160 bis 1180 ausgeführt, und<br />
somit in den wenigen Jahren hergestellt, nachdem <strong>der</strong> Frieden<br />
mit unseren Nachbaren im Süden völlig zn Stande gebracht<br />
war. Wenn nnn Iaromar durch eine That seine Ergebenheit<br />
für den christlichen Glauben und zwar dadurch zu beweisen<br />
wünschte, daß er dem Herrn ein würdiges Haus dazu, damit<br />
in demselben sein Wort verkündiget werde, aufführte, lag es<br />
da nicht nahe, daß er bei dem Manne Nath suchte, welcher<br />
das Christenthum zu ihm und seinem Volke gebracht hatte;<br />
bei dem Manne, welcher mit so großem Eifer für alle kirchlichen<br />
Verhältnisse in seinem Vaterlande sorgte und selbst eben<br />
6) Diese Behandlung <strong>der</strong> Oberfläche <strong>der</strong> Steine ist, soweit Mit«<br />
theilungen besagen, an<strong>der</strong>orts als bei uns nicht bekannt. Hätte ein<br />
Bauwerk, wie die Klosterkirche zu Ierichow, im Material eine solche<br />
Eigenthümlichkeit aufzuweisen gehabt, so würde F. von Quast,<br />
welcher die Steine, wie <strong>der</strong>en Fugung ja beson<strong>der</strong>s besprochen hat,<br />
dieses in seiner Beschreibung des gedachten Denkmals sicherlich anch<br />
erwähnt haben.<br />
7) N. L. Hoyen: Die Kirche von Soroe in: „Denkmäler<br />
Dänemarks", und I. I. A. Worsaae: Die Königsgräber zu Ningstedt.
Die Klosterkirche zu Bergen. 85<br />
vorher das Kloster zu Soroe für sich und sein berühmtes Geschlecht<br />
als Ruhestätte gestiftet hatte? Auch steht es entschieden<br />
fest, und wie mißhandelt die Reste auch sein mögen, dasjenige,<br />
was in unserer Zeit noch von Iaromars Stiftung besteht, läßt<br />
keinen Zweifel darüber zu, daß die Marienkirche zu Bergen<br />
nicht nur unter Leituug von dänischen Baumeistern errichtet<br />
ist, welche von Soroe und Ringstedt Erfahrung in <strong>der</strong> Behandlung<br />
des Materials und richtigen Blick für die bestgeeigneten<br />
Formen mitgebracht hatten, son<strong>der</strong>n selbst die Steine,<br />
an denen wir augenscheinlich den schrägen Falz wie<strong>der</strong>finden,<br />
sind wenigstens zum großen Theil von unseren Ziegeleien nach<br />
Rügen übergeführt.<br />
Nachdem Iaromar in feiner Stiftungsurkunde den Segen<br />
des Herrn für alle an ihn gläubigen Christen auf <strong>der</strong> Insel erfleht<br />
hat, spricht er aus, daß, da <strong>der</strong>en Bewohner durch die<br />
Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes vom Heidenthum,<br />
welchem ihre Vorfahren ergeben gewesen, bekehrt seien, er nach<br />
allen Kräften und Vermögen sich Gott für solche Gnade dankbar<br />
erweisen wolle. Dem habe er nicht besser entsprechen zu<br />
können geglaubt, als durch Errichtung einer Kirche von Ziegelsteinen<br />
(op6r6 latorioio ^) und zwar auf einem ihm gehörigen<br />
Grundstücke, und dasselbe durch des Bischofs Pe<strong>der</strong> Sunnfen<br />
von Roeskilde (1191 bis 1214) eigene Hand zu Ehren <strong>der</strong><br />
hochgelobten Jungfrau Maria einweihen lassen.<br />
Damit seine Kirche nun aber nicht ohne würdige Verehrung<br />
zum Preise <strong>der</strong> heiligen Jungfrau bleiben möge, so<br />
habe er beschlossen, Nonnen von <strong>der</strong> Kirche eben dieser heiligen<br />
Jungfrau zu Roeskilde aufzunehmen, damit solche <strong>der</strong>en herr-<br />
6) Interessant ist die Beobachtung, daß anch Svend Aagesen bei<br />
Aufzählung desjenigen, wodurch er vornämlich das Andenken Waldemars<br />
I. verherrlicht hat, namentlich auch als Verfasser <strong>der</strong> Grabplatte<br />
des Königs, es nicht unterlassen hat, dessen Verdienst um Anwendung<br />
von Ziegeln bei Herstellung des Mauerwerks <strong>der</strong> Danevirke und des<br />
Thurms von Sporgo hervorzuheben; ganz ebenso wie Iaromar aus«<br />
drücklich dieses Materials als von ihm znr Aufführung seiner Stiftung<br />
benutzt, Erwähnung thut.
86 I. L. Löffler,<br />
liche heilbringende Iungfrauschaft ewig lobpreisen sollten. Zum<br />
nöthigen Unterhalt dieser Nonnen habe er seiner Kirche fünf<br />
ländliche Besitzungen beigelegt und zwar mit <strong>der</strong> Absicht, daß<br />
sie sich ehrerbietig gegen Gott und die heilige Mutter unseres<br />
Erlösers erweisen, auch <strong>der</strong>en Gnade erbitten sollten, damit<br />
<strong>der</strong> Herr, versöhnt durch ihr Gebete, ihm sowohl Vergebung<br />
seiner Sünden, als auch die Herrlichkeit des ewigen Lebens zu<br />
Theil werden lassen möge. Endlich zählt er die Eigenthumstücke,<br />
welche er auf Eingebung des Herrn seiner Stiftung<br />
geschenkt hat, auf, damit sie für immer unverletzt bleibe; giebt<br />
auch die Zeugen an, welche bei Abfassung <strong>der</strong> Urkunde gegenwärtig<br />
gewesen sind und ruft des Herrn härteste Strafen auf<br />
diejenigen herab, welche lein Geschenk <strong>der</strong> Kirche entfremden<br />
o<strong>der</strong> es verbringen würden, an<strong>der</strong>erseits aber wünscht er Frieden,<br />
Segen und die ewige Seligkeit allen denen, welche solches<br />
schützen. Diese Urkunde ist im Jahre des Herrn 1193 ausgestellt,<br />
als Pabst Cölestin die römische Kirche regierte, als<br />
<strong>der</strong> rühmliche König Knud über die Dänen herrschte, als <strong>der</strong><br />
ehrwürdige Erzbischof, Legat <strong>der</strong> apostolischen Kirche und Primas<br />
von Schweden, Herr Absalon, <strong>der</strong> Kirche zu Lund vorstand<br />
und als Herr Pe<strong>der</strong> Sunnsen die Kirche zu Roeskilde leitete.<br />
Wenn Iaromar in seiner Verleihungsurkunde sagen konnte,<br />
daß er eine Kirche — 6«oi68ia.in — habe bauen lassen und<br />
daß er beschlossen habe, Nonnen von <strong>der</strong> Marienkirche zu<br />
Roeskilde dahin aufzunehmen ^), so brauchte er diese Bezeichnung<br />
doch nur für das Kloster. Hiervon vergewissert uns eine<br />
Notiz aus dem Jahre 1232, wo <strong>der</strong> Fürst Witzlaw I. von<br />
Rügen, Iaromars Sohn und Nachfolger, sich in einer Urkunde<br />
folgen<strong>der</strong>maßen ausdrückt: oi^usti-nin moiüaliuiu, c^uoä a.<br />
I^ti'o nostro conZti^otimi 68t in Nii)^ in loco Oora,<br />
(Grümbke, Seite 3). Ob schon die Stiftungsurkunde über<br />
die Ordeusregel, welcher die Nonnen folgen sollten, nichts<br />
2) Unsere Frauenkirche in Roesfilde war bereits vom Bischof Svend<br />
Norbagge (1076 bis 1038) aufgeführt; das Kloster aber wurde erst<br />
1156 vom Probst Isaak gestiftet (Sarò, herausgegeben von Wedel.<br />
Seite 243 bis 256).
Die Klosterkirche zu Bergen. 8?<br />
enthält, so haben wir für solche doch schon in <strong>der</strong> Angabe<br />
Iaromars eine Andeutung, daß er dieselben aus dem Frauenkloster<br />
zu Roeskilde berufen wolle. Wenn gleich <strong>der</strong> dortige<br />
Convent ursprünglich vom Benediktinerorden war, spätestens<br />
1176 aber die Cistcrzienserregel angenommen hatte (Suhm<br />
VII. S. 472), so finden wir doch, daß die Nonnen, welche<br />
1193 von unserem Frauenkloster nach St. Maria in Bergen<br />
kamen, Anfangs nach den Vorschriften des heiligen Venedikt<br />
lebten, und erst einige Jahre später die <strong>der</strong> Cisterzienser annahmen.<br />
Dieses geht aus <strong>der</strong> Bestätigungsbnlle Pabst Innocenz<br />
IV. von 1250 hervor (Grümbke, Seite 198, wo die Bulle<br />
sich in <strong>der</strong> Nrsprache abgedruckt findet). Es heißt dort ausdrücklich:<br />
Wir bestimmen, daß die Klosterordnung, welche von<br />
euch vor dem allgemeinen Concil — Wohl dem vierten lateranischen<br />
1215 — nach <strong>der</strong> Regel des heiligen Benedikt und<br />
<strong>der</strong> Gewohnheit <strong>der</strong> Cisterzienser eingeführt ist, als für das<br />
dortige Kloster geltend anerkannt und unabän<strong>der</strong>lich für ewige<br />
Zeiten unverletzlich beobachtet wird; wie er es auch später<br />
sagt, wo es heißt: „bevor das Kloster die Satzungen des<br />
Cisterzienserordens angenommen hatte."<br />
In den älteren schriftlichen Aufzeichnungen findet dasselbe<br />
sich zumeist aufgeführt als oonvontiiä ordini^ o<strong>der</strong> ganz<br />
kurz „oiHUätrum moni^iinm in monto und in Doi^iä"<br />
o<strong>der</strong>: „Unfe Convent tho Verghe." (Grümbke, Seite 5.)<br />
Durch die Satzungen des Cisterzienserordens ist ausdrücklich<br />
vorgeschrieben, daß das Bild <strong>der</strong> heiligen Jungfrau stets die<br />
Altäre <strong>der</strong> Kirchen und Kapellen dieses Ordens schmücken soll,<br />
und muhte also dies Cisterzienserkloster, welches ihr vornämlich<br />
geweiht war, sich diese Vorschrift zur beson<strong>der</strong>en Pflicht dienen<br />
lassen. Daß Iaromars Kirche ein vorzugsweise würdiges Bild<br />
seiner genannten Schutzpatronin besaß, dessen Silbergewicht<br />
dreizehn Pfund, weniger ein Loth, betrug, läßt sich nach einem<br />
Inventar vermuthen, welches aus dem sechszehnten Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
herzurühren scheint. Der allerdings nur ganz kurze vorerwähnte<br />
Aussatz lautet folgen<strong>der</strong>maßen: .... Item. D^t<br />
mit III 8ti'3loN) ä
88 I. L. Löffler,<br />
vii IV I^oät. Itoin. O6 Oror^ m)'t äon<br />
VQ 8t^oI(6Q 0ol( ä6 80I-UV6U, äo cllN' t0 1^01't,<br />
Nlll-Ic VII Loät. It6N. 1)6 V06(i I^ii^ III 8ti0V6Q<br />
X N^i'Il VII IV loä. Zumili^ (io8 Votoy to V<br />
-VV6I-6 I.XXVII a. (Grümbke, Seite 6—7.)<br />
Welches das spätere Schicksal dieses Marienbildes war,<br />
weiß man nicht, nur soviel steht fest, daß im Jahre 1833,<br />
als Grümbke seine Nachrichten über das Kloster herausgab, sich<br />
nicht mehr die geringste Spur desselben auffinden ließ.<br />
Trotz <strong>der</strong> von Iaromar bestimmt ausgesprochenen Willensmeinung<br />
wurde die Jungfrau Maria später als Schutzheilige<br />
durch den heiligen Pabst Lucius verdrängt. ^) Dies geschah<br />
wahrscheinlich nach 1445, in welchem Jahre eine heftige Feuersbrunst<br />
das Kloster Zerstörte, bei dem dadurch uothweudig gewordenen<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau, bezüglich dessen zwei landesherrliche<br />
Stiftungsbriefe aus den Jahren 1494 nnd 1525 besagen, daß<br />
das Kloster Zu Bergen zu Ehren dieses Heiligen fundirt und<br />
bestätigt sei (Grümbke, Seite 207).<br />
Wie groß die Zahl <strong>der</strong> Anfangs ins Kloster eingetretenen<br />
Nonnen war, darüber fehlt es an bestimmter Kunde. Da<br />
aber die Satzungen <strong>der</strong> Cisterzienser vorschreiben, daß <strong>der</strong><br />
Ordensconvent aus zwölf Personen bestehen soll, so darf man<br />
wohl annehmen, daß diese Zahl in den ältesten Zeiten streng<br />
innegehalten ist. Später im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
sehen wir dagegen, daß man es damit nicht so genau<br />
genommen hat. Die Klosterverzeichnisse aus diesen Zeiten,<br />
namentlich aus dem sechszehnten Jahrhun<strong>der</strong>t thun genugsam<br />
dar, daß die Zahl <strong>der</strong> eigentlichen Klosterfrauen nicht immer<br />
eine gleiche war, son<strong>der</strong>n bald mehr bald weniger als zwölf<br />
Personen betrug. Rechnet man diejenigen Nonnen hinzn,<br />
welche sich als Anwärterinnen, Laienschwestern und Novizen im<br />
^) Da die kirchliche Oberhoheit über Rügen 1433 von Erich von<br />
Pommern an seinen Vetter Herzog Wartislaw abgetreten wnrde, was<br />
gerade bis 1658 dauerte, so sind wir wohl berechtigt, hierin einen<br />
Einfluß von Roeskilde zu sehen, dessen Domkirche bekanntlich demselben<br />
Heiligen geweiht ist.
Die Klosterkirche zu Bergen. 89<br />
Stifte aufhielten, o<strong>der</strong> sich dort als Kostgängerinnen untergebracht<br />
hatten, so war die vorschriftsmäßige Zahl weit überschritten.<br />
Die strengen Ordensregeln <strong>der</strong> (Zisterzienser wurden<br />
im Kloster Anfangs genau befolgt; aber schon im vierzehnten<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t finden wir den Brauch, daß sich einzelne Jungfrauen<br />
ins Kloster gaben und demselben eine Summe baaren<br />
Geldes zubrachten, um daraus die Unkosten für ihre kleinen<br />
Bedürfnisse zn bestreiten, für welche das Kloster ihnen nichts<br />
gewährte, o<strong>der</strong> daß <strong>der</strong>en Eltern und Angehörigen o<strong>der</strong> Vormün<strong>der</strong><br />
bei ihrer Aufnahme ein Kapital einzahlten, ans dem<br />
sie die nöthigen Renten erhielten und das später in liegenden<br />
Gründen angelegt wnrde. In folgenden Zeiten mußten diejenigen,<br />
welche in das Kloster einzutreten wünschten, eine gewisse<br />
Snmme — hun<strong>der</strong>t Mark — unter <strong>der</strong> Benennung<br />
„Rentengeld"") erlegen, ein Brauch, welcher sich bis auf<br />
unsere Tage erhalten hat, wo jede, die als Klosterdame aufgenommen<br />
werden will, sich einkaufen muß.<br />
Was nun die Klosterzucht anbetrifft, fo wissen wir kaum<br />
etwas darüber, es sei denn, daß die Priorin den Nonnen die<br />
Erlaubniß ertheilen konnte, sich außerhalb <strong>der</strong> Mauern des<br />
Klosters aufzuhalten und daß diese die Freiheit hatten, ihre<br />
Bedürfnisse ans dein Markte zu Bergen einzukaufen. Die<br />
Tracht <strong>der</strong> Nonnen bestand in einein langen weißen Gewände<br />
von Wollenzeng mit schwarzem Giirtel und schwarzem Skapulier.<br />
Die Novizeu waren weiß, die Laienschwestern brann gekleidet.<br />
Die Oberleitung des Convents war im Anfange einer<br />
Aebtissin übertragen, — im päbstlichen Confirmationsbriefe von<br />
1205 heißt sie wie<strong>der</strong>holt n^tis^ monitorii — später<br />
finden wir mit zwei Ausnahmen^) diese Bezeichnung fast<br />
niemals angewendet, auch wird das Kloster selbst in den ältesten<br />
") In <strong>der</strong> Zeit zwischen 1460 und 1490 zahlten nach den nns<br />
erhaltenen Nachrichten sechsnnddreißig Nonnen das „Rentengeld", jede<br />
mit hun<strong>der</strong>t Mark, an das Kloster ein.<br />
'2) Amia (I338) und Elisabeth (1461 — 1473), Herzoginnen zu<br />
Pommern, letztere eine Schwester des Herzogs Bogislav X., werden<br />
Aebtissinnen genannt.
90 I. L. Löffler,<br />
schriftlichen Nachrichten niemals Abtei genannt. Der Priorin<br />
s^)i-Ì0i-Ì885d, domina o<strong>der</strong>, um sie genau als Vorsteherin des<br />
Klosters zu bezeichnen, pi-iori88a. äomina.i'nni venol^i^<br />
in inonto) wird dagegen oft Erwähnung gethan. Sie wurde<br />
<strong>der</strong> Regel nach von sechs <strong>der</strong> älteren Nonnen (Oldfruwen) im<br />
Beisein des gesammten Convents gewählt uud eingesetzt, ohne<br />
daß landesherrliche o<strong>der</strong> bischöfliche Bestätigung <strong>der</strong> Wahl<br />
nöthig gewesen wäre. Im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
bewohnte sie ein eigenes Gebäude, das sogenannte<br />
Priorathaus und genoß gewiß auch sehr bedeutende Begünstigungen<br />
vor den übrigen Mitglie<strong>der</strong>n des Convents. Die sechs<br />
Altfrauen, auch Amtsjungfern genannt, hatten eine jede ihren<br />
Antheil an <strong>der</strong> inneren Verwaltung des Klosters zu versehen<br />
und führten eine Amtsbezeichnung nach <strong>der</strong> verschiedenen Art<br />
<strong>der</strong> ihnen übertragenen Wirksamkeit:<br />
1. Nnter-Priorin ^ukprioli^^), welche <strong>der</strong> Priorin in<br />
dem Falle beiständig war, daß diese wegen vorgeschrittenen<br />
Alters o<strong>der</strong> wegen Siechthums die ihr obliegenden Pflichten<br />
nicht erfüllen konnte,<br />
2. Saeristanin ^8^crÌ8t^), welche die heiligen Gefäße<br />
und an<strong>der</strong>en Kostbarkeiten des Klosters in Verwahrung hatte, ^)<br />
3. Cantorin ^anti-ix), welche den Kirchengesang leitete,<br />
4. Opferjungfer (ooii^trix otki-torii), welche das Opfergeld,<br />
milde Gaben, Almosen !c. einsammelte,<br />
5. die Jungfrau, welche die Aufficht über die Klei<strong>der</strong>,<br />
Wäsche, Tücher ?c. <strong>der</strong> Nonnen (v68tia.i-ia) und<br />
6. die Jungfrau, welche dem Haushalte des Klosters,<br />
<strong>der</strong> Brauerei, Bäckerei 3c. vorstand (coiiai-ÌH).<br />
Wenn <strong>der</strong>gestalt nun die inueren Angelegenheiten uuter<br />
die ständigen Mitglie<strong>der</strong> des Convents vertheilt waren, so<br />
n) Wie reich das Kloster damit ausgestattet war, sehen wir aus<br />
verschiedenen Urkunden und Verzeichnissen, und werden in solchen erwähnt:<br />
Kelche, Kreuze, Monstranzen, Fußbekleidungen, wie sie damals<br />
zn <strong>der</strong> geistlichen Tracht gehörten, Perlen sür Autipendien (Altarvorhänge),<br />
Ueberwürfe über Chorklei<strong>der</strong>, silberne Ketten :c. Grümbke,<br />
S. 105. 212.
Die Mosterkirche zu Bergen. 91<br />
blieben doch manche Verrichtungen übrig, welche das thätige<br />
Eingreifen eines Mannes erfor<strong>der</strong>ten. Unter an<strong>der</strong>em hatte<br />
das Stift allmälig auch bedeutende Liegenschaften erworben.<br />
Mit <strong>der</strong> Verwaltung dieser Klostergüter, <strong>der</strong> Ordnung von dessen<br />
Geldangelegenheiten und <strong>der</strong>gleichen war ausschließlich <strong>der</strong><br />
Klosterprobst (pi-H6^08Ìtu8 ä^uotimoiii^iiniii) betraut, welcher<br />
seme Wohnung im sogenannten Probsteihofe hatte, <strong>der</strong> in unmittelbarer<br />
Nähe des Klosters lag. Außer dem Klosterprobst<br />
wird noch <strong>der</strong> Klostervogt (^äv0oatn8) genannt, <strong>der</strong> in den<br />
Zum Stifte gehörenden Gütern die Rechtsangelegenheiten zu<br />
besorgen hatte uud <strong>der</strong> Beichtvater <strong>der</strong> Klosterinsassen war.<br />
Iaromars Klosterstiftung hatte drei und ein halbes Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
bestanden, als <strong>der</strong> erste Windstoß den Orkan verspüren<br />
ließ, welcher im Laufe <strong>der</strong> Folgezeit so mächtige Zerstörungen<br />
in <strong>der</strong> katholischen Kirche anzurichten bestimmt war. Im Jahre<br />
1534 wurde nämlich auf dem Landtage zu Treptow in Pommern<br />
die evangelisch-lutherische Lehre durch Herzog Philipp I.<br />
eingeführt, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> im Jahre vorher vorgenommenen Landestheilung<br />
<strong>der</strong> alleinige Herr über Pommern-Wolgast und Rügen<br />
geblieben war.<br />
Daß <strong>der</strong> Herzog alle Mönchs- und Nonnenklöster und<br />
Stifte, welche natürlich <strong>der</strong> neuen Lehre feindselig gegenüberstanden,<br />
aufheben wollte, läßt sich wohl vermuthen uud es<br />
war deshalb nicht ohne Grund, wenn die Cisterzienseriunen im<br />
Kloster Bergen mit Unruhe in die Zukunft fahen, namentlich<br />
als ihnen im Jahre 1536 statt des Bischofs ein Generalsuperintendent<br />
vorgesetzt wurde. Wohl hatten die Herzöge<br />
Georg I. und Barnim XI., welche <strong>der</strong> katholischen Kirche noch<br />
aufrichtig s?^ zugethan waren, es 1531 ausgesprochen, daß nicht<br />
alle Nonnenklöster eingezogen werden sollten, wenn auch die<br />
evangelische Lehre eingeführt würde; in wie weit man aber<br />
auf solche Verheißung Rücksicht nehmen würde, blieb sehr<br />
zweifelhaft.<br />
So stand Alles in Frage, bis 1541 Herzog Philipp I.<br />
und sein Onkel Barnim XI. die Erklärung abgaben, daß<br />
die fünf <strong>der</strong> Zeit im Laude bestehenden Nonnenklöster zu
92 I. L. Löffler.<br />
Bergen, Stolp, Marienstieß, Verchen und Colberg erhalten<br />
bleiben und fortbestehen sollten, ohne Beschränkung ihres Besitzes<br />
und Einkommens und zwar als „Znchtschuleu" für adliche<br />
Jungfrauen, mit dem Zusätze, daß diese Anordnung nnd Bestimmung<br />
keineswegs in Folge rechtlicher Verpflichtung, son<strong>der</strong>n<br />
lediglich ans Gunst und Gnade getroffen sei. Diese letzte Bestimmung<br />
schien keine hinreichende Garantie für des Stiftes<br />
ferneres Bestehen zn bieten und die Sache sollte erst nach geraumer<br />
Zeit ihren weiteren Verlauf haben.<br />
Unter diesen Umständen empfing <strong>der</strong> rügensche Adel im Jahre<br />
1555 die Nachricht, Herzog Philipp sei in Bergen angekommen und<br />
gedenke dort im Kloster mehrere Tage zu verweilen, mit gespannter<br />
Erwartung. Die Sache kam anch Wohl wie<strong>der</strong> in<br />
Anregung, eine bestimmte Znsichernng aber wnrde nicht ertheilt<br />
und zwar ebensowenig im Jahre darauf beim Landtage zu<br />
Stettin, wo zuletzt noch hervorgehoben wurde, daß die Landesherren<br />
nach dem Augsburger Religionsfrieden vollberechtigt<br />
seien, die Klostergüter einzuzieheu. Noch vier Jahre verliefen<br />
in Peinlicher Ungewißheit, bis die Frage 1560 beim nächsten<br />
Landtage wie<strong>der</strong> aufgenommen wurde. Hier ward deun endlich,<br />
obwohl nicht ohne manchen Wi<strong>der</strong>spruch festgesetzt, daß die<br />
oben gedachten fünf Klöster als Zuchtanstalten zum Unterhalt<br />
adlicher Jungfrauen bestehen bleiben sollten; jedoch sollten<br />
alle Einkünfte <strong>der</strong>selben, wie Renten, Zinsen :c. znr fürstlichen<br />
Kammer eingezogen werden, und wolle <strong>der</strong> Herzog selbst daraus<br />
die Erhaltung <strong>der</strong> Jungfrauen übernehmen. In demselben<br />
Jahre ging Herzog Philipp mit Tode ab nnd neun Jahre<br />
lang blieb die Umgestaltung des Klosters mit Zustimmung<br />
seines Sohnes und Nachfolgers Herzogs Ernst Ludwig auf<br />
sich beruhen. ^) Die Ordensregel <strong>der</strong> Cisterzienser war hiermit<br />
^) Die neue Klosterordnung schloß sich zwar im Allgemeinen<br />
wesentlich an die ältere; die Jungfrauen hatten aber jetzt die Er-»<br />
laubniß, sich zu verheirathen, ja sogar, wenn sie bedürftig waren, eine<br />
Aussteuer vom Stift zn beanspruchen; die Vorschriften aber für den<br />
Aufenthalt im Kloster selbst waren sehr strenge. Im tz. 6 <strong>der</strong>selben<br />
heißt es zum Beispiel, daß, wenn sich eine Jungfrau verführen läßt,
Die Klosterkirche zu Bergen. 93<br />
aufgehoben und das Nonncnwesen abgeschafft. Die alten Klosterjungfrauen<br />
beließ man wohl mit Schonung bei ihren: Glauben,<br />
alle Jungfrauen aber, welche von jetzt an Aufnahme begehrten,<br />
mußten sich freiwillig znr evangelischen Konfession bekennen.<br />
II. Nachrichten über den Van des Klosters.<br />
Nach Mittheilung <strong>der</strong> Nebersicht über die Gründuug des<br />
Marienklosters, dessen iunere Verhältnisse und späteren Schicksale<br />
wollen wir zur Geschichte des Baues übergehen, in dessen<br />
Mauern die Nonnen sich bewegten. Lei<strong>der</strong> vermögen wir nicht,<br />
ein nur einigermaßen vollständiges Bild <strong>der</strong> gesammten Anlage,<br />
wie solche 1193, als die Schwestern aus dem Kloster<br />
Unserer Lieben Franen zu Roeskild zum ersten Male ihre Zellen<br />
betraten, dastand, zu geben; denn 1445 verwüstete, wie oben<br />
erzählt ist, das Kloster eine heftige Feuersbrunst, welche nicht<br />
allein den bewohnten Flügel, son<strong>der</strong>n auch einen großen Theil<br />
<strong>der</strong> Kirche nie<strong>der</strong>legte. ^) Wir können indeß soviel mit Bestimmtheit<br />
sagen, daß das Kloster aus vier Flügeln bestand,<br />
<strong>der</strong>en nördlichen die Kirche bildete. Von den Zu Wohnungen<br />
dienenden — wohl dein westlichen und südlichen — Flügeln<br />
scheint es, daß diese, wie gewisse Spuren im innern Mauerwerke<br />
<strong>der</strong> Kirche vermuthen lassen, und ebenso <strong>der</strong> Ostflügel, von dem<br />
aus die Nonnen den Zutritt zum Chor hatten, ein Stockwerk<br />
hoch aufgeführt gewesen sein mögen. Ob auf <strong>der</strong> inwendigen<br />
Seite längs vor allen Gebäulichkeiteu ein Kreuzgang hinlief,<br />
sie mit dem Schwerte hingerichtet werden solle nnd im §. 7, daß das<br />
Kloster vollständig verschlossen gehalten und ein Sprechzimmer mit<br />
Gitter, ganz wie in den alten katholischen Klöstern, eingerichtet werden<br />
solle. Grümbke, Seite 147 ff.<br />
n) Ueber diesen Brand sagt <strong>der</strong> Stralsundische Chronist Beckmann -<br />
Anno 1445 vorbrandte dat Kloster tho Bergen, vnd alle ehre <strong>der</strong><br />
kercken clenodia. (Karl von Nosen: Beiträge znr Rügisch-Pommerschen<br />
Kunstgeschichte. Hest 1., Seite 24.) Johann Beckmanns Stralsnndische<br />
Chronik nnd die noch vorhandenen Auszüge aus alten verloren gegangenen<br />
Stralsundischen Chroniken :c. aus den Handschriften herausgegeben<br />
von Dr. G. Ch. F. Mohnike und Dr. C. H. Zober. Stralsnnd<br />
1833, Seite 185.
94 I. L. Löffler,<br />
möchte zweifelhaft sein; die einzige Stelle, wo wir noch Ueberbleibsel<br />
eines solchen snchen könnten, ist die Südseite <strong>der</strong> Kirche.<br />
Derselbe scheint dort aber gegen den Klosterhof ganz offen gestanden<br />
zu haben, da die Mauern des Seitenschiffs ursprüngliche<br />
Bögen andeuten, welche wohl dazu bestimmt waren, die<br />
Gewölbe eines Kreuzgangs zu überdecken.^)<br />
Gleich nach dem Brande begann <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau neuer<br />
Klostergebäude; man meint, daß solche schon 1447 wie<strong>der</strong> fertig<br />
waren, und obschon die Zeit nicht eben sichtliche Spuren davon<br />
zurückgelassen hat, so können wir doch aus einer alten Zeichnung<br />
des Grundrisses,^) welche sich noch im Klosterarchive vorfinden<br />
soll, einigermaßen auf die Anordnung schließen.<br />
Soviel die nach Di'. Grümbkes kurzer Beschreibung dieses<br />
Grundrisses von mir vorgenommenen Ermittelungen statthaben<br />
konnten, ist man <strong>der</strong>zeit kaum son<strong>der</strong>lich von <strong>der</strong> Art und<br />
Weise abgewichen, in welcher Iaromars Stift angelegt war;<br />
ja es ist darnach höchst wahrscheinlich, daß man möglichst die<br />
vorhandenen Mauertheile und die einzelnen Formstücke, welche<br />
einigermaßen <strong>der</strong> Gewalt des Feuers wi<strong>der</strong>standen hatten,<br />
beibehielt.<br />
Die Gebäude, welche wie<strong>der</strong> im Vierecke aufgeführt wurden,<br />
erstreckten sich im Süden <strong>der</strong> Kirche und hatten einen<br />
überdeckten Säulengang nach <strong>der</strong> inneren Seite des Hofes zu.<br />
Ebenso blieb die schon früher bestandene Hauptverbindung mit<br />
<strong>der</strong> Kirche durch den Ostflügel, dieselbe muß aber durch den<br />
Nmbau bedeutend erhöht sein, wie <strong>der</strong> südliche Kreuzarm, an<br />
welchen sie sich anschloß, deutlich genng erkennen läßt.<br />
Dicht neben diesem Theile des Klosters lag ein kleiner Quer bau,<br />
'6) Zu dem Situationsp.au <strong>der</strong> Kirche zu Soroe Mau XXXIII),<br />
welcher <strong>der</strong> Beschreibung dieses iu den „Dänischen Denkmälern" aufgenommenen<br />
Bauwerks vom Professor Hoyeu beigegeben ist, bemerkt<br />
dieser letztere, daß die Südseite jener Kirche einen Kreuzgang, aber ohne<br />
Oefsnuugen gehabt hat.<br />
") Lei<strong>der</strong> bot sich mir nicht die Gelegenheit, während meines<br />
Ausenthalts in Bergen mich mit dieser Zeichnung bekannt zu machen,<br />
so daß ich mich an Grümbkes Mittheilungen darüber habe halten müssen.
Die Klosterkirche zu Bergen. 95<br />
welcher ein Paar beschränkte Zimmer o<strong>der</strong> Zellen, vielleicht<br />
auch die Küche o<strong>der</strong> das Gemach enthielt, welches zum Aufenthalt<br />
<strong>der</strong> Priorin bestimmt war. Die ganze Klosteranlage<br />
nmgab eine Ringmauer, und befand sich darin außer <strong>der</strong> eigentlichen,<br />
an <strong>der</strong> Südseite belegenen Klosterpforte noch ein Eingang,<br />
nach dem zu eiu kleines Fenster angebracht war, von<br />
welchem aus man Ankömmlinge, welche Einlaß begehrten,<br />
beobachten und erkennen konnte. Nach Westen zu befanden sich<br />
die sämmtlichen Oekonomiegebäude; hier standen die Ställe<br />
und Wirthschaftsgelasse, Brauerei und Bäckerei, kurz alle diejenigen<br />
Nebengebäude, welche für eine große Klosteranlage erfor<strong>der</strong>lich<br />
waren. Auch die Stätte, wo die irdischen Ueberreste<br />
<strong>der</strong> Schwestern beigesetzt wurden, findet sich auf <strong>der</strong> Zeichnung<br />
angegeben; ein viereckiger, von einem Säulengange^) umgebener<br />
Platz, dessen Oberfläche mit rhamboidisch geformten Fliesen<br />
belegt war.<br />
Wie schwach dieses Bild auch entworfen und ausgeführt<br />
ist, so haben wir doch den Eindruck davon, daß das Kloster<br />
sich recht ansehnlich ausgenommen haben muß, so lange es so<br />
bis ins fünfzehnte Jahrhun<strong>der</strong>t dastand. Ob aber dieser Eindruck<br />
so ganz richtig ist, darf wohl bezweifelt werden; denn<br />
schon nach Verlauf von hun<strong>der</strong>t Jahren erfor<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Bau<br />
eiue bedeutende Ausbesserung und es erwies sich bald, daß er<br />
so schlecht ausgeführt war, daß eine eigentliche Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
unmöglich erschien. Im Lanfe des fiebenzehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
verfiel <strong>der</strong>selbe mehr und mehr und war am Schlüsse desselben<br />
so schadhaft, daß die Klosterdamen aus demselben in kleine<br />
Häuser flüchteten, welche sie aus eigenen Mitteln auf dem Hofe<br />
des Klosters aufführen ließen. Daß diese Bauten, nachdem<br />
sie kaum drittehalbhun<strong>der</strong>t Jahre ge"-anden hatten, in Trümmer<br />
sinken konnten, läßt sich kaum an<strong>der</strong>s erklären, als daß man<br />
die verbrannten Mauerreste des alten Flügels wie<strong>der</strong> benutzt<br />
hatte, um für die Klosterschwcstern un: so schneller wie<strong>der</strong><br />
Wohngelasse zu schaffen und spricht dafür wohl auch, daß die<br />
Von Säulen soll die Zeichnung nnr dreißig aufweisen.
96 I. L. Löffler,<br />
Säulen, welche den Umgang des Klosters stützten und den<br />
Kirchhof umkränzten und die nrsprünglich für Iaromars Klosteranlage<br />
zugerichtet waren, bei Herstellung des erneuerten Banwerks<br />
wie<strong>der</strong> Verwendung gefunden hatten.<br />
Das neu errichtete dritte Klostergebäude, welches in: Laufe<br />
<strong>der</strong> Jahre 1732 bis 1736 angefangen und vollendet wurde,<br />
besteht aus zwei Flügeln und erstreckt sich bedeutend weiter<br />
nach Süden als das ursprüngliche.<br />
III. Die Klosterkirche.<br />
Obwohl 1445 <strong>der</strong> Brand in <strong>der</strong> Klosterkirche ansbrach<br />
und dort wüthete, sowie in späterer, ja selbst neuerer Zeit die<br />
Baumeister <strong>der</strong>selben rücksichtslos das mißhandelten, was das<br />
Feuer verschont hat, so ist dort doch noch bis auf unsere Tage<br />
so viel vom alten Mauerwerk o<strong>der</strong> dessen Resten erhalten geblieben,<br />
daß wir uns auf Grund sorgfältiger Untersnchung ein<br />
ziemlich vollständiges Bild von Iaromars Ball machen können.<br />
Schon oben bemerkten wir mit Bezug auf das Material, daß<br />
<strong>der</strong> von unseren romanischen und frühgothischen Ziegelsteinbauten<br />
her bekannte gefalzte Stein sich überall bei den ältesten<br />
Parthieen <strong>der</strong> Kirche angewandt findet, nnd kann nun noch<br />
hinzugefügt werden, daß die gebrauchten Ziegeln genau folgende<br />
Dimensionen haben (11" — 4^/4 zu 4^2" und 3 zu<br />
31/4"), und daß die Fugen im Schnitt wie in <strong>der</strong> Dicke gerade<br />
wie bei uns sind.<br />
Die Kirche war in <strong>der</strong> Form eines lateinischen Kreuzes,<br />
als eine dreischiffige Basilika aufgeführt, <strong>der</strong>en Hauptschiff sich<br />
über die Seiteuschiffe erhob, mit weit vorspringenden Krenzflügeln<br />
und eiuem hohen Chor. An dieses schloß sich eine<br />
halbrunde Apsis und ebensolche obwohl kleinere Apsiden befanden<br />
sich gleichfalls an den östlichen Wänden <strong>der</strong> Chorflügel.<br />
Gegen Westen wurde das Langschiff von einem zwei Stockwerke<br />
hohen Querbau begrenzt, dessen Giebel etwas Weniges<br />
hinter die änßeren Mauerlinien <strong>der</strong> Seitenschiffe zurücksprang<br />
uud über dessen Mitte sich <strong>der</strong> viereckige Thurm erhob, welcher<br />
vermuthlich mit einer niedrigen, pyramidenförmigen Spitze ab-
Die Klosterkirche zu Bergen. 9?<br />
schloß. (S. u. den Grundriß, Tafel I.) Vom Kloster war <strong>der</strong><br />
Eingang zur Kirche durch eine, im südlichen ChorMgel angebrachte<br />
Pforte, welche ausschließlich von den Nonnen benutzt ward,<br />
während die Kirchenbesuchcr sonst im Allgemeinen auf den durch<br />
das Quergebäude an <strong>der</strong> Westseite führenden Haupteingang<br />
angewiesen waren. Dieser führte in eine überwölbte Vorhalle,<br />
welche das Erdgeschoß des Bauwerks einnahm und mit dem<br />
Langhause durch einen einzelnen Gewölbebogen in Verbindung<br />
stand, welcher in dem vorspringenden Unterbau des Thurmes<br />
angelegt war. Während dieser sich weit gegen die Vorhalle<br />
und das Hauptschiff öffnete, gegen welches er ein ansehnliches<br />
Portal bildete, umschlossen seine Seitenmauern schmale gemauerte<br />
Treppen, welche auf den Umgang o<strong>der</strong> die Gallerie<br />
geführt haben mögen, von welcher dann wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Eingang<br />
zum oberen Stock des Qucrbaues führte.<br />
Durch das Portal trat man in das Hauptschiff, welches<br />
ungefähr doppelt fo hoch und breit wie die beiden Seitenschiffe<br />
war und mit diesem nach beiden Seiten hin durch Bogengänge<br />
in Verbindung stand, welche durch gemauerte Pfeiler hergestellt<br />
waren. Das Langhaus schloß im Osten mit dem geräumigen<br />
Querschiff ab, dessen mittelster Theil, <strong>der</strong> Kreuzschnitt, von vier<br />
kräftigen Pfeilern begrenzt wurde, die durch halbrunde Gurtbögen<br />
mit dem hohen Chore verbunden waren. Da das<br />
Querschiff ausschließlich von den Klosterschwestern, welche ihre<br />
Gottesdienste im Kreuzschnitte abhielten, betreten werden durfte,<br />
so muß man annehmen, daß <strong>der</strong>selbe vom Hauptschiffe durch<br />
eine Schranke aus Holz o<strong>der</strong> Stein getrennt war. Gegen die<br />
Kreuzflügel fah man gewiß von den Reihen <strong>der</strong> Chorstühle,<br />
welche nach je<strong>der</strong> Seite hin eine kleine Thüre hatten, sich gegen<br />
den hohen Chor aber weit öffneten, <strong>der</strong> als <strong>der</strong> bedeutungsvollste<br />
Theil <strong>der</strong> Kirche, in welchem <strong>der</strong> Hauptaltar seinen<br />
Platz hatte, einige Stufen über dem sonstigen Fußboden <strong>der</strong><br />
Kirche erhöht war. Das in <strong>der</strong> Kirche herrschende Licht mag<br />
wohl ziemlich gedämpft gewesen sein, nicht weil die Zahl <strong>der</strong><br />
Fenster nur gering war, indem die Hochkirche und Seitenschiffe<br />
kaum zehn Lichtöffnungen auf je<strong>der</strong> Seite hatten, fon<strong>der</strong>n weil<br />
7
98 I. L. Lössler,<br />
<strong>der</strong>en Dimensionen nur wenig Licht einfallen ließen. Wie dieser<br />
Bau ursprünglich überdeckt war, läßt sich jetzt nicht mehr mit<br />
Bestimmtheit sagen; man kann aber wohl sicher vermuthen,<br />
daß das Haupt- wie das Querschiff und <strong>der</strong> hohe Chor flache<br />
Balkendecken gehabt haben mögen. Qb die Seitenschiffe überwölbt<br />
waren, scheint zweifelhaft, wogegen mit Sicherheit angenommen<br />
werden kann, daß alle drei Apsiden Gewölbe in<br />
Form einer Viertelkugel trugen. Die Dimensionen des Bauwerks<br />
waren recht ansehnlich und betrug die innere Gesammtlänge<br />
etwa 77, die Breite durch das Langhans 28 und durch<br />
das Querschiff 36 MniM Ellen. ^)<br />
Nachdem wir nun versncht haben, das Bild <strong>der</strong> Marienkirche,<br />
wie sie gegen Ende des zwölften Iahrhnn<strong>der</strong>ts dagestanden<br />
hatte, in seinen Hauptzügen wie<strong>der</strong>zugebeu, wollen wir den<br />
Bau betrachten, wie er zu unserer Zeit dasteht, jedoch mit<br />
beson<strong>der</strong>er Rücksichtnahme ans das, was er von solchen architektonischen<br />
Einzelformen bewahrt hat, welche seine nähere Verwandtschaft<br />
mit unseren gleichzeitigen Ziegelsteinkirchen beweisen<br />
können. Schon bei einem nur flüchtigen Blicke in das Innere<br />
des Baues wird es uns klar, ein wie schweres Geschick <strong>der</strong>selbe<br />
zn bestehen gehabt hat, und wir greifen wohl nicht fehl, wenn<br />
wir alle wesentlichen Verän<strong>der</strong>ungen ans die in je<strong>der</strong> Hinsicht<br />
so nnverantwortliche Restanration, welche nach dem Brande von<br />
1445 stattfand, zurückführen. (S. u. Tafel IV.) Das gefammte<br />
Langschiff wurde unter ein gemeinsames Dach gebracht, so daß<br />
<strong>der</strong> Eindruck, daß man einen dreischiffigen Bau vor sich habe,<br />
verschwand; die Dächer <strong>der</strong> Kreuzflügel wurden aus ihrer<br />
Verbindung mit dem Dache des Hauptschiffs abgelöst und <strong>der</strong><br />
Abschluß des hohen Chores vollständig umgebildet, indem man<br />
aus den etwa fünf Ellen hohen Resten <strong>der</strong> eingestürzten Hauptapsis<br />
einen fünfseitigen, mit schweren Mauerpfeilern verseheneu<br />
Chorbau aufführte, <strong>der</strong> annähernd dieselbe Höhe loie das Querschiff<br />
erreichte. Die Apsiden <strong>der</strong> beiden Kreuzstügel waren<br />
'9) Die dem entsprechenden Größenverhältnisse in den Kirchen zn<br />
Ringstedt nnd Soroe betragen in jener 108 — 33^2 " 50, in dieser<br />
(vor dem Brande von 1816) 100 - 31 - 61 Ellen.
Die Klosterkirche zu Bergen. 99<br />
gleichfalls Zerstört; die Maaße aber, und wie das Mauerwerk<br />
hier zu großen, flachbogigen Fenstern zusammengeflickt ist, lassen<br />
nns <strong>der</strong>en Breite und Höhe erkennen. Wenden wir uns nnn<br />
zum Langhause, so zeigen sich da die Zerstörungen des Brandes<br />
wo möglich noch stärker, und wenn man die Außenrnauer des<br />
südlichen Seitenschiffes, welche indeß bedeutend erhöht und<br />
mit plumpen Strebepfeilern verschen ist, ausnimmt, so findet<br />
man dort auch nicht die geringste Spur <strong>der</strong> alten Kirche mehr.<br />
Die ganze Nordseite bildet eine fast ununterbrochene Reihe von<br />
geschmacklosen Kapellen und von Räumen, die ursprünglich<br />
wohl zum Ablegen <strong>der</strong> Waffen <strong>der</strong> Kirchenbesucher bestimmt<br />
waren, an denen dem Schreiber dieses nichts aufgefallen ist,<br />
was auf eine frühere Zeit, als das fünfzehnte Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
hindeutet. Erst im Westen scheinen die Flammen an <strong>der</strong> dicken<br />
Mauer des Querbaues genügenden Wi<strong>der</strong>stand gefunden zu<br />
haben, denn diefe ist <strong>der</strong> Hauptsache nach gut erhalten, während<br />
<strong>der</strong> viereckige Thurm, welcher neu errichtet ist, mit seinen<br />
Spitzbögen, Fenstern und Vlendnischen genügenden Ausschluß<br />
über seinen spätern gothischen Ausbau giebt. Das Hauptgesims<br />
mit seiner offenen Ballustrade und <strong>der</strong> schlanken achteckigen<br />
Spitze gehören zweifellos <strong>der</strong> neuesten Zeit an.<br />
Trotz alle dem aber was die Kirche gelitten hat, enthält<br />
sie doch nicht wenige ursprüngliche Einzelformen und beson<strong>der</strong>s<br />
auch solche, welche für uns bedeutungsvoll sind. So finden<br />
wir bei <strong>der</strong> näheren Betrachtung <strong>der</strong> Hauptapsis eine deutliche<br />
Spur, daß sie in einer Höhe von etwa vierzehn Ellen mit<br />
einem Rundbogenfriese abgeschlossen war, von welchem schmale<br />
Stäbe bis an die obere Kante des Sockels liefen, und daß die<br />
Bögen in den zwischenliegendcn Mauertheilen mit schmalen,<br />
Kapitale tragenden, Halbsäulen verbunden waren; eine Gesimsform,<br />
welche wir jetzt noch am hohen Chore und in den Kreuzflügcln<br />
in Ringstedt angebracht sehen nnd die früher gleichfalls<br />
das Hauptschiff in Soroe zierte. Ebenso weist <strong>der</strong> hohe Chor<br />
Spnren von Rundbogenfriesen — jedoch ohne Säulenstäbe —<br />
nach, uud da sie sich organisch bis ins Querschiff fortsetzen, wo<br />
sie namentlich an <strong>der</strong> Südseite des südlichen Flügels vortrefflich
100 I. L. Löffler,<br />
erhalten sind, so dürfen wir mit Sicherheit annehmen, daß<br />
sich <strong>der</strong> Fries ursprünglich über die ganze Hochkirche hin<br />
erstreckt hat.<br />
Wenden wir uns nun zu den Kreuzarmen, so finden wir<br />
da die heimathliche ^damsche^ Eigenthümlichkeit wie<strong>der</strong>, als<br />
welche wir die Art und Weise hervorheben müssen, wie das<br />
Mauerwerk <strong>der</strong> Spitzgiebel hergestellt ist. Diese weisen nämlich<br />
Spitzgiebel des südlichen Kreuzarms.<br />
in <strong>der</strong> alleruntersten Hälfte dasselbe Zickzackmuster auf, welches<br />
wir vom Westgiebel <strong>der</strong> Kirche zu Soroe her kennen, welche<br />
Franz Kugler, <strong>der</strong>, soviel dem Erzähler dieses bekannt ist,<br />
Dänemark niemals bereist hat, nicht allein als für die Kirche<br />
Iaromars und die Domkirche zu Camin (aus dem Ende des<br />
zwölften o<strong>der</strong> dem Anfange des dreizehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts)<br />
eigenthümlich beschreibt, son<strong>der</strong>n auch eine kleine Zeichnung<br />
davon giebt. 2") Die oberste Parthie des Giebels war mit<br />
n) Franz Kugler: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte<br />
Seite 665.
Die Klosterkirche zu Bergen. 101<br />
WMN l! M!»R«««W»Ü<br />
Rundbogenfries am südlichen Kreuzarmgiebel.<br />
abwechselnd liegenden und stehenden Schichten gemauert. Lassen<br />
wir unseren Blick nun längs des südlichen Kreuzgiebels hingleiten,<br />
so sehen wir, obschon nur im Umrisse, die so kleinen<br />
Rundbogenfenster 2i), welche dem Querschiffe das meiste Licht<br />
brachten uud finden hier auch den Ausweis über die Art und<br />
Weise, wie das Mauerwerk am Bau hergestellt war, in<br />
eines halben Steins Dicke, worauf die Läuferschichte stach aufliegt.<br />
Dieselbe Construction wurde durchgehend auch bei uns<br />
in Dänemark angewendet. Nun müssen wir noch hinzufügen,<br />
daß <strong>der</strong> Sockel des Giebels, wie solcher oben mit einem rein<br />
attischen Profile abschließt, vorzüglich erhalten ist uud daß die<br />
Eingangsthüre zum Kloster, obschon sie zugemauert ist, doch<br />
ihre ursprüngliche Rundbogenform beibehalten hat. Der nördliche<br />
Kreuzgiebel hat augenscheinlich ganz gleiche kleine Fenster,<br />
2') Bei deu 1869 uuternommenen Arbeiten an dem südlichen Kreuzfliigel<br />
<strong>der</strong> Riugstedter Kirche zeigte es sich, daß die ursprüngliche<br />
Giebelfenster sehr schlecht gewesen waren; ja wenn wir das Mauerwerk<br />
in <strong>der</strong> näheren Umgebung dieser Fenster am nördlichen Flügel <strong>der</strong><br />
Kirche zu Soroe betrachten, so stellt sich als gewiß heraus, daß die<br />
Anfangs vorhanden gewesenen kaum eiu Drittel <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> jetzigen<br />
gehabt haben.
102 I. 3, Löftler,<br />
Südlicher Spitzgiebel des Querbaues.<br />
. !^ ^ WDMWWWWM<br />
Sockel unter dem südlichen Kreuzgiebel.<br />
wie <strong>der</strong> südliche gehabt. Diese siud aber in <strong>der</strong> neuesten Zeit<br />
beseitigt, um einem kolossalen Fenster Platz zu machen, dessen<br />
leichtes Stabwerk und gebrechliche Glasmalerei nur schlecht zum<br />
übrigen Charakter des Baues stimmen kann. Wie schon oben<br />
erwähnt, steht jetzt vom ganzen Langhause nur noch die Mauer<br />
des südlichen Seitenschiffs, welches von seinen ursprünglichen
Die Klosterkirche zu Bergen. 103<br />
Einzelheiten nichts als drei schmale Rundbogenfenster erhalten<br />
konnte, <strong>der</strong>en Verhältnisse im Lichten 1 zu 4 betragen; doch<br />
ist das Mauerwerk daran von beson<strong>der</strong>em Interesse dadurch,<br />
daß wir im Querbau gegen Westen — dem neusten Theile<br />
<strong>der</strong> Kirche — mehrere abweichende romanische Formen antreffen,<br />
aus denen wir namentlich den rundbogigen Haupteingang<br />
hervorheben wollen, dessen Einfassung abwechselnd aus<br />
rechtwinkligen und abgerundeten Profilen besteht, sowie eine<br />
Blendnische am Südgiebel, die mit einer Reihe kleiner einan<strong>der</strong><br />
schneiden<strong>der</strong> Halsbogen schließt. Treten wir in die Kirche<br />
selbst ein, so nehmen wir auch sofort wahr, daß <strong>der</strong> lange<br />
Zeitraum, welcher seit Iaromars Tagen verflossen ist, bedeutende<br />
Verän<strong>der</strong>ungen, ja selbst den vollständigen Umbau veranlaßt<br />
hat; zugleich aber empfangen wir den Eindruck, daß<br />
von einzelnen Parthieen abgesehen, <strong>der</strong> ursprüngliche Bau<br />
in wesentlichen Theilen erhalten ist. Ebenso ist dieses im<br />
Querschiffe <strong>der</strong> Fall, wo die kräftigen, mit fchlanken Halbfäulen<br />
gefchmückten Chorpfeiler uud <strong>der</strong>en halbrunde Gürtelbauten <strong>der</strong><br />
Macht des Feuers wi<strong>der</strong>standen haben, sowie gleichfalls bei den<br />
beiden rundbogigen Eingangsöffnungen, welche in die Apsiden<br />
<strong>der</strong> Kreuzflügel führen. Auch die Bogengänge von dem Durchgange<br />
nach dem Südfchiff stehen völlig unbeschädigt da. (S. u.<br />
Tafel II.) Schon die Plananlagc in diesem Theile des Bauwerks<br />
weift große Nebereinstimmung mit den entsprechenden Theilen in<br />
Ringstedt und namentlich <strong>der</strong> Kirche zu Soroe auf. Gehen<br />
wir zu den Einzelheiten über, so wird die Nebereinstimmung<br />
noch auffallen<strong>der</strong>; z. B. sind alle Halbsäulen mit denselben<br />
Formen <strong>der</strong> Kapitale abgeschlossen — Würfel mit abgeschrägten<br />
Ecken — wie solche nicht allein in Soroe und Ringstedt, son<strong>der</strong>n<br />
in den meisten unserer dänischen, romanischen und frühgothischen<br />
Ziegelsteinkirchen sich vorfinden, uud wie sie in dieser<br />
bestimmten Form vorherrschend bei uns ^in Dänemarks angewendet<br />
wurden.'^) Von den Details <strong>der</strong> Ehorpfeiler wollen<br />
22) Mau vergleiche z. B. die Kapitale in Soroe, Ringstedt,<br />
Bjernede, Aarhus, Gnmlöse (in Schonen), Bergen, Colbatz (Klosterkirche<br />
in Hinterpommern, von welcher Kngler vermuthet, daß dänischer Ein-
104 I. L. Löffler,<br />
wir dabei die Sockel erwähnen, welche das attische Profil mit<br />
Eckblättern haben, wie das starke Gelenkband, welches etwa in<br />
<strong>der</strong> Mitte die beiden östlichen Pfeiler nmfaßt und sich über<br />
die Kreuzflügel fortsetzt, wo es den Ausgangspunkt für den<br />
Halbbogen bildet, <strong>der</strong> bis in die betreffende Apsis führt.<br />
W<br />
UUUMWW<br />
Sockel des Pfeilers d ans Tafel I.<br />
Sockel des Hauptpfeilers im nördlichen Krenzflügel.<br />
fluß sich bei ihrer Erbauung geltend gemacht hat), fowie Roeskild, mij.<br />
denen von Ierichow, von denen wir eine Zeichnung iu <strong>der</strong> oben er.<br />
wähnten Schrift von v. Quast finden.
Die Klosterkirche zu Bergen. 105<br />
Fügen wir noch hinzu, daß die Profile um das zugemauerte<br />
Klosterthor genau dieselben sind, wie diejenigen, welche den<br />
Haupteingang umgeben; daß die westlichen Fenster des Kreuzflügels<br />
erhalten sind, und daß man die Spuren des Kragbandes<br />
noch deutlich wahrnimmt, von welchem die Wölbung<br />
<strong>der</strong> Hauptabsis ausging, so haben wir kaum irgend eine <strong>der</strong><br />
ursprünglichen, noch im Querschiffe o<strong>der</strong> hohen Chor vorkommenden<br />
Formen übergangen. Obschon somit <strong>der</strong> östliche<br />
Theil <strong>der</strong> Kirche im Wesentlichen das ächt romanische Gepräge<br />
beibehalten hat, so mußte <strong>der</strong> Brand doch nicht unwesentliche<br />
Verän<strong>der</strong>ungen mit sich bringen. So sehen wir die ernste<br />
stäche Balkendecke nicht mehr, <strong>der</strong>en früheres Vorhandensein<br />
die Grundform <strong>der</strong> Chorpfeiler mit Bestimmtheit vermuthen<br />
läßt, wogegen hohe und helle Kreuzgewölbe, <strong>der</strong>en Rippen<br />
stark in die Profile einschneiden, auf die späteste Gothik hinweisen.<br />
Schreiten wir vom Querschiff in das Langhaus, so gewinnen<br />
wir alsbald die Ueberzeugung, daß dasselbe völlig umgestaltet<br />
ist, und daß man sich hier beson<strong>der</strong>s bemüht hat, ihm<br />
den offenen luftigen Charakter zu geben, welcher die wesentliche -<br />
Aufgabe des gothischen Stils war. (S. u. Tafel III.) Das Hauptschiff,<br />
ebensowohl wie die Seitenschiffe werden von kleinen<br />
Kreuzgewölben 22) überdeckt, <strong>der</strong>en Gurtbögen zu schmächtigen<br />
Rippen zusammengeschwunden sind; die Bögen sind hoch und<br />
spitz gebaut und durch schlanke achteckige Pfeiler verbunden,<br />
welche nach oben mit feinen, schräg abgeschnittenen Gesimsbän<strong>der</strong>n<br />
abschließen. Ungeachtet des Strebens nach Leichtigkeit<br />
und Lebendigkeit empfangen wir doch einen trüben, ja fast<br />
düsteren Eindruck, denn die Hochkirche entbehrt vollständig des<br />
Lichts und von den Seitenschiffen ist, wie oben mitgetheilt, das<br />
nördliche fast ganz mit Kapellen und Räumen zu an<strong>der</strong>en<br />
Zwecken verbaut. Gewiß hat man in das südliche Seitenschiff<br />
große Fenster von <strong>der</strong>selben Form wie im Kreuz'flügel auf <strong>der</strong><br />
N) Die Höhe unter <strong>der</strong> Wölbung des Hauptschiffes beträgt 19<br />
Ellen 20 Zoll, unter <strong>der</strong> <strong>der</strong> Seitenschiffe 15 Ellen 8 Zoll.
10« I. L. Löffler,<br />
Ostseite eingesetzt. Dieselben nützten aber nicht viel, da sie<br />
nach nnd nach meist dnrch Emporen nnd Treppen verdeckt<br />
wnrden. Als <strong>der</strong> oberflächliche Umbau des Langhauses fertig<br />
war, erschien doch nicht jede Spur <strong>der</strong> ursprünglichen Form<br />
vernichtet, gewiß nicht aus Rücksichtnahme, son<strong>der</strong>n weil man<br />
die Ausführung so wenig kostspielig als möglich machen wollte.<br />
Was zuerst die Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist die<br />
Halbsäule mit dem schräg abgeschnittenen Kapital, welche den<br />
Kapital des nördlichen Chorpfeilers 3. auf Tafel I.<br />
nördlichen Chorpfeiler gegen Westen abschließt. Durch die-<br />
selbe erhalten wir einen bedeutsamen Wink über den Charakter<br />
<strong>der</strong> Bogenstellungen und haben wir demnächst zu beachten, daß<br />
<strong>der</strong> erste Pfeiler (I)) in <strong>der</strong> südlichen Arkadenecke, von Osten an<br />
gerechnet, das Bruchstück einer ganz gleichen Säule bewahrt<br />
hat; daß die geradeüberstehende gleiche in <strong>der</strong> Nordreihe (0)<br />
aus Resten einer alten mit romanischem Sockel aufgeführt ist;<br />
und daß <strong>der</strong> Unterbau des Thurms gleichfalls Ueberbleibsel<br />
einer Halbsäule sci) aufweist; so geht daraus hervor, nicht nur<br />
wie hoch die Arkaden aufgeführt, son<strong>der</strong>n auch wie die Pfeiler<br />
gestaltet waren und endlich, daß <strong>der</strong>en Anzahl <strong>der</strong> jetzt vor-<br />
handenen, fünf auf je<strong>der</strong> Seite, vollkommen entsprach. Werfen<br />
wir einen Blick auf das Langhaus iu <strong>der</strong> Kirche zu Riugstedt,
Die Klosterkirche zu Bergen. 107<br />
so finden wir dort nicht nur in <strong>der</strong>selben Art Halbsäulen in<br />
den Arkaden angewendet und ein gleiches Verhältniß (etwa<br />
1 x ii/2) in diesen, son<strong>der</strong>n die Gleichheit erstreckt sich auch<br />
auf solche Formen, welche, um Abwechslung hervorzubringen,<br />
vorkommen können. Ein <strong>der</strong>artiges Beispiel hierfür haben wir<br />
an dem Pfeiler d, dessen Westseite statt einer Halbsäule Zwei<br />
schlanke Dreiviertelsäulen mit einer scharf dazwischen hervorspringenden<br />
Manerecke aufweist, eine Form <strong>der</strong> Pfeiler, welche<br />
in Ringstedt bei den Nogenstellungen benutzt ist, die das südliche<br />
Seitenschiff mit dem südlichen Kreuzflügel verbinden.^)<br />
Endlich finden wir einen beson<strong>der</strong>en Anklang an die<br />
Wirksamkeit nnseres sudanischen^ Baumeisters in <strong>der</strong> Kirche<br />
Iaromars an den Pfeilern am Sockel, <strong>der</strong> verstümmelt wie er<br />
ist, doch ganz dieselbe Verzierung mit schmalen Säulenstäben<br />
aufweist, welche durchgehend bei den Sockelstücken in Soroe<br />
angewendet ist.<br />
Ans die Frage, ob die Seitenschiffe von Anfang an überwölbt<br />
waren o<strong>der</strong> nicht, erhalten nur hier keine bestimmte<br />
Antwort. Wir haben nämlich an <strong>der</strong> Südwand wohl Mauerpfeiler,<br />
welche auf Gewölbe hindeuten können, theils aber ist<br />
es sehr unsicher, ob dieselben von vorn herein vorhanden waren,<br />
theils weisen die Bogenpfeiler keinerlei Vorsprünge auf, so daß<br />
die Gurtbögen also ans Kragsteinen geruht haben müßten.<br />
Die Südseite des Thurmunterbaus enthält Andeutungen von<br />
zerstörten Gewölbekappen und <strong>der</strong> Theil <strong>der</strong> Mauer über den<br />
Arkaden bis in den südlichen Kreuzflügel, welcher darüber<br />
werthvolle Aufschlüsse müßte geben können, ist ler<strong>der</strong> ganz durch<br />
Emporen verdeckt.<br />
Wir kommen nun zu demjenigen Theile <strong>der</strong> Kirche, welcher<br />
durchgehend am Besten erhalten ist. E^ ist das die Vorhalle<br />
und <strong>der</strong>en Verbindung mit dem Hauptschiffe. Was da unsere<br />
Aufmerksamkeit zuuächst nnd zumeist ans sich zieht, ist, daß<br />
während <strong>der</strong> Rnndbo genbau ausschließlich znm Abschluß<br />
24) In <strong>der</strong> Colbatzer Kirche haben die Ki^ii;rippeii des Kreuzfliigcls<br />
dasselbe Profil. F. Kugler: Kleine Schriften Seite 671.
108 I. L. Löffler,<br />
<strong>der</strong> Thüren, Fenster und Gurtbögen in den ursprünglichen<br />
Theilen des Langhauses und Chors dient, wir hier hauptsächlich<br />
den Spitzbogenbau in Anwendung gebracht finden,<br />
nicht als eine spätere Form, son<strong>der</strong>n nur ein sicheres Abzeichen<br />
dafür, daß wir uns im jüngsten Theile des Baus befindeu,<br />
wo die Gothik schon ihren Einfluß geltend gemacht hat. Schon<br />
das Portal des Thurms, dessen Einfassung die bekannten rechtwinkligen<br />
und abgerundeten Profile darstellen, schließt mit<br />
einem Spitzbogen ab und treten wir in die Vorhalle, so treffen<br />
wir denselben bei allen Gewölbgurtbögen durch Halbsäulen mit<br />
den schräg abgeschnittenen Kapital verbunden. Doch gab<br />
man den Rundbogenbau noch nicht ganz auf, wie wir oben<br />
an dem <strong>der</strong>artigen Abschluß beim Haupteingange (i) nachgewiesen<br />
haben, und man darf als gewiß annehmen, daß er sich ebenso<br />
in den beiden schmalen Fenstern fand, die zu beiden Seiten<br />
desselben angebracht waren. ^) Wie die Halle im Ganzen angelegt<br />
war und wie sehr sie an die Seitenschiffe in Ringstedt<br />
und Soroe erinnerte, erfor<strong>der</strong>t kaum eines weiteren Nachweises,<br />
als ihn die Zeichnung ihres Innern ss. u. Tafel V.)<br />
ergiebt, und müssen wir nur noch darauf aufmerksam machen,<br />
daß die Gleichheit darin sich auch auf solche Einzelheiten erstreckt,<br />
wie die drei Rundstäbe, welche die Kreuzrippen des Gewölbes<br />
bilden. Ganz unberührt von den Zeitläuften blieb indessen<br />
auch dieser eigenthümliche Theil <strong>der</strong> Kirche nicht, denn<br />
das Thurmportal ward mit einer Mauer verschlossen, in <strong>der</strong><br />
eine recht bescheidene Thüre angebracht wurde, die Sockel<br />
<strong>der</strong> Halbsäulen wurden zerstört und zwei plumpe spitzbogige<br />
Oeffnungen behufs Verbindung mit den Seitenschiffen wurden<br />
ausgehauen. sA Ii)<br />
Der obere Stock des Querbaues, von dem ein ansehnliches<br />
Rundbogen-Portal (i) in den Westflügel des Klosters<br />
führte, scheint gleich von Anfang an mit einem dreifachen Kreuzgewölbe<br />
überdeckt gewesen zu sein. Diese Gewölbe sind<br />
25) Die jetzt vorhandenen zierlichen Fenster gehören <strong>der</strong>selben Zeit<br />
an und haben denselben unglücklichen Charakter wie das, welches im<br />
nördlichen Chorflügel eingesetzt ist.
Die Klosterkirche zu Bergen. 109<br />
Grundriß des obersten Stockwerks des Querbaues.<br />
indeß sämmtlich, wohl durch den Einsturz des Thurmes beim<br />
Brande, zerstört, später wird das südliche wie das mittlere er-<br />
neuert sein. Darunter, also entsprechend <strong>der</strong> Verbindung<br />
zwischen <strong>der</strong> Halle und dem Langhause, finden wir nun den<br />
Raum, welcher sich mit großem, schwach zugespitzten Bogen<br />
sowohl gegen den Querbau wie gegen das Hauptschiff öffnet.<br />
Auch hier sehen wir Halbsäulen mit dem oben beschriebenen<br />
Kapital (k) ; was aber ganz beson<strong>der</strong>e Beachtung verdient, ist,<br />
daß die Decke aus einem aus <strong>der</strong> ersten Zeit herrührenden<br />
Tonnengewölbe mit schwachen Spuren von Farbenschmuck besteht.<br />
Schon <strong>der</strong> Umstand, daß man vom Kloster einen direkten<br />
Zugang zum oberen Stockwerke des Querbaus hatte, läßt ver-<br />
muthen, daß dasselbe zum täglichen Gottesdienste benutzt ward<br />
und findet diese Vermuthung äußerlich an einer Klosterrechnung<br />
von 1359 Anhalt, in <strong>der</strong> es heißt: „c^pSiiH 8itu^tH in<br />
turri 6ooi68ÌQ6 L6I-AÌ8 8U.I) 0AMP3.IN8", eine Bezeichnung,<br />
welche sich wohl auf keinen an<strong>der</strong>en Theil <strong>der</strong> Kirche beziehen<br />
kann, als auf diesen. In einer späteren Rechnung von 1486<br />
wird erwähnt: „vicario to 6.6N M3.r6 up dem torno<br />
Während die Kirche zu Ringstedt die Asche Waldemars<br />
bewahrt und Absalons Ruhestatt in Soroe durch einen kräftig<br />
ausgehauenen Denkstein bezeichnet ist, suchen wir die Stelle,<br />
Grümbke, Seite 24.
110 I. L. Löffler,<br />
wo Iaromar bestattet ist, vergebens. Daß sein Grab sich in<br />
<strong>der</strong> Klosterkirche zn Bergen befindet, ist sowohl all nnd für<br />
sich in hohem Grade wahrscheinlich, als es darüber auch nicht<br />
an Nachrichten — wenn anch ans späterer Zeit — mangelt,<br />
welche solches bestimmt aussprechen. So sagt Th. Kantzow<br />
ausdrücklich: „Hiernach im jar 1212 ist gestorben <strong>der</strong> Fürst<br />
von Rhügen, Iaromar, ein löblicher man, <strong>der</strong> sein land sehr<br />
oermeret hat vnd ist zu Bergen in das junkfravenkloster begraben<br />
worden" 27) und auch bei Hvitfeldt finden wir vermerkt:<br />
„in demselben Jahre, 1212 starb Fürst Iermer, begrabeu im<br />
Iungfrauenkloster zu Bergen"^). Sicher müsseu wir nns<br />
das Grab wohl im hohen Chor denken, dessen Fnßboden<br />
nnd ganzer uuterer Theil aber öfters erneuert worden ist,<br />
so daß es selbst zweifelhaft erscheint, ob <strong>der</strong> Lcichcnstein <strong>der</strong><br />
Aebtissin Elisabeth, welcher jetzt auf dem obersten Platze im<br />
hohen Chore lagert, wirklich auf ihrer Ruhestatt liegt ^).<br />
Wenn nun aus dem Angeführten klar hervorgehen mnß,<br />
daß die Marienkirche zu Bergen vollkommen an die Bauten<br />
erinnert, wie sie in unserem sudanischen^ Vaterlande Waldcmar<br />
<strong>der</strong> Große, Absalon und sein Geschlecht anfgeführt und daß<br />
namentlich die Klosterkirchen zu Soroe und Ringstedt als Vorbil<strong>der</strong><br />
dafür gedient' habeu, wie solches ja in <strong>der</strong> Hauptsache<br />
durch meine Ermitteluugen uachgewieseu ist, so kommt es nur,<br />
abgesehen vou diesem Interesse, wie unmittelbar es hierbei für<br />
uns erweckt sein mag, doch vor, als wenn es anch in an<strong>der</strong>er<br />
Hinsicht von Bedeutung ist, daß wir dieses Denkmal kennen<br />
gelernt haben. Stellen wir die Reihenfolge von Kirchen zufammen,<br />
die hier ^in Dänemarks zwischen 1160 uud 1180 in<br />
Ziegelsteinbau ausgeführt sind, so empfangen wir fofort den<br />
2?) Karl von Rosen, S. 23.<br />
^) Qnartausgabe II. S. 93.<br />
2") Der Stein, welcher mit dem Bilde <strong>der</strong> Todten geschmiittt<br />
war nnd in den Ecken die Sinnbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Evangelisten trng, hatte<br />
ringsum folgende Inschrift: ^uiw Oomiui orueiM meeoolxxiii t^i-in<br />
^ucliea odiit iu mouustoi'ic) pi-iilöipissn. «t ^uoissa<br />
n L61-AS. Oi'u.t.6 pro 6U.
Die Klosterkirche zu Bergen. 111<br />
Eindruck, daß sie, soweit ihre hervortretenden Hauytformen<br />
solchen gewähren können, sämmtlich in rein romanischem Stil<br />
mit halbrundem Bogen als Abschluß über Thüren, Fenstern<br />
und Arkaden aufgeführt sind und große Uebereinstimmung in<br />
allen Einzelheiten aufweisen. Hiermit soll indeß nicht gesagt<br />
sein, daß man eine bestimmte Skala von Profilen hatte, welche<br />
stets streng befolgt wurde; im Gegentheil, fast alle diese Denkmäler<br />
verrathen das Bestreben <strong>der</strong> Baumeister, eiues Theiles<br />
Abwechslungen anzubringen, an<strong>der</strong>en Theiles Versuche zu<br />
machen, immer aber nnr so weit, als <strong>der</strong> Formencharakter<br />
durchgehend die gesammte Geschmacksrichtung in <strong>der</strong> Kunst<br />
ausdrückt uud bedingt durch die eigenthümliche Beschaffenheit<br />
des Materials. Iaromars Kirche ward ganz in demselben<br />
Gefchmack begonnen: Chor und Langhaus wiesen durchgehend<br />
romanische Formen auf; im Westen aber, ini alten Thurmftortal<br />
sehen wir den Spitzbogenbau auftauchen und demnächst<br />
auch bei allen Gurtbdgen <strong>der</strong> Vorhalle angewendet.<br />
Hier haben wir also ein vorzügliches, ja vielleicht das<br />
erste deutlich hervortretende Beispiel vom Nebergangsstil jener<br />
eigenthümlichen Vereinigung romanischer uud gothischer Elemente,<br />
welche in St. Lucius Zu Roeskilde bei uns ^in Dänemarks<br />
ihre reichste Entwickelung erlangte ^). Wie dem Leser gewiß<br />
bekannt geworden ist, war <strong>der</strong> verstorbene Professor<br />
Hoyen <strong>der</strong> erste hier ^in Dänemarks welcher mit seiner vorzüglichen,<br />
in den „neuen kirchengeschichtlichen Sammlungen"<br />
publieirten Abhandlung (1860—1864) nachgewiesen hat, daß<br />
die Domkirche, wie sie jetzt dasteht, nicht <strong>der</strong>jenige Bau sein<br />
kaun, welchen <strong>der</strong> Bischof Svend Norbagge zu Ende des elften<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts aufgeführt hat, fon<strong>der</strong>n daß dieselbe als ein<br />
Denkmal aus dem Anfange o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ersten Hälfte des drei-<br />
n) Nach deu Aufschlüssen, wie sie Dr. pdii. Pastor G. Nördams<br />
iu den „Kopenhagens Kirchen und Klöster im Mittelalter" giebt, mag<br />
<strong>der</strong> Gruudsteiu zu dem ältesten Bau von Unserer Liebeu Franen Kirche im<br />
Jahre 1200 von Bischof Peter Euneseu gelegt sein und dürfen wir<br />
mit Sicherheit annehmen, daß diese Hauptkirchc vou Kopenhagen in<br />
gleichem Uebergangsstil wie die Domkirche zn Noeskilde aufgeführt war.
112 I. L. Loffler,<br />
zehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts angesehen werden mnß, wo sich in den<br />
alten Landen ein Einfluß aus dem nordöstlichen Frankreich,<br />
<strong>der</strong> Picardie, Isle de France und Champagne geltend gemacht<br />
hat. Derselben Auffassung von dem Alter und Stil <strong>der</strong> Domkirche<br />
traten später Männer, wie I. I. A. Worsaae, I. Helms,<br />
I. K ornerup, I. L. Using und Julius Lange bei, so daß wir<br />
St. Lucius, wo uns <strong>der</strong> Spitzbogenbau schon im hohen Chor<br />
entgegentritt, mit Sicherheit als die jüngste <strong>der</strong> bei uns ^in<br />
Dänemarks im Ziegelsteinbau aufgeführten alten romanischen<br />
Kirchen ansehen müssen^). Wie verschieden die Domkirche zu<br />
Roeskilde von Iaromars Kirche mit Rücksicht auf das Princip<br />
uud auf das ganze architektonische Skelet auch ist, so will mir<br />
doch scheinen, als wenn in gewisser Weise eine Verbindung<br />
zwischen <strong>der</strong>selben und den Klosterkirchen zu Soroe und Ringstedt<br />
besteht, ja ich möchte fast glauben, es wahrscheinlich<br />
machen zu können, daß dieselben Handwerker, welche die Mauern<br />
<strong>der</strong> Marienkirche zu Bergen aufführten, auch am hohen Chore<br />
in St. Lucius gearbeitet haben. Stellen wir diejenigen Einzelheiten<br />
zusammen, welche am Aeußereu dieser beiden Bauwerke<br />
vorkommen, so finden wir bei beiden nicht nur die<br />
Kreuzgiebel mit jenem eigenthümlichen Zickzackmuster gemauert,<br />
son<strong>der</strong>n auch, daß ganz dasselbe rechtwinklige und abgerundete<br />
Glie<strong>der</strong>werk die Fenster in <strong>der</strong> Chorgallerie <strong>der</strong> Domkirche einfaßt,<br />
welches wir in St. Marien antrafen, ebenso das gleiche<br />
Verhältniß wie Profil in den Friesen <strong>der</strong> Rundbogen und<br />
auch, wenn wir zum Innern übergehen, so begegnen wir dort<br />
2!) Von ausgezeichneten ausländischen Sachverständigen haben C.<br />
Schnaase (1854), Fr. Kugler (1853), I. Fergnsson (1865) nnd F. von<br />
Quast, welcher im Sommer 1868 unsere Domkirche besichtigte, dieselbe<br />
Ansicht über das Alter von St. Lucius ausgesprochen, ohne jedoch die'<br />
jenige Gruppe von Denkmälern bezeichnet zu haben, welche zunächst<br />
als Vorbild sür diese Bauten dienten. Dies war ausschließlich<br />
Hoyens Verdienst. Wie bekannt, hielt ein ganz genauer Kenner <strong>der</strong><br />
Domkirche, <strong>der</strong> hochgeachtete uud um <strong>der</strong>en Restauration so verdiente<br />
Vorsteher <strong>der</strong>selben, Iustizrath Tteen Fries, die frühere Anschauung<br />
aufrecht, daß wir in <strong>der</strong> Hauptsache Svend Norbagges Bau noch jetzt<br />
vor uns hätten.
Die Klosterkirche zu Bergen. 113<br />
gleichfalls großer Uebereinstimmung. Das Kapital mit den<br />
abgeschrägten Ecken hat bei<strong>der</strong>orts denselben Charakter, die<br />
Sockel mit den Eckblättern finden wir im Osttheile <strong>der</strong> Domkirche<br />
häufig, ja selbst das Gelenkband, welches die Pfeiler im<br />
hohen Chor <strong>der</strong> Berger Kirche umschließt, finden wir in St.<br />
Lucius wie<strong>der</strong>. Was indessen meiner Vermuthung einen vielleicht<br />
noch stärkeren Anhalt giebt, ist nicht irgend eine beiden<br />
Bauten gemeinschaftliche Einzelheit in <strong>der</strong> Form, son<strong>der</strong>n ein<br />
gemeinschaftlicher Zug,' die Anwendung des gefalzten Steins.<br />
Betrachten wir das Mauerwerk, welches das dreitheilige Fenster<br />
umgiebt, durch das jetzt <strong>der</strong> Aufgang zur Chorgallerie <strong>der</strong><br />
Domkirche führt, genau — es ist dies nämlich die einzige<br />
Stelle, wo die Fenstereinfassung nach <strong>der</strong> Kirche zu ohne Kalkputz<br />
dasteht 22) —, so sehen wir, daß nur <strong>der</strong> äußerste Bin<strong>der</strong><br />
und Läufer im Wechsel des schrägen Lichteinfalles mit gefalzten<br />
Steinen gemauert ist; alles An<strong>der</strong>e ist von glattgestrichenen<br />
Steinen. Wenn wir nun in <strong>der</strong> Kirche Iaromars in dem<br />
kleinen Rundbogenfenster, welches von <strong>der</strong> Nordseite in das<br />
oberste Stockwerk des Querbaues Licht bringt — dem einzigen<br />
Fenster, welches dort ohne Kalkputz ist — dieselbe eigenthümliche<br />
Anwendung desselben so eigenthümlich behandelten Materials<br />
antreffen, hat da nicht die Frage über das Alter <strong>der</strong> Roeskil<strong>der</strong><br />
Domkirche hiermit durch eben diesen Bau eine ganz vollständige<br />
Beantwortung gefunden und kommen wir so, durch<br />
<strong>der</strong>en Betrachtung in Verbindung mit <strong>der</strong> Uebereinstimmung<br />
in den obenerwähnten Einzelformen, nicht zu demselben Ergebniß,<br />
welches Professor I. Kornerup in seinem Text zur<br />
Beschreibung <strong>der</strong> genannten Domkirche in den „dänischen Denkmälern"<br />
gefunden hat, dem nämlich, daß St. Lucius etwa<br />
um das Jahr 1200 begonnen und fomit dem Schlüsse des<br />
zwölften Jahrhun<strong>der</strong>ts — nach 1193 — näher liegt, als dem<br />
Anfange des dreizehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts?<br />
N) Diesen Theil hat <strong>der</strong> Iustizrath Steen Fries ganz ohne Putz<br />
stehen lassen, damit man sich dort mit dem ursprünglichen Charakter<br />
des Mauerwerks bekannt machen könne.<br />
8
114<br />
Die Redaction <strong>der</strong> Balt. Stud. will es nicht unterlassen,<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft für nordische <strong>Alterthumskunde</strong> und Geschichte<br />
in Kopenhagen ihren Dank auszusprechen für die große Bereitwilligkeit,<br />
mit <strong>der</strong> dieselbe die Originalclichös zu <strong>der</strong> obigen<br />
Abhandlung uns zur Benutzung geliehen hat, und ohne welche<br />
diese Uebersetzung viel von ihrem Werthe verloren hätte. Dieselben<br />
sind von I. Magnus Petersen hergestellt, <strong>der</strong> auch die<br />
Kupferplatten radirt hat.
Grundriß,
«WWW<br />
.'
Längsschnitt zwischen einem Theil des Hauptschiffes, Kreuz und hohem Chor.
«NU
for 8terei<br />
^ 2 / '
^
Einundvierzigster Jahresbericht<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche Geschichte<br />
und <strong>Alterthumskunde</strong>.<br />
i.<br />
1. April bis 1. Ottober 1878.<br />
Die Gesellschaft h-at in den beiden verflossenen Quartalen<br />
ihrem Mitglie<strong>der</strong>bestande manche Einbuße erlitten, indem<br />
durch den Tod die Herren Pastor Karow in Roggow,<br />
aatsanwal^ Teuscher in Neustettin und Rentier Heng<br />
in Treptow a. R. verlor. Von diesen hat Herr<br />
row <strong>der</strong> Gesellschaft beinahe 50 Jahre lang angehört<br />
) noch in letzter Zeit durch seine Geschichte von Stral<br />
im Mittelalter sein stets lebhaftes Interesse an ihren<br />
fgaben bethätigt. Außerdem sind ausgeschieden: die Herren<br />
ttergutsbesitzer Gamp in Hohenfelde, Fabrikbesitzer<br />
antey in Stargard, Gutspächter Mahlow in Wittck,<br />
Oberlehrer Marburg in Stettin, Lehrer Roiberg<br />
in Nnclam, Rittergutsbesitzer Runge in Damew.<br />
Lebhaft bedauern wir ferner den Tod eines correondirenden<br />
Mitgliedes, des Herrn Lehrer Vogt in<br />
»nigsberg i. N., <strong>der</strong> zwar erst vor kurzem dazu ernannt<br />
r, aber selbst in dieser kurzen Zeit uns manchen wetlichen<br />
Dienst geleistet hat; ein Verlust, <strong>der</strong> auch weitere<br />
eise berührt, ist herbeigeführt durch den Tod unseres Ehren-<br />
9
Einundmerzigfter Jahresbericht<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft für Ponnnersche Geschichte<br />
und <strong>Alterthumskunde</strong>.<br />
i. n<br />
1. April bis 1. October 1878.<br />
Die Gesellschaft hat in den beiden verflossenen Quartalen<br />
in ihrem Mitglie<strong>der</strong>bestande manche Einbuße erlitten, indem<br />
sie durch den Tod die Herren Pastor Karow in Roggow,<br />
Staatsanwalt Teuscher in Neustettin und Rentier Hennig<br />
in Treptow a. R. verlor. Von diesen hat Herr<br />
Karow <strong>der</strong> Gesellschaft beinahe 50 Jahre lang angehört<br />
und noch in letzter Zeit durch seine Geschichte von Strani<br />
el im Mittelalter sein stets lebhaftes Interesse an ihren<br />
Aufgaben bethätigt. Außerdem sind ausgeschieden: die Herren<br />
Rittergutsbesitzer Gamp in Hohenfelde, Fabrikbesitzer<br />
Mantey in Stargard, Gutspächter Mahlow in Wittstock,<br />
Oberlehrer Marburg in Stettin, Lehrer Rosenberg<br />
in Anclam, Rittergutsbesitzer Runge in Damerò<br />
w. Lebhaft bedauern wir ferner den Tod eines correspon<br />
dir enden Mitgliedes, des Herrn Lehrer Vogt in<br />
Königsberg i. N., <strong>der</strong> zwar erst vor kurzem dazu ernannt<br />
war, aber selbst in dieser kurzen Zeit uns manchen wesentlichen<br />
Dienst geleistet hat; ein Verlust, <strong>der</strong> auch weitere<br />
Kreise berührt, ist herbeigeführt durch den Tod unseres Ehren-<br />
9
116 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />
Mitgliedes des H.'rrn Archivrath und Pastor Dr. Masch<br />
zu Demern in Mecklenburg.<br />
Beigetreten sind in <strong>der</strong>selben Zeit die Herren<br />
1. Gymnasiallehrer Baack in Neustettin.<br />
2. Major a. D. Baron von Eickstedt-Tanto w in<br />
Eickstedtswalde bei Groß-Iestin.<br />
3. Rittergutsbesitzer vonEnckevort in Albrechtsdorf bei<br />
Neu-Warp.<br />
4. Rittmeister im 2. Kür.-Regiment (Königin) von Enckevort<br />
in Pasewalk.<br />
5. Landesdirektor von Hey den in Stettin.<br />
6. Kreisphysikus Di'. Kierski in Belgard.<br />
7. Gymnasiallehrer Klewe in Belgard.<br />
6. „ Di-. Knorr in Belgard.<br />
9. „ Krüger in Belgard.<br />
10. Baumeister Lenz in Stettin.<br />
11. Rittmeister von Puttkamer auf Henkenhageu bei Daber.<br />
12. Gymnasiallehrer Schirmeister in Neustettin.<br />
13. Kreisgerichtssekretär Unrau in Greifenhagen.<br />
14. Superintendent We gener in Belgard.<br />
15. Gymnasiallehrer Dr. Wehrmann in Halle a. S.<br />
16. Gymnasialdirector Dr. Weicker in Stettin.<br />
17. Kaufmann A. H. Zan<strong>der</strong> in Stettin.<br />
Dem Verluste von 11 Mitglie<strong>der</strong>n steht also ein Zuwachs<br />
von 17 gegenüber, so daß <strong>der</strong> Bestand von 455 seit 1. April<br />
sich auf 461 erhöht hat.<br />
Von <strong>der</strong> literarischen Thätigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft legen die<br />
jetzt regelmäßig in Vierteljahresheften erscheineuen Baltischen<br />
Studien Zeugniß ab. Die Mumficenz Sr. Exc. des Herrn<br />
Ministers <strong>der</strong> geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten<br />
hat es uns möglich gemacht, am 1. October den<br />
28. Jahrgang durch die Zugabe eines fünften (Gratis-) Heftes<br />
abzuschließen. Aus dem reichen Inhalt dieses Jahrganges erwähnen<br />
wir u. a. :<br />
Die neuen Beiträge zur Geschichte <strong>der</strong> Kunst und ihrer<br />
Denkmäler in Pommern von I. Mu eller.
s—<br />
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 117<br />
Die Grabsteine im Dome von Camin von L. Kücken.<br />
Das evangelische Kirchenlied in Pommern von Dr. Franck.<br />
Die Kl. Reinckendorfer Taufbecken von E. Wetzel.<br />
Schloß und Stadt Stramel im Mittelalter von Karow.<br />
Die Völker um die Ostsee vor 800—1000 Jahren von Dr.<br />
G. Haag.<br />
Das Schöppenbnch von Nemitz von Dr. v. Vülow.<br />
Das Manual des Herzogs Barnim XIII. von Dr. Prümers.<br />
Eine Greifswal<strong>der</strong> HochZeitordnung von 1569 v. O. Krause.<br />
Die Vorarbeiten für den etwa 500 Urkunden, unter ihnen<br />
ungefähr 150 bis jetzt nicht veröffentlichte, umfassenden zweiten<br />
Band des Pommerschen Urkundenbuches sind durch den<br />
Archiv-Sekretär Di'. Prümers so weit geför<strong>der</strong>t, daß zur Veröffentlichung<br />
geschritten werden kann, sobald eine Vergleichuug <strong>der</strong><br />
in den städtischen Archiven Pommerns befindlichen Original-<br />
Urkunden mit früher genommenen Abschriften stattgefunden hat.<br />
Da eine solche Vergleichung jedoch wahrscheinlich an Ort und<br />
Stelle vorgenommen werden wird, muß sich auch die Herausgabe<br />
des Werkes mindestens bis zum Eintritte <strong>der</strong> wärmeren<br />
und für Reisen günstigeren Jahreszeit verzögern.<br />
Unsere geehrten Mitglie<strong>der</strong> machen wir noch darauf aufmerksam,<br />
daß Nartholds Geschichte von Rügen und<br />
Pommern jetzt für einen so herabgesetzten Preis bezogen<br />
werden kann, daß sie sich Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich über unsere heimische<br />
Geschichte näher unterrichten will, leicht beschaffen kann. Die<br />
Buchhandlung von C. B. Griesbach in Gera, sowie die von<br />
H. Dannenberg in Stettin erbieten sich, dieselbe fein gebunden<br />
für 15 Mark zu liefern.<br />
Alterthümer.<br />
Unter den feit Ende August uns zugegangenen Alterthümern<br />
nehmen diesmal die Münz fünde eine ganz hervorragende<br />
Stellung ein. Noch niemals dürften in unserer<br />
Provinz im Verlaufe weniger Monate so mannigfache und fo<br />
reiche Münzschätze Zu Tage gekommen sein.<br />
9*
118 Gimmdvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />
Der älteste ist <strong>der</strong> Fund <strong>der</strong> römischen Münze des<br />
Hadrian aus den Jahren 128—138 (Beil. Nr. 17); an ihn<br />
schließen sich <strong>der</strong> rein arabische reiche Fuud von Carnitz<br />
(nach 887), dann <strong>der</strong> arabis ch-oe eident alis che von Witzmih<br />
(^um 1000), <strong>der</strong> große mehr als 2200 Stück umfassende<br />
Fund von Seidel (um 1518), endlich drei Funde aus<br />
<strong>der</strong> Zeit des dreißigjährigen Krieges (1628—1633).<br />
Für die freundliche Hülfeleistung bei Bestimmung <strong>der</strong><br />
drei älteren Funde fühlen wir uns den Herren Direktor Di'.<br />
Friedlän<strong>der</strong> und Dr. Er man vom Königlichen Münzkabinet<br />
und dem Herrn Stadtgerichtsrath Dannenberg in<br />
Berlin zum aufrichtigsten Danke verpflichtet.<br />
I. Steinfund von Pasewalk.<br />
Der „Pase Walker Anzeiger" meldet uuter dem<br />
10. August: Ein archäologisch interessanter Fund ist hier von<br />
dem Rentier Bählkow durch desseu Arbeiter beim Torfgraben<br />
in , seiner in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Stadt belegenen Wiese gemacht<br />
worden. In einer Tiefe von etwa 1 — 1'/2 Meter holte man<br />
aus dem Torfmoor eine ganze Garnitnr von acht aus Feuerfteinen<br />
gearbeiteten Meißeln heraus, außerdem uoch zwei Feuersteine<br />
dabei, die, nach ihrer Form Zu schließen, edenfalls zur<br />
Ausertiguug ähnlicher Gerätschaften haben verwendet werden<br />
sollen. Die Meißel selbst sind aus hellcrem, dunklerem und<br />
ganz dunkelblauem Feuerstein gearbeitet uud bis auf eiuige,<br />
die wohl erst aus dem Rohen ausgearbeitet siud, mit sehr<br />
scharfer, glatter, theils breit und gebogener, theils schmalgera<strong>der</strong><br />
Schneide versehen. Die Länge ist verschieden und schwankt<br />
zwischen 16 und 10 Cm.; die Breite zwischen 6 uud 2 Cm.<br />
Die Form ist bei alleu acht Meißeln vierkantig uud zwar bei<br />
einigen so, daß zwei Seiten breit, die gegenüberliegenden schmal<br />
sind. Alle jedoch laufcu vou dem Schneide-Ende nach dem<br />
entgegengesetzten, dem Schlägelende, etwas zu.<br />
II. Ausgrabung auf dem Gräberfelde von Kreitzig.<br />
(Kreis Schiuelbein.)<br />
Mit Bezugnahme auf den im 40. Jahresbericht S. 454
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 119<br />
gegebenen Bericht über Steinkistengräber bei Kreitzig<br />
theile ich noch die Ergebnisse weiterer Ausgrabungen und <strong>der</strong><br />
dabei gemachten Funde mit.<br />
Das bereits erwähnte Gräberfeld umsaßt ein Gebiet von<br />
mehreren Morgen. Die ans demselben befindlichen Grabstätten<br />
— so weit sie aufgedeckt sind — liegen in drei Gruppen<br />
hintereinan<strong>der</strong> von S.-W. nach N.-O. Die größte dieser<br />
Gruppen ist die am meisten nach Norden gelegene und Zeichnet<br />
sich vor den an<strong>der</strong>en durch eiue ansehnliche Menge von Steinen<br />
aus, welche theils haufenweise um die Gräber herum<br />
liegen, theils in regellos zerstreuten Hansen in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong>selben<br />
vorhanden sind. (Vgl. Balt. Stud. XXIII, Virchow<br />
„über pommersche Gräberfel<strong>der</strong>".)<br />
Zu beachten ist hierbei, daß an den Urnen <strong>der</strong> ersten<br />
Gruppe, welche am meisten nach Süden liegt, keine Verzierungen<br />
bemerkt wurden, und daß dieselben auch keine Deckel<br />
trugeu. In <strong>der</strong> zweiten und dritten Gruppe waren die Urnen<br />
mit einem Deckel geschloffen und theilweise verziert. Giner<br />
dieser Teckel war sauber gearbeitet und mit einer glatten<br />
Ausrandung für den Urnenrand verfehen. Er ist theilweise<br />
erhalten.<br />
Sämmtliche Steinkisten haben die Richtung von S.-W.<br />
nach N.-O. und liegen alle, wie in <strong>der</strong> ersten Gruppe stach;<br />
die Wände <strong>der</strong>selben bestanden theils aus größeren Geröllsteinen,<br />
theils aus Steinplatten; einige waren mit einem Deckstein<br />
versehen, an<strong>der</strong>e nicht. In einem Grabe <strong>der</strong> zweiten<br />
Gruppe faud sich eiu halber Steintrog (68 Cm. lang, 40 Cm.<br />
breit) als Seitcnwandstein verwerthet. Die Urnen standen<br />
theils auf einer Steinplatte, theils auf kleinen Geröllsteiuen-<br />
In einem Grabe wurden nur Saud und Knochen ohne Urne<br />
und in einem an<strong>der</strong>n nur <strong>der</strong> Boden einer Urne gefunden.<br />
Es liegt hier die Vermuthung nahe, daß einige Gräber ihrer<br />
Urnen beraubt wordeu sind, um letztere zum zweitenmale zu<br />
benutzen. Der Inhalt war bei allen <strong>der</strong>selbe, aus Sand und<br />
Knochenresten bestehend. Von Stcingegenständen fand ich nur<br />
einen kleinen Hammer aus Sandstein, mit Schaftloch,
120 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />
10,5 Cm. lang, 3,4 Cm. breit; von Metallgegenständen fand<br />
ich nichts. In einem Grabe <strong>der</strong> dritten Gruppe fanden sich<br />
zwei Urnen, von denen die kleinere sich an eine große bauchige<br />
Urne anlehnte. Da sie sehr brüchig war, wurde die größere<br />
zerstört und erstere mit Gypsbinden umgeben, um sie ohne<br />
Bruch zu heben. Da ich sie an Ort und Stelle nicht einer<br />
genaueren Untersuchung unterwarf, fand ich erst zu Hause,<br />
daß ich eine zum Theil noch gut erhaltene Gesichtsurne<br />
acquirirt hatte. Dieselbe ist 20 Cm. hoch nnd 21 Cm. breit,<br />
ihr Hals hat eine Länge von 5,5 Cm., die Oeffnung eine<br />
Breite von 9,5 Cm.; ihrer Form nach gehört sie zu den gedrungen<br />
bauchigen Urnen. Ihre Wandungen sind dünn, von<br />
zerbröckelndem, glimmerhaltigem Thon geformt. Ans <strong>der</strong> am<br />
besten erhaltenen Seite <strong>der</strong> Urne finden sich am Rande die<br />
Andeutungen eines Gesichts. An dem untern Rande des Halses<br />
ist eine Tüpfelverzierung angebracht, von welcher fe<strong>der</strong>artige<br />
Streifen, mit kleinen Punkten vermischt, nach allen Seiten über<br />
die Urne laufen; <strong>der</strong> nur zum Theil erhaltene Deckel ist auch<br />
mit Fadenornamenten und Randlöchern versehen. Der Inhalt<br />
besteht aus den mit Sand gemischten Knochenresten eines kleinen<br />
Kindes, enthält aber, auch Knochentheile eines größeren.<br />
Außerdem gelang es mir noch, zwei größere gut erhaltene<br />
Urnen und eine kleinere, in größere Stücke zerbrochen, zu gewinnen.<br />
Da die Gräber, wie gesagt, sehr stach liegen, so ist<br />
ihr Inhalt den Einstüssen <strong>der</strong> fenchten Nie<strong>der</strong>schläge sehr ausgesetzt<br />
und es daher recht schwierig, das zerbrechliche Material<br />
zu conserviren. Die Verschiedenartigkeit in <strong>der</strong> Vestattungsweise<br />
und in <strong>der</strong> Urnenform läßt darauf fchließen, daß das in<br />
Rede stehende Gräberfeld wohl eine längere Zeit hindurch benutzt<br />
worden ist. Als älteste Grabstätte sehe ich die als erste<br />
Gruppe beschriebene an.<br />
Schivelbein. Dr. Klamann.<br />
III. Münzfunde.<br />
1. Arabische Münzen von Griebow.<br />
Aus dem Valt. Stud. XXVIII, S. 571 erwähnten Münz-
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 121<br />
fünde von Griebow hat Herr Gymnasialzeichenlehrer Meier<br />
in Colberg noch zwei Dirhem ausfindig gemacht, die Herr<br />
Dr. A. Er man am königl. Münzkabmet in Berlin zu bestimmen<br />
die Güte gehabt hat als die <strong>der</strong> Chalisen<br />
el Mehdi, Bagdad H. 159 (775).<br />
H. er Raschid, Bagdad H. 180 (796).<br />
2. Arabischer Münzfund von Carnitz.<br />
Ende Juli d. I. 1878 fanden Arbeiter in Carnitz be:<br />
Labes auf dem Felde unter einem großen Steine ein Gefäß<br />
mit Münzen. Herr von Bülow auf Carnitz überließ den<br />
Fund <strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche Geschichte, welche denselben<br />
mir zur Untersuchung übergeben.<br />
Es sind, die Fragmente mit eingerechnet:<br />
1) 16 Münzen <strong>der</strong> Omejjadischen Chalifen, die<br />
älteste vom Jahre 703,<br />
2) Mehr als 120 <strong>der</strong> Abbasidischen Chalifen, die<br />
späteste etwa von 864,<br />
3) 2 Münzen <strong>der</strong> Idrisidenfürsten in Nordafrika,<br />
die eine von 792,<br />
4) eine N ach ahm un g einer Samarqan<strong>der</strong> Tahiridenmünze<br />
von 867.<br />
Dazu kommt noch ein Bruchstück <strong>der</strong> Münze eines <strong>der</strong><br />
unabhängigen Fürsten von Taberistan.^)<br />
l) Beim Sprengen eines großen nur wenig über die Erdoberfläche<br />
hervorragenden Steines, <strong>der</strong> mehr als drei Schachtrnthen gespaltener<br />
Steine enthielt, wurde etwa drei Fuß unter <strong>der</strong> Sohle desselben ein<br />
irdenes Gefäß gefunden, das diese Münzen enthielt. Der Topf zerfiel<br />
bei <strong>der</strong> Berührung sofort in Staub, fo daß es we<strong>der</strong> den wie<strong>der</strong>holten<br />
Bemühungen des Herrn v. Bülow auf Carnitz, noch den<br />
Nachforschungen des Herrn Hallensleben in Regenwalde gelang<br />
auch nur eine Scherbe zu finden. Wir geben in Folgendem die Reihe<br />
sämmtlicher uns zugegangenen Stücke.'<br />
I. Ommeijaden. — 1. Wasit H. 84; 2. H. 9x; 3. H. 92; 4.<br />
Dar^bgird H.-xx ; 5. Damaskus H.xxx; 6. Wasit H.xxx ; 7. H. 104<br />
8—13 Fragmente.<br />
II. Abbasiden. - el Seffah: 14. Basra 134; 15. H. 135.— el
122 Einundvierzigster Jahresbericht. 1. II.<br />
Die Omejjaden stammen ans Damaskus, ans Wasit<br />
in Mesopotamien und aus Darabgird in Farsistan; die<br />
Abbasiden aus Bagdad, ans Basra, Knfa und Damaskus,<br />
ans Ispahan, ans Muh ammedijja, ans<br />
Zer eng in Segistan, ans Armenie n nnd Ar ran; einzelne<br />
anch ans Bnchara in Transoxanien nnd Herat im nordwestlichen<br />
Afghanistan, sowie aus Abbasijja und Mubareka<br />
in Nordafrika.<br />
Was den Fnnd von Carnitz vor <strong>der</strong> großen Menge <strong>der</strong><br />
übrigen auszeichnet und ihm seinen Werth verleiht, ist sein<br />
hohes Alter. Die jüngste Münze ist vom Jahre 867, also<br />
ist er gewiß noch im 9. Iahrhnn<strong>der</strong>t vergraben. Nur sehr<br />
wenige Funde aus so früher Zeit sind bekannt geworden. Es<br />
Mansür: 16. H. 145; 17—13. H. 146; 19. H. 147; 20. Bagdad H.<br />
155; 21—24. Bagdad 156; 25. .... n H. 168; 26. ? Arminia H.<br />
xxx; 27—29. Fragmente.— elMehdi: 30. Bagdad H. 161; 31-32.<br />
Mnhammedijja H. 160 nnd H. 162 (?) ; 33. Bagdad H. 164; 34.<br />
Mnhammeddijja H. 166; 35 — 39. Abbasijja H. 160 o<strong>der</strong> 170?; 40.<br />
H. 16^;41 —49. Fragmente. — el H^dii 50. Bagdad H. 169. —<br />
Harun; 51. Bagdad H. 170; 52. H. 172; 53. Abbasijja H. 173; 54.<br />
Mubareka H. 174 (?); 55^- 60. Bagdad gegen h. 180; 61. Bagdad<br />
H. 181; 62. Bagdad 182; 63. Arrim H. 183; 64. Zereng H. 184;<br />
65. Mnhammedijja H. 184; 66. H. 184; 67. Arr^n (?) H. 187; 68.<br />
Bagdad H. 187; 69. Bagdad H. 188; 70—71. Bagdad H. 191; 72<br />
bis 74. Bagdad h. 192; 75-76. Bagdad H. 193; 77. H. 193; 78<br />
bis 79. Fragmente. — el Qasim, Sohn des Harnn; 80. Fragment. —<br />
el Emtn; 81. Buchara H. 194; 82. Bagdad H. 195; .83. Zereng<br />
H. 195; 84. H. 198; 85. Mnhammedijja H.xxx. — el Mamün:86.<br />
Herat H. 195; 87. Bagdad H. 198; 88. (Samarqan)d H. 199: 89.<br />
Zereng H. 201; 90. Ispahan H. 202; 91. H. 19x; 92. Mnhammeddijja<br />
H.xxx ; 93. Samarqand H.xxx; 94—98. Fragmente; 99—<br />
129. Fragmente älterer abbasidischcr Münzen; 130—131. Bagdad H.<br />
2x4 Fragmente; 132. Veda H. 176 (Fragment). — Mntawakkil: 133.<br />
Kufa ß. 246; 134. H. 24x; 135. Bagdad H.xxx - 136. Damaskus<br />
H.xxx; 137. H.xxx — el Mnstain: 138-139. H.<br />
III. Tahiriden. Tahir II.: 140. Samarqand H. 253.<br />
IV. Idrisiden: 141.? Fragment;<br />
142. Fragment einer Münze eines Ispehlbed von Taberistan;<br />
143. Nachahmung einer Münze des Mehd5. (Anm. <strong>der</strong> Redaktion.)
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 123<br />
gehören dahin die 62 Münzen, die 1825 im Gouvernement<br />
Tula gefunden wurden, von denen die spätesten vom Jahre<br />
816 waren, sowie die 1300 Münzen, die Frähn im Jahre<br />
1822 zu Moskau von einem Juden aus dem Gouvernement<br />
Mohilew erstand und die ebenfalls nur bis zum Jahre 815<br />
herabreichten. Auch <strong>der</strong> Fund von W'äsby in Npland, <strong>der</strong><br />
aus etwa 130 Stück bestand, reichte nur bis 826. Kleinere<br />
Funde, die nur aus wenigen Münzen bestanden, kommen hier<br />
nicht in Betracht, da ihre Zusammensetzung lediglich auf einem<br />
Zufall beruhen kann. Alle diese Funde haben auch das Vorkommen<br />
<strong>der</strong> Münzen von Taberistan und das fast gänzliche<br />
Fehlen <strong>der</strong> transozeanischen mit dem von Carnitz gemein. Ob<br />
jene übrigens wirklich um volle 50 Jahre älter sind als <strong>der</strong><br />
unsere, möchte ich fast bezweifeln, denn bei <strong>der</strong> äußerst geringen<br />
Menge Geldes, die <strong>der</strong> Orient in dem Zeitraum von 816<br />
bis gegen 864 producirt hat, ist das Fehlen dieser Münzen<br />
in einem Funde leicht erklärlich, beson<strong>der</strong>s wenn das Geld aus<br />
einer etwas entfernter liegenden Provinz stammte.<br />
Von einzelnen interessanten Stücken, die hier zu Tage<br />
getreten sind, ist die älteste bekannte Münze von Wasit vom<br />
Jahre 704, sowie ein lei<strong>der</strong> sehr schlecht erhaltenes Vierteldirhemstück<br />
des El Qasim, dritten Sohnes des Harun er<br />
Raschid, zu erwähnen. Auch die Münze von Arminija vom<br />
Jahre 805 ist von Interesse, da sie abweichend von an<strong>der</strong>en<br />
veröffentlichten Exemplaren am Rande den Namen eines Beamten<br />
trägt.<br />
Dr. Adolf Erman.<br />
3. Der Münzfund von Witzmitz<br />
wurde von dem Eigenthümer, dem Herrn Landschaftsrath von<br />
<strong>der</strong> Osten, <strong>der</strong> General-Verwaltung <strong>der</strong> Königlichen Museeu<br />
zur Prüfung eingesandt. Nachdem dort alles für das Königliche<br />
Münzkabinet Werthvolle herausgenommen war, erlangten<br />
wir den Nest (großenteils Schmelzgut) käuflich. Herr Direktor<br />
Dr. Friedlän<strong>der</strong> hat den Fund in <strong>der</strong> Zeitschrift für Nu-
124 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />
mismatik 1878 VI, S. 242 publicirt. Wir entnehmen mit<br />
dessen Erlaubniß dem gelehrten Aufsatze das Folgende:<br />
Bei Witzmitz im Kreise Regenwalde des Regierungsbezirks<br />
Stettin ist im Juni ein Fund von silbernen Mittelalter-Münzen<br />
und Schmuckstücken gemacht worden. Nach Mittheilung<br />
des Herrn Predigers Havenstein daselbst, waren in <strong>der</strong> Nähe<br />
<strong>der</strong> Fundstelle, am Fuße einer niedrigen Hügelreihe, schon früher<br />
einige Münzen vereinzelt gefunden worden, aber unbeachtet geblieben,<br />
bis kürzlich drei zusammen ans Licht tretende Stücke<br />
einen in <strong>der</strong> Nähe wohnenden Mann nachzugraben veranlaßten,<br />
worauf er uur drei Zoll tief eine Urne von grauem Thon<br />
fand, bedeckt mit einem linnenen Tuche, von welchem ein vom<br />
Silberoxyd grün gefärbtes Stück sich erhalten hat.<br />
Dieser Fund, IV2 Kilogramm an Gewicht, besteht aus<br />
silbernen Schmuckstücken, sowie occidentalischen und orientalischen<br />
Münzen; er ist, um dies gleich vorwegzusagen, in den Jahren<br />
991—1002 vergraben. Die Schmuckstücke sind sämmtlich zerhauen,<br />
um dem Gewichte nach zu gelten, sie sind meist geschmiedet<br />
; von den feinen arabischen Filigran-Arbeiten sind in<br />
diesem Funde weniger als in den an<strong>der</strong>en. Uebergroß ist die<br />
Zahl <strong>der</strong> kleinen Fragmente von Münzen.<br />
Numismatisch Neues lehrt <strong>der</strong> Fund nicht viel, doch ist<br />
je<strong>der</strong> wichtig, wenn er auch nur chronologische Bestätigungen<br />
giebt. Demnach wird hier eine Aufzählung <strong>der</strong> Münzen gegegeben.<br />
Beschreibungen sind jedoch nicht nöthig, da sie in<br />
Dannenbergs vortrefflichem Werke vollständig gegeben sind, es<br />
genügt also die Nummern dieses Werks anzugeben.<br />
I. Sachsen. Die große Masse <strong>der</strong> Münzen, welche dem<br />
Funde seinen Charakter giebt, sind sogenannte Wendenpfennige<br />
und Münzen von Otto und Adelheid.<br />
Die Wendenpfennige find von den ältesten, größten Arten,<br />
etwa 40 Münzen und Fragmente wie Nr. 1325, fünf <strong>der</strong> dazu<br />
gehörigen seltenen Halbstücke, eine Münze mit 01)1)0 quer im<br />
Tempel, wie Nr. 1328; ferner 90 Münzen und Fragmente<br />
wie Nr. 1329, auch ein Halbstück dieser Gattung'; doch ist auf<br />
vielen von diesen vom Tempel <strong>der</strong> Kehrseite keine Spur ficht-
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 125<br />
bar, so daß nur das Gepräge <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite bracteatenartig<br />
vertieft auf <strong>der</strong> Kehrseite erscheint.<br />
Von Otto und Adelheid finden sich fünf meist zerbrochene<br />
von <strong>der</strong> schön geschnittenen und sorgfältig geprägten Gattung<br />
mit Di ßra, l6x Hm6n, dagegen mehr als 200 von <strong>der</strong> gewöhnlichen<br />
ohne HIN611. Auch fünf Halbstücke.<br />
An diese beiden Arten Sächsischer Münzen schließen sich<br />
sieben magdeburgische von Otto III. Nr. 649 und eins <strong>der</strong><br />
seltnen Halbstücke (ohne Ottos Namen) mit N^
126 EinundvierMter Jahresbericht. I. II.<br />
IV. Franken ist durch 23 Mainzer Münzen Ottos II.<br />
Nr. 778, 779 nnd dnrch drei Worms.er Ottos II. o<strong>der</strong> III.<br />
vertreten, sämmtlich von schlechtem Schnitt. Eine von Speier<br />
ist gänzlich unlesbar.<br />
V. Mehr chronologische Anhaltspunkte geben die Münzen<br />
von Alemannien. Vom Bischo Ulrich von Augsburg,<br />
923 — 973, sind zwei Fragmente und eine Münze vorhanden«<br />
Dann eine gute Münze des Angsburger Bischofs Lutolf,<br />
987—996.<br />
Ferner Straß burg i Bischof Erkambold, 965-991, ein<br />
Fragment von Nr. 932; Bischof Wi<strong>der</strong>old 991 — 999, zwei<br />
Exemplare Nr. 934. Auch Zwei straßburger Denare Ottos III.<br />
wie Nr. 910.<br />
VI. Baiern. Regensburg. Außer einer Anzahl unlesbarer<br />
Münzen finden sich folgende : Herzog Heinrich I. o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> II. zwei Münzen Nr. 1057 m.<br />
Herzog Otto, 976—982. vier Münzen Nr. 1065 o.<br />
Herzog Heinrich <strong>der</strong> II. aus seiner zweiten Epoche, 985<br />
bis 995, acht Münzen und mehrere Fragmente, Nr. 1069
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 127<br />
Ferner fanden sich zwei Exemplare <strong>der</strong> bekannten Münze,<br />
Nr. 1158; ein sehr schlechtes, Nr. 1159, ein gutes ähnlich<br />
Nr. 1271, 1272; diese werden dem Herzog Otto I. von Alemannien,<br />
973—982, zugeschrieben; das Vorkommen in diesem<br />
Funde, welcher frühestens 991 vergraben ist, hin<strong>der</strong>t diese Zutheilung<br />
nicht.<br />
Zwei mit einem dem karolingischen ähnlichen Monogramm,<br />
Nr. 1153, lassen die Unterschrift nicht erkennen. Durch ihr<br />
Gewicht, 2,29 Gramm, auffallend ist eine mit völlig entstellten<br />
Aufschriften und Typen ungefähr wie Nr. 777.<br />
IX. Ausländische Münzen sind in geringerer Zahl<br />
vorhanden als in an<strong>der</strong>en Funden. Zehn ganze und einige<br />
kleine Fragmente von Ethelred II. von England, 978<br />
bis 1016.<br />
X. Andre ausländische Münzen sind nur in geringer Zahl<br />
vorhanden.<br />
Zwei von Pavia mit ^ 1 umher<br />
Rs. ? ^ umher 4V6V3IV8, alles mit kleinen verhältniß-<br />
I<br />
mäßig dicken Buchstaben. Sie können den beiden ersten Ottonen<br />
gehören, die ähnlichen des dritten haben ILN.0IV8 o<strong>der</strong><br />
Die bractcatenartigen, gewöhnlich und wohl mit Recht<br />
für polnisch gehaltenen sehr dünnen Stücke waren hier auch<br />
vertreten; nur ein Exemplar und einige Fragmente <strong>der</strong> größeren<br />
gewöhnlichen Gattung, dagegen mehrere Exemplare <strong>der</strong><br />
kleinen.<br />
Endlich XI. Orientalische Münzen. Herr Dr.<br />
Er man hat die Gefälligkeit gehabt, sie zu untersuchen, und<br />
theilt folgendes mit: „Weitaus <strong>der</strong> größte Theil <strong>der</strong> orientalischen<br />
Münzen sind Fragmente samanidischer Münzen, unter<br />
denen wie<strong>der</strong>um die des Nasr II. (913 — 942) die häufigsten<br />
sind. Von älteren Stücken sind nur Zwei Fragmente<br />
omejjadischcr Münzen (die eine in Afrika geprägt) und eine<br />
Münze des Ein in (Bagdad H. 195) sicher zu bestimmen.
128 Einundvierzigster Iahresbeeicht. I. II.<br />
Von den Abndaudiden enthält <strong>der</strong> Fund drei Fragmente,<br />
die wie gewöhnlich stark abgerieben sind; von den Ostbnlgaren<br />
und den Wolgabnlgaren je eines. An<strong>der</strong>e Nachahmungen <strong>der</strong><br />
SamanidenmünZen sind unbestimmbar.<br />
Von den Buweihiden sind Imad-eddin, Muizzcddaula,<br />
Rokneddaula und Adudeddaula durch einige Bruchstücke vertreten;<br />
von den späteren Chalifen Muqtadir mit <strong>der</strong> seltenen<br />
Münze von Tarsus, sowie Muttaqi mit einer Münze<br />
von Bagdad vom Jahre 941.<br />
Das späteste sicher vorkommende Jahr ist H. 354 — Chr.<br />
965, das durch eine Münze des Samaniden Mansur und eine<br />
an<strong>der</strong>e des Buweihiden Rokneddaula vertreten ist; auch unter<br />
den unbestimmbaren Fragmenten scheint keins über H. 366 -<br />
Chr. 976 hinauszugehen.<br />
Aus dieser Aufzählung ergeben sich folgende sichere Zeitbestimmungen<br />
:<br />
Herzog Bernhard von Sachsen 973—1011<br />
Bischof Adalbero I. von Metz 929—964<br />
Bischof Theo<strong>der</strong>ich I. von Metz 964—984<br />
Bischof Ulrich von Augsburg 923—973<br />
Bischof Lutolf von Augsburg 987—996<br />
Bischof Erkambold von Straßburg . . . . 965—991<br />
Bischof Wi<strong>der</strong>old von Straßburg 991—999<br />
Herzog Otto von Vaiern 976—962<br />
Die Herzöge Boleslav I., II., III. von Böhmen 938—1004<br />
König Ethelred II. von England . . . . 978 — 1016<br />
Die Münzen Wi<strong>der</strong>olds beweisen, daß <strong>der</strong> Fund nach 991,<br />
und das Fehlen aller Münzen des Königs Heinrich II. beweist,<br />
daß er vor 1002 vergraben sein muß. Die orientalischen<br />
schließen mit 965, spätestens mit 976 ab; es trifft also hier<br />
wie<strong>der</strong> meine frühere Beobachtung zu, daß die orientalischen<br />
stets früher enden als die oceidentalischen, weil sie für die<br />
weite Reise einiger Jahre bedurften. I. Friedlän<strong>der</strong>.<br />
4. Der Münzfund von Seidel.<br />
Bei Seidel unweit Manow (Reg.-Bez. Cöslin) sind im
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 129<br />
laufenden Jahre über 2000 Münzen gefunden worden (f. unter<br />
Beilage Nr. 22), welche, wenn sie auch nicht viel Neues o<strong>der</strong><br />
Seltenes bringen, dennoch eine kurze Beschreibung um deßhalb<br />
verlangen, weil sie einerseits einen Beitrag zu <strong>der</strong> noch wenig<br />
erörterten Frage liefern, wie sich im Umlaufe die verschiedenen<br />
Geldforten frem<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> zu denen des Inlandes stellten,<br />
an<strong>der</strong>erseits aber gewisse <strong>der</strong> Zeit nach unbestimmte Münzen<br />
von diesem Funde helleres Licht zu empfangen scheinen. Der<br />
Fund, den ich wohlgeordnet aus <strong>der</strong> Hand des Herrn Dr. Kühne<br />
zu Stettin, des Aufsehers <strong>der</strong> dortigen Sammlungen <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
für pommersche Geschichte und <strong>Alterthumskunde</strong> erhielt,<br />
bestand zu mehr als fünf Sechsteln aus pommerschen<br />
Geprägen, denen sich aber zahlreiche brandenburgische nebst<br />
einigen an<strong>der</strong>n deutschen und nicht wenigen livländischen anschlössen.<br />
Der Stückzahl nach überwogen die Vierchen und<br />
die ihnen im Aeußern nahe kommenden livländischen Artiger,<br />
nach Hun<strong>der</strong>ten zählten die Schillinge und halben Schillinge,<br />
hauptsächlich pommerscher Herkunft, während die größte Münzsorte,<br />
die Groschen, etwa 100 an <strong>der</strong> Zahl, ans dem brandenburgischen<br />
Nachbarlande stammten; denn in Pommern hat<br />
man <strong>der</strong>gleichen zu Anfange des XVI. Jahrhun<strong>der</strong>ts bekanntlich<br />
nicht geschlagen.<br />
Genauer ist <strong>der</strong> Inhalt dieses kleinen Schatzes folgen<strong>der</strong>:<br />
1. Pommern.<br />
Q. Vierchen. Garz, mit <strong>der</strong> Nessel im Schilde 224 St.<br />
„ ohne Schildumfassnng 30 „<br />
Gollnow 42 „<br />
Pyritz 315 „<br />
Stargard 182 „<br />
Stettin 708 „<br />
dazu treten undeutliche<br />
') Unter diesen 5 mit <strong>der</strong> Inschrift K°A°v°I°0°II°N°Il)<br />
8 mit ^°8°6°I°6°II°A°II) eine wie die an<strong>der</strong>e nm den Greifenkopf.<br />
(Anni, <strong>der</strong> Red.)
130 Einnndvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />
sowie <strong>der</strong> Größe nach sich anschließen: ein Denar<br />
von Colberg (mit den gekreuzten Bischofsstäben<br />
auf beiden Seiten) und ein stark beschnittener und abgenutzter<br />
Schilling mit m0Q6t^ äuc ^Voiss. . . . 2 St.<br />
d. Schillinge von Bogislav X. (1474 —<br />
1523) 262 „<br />
nämlich: von Damm, ohne Jahr 18 „<br />
datirte von 1492 (17, dabei einen mit<br />
während sonst <strong>der</strong> Stadtname je<strong>der</strong>zeit durch<br />
ausgedrückt wird) 1493 (9) 14 94 (11) 1496 (3)<br />
1497 (6) 1499 (13)? 87 „<br />
von Garz, ohne Jahr 2 „<br />
1489 (20) 1492 (11) 31 „<br />
von Stettin 1499 (3) 1500 (u. NVlü) (24) 1501<br />
(25) 1502 (15) 1503 (20) 1504 (4) 1505 (3)<br />
1506 (6) 1507 (7) 1508 (5) 1511 (1) 1515 (2)<br />
1516 (1) 121 „<br />
wozu noch kommen undeutliche 3 „<br />
o. Halbe Schillinge desselben Herzogs,<br />
sämmtlich von Stettin 43 „<br />
nämlich 1499 2) (1) 1500, mit NVO (9) 1501 (1)<br />
1502 (2) 1503 (6) 1504 (4) 1505 (1) 1506 (4)<br />
1507 (12) 1511 (1) 1512 (2) 1515 (3) 1516 (5)<br />
1517 (1) und ein undeutlicher.<br />
ä. Stralsun<strong>der</strong> ganze und halbe Schillinge<br />
25 „<br />
ohne Jahr und von 1501, 1504, 1505, 1506, 1508,<br />
1509, 1511, 1512 und 1515.<br />
2) Wenn die Addition <strong>der</strong> einzelnen Post unter dieser Summe<br />
bleibt, so kommt dies hier wie an<strong>der</strong>s wo daher, daß einzelne undeutliche<br />
nicht mitgezählt sind.<br />
s) Dieses Stück ist merkwürdig nicht nnr, weil man von 1499<br />
bisher noch keinen halben Schilling kannte, son<strong>der</strong>n anch, weil dieser<br />
nicht wie alle an<strong>der</strong>n das eckige gothische !i, son<strong>der</strong>n das runde lateinische<br />
L hat; er war bisher nur wenigstens nnbekannt.
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 131<br />
2. Brandenburg.<br />
Groschen von Johann Cicero, 1498 . 3 St.<br />
Groschen von Joachim I. mit seinem<br />
Bru<strong>der</strong> Albrecht sowie von ihm allein . . . 103 „<br />
ohne Prägestätte, sowie von Berlin, Brandenburg,<br />
Krossen, Frankfurt und Stendal mit<br />
den Jahreszahlen 1501—1517,<br />
halbe Groschen von Johann Cicero 1496 (1)<br />
1498 (3) 4 „<br />
halbe Groschen von Joachim I., Brandenburg<br />
ohne Jahr. . . 2 „<br />
„ Joachim I. u. Albrecht,<br />
Brandenburg 1507 . 1 „<br />
Vierchen, von Prenzlau (mit ?K6N8K0V) . 25 „<br />
„ mit molata, und dem Adlerschild; Rs.<br />
Helm ohne Umschrift 63 „<br />
„ mit monkta. Adler. Rs. uionOta. Helm 16 „<br />
3. Sonstige deutsche und außerdeutsche Münzen.<br />
a.. Schillinge o<strong>der</strong> Schillings ähnliche Münzen.<br />
Deutscher Orden: Hochmeister Michael<br />
1 4 1 4 — 1 4 2 2 . . . 1 St.<br />
Hochmeister Paul<br />
1423—1440 . . . 2 „<br />
Statthalter Heinrich<br />
1462—1469 . . . 1 „<br />
Hochmeister Heinrich<br />
IV. 1470—1477 3 „<br />
Hochmeister Martin<br />
1482 — 1489 . . . 15 „<br />
Hochmeister Johann<br />
1 4 8 9 — 1 4 9 7 . . . 1 1 „<br />
Hochmeister Friedrich<br />
1 4 9 8 — 1 5 1 0 . . . 1 „<br />
und undeutliche, unter denen ein falscher kupferner . 4 „<br />
Mecklenburg(Magnus und Balthasar),<br />
Güstrow 2 „<br />
10
132 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />
Rostock 5, Göttingen 1490 und 1506 2 . 7 St.<br />
Dänemark, Johann, Aalborg . . . 1 „<br />
Riga, Erzbischof Silvester 1448—1479 . 2 „<br />
Polen, Kasimir IV.^,Danzig (43), Elbing<br />
(2), Thorn (7) . 52 „<br />
d. Kleinere Münzen, ^/2 Schillinge, Artiger,<br />
Heller ?c., etwa von Vierchen-Größe.<br />
Osnabrück, Bischof Konrad IV. 1508,<br />
l/8 Schilling 2 „<br />
Lippe, Bernhard VII. ^/4 Stüber, wie<br />
Mzstud. V 2, VI 62, nnedirt 1 „<br />
Dortmund, 1/4 Groschen (zwei mit Kopf des<br />
heil. Reinoldus) 1 „<br />
Bremen, Denar mit Kopf des heil. Petrus . 1 „<br />
Hessen, Einseitiger Heller mit hessischem und<br />
ziegenhainschen Wappen 2 „<br />
Sachsen, Einseitiger Heller mit Löwenschild . 2 „<br />
Pfennig mit sächsischem Helm, Rs. Meißnischer Helm 1 „<br />
Böhmen, Einseitiger Heller mit Löwen . . 1 „<br />
Tirol, Erzherzog Sigismund (1439—96) . 1 „<br />
Livland, Artiger von Reval 7 „<br />
„ Hochmeister Ioh. Freitag von<br />
Loringshofen 1483—1494, Artiger,<br />
undeutlich 1 „<br />
Erzbisthum Riga, Magnus, Artiger . 1 „<br />
„ Jasper Linde 1509<br />
-1524 1 „<br />
Bisthum Dorpat Bartholomäus (1444—<br />
1458) 4 „<br />
Helmich (1461—1471) . 1 „<br />
Andreas (1472—1473) . 2 „<br />
Johann III. (1473—1485) 4 „<br />
Litthauen, Alexan<strong>der</strong> (1501-1506)<br />
Denar (Baudtke 67) 3 „<br />
Die Gesammt-Stückzahl dieser Münzen, von denen einige<br />
bereits dem Schmelztiegel überantwortet sind, wird mir auf
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 133<br />
2212 angegeben, von denen 1852 pommersche und 217 brandenburgische.<br />
Das jüngste Datum ergaben die halben Schillinge<br />
von Stettin mit 1517 und die frankfurter Groschen desselben<br />
Jahres. In diesem o<strong>der</strong> dem folgenden Jahre also dürfte<br />
die Vergrabung unseres Schatzes stattgefunden haben.<br />
Lehrreich ist er namentlich für die Bestimmung <strong>der</strong> Prägeund<br />
Umlaufszeit <strong>der</strong> Vierchen; in den Anfang des XV. Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />
wie es in Reichels Kataloge zu Nr. 1450 IV heißt,<br />
darf man sie nicht verlegen. Auch daß die dem Kurfürsten<br />
Friedrich II. zugeschriebenen brandenburgischen Vierchen (s.<br />
Köhne Zeitschr. I. 197) wirklich so alt sind, wird zweifelhaft,<br />
wenn man erwägt, daß unter den 113 ganzen und halben<br />
Groschen dieses Fundes kein einziger von ihm, <strong>der</strong> schon 1470<br />
gestorben, <strong>der</strong> älteste vielmehr erst von 1496 war; eine ähnliche<br />
Erscheinung, wie sie <strong>der</strong> Berliner Blätter f. Münzkunde II.<br />
205 beschriebene Fund bietet. Die Frage verdient wohl eine<br />
weitere Untersuchung. Interessant ist es auch zu sehen, wie<br />
die geringhaltigen pommerschen Pfennige des XIV. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
bereits völlig verschwunden waren, nur <strong>der</strong> einzige<br />
Colberger erinnert noch an diese Münzsorte, ebenso wie von<br />
den ältern Schillingen nur noch ein einziger, in sehr schlechtem<br />
Zustande sich in die neuere Zeit hinübergerettet hatte.<br />
Berlin. 5- Dannenberg.<br />
5. Drei Münzfunde aus <strong>der</strong> Zeit des dreißigjährigen<br />
Krieges.<br />
1. Der Fund von Küstrow bei Barth.<br />
Wir bedauern, über dieseu Fund nichts an<strong>der</strong>es mittheilen<br />
zu können, als was die Neue Stettiner Zeitung unter dem<br />
10. Mai einem Referate <strong>der</strong> „Stralfun<strong>der</strong> Zeitung"<br />
entlehnt:<br />
Am 1. Mai ließ ein Baucrhofsbesitzer in dem eine halbe<br />
Stunde von Barth belegenen Dorfe Küstrow einen Stall abreißen.<br />
Vor <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>wand desselben entdeckte ein Arbeiter<br />
in einer Tiefe von etwa 1^/2 Fuß unter <strong>der</strong> Oberfläche einen<br />
wohlglasirten Tops, welcher eine Menge grün angelaufener
134 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />
Münzen enthielt. Ihre Zahl beträgt 748. Große Stücke<br />
sind nur wenige darunter, nämlich drei Thaler, die große<br />
Mehrzahl besteht aus Schillingen mit <strong>der</strong> Bezeichnung: 16 St.<br />
ein Reichsthaler. Theils sind dieselben pommmersche Herzogsmünzen,<br />
von Stral sund, Hamb urg , Danzigli,<br />
doch sind auch ausländische Münzen von größerer Dicke und<br />
sehr fremdartigem Gepräge darunter. Die Oesterreicher sind<br />
durch Rudolph II. und Ferdinand II. ziemlich stark vertreten.<br />
Von beson<strong>der</strong>er Schönheit des Gepräges ist eine Münze des<br />
Erstgenannten von 1603. So weit es durch eine oberflächliche<br />
Prüfung festgestellt werden konnte, umfassen die vorgefundenen<br />
Stücke den Zeitraum von 1563 bis 1627. Da nun<br />
1628 die Kriegsfurie über Vorpommern hereinbrach, fo liegt<br />
die Vermuthung nahe, daß im Laufe des Jahres 16 28, alfo<br />
vor gerade 250 Jahren, ein Einwohner von Küstrow seine<br />
Baarschaft vor den Geiergriffen <strong>der</strong> Kaiserlichen, die damals<br />
Barth und seine Umgebung ins Elend brachten, im Schooße<br />
<strong>der</strong> Erde geborgen habe.<br />
2. Der Fund von Belgard.<br />
Ueber diesen schreibt uns Herr Oberlehrer Dr. Petersdorff<br />
Folgendes unter dem 24. August:<br />
Die Münzen sind beim Graben einer Grube in <strong>der</strong> Stadt<br />
selbst gefunden. 37 Silbermünzen habe ich noch retten können;<br />
unter diesen sind 32 von Stettin-Pommern (20<br />
von Vogislav XIV., 10 von Ulrich, 2 von Franz), 5 von<br />
Polen (Sigismund III.) Die Münzen stammen alle aus<br />
den Jahren 1620, 1621, 1622, 1623; auf einer habe ich<br />
2 8 gelesen.<br />
3. Der Fund von Grammentin bei Demmin.<br />
Im Mai d. I. wurde auf einer Wiese <strong>der</strong> Feldmark<br />
Grammentin s22 Kil. S.-W. von Demmin) von drei Arbeitern<br />
in mäßiger Tiefe (ob in bloßer Erde, o<strong>der</strong> in einem<br />
Topf, ist nicht ermittelt), ein Schatz von 28 Thalern und<br />
258 kleineren Silbermünzen gehoben und an einen Goldschmied<br />
,
Einundvierzigster Jahresbericht I. II. 135<br />
in Deinmin verkauft, von welchem ihn Herr Dr Starck,<br />
unser sehr thätiges Mitglied, erwarb. Die sehr specielle numismatische<br />
Beschreibung, die uns <strong>der</strong>selbe von dem werthvollen<br />
Funde gemacht, geben wir, aus Mangel an Raum, in Folgendem<br />
nur verkürzt wie<strong>der</strong>.<br />
^ Deutschland.<br />
Fürstliche Münzen.<br />
1. Rudolf II. Thaler von 1605. (Aehnlich Madai 30.)<br />
Braunfchweig-Lüneburg.<br />
Friedrich Ulrich (1613—1634.)<br />
2—3. Thaler von 1621. Oso 6t I^tria^. Zwei verschiedene<br />
Stempel.<br />
4. Thaler von 1624. (Madai 1124.)<br />
Holstein.<br />
». Holstein-Gottorp.<br />
5. Johann Adolf (f 1616), Groschen.<br />
b. Holstein-Son<strong>der</strong>burg.<br />
6. Johann <strong>der</strong> Jüngere (f 1622), Thaler von 162,<br />
(verschieden von Madai 1287).<br />
Meklenburg-Schwerin.<br />
Johann Albrecht (f 1576).<br />
7—13. Schillinge von 1552.<br />
14. Carl (f 1610), Thaler von 1609 (verschieden von<br />
Madai 1349, bei Liebeherr, <strong>der</strong> ihn sehr rar nennt,<br />
uugenau beschrieben).<br />
Johann Albrecht II. (1592—1636).<br />
15—26. Schillingevon1622,1623,1624, Wappen und Schrift.<br />
27—33. Schillingevon 1622 und 1624, Vüffelkopf und Schrift.<br />
Pommern.<br />
». PommcrN'Wolgast.<br />
Philipp Julius (1592—1625).<br />
34—35. Schillinge von 1621 mit rügischem Löwen.<br />
36—53. Zweischillingstücke von 1622.<br />
54-57. Schillinge von 1622.<br />
56 — 60. Schillinge von 1624.<br />
58—62. Schillinge von 1625.
Einundvierzissster Jahresbericht. I. II.<br />
63. i/i6 Thaler von 1623.<br />
64—68. l/i6 Thaler von 1624.<br />
69—71. l/i6 Thaler von 1625.<br />
d. Pommern-Stettin.<br />
Bogislav XIV. (1620—1637).<br />
72. i/i6 Thaler von 1620.<br />
73—77. 1/is Thaler von 1628.<br />
78—81. ^/i6 Thaler von 1629.<br />
82. 1/is Thaler von 1630.<br />
83—84. i/i6 Thaler von 1631.<br />
Sachsen.<br />
85. Johann Georg ^1611—1656), Thaler von 1629.<br />
Württemberg.<br />
86. Johann Friedrich (1608—1628), Thaler von 1624.<br />
(Aehnlich Madai 1629.)<br />
Städtemünzen.<br />
Köln.<br />
87. Thaler von 1569. (Madcn 2190.)<br />
Frankfurt a. M.<br />
88. Thaler von 1622. (Madai 4869.)<br />
Grevismühlen.<br />
89—90. Schillinge von 1536.<br />
91. Schilling von 1556.<br />
Hamburg.<br />
92. Groschen von 1553. (Äux (tristi 61ori.<br />
93. Schilling von 1555. Homo (^u.o. ?r0i)3.tu8.<br />
94. Thaler von 1621. (Madcn 2245.)<br />
95. Thaler von 1632.<br />
Lübeck.<br />
96. Groschen o. I.<br />
97. i/i6 Thaler von 1624.<br />
96. Schilling von 1544. Homo ornco.<br />
99. Groschen von 1562. Orux 8o1. 0MU6.<br />
Nürnberg.<br />
100. Thaler von 1624. (Madai 5058.)<br />
Rostock.<br />
Thaler o. I.
Einundvierzigster Jahresbericht. I. II. 137<br />
109—1K). V64 Thaler von 1574.<br />
111. 1/64 Thaler von 1588.<br />
112—114. 1/64 Thaler von 1622. 8it. Nora, vni. Lud.<br />
115. '/ig Thaler von 1624.<br />
116. 1/64 Thaler von I. 8it. 110m. vni.<br />
117—125. i/s4 Thaler von 1626.<br />
126. 1/16 Thaler von 1626.<br />
127. V16 Thaler von 1627.<br />
128. 1/16 Thaler von 1628. ^odiäonn<br />
129. Vi6 Thaler von 1630.<br />
130—132. 1/16 Thaler von 1631.<br />
Str alsnnd.<br />
133—144. Schillinge von 1538. Vou8 in 110m luo 83.I11.<br />
145. i/ie Thaler von 1623.<br />
146—154. l/16 Thaler von 1624.<br />
155—156. 1/16 Thaler von 1625.<br />
157-162. 1/16 Thaler von 1626.<br />
163—165. i/ig Thaler von 1628.<br />
166—173. 1/16 Thaler von 1629.<br />
174__189. 1/16 Thaler von 1630.<br />
190—199. 1/16 Thaler von 1631.<br />
200. 1/16 Thaler von 1632.<br />
Wismar.<br />
201. Schilling von 1538. 8it. noni. vm.i. Vnä.<br />
202—205. Schillinge von 1555.<br />
V. Außerdeutsche Staaten.<br />
Dänemark.<br />
206. Johann (1481—1513). Denar von Malmö 0. I.<br />
Friedrich II. (1559—1588).<br />
207. II Skilling von 1560.<br />
208—211. II Skilling von 1562.<br />
212__2i5. II Skilling von 1563.<br />
216—222. I Skilling von 1563.<br />
Christian IV. (1588-1648).<br />
223—271. I II nnd VIII Skilling von 1595, 1600, 1603,
138 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />
1604, 1605, 1608, 1609, 1611, 1614, 1615,<br />
1618, 1619.<br />
Nie<strong>der</strong>lande. Friesland.<br />
272—278. Thaler von 1611, 1618, 1619, 1620, 1621,<br />
1622, 1623.<br />
Gel<strong>der</strong>n.<br />
279. Thaler von 1619.<br />
280—281. Thaler von 1620.<br />
Overyssel.<br />
282—283. Thaler von 1620.<br />
Utrecht.<br />
284. Thaler von 1618.<br />
285. Thaler von 1621.<br />
S eeland.<br />
286. Thaler von 1622.<br />
Da die älteste Münze <strong>der</strong> dänische Korsvhide (Kreuzwitten)<br />
Johanns von Dänemark (1481 — 1573) ist, dem jüngsten Jahre<br />
1632 aber <strong>der</strong> Thaler von Hamburg (Nr. 95) und <strong>der</strong><br />
^/is Thaler von Stralsnnd (Nr. 200) angehören, so umfaßt<br />
<strong>der</strong> Fund einen Zeitraum von weit über 200 Jahren. Die<br />
zahlreichen dänischen und nie<strong>der</strong>ländischen Stücke bezeugen den<br />
lebhaften Seeverkehr unserer Provinz. Da von schwedischen<br />
Münzen noch keine Spur ist, wird die Vergrabung wohl<br />
schwerlich weit über das Jahr 1632 hinausgerückt werden<br />
dürfen.<br />
Der Fund gehört unmittelbar vor den von Rosenfelde<br />
(Valt. Stud. XXVIII. S. 572), <strong>der</strong> eine kleine Spur von <strong>der</strong><br />
schwedischen Herrschaft diesseit <strong>der</strong> Ostsee aus den Jahren 1631<br />
und 1633 (<strong>der</strong> spätesten Münze) zeigt.<br />
Für die Numismatik unserer Provinz hat <strong>der</strong> Fund von<br />
Grammentin einen beson<strong>der</strong>en Werth, sowohl wegen <strong>der</strong> Folge<br />
<strong>der</strong> Jahrgänge <strong>der</strong> herzoglichen wie <strong>der</strong> städtischen Münzen<br />
Stralsunds, als beson<strong>der</strong>s durch die vielen Varianten, die wir<br />
lei<strong>der</strong> unberücksichtigt lassen mußten, die aber Herr Dr. Starck,<br />
wie wir hier wohl erwähnen dürfen, an geeigneter Stelle verwerthen<br />
wird.
Beilage. 139<br />
Beilage.<br />
Erwerbungen des antiquarischen Museums<br />
von Ende August bis Ende November 1878.<br />
^ — Fundorts<br />
I. Heidnische Alterthümer.<br />
^. Steinsachen.<br />
1. Siebzehn Geräthe aus Feuerstein, k. 4 Beile 9 — 14<br />
Cm. l. ; d. 4 Speerspitzen 11—15 Cm. l. und ein Bruchstück; c.<br />
1 Meißel 10 Cm. l.; 6. 1 Säge (Bruchstück); 6. 6 kleine Messer<br />
und abgebrochene Spitzen. ^Gegend von Uckermünde. — Aus<br />
<strong>der</strong> Sammlung des verstorbenen Dr. mecl. Leonhardt in<br />
Uckermünde überreicht durch Fräulein A. und E. Leonhardt.<br />
II. 1434.).<br />
2. k. Rundlicher Vehaustein (?) 7 Cm. Durchmesser; d.<br />
jchmalruu<strong>der</strong> BeHaustein (?) 4 Cm. Durchmesser, beide von<br />
Sandstein und cannelirt. k' Rollwitz bei Prenzlau 5—7 M.<br />
t. im Torfmoor. — Herr v. Stülpnagel in Grabow a. d. O.<br />
3. a. Beil von Diorit mit Schaftloch (Bruchstück); d. Feuer«<br />
steinbeil 8,5 Cm. l. ^ bei Massow. — Hr. Dr. Fischer daselbst.<br />
sI. 1459.).<br />
L. Thonsachen nebst Beigaben.<br />
4. Urnenfuß uud Urnenscherben, zwei Knochen, ein Streifen<br />
Le<strong>der</strong>. ^ Stargard beim Hausbau 4 M. t. — Hr. Di-. Prlini<br />
ers hier. V. 1429.)<br />
5. Acht Urnenscherben. I? Burgwall von Lankow bei<br />
Schivelbein. — Herr Dr. Kl a mann in Sch. >I. 1435.)
140 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />
0. Bronzesachen.<br />
6. k. Sechs Halsringe, 13 —15 Cm. Durchmesser; d. 2 ovale<br />
Armringe, 12 Cm. im langen Durchmesser; c. Arm spira le<br />
von 12 Windungen; ä. 3 Plattenspiralen von 7—8 Windungen,<br />
3,5 Cm. Durchmesser (wahrscheinlich Reste einer Fibel). ^<br />
Schönfeld bei Demmin unter einem großen Stein. — Hr. Dr.<br />
Starck in Demmin. ^I. 1442 und 1453).<br />
7. Bronzeschwert, 65 Cm. l. ^ Elisenhof bei Bärwalde.<br />
Herr Di-. Rühl hier. >I. 1460.) (Entsprechend den Schwertern<br />
bei Lindenschmitt: Alterthümer unserer heidn. Vorzeit, Band I,<br />
I, II, 2—4, die in Baiern und in den Rheingegenden gefunden<br />
sind.)<br />
II. Münzen und Abbildungen von Münzen.<br />
8. k. Fünfzehn: opekenftück von 1869-, d. Dreikopekenstück<br />
von 1876. — Herr Meier. ^I. 1436.)<br />
9. Thaler Friedrichs von Baireuth v. I. 1752. (Madai 3527.)<br />
Gekauft. V- 1438.)<br />
10. 3.. Denar von Camin; d. Halber Schilling von Stral'<br />
fund. — Eingetauscht. U. 1440.)<br />
11. Römische Kaisermünze, verwischt (Mittelbronze). — Geber<br />
unbekannt. U. 1444.)<br />
12. !/48 Thaler Carls XI., pommerscher. — Herr Dr. Schlegel.<br />
IH- 1446.)<br />
13. Siebzehn Silbermünzen: a. 5 Wenden Pfennige; d.<br />
Bernhard II. von Sachsen (1011-1059) wie D.") 591; o.<br />
Flan<strong>der</strong>n, Balduin IV. (989—1036) wie D. 150—153; ä.<br />
Thiel, Heinrich II. (D. 578); 6. Regensburg, Heinrich<br />
III. (D. 1089) ; k. Kölner Nachmünze Ottos III. o<strong>der</strong><br />
Heinrichs II.; 3. Nachmünze (D. 1310)'; ü. Nachmünze<br />
(D. 1289-1290); i. Dänemark Harthaknut (1035—1042);<br />
k. Berwick, Eduard IH. (1327—1377); 1—u. 3 Schilling e<br />
Ulrichs v. Pommern 0. I. - Gekauft. >I. 1447.)<br />
14. Vg Thaler brandenburgis ch v. 1674. ^ Stettin im Bauschütt.<br />
- Gekauft. >I. 1448.)<br />
15. Hebräischer Seckel von Silber (unecht). — Uebermittelt durch<br />
Hrn. Eisenbahnbeamten Schultz. >I. 1449.)<br />
*) D. mit den beistehenden Nummern bezieht sich auf das Werk:<br />
„Die deutschen Münzen <strong>der</strong> sächsischen und .fränkischen Kaiserzeit" des<br />
Herrn Stadtgerichtsrath Dannenberg, <strong>der</strong> die Güte gehabt hat, diese<br />
Münzen zu bestimmen, die wahrscheinlich (von ».—i) aus dem<br />
Funde von Schwarzow (Valt. Stud. XXVI, I. S. 58) stammen.
Beilage. 141<br />
16. 92 Gramm arabischer und occ identa li scher Münzen<br />
und zerbrochenen arabischen Silberschmuckes. ^ Witzmitz<br />
bei Plathe, Kreis Regenwalde. — Gekauft. V. 1437.^<br />
(Vgl. oben S. 123.)<br />
17. RömischerDenar Hadrians. As. Um den ungeschmückten<br />
Kopf des Kaisers Hk6rÌ2.uu8 ^uF O08 III. ? ?. 1^8. Liegende<br />
weibliche Gestalt, die Linke auf einen Felsblock gestützt, die<br />
Rechte einen Olivenzweig haltend, zu Füßen ein Kaninchen. Umschrift<br />
HiLpNiiia. (Aus den Jahren 128 — 138.) 5 Stettin<br />
1872, beim Umbau des Eisenbahnbollwerks, stark oxydirt, auf<br />
Bauerde gefunden, die vermuthlich aus Finkenwalde gekommen<br />
war. — Herr Eifenbahnbeamter Wolf f. ^I. 1461.)<br />
18. Photographie eines fünffachen Ducatens auf Anna<br />
Maria v. Brandenburg, Gemahliu Barnims XII. — Hr. Dr.<br />
Starck in Demmin. N. 1452.)<br />
19. Doppelschilling v. Philipp Julius. — Hr. Lehrer Berg.<br />
lI. 1454.)<br />
20. Zehn Photographien pommerscher Thalerstücke: a<br />
'/2 Thaler Johann Friedrich 1504; d. zwei Thaler Philipps<br />
II. 0. I.; 0. Sterbe thaler Ulri chs; ä. drei Thaler<br />
Bogislavs XIV. 1626, 1631. 1633; 6. Stralsund: Thaler<br />
v. 1637, ^ Thaler und 2^ Thaler v. I. 1677. — Hr. Dr.<br />
Starck in Demmin. >I. 1441.)<br />
21. Hun<strong>der</strong>teinunddreißig arabisch e M ünzen (meist Fragmente).<br />
V' Karnitz bei Labes. — Herr Rittergutsbesitzer<br />
v. Bülow auf Carnitz, Herr Kaufmann G. Schulz in Regenwalde,<br />
Herr Professor Dr. Schaffhausen in Bonn, Herr v.<br />
Stülpnagel in Grabow a. d. O. >I. 1462, 1463, 1464.)<br />
(Vgl. oben S. 120.)<br />
22. 2218 Silbermünzen, meist aus dem 15. Jahrhun<strong>der</strong>t. ^<br />
Seidel, Kreis Cöslin, unter den Wurzeln eines Apfelbaumes<br />
im Garten des Eigenthümers Daeke. — Durch Vermittelung<br />
des Hrn. Oberbuchhalters Mehringin Köslin gekauft. >I. 1417.)<br />
(Vgl. oben S. 128.)<br />
m. Verschiedenes.<br />
23. Eisernes Kästchen, 18 Cm. l., 10 Cm. b. ^ unbekannt. —<br />
Fräulein Zillmer in Schivelbein, überreicht durch Herrn Dr.<br />
Klamann daselbst. U. 1433.)<br />
24. Zeichnung <strong>der</strong> römisch en Bronzevase von Spitzen bei<br />
v. E stör ff: Heidnische Alterthümer, Titelblatt 5 — 7, zur Er«<br />
läuterung des in unserem Besitz befindlichen zertrümmerten Ge-
142 Einundvierzigster Jahresbericht. I. II.<br />
fäßes von Neuhof bei Uckermünde, Jahresbericht XIII, S. 13,<br />
I. 322. — Hr. Dr. Wegen er. ^I- 1439.)<br />
25. «,. Eiserner Degen, 98 Cm. l.; b. eiserne Speerspitze,<br />
59 Cm. l.; c. zinnernes kirchliches Gießgefäß, im innern<br />
Boden ein Medaillon mit <strong>der</strong> Inschrift fliesn uoLtra, lsäeiupoio amor<br />
6t 668Ì66i'iu um das Bild des Gekreuzigten. V' See von<br />
Neuwarp, ausgebaggert. — Herr Wasserbauinspeltor Ulrich.<br />
II. 1443.1<br />
26. Zinnerne Schüssel, 29 Cm. Durchmesser, mit Lilienwappen<br />
und zu Seiten desselben je eine Hansmarke, gezeichnet N. 8.<br />
1619, auf dem Boden einpunktirt I. 1457.)<br />
31. Photographie des Iohauniterschlosses in Schivel«<br />
bein. — Gekauft. ^I. 1458.)<br />
32. a. Trens e ng ebiß; d. Hufei sen; o. zwei Sporen, 18 Cm.<br />
!.; 6. zwei Speerspitzen, 18 und 30 Cm. l.; 6. Helm, 30<br />
Cm. hoch, alles von Eisen. ^ Lestin bei Romahn, Kreis Col«<br />
berg, beim Abbruch <strong>der</strong> Burgruine in <strong>der</strong> Erde gefunden. — Hr.<br />
v. Manteuffel durch Hru. Gymnasiallehrer Meier in Colberg.<br />
lI- 1455.)<br />
Druck von Herrcke & Lebeling in Stettin.
Diese Zeitschrift erscheint in Vierteljahrsheften. Aelterc<br />
Jahrgänge werden mit Ausnahme von I, II, XII 2, XXI 1,<br />
welche vergriffen sind, zn herabgesetzten Preisen, <strong>der</strong> Jahrgang<br />
zu 1,50 Mark, verkauft, und sind zu beziehen durch den<br />
Hauptlehrer Rusch hier, Iohannishof 1—2.<br />
Die geehrten Mitglie<strong>der</strong> ersuchen wir, ihre Geldsendungen<br />
nicht an die Gesellschaft für Pomm. Gefch. ^c., son<strong>der</strong>n<br />
an den Oberlehrer Dr. Kühne, Hohenzollernstraße<br />
8, alle an<strong>der</strong>en Zusendungen und Korrespondenzen an<br />
den Professor Lemcke adressiren zu wollen.<br />
Die Gesellschaft besitzt aus verschiedenen Funden<br />
Doubletten, wie Vierchen von Stettin, Stargard, Pyritz,<br />
Gollnow, Garz und Prenzlau, halbe und ganzeSchillinge<br />
Bogislaw's X., Groschen von Johann Cicero,<br />
Joachim I. und Albrecht, Thaler von Rudolf II., Leopold<br />
v. Tirol, Ferdinand v. Tirol, Holland, Seeland,<br />
Utrecht, Ober-Assel, Gel<strong>der</strong>n, Westfriesland, Christian IV.<br />
v. Dänemark, Wladislaw IV. von Polen ;c.<br />
Hierauf reflectirende Münzsammler o<strong>der</strong> Liebhaber<br />
wollen sich an Herrn Oberlehrer Di'. Kühne, Hohenzollernstraße<br />
8, o<strong>der</strong> an Herrn Knorrn, Lindenstraße 9,<br />
wenden.
cocr, welche lm ^5esllz älterer Iayrgangr, vc^olioore» I., ^R^.,<br />
und XXVIII. <strong>der</strong> Balt. Studien sind und kein beson<strong>der</strong>es Interesse an denselben haben, werden höflichst<br />
ersucht, sie entwe<strong>der</strong> gratis o<strong>der</strong> gegen einen zu verabredenden Preis <strong>der</strong> Gesellschaft zu überlassen.<br />
Der Vorstand.<br />
5> »?<<br />
7—'
Inhalts-Verzeichnis;.<br />
S.<br />
v. Bi'llow! Kleinodiendiebstahl ans dem herzoglichen<br />
Tchlosse zn Stettin 1574 143—16li<br />
Inl. Mneller- Venetianische ^lctenstncte znv Geschichte<br />
von Herzog Bogislavs X. Reise in den Orient ini<br />
Jahre 1497 . ' 167-293<br />
Dr. N, Priiuiers: l^'anüner Kirchenglocken 299—303<br />
Eimmduierzigster Jahresbericht. III. 304—310
Kleinodiendiebstahl<br />
auf dem herzoglichen Schlosse zu Stettin<br />
1574.<br />
Mitgetheilt von Di'. v. Vülow, Staatsarchivar.<br />
In Friedeborns Beschreibung von Stettin, II. Seite 105<br />
wird eines Diebstahls Erwähnung gethan, den im Jahre 1574<br />
ein ungetaufter Malergeselle auf dem Schloß Zu Stettin beging,<br />
und wofür <strong>der</strong>selbe nach empfangener Taufe an einem<br />
zu dem Zweck errichteten „gedoppelten" Galgen vor dem<br />
Mühlenthor gehenkt wurde. Das Nähere über diefen Diebstahl<br />
ist in einem Actenstück des Königlichen Staatsarchivs enthalten,<br />
welches <strong>der</strong> folgenden Schil<strong>der</strong>ung zu Grunde gelegt ist ^).<br />
Der Malermeister Christoph Schreiber, mit seinen Leuten<br />
seit einiger Zeit auf dem herzoglichen Schlosse beschäftigt ^),<br />
fand, als er am 22. Juni 1574 früh um 5 Uhr an die<br />
Arbeit ging, den Wendelstein offen und ein Beil daliegend,<br />
welches bei näherer Betrachtung sich als beschädigt erwies.<br />
Auch au <strong>der</strong> Thür zeigten sich Spuren angewendeter Gewalt.<br />
') Staatsarchiv zu Stettin: Stett. Arch. ?. 1. Tit. 93. Nr. 144.<br />
2) Mit dem dnrch den prachtliebenden Herzog Johann Friedrich unternommenen<br />
Umbau des feit dem Brande von 1551 theilweis wüsten<br />
fürstlichen Schlosses haben diese Arbeiten nicht zusammengehangen, denn<br />
<strong>der</strong> Abbruch <strong>der</strong> St. Ottokirche und des „alten Hauses" geschah erst in<br />
<strong>der</strong> Fastenzeit 1575. (Friedeborn II. Seite 108). In welchem Theile des<br />
Schlosses die Arbeiten gemacht wurden, läßt sich aus den Acten nicht<br />
feststellen. Wendelsteine, d. h. Treppen, gab es natürlich mehrere, doch<br />
denkt man am ersten an einen Thurm. Eine auf dem Staatsarchiv<br />
Stett. Arch. ?. I. Tit. 71. Nr. 20 befindliche bei Gelegenheit eines<br />
Iurisdictionsstreits zwischen dem Herzog und <strong>der</strong> Stadt 1607 nngefertigte<br />
Zeichnung des Schlosses und <strong>der</strong> Umgebung giebt, so<br />
interessant sie in an<strong>der</strong>er Beziehung ist, keine Auskunft.<br />
10
144 o. Aülow,<br />
Aus des Meisters Geschrer kamen zunächst <strong>der</strong> Wächter Martin<br />
uud eiu wohl a.lch ini Schlosse arbeiten<strong>der</strong> Tischler Ulrich herbei,<br />
und die alsbald angestellte Loealinspeetion ergab, daß <strong>der</strong><br />
Dieb seinen Eingang nicht dnrch die Thür, son<strong>der</strong>n durch den<br />
von außen zugänglichen Ofen genommen habe. Die Ofenthür<br />
war geöffnet, die Kacheln nach dem Gemach zu losgemacht<br />
und von einan<strong>der</strong> gebrochen. Innerhalb des gewölbten Gemaches<br />
fand man an einem Kasten die eisernen Bän<strong>der</strong> gewaltsam<br />
gelöst, den Kasten selbst dnrchwühlt, Schmucksachen-<br />
Briefe 2c. lagen auf dein Fenstersims und am Boden zerstreut<br />
umher, auch Blutspurcn und an<strong>der</strong>e Uneinigkeiten wurden<br />
gesehen.<br />
Der erste Verdacht fiel auf den Entdecker selbst, den genannten<br />
Maler, <strong>der</strong> täglich mit seinen Leuten im Schlosse ansuud<br />
eingegangen war. Sie wurden sofort verhaftet, aber<br />
schon am 27. desselben Monats wie<strong>der</strong> entlassen, da Schreiber<br />
eine hinreichende Anzahl Bürgen zu stellen vermochte ^).<br />
Auch seine Gesellen Hans Lange von Dresden und Blasins<br />
Schulte vou Riga uud die Jungen wurden nicht weiter behelligt,<br />
nachdem sie versprochen hatten, bei ihrem bisherigen<br />
Meister nnd an <strong>der</strong> ihnen aufgetragenen Arbeit ^) auf dem<br />
Schlosse weiter zu arbeiten und ohne des Herzogs Vorwissen<br />
sich nicht zu entfernen. Einer <strong>der</strong> Gesellen Schreibers aber,<br />
David Martin o<strong>der</strong> Müller aus Glatz wurde vermißt<br />
und war auch in seiner Wohnung ^) nicht zu finden. Auf<br />
2) Es bürgten Peter Mandelkow <strong>der</strong> ältere und jüngere, Wilhelm<br />
Schwade, Gorges Ruffman, Marcus Ruffmau, Balzer Nieman, Brofius<br />
Maudelkow, Valtin Dreiliugk, Lorenz Zabel, Michel Funke, Paul<br />
Meiher, Snuou No<strong>der</strong>beke, Lorenz Brüggemau, lauter stettiuer Bürger.<br />
4) Es war dies eiue Dettenmalerei aus vier- und sechseckigen<br />
Fel<strong>der</strong>n bestehend, jedes Feld mit einer von dunklem Gruude dell sich<br />
abhebenden Verzieruug im Renaissancestil ausgefüllt. Die Zeichnung<br />
befindet sich bei den Acten.<br />
5) Bei Peter Severius Wittwe im Nieu Deep. Das neue Tief<br />
war bekanntlich dasjenige Straßeneude, welches heut deu untersten<br />
Theil <strong>der</strong> Mittwochstraße bildet, vou <strong>der</strong> Kleiueu O<strong>der</strong>straßeuecke bis<br />
zum Mehlthor am Bollwerk
Kleinodiendiebstahl. 145<br />
diesen lenkte sich nun und mit Recht <strong>der</strong> Verdacht, doch kamen<br />
die sofort getroffenen Maßregeln schon zu spät, denn die<br />
schleunigst 6) wie<strong>der</strong> geschlossenen Stadtthore hatte <strong>der</strong> Dieb<br />
schon hinter sich. Dem an diesem Tage srüh zwischen 5 und<br />
l> Uhr Morgens von Nemitz her zur Stadt fahrenden Rathsschäfer<br />
Thomas Pahlen war nämlich ein nach <strong>der</strong> nemitzer<br />
Brücke zulaufen<strong>der</strong> Mann begegnet, <strong>der</strong> ihm den Eindruck gemacht<br />
hatte, als habe er „etwas npgcrichtet." Der Bach war<br />
zur Zeit nicht passirbar und <strong>der</strong> Schäfer gab mit Bezug auf<br />
den Mann bei seiner Vernehmung zu Protokoll: „dar kan he<br />
jo nicht Henkamen Watcrs halfen, wo ehn de Düvel nicht<br />
darhen overfohret." Derselbe Mann war auch von <strong>der</strong> Tochter<br />
des nemitzer Schulzen, die er nach dem „uckermün<strong>der</strong> Wege"<br />
fragte, auf die zwischen Stettin und Nemitz liegende Lübsche<br />
Mühle zugeheud, gesehen worden, und da die Personalbeschreibung<br />
auf den Malergesellen David Martin o<strong>der</strong> Müller paßte,<br />
so ward auf dieseu als den Dieb mit Eifer gefahndet. Herzog<br />
Johann Friedrich erließ noch an demselben Tage folgenden an<br />
die Aemter und Städte Ueckermünde, Stargard, Garz, Greifenhagen,<br />
Greifenberg, Colberg, Lökenitz, Penkun, Pyritz, Colbatz,<br />
Wollin und Eamin gerichteten Steckbrief:<br />
Unfern Grus zuvor! Ersame, Liebe, Getrewc! Nachdem<br />
diese vergangene Nacht inn unsere fürstliche Gewelbe alhie<br />
auf unferem Slos eingebrochen, unß auch daraus etzliche viel<br />
Kleinott und Ketten dieblich entwandt worden, und dan auß<br />
unsern Mhalergesellcn einer, Davit Müller genandt, von Glotz<br />
anß <strong>der</strong> Schlesi, ein zimlich dick untersetzter Gesell, <strong>der</strong> einen<br />
langen, brannen Vartt, einen schwartzen Mantel, schwartze<br />
parchem Plu<strong>der</strong>geseß, einen schwartzen Filtzhut ahnn und umb<br />
hat, aus uuserm Gesinde flüchtig geworden nnd heut früe umb<br />
4 Uhr bei dem Mühlenthor vorlengft <strong>der</strong> Mcnren gesehen<br />
worden, daher vormndtlichc solche Thadt von ihmc degangen,<br />
so gepietten wir euch hiemit ernstlich nnd wollen, das ihr von<br />
") Aber doch erst nach 9 Uhr Vormittags, also vier Stunden nach<br />
<strong>der</strong> Entdeckung des Diebstahls.
146 u. Vülow,<br />
Stund an durch beschiedene und solcher Sache erfarne Personen<br />
alle Straßen und Pesse zu Wasser und zu Lande, im Korne,<br />
Brüchen, Moren, Holzungen, in Vueden, Katen, Kellern befaren,<br />
bereiten, vorlauffen, und auf obbeschriebene Person<br />
steissige Nachsrag haben lasset; und wo abgedachter Davit<br />
Moller angetroffen, unß von Stund an um unser Hofflagcr<br />
nach Alten Stettin gefengklich überschicket. Wir bogeren auch,<br />
das ir Bürgermeistere und Nhate in Stedten bei den Goltsmiden<br />
fleisig bestellet, wo inen Ketten o<strong>der</strong> Kleinoter izt<br />
o<strong>der</strong> hernacher zu Kaufe gebracht o<strong>der</strong> sonst gezeiget werden,<br />
steißige Aufficht zu haben, auch davon Bericht zn thun, anch<br />
solche Ketten o<strong>der</strong> Kleinoter ohne nnser Wißen nicht folgen<br />
zu lassen. Daran thut ir unser ganz ernste nnd zuvorlessige<br />
Meinunge. Datum Alten Stettin, 22. Iuuii :c. 74.<br />
Auch sonst wurden die umfassendsten Maßregeln getroffen,<br />
um die That überall bekannt zu machen und auf den Dieb zn<br />
fahnden. Die Räthe zu Wolgast wurden in Abwesenheit des<br />
Herzogs Ernst Ludwig ersucht, die Landreuter uud Fährleute<br />
an <strong>der</strong> Swine, am Haff und am lassahnschen Wasser zu instruiren,<br />
auf die von Stettin kommenden Schiffe zn achten, an<br />
Herzog Bogislav 13. in Neuencamp schickte Johann Friedrich<br />
seinen Lakaien Jacob Schulz, <strong>der</strong> Markgraf Johann Georg<br />
von Brandenburg, des Herzogs Schwiegervater, <strong>der</strong> „General"<br />
zu Pofen, die Stadt Breslau, ja bald danach auch die kaiserlichen<br />
Räthe in Prag erhielten eigene Schreiben, die sie von dem<br />
Geschehenen in Kenntniß setzten und um ihre Mithülfe baten.<br />
An<strong>der</strong>e Boten wurden an<strong>der</strong>wärts hingesandt ^).<br />
Der Energie, mit <strong>der</strong> die Angelegenheit betrieben wurde,<br />
ist es zuzuschreiben, daß man in nngewöhnlich kurzer Zeit die<br />
Spur des Diebes fand, obgleich <strong>der</strong>selbe, nachdem er die Stadt<br />
l) Einige <strong>der</strong> Schreiben, womit die Beamten den Empfang des<br />
herzoglichen Mandats bescheinigten, sind charakteristisch. So fügt <strong>der</strong><br />
Stadtjchreiber Michael Küner zu Greisenberg dem seinigen die besten<br />
Wünsche für Ergreifung des Diebes bei und schließt: „So ists auch<br />
one daß geferlich, mit grosser Heren Güter sich zu verwirren, (Mu,<br />
llt. ill^
Meinodiendiebstahl. 14?<br />
auf <strong>der</strong> Nordseite verlassen, einen Haken geschlagen hatte und<br />
statt die Richtung nach Ueckermünde beizubehalten, auf die<br />
rechte O<strong>der</strong>seite übergetreten war. Einer <strong>der</strong> ausgesandten<br />
Späher, Jochim Woetke, konnte nämlich schon am 24. Juni<br />
brieflich an den Herzog berichten, daß er nach seiner Ankunft<br />
in Königsberg i. N. am Morgen dieses Tages dort gehört<br />
habe, ein Malergeselle ans Stettin sei am 22. nach Sonnenuntergang<br />
in die Schenke zu Schönfließ gekommen^). Er<br />
habe sich sofort an Ort und Stelle begeben und fei dort von dem<br />
Schenkwirth Elias Weichersdorf berichtet worden, sein Gast,<br />
dessen Gestalt und Habit auf Martin paßte, habe bei ihm genächtigt,<br />
sich nach dem Wege nach Berlin erkundigt und sei<br />
am 23. vor Tagesanbruch weiter gegangen. Die Zeche habe<br />
er noch am Abend mit „neuen Gröschlein" bezahlt, dabei<br />
etliche <strong>der</strong>selben nnd ein „Register" fallen lassen; von letzterem<br />
aber habe inzwischen Jemand ein Stück abgerissen, um sein<br />
Gewehr zu laden, so daß kein Name mehr darauf zu lefen<br />
sei. Dies „Register" und einige beiliegende Zettel nahm<br />
Woetke an sich und befinden sich diese Stücke bei den Acten;<br />
<strong>der</strong> Schenkwirth irrte aber, wenn er glaubte, ersteres enthalte<br />
keine Namen nnd sei daher wcrthlos, denn das aus 55 Schmalfolioblättern<br />
bestehende Heft ist nichts an<strong>der</strong>es als das Notizbuch<br />
des Christoph Schreiber, bei dem Martin in Arbeit<br />
stand und enthielt nicht nur den Namen des Besitzers, son<strong>der</strong>n<br />
auch den des Diebes. Bl. 18 fängt an: „Anno 1571 m. g.<br />
H. H. I. F. ^) habb ich Christofer Schreiber diese nachfolgend<br />
Arbeit gemacht" ?c, und auf Bl. 8 ist das dem David Martin<br />
von feinem Meister eröffnete Vorfchußconto verzeichnet, beginnend<br />
mit: „Davit Mertes gegeben auff Rechenschafft ^/2 Daler<br />
zu Ramins, noch ^/2 Daler, darnach 1 Ortzdaler, darnach<br />
n) Schönfließ liegt schon jenseit <strong>der</strong> pommerschen Grenze in <strong>der</strong><br />
Neumark, zwei kleine Meilen östlich von Königsberg und in gra<strong>der</strong><br />
Linie etwa sieben Meilen von Stettin entfernt.<br />
v) —meinem gnädigen Herrn Herzog Johann Friedrich.
148 v. Vülow,<br />
hat inl Ramm 1 fl. gegeben; den 6. Febrnari fing ehr mit<br />
mir zu Hoff an zu arbeiten" ?c.^)<br />
Hier ist <strong>der</strong> Ort, sich die Frage vorzulegen, loie Martin<br />
auf das rechte O<strong>der</strong>ufer und nach Schönfließ, seinen: ersten<br />
Nachtquartier, gekommen sein mag. Obgleich nach seiner eigenen<br />
späteren Aussage er nach vollbrachter That viel darüber<br />
nachdachte, wohin er mit seiner Beute sich begeben sollte, und<br />
Polen, Böhmen und Mähren, also lanter südlich gelegene<br />
Län<strong>der</strong> in Betracht zog, so versänmte er im Augenblicke <strong>der</strong><br />
Flncht doch den einfachsten dahin führenden Weg einzuschlagen<br />
und innerhalb <strong>der</strong> Stadt die O<strong>der</strong> zu passireu. Durch die<br />
Lastadie wäre er leicht gekommen und schon jenseit Damm, wo<br />
die Straßen sich spalten, verhältnißmäßig sicher gewesen. Statt<br />
dessen ging er vom Schloßhose aus „hinter <strong>der</strong> Maner weg,"<br />
also durch die heutige Große Ritterstraße und längs <strong>der</strong><br />
heutigen beiden Paradeplätze nach dem Passowschen Thor ")<br />
und wnrde in <strong>der</strong> Gegend <strong>der</strong> Üübschen Mühle, etwa ^/8 Meilen<br />
von Stettin, gesehen. Wahrscheinlich nöthigte ihn dort die Unpassirbarkeit<br />
des Baches zur Umkehr und nun galt es, schnell<br />
uud unbemerkt die südliche Richtung zu gewinnen. Der kürzeste<br />
Weg, wie<strong>der</strong> nach Stettin znrück, über die Langebrücke<br />
nach <strong>der</strong> Lastadie und von dort nach Damm war jetzt, wo die<br />
Stadt alarmirt war, so gefährlich, daß Martin auf demselben<br />
<strong>der</strong> strafenden Gerechtigkeit direet in die Arme gelanfen wäre.<br />
Ein zweiter Weg bot sich ihm nach einem <strong>der</strong> von Nemitz<br />
wenig entfernten uuterhalb Stettin die O<strong>der</strong> entlang liegenden<br />
^) Trotz <strong>der</strong> etwas ver<strong>der</strong>bten Namensform ist hier keine an<strong>der</strong>e<br />
Persönlichkeit zu verstehen; ans Martins später zn erwähnendem Verhör<br />
geht hervor, daß er jnr Alexan<strong>der</strong> v. Ramin gearbeitet hatte, <strong>der</strong> Lohn<br />
ihm aber von demselben vorenthalten worden war. Der übrige Theil<br />
des Heftes enthält anßer vielen leeren Blättern Notizen über gelieferte<br />
Schnei<strong>der</strong>arbeit nnd verschiedene Recepte.<br />
ll) So Martins eigene Aussage, die an<strong>der</strong>en Berichte sprechen vom<br />
Mühlenthor, dessen Stelle jetzt das Standbild Friedrichs des Großen<br />
bezeichnet. Das Passowsche Thor lag etwa da, wo jetzt <strong>der</strong> Rosengarten,<br />
die grüne Schanze nnd die Lindenstraße zusammenstoßen. Von<br />
beiden Thoren aus kann man nach Nemitz gelangen.
Kleinodiendiedsiahl. 149<br />
Wasserdörfer Grabow, Frauendorf, Gotzlow:e., dort über die<br />
O<strong>der</strong> und den dammfchen See nach Damm und dann auf <strong>der</strong><br />
pyritzer Straße am Kloster Colbatz vorbei nach Schönstieß;<br />
aber auch hier war ein längeres Verweilen in <strong>der</strong> Nähe Stettins<br />
nothwendig, und <strong>der</strong> Ucberfahrt über Fluß und See konnten<br />
sich Schwierigkeiten entgegenstellen. Es blieb also nnr <strong>der</strong><br />
dritte Weg westlich an Stettin vorbei über die Dörfer Scheune,<br />
Pritzlow ?c. nach dem greifenhagener Paß, dort über die O<strong>der</strong><br />
und über Bahn nach Schönstieß; und trotz <strong>der</strong> größeren Entfernung<br />
muß dieser Weg, weil <strong>der</strong> ursprünglich eingeschlagenen<br />
Richtung diametral entgegen, als <strong>der</strong> anscheinend sicherste gelten;<br />
zum Ueberstuß bestätigt auch eine Notiz im späteren Verhör<br />
die Annahme, daß Martin ihn wirklich gewählt hat. Freilich<br />
sollte gerade auf ihm seine Entdeckung bewirkt werden.<br />
Seit <strong>der</strong> Dieb auf fremdes Gebiet übergetreten war, nahm<br />
die Verfolgung einen ganz an<strong>der</strong>n Charakter an; sie wurde<br />
trotz <strong>der</strong> von den fchon benachrichtigten benachbarten Fürsten<br />
bereitwillig geleisteten Hülfe sehr umständlich, nnd als man<br />
in immerhin verhältnihmäßig kurzer Zeit des Verbrechers habhaft<br />
geworden, bedurfte es noch vieler Verhandlungen und<br />
Rechtsverwahrungen, bis er den herzoglichen Commiffarien<br />
übergeben und das geraubte Gut dem Eigenthümer wie<strong>der</strong> zugestellt<br />
wurde. Ein in diplomatischen Verhandlungen geübter<br />
Gesandter wurde in <strong>der</strong> Person des herzoglichen Sccretairs<br />
Johann Hagemeister mit <strong>der</strong> ferneren Verfolgung betraut;<br />
er erhielt die weitgehendsten Vollmachten für die nöthigen<br />
Verhandlungen mit den fremden Beamten und hinreichende<br />
Geldmittel zur Bestreitung <strong>der</strong> möglicher Weise sich lang hinziehenden<br />
Reise. Schreibt er doch schon in seinem ersten Bericht<br />
an den Herzog Johann Friedrich ^), daß er in drei o<strong>der</strong><br />
vier Tagen in Prag zu sein gedenke. Er konnte damals<br />
'-) Cüstrin, den 27. Juni 1574. In Hagemeisters Beglaubigungsschreiben<br />
für die kaiserlichen Räthe in Prag heißt es, <strong>der</strong> Dieb habe<br />
verlauten lassen, daß er in Prag Bekannte habe; er werde sich also<br />
wahrscheinlich dorthin begeben, nm den Raub daselbst unter die Juden<br />
und Goldschmiede zn bringen.
150 v. Vülow,<br />
noch nicht wissen, daß <strong>der</strong> Dieb nur noch einen geringen Vorsprung<br />
vor ihm hatte und sehr bald in seinen Händen sein<br />
werde. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir auch zuerst das<br />
Nähere über die geraubten Gegenstände, denn unter Hagemeisters<br />
Papieren befindet sich das folgende<br />
Vorzeichnus,<br />
was meinem gnedigen Fürsten und Herrn, Herrn<br />
Iohans Friedrichen zu Stettin, Pommern ?c.<br />
Herzogen, durch I. f. G. Mahlern, fo sich Davidt<br />
Märten genant, dieblich entwandt und weggebracht<br />
wordenn.<br />
1. Erstlich eine güldene Kette mit runden Glie<strong>der</strong>n,<br />
wieget ungefehr in die vierdthalb hun<strong>der</strong>t Engellotten.<br />
2. Eine Panzerkette, wieget über dreyhun<strong>der</strong>t Cronen,<br />
daran hanget ein Zehenstörer sampt einem Ohrleffel mit zehen<br />
o<strong>der</strong> dreyzehen kleinen Turckeßen.<br />
3. Sechs Perlen und von gezogenem Golde Krenze,<br />
darin hangen eitell Kleino<strong>der</strong>, unter welchen in dem einen<br />
grossen, so von grossen Zahlperlen, ein gar groß Kleinodt<br />
hanget von achthun<strong>der</strong>t Talern.<br />
4. Die an<strong>der</strong>n übrigen seindt Crucifix, eines von eiteln<br />
Taffeldemant, das an<strong>der</strong> von eitelln guten Rubinen, die<br />
übrigen seindt allerley Arth gewesen.<br />
5. Einen Munsterschen Taler.<br />
6. Einen guten Seckell voller alter Münz, so bey <strong>der</strong><br />
alten Keiser Zeitten geschlagen worden.<br />
7. Pfalzgraff Friedrichs des dritten Contrafact, in Messing<br />
gegossen, uberguldet.<br />
8. Einen kleidenen gülden Ring, so mit eiteln Rubinen<br />
und Taffeldemant vorsetzt.<br />
9. Item noch ezliche zimliches Werths Kleinodia<br />
und Madcien (?), <strong>der</strong>er Anzal man in <strong>der</strong> Eill nicht<br />
wissen kan.<br />
10. Ein Pizschirring, darin meines gnedigen Fürsten<br />
und Herrn, Herzog Iohans Friedrichs ec. Namen und das
Kleinodiendiebstahl. 151<br />
fürstliche pommerische Wapen sampt <strong>der</strong> Iarzahl 1560<br />
gestochen, so mit Tafeldemanten und Türckeßen besezt.<br />
11. Eine knö'chene Pfeift in Form eines Posthornes,<br />
das man auf beiden Seitten Pfeiffen kan, daran hochgedachts<br />
meines gnedigen Herrn Namen stehet, und verguldet an einem<br />
kleinen Kettlein hanget.<br />
12. Ezliche in türckischer Arbeidt ausgeneihete Fazenetel,<br />
eins Theils in Seiden und ezliche in Goldt geneihet.<br />
Hagemeister begab sich direct nach Cüstrin, als dem<br />
Sitz <strong>der</strong> neumärkischen Regierung, hatte am Tage seiner<br />
Ankunft, dem 26. Juni, eine Besprechung mit dem brandenburgischen<br />
Statthalter und fand dort fo hülfreiche Unterstützung,<br />
daß er am folgenden Tage nach Frankfurt weiter<br />
reisen konnte. Der Statthalter sandte zwei wegekundige Männer,<br />
den einen nach Polen zu, den an<strong>der</strong>n in südlicher Richtung<br />
auf Glatz hin, um die Spur des Flüchtlings zu verfolgen,<br />
und versah außerdem den pommerschen Abgesandten mit<br />
Schreiben an die Hauptleute zu Beeskow, Crossen und Cottbus,<br />
von denen <strong>der</strong>selbe, wie gleich ersichtlich sein wird, einen klugen<br />
Gebrauch zu machen wußte. Schon in Cüstrin zeigte es sich,<br />
daß <strong>der</strong> Dieb nicht allzufern sein konnte. Der Hauptmann<br />
<strong>der</strong> Landsknechte daselbst berichtete, er habe „vor zwei Tagenn<br />
einen Kerl mit einem schwarzen Mantel und Filzhuete durch<br />
Cüstriu leiten lassen", und auf Hagemeisters unermüdliches<br />
Fragen in Krügen und Kretzschamen, an den Thoren, in den<br />
Herbergen, Garküchen, bei Malern und an<strong>der</strong>en erfuhr er don<br />
einem Vorübergehenden, „eß wiere ime gestriges Tages bei<br />
Franckfurt einer mit gebloßetenn Schenckelenn unnd in einem<br />
weißen kleinzerstochenem Wambs begegnet, <strong>der</strong> fast ser geeilet,<br />
alßo daß er einen bösen Argkwohn zue ime geschepffet unnd<br />
bei sich selbst gedacht: welcher Teuffel jegt denn Kerl, daß er<br />
alßo leuffet?" „Wie ich ine nun gefragt, wie er gesehenn,<br />
sagte, daß er einen weißbraunen Bartt gehatt und von Hize<br />
und Augen rott gewesen, hette darzue einenn schwarzen<br />
Mantel und einen Huet, wie meiner wiere, auff gehapt".<br />
Im Märkischen, namentlich in <strong>der</strong> frankfurter Gegend,
152 v. Bülow,<br />
brauchte Hagemeister die Vorsicht, unter Vorzeigung <strong>der</strong> ihm<br />
in Cüstrin übergebenen Schreiben den Glanben zu erwecken,<br />
als geschehe die Verfolgung im Namen und auf Befehl des<br />
Kurfürsten; denn er kannte die geringe Znneignng <strong>der</strong> frankfurter<br />
Kaufleute gegen Pommern, speciell gegen Stettin, mit<br />
welcher Stadt die O<strong>der</strong> aufwärts gelegenen Städte in beständigem<br />
Streit wegen des Flußhandels waren. Merken die<br />
Leute, so schreibt Hagemeister, daß ich aus Pommern komme,<br />
so sagen sie mir nicht die Wahrheit nnd verheimlichen den<br />
Thäter. „Ich werde meiner Hoffnung betrogen, daß ich dem<br />
schelmischen Diebe uff die Fußstappen kommen müchte. "<br />
Trotz dieser trüben Erfahrung sollte <strong>der</strong> mit so großem<br />
Eifer für seinen Herrn thätige Hagemeister nnr wenige Tage<br />
darauf die Freude erleben, feine Mühe uud zwar gauz unerwartet<br />
belohnt zu fehen, denn als er von Frankfurt aus über<br />
Er offen in <strong>der</strong> Richtung nach Glog au seine Straße weiter<br />
zog, traf er zu Groß-Bohrau uuweit Freistadt,<br />
einem den von Rechenberg gehörigen Dorfe, mit dem<br />
Diebe in eigner Person ganz unvermuthet zusammen. Lassen<br />
wir ihn selbst reden, wie er noch ani 29. Juni von Freistadt<br />
aus an den Herzog berichtet: „ Nnn sol E. f. G.<br />
ich zu gueter newer Zeittunge in Unterthenigkeitt nit verhaltenn,<br />
daß ich nach vieler angelegten Kuutfchafft, auch<br />
gethaenenn stettigen unnachleßigem Faren, Reittenn unnd<br />
Lauffenn, unnd nit one geringe Geltauffwendunge denn Theter<br />
eine Meile Wegeß alhie vonn Freistatt um einem Dorffe<br />
Großenn Borow darinn Hans, Baltasar uund Siegemundt<br />
die von Rechenberge erbseßenn, betrettenn uund zn Hafft auch<br />
alßo verwarenn laßenn, daß er nicht entwerdenn tan, denn<br />
er mit eißerenn Feßelen ahn Hent und Füeßen inn einen:<br />
Stocke unnd mit Wechteren, die Nacht und Tagk bei ime<br />
sein, wol verwharett. Damit aber E. f. G. kurzlich mugeun<br />
Bericht haben, wie eß mitt E. f. G. entragenenn Kleinodien<br />
gewandt, ist es ahnn dem, daß ich denn Theter, denn ich in<br />
gedachtem Dorffe in <strong>der</strong> Schencke Bier drinckende angetroffene<br />
angefchreienn unnd in Gegenwardt ezlicher Paurenn alßofortt
Kleinodiendiebstahl. 153<br />
angefallen« unud zu Bodem geschlagen; wiewol er sich nit<br />
znr Wehre gesezett, son<strong>der</strong>enn sich gefangenn geben und Gnade<br />
gebetenn unnd gesaget, er wolt nit entweichenn, er wiere<br />
schnldich unnd wolte gcrnnc dafnr leiden, ich solte ine nit<br />
mer schlagen, habe ich ine gesenglich durch zwei Kerle, so ich<br />
bei mir gehapt und darzu bestelt, annemenn unnd daruff die<br />
obgedachte Iunckeren umb Recht erßuchet, daß sie ine wolten<br />
uff Caution gefenglich einziehenn laßenn, welchs sie denn nach<br />
eingenommenen Bericht deß Theters Verbrechunge ganz Willich<br />
unnd gernne gethaen. Zuvor unnd ehe aber solchs geschehenn,<br />
habe ich inndem wie ich den Theter geschlagen, ine gefragt,<br />
uw er daßjenmge hette, so E. s. G. er dieblich entwantt?<br />
Hatt er gesagt: Hie ist eß inn diesem Kober noch alle unverruckt<br />
bei einan<strong>der</strong>, habe nichtes davon wegkgebracht, nemet<br />
eß hin. Wie ichs nuu angenommen, habe ich die Leute, so<br />
zugegen wharen, angerueffenn, daß sie mir wolten Zeugnus<br />
gebcnn, daß ich denu Koeber nicht ehe biß daß die Gerichte<br />
zuegegen wieren, auffmachen wolle, damit <strong>der</strong> Theter, wen<br />
etwaß darvon kommen, nicht sagenn durffe, ich hatte es inn<br />
meiner Verwarung gehabt und damit nach meinem Willen<br />
schaffen konnenn. Wie nun die Gerichte albeieinan<strong>der</strong> gewesen,<br />
habe ich mit Wi<strong>der</strong>holunge deßjennigen, waß ich wegen <strong>der</strong><br />
Eröffnunge protestirt, uff ir Pitte alleß Zeugk auß dem Kober<br />
gethoeu unnd stückweiß besichtiget unnd bei einan<strong>der</strong> gele^ett<br />
uud daßelbe durch <strong>der</strong> Eddeleut Schreiber inn ircr aller<br />
Kegenwartt verzeichnenn laßenn unnd darnach solchs alleß nebenn<br />
dem Verzeichnus wi<strong>der</strong> inn den Koeber gelegtt. Denselben<br />
habenn die Iunckeren uund ich versiegelt und gepetcnn, daß sie<br />
es inn ire Verwharuuge nehmenn wolten, wclchs dann geschehen,<br />
unnd hatt <strong>der</strong> gedachtem: Edclleut Mutter, eine alte ehrliche<br />
Matrone, denn Koeber alßo versiegelt inn einem Kasten biß<br />
uff mein Wi<strong>der</strong>fur<strong>der</strong>en verwarett, wie E. f. O. ich deß alleß<br />
Kuntschafft bringen will.<br />
Nun ist vorhanden gewesen E. f. O.<br />
zwei Ketten (vgl. oben Nr. 1. und 2.)<br />
das Daumpizschafst (oben Nr. 10.)
154 v. Bülow,<br />
ein Ringk mit vielen Demanten versezet (oben Nr. 8.)<br />
ein alt halb zerbrochen Ringk,<br />
daß mit Golt beschlagene von Einhorn gemachte Wiltpfeifflein<br />
(oben Nr. 11.)<br />
drei Kleinodia unverlezet,<br />
7 o<strong>der</strong> achte Perlenkrenzlein, daranß ezlich wenich Perlell<br />
gefallen, (oben Nr. 3?)<br />
39 Roselein klein und groeß, auch unverlezt,i<br />
ezliche alte Münze (oben Nr. 6.)<br />
drei Schnuptüchlein (oben Nr. 12.)<br />
unnd ein Contrafei, welches überguldet (oben Nr. 7.).<br />
Wie ich ine nun gefragt, ob er ettwaß mehr gennommen,<br />
den E. f. G. missen <strong>der</strong> key. M. Contrafei, hatt er geantwortet,<br />
eß wiere nit dabei gewesen, alleinn ein ungerischer Gulde, denn<br />
hette er zu Cüstrin inn <strong>der</strong> Apoteken gewechselt zur Zerunge,<br />
sonst hette er nit ein Dingelin davon weggebracht. Alß ich<br />
nun weiter zu ihme gesagt: „Du loser Schelm, worumb<br />
hastu den frommen Fürsten alßo bestolen?" hat er angefangen:<br />
„Der Teuffel hatt mich betrogen unnd verfürett; hette eß wol<br />
nicht gethaenn, aber Alexan<strong>der</strong> Rammin hatt mich darzue<br />
gebracht, dardurch daß er mir meinenn verdientenn Lohn<br />
furenthaltenn". Nun fing er an: „Ich wil an Gotts Gnade<br />
unnd Barmherzigkeit nit verzagenn, ich wil gerne meine Uebertretunge<br />
mit dem Halse bezalenn, waß geschehen ißt, magk<br />
nicht wi<strong>der</strong>gebracht werdenn, wiere es nicht geschehen, eß solte<br />
zu ewigen Ieitten nicht geschehen".<br />
Martins Aussage, daß <strong>der</strong> ganze Raub noch beisammen<br />
sei und er außer dein in <strong>der</strong> eüstriner Apotheke gewechselten<br />
ungrischen Ducaten nichts davon genommen habe, kann als <strong>der</strong><br />
Wahrheit gemäß angenommen werden, denn das oben mitgetheilte<br />
Verzeichniß <strong>der</strong> gestohlenen Sachen stimmt im Wesentlichen<br />
mit dem Inhalt des bei seiner Ergreifung mit Beschlag<br />
gelegten Kobers. Von an<strong>der</strong>n Kostbarkeiten, die auch fehlten,<br />
z. A. des Herzogs eigenes und des Kaisers Conterfei und<br />
„die güldene Fle<strong>der</strong>mauß," wollte er trotz oftmaligen Verhörs<br />
nichts wissen, und Hagemeister selbst bezeichnet gewisse in Stettin<br />
.
Kleinodiendiebstahl. 155<br />
gemachte Aussagen als irrig und übertrieben. Namentlich<br />
fcheint <strong>der</strong> gleich anfangs auftretende Tischler mehr ausgesagt<br />
zu haben, als er beweisen konnte, denn Hagemeister charakterisirt<br />
„alle seine vorgegebene Kundschaft erdichtet und falsch,"<br />
und als <strong>der</strong> Mann zur Confrontation nach Freistadt geschickt<br />
werden sollte, zog er vor, dort nicht zu erscheinen.<br />
War man dem Diebe schnell genug auf die Spur und<br />
danach seiner habhaft geworden, fo nehmen die weiteren Verhandlungen<br />
um so mehr Zeit weg. Die Gefangennehmung war<br />
in fremdem Gerichtsbanne, im Fürstenthum Glogau ^) geschehen,<br />
und die von Hagemeister an die Grundherren, die von Rechenberg<br />
auf Groß-Borau, gerichtete Frage wegen Auslieferung des<br />
Gefangenen an den Herzog von Pommern konnte, weil den<br />
Rechten ihres Landesherrn zuwi<strong>der</strong>, nur ablehnend beantwortet<br />
werden. Keinen an<strong>der</strong>n Bescheid durften die <strong>der</strong> Transmission<br />
wegen an den kaiserlichen Hauptmann Caspar von Kitlitz auf<br />
Maltitz abgefertigten pommerschen Räthe Hans von Vröcker,<br />
Hauptmann zu Stettin, und Philipp Putkamer erwarten, obgleich<br />
sie sich viel Mühe darum gaben. Es würde zu weit<br />
führen, den fchleppenden Gang <strong>der</strong> Verhandlungen im Einzelnen<br />
zu verfolgen und die wie<strong>der</strong>holt von pommerfcher Seite abgeschickten<br />
Gesuche nebst den darauf ertheilten Bescheiden zu<br />
registriren; es wird genügen, zu sagen, daß <strong>der</strong> emsige und<br />
gewandte Hagemeister, <strong>der</strong> mittlerweile nach Stettin zurückgekehrt<br />
war, am Montag den 12. Juli eine zweite Reise, dieses<br />
Mal nach Prag, antreten mußte ^), um dort bei <strong>der</strong> kaiser-<br />
'2) Das Fürstenthnm Glogau war nach mehrfachen Kämpfen<br />
zwischen Herzog Johann von Sagan und König Mathias von Ungarn<br />
1506 an die Krone Böhmen gekommen.<br />
") In Prag machte man anfänglich Schwierigkeiten nnd Hagemeister<br />
war gefaßt, sogar nach Wien gehen zu müssen. Von Prag<br />
ans „wolte E. f. G. ich innerhalb 14 Tagen denn Theter und die<br />
Cleinodien lieferen, wo ich aber nach Wien verreisen muß, Wirt eß wol<br />
drei Wochen wieren". Nebenher beschäftigen ihn auch seine häuslichen<br />
Angelegenheiten. Da ich, schreibt er, „meiner Wie<strong>der</strong>anheimlunfjt<br />
ungewiße, unnd ich mich izo ermncrtt, daß ich ann Korn zu Haus
156 v. Bülow,<br />
lichen Regierung die Ausfolguug des Gefangenen zil bewirken,<br />
nnd daß er seinen Zweck auch glücklich erreichte, denn unter<br />
dem 19. Juli erließ Kaiser Maximilian 2. von Wien aus ein<br />
Schreiben an den Hauptmann von Kitlitz, das ihn — da<br />
Martin „an<strong>der</strong> Deube (!) halben mer in Verdacht seu, darumben<br />
er <strong>der</strong> Ort, da sie begangen worden, am fueglichisteu befragt<br />
werden nmeßte — zur Auslieferung des Diebes gegen einen<br />
Revers ermächtigte. Am 4. Aug. konnte Hagemeister die glückliche<br />
Botschaft von Voran aus an den Herzog melden und hoffte<br />
— <strong>der</strong> 4. Aug. war ein Mittwoch — am darauffolgenden<br />
Sonnabend, also den 7. Aug., wie<strong>der</strong> iu Stettin zu sein, „unnd<br />
zweiffele nitt, E. f. G. werdenn diefe meinen angewantenn<br />
Fleiß, Muhe und Arbeit, so es mir (daß Gott weiß) gekostet,<br />
inn Gnaden vermerckcn." ^)<br />
Heber den Transport des Gefangenen nnd seine Ankunft<br />
in Stettin schweigen die Aeten; <strong>der</strong> Faden <strong>der</strong> Erzählung läßt<br />
sich erst wie<strong>der</strong> anknüpfen an zwei Verhöre, die Martin am<br />
12. und 14. Aug. zu bestehen hatte. ^) Es war nemlich an<br />
den Tag gekommen, daß er zur Seete <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>täufer ^') gehöre,<br />
und obgleich nicht anzunehmen ist, daß man fein Verbrechen<br />
in irgend welchen Kausalzusammenhang mit seinem<br />
religiösen Bekenntniß bringen zu müssen glaubte, so wurde er<br />
einenn geringen und fast keinenn Vorrath gelassenn, alß bitt ich un<strong>der</strong>theniglich,<br />
mir nach E. f. G. gnedigem Willen womit zu Statten zu<br />
kommen".<br />
15) Bei solcher Gelegenheit wurden auch andre Geschäfte mit besorgt<br />
: „Sonst habe E. f. G. ich einenn Zel<strong>der</strong>, so von an<strong>der</strong>en für<br />
guet und schoen angesehen und gehalten wird, gekaufft verhoffentlich,<br />
wo E. f. G. ich denselben iu itzigem Zustande zuebriua/u werde, dieselben<br />
werden einn gnediges Gefallen daran tragen.<br />
^) Das zweite Verhör fand „auf dem Thurme hinter S. Marienkirchen"<br />
statt, vermuthlich also im Gefänguiß, demi an jeuer Stelle<br />
staud ein Wiekhaus bei <strong>der</strong> Stadtmauer, iu Gegeuwart <strong>der</strong> fürstlichen<br />
Räthe Andreas und Litich Borcke, des Hauptmanns Haus Bröcker, des<br />
Nentmeisters Israel Kaykow und <strong>der</strong> Schoppen Matthäus Winse, Joachim<br />
Westphal, Georg Wüstehofen, Beuedict Fuchs und Otto Nammin.<br />
") Nicht Inde, wie Verghaus Landbuch II. 9. Seite 9^ iu <strong>der</strong><br />
Aumerkung vermuthet.
Kleinodiendiebstahl. 15?<br />
doch am ersten <strong>der</strong> genannten Tage darüber genau ausgefragt.<br />
Wir entnehmen beiden Protokollen Folgendes:<br />
Sein Vater heiße Christoph Merten, sei ein Bauersmann,<br />
habe erst zu Großen-Bahr gewohnt, und sei dann nach Glatz<br />
gezogen. Di'. Knorre habe ihn vor 36 Jahren wegen <strong>der</strong><br />
Wie<strong>der</strong>täufern von Großen-Nahr vertrieben. Die Mutter lebe<br />
noch in Glatz.<br />
Er selbst sei zu Taur^) unter den Rechenbergen vor<br />
36 Jahren geboren und auch daselbst ges au gen. Ob<br />
er wie<strong>der</strong>täuferisch geboren sei, wisse er nicht. Sein Vater<br />
habe ihm seinen Namen Merten gegeben, sein ältester Bru<strong>der</strong><br />
heiße Abraham, sei auch nicht getauft, jetzt Papist iu Prag<br />
und Maler wie er; seine zwei Schwestern seien getauft auf<br />
Nöthigung des Bischofs Ernst. ") Als er zehn Jahr alt gewesen,<br />
sei er zum ersten Mal in die Kirche gekommen, seine<br />
Eltern hätten ihn die zehn Gebote, Vater Unser und den Glauben<br />
gelehrt, zum Testament sei er nie gegangen, auch seine Eltern<br />
nicht. Er habe bei Meister Hans Schultz in Prag sein Handwerk<br />
gelernt uud sei auf dasselbe 13 Jahre lang im römischen<br />
Reich, Nie<strong>der</strong>land und Brabant gewan<strong>der</strong>t, in Stettin habe er<br />
etwa 20 Wochen bei seinem Meister gearbeitet. Er sei gern<br />
in die evangelischen Kirchen gegangen, habe sich auch taufen<br />
lassen wollen, namentlich zweimal in Krankheitsfällen, es jedoch<br />
aus Scheu <strong>der</strong> Leute unterlassen. Er habe Niemandem gesagt,<br />
daß er uugetauft fei, und so sei es gekommen, daß er in Glatz<br />
dreimal bei Evangelischen zu Gevatter gestanden habe. Jetzt<br />
'") Ein Rechenbergsches Gut dieses Namens kann ich nicht finden,<br />
vielleicht ist Tarna u bei Freistadt gemeint, welches 1536 nnd anch<br />
wohl später im Besitz dieses Geschlechtes war; dann dürfte das obengenannte<br />
Grossen-Vahr mit Groß-Borau identisch nnd durch wnn<strong>der</strong>bare<br />
Fügung Martins Heimath anch <strong>der</strong> Ort seiner Gefangennahme sein.<br />
'5) Ein Bischof Ernst läßt sich in den Visthnmern, an welche<br />
hier zunächst gedacht werden muß, um diese Zeit, d. h. etwa 1550,<br />
nicht nachweisen. Die Visthnmer Meißen, Breslau, Olmütz, Prag<br />
lönncn in Betracht gezogen werden- das letztgenannte hatte <strong>der</strong> hussitischeu<br />
Bewegung wegen damals leinen Bischof, son<strong>der</strong>n stand nnter<br />
Administration.
158 u. Vülow,<br />
aber bitte er um die heilige Taufe und das Sacrament zu<br />
keinem an<strong>der</strong>n Ende, als zu seiner Seelen Heil und Seligkeit,<br />
so er leben und sterben wolle.<br />
Auf die Frage nach einem Amulet in Form eines von<br />
ihm selbst mit beson<strong>der</strong>en Charakteren geschriebenen Schutzbriefes,<br />
den man bei ihm fand, sagte er aus: Christoff von Walstein<br />
habe diese Charaktere von einem böhmischen Herrn, Wenzlaus<br />
Kappun genannt, geliehen und ihm für drei Thaler abzuschreiben<br />
gegeben, da habe er sie des Nachts auch für sich abgeschrieben,<br />
zuerst auf Papier und dann in Hamburg auf<br />
Pergament. Die Schrift sei keinem Menschen sonst mitgetheilt<br />
worden, als des Fiscals zu Mainz Sohn, Reichard Werdeman,<br />
es sei dadurch auch Niemandem Schaden zugefügt. Er habe<br />
dem Briefe die Kraft zugetraut, daß er für Wasser, Feuer,<br />
Hauen, Stechen, Gift und an<strong>der</strong>es sicher mache, doch habe er<br />
niemals diese Kraft selbst empfunden noch versucht, auch wisse<br />
er selbst nicht, was in dem Briefe stehe.<br />
Die erste Anregung zum Einbruch und Diebstahl auf dem<br />
herzoglichen Schloß habe er am Tage vor <strong>der</strong> That empfunden,<br />
es sei nemlich, als er mit den an<strong>der</strong>en Gesellen statt zu arbeiten,<br />
oben gezecht habe, des Herzogs Leibjunge Krockow an<br />
ihnen vorbei in das Gewölbe gegangen, das habe ihn auf den<br />
Gedanken des Diebstahls gebracht, so daß er gleich oben geblieben<br />
sei. Zwischen 10 und 12 Uhr Nachts — beim<br />
Pförtner Claus sei noch Jemand wach gewesen — habe er den<br />
Einbruch vollführt, indem er zuerst mit dem Beil die Ofenthür<br />
aufzubrechen versuchte. Als dies nicht gelungen sei, habe er<br />
sich seines Messers zum Oeffnen des Schlosses bedient, sei dann<br />
in den Ofen selbst gekrochen, habe mit dem Beil die Kacheln<br />
losgemacht und sei so in das Gemach gekommen. Dabei und<br />
bei dem nachherigen Oeffnen des Kastens mit Kleinodien müsse<br />
ihm <strong>der</strong> Teufel geholfen haben, sonst hätte es ihm so bald<br />
nicht gelingen können. Die Schlüssel zum Kasten hätten übrigens<br />
an <strong>der</strong> Thür, wenn man herausgeht, zur rechten Hand gehangen<br />
und er habe sie alle <strong>der</strong> Reihe nach durchftrobirt, bis<br />
er den richtigen gefunden. Was er alles aus dem Kasten
Meinodiendiebstahl. 159<br />
genommen, habe er zur Zeit selbst nicht gewußt, erst als er<br />
auf <strong>der</strong> Flucht nach Greifenhagen gekommen sei, habe er den<br />
Raub näher untersucht und sei hart erschrocken, als er gesehen,<br />
daß es die Kleinodien und namentlich „F. G. Pitschir" seien.<br />
Es sei ihm auch so angst und bange deshalb gewesen, daß er<br />
während <strong>der</strong> ganzen Flucht nur wenig gegessen habe. Bis<br />
gegen 2 Uhr sei er im Finstern im Gewölbe gewesen, habe in<br />
demselben (ouin voiua) sein Wasser abgeschlagen, ^^) dann sei er<br />
„oben in die Schnecke" Wendeltreppe^ gegangen, habe sich dort<br />
bis gegen 4 Uhr aufgehalten und sei dann vom Schloßhof<br />
herunter hinter <strong>der</strong> Mauer weg nach dem Passowschen Thor<br />
gegangen. An Gelde habe er fünf braunschweigsche alte Groschen<br />
und drei Kikerlinge, sowie einen gebogenen Goldgulden<br />
genommen; den letzteren habe er Zu Cüstrin in <strong>der</strong> Apotheke<br />
gewechselt, das andre Geld aber unterwegs verzehrt. Mit den<br />
Kleinodien habe er nicht gewußt, wohin; alle Stunden sei ihm<br />
ein an<strong>der</strong>er Gedanke gekommen, bald habe er damit nach Polen,<br />
bald nach Böhmen o<strong>der</strong> Mähren entweichen wollen, ja er sei<br />
auch willens geweseu, zwei Kleinode sammt dem Petschaftring<br />
wie<strong>der</strong> zurückzuschickeu, und habe, um einen Boten zu gewinnen,<br />
von dem einen Kranz „die güldene Pockeln" abgebrochen und<br />
sie verkaufen wollen. Das Verzeichniß <strong>der</strong> bei dem Diebe gefundenen<br />
Kleinode spricht ja auch von „Perlenkrenzlein, darauß<br />
ezlich wenich Perlen gefallen." Martins Vorleben war keineswegs<br />
vorwurfsfrei; war er auch kein Dieb von Profession, so lieferten<br />
die verschiedenen Verhöre doch hinreichenden Beweis dafür, daß er<br />
bei günstiger Gelegenheit in frem<strong>der</strong> Leute Truhen und Kisten herzhaft<br />
zu greifeu verstand. Durch die überall hin verschickten Schreiben<br />
und Boten des Herzogs war <strong>der</strong> Diebstahl und <strong>der</strong> Name<br />
des Diebes in ungewöhnlich kurzer Zeit weit und breit bekannt<br />
geworden, und wem in den letzten Jahren etwas gestohlen<br />
worden war, <strong>der</strong> stellte Untersuchungen und Erkundigungen an,<br />
ob Martin wohl <strong>der</strong> Dieb sein könnte. Wenn dieser nun auch,<br />
wie wir gesehen haben, <strong>der</strong> „güldenen Fle<strong>der</strong>mauß" und andrer<br />
'^) Ein bekannter abergläubischer Gebrauch, um die Entdeckung<br />
eines Diebstahls zu verhin<strong>der</strong>n.
160 u. Bülow,<br />
Dinge, die ihn bedrohten, standhaft und mit Erfolg sich erwehrte,<br />
und ein Befuch in kaiserlicher Majestät Schatzkammer<br />
ihm nicht bewiesen werden konnte, fo fand er es doch gerathen,<br />
mit Bezug auf frühere Verbrechen offen heraus zu reden und<br />
fein Gewissen zu entlasten.<br />
Abgesehen von zweimaliger Verleitung zum Ehebruch bekannte<br />
er einen großen Diebstahl, den er vor sieben Jahren,<br />
also 1567, in Bautzen begangen hatte, um sich wegen übler<br />
Behandlung zu rächen. Es finden sich über diese Angelegenheit<br />
mehrere Schreiben bei den Aeten, so daß wir in <strong>der</strong> Lage<br />
sind, dieselbe nach Martins Aussage und zugleich nach den<br />
Berichten <strong>der</strong> sächsischen Behörden zu erzählen. Während er<br />
bei einem bautzener Domherrn, dem Dechanten Johann Seibentritt<br />
(o<strong>der</strong> Leisentritt) einige Arbeit verrichtete, habe er gelegentlich<br />
mit seinen Mitgesellen in eine unschuldige scherzhafte Balgerei<br />
sich eingelassen, darüber seien sie eingezogen worden und <strong>der</strong><br />
kaiserliche Gegenhandler und Einnehmer in <strong>der</strong> Oberlausitz,<br />
Hans von Pitzenberg, habe ihn in das Halseisen schlagen lassen<br />
wollen. Nur durch des Dechanten Fürsprache sei er davon frei<br />
gekommen und fei denn etwa vier Wochen fpäter dem von<br />
Pitzenberg ins Fenster gestiegen und habe ihm von feinem<br />
Eigenthum entwendet „18 Taler Müntze unnd ezliche alte<br />
Schlickenn- und dreikoppige Taler, sibenn güldene Ringe, eilff<br />
Schilde, fo die Spylleute tragen, eilfftehalb Taler ann Schreckenberger,<br />
achtehalbenn Taler aun Düttkenn, eine güldene Kethe,<br />
so gewogen 200 Dueatenn nebenn einem Portngalofer ^)<br />
2!) Schlickthaler o<strong>der</strong> Ioachimsthaler sind die zuerst von den<br />
Grafen Schlick in Böhmen seit 1513 geprägten großen Silbermünzen -<br />
Dreiköpfige Thaler können <strong>der</strong> Zeit nach hier wohl nur die<br />
sächsischen Gemeinschaftsthaler sein, welche mehrere sächsische Fürsten<br />
um dieselbe Zeit prägten-, Sch reckend erg er o<strong>der</strong> Engelgroschcn<br />
sind dünngeschlagene breite ans dem Gewinn <strong>der</strong> sächsischen Silbergrnben<br />
des Schreckenberges geprägte Münzen, auf denen <strong>der</strong> sächsische<br />
Knrschild von zwei Engeln gehalten abgebildet ist; Portugalöser<br />
sind große, ursprünglich in Portugal, dann aber anch in Hamburg<br />
geprägte Goldstücke von Thalergröße, in Werth von 5—10 Dncatcn.<br />
Die etwas weiter oben erwähnten Kikerlinge sind identisch mit den<br />
^
Kleinodiendiebstahl. 161<br />
zwei Armbende. Die Kede habe <strong>der</strong> Rentemeister zur Neisse<br />
Adam Wegcner bekommen, aber sein Wirth znr Neisse Christoff<br />
Meichßener, deme er die vorhin zu bcwarenn gethan, habe ihmc<br />
dreißig Glie<strong>der</strong> davon genommen. Jedes Glid habe funff<br />
Orthtalers gewogen, fein inn Alles 249 Eli<strong>der</strong>e gewesenn.<br />
Wie zur Neisse ihn des Bischoffs Diener gefragt, wo er die<br />
güldene Kcthe bekommen, habe ehr furgegeben, er hette die im<br />
Closter bekommen, da er mitt einer Ebtissinn gebulet. Die<br />
Kede habe Hanß vonn Pitzennberg entlich (vierzehn Tage vor<br />
Michaelis desselben Jahres) wid<strong>der</strong>bekommen, das Geldt habe<br />
er mitt guttenn Gesellenn unnd keinen Huren o<strong>der</strong> Buben vorzerett."<br />
So Martins Aussage. Der kaiserliche Rath und Landeshauptmann<br />
<strong>der</strong> Oberlausitz Hans von Schlieben auf Pulsnitz,<br />
<strong>der</strong> sich in einem längeren Schreiben von Budlssin den 12. Augusti<br />
1574 an den Herzog wandte und um gleichzeitige Untersuchung<br />
auch dieses Diebstahls bat, behauptete, es seien kaiserliche Gefälle,<br />
also die Steuerkasse, die Martin beraubt habe. Man<br />
habe demselben damals alsbald nachgestellt, er habe sich aber<br />
<strong>der</strong> Verfolgung zn entziehen gewußt, und sei sogar so frech<br />
gewesen, dem Hans von Pitzenberg einen Fehde- und Absagebrief<br />
zu schreiben. ^)<br />
Dreilingen, sie wurden u. a.in Cöslin geprägt uud galten etwa 8 Pfennige.<br />
Nach 1706 waren solche Mengen vorhanden, daß die Negierung zu<br />
Stettin sie in stettiner Dreier umprägen ließ. Schwed. Arch. Tit. 65.<br />
Nr. 99.<br />
^) Zur Kennzeichnung damaliger Zustände mag <strong>der</strong> Fehdebrief,<br />
vou dem eine Abschrift bei den Acten ist, hier eiue Stelle finden. Er<br />
lautet: Hannes dann Pitzenbergk Gegenhandeler, du wirst dich wol<br />
zu erinnern wissen, das du mir durch deine Abgesantten in meinem<br />
Vatterlande auch zur Neisse fowol in alleun umbliegenden Stetten<br />
uud Dorfern hast lassen nachziehen nnd mir nach meinem Leib und<br />
Leben gestanden hast, das ich mich an keinem Ortte noch Stellen darf<br />
ruren noch sehen lassen, viel weniger mein Haudtwergk bey einem<br />
Bie<strong>der</strong>man darf treiben a<strong>der</strong> kundt gefredct werden, van wegen deines<br />
euttwantteu Guts, wclchs ich dier doch uicht allein enttwandet habe,<br />
son<strong>der</strong>n mit an<strong>der</strong> Leut mehr Hulf und Nath, die mier geholffen<br />
haben, <strong>der</strong>halbeu ich mich sie<strong>der</strong> deß Enttwantton im Land us und
162 u. Bülow,<br />
Schlieben verlangte, daß Martin mit <strong>der</strong> peinlichen Frage,<br />
d. h. <strong>der</strong> Tortur, belegt werden solle, nm ihn zum Bekenntniß<br />
zu zwingen, und in <strong>der</strong> That konnte er sein Begehren<br />
gesetzlich begründen, aber den pommerschen Räthen erschien das<br />
„in <strong>der</strong> Güte" abgelegte Geständniß des Verbrechers so durchaus<br />
hinreichend zum Beweise seiner Schuld, daß von Anwendung<br />
<strong>der</strong> Tortur auch gar keine Rede ist. Man schließe<br />
hieraus nicht aus eine bei den pommerschen Gerichten etwa<br />
übliche milde Gerichtspraxis, eine solche war wie überall so auch<br />
nie<strong>der</strong> geblawen habe und keine Nach sicher schlaffen dorfjen. Der-<br />
halben will ich dich zum ernstlicheu ermahnet haben, das du mir ein<br />
Schreiben un<strong>der</strong> deinem angebornen Sigll neben deß Landvogts sowol<br />
deß Haupttmans zn Budissin Brief und Siegell geben woldest <strong>der</strong><br />
Meinung und Gestalot, das du von mir. nichts weist den Ehr und<br />
Redligkcitt, anch darneben alles Guttes, daß du mich ehreu uud<br />
for<strong>der</strong>n wilst sovil dir möglichen zu thuen ist, <strong>der</strong>halben ich mein<br />
Handtwergk wie<strong>der</strong>umb bey aufrichtigen und rettlichen Leutteu treibeu<br />
darf, auch mein Vatterlandt fowol an<strong>der</strong> Len<strong>der</strong> sicher uud ahn alle<br />
Geferde durchziehen magk. Wo du aber dasjenige nicht thust, so<br />
will ich von nun an die Zeit meins Lebeus deinn abgesagter Feindt uud<br />
Phe<strong>der</strong> sein und bleibenu, will auf dich fowol auf an<strong>der</strong>e vam Adell<br />
brennen und morden, wie ich/s erdengken magk; dn folst nicht sicher<br />
vor die Statt reitten, gehen noch fahren, viel weniger zu Daberfchiz<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>swo. So du mir nebeu den obengemeltten Perfchonen<br />
Brief und Siegel geben will, fo fchick mir sie gegen Glatz mit einem<br />
eigenn Pötten in meines Vatters Haus angesichts Brifs, dan werden<br />
sie mir wol uberanthworttett werden. So das innerhalb acht Tagen<br />
nicht gefchiet, fo will ich mich Ausgang <strong>der</strong> Zeitt wie vormellt mitt-<br />
sampt meiner Gefelschaft solches Alles und noch erger kegen dier uud<br />
an<strong>der</strong>n vernehmen, das ich mit dier nicht scherzen will. Solches<br />
Alles will ich mit meinem körperlichen Eide bekräftigen, das ich mich<br />
in keynerley Weisse o<strong>der</strong> Gestaldt mit dier einlassen will, den wie<br />
ich dier mit diefem meinem Schreiben vermeldet habe, darnach habe<br />
dich entlich zu richten und kein an<strong>der</strong>s.<br />
Davidt Meriten<br />
<strong>der</strong> Geburt von Glatz ein Mahlergesell<br />
Der Gegenhandler war <strong>der</strong> Beistand uud Kontrolleur des die<br />
landesherrlichen Einkünfte verwaltenden Landeshauptmanns in <strong>der</strong><br />
Lausitz. Köhler, Gefch. d. Oberlausitz 1. Seite 240.
Kleinodiendiebstahl. 163<br />
in Pommern dem Geist <strong>der</strong> Zeit durchaus fremd, wofür sich<br />
zahllose Beispiele anführen ließen.<br />
Das vom Notar Johann Marsilius aufgenommene Protokoll<br />
des Verhörs wurde dem Schöppenstuhl zu Stettin vorgelegt<br />
und dieser verurtheilte auf Grund desselben den David<br />
Martin zum Tode durch den Strang. Der Urtheilsspruch ist<br />
in folgendem Schreiben an den Herzog Johann Friedrich enthalten:<br />
Durchleuchtiger, hochgeborner Fürst, gnediger Herr. E.<br />
f. G. scinn unnsere unn<strong>der</strong>thenige gehorsame Diennste zuvornn.<br />
Onediger Fürst nnnd Herr! Auff Zugeschickte unnd hiebey vorwartte<br />
des Gefanngenenn David Merttenns guttliche Aussage<br />
unnd Bekenndtnus, darauff E. f. G. unsernn rechtlichenn Spruch<br />
gnediglich begeret, sprechenn wir Richter unnd Schoppenn zu<br />
Altenn Stettin vor Recht, daraus soviel erscheinet, wofernn <strong>der</strong><br />
Gefangene nachmaln bey folchem seinem Bekennttnus pleibenn<br />
unnd vorharren wirdt, das er <strong>der</strong>enntwegenn alß einer <strong>der</strong><br />
seinenn eigenenn Herrenn bestolenn, mitt dem Strang vom Lebenn<br />
zum Tode pillig zu richtenn. Von Rechtswegen^ Urkundtlich<br />
mitt unserm Amptsingesiegell vorsiegeldt.<br />
E. f. G.<br />
gehorsame un<strong>der</strong>thane<br />
Richter unnd Schopenn in E. f. G.<br />
Stadt Alttenn Stettin.<br />
Das Siegel zeigt den stettiner Greifenkopf mit <strong>der</strong> Umschrift:<br />
« 8N(NNIVN NMV8 80^LIN0KVN 8INIIMN^.<br />
Auf sein zu Protocoll gegebenes Begehren erhielt Martin,<br />
<strong>der</strong> im Thurm hinter <strong>der</strong> Marienkirche gefangen gehalten und<br />
daselbst von zwei Wächtern bewacht wurde,^) vor seinem<br />
Tode die Taufe, was nach Friedeborn a. a. O. am 16. Aug.<br />
in <strong>der</strong> genannten Kirche geschah. An demselben Tage fand nach<br />
einer dem mitgetheilten Schöppenurtheil beigefügten Randbemerkung<br />
auch die Hinrichtung statt, <strong>der</strong> jedoch langwierige<br />
^) Der Herzog ließ am 8. August die Erlaubniß dazu durch<br />
Andreas Vorck vom Stadtsyndicus einholen, das herzogliche Gefängniß<br />
auf dem Schloß muß also znr Aufbewahrung <strong>der</strong> Gefangenen nicht<br />
geeignet gewcfen fein.
164 o. Bülow,<br />
Verhandlungen mit <strong>der</strong> Stadt Stettin vorangegangen waren.<br />
Am 9. Angnst, also unmittelbar nach Einbringung des Diebes,<br />
ward aus <strong>der</strong> herzoglichen Canzlei ein Befehl an Bürgermeister<br />
und Rath erlaßen, sofort die nöthigen Werkleute zur Er-<br />
bauung eines neuen Galgens für die Execution zu bestellen,<br />
welchem Befehl auch Folge geleistet wnrde, doch nicht ohne die<br />
untertänigste Bitte des Raths, von diesem Vorhaben abzustehen,<br />
da „E. f. G. vornembsten Stadt, davon E. f. G. und <strong>der</strong>-<br />
selben Vrue<strong>der</strong>e iren fürstligen Tittel und Namen haben,<br />
solchs zu merckliger Vorkleinerung bei mennigklichen ge-<br />
reichen mochte". Johann Friedrich, den man den königlichen<br />
Herzog von Pommern genannt hat, war ein mit dem ausge-<br />
prägtesten Herrschersinn und Streben nach Machtentwickelung<br />
begabter Fürst, wie seit Herzog Nogislav 10. Zeit keiner ge-<br />
wesen war und wie auch nach ihm keiner wie<strong>der</strong>kam. Mit<br />
<strong>der</strong> Stadt Stettin hat er wegen wirklicher o<strong>der</strong> vermeintlicher<br />
Rechte die mannigfachsten Händel gehabt, die vor dem kaiser-<br />
lichen Kammergericht ihren langsamen Entwickelungsgang gingen,<br />
wenn <strong>der</strong> Herzog nicht, was meistens <strong>der</strong> Fall war, auf<br />
kürzerem Wege <strong>der</strong> Sache das von ihm gewünschte Ende<br />
bereiten konnte. Auch im vorliegenden Fall mochte <strong>der</strong> Rath<br />
ähnliches voraussehen, wollte aber doch, um sich und <strong>der</strong><br />
Stadt nichts zu vergeben, nach Möglichkeit Wi<strong>der</strong>stand leisten.<br />
Der Platz, den <strong>der</strong> Herzog zur Errichtung des Galgens<br />
für David Martin ausersehen hatte, war <strong>der</strong> vor dem Mühlen-<br />
thor zwischen dem Glambeckschen und Krekowschen Wege<br />
an <strong>der</strong> Landstraße gelegene alte Richtplatz, „bi den Koppen"<br />
o<strong>der</strong> „to'n Köpften" genannt. ^) Aus einem Actenstück, das<br />
über diese Oertlichkeit auch aus späterer Zeit Manches be-<br />
richtet, geht hervor, daß <strong>der</strong> Grund und Boden desselben <strong>der</strong><br />
Stadt zuständig war und von ihr „ye<strong>der</strong> Zeit zu Köpfen,<br />
Re<strong>der</strong>n, Schmöken und Brennen gebrauchet worden" sei, doch<br />
^) Staatsarchiv zu Stettin: Stett. Arch. I>. I. Tit. 127. Nr. 7.<br />
Berghaus Laudbuch II. ^). S. 92 in <strong>der</strong> Anmerkung wird gesagt, es<br />
sei <strong>der</strong>jenige Platz, <strong>der</strong> im Separationsreceß von 1830 (Laudbuch II, 8.<br />
S. 830.) unter Nr. 27 vorkommt.
Kleinodiendiebstahl. 165<br />
loar durch gelegentlich an an<strong>der</strong>n Stellen vollzogene Hinrichtungen<br />
dieses Recht in Vergessenheit gerathen, und jedenfalls<br />
hatten die Herzoge, wenn auch auf vorangegangene Anfrage,<br />
den Platz schon zu Hinrichtungen gebraucht. ^) Während daher<br />
am 8. und 9. Aug. im Rath ängstlich nach einem Ausweg<br />
aus <strong>der</strong> üblen Lage gesucht ward, ^) ließ <strong>der</strong> Herzog fleißig<br />
vor dem Thore bauen und am 10. stand <strong>der</strong> neue Galgen<br />
fertig da, fo daß <strong>der</strong> Rathsschreiber sein Protocoll mit den<br />
Worten schließen konnte: Nngeachtt alles angewandten Fleiß<br />
ist das newe Gerichtt uff m. g. H. Bevelich von allen Meurund<br />
Zimmerleuten am Tage Laurenz ^) Anno ^74 uffgebauet<br />
worden". Das Einzige, was zu erreichen dem Rath gelang,<br />
war ein Revers, in welchem <strong>der</strong> Herzog das Recht <strong>der</strong> Stadt<br />
auf den Platz anerkannte; doch war er weit entfernt, dasselbe<br />
in Zukunft zu respectiren, denn 1596 errichtete er trotz abermaligen<br />
Protestirens des Rathes einen Rabenstein an <strong>der</strong>selben<br />
Stelle, und ließ denselben hoch aufmauern, damit <strong>der</strong> Scharfrichter<br />
in Ausübung seines Amtes durch den Andrang des<br />
Volkes nicht gehin<strong>der</strong>t würde. Johann Friedrichs Bru<strong>der</strong> und<br />
Nachfolger Barnim ging noch weiter und sah den Platz<br />
gänzlich als sein Eigenthum an, denn als im September 1600<br />
die Stadt einen gefangenen Mordbrenner Gall Klokow to'n<br />
Köpften fchmöken lassen wollte, versagte er seine Einwilligung<br />
durchaus, ließ indeß auf des Raths und <strong>der</strong> Landstände Einsprache<br />
es endlich doch geschehen, „daß <strong>der</strong> gefangene Nebelthäter<br />
an denselben Ortt hinaußgeführett und gerichtett werde,<br />
doch das ein Intervallum möchte gelassen werden, dadurch I.<br />
25) Der Kämmerer Ladewig sagt in <strong>der</strong> Rathssitznng: „Man gestehett<br />
E. f. H. da kein Gericht. Was er (<strong>der</strong> Herzog) hatt, hatt er<br />
precario. Ao 52 ist m. g. H. Apoteker in des Naths Gericht ge«<br />
hangen worden."<br />
N) Das Rathsprotokoll sagt: „Ist dem Rad hochbedencklich, solchs<br />
einzurennen; ist ein schwerer Eingriff, Gott erbarm es; hie sitzt man<br />
nud radschlagt darüber, interim fhartt man immer mit Erbaunng<br />
dcs Gerichts fortt! yuiä mwc<br />
-') den 10. Angust.
166<br />
v- Bülow, Kleinodieudiebstahl.<br />
f. G. Gericht von dem Stadtgericht tönte unterschieden<br />
werden."<br />
Neber den an David Martin vollzogenen Act <strong>der</strong> Hin-<br />
richtung schweigen die Acten gänzlich, die Sache selbst aber<br />
hatte, obgleich Diebstahl, Raub, Mord und ähnliche Ver-<br />
brechen an <strong>der</strong> Tagesordnung waren und die Richtstätten nicht<br />
leer wurden, einen tiefen Eindruck gemacht. Fünf und zwanzig<br />
Jahre später war das Verbrechen noch im Munde <strong>der</strong> Leute<br />
und man wußte seine Einzelheiten zu erzählen; auch Friede-<br />
born widmet a. a. O. demselben mehr Raum, als er sonst<br />
für <strong>der</strong>gleichen Dinge übrig hat, und schließt daran eine län-<br />
gere Betrachtung über die Todesstrafe, die er mit folgendem<br />
Distichon einleitet:<br />
Das ist:<br />
valido oo^itur Ì1i6<br />
Wer was findt, ehs verloren wird,<br />
Der muß sterben ehe er kranck wird.
Venetillnische Aktenstücke<br />
zur Geschichte von Herzog Bogislavs X. Reise in den<br />
Orient im Jahre 1497.<br />
Von Ini. Mueller.<br />
Vorwort.<br />
Wie den meisten unserer Leser bekannt sein wird, bildet<br />
die Pilgerreise, welche Herzog Bogislav X. von Pommern in<br />
den Jahren 1496 und 1497 nach dem heiligen Lande unternahm,<br />
in <strong>der</strong> Geschichte dieses in mancher Beziehung merkwürdigsten<br />
und anziehendsten unserer Fürsten ein hervorragendes Hauptstück.<br />
Kurz vor Weihnachten 1496 hatte <strong>der</strong> Herzog mit<br />
großem Gefolge seine Hauptstadt verlassen, war über Nürnberg<br />
und Innsbruck, an beiden Orten längeren Aufenthalt nehmend,<br />
nach Venedig gezogen und hatte sich hier zu Anfang Sommers<br />
1497 nach Jerusalem eingeschifft. Unterweges, bei Candia,<br />
war er von türkischen Schiffen mit Uebermacht angefallen<br />
und trotz tapferster Gegenwehr nur mühsam und wie durch<br />
ein Wun<strong>der</strong> schrecklichstem Untergange entronnen. Auf <strong>der</strong><br />
Heimkehr von Palästina, wo ihn die Narfüher-Mönche zum<br />
Ritter des heiligen Grabes geschlagen hatten, war er von den<br />
Herren <strong>der</strong> venetiamschen Republik mit mancherlei Feierlichkeiten<br />
und Festlichkeiten geehrt worden und die adliche Jugend<br />
Venedigs hatte, zur Unterhaltung wie zur Verherrlichung des<br />
gewissermaßen nunmehr in die Geschichte Venedigs und seiner<br />
Marine verflochtenen Fürsten, eine theatralische Darstellung<br />
jenes ruhmvollen Gefechts mit den Türken veranstaltet. Von<br />
Venedig sodann, um auch dies noch kurz zu berühren, war<br />
<strong>der</strong> Herzog über Loretto, den hochgepriefenen Wallfahrerort,
168 Actenftüclc znr Reise<br />
nach Rom geritten, war dort von Papst Alexan<strong>der</strong> V l., dem<br />
berüchtigten Borgia, als ein würdiger Führer christlicher Ritterschaft<br />
im Kamps mit den Unglänbigen am Wcihnachtsmorgen<br />
1497 mit dem — theilweise — noch hente vorhandenen Weiheschwerte<br />
begabt worden, und endlich nach einer Abwesenheit<br />
von füns Vierteljahren glücklich nnd mit verdienstvoller Steigerung<br />
seines fürstlichen Ansehens nm Ostern 1498 in seine<br />
Hanptstadt znrückgekehrt.<br />
Es konnte nicht fehlen, daß die Freunde <strong>der</strong> vaterländischen<br />
Geschichte es lebhaft bedauerten, von dieser Reihenfolge malerischer<br />
Begebenheiten immer nnr ans einheimischen Quellen zu<br />
hören, fast ausschließlich nämlich aus <strong>der</strong> Kanzowschen Chronik<br />
und dem Berichte Dalmer's; und dies Bedauern konnte nur<br />
zunehmen als Robert Kleinpins „Diplomatische Beiträge" von<br />
1856 die Blicke anfs neue in diese Richtung gelenkt hatten.<br />
Doch war von Seiten unserer Gesellschaft schon bald nach <strong>der</strong><br />
Gründung <strong>der</strong>selben, durch Vermittelung hoher Behörden eine<br />
Anfrage nach Oesterreich ergangen, ob sich in den heimischen<br />
Quellen <strong>der</strong> Geschichte Venedigs nicht Zengnisse von Herzog<br />
Bogislavs Anwesenheit in dieser Stadt und von dem auf einer<br />
venetianischen Galere bestandenen Kampf mit den Türken<br />
fänden. Wußte man doch wie sorgsam <strong>der</strong> untergegangene<br />
Freistaat über alle seine laufenden Beziehungen zu den orientalischen<br />
Reichen nnd über alle ans dem östlichen Wassergebiete<br />
vorkommenden Störungen des Seefriedeus, und an<strong>der</strong>erseits<br />
über die Feierlichkeiten Buch uud Rechuung geführt hatte, mit<br />
denen er die seine Grenzen befchreitenden auswärtigen Herrscher<br />
zu ehren gewohnt war. Die Anfrage aber hatte das<br />
Unglück, in unrichtige Wege zu gerathen: sie wurde verneinend<br />
beantwortet, obwohl es doch keiner beson<strong>der</strong>en Kenntnisse und<br />
Mühen bednrft hätte, die kleine Folge <strong>der</strong> Actenstücke aufzufinden,<br />
welche wir heute das Vergnügen haben nnseren Lesern<br />
vorzulegen. Je<strong>der</strong> nur oberflächlich mit den Quellen venetianischer<br />
Geschichte vertraute Forscher mnßte wissen, daß die<br />
hauptsächlichste Fundgrube für alle <strong>der</strong>artigen ans den Nebenwegen<br />
<strong>der</strong> damaligen Weltgeschichte vorgefallenen Begebenheiten
Herzogs Bogislav X. in den Orient. 169<br />
jene 58 Folianten mit den Tagebüchern Marino Sanudo's<br />
seien, von denen sich damals die Urschrift in Wien und die<br />
aus dem vorigen Jahrhun<strong>der</strong>t stammende Abschrist hier in<br />
Venedig ^) befand, und daß diese auch heute noch immer nur für<br />
einzelne Son<strong>der</strong>zwecke benutzte und nur in kleinen Bruchstücken<br />
gedruckte Chronik ihrer ganzen Entstehung und Beschaffenheit<br />
nach fast völlige Rangsgleiche mit den Sraatsurkundeu <strong>der</strong> Republik<br />
in Anspruch zu uehmen habe. Vielleicht war die von<br />
unsrer Gesellschaft gestellte Anfrage zu enge gefaßt und lautete<br />
einzig auf die Staatsarchive Venedigs; wie leicht konnte dann<br />
freilich ihr ursprünglicher Zweck aus den Zwischenfällen ihrer<br />
Beför<strong>der</strong>ung verdunkelt werden und die Erledigung buchstäblich<br />
ausfallen. In den venetianifchen, jetzt in <strong>der</strong> großen Gesammtanstalt<br />
Ai-Frari vereinigten Archiven hat sich allerdings,<br />
auch bei dem jetzt aufs neue gefchehenen Suchen — bis zur<br />
Stunde wenigstens daß ich dies nie<strong>der</strong>schreibe — kein auf<br />
unsere Frage bezügliches Actenstück finden wollen ^), obschon<br />
die betreffenden Schriftstücke Sanudo's erweisen, daß manche<br />
Urkunden <strong>der</strong> Art dort jedenfalls früher vorhanden waren.<br />
Viel neues und erhebliches dürfte nun freilich von daher für<br />
uns nicht mehr zu erwarten sein; doch glücklicherweise nur<br />
') In <strong>der</strong> Bibliothek von San-Marco. Seit 1866 haben Wien<br />
und Venedig mit den Exemplaren getauscht,- die von uns ausgebeutete<br />
Handschrift ist die jetzt in Venedig befindliche Urschrift.<br />
2) Ueber die verschiedenen Abtheilungen dieses Archivs, in denen<br />
sich dahin gehöriges antreffen ließe, giebt dem ferner stehenden am<br />
besten Bescheid: des einstigen Archiv-Directors T. To<strong>der</strong>ini Werk über<br />
die 06I-6INoliigli 6 sosto iu occ28Ìoll6 6i livv6uim6Qti — äi uuoki —<br />
(U 0k82. ä'^uLti'i^, Vou6?ia 1857. 46. Wir erlauben uns, an dieser<br />
unscheinbaren Stelle dem jetzigen Herrn Archiv-Director Dr. B.<br />
Cecchetti für seine bisherige gütige Mitwirkung zu den vorliegenden<br />
Zwecken unserer Gesellschaft gehorsamsten Dank zn sagen. Gleichen<br />
und wärmsten Dank sprechen wir dem Herrn Grafen Camillo<br />
Soranzo, Assistenten an <strong>der</strong> Bibliothek von San-Marco, aus, welcher<br />
uns nicht allein bei Beschaffung <strong>der</strong> Abschriften, son<strong>der</strong>n auch sonst auf<br />
mancherlei Weise, in gewohnter Art auf das liebenswürdigste seine<br />
wirksame Hülfe gewährt hat.
170 Aktenstücke zur Reise<br />
darum, weil absehbar alles was für uns wissenswerth ist und<br />
sich einst in den Archiven Venedigs befand und möglicherweise<br />
noch heute befindet, schou in den Aufzeichnungen Sanudo's zu<br />
lesen ist. Wenn diele Quellen auch pommerscher Geschichte<br />
sich so spät für uns aufthun, so haben wir darin eben die<br />
Folgen jener uns einst gewordenen Antwort zu beklageu, welche<br />
aller weiteren Nachforschung im Gebiete Venedigs ein Ziel<br />
setzte; auch <strong>der</strong> Einsen<strong>der</strong> glaubte einen Fehlschritt zu thun<br />
und eine fast unzulässige Frage zu stellen, als er gelegentlich<br />
den Versuch machte, in den Denkwürdigkeiten Sanudo's — wo<br />
das Gesuchte so zu sagen obenauf lag — die Spuren Bogislavs<br />
aufzufinden.<br />
Wir haben so eben den Tagebüchern Sanudo's eine<br />
Glaubwürdigkeit zugeschrieben, welche an die amtlicher Zeugnisse<br />
heranreiche. Daß dies für blos geschichtliche Zwecke vollständig<br />
richtig sei, werden die von uns mitgetheilten Abschnitte<br />
selber ergeben. Doch bemerken wir dazu noch das Folgende.<br />
Marino Sanudo o<strong>der</strong> Sauuto
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 171<br />
genannten Collegio, des vom Dogen, seinen Räthen nnd den<br />
obersten Berwaltungsbeamten gebildeten Staatsrathes als dessen<br />
gesetzliche Mitglie<strong>der</strong>, jedoch nnr als vortragende und ausführende,<br />
nicht als stimmberechtigte Beisitzer an.^) Vielleicht<br />
war Sanudo gerade ein Savio von <strong>der</strong> bezeichneten Art, als<br />
die ersten Meldungen von dem Conflict <strong>der</strong> Galere, die unsern<br />
Herzog trug, beim Collegio einliefen, die Meldungen hat er<br />
sofort in sein Tagebuch eingetragen; jedenfalls war er, seiner<br />
eigenen Angabe nach, wie gesagt, im fraglichen Amte als unsere<br />
Sache zu Anfang des Jahres 1499 den Staatsrath noch einmal<br />
und, fo viel wir wissen, zum letzen Male beschäftigte; und<br />
auch das damals verhandelte hat noch selbigen Tages seinen<br />
Platz in Sanudo's Chronik gefunden. Doch kommt es auf<br />
dies Verhältniß von Sanudo's Vermerken im Tagebuch zu<br />
seiner Amtszeit nicht an. Auch wenn ihn die Dienstpflicht<br />
nicht in die Staatskanzlei und in die Archive führte,<br />
genoß er^ die vollste Freiheit des Verkehrs in denselben,<br />
als ob er daselbst noch immer Verwalter sei. Jedem<br />
Zweifel entgegen wird deis durch deu von keiner Lücke durch-<br />
4) Savio bedeutet Weiser, Wissen<strong>der</strong>, Rath. Das l^Ii o<strong>der</strong><br />
degli oi'äini wird verschieden erklärt; einige sehen darin eine Abkürznng<br />
von liFii oi'diui äelli uavi, Schifsswesen; nach an<strong>der</strong>en bezeichnen die<br />
Worte die Stellnng <strong>der</strong> fraglichen 8iiv^ als unselbstständige, fremde<br />
Befehle ausführende Beamte. In letzterem Falle wäre <strong>der</strong> Name<br />
späteren Ursprungs, denn ehemals hatten diese 8av^ äei mm'6, so sagt<br />
man, eine den übrigen Mitglie<strong>der</strong>n des Collegio ebenbürtige Stellung.<br />
Nach Contarmi, 6ö m^igi-Htidus, welchem Amelot nnd die übrigen<br />
folgen, hätten sie dieselbe dadurch verloren, daß die Regierung im<br />
Laufe des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts das italienische Festland mehr nnd mehr<br />
zu dem Hauptfelde veuetianischer Politik machte und dem Seewesen<br />
seine ehemalige Bedeutung nahm. Die Geschichte des Amts ist nicht<br />
klar, wie denn überhaupt die Bearbeitung <strong>der</strong> venetianischen Ver-<br />
fassungsgeschichte vieles zn wünschen übrig läßt. Wer sich über die<br />
Grundlagen dieser Verfassung, über die rechtlichen Abgrenzungen <strong>der</strong><br />
Staatsgewalten und Behörden scharfe Begriffe verschaffen will, muß<br />
sich nach vielen Seiten hin umsehen. Das Amt <strong>der</strong> 3^' äsl nla.i-6<br />
währte sechs Monate; ihre Wahl erfolgte dnrch den Senat. Sie waren<br />
zuletzt gewissermaßen ein Ausschuß des jüngeren Adels, bestimmt, zn<br />
einem Stamm geschäftskundiger Männer herangebildet zu werden.
172 . Aktenstücke zur Reise<br />
brochenen Fortgang seiner Diarien erwiesen. Sowie die Aktenstücke,<br />
von den verschiedensten Seiten her, in die Kanzlei gelangen,<br />
nimmt sie Sanndo nnd trägt sie abschriftlich in sein<br />
Tagebuch ein. Anfänglich scheint <strong>der</strong>selbe sogar keiner beson<strong>der</strong>n<br />
Erlaubniß dazu bedurft zu haben. In Folge <strong>der</strong> kurzeu<br />
Amtsdauer sämmtlicher mit Edelleuten zu besetzenden Stellen<br />
fand auch im Dienst <strong>der</strong> 8^vs ln ordini ein unaufhörlicher<br />
Wechsel statt und führte eine stets wachsende Zahl immer<br />
neuer Genossen an die innersten Mittelpunkte des Staatslebens<br />
heran. An<strong>der</strong>erseits kehrten ans diefcm Wege auch die früheren<br />
Vorstände häusig nach kurzer Amtsunterbrechnng in dle<br />
alten Aemter zurück; solche Umstände können, von an<strong>der</strong>en<br />
abgesehn, die fraglichen Freiheiten wohl erklären, doch ließ sich<br />
Vorausfehen, daß <strong>der</strong> Augenblick kommen werden und nahe sei,<br />
wo denselben gewisse Schranken gesetzt werden würden. Schon<br />
hatten die Zeiten begonnen, wo die größten Entscheiduugen an<br />
die kleinsten Mittelpunkte verlegt, mehr wie bisher das Geheimniß<br />
zur Voraussetzung allen Gelingens erhoben, nnd auch<br />
Venedig mußte seiner Versassung zum Trotze versuchen, in<br />
diese Bahnen zu lenken. Schon einige Zeit vor dem Jahre<br />
1521 scheint zur Benutzung <strong>der</strong> Aeteu vou Staatskanzlei und<br />
Archiven eine Son<strong>der</strong>erlaubniß nöthig gewesen zu sein. In<br />
diesem Jahre wurde gewissen vier Herren, die solche Erlaubniß<br />
gehabt hatten, <strong>der</strong> fernere Gebrauch <strong>der</strong>selben durch<br />
eine Verfügung des Rathes <strong>der</strong> Zehn entzogen; fortan solle<br />
weiteren Gewährungen <strong>der</strong> Art eine nmständlichere Vorprüfung<br />
voraufgehen. ^) Anch Marin Sanudo hatte sich unter<br />
den vieren befunden, war aber, wie er selber bemerkt,<br />
mit dem Beschlusse äußerst zufrieden;^) er wußte, ihm würde<br />
solche Erlaubniß nimmer versagt werden, und er war die<br />
a. a. O. S. Ili. Die Sache ist nicht ganz klar. Da<br />
<strong>der</strong> beständige Wechsel im Amte und anch sonst, wenn wn' recht unterrichtet<br />
sind, alles andre beim alten blieb, so ist nicht abzusehen, was<br />
großes gewonnen wnrde. Vielleicht hatte man bei <strong>der</strong> Verfügung um,die<br />
Personen im Sinne nnd vermochte im Augenblick nicht mehr,<br />
l') Ebenda: Ut> io iw 8Mlo l^nt^nti^im«.).
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 173<br />
wahrscheinlich oft hin<strong>der</strong>lichen Nebenarbeiter los. In seinen<br />
Tagebücher findet sich nicht die mindeste Unterbrechung, und<br />
zum lleberflusse bemerkt er im Jahre 1523 darin ausdrücklich,<br />
fast zuversichtlichen Tones, daß er in <strong>der</strong> ihu beschäftigenden<br />
Sache „von sämmtlichen Actenheften <strong>der</strong> Staatskanzlei Einficht<br />
genommen habe"^). Die Ausnahme die, vermuthlich, mit<br />
Sanudo gemacht wurde, ist erklärlich: bereits standen, von des<br />
Mannes fauberer Hand geschrieben, emige 20 Foliobände<br />
treuester Tagesgeschichte, das damals bequemste und umfassendste<br />
Urkundenbuch und Nachschlagewerk für die gefammte Geschichte<br />
<strong>der</strong> Zeit und beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Regierungsgeschichte Venedigs, den<br />
hohen Behörden zu Diensten, Marino Sanudo war thatsächlich<br />
schou wozu ihn erst acht Jahre später, im Jahre 1531,<br />
die förmliche Ernennung durch die Zehnmänner machte, <strong>der</strong><br />
amtliche Geschichtschreiber <strong>der</strong> Republik. Wie die Verhandlungen<br />
mit dem Cardinal Nembo erweisen, waren die kostbaren<br />
Folianten noch immer Sanudo's Privateigenthum, aber<br />
doch läßt sich erkennen, wie sie in Wahrheit bereits als ein<br />
öffentlicher Besitz, als ein Theil des Archives angesehen und<br />
behandelt wurden. Wirkliches Staatseigenthum wurden dieselben<br />
erst mit dem Tode ihres Verfassers, <strong>der</strong> sie letztwillig<br />
seiner durchlauchtigsten Herrschaft, seiner i11n8tri88iuia< 8iznoi-i^,<br />
vermachte.<br />
Es mag dahin gestellt bleiben, ob Sanudo zu den<br />
Männern von hervorragen<strong>der</strong> Geistesbegabung zu zählen sei,<br />
aber er kannte das Mittel, das auch andre befähigt, dem Gemeinwesen<br />
große Dienste zu leisten: er trat an die Stelle, zu<br />
<strong>der</strong> er geboren war, und war da seinem Berufe treu bis Zu<br />
Ende. In dieser Weise hat <strong>der</strong> unermüdliche Mann, dem<br />
auch wir zu beson<strong>der</strong>em Danke verbnnden sind, ganze sieben-<br />
l) Ebenda S. 17: p(n- uvoi- vi«ti i Udii<br />
Es macht dabei leinen erheblichen Unterschied, ob damals ob nichl, die<br />
Monate liefen, in denen Sanudo ein Savio o<strong>der</strong> Senator war.
174 Aktenstücke zur Neise<br />
unddreißig Jahre hindurch^) die merkwürdigsten und entscheidendsten<br />
Jahre, welche das letzte halbe Jahrtausend gesehen<br />
hat, denn in ihnen wurden die Begriffe auf's neue gestaltet,<br />
auf denen unsere heutige Welt steht, — diese siebenunddreißig<br />
Jahre hindurch hat Sanudo ohne Ablösung auf <strong>der</strong> Warte<br />
gestanden, auf <strong>der</strong>jenigen Warte, von welcher sich damals die<br />
Entwicklung des europäischen Gesammtlebens am freiesten und<br />
dentlichstcn überblicken ließ, und hat gleich einem Himmelsbeschauer<br />
von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde gebncht,<br />
was sich ringsnm in Nähe nnd Ferne dem wohlbewaffnetcn<br />
Nnge darbot. Eine Leistung wie diese ist einzig in <strong>der</strong> Geschichtschreibung,<br />
und nur die Fülle des Stoffes, wohl Hun<strong>der</strong>te<br />
von Bänden erfor<strong>der</strong>nd, wenn das Ganze zum Drucke<br />
gelangen sollte, ist Ursache geworden, daß man noch niemals<br />
gewagt hat, eine solche alles umfassende Veröffentlichnng in<br />
Aussicht zu nehmen^).<br />
^) Vom Iannar 1496 bis September 1533. Der eigentliche Veginn<br />
<strong>der</strong> Diarien, nämlich ein Band mit den zwei voraufgehenden<br />
Jahren, befindet sich in <strong>der</strong> Pariser Bibliothek.<br />
9) Erst in <strong>der</strong> allernenesten Zeit hat ein venetianischer Gelehrten-<br />
Verein sich zn dem Zwecke gebildet, nm wenigstens einen Anfang mit<br />
solcher Veröffentlichung zn machen. Man will die ersten zwölf Bände<br />
Sanndo's — etwa bis 1511 gehend — Wort für Wort abdrucken<br />
lassen. So eben wird die erste Lieferung des Unternehmens ausgegeben<br />
und vielleicht rückt <strong>der</strong> Druck so gut vor, daß die ersten <strong>der</strong><br />
unsere pommersche Sache betreffenden Schriftstücke schon in diesem<br />
Frühjahr hier in Venedig ans Licht kommen werden. Doch haben<br />
wir darum die Veröffentlichnng unsererseits nicht unterlassen noch<br />
verzögern wollen: <strong>der</strong> venetianische Drnck dürfte seiner Kostspieligkeit<br />
halber nnr sehr wenigen nnserer Leser je zu Gesicht kommen, und die<br />
Schriftstücke sind für unsere Geschichte erheblich genug, um Anspruch<br />
daranf machen zu dürfen, in <strong>der</strong> Urschrift Vielen von nns unter<br />
Angen zu kommen, und im Verein mit einer ganz unerläßlichen<br />
Uebersetznng nnd Ausdeutung eine Stelle in unseren pommerschen<br />
Son<strong>der</strong>schriften zu finden. Auch ist eiu Erscheinen <strong>der</strong> späteren uns<br />
angehenden Schriftstücke durch das venetianische Unternehmen erst in<br />
den ferneren Monaten dieses Jahres, <strong>der</strong> Schluß <strong>der</strong>selben aber im<br />
besten Falle erst in Jahresfrist zn erwarten.
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 175<br />
Was den sachlichen Inhalt unserer Auszüge aus Sanudo<br />
betrifft, so handeln dieselben, im Gegensatze zu den pommerschen<br />
Nachrichten, nur vou zwei Abschnitten <strong>der</strong> Reise des Herzogs,<br />
von dem Seegefecht und seinem zweiten Aufenthalt in Venedig.<br />
Obgleich <strong>der</strong> Herzog schon aus <strong>der</strong> Hinreise, und zwar mehrere<br />
Wochen, daselbst verweilte und auf seiuer Rückkehr von Rom<br />
noch einmal das Gebiet Venedigs berührte, so findet sich doch<br />
in Sanudos Diarien keine Bemerkung darüber. Wir dürfen<br />
annehmen, daß es <strong>der</strong> Behörde gefallen hatte, das herzogliche<br />
Incognito bis zu diesem Grade zur Anerkennung zu bringen.<br />
Daß keine Behörde Venedigs von des Herzogs Anwesenheit<br />
in <strong>der</strong> Stadt unterrichtet gewesen uud daß nicht einmal bei<br />
<strong>der</strong> Einschiffung des Herzogs und feines Hofstaates Stand<br />
und Herkunft <strong>der</strong> Reifenden erkannt worden fei, ist nicht denkbar.<br />
Auch dem Capitain <strong>der</strong> Galere, die unsere Pommern<br />
nach Syrien führte, kann Namen und Rang des „hohen Herrn<br />
ans dem Norden," wie ihn einige Depeschen Sanudos gerüchtweise<br />
nennen, unmöglich verborgen geblieben sein, so vollständig<br />
auch sein Schweigen darüber in dem langen Reiseberichte ist,<br />
welchen er feinem Verwandten in Venedig erstattet hat. Wir<br />
muffen im Gegentheil, als den Verhältnissen am meisten entsprechend,<br />
glauben, daß Zorzi, welcher als Führer eines, aller<br />
Wahrscheinlichkeit nach, dem Staate gehörigen Schiffes und<br />
als Edelmann aus vornehmem Hause gewissermaßen als Staatsdiencr<br />
galt, von <strong>der</strong> Regierung darauf aufmerksam gemacht<br />
worden sei, daß er einen Reichsfürsten an Bord habe und für<br />
dessen persönliches Wohl und Wehe dem Staate verantwortlich<br />
sei.<br />
Es muß hier davon Abstand genommen werden, den Inhalt<br />
<strong>der</strong> vcnetianischen Berichte eingehend mit den pommerschen Darstellungen<br />
zu vergleichen, zumal die heimifchen Quellen an<br />
dem Orte, wo <strong>der</strong> Einfendcr sich gegenwärtig befindet, demfelben<br />
nicht vollständig zur Hand sind. Anf einzelne Abweichungen<br />
und gegenseitige Ergänzungen <strong>der</strong> beiden Darstellungen<br />
werden die Anmerkungen hinweisen, welche die Nebcrsetzung'<br />
des Urtextes begleiten sollen. Abweichungen erheblicher Art<br />
12
176 Actenstücke zur ))icisc<br />
nnd unauflösliche Wi<strong>der</strong>sprüche sind aber ^ und wir heben<br />
dies eigens hervor — so viel ich gesehen habe, nirgends vorhanden.<br />
Der größte Unterschied zwischen <strong>der</strong> pommerschen<br />
und <strong>der</strong> venetianischen Darstellung ist ohne Zweifel die viel<br />
größere Bestimmtheit nnd Reichhaltigkeit <strong>der</strong> letzteren. Namentlich<br />
von dem gefahrvollen Secabentcner gewinnen wir hier<br />
ein so dentliches nnd an neuen Aufschlüssen so ergiebiges Bild,<br />
wie es ausgeführter nicht zu erwarten war. Aber auch die<br />
pommcrsche Quelle bietet ergänzeude Einzelheiten, die nicht zn<br />
missen sind, so beispielsweise die Vewaffnnng nnserer Pilger<br />
betreffend. Nur in Einer Beziehung erscheint das venetianische<br />
Bild für nnfere Augen nnd Ziele sehr wenig befriedigend:<br />
was uus als Mittelftuukt gelten muß, des Herzogs Person,<br />
sie fehlt in ihm gänzlich, alle nnserer Pommern „mannhafte"<br />
Gestalten, une die venetianischen Berichte sie mehrmals bezeichnen,<br />
erscheinen in einer Allgemeinheit nnd Vcrwischtheit <strong>der</strong><br />
Umrisse, die keines einzigen Persönlichkeit nnd persönliche That<br />
unterscheiden läßt. Anch in Eapitän Zorzis Privatbrief iio^r<br />
das Abentener ist dies in befremden<strong>der</strong> Weife <strong>der</strong> Fall; doch<br />
glanben wir die Urfache davon bereits bezeichnet zn haben:<br />
das herzogliche Incognito, das <strong>der</strong> Schreiber nicht anrühren<br />
durfte.<br />
Zn den erfreulichsten Aufschlüssen, die wir Sanndo verdanken,<br />
gehört ohne Frage die Gewißheit, die er uns über den<br />
Ort des Zusammenstoßes mit den Türken verschafft. Dalmers<br />
sonst so znverlässiger und gnter Äericht ist hier nicht<br />
sowohl undeutlich wie irreführend. Folgen wir ohne Argwohn<br />
uud nähere Prüfung feinen geographischen Angaben, so ist die<br />
historische Stelle an <strong>der</strong> südlichen Felsenknste <strong>der</strong> Insel Eerigo,<br />
ganz nahe von dem Cap Bnsa zn snchen, das Cretas änßerste^<br />
Vorgebirge nach Nordwesten bildet. Doch beruhen diese Dal<br />
merschen Angaben auf eiuem Mißverständniß o<strong>der</strong> gar einem<br />
TeMer<strong>der</strong>b, die venetianifchen Berichte lassen darüber nicht<br />
den mindesten Zweifel, wir werden die für nns klassische Stelle<br />
ans das gcnaneste bestimmen, sie ist ini Eanal von Eerigo, also<br />
nordwärts <strong>der</strong> Insel gelegen, in jener Straße demnach, die
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 177<br />
noch heute fortwährend dem großen Verkehre zwischen dem<br />
westlichen Mittelmeer und dem Archipelagus dient, wo sie ein<br />
je<strong>der</strong> von uns, dem das Glück beschieden sein sollte, einmal diese<br />
Straße zu ziehen, mit leichter Mühe wird auffinden können.<br />
Das große Aufheben, das —- zu unserm Gewinn — alle<br />
amtlichen Meldungen von dem an jener Stätte verübten türkischen<br />
Frevel machten, begreift sich: doch nicht aus dem erlittenen<br />
äußeren Schaden allein und <strong>der</strong> Empörung über die Unthat.<br />
Ein politisches Interesse von erster Ordnung war hier<br />
im Spiele. Nach langen nnd blutigen, von dem unersättlichen<br />
Nachbar immer aufs neue erregten Kriegen war endlich seit<br />
einigen Jahren Friede zwischen dem türkischen Großherrn und<br />
<strong>der</strong> Republik von San Marco; aber je<strong>der</strong>mann wußte was<br />
solch ein Friede bedeute: nur eine flüchtige Rast, die jeden<br />
Augenblick enden konnte. Den Türken trieb ein heiliger Wahn<br />
ins ungemcssene vorwärts gen Westen, uud die von Europa<br />
verlassene Republik war erschöpft, ^) und auch dem Feinde<br />
konnte das nicht verborgen sein. Was die Einsichtigen schon<br />
lange gewußt, <strong>der</strong> letzte Krieg hatte es allen offenbart: die<br />
venetianische Macht war we<strong>der</strong> zu Lande noch auf dem Meere<br />
dem Halbmonde mehr gewachsen, die Zeit kam herbei, wo <strong>der</strong><br />
gesammte levantinische Besitz von Venedig an Län<strong>der</strong>n und<br />
Leuten, auf Festland und Inseln, sammt allen Reichthümern,<br />
die sein unternehmen<strong>der</strong> Adel in Landgütern und Faetoreien<br />
dort angelegt hatte, eine Beute <strong>der</strong> Unglänbigen werden würde.<br />
Schon waren <strong>der</strong>en unerbittliche Brandfackeln verschiedene Male<br />
in Sicht <strong>der</strong> hauptstädtischen Thürme erschienen, schon hatten<br />
ihre siegreichen Landtruppen an <strong>der</strong> dalmatinischen Küste des<br />
adriatischen Golfes Fnß gefaßt, schon hatte ein die Zugäuge<br />
des Golfes hüten<strong>der</strong> Admiral die Weisung erhalten, um jeden<br />
Preis einem Zusammenstoß mit <strong>der</strong> verdächtig umher schwärmenden<br />
Türkenflotte auszuweichen;") Frieden um jeden Preis<br />
i Von
178 Actenstücke zur Reise<br />
mit den Türkeil war die Losung <strong>der</strong> Republik, die Losung<br />
aller Venetiauer geworden. Wir führeu dies näher nicht aus,<br />
das Gesagte genügt, uni die Aufregung Zu verstehen, mit welcher,<br />
bei <strong>der</strong> Kunde von dem Ereignisse im Canal von Cerigo, sich<br />
ringsum alle Behörden <strong>der</strong> Republik in Bewegung setzen, den<br />
Vorgang so schnell und so dentlich une möglich <strong>der</strong> Staatsregierung<br />
zur Kenntniß zu bringen; auch Sanudo sieht in<br />
demselben im Gruude nur eiu „Signal", daß <strong>der</strong> türkische<br />
Großherr auf neuen Friedensbruch ausgehe; gegen diese Bedeutung<br />
des Vorfalles kann alles, was ihm sonst bei demselben<br />
bedauernswerth scheint, nicht aufkommeu. Anch ließ in <strong>der</strong><br />
That <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>ausbruch des Krieges keine zwei Jahre auf<br />
sich warten, und Venedigs Verluste beim Friedensschluß<br />
waren groß.<br />
Die Sprache, in welcher die Auszüge aus Sanudo geschrieben<br />
sind, ist <strong>der</strong> oenetianische Volksdialect, wie er im<br />
Wesentlichen noch heute gcsprocheu wird und während eines<br />
halben Jahrtausends die amtliche Sprache <strong>der</strong> Republik war.<br />
Lei<strong>der</strong> ist die Orthographie in demselben, nach <strong>der</strong> gewohnten<br />
Weise des Mittelalters, so willkürlich und regellos, römische<br />
Schreibweise beliebig mit venetianischem Brauche mischend, daß<br />
<strong>der</strong> Charakter des Dialects dadurch sehr entstellt und die lleberleitung<br />
<strong>der</strong> Worte in die italienische Schriftsprache etwas erschwert<br />
wird. Znr Hülfe geben wir im Anhange einige<br />
Fingerzeige.
Herzogs Nogislav X. in den Orient. 179<br />
Aus Marino Sanudos Tagebüchern.<br />
Handschrift <strong>der</strong> Bibliothek von San Marco<br />
vii<br />
in Venedig.<br />
luexe ^) äi ^U08t0 1497.<br />
180 Actenstücke zur Reise<br />
6t tHiiäom l'ulti, 11011 13. potondo Ii3.v6i', liuto -^)<br />
6t 1k 1)1-11806 ^^)) I3. l^U3.1 NOVA lo 63.t3.VÌ88ÌlQ3. 6t äi<br />
ä3.mi0, 81 P6l il P6rcl6i- äi I3. ^3.1ia, 26iitii0miiii)<br />
6t I113.1'il13,I-620, c1i6^) il iioi' 6I16 vi V3.äi, 60U16 ^)61' li<br />
61'6^1'iiii, 6t 6ti3.HI 6Q6 UQ<br />
11011 Iia. 1)0113. P3.X6 ^^) 6011<br />
6t 3.1icli6 P61' I6tt61'6 di IiÌi0NÌl11 , ^<br />
V6äit01' äil 3.1-1113.(13., c1^t6 3, 60r0I1, 86 iiit686 (^1168t0, 61<br />
ivi (lì 60I113.11(iHI116Iit0 dil 6H^)itlU1 2 611613.1 3.11-<br />
ÌQ 3.I-2M6i3.^0 6t ä()V63. f3.r 63.V3.l il<br />
Ü0r0H 6011 ci0 AalÌ6) 8013.60Uiiti 2U3.11<br />
?I-3.I166860 V6UÌ6I' 6t «13.601110 I0l6(i3.111 ^), 861Ì886 3.V61'<br />
ä3.t0 V086^^) 6011 3.l6UIii Crolli, 6t liim3.iici3.t0 13.<br />
I10VÌt3., 6t 6li6 lì 1i3.VÌ^ rÌ8p08W 3.<br />
t0 6ii6 li ci0II13.Iici0 : 61 V08tr0 8i^1101' I10Q IiH 1)0113.<br />
P3.X6 6011 13. NÌ3. 8ÌF1101Ì3.? 1Ì8P086 : N13> (li 8Ì, 1113. IiH<br />
811 l5d ^3.1Ì3. 6II3. 3.I61111Ì tr3.I1668Ì 801<br />
U10li0I1 81 1i3, 66lt0 clÌ6t3. ^3.1Ì3. liil 23^Q0<br />
8Ì 1)3.rti 3.äi 28 211A110^) 6t 6l6ci6V3.I10 ku880 3.1iä3.t3. äi<br />
lu0r3. VÌ3., 6t oli6 61^3. ^)3.ltit0 li6 li UQ0 A3.1Ì011 3.1 ^U3.1<br />
l0 t1itt0 H0I1 3.11^3.1') 6li6 13. tl'0V6I'3. ki18to cli ^111-6^, 6t<br />
6ii6i (1Ì886 61 ^)3.ti'0Q: U0I1 16 8til110 6t 16 ÌQV68tÌi'0, 61<br />
H113.1 66 l3.6ÌiÌ P0tl-Ì3. 68861- HU68to li6880 6t Q0I1 la<br />
.: t3.IN6I1 M68t3. t61'I-3. 61-^3. äi IQ3.I3.V0Ì3, 6t l3. MI<br />
r6ti6V3.I10) 6t t3.II16I1 8Ì tr0V3.V3. 3. 86^111-3.1' 3. t1l16.<br />
P6I- 66Qt0. UIiä6 li Mtll-i äi lU0ii6FÌ0 t61'lliil10110<br />
I' IN3.XÌII16 3> t1Ì6t6 li18t6 6t 1)3.126 6t trH Hi01'0<br />
60N81i1t3.V3.N0 filili Q611l1i1II1 6t 13. P1'0VÌ8Ì0116 ili f3.6t3. ^)<br />
831-3. 86ri^)t3. ti3. H1168to 3.1ti'i I3.Ì, ^^) IH3. PI1I113, 86I-ÌV6r0 61<br />
Olitolo äi la I6tt61'3. V6Q1it3. äi M3.1V3.8Ì3. N6i<br />
60I18Ì8t6 tiit0.<br />
dutai'OQO. 28^ j)i-^0(;i^^ di'ueeiurouo. 29^
Herzogs BogiZlau X, in de» Orient, 181<br />
II.<br />
ia äi lettera, äi H^erouimo 23llt3.ni, poäegta äe<br />
M3.1v38Ì3, »cripta 3.1 Nl^uiüco rector äi uioäoin<br />
3.äi 4 Iiuio 1497 et per äicto reeeputk,<br />
3.1 reximento äi Oor5u, v^:<br />
(Seit^- 329 !..)<br />
.^di ultini0 /.ugno ^1'oximo 1)U88l<br />
i'^ 6t.<br />
Q^ oi P^83^1' (li 7<br />
tH 8ÌN (I , 1<br />
^)1' 6i p1'686Nt6 1N6880 ld ^)03t^.<br />
(I6i 8NC66830 (16 6ìt^ lN'INiVtQ 0l tutto<br />
(IÌ60 li Vo8ti'll N3.^nit^66nci^ ('01N0 80N<br />
mio c^poii^NI 39)) il (^UHi Ilo 1N^N(Ill.t0 Q<br />
I' Ni lo 00886 oportuno (Io li.
182 Actenstücke zur Reise<br />
1'68 86 nal)6at, 81 Iia clii 20N26r ^^) 8U0 ìli oanäia<br />
6t I)6r pin 6niai62a HUÌ 80tto not6ro uno empitolo cli<br />
1ott6i'6 V6nnt6 äa limoli cli Uoinania, clii c^ual Io60 80<br />
int686 M68ta 80pra ditta dona. nova.<br />
IV.<br />
OopÌ3. äe uno Oapitoiio äe lettere äii Nla^niüeo M6886r<br />
fr3nee8co Venier 03.pit3.u e proveäkäor a Xapoli äi<br />
romania äe äi 9 I
Herzogs Vogislau X. in den Orient. 183<br />
mio gripo olio parti por ooi'0n, 00PÌ080 dil oaxci"")<br />
N08ti'0 80^uito 00N larmada ^111'oli08olia 6t por il ^on^or<br />
di Hill adi 5 di 11168301' 21ian ^1'aii06800 V6NÌ6I- Ii0 int080,<br />
c^uol ^1a^nÌiÌ00 plovodadoi' av6r 801'ito do li olio tiiti<br />
imi oramo 8tati 11101-ti 6 sondata 1a ^alia et di<br />
a 8pa^at0 11N0 I)1^HIitin P61' (IM' HVÌ80 6Ì t9.l<br />
W doglio 1)01- la nF^IINt), vi IiHV0t6 M6880 poi' ol<br />
6 MÌ C0INMÌ, 0 N011 (10V0^ 3PH2H1' 8Ì P1'08t0, 1)611<br />
8ÌH V0111it0 3. 0l10 N1H1Ì0 ^^) 6 IN Hiiol li10^0 1iHV6r Ìlit680<br />
tcil N0V6) clov63. pl'iiNH 83.P6I- il voro.<br />
U08ti'0, U^AIiitioo 011^113.(10, 0 8t3.to olio<br />
cicli 30 (lo! P3883.t0 /.oroliH H Hoi'i'o 51) 4 cli 20rii0, o886ncl0<br />
uni intimai N6l 03.N9.I cli oorÌAO 6 03.0 1N3.1Ì0, HV6886IN0<br />
VÌ8ta do 1^1'N13.d3. ^1il'0li680li3. I3 ciurlo oi^H 80i7t3. 80t0<br />
03.0 1N3
184 Actenstücke zur Reise<br />
oap0 di (^iiolla ovor Capitano, non V0136 dirlo, ma 80I0<br />
gridando : Oliila, amaina, ad alta V000 . por la<br />
0083, molto pin dnln'tai, non fo880 camalli, di<br />
liavoa i'atto im prinia . vÌ8to i^iiO8to, 8iil)ito tÌ8Ì motor<br />
la Aalia in Iiordono ^^) al IN0^'1i0 8(; ^otc^iw. in<br />
) Ulm F^lill. ot UNQ t'ngt^ Cliä^näo: ^<br />
P61' mi 86MP1'0 li t'o VÌ8p08tO : climi cui<br />
Ii6 il C3,^)it^n, Ho t'a.1'0 61 clorito mio. loro 110Q<br />
M9.Ì cullo. M6 1^1-86 1)61- (I6l)ito mio et P0<br />
M01't6 6t o^ni altro ^6iico1o, olio clovei' ^M^ÌII^I' 116<br />
PO1'30I1O olio non orili C0^no3ointo. 8ul)ito lo<br />
V6lo ^)i'inoini^ ^ cltii' 1:d I)^tli
.Herzogs Bogislav X. in den Orient. 185<br />
loro 3.1 modo e t6i'1N6N6, 86ntrov3,va 1a dit3 Aalia, oll 6<br />
tutto 6l castello ardeva con tuta la lianda d68tra tino<br />
80pr3 ei vivo 1)01' 1 astiinoli elie ardeva 80pra quella<br />
danda, et etiain loi'O 8traclli del tra^er^2) (Io lo t>626<br />
6t t'uo^i, ei dito eapitano fe^e levar la bandiera. 6t<br />
i'Ì6^u^, ot 0II8Ì iouo t^to ^01' mi. N dit0<br />
8U.I)it.0 inondo 1
l^6 Aaennücke zur Reise<br />
6l dito (^HpitclN inondo P61' Ml 6t l6plicono l6<br />
di^mido cnc l3> colpii 6rr3. 8t3.tll piu NN3., 6li6 (-U88Ì<br />
dov6886 00nt6831'. V6N6 dg. POI l)6N6d6tO 61 I)^I'^6tiI P6dot^,<br />
P61' 61 czull.16 t0N16 ditto 3.883>i PHI'Oll!, li'3. l6 (^U^Ic<br />
dÌ86IN6 : Mtl'Oll, sp168to MIO (Ü3,pit31 t<br />
V^ndo mi N6 I060 dov6 ini ,<br />
6t tutto svuoilo clic loro volo^) P61' l^^V61' ll^ d6li-<br />
1NÌ3. con tnti) IN^ d^ poi lll> V61'it3. 86MP1-6 8^1'Ä<br />
r tuto. l)Ì86iQ6: Iioì' mlonoll^ tu non voi<br />
^lg'unll. N6 dii'
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 187<br />
tu ino t'68ti clii' cli6 di guanto 61'ia. 8ta 86ßuito, dovoa<br />
68861' 0U8Ì POI' 68861' 861'ito 1161 sront6 HU68to. to dioo<br />
6N6 Ii6886Ndo 861'ito ìli fr0nt6 6N6 l^U68ti tl^UÌ^HI'i doV6886<br />
morii' in 8ta uata^lia, 11011 86 Mol a>nda,r oontro 61<br />
V0I6I' ä6 dio, adi paoiontia 60m6 10 no paoi6ntia. d6 1a<br />
116 80110 Elicli più ä6 150 6t IQOI'ti 90.<br />
^
188 Acteiistncke zur Reise<br />
poriool^o (io la vitll. no8ti'li s^nlinto olixo olio<br />
i'o30. nni 80 litio Vllvomo in ti'0 m:i.ini'o8ti noiiooii: (llii<br />
olio lli. ^lilili, lii'slovll, tntli, to^lio 8MN0 8tlit0 NN0<br />
livoi'lli. (lo8tnii(lii, 1 li.lti'0
.Herzogs Vojislav X. in den Orient. 189<br />
dano da due. 400 in 8U8o per I^av6r P6l8o tuto 1<br />
IN0N^ la 1N6^ana, la tenda^ 0I copano, a88ai r6ini I)ru-<br />
8ado, tuto 61 Oratolo l)1'U8ato, et Ig. I)anda d68tra, ^0IN6N6<br />
da Aaridar lu8t6, 6t tute le Lartie 66 la M62ana, eon<br />
altri dani 6t Uianif68ti ^)61'Ì60i1ì di i'liOAO. ti'6 voitk 61<br />
luoZO introno N6i i)Ì2U0l 6t (Io inaiava 6.H prova. 6io<br />
por li! 8na I)0nta non na voi68to tanto mal6. V6N6ä6t0<br />
na P61'80 csua8Ì tuta la 8ua ro^a P6r 6886r 3ta 61 8U0<br />
i'or/.Ì6r sopra 61 6a8t6i1o. 16 ronia80 6on una V68ta 8o1a<br />
80.)<br />
17 intro6 d6ntro li doi 6a8t6lli 6t ritorno la<br />
dil ^aiio, patroni alvix6 ^or^i da 8an lantin. vid6-<br />
quella di p6i6Arini, la c^ual, 60ino l^o dicto di<br />
nl)at6 con turclii ot 8Ì dil686 viri!in6nt6, 6t<br />
tra gli altri p6roFrini vi 6rra uno duella di pomaria^)<br />
inolto ^ran ina68tr0) dil c^ual più di 8oto N6 parerò,<br />
6l
190 Actenstücke zur Reise<br />
amatati 0 lati 30niavi 1^88ÌlI1NO PIO NNN0 di lui 6t<br />
il 3U0 NOIN0 0t tituio (^lii PONLI'O:<br />
86tÌN6N8Ì8<br />
ru^i0 li.0 00IQ08<br />
VII.<br />
(Seite 381.)<br />
22 ditto 61 dnolici. di pom^ria. nominato di<br />
0I cin5l1 0 di 8tiitnrH dol konio, lo00 dii' lio la<br />
0liÌ68Ì3. di 8M1 MHrono 1 0U0Ì0 di morti 0011 nna 80I011N0<br />
M088H in 03.nto P01' 1 anima, di uno karon 8U0 0OINpa^NO<br />
molto in ciu08to via^o di ^0ru8ai0in 0Oindat0ndo 0011<br />
tui'0lli) VÌd.6iÌ06t Domino ^N1'Ì3tololO pol0N3^, 0t poi,<br />
0ompito 1 OU0ÌO) ando6 00N molti Lontnilomilii 0ll6 li<br />
i'0va 0Oinpa^nia, a 1andÌ6ntia di la 8ÌAN0i'ia, 0t lÌ06vnto<br />
dal pi'in0Ìp6 0011 ^ian l08ta, 8tot0 a88ai, 6t poi 6l prin-<br />
0ÌP0 lo a0OinpaZno di 8otto NNO a la 80alla di pÌ0i'a,<br />
0t in ^N08to ^01'NO Domino Nai'00 malipÌ0io, V0nnto<br />
00N Ini, 0OM0ndatoi' di 0)'P1Ì, li doto uno dÌ8nar di 40<br />
man di dandi8on 0 a o^ni mali mutava lo/.a 0 apai'ali<br />
di taola 0t orano ^ollam 11 a taola 0t pi'inia c-li0 8i
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 191<br />
80iitli.886N0 doto tro 00ll30Ì0ni ini pi Olli di divor8O 80rto<br />
0 8totono li. tliolli, dli, liorro 19 lino liorro 3 di noto.<br />
008to ditto plinto duo. 180. (Huo^to duolili. lili, il 8U0<br />
P3080 VÌOÌN0 li. Ili dlioili, ot 0 di Nlitiono l^U3,8Ì (^ott0)<br />
Vli. porlio v08tit0 li Ili. o1omli,n3.^^) orili 00INO poloArino<br />
00N UNli, A1'088li, O0ilcidonli.. I^t poi olio 8toto ^0rni . . .<br />
in (^u08t3 torrli, 8Ì partito ot liNlioo li rollili, ot ditto<br />
lili oonduto domino pi oro irlinoo8oo dli rlivonli. dootor<br />
ot Oli.v3.1ior, olio lo^o in rlixon olinoniolili, li pli.d0li, oliili-<br />
Mli.t0 dli, la, M6M0rili,) ollol Vlidli, 00N lui noi 8110 pli.080<br />
3, i620r in o^uoi 8tndio ot lo voi llir rioo 0 dlirli UNli.<br />
lotura. li lili, donato por primo duo. 100 ot duo. 25,<br />
dli oomprlir do olivlili, lioio oi 8ili in bordino ^iilindo ol<br />
torni dli. romli. li,d lindor oon lui. ot ou88Ì ditto diiolia.<br />
lindoo li romli) 5lioondo Ili vili, di 83nt3, mlirili, di loroto<br />
por il V0t0 liliVOli. Q0t0) il 8U0 8tlit0 0 lontano di (^ni<br />
millo ot duoonto miglili.<br />
vili.<br />
lil 1497. 3,äi 4. ^.Ii08to.<br />
(Seite ^92 d.)<br />
N0N orrli, in tutli^) 8ÌN0 3 ourlioino, tirmo inli8tlido<br />
lo 10 olio Z^olirili do ^lir^oni di 8or<br />
a. rodi, olio ^) lorior, noi 8uo i'or^ior por<br />
tornir 1^ 8iili, Olimorli. Nrr3 25 trli i0noli0ni o plirto-<br />
83N0, ^linoto 0 8p0Nt0NÌ, 6 lo 8U0 rodolo 0 tlil'AOtO 10)<br />
lo (1113,1 lirnio lo 03U83, di V3ront3r ia vitll, 3 50 por80NO)<br />
porolio (Iii3iid0 un ^3iÌ0t0 orr3 ioridO) ol motov3, X080 ^^)<br />
0 1 liltro t0loV3 13 rodolli, 8U80 ^) ot sov3 difo83. i POlo^rini<br />
in I000 di ourli^ino 80 motov3N0 i 8trHp0ntini<br />
ind0880 l^oondo UN0 1)1180 in mo?0 00M0 X01N03 por<br />
380^ur3i'80 di lo fi'07.6. l3. lilitui:l. (l'iro 4 in 5 liorro.<br />
13
192 Actenstücke zur Reise<br />
Uno ^urco, dudit3ndo ^ zelili non tu836 ^i'683,, 8i duto<br />
in in3i' 6 3.ndo 3 Io iii8t6 di 'l'inolii 6 Inolio lo 03U83<br />
di 13 8I.ivI.ti0 di dit3 ^3iÌ3. ^113, 0011 duroni 1)6N6d6to<br />
) dot3. il plitl'ON 3V6 QV61't3 da<br />
ni di 00N83I' oon d3N3ii por due. X^- i ^UI.1<br />
in ^3,1i^, e ^nooi^ un 15'" ^0uti in c;I.ndÌ5l>. tutti<br />
3. la. MIdouli di mii'^coli, tut^ 1^ tori'3. li vo<br />
N6110 3. vOdßi' 8u1 1NU0I0. lui'Hi<br />
in ^2.1ia. l0 trovato in ^3,1Ì3 t^i<br />
^ui-^Qi 0Q6 V0i^03. 4 P3imi. I.i6^i'6t0 di<br />
con 4 3.1tri lo INOI'ti 0 di ^uicni inoi'ti 30<br />
N0t0 : ^0nti hui, D0N1ÌN0 Nlii'00 ^I^ii^ioro loi'iLl, V6N6<br />
00N ditll. ^^1Ì3.) dono a.1 ^^ti-0n duo. 5)00 6 li noii^lini 200.<br />
IX.<br />
^äi 13. l'evi-kl 1498.8!)<br />
II. Seite I7.">1>.)<br />
In<br />
dii ducila, di I^oinoi'^ni^, stinto (^ui ot nonoi'3.to<br />
ool Luointoro 1 3NN0 ^)3883.t0, (iU3ndo t0lN63 di tloi'U-<br />
83.16IN. 3. 13 l^U3l lottoi-H io 80iioit3ndo et li 83vij fono<br />
00Nt6NtÌ. li l60Ì 53,1' iÌ8^0t3 V6rl)3 ^)1'0 V61'l)Ì8) 13.<br />
ia. äß una letera 80i-itH ver il äuclig. äi V0in6r3.ni3. ^<br />
la. 8issQ0rÌ9< Q08ti-3. et lg. riposta, li lo lata.<br />
111118^881^6 P1'ÌN66P8 si'3t61' 6t 31NÌ66 o1)861'V31itÌ8-<br />
3ÌIN6 : I^,6V0iv6NtÌl)U8 N0i)Ì8 3N1N10 ^U3nt3. N08<br />
6t IN3N8U6tiidÌN6 di^nit3<br />
6t 00MÌt3t6 : duiN V68til8<br />
^) 8Ì0! "') Nach veuetianischer Zählung; demnach: l4W.<br />
^) In Nr. X nnd XI ist die Intcrpunction des Originals beibehalten<br />
worden. ^) 8ie!<br />
_
ti8<br />
Herzogs Vogislau X. in den Orient. 193<br />
1' in 01'i8 : 'IViictH^it ot l0V01'it N0N N0t08t N0N<br />
194 Actenstücke zur Reise<br />
tÌ0N61H 3.11101^8 6t l)6NÌV0i61itÌ6 (^U6 8ÌN061'6<br />
ÌN^6N116 NON POtiiÌ886 in 1i00<br />
tiiNO 3.cIÌU1^l6I'6. l^116 liiÌ386iit<br />
6t d68Ì(i6I'ÌÌ N03tri 80Ì1i06t I^X06ii6ntÌ3, V68tl3<br />
tÌ38ÌN13, potilit 6X Ì^)8H (^U6cuN(1U<br />
p1^Q6 60I^66t3.rÌ MI)1Ì8 ll16lìt IQ6I18<br />
^(1 Ì11ÌU8 6X^1tHtÌ0H6IQ 1i0I10I'68 6<br />
i 0VÌIQI18 6X liNNI 3.11188111118 6M8<br />
IQ6N8Ì8 Q0V6IIidl'Ì8 1111110 110^)18 16(1(1ÌtÌ8<br />
^U6H1iaÌ88Ìl110 HUÌIQ0 6X<br />
V186 p i t l<br />
Ìl100iiHN6II1 6t<br />
0Xp60t3,tÌ88Ìmiiiii ìm^) ^)3.ti-Ì3.lli l'oaditum tnm<br />
3.U10rÌ8 in 86 Q08tl-i t6H3.0Ì88ÌlH3I11 U)6IQ0I-Ì3U1<br />
1iI)6I'Ì0I'68 6t<br />
0l)1ivÌ80Ì ^urÌ8 6t ^rbitrii 811Ì 6886<br />
6t 1111ÌV6I'8Ì8 ^61)118 H08trÌ8 dÌ8p0I161'6 N60 860118-<br />
cl.6 3m3.QtÌ33ÌlH0 6t 8Ìl)Ì O0Q^NI1otÌ88ÌlI10 prinoi^)6<br />
3.0 ä6 P1'0^)I-Ì0 8t3.tl1 8110 l3,06r6 ^)0t68t ^U3IN alii 3.0<br />
l6iÌ0Ìt6I- VÌV6r6 ^j6r0^)t3,II1118. D3t. IQ NOstlO 6.1103Ü 1)3-<br />
i3.tÌ0 6Ì6 X.X.""- l6^I'N3I'ÌÌ 1I1(1Ì0tÌ0I16 8601111^3. 1498.<br />
Ut 6r3.t 8iiI)80i'iptÌ0 1113,1111 cl6xtr3. in N30 forine<br />
viä6Ü06t : ^11AN8tini18 L3.rb3.ai00 v6Ì (^I-HtÌ3. diix V6N6tÌ3-<br />
liim 6to.<br />
^. t6r^0 : I11i18tl-Ì88Ìl110 ^rinoi^)i D0INÌN0<br />
cloi ^I-3tÌ3. 8t6tÌN6N8Ì8 P0N16I-3UÌ6 03,881ibÌ6<br />
tiuoi I^11^Ì6 prinoipi 6t OOIIiiti 5nt2l(0N16N8Ì ^^)<br />
3N1Ì00 nostro 031Ì88ÌIN0.<br />
1^3 M3.1 I6tt6r3, 10 I3. aiti 3 pÌ6r0 P6nä6i' t0li6800,<br />
la. cjU3i 8t3.tim m3.nä06 I3. 6.itt3. 3, 6880 clnoli3 P610I16<br />
3. 03.811 (ini 61^3. 11N0 Ä6 li.
.Herzogs BogiZIav X. in den Orient. 195<br />
Übersetzung.")<br />
i.<br />
Vom Monat August 1 497.<br />
Am I.August überbrachte^) ein kleiner Schnellsegler, ^)<br />
den <strong>der</strong> General-Capitän und <strong>der</strong> Kriegsproveditor^) Domö-<br />
) Malipiöro am 19. Juli von Cattaro abgesandt hatten,<br />
92) Eine möglichst wortgetreue Ueberjetznng ist unser Ziel geblie-<br />
ben, doch ließen sich bei <strong>der</strong> oft wirren und nachlässigen Schreibweise<br />
Sanndos und seiner Gewährsmänner die Satzgefüge und Satzver-<br />
bindungen des Originals nicht überall beibehalten. Sanndo sucht selbst<br />
seine Stilmängel zn entschuldigen, nur auf die Sache sei es ihm ange-<br />
kommen : ),8o1um il 8U0L6880 (die Thatsachen) ssui 81 vsäi-H, 36U2H<br />
üItl-0 ^I6^uut.6 8tilo. I^6AH olii voi Flll, uou mi I'ipi'euäk".<br />
^) Dem sog. Collegio nämlich, uud zuuächst <strong>der</strong> sog. Signoria,<br />
d. h. dem Dogeu und seinen sechs bezw, ueuu Beiräthen.<br />
^)
lW Aktenstücke zur Reise<br />
die denselben über Corfn ans Malvasia'^') zna/^ana.ene Nachricht,<br />
daß"^) nenn türkische Schiffe, nämlich sieben<br />
Fnsten''-') nnd zwei Barken, ^"") welche mttev dem Corsaren<br />
Wir werden nns des hier gebrauchten :'>ccent5 auch in <strong>der</strong> Folge be-<br />
dienen, nin über den richtigen Tonfall teinen Zweifel zn lassen, ein<br />
Ansknnftsmittel, das hente allgemeine Gültigkeit hat, wenigstens bei<br />
den italienischen ^exicographen. DoiM'nego :I^alipi
.Herzogs Vojislav X. in den Orient. 19?<br />
Gansabat Enrichi als Oberbefehlshaber^) ^d einem gewissen<br />
Barbeta, einem Rebellen aus Creta, ^) ^Z Oberlootsen, "')<br />
zum Ver<strong>der</strong>ben aller schwächeren in den Gewässern von<br />
Fahrzeuge für Krieg wie Handel. Gewöhnlich führten sie drei Masten<br />
mit viereckigen Segeln.<br />
lu>) Capitano, hier nicht als bloßer Schiffscapitän zn verstehen.<br />
Sanndos obige Angaben über die Stellung dieses Enrichi, o<strong>der</strong> Richi,<br />
wie er ihn späterhin nennt, werden dnrch seine weiter nnten folgenden<br />
Mittheilungen wi<strong>der</strong>legt. Oberbefehlshaber des Geschwa<strong>der</strong>s war ein<br />
an<strong>der</strong>er Capitano, <strong>der</strong> aber von Sanndo auffallen<strong>der</strong> Weise nicht nam-<br />
haft gemacht wird, obwohl er znletzt die Hauptrolle übernimmt. Im<br />
Voehmerschen Kanzow wird er Mnstaphns nnd oberster Gamyr ge-<br />
nannt, bei Malipiero (a. a. O. Seite 154 nnd 641) heißt er Perichi. Die<br />
dienstliche Stellung des Richi zn dem Perichi ist nicht recht klar; Richi<br />
war ohne Frage bereits in den türkischen Kriegsdienst als „Provisio-<br />
ner" fs. unten Anm. 125») übernommen worden nnd befehligte türkische<br />
Kriegsschiffe, fnhr aber fort den frechsten Seeraub zu treiben ange-<br />
sichts jenes Perichi, <strong>der</strong> sich an solchem Unfnge persönlich Wohl nicht<br />
bethciligte. Nnd doch hatten sich die Türken ini letzten Friedensver-<br />
trage von l l7!) ausdrücklich verbindlich gemacht, allem Piratenweseu<br />
zu steuern und dessen Urheber zn bestrafen. sRomanin a. a. O. V. 133.)<br />
An dieser Wegelagerei übrigens betheiligten sich alle das Mittelmeer<br />
und die atlantischen Küsten umwohnenden Völler.<br />
in) Creta, o<strong>der</strong> Candia, war venetianisch, Varbeta also ein<br />
Empörer gegen die Republik.<br />
'^) Armirü.io: Admiral; aber hier nur eiu Subalteru-Veamter.<br />
Später wird dieser Barbcta als pedata, Obersteuermaun o<strong>der</strong> Ober-<br />
lootsc, bezeichnet. (Vgl. G. Casoni's Anm. im ^reuivio Ltor. VII.<br />
S. 6^4.) Eiu geborucr Caudiote mußte <strong>der</strong>selbe iu den dortigen ge-<br />
fährlichen Gewässern den Feinden Venedigs ein sehr willkommener<br />
Wegführev seiu. Bei Malipiero kommen die armiraj auch als Ober-<br />
sten nnd Hanptleutc muhamedauischer Reiter vor. Iu <strong>der</strong> venetiani»<br />
schen Marine hatten die ^ootsen-Commandanten <strong>der</strong> Häfen den Titel,<br />
<strong>der</strong> anch nmii^s), üiinii^^io, nllniruutc^ n. s. w. geschrieben wird.<br />
"") Cerigo, die ansehnliche Felseninsel, welche mit <strong>der</strong> südlichen<br />
Küste Morcas einen Canal bildet, <strong>der</strong> durch die noch näher nach dieser<br />
Küste hin gelegene Insel Elaphonisi, die größte <strong>der</strong> Cervi-Iuselu, zu<br />
eiucr, uur eine kleine deutsche Meile mesfeudeu Durchfahrt vereugt<br />
wird. Zwischen Elaphonisi und Morca ist die Durchfahrt jetzt durch<br />
Sandbänke geschlossen; zwischen Cerigo uud Candien theilt die kleine
198 Aktenstücke zur Reise<br />
kreuzten, die Galere von Jaffa, ^) Capitanò) Alvise Zorzi<br />
von San-Fantin, ^^) angegriffen hätten. Auf ^) dieser Galere<br />
Insel Cerigotto die Wasserstraße in zwei weitere Durchfahrten. Keine<br />
Gegend des Mittelmeeres eignet sich vielleicht so wie diese znr Wege«<br />
lagerei. Pouqueville, Vov^e ^ lu (,^-6^0, 2. (>d. Paris 1!>26. V.<br />
274, fand dieselbe noch nm 1830, Lamartine, VovaF0 «n 0ri6ut,<br />
Paris 1856, 2.
.Herzogs Bogislau X. in den Orient. 199<br />
hatten sich viele, nämlich . . . ^) Pilger,"") befunden, und<br />
unter an<strong>der</strong>en ein hoher nnd mächtiger Herr aus dem Norden, "^)<br />
Schiffe, wenigstens die <strong>der</strong> Iaffa«Fahrer, ss. Klempin, S. 544 und<br />
Cappelletti, Mscpt. <strong>der</strong> ^liin'imM) ^0 nul^iLtratidu« ^to.) eingetragen<br />
werden.<br />
^) Wie lei<strong>der</strong> fehr häufig, hat Sanndo auch hier die für die<br />
Zahl freigelassene Stelle nicht ausgefüllt. Solcher Reisenden erster<br />
Klasse, so zn sagen, müssen etwa 60 au Bord gewesen sein, nach den<br />
in den Beiträgen Klempius enthaltenen Schriftstücken.<br />
"0) ?6i1(^i'wj. Das Wort, von welchem unser „Pilger" stammt<br />
und welches eigentlich nur Wau<strong>der</strong>er, dann auch Frem<strong>der</strong>, Ausläu<strong>der</strong><br />
bedeutet. Mau hat oft zwischen den Ausdrücken nnd Begriffen die<br />
Wahl und darf nicht überall „Pilger" fetzeu.<br />
'") Uno 8ÌFU01- (Herrscher) oiti'limouwuo g'i'Äll m^isti-o. Daß<br />
Sanudo unsern Herzog hier nicht mit Namen und Würden bezeichnet,<br />
hat zunächst wohl seinen Gruud dariu, daß letzterer auch in <strong>der</strong> amt-<br />
lichen Schiffsliste uud dem Schifffahrtsvertrage sein Incognito zu<br />
wahren gewußt hatte nnd darin nur als Frater Georgius Boguslaus<br />
auftritt. sS. Klempiu's dipl. Beiträge.) So glaubte auch Sauudo<br />
sich uicht befugt, die amtliche Sprache durch eigene Wissenschaft zu ver-<br />
bessern. Es versteht sich wohl, daß man höheren Ortes wußte, wer<br />
uuter dem Pilgernamen verborgen war. Mit dein bloßen „Bru<strong>der</strong><br />
N. N.", <strong>der</strong> mit zahlreichem Gefolge vou Herreu uud Dienern reiste,<br />
uud dem bloßen gerüchthaften „großen Herrn aus dem Norden", <strong>der</strong><br />
viele Wochen in Venedig verweilte ehe er sich einschiffte, wird sich eine<br />
venezianische Polizei nicht zufrieden gegeben haben. Ueberdies scheinen<br />
die Gastwirthe damals verpflichtet gewesen zu sein, ihre Fremden<br />
sofort bei <strong>der</strong> obersten Staatsregierung persönlich anzumelden, wie aus<br />
dem Vorfall hervorgehen dürfte, über den wir im Anhange berichten<br />
werdeu, anläßlich <strong>der</strong> deutscheu Herberge des Peter Peu<strong>der</strong>, iu welcher<br />
unsre Pommern vermuthlich ihreu Abstieg geuommeu hatten. Vou<br />
einem ähnlichen Fall giebt Malipiero beim Jahre 1435 sa. a. O. Seite 621)<br />
Nachricht. Es handelt sich da um den König von Portugal, <strong>der</strong> eiuige<br />
Jahre zuvor „incognito" iu Venedig mit kleiner Begleituug angekom-<br />
men, aber bald erkannt worden war, „weil große Personen nicht lange<br />
incogniti bleiben können." Die Negierung suchte den König anf alle<br />
Weise zu ehren, anch nahm dieser das ihm angebotene freie Quartier<br />
uud manches an<strong>der</strong>e an, doch gab die Signoria seinem Wuusche uach<br />
uud behandelte ihn im übrigen nicht als „König", Lemure iuoßti'u.u6o<br />
do uo' I c0Fiw88(,'.r i^r 1^0. Erst bei seiner Rückkehr aus Palästina<br />
ließ Bogislav das ihm nnd <strong>der</strong> venetianischen Regierung bei dem<br />
langen ersten Aufenthalt so viel bequemere Incoguito fallen, nnd ließ
200 Alteiistücke zur Reise<br />
welcher 2000 Dueateu Ueberfahrtsqeld "2) zu entrichten hatte,<br />
und sehr viele an<strong>der</strong>e die eines Gelübdes wegen znm heiligen<br />
Grabe nach Jerusalem wallfahrteten. Auch Herr Zacharia di<br />
Garzoni, des Herrn Marino Sohn, <strong>der</strong> Iohaumter-Ordensmann,<br />
"3) welcher nach Rhodns gewollt hatte, war mit daranf<br />
gewesen, sowie ein Sohn des Ritters Hieronimo Zorzi/^)<br />
Namens Benedetto, zwöls Jahr alt, nnd viele kleine Geschäftsleute,<br />
mit dem Schiffsvolk zusammen . . . ^^ Köpfe, nnd an<br />
Waaren in Ballen, die für Rechunng vieler verschiedener Eigner<br />
nach Rhodns, Candia nnd an<strong>der</strong>en Plätzen bestimmt waren,<br />
für etwa 00000 Dueateu Verth. Der Inhalt des betreffenden<br />
Schreibens wird nuten mitgetheilt werden.<br />
Anch wnrde berichtet, daß die Galere einen Tag nnd<br />
eine Nacht wi<strong>der</strong>standen habe, dann aber, als die Türken fich<br />
überzengt hatten, daß sie dieselbe nicht nehmen würden, von<br />
ihnen mit Feuer beworfen und verbrannt worden sei.<br />
dem „Herzog von Pommern" in seiner Person alle Ehre erweisen.<br />
Daß schon ans <strong>der</strong> Hinfahrt <strong>der</strong> Name nnd Stand desselben an Bord<br />
bekannt war, geht deutlich ans Malipiero a, a. O. S. 157 hervor.<br />
"2) EZ sind Golddncaten gemeint-, die silbernen kamen in Venedig<br />
erst im Jahre 15
Herzogs Vogislau X. in den Orioni. A)l<br />
Eine sehr böse Zeitnng und ein großer Schaden; nicht<br />
nur wcgeu des Schiffes, das verloren ging, und wegen des<br />
Unterganges so vieler Herren, Gel<strong>der</strong> und Seeleute — deun<br />
nur die erleseusten machen die Fabrt dahin - - son<strong>der</strong>n auch<br />
wegen <strong>der</strong> nordischen Wallfahrer überhaupt, "^) und dazu ein<br />
offenkundiges Zeichen, daß <strong>der</strong> tnrt'ische Großherr in Wahrheit<br />
an keinen Frieden mit nnserer hohen Regierung ^) denkt.<br />
Nebereinstimmend berichtete <strong>der</strong>Kriegs-ProveditorHieroniino<br />
Contarmi ans Corine. Derselbe war von dem General-Caftitä'n<br />
dorthin geschickt worden, uni den Madrach '^) zu crhebeu, und<br />
sollte sodann in den Archipel gehen nüt zwei Galeren, <strong>der</strong>en<br />
Snpracomitcs ^^) Zn^ne ^^) Franeeseo Venier und I^eomo<br />
Lored^n N'aren. Er machte Mittheilung von einem Gespräch,<br />
das er mit einigen Türken über die Ursachen des Vorfalls an-<br />
geknüpft habe, nnd daß ihm dieselben ans seine Frage: „Will<br />
Ener Herr denn keinen ehrlichen Frieden mit unserer Regierung<br />
halten?" entgegnet hätten: „Gewiß will er das, aber auf<br />
<strong>der</strong> Galere sind niedrere ihm sehr feindlich gesinnte Franzosen<br />
gewesen, '^) ^^ ^Z h^ s^i Handeln bestimmt."<br />
'"') Mall fürchtete offenbar, <strong>der</strong> Zug <strong>der</strong> Wallfahrer nnd Reifenden<br />
würde nnn eine an<strong>der</strong>e Richtung nehmen, da die vcnetianifche<br />
Flagge keinen sicheren Schutz mehr gewähre.<br />
"') l^ Hj^lwi'i^ uo^ll-u; das gewählte dentfche Wort ist nicht<br />
recht zutreffend, doch will sich kein benies finden, „infere Herrfchaft"<br />
will nicht anklingen.<br />
'^) Wahrfcheinlich eine Abgabe griechischen Nrfprnngs.<br />
^) Ehrentitel <strong>der</strong> Capitane <strong>der</strong> Kricgs-Oalercn,<br />
'^') Die venetianifche'Form voli Giovimi.<br />
'^') Die innner neuen Versuche von damals, ganz Europa zn<br />
einem Feldznge o<strong>der</strong> Krenzznge gegen die Türleu aufzubringen, hattcu<br />
an Frankreich ihre Hauptstütze. Carls VlII., des „Königs vou Ic-<br />
rnfalem", Zng nach 9leapel von 1l91 war, augeblich weuigsteus, uur<br />
das Vorfpiel dazu, und daß Venedig und Frankreich sich soeben entschie-<br />
den genähert halten, lounte den osuiauischeu Zorn gegcu den König und<br />
gegen Venedig uur mehren. Uebrigeno scheinen die Türken fest an<br />
die französischen Passagiere auf dem schisse geglaubt zu habeu - ob<br />
<strong>der</strong> Glaube aber begründet gewesen sei, läßl sich nicht feststellen, da<br />
die Franzosen vielleicht unter falschem Namen in <strong>der</strong> Schiffsliste (bei
202 Actenstücke zur Reise<br />
Durch Meldungen, die aus Modüne gekommen sind, ist<br />
festgestellt, daß die Iaffa-Galere wirklich am 28. Juni von<br />
da abgegangen ist, und glaubt man daselbst, daß sie durchgekommen<br />
sei. Auch eine Galiön ^) s^ damals von dort in<br />
See gegangen und vor den türkischen Fusten, die sie antreffen<br />
würde, gewarnt worden; <strong>der</strong> Capitali aber hätte entgegnet,<br />
die achte er nicht und würde ihnen selber, zu Leibe gehen -,<br />
mau meint, es sei doch leicht möglich, daß diese Galion, uud<br />
nicht die Galere, das fragliche Schiff sei.<br />
Hier ^) ^ber bleibt man voller Besorguiß, und die<br />
meisten geben die Galere verloren. Dennoch hat sich jemand<br />
gefunden, welcher eine Versicherung darauf zu . . Ducatcn<br />
übernehmen wollte.<br />
Im Collegio aber beschlossen die Väter aus diese Berichte,<br />
es mit jenen Fustcu und Barken sehr ernst zu nehmen und<br />
beriethen mit einan<strong>der</strong> ^) was zu geschehen habe. Der gefaßte<br />
Beschluß wird auf einem an<strong>der</strong>en Blatt von mir mitgetheilt<br />
werden. ^) Zuvör<strong>der</strong>st will ich deu Hauptinhalt des<br />
Klempin a. a. O.) stehen. Die französisch klingenden Namen <strong>der</strong>selben<br />
erinnern an keine bezügliche geschichtliche Persönlichkeit. Doch be-<br />
merke ich in Bezug aus den Namen Bonifortis Compare di Pavia,<br />
daß ein Nicolo di Papia um diese selbige Zeit als französischer<br />
Unterhändler in <strong>der</strong> veuetiamschen Geschichte auftritt. (Romanin<br />
a. a. O. Seite 100.)<br />
l22) Der Wortbildung nach ist l^ii^n eine Schwellung des Be-<br />
griffes FaÜÄ, bedeutet demnach eine beson<strong>der</strong>e Art größerer Ga-<br />
leren.<br />
'^) In Venedig nämlich. Es ist Sanudo, <strong>der</strong> redet.<br />
^) ^i-^ loro, unter sich. Es ist damit vielleicht keine geheime<br />
Sitzung des Collegio gemeint, das heißt eine solche, bei welcher die<br />
Savj ai ordini abtreten mußten, doch kamen solche Sitzuugen vor.<br />
Vgl. Donato Giannotti, Ragionamenti :c. Venedig 1678 Seite 271.<br />
Daß Sanudo, von dem übrigens nicht bekannt ist, ob er damals ein<br />
Savio war, die Eintragung des gefaßten Beschlusses verschiebt, ist<br />
jedenfalls auffallend.<br />
'25) Sauudo ist uns diefe Mittheilung schuldig geblieben, doch<br />
läßt sich die Lücke durch eine Stelle in MalipieroZ Jahrbüchern aus-
Herzogs Bogislav X. in den Orient. 203<br />
ans Malvasia gekommenen Berichtes, ans dein alles beruht,<br />
abschriftlich hersetzen.<br />
II.<br />
Abschrift eines Schreibens des Hicronimo Zantani,<br />
Podestü/s^) von Malvasia, an den hochmögenden'27)<br />
Rcctor von Modön, vom 4. Inli 1497,<br />
welches letzter empfangen nnd an die Behörde<br />
in Corfn wei t erbeför<strong>der</strong>t hatte, nämlich:<br />
„Am letzten des eben verflossenen Monats Inni berichtete<br />
ich Ew. Magnificenz über die sieben Fahrzeuge mit lateinischem<br />
nnd die zwei mit viereckigem '^) Segel, welche hier vorüber<br />
gezogen waren, und was ich sonst bis znr damaligen Stunde<br />
füllen: Am 4. (?) August ward beschlossen, den General-Capitän an-<br />
zuweisen, die ganze levantinische Flotte zu einer Demonstration am<br />
Cap MUio zusammen zu ziehen, s^i-oli. 8toi-. a. a. O. Seite 154.) Auch<br />
scheint ans einer an<strong>der</strong>en Stelle daselbst hervorzugehen, daß damals<br />
allgemein Klage in Konstantinopel wegen des Piratenwcsens erhoben<br />
wurde. Malipiero schreibt vom October 1497 (a. a. O. Seite 643): „Schon<br />
oft hat sich die Signoria bei <strong>der</strong> Pforte über das Unwesen beschwert,<br />
das von den Seeräubern an unsern Küsten getrieben wird, aber nach<br />
wie vor haben alle Corsaren, die sich beim Großherrn, Geschenke<br />
bringend, beworben haben, Iahresgehalt und Wartegcld (beides ist<br />
,)1)i'ovÌ8Ìou") uno Bestallung als Kriegs - Capitane erhalten." „So<br />
leiten die Türken ihre Leute an, sich aus unsre Kosten zu erheben,<br />
und wenn man ihnen davon spricht, so antworten sie, man könne da-<br />
gegen nichts thuu, die Signoria müsse selber sehen wie sie damit<br />
znrecht komme."<br />
'26) Der Podestà war <strong>der</strong> oberste Verwaltungsbeamte uud <strong>der</strong><br />
Richter erster Iustanz in den venetianischen Städten, den kleinen uud<br />
den großen. Die Berufungen gingen nach <strong>der</strong> Hauptstadt. Nector<br />
ist ein allgemeiner Name für alle obersten Ortsgewalten, die militä-<br />
rischen sowohl wie die civilen; auch die Podestes wurden so genannt.<br />
'27) Magnifico. Der prächtige Titel, später durch Excellenz er-<br />
setzt, wurde gesellschaftlich jedem venetianischen Edelmann von dein<br />
an<strong>der</strong>n gegeben und stand gesetzlich jedem von einem Adlichen verwal-<br />
teten Amte, also allen nicht subalternen Behörden zu.<br />
'^) Alle galerenartigeu Schiffe führten lateinische, d. h. dreieckige,<br />
die Barken viereckige Segel.
^s)4 Acten stücke zllr Neise<br />
über dies Geschwa<strong>der</strong> in Erfaln'iing gebracht hatte. lini nichts<br />
zu verfehlen, glande ich anch gegenwärtige Meldnng schleimigst<br />
erstatten zn sollen, damit Ew. Magnifieenz von allen: unter-<br />
richtet werde, was sich mit besagtem Geschwa<strong>der</strong> ereiguet hat.<br />
Was ich berichte, beruht ans Angaben meines Caplans, ^"')<br />
den ich zur Vntiea ''"') gesaudt habe, uni die dort etwa nöthig<br />
^) Cappellano. Die Kanzler und Secretare höherer Ordnung<br />
waren damals gewöhnlich noch immer Geistliche. Doch zwingt nichts<br />
dazn, solchen Fall anch hier anzunehmen. Manche Behörden hatten<br />
Anspruch auf eiueu eigenen Priester-, vielleicht war <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Ab«<br />
Wesenheit eines militärischen Commandanten zugleich als solcher, hoch<br />
über dem Städtcheu ans uneinnehmbarem Felsenschloß sitzende Podest^<br />
von Malvasia in solchem Fall, o<strong>der</strong> er war vornehm uud reich genug<br />
sich einen Meßpriester auf eigene Kosten zu halten.<br />
'^) A la V^tica. Cs ist schon oben bemerkt worden, daß Schloß<br />
nnd Bezirk Vutica venetiainsches Gebiet war. In den gedruckten<br />
Nachrichten freilich findet sich dieser für nns einigermaßen wichtige<br />
Unistand nicht erwähnt, wenigstens nicht in den mir zugänglichen Wer-<br />
ken <strong>der</strong> Art, doch regen Fallmerayers (Gesch. v. Morca 11. S. 429)<br />
uud v. Hammers (a. a. O ll., S. 3i^)) Bemerkungen die Frage an.<br />
Im Frieden vou 147!» au die Pforte abgetreteu, war <strong>der</strong> Bezirk<br />
5« A«i5xn iu Folge beson<strong>der</strong>er nachträglicher Uebereinkuuft uuter<br />
dem Titel einer Grenzberichtignng im Jahre 1481 den Venetianern<br />
zurückgegeben worden. (Herr Professor Thomas vou München, dem<br />
ich noch für manche au<strong>der</strong>e Beihülfe dicfer Art zu freundlichstem Danke<br />
verbunden bin, hatte die große Güte, die betreffende Stelle des Ab,<br />
kommens in den Urkunden des Frari-Archivs für mich aufzusuchen uud<br />
auszuziehen.) Man mnß glauben, die Grenzen des Bezirks seien In<strong>der</strong><br />
Bogenschußweite vou deu Gräben des xtt^^)^ nicht hiuausgegau-<br />
geu, es ist bei <strong>der</strong> Abtretung nur von <strong>der</strong> /rc^tt)/)? xni /t67t)^//<br />
desselben die Rede. Der Caplan befand sich in la Valica inner-<br />
halb des Verwaltnngsgebiets von Venedig nnd wahrscheinlich sogar<br />
seines Podestüs von Monembasia. Da <strong>der</strong>selbe ohne Zweifel von la<br />
V^tica ans o<strong>der</strong> doch einem ganz in <strong>der</strong> Nähe befindlichen Orte, dem<br />
Seegefecht zugesehen hat, so ist die Frage, wo diese V^tica zu suchen<br />
sei, für die nähere Bestimmung <strong>der</strong> Kampfstätte nicht unwichtig. Wir<br />
reden darüber ausführlich im Auhaug: hier uur soviel, daß uutcr la<br />
V^tica die nördliche Küste <strong>der</strong> heutigen VatikaBay uud vielleicht diese<br />
Bay selber zu verstehen ist. Diese Vncht wird von <strong>der</strong> Küste Moreas<br />
und <strong>der</strong> Insel Elaphonisi gebildet.
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 295<br />
werdenden Vorkehrungen zn treffen, nnd schreibt mir <strong>der</strong>selbe,<br />
daß besagtes Geschwa<strong>der</strong> ini Canal von Cerigo ^^) eine Galere<br />
angegriffen habe, von welcher er, — bei <strong>der</strong> großen Entfernnng<br />
allerdings nnr mnthniaßlich -— glanbe, daß es die von<br />
Jaffa ^) gewesen sei; nnd als die von <strong>der</strong> Varke gesehen, daß<br />
sie das Schiff nicht nehmen würden, hätten sie es mit Fcner<br />
beworfen nnd nie<strong>der</strong>gebrannt. Dies Geschwa<strong>der</strong> hält die<br />
ganze dortige Straße in Bann; alle Fahrzeuge, die es<br />
findet, werden von ihm in den Grnnd gebohrt nnd Tag für<br />
Tag treiben Leichen Ertrunkener an. Ans Monovasia^) ^. s. w."<br />
III.<br />
Am 7. trafen Briefe ans <strong>der</strong> Levante ein, von nnserm<br />
Gcncral-Capitän ans Cattar» vom 28. Inli,^) ^^ neuen<br />
und sehr gnten Nachrichten von <strong>der</strong> Jaffa Galere, welche Gott<br />
^') Entwe<strong>der</strong> die Durchfahrt zwischen Cerigo und Elaphonisi,<br />
o<strong>der</strong> die gcsammte Durchfahrtsstreckc zwischen Cerigo und Morea,<br />
wahrscheinlich die letztere. (S. den Anhang.) Nach den drei gedruckten<br />
pommerschen Quellen fand <strong>der</strong> Zusammenstoß bekanntlich uicht hier,<br />
son<strong>der</strong>n gegen 15 deutsche Meilen weiter südlich, nicht zwischen Morea<br />
und Cerigo, son<strong>der</strong>n zwischen Cerigotto und Candia, ganz uahe an<br />
<strong>der</strong> Küste von Candia, etwa bei Cap Busa, statt. Wir werden ini<br />
Anhange zeigen, daß diese irrige pommersche Angabe das Ergebniß<br />
einer an allen drei Texten o<strong>der</strong> ihrer gemeinschaftlichen Quelle voll-<br />
zogenen Gewaltthat ist.<br />
'^) Wir fragen: wie tonnte <strong>der</strong> Caplan bei solcher Entfernung<br />
auch nnr muthmaßen, daß die Iaffa-Galere das uothleidende Schiff<br />
sei? Es bleibt nur die Annahme übrig, daß er aus irgend eiuem zu-<br />
fälligen Grunde von früher her mit <strong>der</strong> Gestalt des Schiffes näher<br />
bekannt gcwefen o<strong>der</strong> daß die Ankunft desselben in jeneu Gewässern<br />
dein Podestà von Malvasia vorher angckündet worden sei, vielleicht<br />
nm dem vorübcrfahreuden Schiff für die anzulaufeudeu Plätze be-<br />
stimmte Corrcspondenzeu zuführen zu lassen Die Galere pflegte<br />
vielleicht oft uud ungefähr zu vorher schon festgesetzten Zeiten die<br />
Fahrt zn machen, und scheint damals das einzig auf dieser Linie lau-<br />
fende venetianische Pilgerschiff gewefen zu sein.<br />
'^) So lautete, wie noch heute ungefähr, <strong>der</strong> offizielle Schreib-<br />
name <strong>der</strong> alten Stadt Malvasia o<strong>der</strong> Monembasia.<br />
^) Diefcr zweite Courier ans Cattaro war also bis Venedig nur<br />
nenn bis zehn Tage unterwegs.
20l> Actenstücke zur Reise<br />
sei Dank nicht verloren ist, aber allerdings einen Kampf zu<br />
bestehen gehabt hat. Nach den Angaben <strong>der</strong> Einen war sie<br />
genommen und einen Tag festgehalten, dann aber losgelassen<br />
worden, nach An<strong>der</strong>en war sie nach herzhafter Gegenwehr nnd<br />
nachdem sie ihr Vor<strong>der</strong>eastell ^) dnrch Fcner eingebüßt hatte,<br />
entkommen, u. f. w. Wie sich die Sache aber anch verhalten<br />
mag, es steht fest, daß sie in Candia^) eingetroffen<br />
ist, nnd will ich zu besserem Verständniß hier unten einen Abfchnitt<br />
des mit <strong>der</strong> erfreulichen Botschaft aus Napoli di Nomania^)<br />
eingegangenen Schreibens mittheilen.<br />
IV.<br />
Abschrift einer Stelle des von dem hochmögenden<br />
Herrn Francesco Veniör, Stadthauptmanns und<br />
Provcditors zu Napoli di Romania am 9. Juli<br />
1497 ausgefertigten und an: 12. Inli in Modi^ne<br />
eingetroffenen Schreibens. ^)<br />
„ .... So eben ist ein gewisser Gallo, Eigner eines<br />
Schnellboots von hier, angelangt und hat ausgesagt, daß er<br />
in <strong>der</strong> Nacht des 4. lanfendeu Monats 80 Meilen vor<br />
Candia ^) die Galere von Jaffa angetroffen habe und daß<br />
er wegen widrigen Wetters Canea ^") habe anlaufen müssen,<br />
wo er bis zum 9. dieses verblieben sei, und daß dort ein<br />
zu Lande von Candia herübergekommener adlicher Herr erzählt<br />
^) II castello. Es gab <strong>der</strong> Castellò o<strong>der</strong> erhöhten uud um-<br />
schlossenen Verdecke, welche bei einem Kampfe als Hauptstützen dieuteu,<br />
auf den Galeren zwei; doch geht aus dem Zufammeuhauge hervor,<br />
daß uicht das Hintere gemeint ist.<br />
'N) Nämlich <strong>der</strong> Stadt dieses Namens.<br />
'") Nauplia.<br />
'^) Die Beför<strong>der</strong>uugszeiteu also waren: von Nauplia uach<br />
Mod()ne 3 Tage (schwerlich über Land), von Mod
Herzogs Vojislav X. in don Orient. ^i)7<br />
habe, besagte Galcrc sei Zu Candia in übler Verfassung angekommen,<br />
nnd <strong>der</strong> Oberbootsmann nnd ein vornehmer Edelmann<br />
von dcm hintcrn Schiffsraum, ^") sowic cin einfacher<br />
Adlicher aus dem Norden seien todt und sehr viele verwundet.<br />
Outt sei über alles gepriesen, daß die Sache besser abgelaufen<br />
ist, als man annehmen mußte. Wir werden sogleich über<br />
Lepanto nnd Corfu au den hochmögenden General ^) ^^<br />
an nnsre durchlauchtigste Staatsregierung Meldungen abgehen<br />
lassen . . . ."<br />
V.<br />
Hauptinhalt eines aus Candia von Aloise Zorzi,<br />
Capitän <strong>der</strong> auf Jaffa fahrenden Gal ere, an seinen<br />
Vetter,"2) den Ritter Hieronymo ZorZi geschriebenen<br />
Briefes, worin er die Gefahren beschreibt,<br />
die er von dem türkischen Kriegsgeschwa<strong>der</strong> auszustehen<br />
gehabt hat, vom 10. Juli 1497 und hier<br />
in Venedig eingegangen am 24. August 149 7. ^")<br />
„Hoch- uud edelmögen<strong>der</strong> ^') nnd wie ein Vater Zu verehren<strong>der</strong><br />
"") Herr Vetter!<br />
Mit einem Eilboot, das nach Cormi ging, habe ich Euch<br />
'") Heute würde man sagen „von <strong>der</strong> ersten Cajüte" o<strong>der</strong> „ein<br />
Passagier erster Klasse."<br />
l") Das heißt an den Generalissimus, den General-Capitän. Es<br />
fand also ein Depeschen-Versand ans zwei Wegen statt: einer über<br />
Lepanto, <strong>der</strong> andre über Modone, nach Corfn nnd nach Venedig.<br />
Hiernach ist anzunehmen, daß die venetianischen Couriere den Weg<br />
von Nauplia nach Lepanto über Land, also durch das türkische<br />
Gebiet, iu diesem Fall wenigstens bis Corinth, nahmen.<br />
'") Oi>mm^); eigentlich Schwager, doch damals für jeden Ver-<br />
wandten gebraucht. Vgl. Ducange, v. co^i^tus.<br />
'") Was den sachlichen Inhalt dieses Hanptberichtes über den<br />
Vorfall betrifft, so ist <strong>der</strong>selbe unserer Ueberzeugung nach für laniere<br />
Wahrheit zn halten. Ueber die Ausnahmen und Vorbehalte, die<br />
wir in dieser Beziehung zu machen haben könnten, werden wir nns ini<br />
Anhange auslassen.<br />
'^) >s:^i!iü(50 « sseu^lOLo. Die letztere Anrede galt dem Ritter.<br />
"6) Eine damals sehr gebräuchliche Anrede seitens jüngerer und<br />
tiefer stehen<strong>der</strong> Verwandten und Freuude.<br />
14
208 Actenstücke zur Reise<br />
unter dem 6. dieses von hier ans einen langen "?) Brief j ^ -<br />
unser Erlebniß mit <strong>der</strong> türkischen Flotte geschrieben. Nun<br />
höre ich vou dem am 5. hier eingetroffenen Herrn Zuane<br />
Veuiör, daß <strong>der</strong> bewußte hochmo'gende Proveditore ^) berichtet<br />
hat, wir wären allesammt umgekommen und die Galere wäre<br />
gesunken, und daß er eiueu eigeueu Brigantin hat abgehen<br />
lassen, um solche Dinge zu melden! Ich bedaure von Herzen<br />
den Kummer, den Ihr um Encru Sohn, <strong>der</strong> hier bei mir<br />
ist, in Folge dessen gehabt haben müßt. Er durfte so eilfertig<br />
keine Meldungen abgeheu lassen. Wenn er auch selbst ani<br />
Casi MÄio gewesen und ihm dort <strong>der</strong> Vorfall so lügenhaft<br />
dargestellt worden ist, so mußte er sich doch zuerst Gewißheit<br />
darüber verschaffen, was Wahres daran sei.<br />
Unsere Begebenheit aber, hochmo'gcn<strong>der</strong> Vetter, war diese:<br />
Am 30. verflosseneu Monats, etwa um 9 Uhr Morgens, >")<br />
'^) Warnm anf diesen „langen" Brief noch die vorliegende neue<br />
Ausführlichkeit? Wir dürfen vermutheu, daß Capitän Zorzi, <strong>der</strong><br />
alle Ursache hatte, vor <strong>der</strong> Regierung uud <strong>der</strong> öffentlichen Meinung<br />
als rein nnd brav dastehen zu wollen, nach dieser Seite hin in dem<br />
ersten Schreiben nicht genng gethan zu haben glanbte. Der hier mit-<br />
getheilte Brief war demnach mehr für das Publicum als für den<br />
Vetter bestimmt und sollte <strong>der</strong> Regierung gegenüber als vorläufige<br />
Berichterstattung gelten. Die Regierung hat sicher nicht unterlassen,<br />
von ihrem Recht, eine zeugenmäßige Aussage o<strong>der</strong> doch einen eigeueu<br />
Bericht über den Hergang vou dem Capitän zn erlangen, Gebranch<br />
zn machen, doch scheint Sanndo das betreffende Actenstück nicht ein-<br />
gesehen zu haben. Die wichtigen Nachträge, die er (Nr. VIII.) bringt,<br />
fcheinen dem in unferem Nachtrage enthalteneu Briefe des Rhodisev<br />
Ritters Garzoni entlehnt zn
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 209<br />
als wir in die Meerenge zwischen Cerigo nnd Cap<br />
eingelaufen lvaren, bekamen wir ein türkisches Kriegs-Geschwadcr<br />
in Sicht, das nnter Cap MÄio hervorgekommen war. ^^)<br />
Wir konnten dasselbe deutlich erkennen, da die Schiffe, bis zn<br />
neun Segeln stark, eins hinter dein an<strong>der</strong>en liefen, nämlich fünf<br />
Fnstcn, zwei leichte Galeren nnd zwei Barken, die größte <strong>der</strong><br />
letzteren von 400 Tonnen — doch befand sich ihr Capitän, <strong>der</strong><br />
Corsar Richi, ans <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en — im übrigen aber erkannten wir<br />
nicht, mit wem wir zn thnn hatten. Da legten dieselben plötzlich um<br />
und hielten auf uns, indem sie ihre ganze Rudcrkraft einsetzten.<br />
Als wir das sahen, und da ich starken Verdacht hatte, daß<br />
wir es mit oem Camali ^) o<strong>der</strong> mit sonstigen Seeräubern zn<br />
thun hätten, nnd eingedenk dessen was in dieser Veziehnng<br />
schon alles vorgekommen war, beschloß ich <strong>der</strong> größeren Sicherheit<br />
wegen Kehrt zu machen, ^) zumal die ganze Art und<br />
land <strong>der</strong> Tag ungefähr nm fi'inf Uhr, eigentlich etwas früher, doch<br />
wähle ich die run<strong>der</strong>e Zahl; „vier Uhr Morgens" o<strong>der</strong> „Tages" ist<br />
also etwa nenn Uhr Morgens.<br />
'^) Von Cap Spati, wo die Meerenge, <strong>der</strong> „Canal von Cerigo"<br />
o<strong>der</strong> „von Cervi" deginnt, sind zwei Myriameter bis nach Cap<br />
Mälio.<br />
^2) Ein berüchtigter Pirat, <strong>der</strong> anch sonst bei Sanndo und MalipU'ro<br />
vorkommt, damals aber bereits in türkischen Kriegsdiensten stand.<br />
^) I^'aitr^ »,1w. Volt^ ist nicht Umkehr, nur Wendung und<br />
Richtung. Was aber ist l'ultra voiw? Man könnte meinen, Capitän<br />
Zorzi wollte nnr sagen, er habe es nun vorgezogen, den an<strong>der</strong>n<br />
von den zwei möglichen Kursen zn steuern, nämlich westlich nnd südlich<br />
uni Cerigo herum nach Candia, statt wie bisher nördlich bei <strong>der</strong> Insel<br />
vorüber. Dazu mußte die Galere allerdings vollständig umwenden<br />
uud eiu Stüä Weges zurück machen, aber <strong>der</strong> Capitän hätte dies doch<br />
nicht gesagt. Indessen lehrt ein bei Malipi^ro fa. a. O. Seite 148) mitgetheilter<br />
Bericht des Kriegsprovcditors Contariui über seine Unternehmungen<br />
gegen diesen Camali, vom 1^1. März 1495, daß damals<br />
mit dem „Nehmen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Richtung" nichts an<strong>der</strong>es gemeint<br />
wnrde als Kehrt machen uud slieheu, uud daß kein Capitän, selbst nicht<br />
einmal <strong>der</strong> tüchtige Contarmi, sich schcnte solche Flucht einem stärkeren<br />
Gegner gegenüber zn ergreifen nnd einzugestehen. Auffallen<strong>der</strong> Weise
210 Actenstücke zur Reise<br />
Weise <strong>der</strong>selben ein sehr bedenkliches Ansehen hatte. Nachdem<br />
ich so bis 1 l Uhr Vormittags ^) diesen an<strong>der</strong>n Kurs eingehalten<br />
hatte, ging mir <strong>der</strong> Wind aus und die Windstille blieb.<br />
Es währte nicht lange und wir hatten vom Spiegel her zwei<br />
von den Fnsten zu Seiten nnd wurden angerufen von ihnen,<br />
wer wir wären: Ich antwortete: eine Pilger-Galcre von<br />
Venedig, was sie übrigens schon an den Flaggen hatten<br />
sehen können, die ich hatte aufziehen lassen, nämlich <strong>der</strong> Flagge<br />
des h. Marens ^5) an Segelstange nnd Flaggenstock,'^) uud<br />
<strong>der</strong> Flagge mit dem Standartenkrenz. ^) Ich fragte nuu<br />
sagen die an<strong>der</strong>en Berichte von dieser Umkehr nichts; Zorzi's Erwäh-<br />
nung <strong>der</strong>selben bewahrt vor den allergrößten Wirrnissen über den<br />
Gang <strong>der</strong> Begebenheit.<br />
^) I^ino ä. iiors 6 6i Fioi-uo, also zwei Stunden hindurch; uuter<br />
den Umständen, bei dem vermuthlich bereits nachlassenden Winde und<br />
<strong>der</strong> geringen För<strong>der</strong>ung, welche Ru<strong>der</strong>kraft einer ^lin. gi'ossil. zn<br />
bringen vermag, wohl keine dentsche Meile Weges.<br />
155) Ein geflügelter goldener Löwe mit einem aufgeschlagenen Buch<br />
in <strong>der</strong> Pranke. Der Löwe wird bald iu iimogtH, d. h. mit dem ganzen<br />
Leibe von vorn, bald nnr mit nach vorne gewandtem Gesicht, bald<br />
sitzend, bald stehend, bald schreitend dargestellt, auch kommt er mit<br />
einem Krenz o<strong>der</strong> einem Schwert in <strong>der</strong> Tatze vor, nnd über die rich«<br />
tige Farbe des Fahnentuchs herrschen heute uoch Zweifel. Vgl. G.<br />
Orlandini, I^olii^wu« Luiia düiMLi-u. inuuioipg.1o äi V6U62ia, 1877.<br />
Herr O. entscheidet sich, mit Recht wie mir scheint, für das rothe<br />
Fahnentuch. Die venetianische Seeflagge war ohne Zweifel im 15).<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t ohne Ausnahme roth und nichts berechtigt zn <strong>der</strong> An-<br />
nahme, daß die Kanffahrer andre geführt hätten. Uebrigens hatten<br />
die Capitane, felbst die auf deu Kriegsschiffen, das Recht, bezw. die<br />
Pflicht, ihre eigene Wappenfahne zn führen. Die Verordnung dazu<br />
findet sich bei Sanndo I^VI. S. 333 nnd ist vom Jahre 1532, hat<br />
aber sicher diesen Brauch nicht erst eingeführt.<br />
^') lu ventanno ot iu 8t^x0 ; bei Malipi^ro: 8t^a; lanter jetzt<br />
ganz abgekommene nnd unverstandene Ausdrücke. In v«uwm^ ist<br />
eine Flagge, weuu sie am oberen Ende <strong>der</strong> meistens fast fenkrecht an<br />
dem Mäste schwebenden mächtigen Naen befestigt ist, dem Winde ein<br />
freieres Spiel als die Flaggen an <strong>der</strong> 8t^l, d. h. entwe<strong>der</strong> an dem<br />
Flaggenstock anf <strong>der</strong> Mastspitze o<strong>der</strong> znr Seite <strong>der</strong> wmw. dem Zelt-<br />
dach des Hinterdecks, wehend.<br />
^) Im weißen Tnch ein rothes einfaches Kreuz, das alte allge-
Herzogs Vogislav X. in den Orient, 211<br />
meinerseits, welcher Kiegsmacht sie angehörten, nnd sie antworteten,<br />
<strong>der</strong> türkischen. Ich fragte, wer Befehlshaber o<strong>der</strong><br />
Capitän des Geschwa<strong>der</strong>s sei; sie wollten darans indessen nicht<br />
antworten, son<strong>der</strong>n riefen laut: Einziehen! streichen!^) was<br />
mich sehr in dem Verdachte, den ich gleich Anfangs gehabt<br />
hatte, bestärkte, daß ich es mit dem Camali zu thnn habe.<br />
Sobald ich dieser Ansicht geworden war, ließ ich eiligst die<br />
Galere, so gnt es ging, in Bereitschaft setzen.<br />
Während dem kam noch eine andre Galere nnd eine Fuste<br />
herbei und riefen: Streichen, streichen! woranf ich ihnen jedes<br />
Mal zurückrief: sagt mir, wer Euer Capitän ist, nnd ich werde<br />
thun, was meine Schuldigkeit ist. Sie aber wollten darauf<br />
durchaus keine Antwort geben, und so glaubte ich, um meiner<br />
Pflicht und um <strong>der</strong> Ehre unsrer durchlauchtigsten Staats-<br />
Regierung willen, viel lieber den Tod und jede andre Gefahr<br />
erdulden zu follen, als meine Segel zu streichen und Menschen<br />
Ehre zn bezeigen, die mir unbekannt waren. Plötzlich gingen<br />
die vier Schiffe zum Angriff übcr^) und bewarfen uns mit<br />
Bomben und Pfeilen ohne Ende und mit Raketen und Feuertöpfen.<br />
In weniger als einer Stnnde hatten sie nns das Vor<strong>der</strong>-<br />
meine christliche Erkennungsmal, darnm auch die Fahne des h. Georg<br />
und so gewissermaßen auch die Staudarte unseres als Frater Georgins<br />
Bogislaus, also als Nittermöuch wallfahrenden Herzogs. Wahrschein-<br />
lich flatterte diese ans allen Pilgerschiffen gebräuchliche Flagge an den<br />
beiden o<strong>der</strong> gar an den dreien von uns bezeichneten Stellen. Mit dieser<br />
Flagge stand die Galere in gewisser Weise zugleich uuter europäischem<br />
Schutz, nicht blos nnter venetianischem.<br />
'^) ('liM, mniiiu^, d. h. (^Mw, lnnimmt^. Es wurde ein<br />
Streichen <strong>der</strong> Segel, ein Herunterlassen <strong>der</strong> großen Segclbänme ver-<br />
langt. Von den Flaggen, wenn sie nicht schon gehißt gewesen waren,<br />
würde im Gegentheil ein Aufziehe« verlangt worden sein. Das :l,rmülm<br />
war ein bekanntes Befehlswort für ,^'iü I'nni^mll": die Nae herun-<br />
ter ! Wie ans den bei Malivicro a. a. O. vorkommenden Beispielen<br />
hervorgeht, wnrden die Raen dabei bis zur Hälfte gesenkt, nnd von<br />
allen Vollern wurde streuge auf diesen Ehrengebranch gehalten.<br />
'"") Dalmcr erzählt den Vorgang folgen<strong>der</strong>maßen! „Am Frytag<br />
Conversionis Pauli — alß H. V. gesigelt ist voli Modcua (Modone)<br />
nach Candien. nnd fast MO Meilen Wegs von Modeila gekommen.
Actmstüä^ zur Reise<br />
Segel sowie des Segel ani Hintermast ^'") nie<strong>der</strong>gebrannt, indessen<br />
wir uns, länger als diese Stunde^') ohne Aufhören<br />
mailnhaft Niehrten. Nnn kamen auch die an<strong>der</strong>en Oaleren mit<br />
den noch übrigen Fnstcn herbei nnd begannen, ohne daß noch<br />
Worte gewechselt wären, einen nenen äußerst heftigen Angriff<br />
niit Bomben, Pfeilen nnd Fencr <strong>der</strong>niaßen, daß die meisten<br />
von nns verwundet wurden, nnd ich selber mit fünf Pfeilen.<br />
Nnn fing auch unser Castell Feuer uud bramite gänzlich zusammen;<br />
unsere Schaluppe aber ermöglichte uns, den Kampf<br />
ohne Unterlaß fortzusetzen, "^) bis ungefähr gegen Sonnen-<br />
Haben sich unter des Türcken Lande, wol IO Weke Sees von ihnen i)<br />
Sigell erhoben unter denen wahren 2 grosse Navcn, 2 snbtile<br />
Galeen, 5 Fnsten. Tarinne wahren Türken bey an<strong>der</strong>thalb Tausend<br />
stark. Diesselbeu lieffen nns alle nach". Dalmcr spricht also von<br />
<strong>der</strong> Umkehr nnd Flucht <strong>der</strong> Galere nicht nnd weiß ebenso wenig von<br />
dem Streit nm die Ehrenbezeugungen. Nachdem die Galere von den<br />
Fnsten eingeholt worden war und <strong>der</strong> Capitän Auskunft über seine<br />
Herkunft gegeben, erzählt Dalmer Weiler, hätten die Türken, nach<br />
kurzem Besinnen nnd Berathen, ,,zu stürmen angefangen mit Büchsen,<br />
schössen und Pfeilen."<br />
"N) l^ m^xaiiQ 6 1'ai'timon. Da die Galeren gewöhnlich an<br />
jedem ihrer zwei Masten mir ein Segel führten, so kann das anch<br />
heißen: das Hintermastsegel und den Mast selber; doch sagt Dalmer<br />
in seiner Erzählung: „das große Segel sammt dem hintersten mit den<br />
Naen", was mit unserer Uebersetzuug stimmt, nur daß iu <strong>der</strong> pom-<br />
merschen Darstellung auch <strong>der</strong> Naeu gedacht wird. Die nnr vorlie-<br />
genden Quellen sind auffallend schwankend in <strong>der</strong> Erklärung <strong>der</strong> beiden<br />
Ausdrücke, welche bald von den Segeln, bald von den Masten gelteu<br />
sollen nnd dann nicht immer übereinstimmendes zn bedeuten scheinen.<br />
"'') Nämlich 4—5 Stnnden, wie sich später ergeben wird, also<br />
bis etwa 4 o<strong>der</strong> 5) Uhr Nachmittags.<br />
>l'2) ^1 (xi^iw ^«mpro continuo tl.'iu'M' in l):lt:^'lm. C
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 213<br />
Untergang, "'2) und nachdem die Feinde mehr als vier Stunden<br />
alle ihre Kraft daran gesetzt hatten, die Galere zu entern.<br />
Von ihren Ianitscharen hatten drei schon die kleine Treppe "^)<br />
erstiegen nnd wurden dann von den nnsrigen nie<strong>der</strong>gemacht.<br />
Lin andrer, <strong>der</strong> eine Standarte trug, kam sogar bis zum<br />
Steuer hinanj, nnd auch dieser wurde getödtet. ^) Noch zwei<br />
an<strong>der</strong>e klommen am Spiegel des Schiffes ^) hinauf und<br />
Vertheidigung keinen genügenden Stutzpunkt bot, so kann <strong>der</strong> copano<br />
zu diesem Zweck wohl gedieut haben. Daliner sagt, außer den Segeln<br />
habe auch sonst die ganze Galere „nmher" gebrannt, die Mitte also<br />
scheint allein scucrsrci geblieben zu sein. Doch sind wohl noch an<strong>der</strong>e<br />
Erklärungen uud Uebersetzuugcu <strong>der</strong> Stelle zulässig.<br />
dorc; 24.<br />
Wasser hiuauf zum Hinterdeck führt.<br />
die Treppe, welche au <strong>der</strong> Seite des Schiffs vom<br />
'65) Dieser muthige Halbmoudträger war offenbar nicht mittelst<br />
<strong>der</strong> obcu gcnauutcn Capitänstreppe aus das Deck gelangt, son<strong>der</strong>n<br />
war am Spiegel hinaufgeklettert; er wars ohne Zweisel, von dem die<br />
pommcrsche Sage geht, Vogislav selber habe ihm den Garaus gemacht.<br />
Wir sehen hier, wie dcr Vorgang ganz darnach angethan war, den<br />
Mann mit unserm Herzog in persönliche Berührung zu bringen.<br />
Bogislav hielt sich natürlich zurück, drängte sich nicht ohne Noth in<br />
die vor<strong>der</strong>ste Kä'mpferreihe; an<strong>der</strong>erseits läßt sich nicht glauben, daß<br />
er während <strong>der</strong> entscheidenden Kampszeit uuteu in <strong>der</strong> Cajüte geweilt<br />
habe. Seiu Standort also war damals gerade da, wo <strong>der</strong> Staud-<br />
artenträger das Verdeck erstieg, nahe an dem Steuerru<strong>der</strong>. Wir wer-<br />
den später vernehmen, wie es fast gänzlich an langen o<strong>der</strong> kurzen<br />
Stoßwaffen, also Lanzen und ähnlichen Wehren fehlte; was davon au<br />
die Pommcru gekommen war, wird in den Händen <strong>der</strong> Hauptstreiter<br />
gewesen sein. Die Sage von dem Bratspieß, den <strong>der</strong> Herzog ergriffen<br />
haben soll, um dem — wahrscheinlich plötzlich in seiner Nähe erschei-<br />
nenden — Unhold ein Ende zu macheu, erscheint hiernach gleichfalls<br />
viel weniger unglaubhaft als man früherhiu deuken mußte. Die<br />
Hühnersrage lasse ich bei Seite.<br />
'lN) Mmwuo — für moutHi'0U0 — per rwpo ä6 1a. dln'ca.<br />
Barca ist eiu allgemeiner Begriff, nicht eben verschieden von unserem<br />
„Schifs." Es hat sprachlich nicht die mindeste Schwierigkeit, darunter<br />
hier die Galcrc zn verstehen. Die zwei zur Corsareusiottille gehören«<br />
deu Barken waren noch nicht znr Stelle, uud würde eiue Schaluppe<br />
gemeint, in dcr sich die Iauitschareu <strong>der</strong> Galere geuähert hatten, so<br />
wäre des Umslands sicher Erwähnung geschehen. Mau muß entwe<strong>der</strong>
214 Actenstücke zur Reise<br />
wnrden unter dem Beistande Christi und seiner Mutter, nnserer<br />
Fürsprecherin, umgebracht: wir alle zusammen, die Fremden<br />
mit einbegriffen, haben nns loie es Männern geziemt und ohne<br />
nachzulassen vertheidigt nnd zugleich des Feuers, das uns die<br />
meiste Noth machte, erwehrt. Jetzt kamen anch die beiden<br />
Barken herbei nnd gaben von allen Seiten her einzelne Bombenschüsse<br />
nnd Pfeilschüsse ans die Galere ab. Als sie aber den<br />
Znstand und die ganze Verfassung sahen, in denen sich die<br />
Galere befand, wie das ganze Castell sammt <strong>der</strong> gesammtcn<br />
rechten Schanzkleidung wegen des Hiutermast-Segels, das aus<br />
letzterer lag nnd brannte, über den Rumpf des Schiffes hinans<br />
in Flammen stand, ^) ^h da sie anch selber des Schießens<br />
mit Pfeilen nnd Fener müde geworden waren, so ließ <strong>der</strong> türkische<br />
Capitän die Flagge einziehen und bot Waffenruhe an,<br />
und so that ich meinerseits auch. ^«) Sofort schickte <strong>der</strong><br />
annehmen, daß die fraglichen Ianitfcharen schwimmend an die Galere<br />
herangekommen, o<strong>der</strong> daß die Enternngsversnche einer <strong>der</strong> Fnstcn bis<br />
zn dem Grade gelungen waren, nni einzelne Vorkämpfer von ihr aus<br />
anf die Galere gelangen zn lassen. Als kleinere Fahrzeuge pflegten<br />
die Fnsten keine Schaluppen bei sich zn haben. Die Belegstelle ist<br />
nur entkommen. S. darüber näheres im Anhang.<br />
'67) ('no tutto — nrclevll. — siuo so^rn, il vivo. I! vivo, das<br />
Lebendige, znm Leben nöthige, ini Gegensatz zur opera morw, be-<br />
zeichnen in <strong>der</strong> älteren Schiffssprache den eigentlichen Leib des Schiffes.<br />
Masten, Segel nnd alle sonstige Ansrnstnng konnte demselben fehlen,<br />
ohne ihm Untergang zn bringen, daher <strong>der</strong> Begriff des „todten Werks."<br />
sS. Vinc. Coronelli, ^vi o v^c^lli ct^. Venedig 1697. Fol.)<br />
'^) Unten wird von Sanndo ein beson<strong>der</strong>er Grnnd <strong>der</strong> Einstel-<br />
lung des Kampfes angegeben, <strong>der</strong> aber mit diesen hier nicht in Wi<strong>der</strong>-<br />
spruch steht. Die pommerfchen Darstellungen weichen in <strong>der</strong> Erklä-<br />
rung <strong>der</strong> plötzlichen Waffenruhe vou einan<strong>der</strong> ab. Dalniers Bericht<br />
länft darauf hinans, daß sich die Galere ergeben habe, obwohl er nicht<br />
sagt, daß diese Ergebung vom Capitän erklärt worden sei. Die zwei<br />
an<strong>der</strong>en ponnnerschen Erzählungen sehen in <strong>der</strong> Nettnng mir ein nner-<br />
klärbares Wnn<strong>der</strong> Gottes. Ueber die Gründe <strong>der</strong> türkischen Einstel-<br />
lung <strong>der</strong> Feindseligkeiten nnd über die Gründe des weiteren Verlaufs<br />
werden wir ansführlich im Anhange reden, hier sei nnr soviel gesagt,<br />
daß von einer Ergebnng nicht die Rede sein kann, es kam bis zn
Herzogs Boqislau X. in den Orient. 215<br />
Kapitän feine Schaluppe mit fünf Ianitfcharcn zu mir herüber<br />
und nachdem mir dieselben im Namen ihres Kapitäns Treu<br />
und Glauben gegeben hatten, fuhr ich zu ihm. ^) MZ ^<br />
rhm gegenüber stand, ließ er mir ^") folgendes fagen: Alles<br />
was von ihrer Seite geschehen sei, beruhe auf Irrthum und<br />
Nichtwissen, er habe geglaubt, die Galere sei eine französische<br />
Galeazza/^) die in Begleitung einer Barke habe kommen<br />
sollen und auf die er laure; <strong>der</strong> Fehler aber, <strong>der</strong> das vorgefallene<br />
herbeigeführt habe, fei von meiner Seite begangen worden,<br />
weil ich nicht habe meine Segel streichen und ihm die<br />
Ehre erweisen wollen, die ihm als dem stärkeren und unserm<br />
Freunde gebührt habe. Ich ließ ihm erwie<strong>der</strong>n, von mir sei<br />
keinerlei Fehler begangen worden, denn unter keinen Umständen<br />
würde ich meine Segel gestrichen und jemandem Ehre<br />
erwiesen haben, von dem ich nicht wisse, wer er sei: und um<br />
so weniger, als ich öfter als ein Mal feine Fuste aufgefor<strong>der</strong>t<br />
habe, mir zu sagen, wer ihr Capitän sei, sie aber habe nie<br />
dieser Frage nicht, dieselbe wurde durch die eingeleiteten Unterhand-<br />
lungen nnd den Waffenstillstand abgewendet.<br />
llN) Nach <strong>der</strong> pommcrschen Erzählung hatte <strong>der</strong> Capitän durchaus<br />
keine Lnst, den Ianitscharcn zu folgen, und er ging erst als Herzog<br />
Bogislav selbst ihn zu dem Zweck aus <strong>der</strong> Cajüte heraufgeholt hatte.<br />
Obgleich Capttäu Zorzi davon nichts sagt, so ist die pommerschc<br />
Nilgabe doch nicht unwahrscheinlich. Zwischen dem Herzog und dem<br />
Capitän war nicht alles in Ordnung, <strong>der</strong> Herzog hatte zu Vorwürfen<br />
allen Grnnd, und an<strong>der</strong>erseits hatte Zorzi alle Ursache sich <strong>der</strong> Ueber-<br />
fahrt zn den Türken entziehen zn wollen. Ihm dies als Feigheit<br />
auszulegen, wie die pommerschen Darsteller thun, in geschmackloser<br />
uud sittenwidriger Weise daran rohe Ausmalungen <strong>der</strong> dem Capitän<br />
angeblich von Seite des Herzogs wi<strong>der</strong>fahrenen Mißhandlung knüpfend,<br />
fehlt aller Anlaß. Wir werden diese Dinge näher im Anhang ver-<br />
handeln.<br />
'^) Durch einen Dolmetscher nämlich. Der Veuetianer also war<br />
des türkischen, <strong>der</strong> Tiivle des italienischen nicht mächtig. Die gewöhn-<br />
liche Vermittlunszösprache war sonst griechisch in jener Zeit.<br />
Galere.<br />
''') Galeazza. Nie schon die Form andeuten will, eine Art
216 Aktenstücke zur Neisc<br />
daraus antworten nnd es sagen wollen; darnm sei die Schuld<br />
sein und nicht mein gewesen: nebst noch viel an<strong>der</strong>en aus<br />
die Sache bezüglichen Worten zu meiner nnd <strong>der</strong> Wahrheit<br />
Vertheidigung. Nach Anhörung dessen ließ er mir diese<br />
Erwie<strong>der</strong>ung machen: „Patron, du mußt alles was vorgefallen<br />
ist, ruhig hillnehmen: es mnßte also geschehen, es stand auf<br />
unserer Stirne geschrieben, daß dir solches begegnen sollte; was<br />
erfolgt ist, war unvermeidlich. Jetzt gehe ans deine Galere,<br />
ich werde dich bis znm Hafen ins Schlepptan nehmen lassen,<br />
Ulid morgen früh will ich sehen, was zu machen ist und weiter<br />
Beschluß fassen, bleibe guteu Muths und fürchte nichts."<br />
Ich nahm Abschied von ihm, kam anf meine Galere znrück,<br />
und wurde von ihm, fo loie er gesagt hatte, bis in den<br />
Hafen l") geschleppt. Am folgenden Morgen, welcher <strong>der</strong><br />
erste dieses Monats war, ließ mich <strong>der</strong> Eapitäu wie<strong>der</strong>um<br />
holen, wie<strong>der</strong>holte die obigeil Worte uud sagte, die Schuld<br />
wäre mehr auf meiner Seite gewesen, und ich müßte mich<br />
ausdrücklich dazu bekennen. Daranf kam <strong>der</strong> bewußte Obersteuermann<br />
Benedetto Barbeta, machte viel Worte uud sagte<br />
zu mir unter au<strong>der</strong>em: „Patron, mein Eapitän will, dn sollst<br />
eigenhändig die Erklärung ansstellen, daß alles was vorgefalleil<br />
ist, dir nnd nicht ihm zur Last gelegt werden könne, nnd diese<br />
Erklärung soll eidlich bekräftigt werden, und ein Caplan soll<br />
dell Eid schwören, uud dein Schreiber soll mituntcrzeichnen,<br />
daß alles was du schriftlich erklärt haben wirst, auf Wahrheit<br />
beruhe und voll dir nicht werde abgeleugnet werden; mein<br />
Capitän will nämlich diese Urkunde bei sich behalten nm sich<br />
'?") Son<strong>der</strong>barer Weise nennt Zorzi den Hafen nicht, er mnß geineint<br />
haben, es verstände sich von selbst welcher gemeint fei; anch ist,<br />
da die Vittica-Bay, wie wir gesehen haben, von einein venetianischen<br />
Schloß beherrscht wurde, nnd Cerigo ganz venetianisch war, auf <strong>der</strong><br />
Sndküste Elaphonisis aber sich kein Hafen befindet, schließlich nnr an<br />
den dicht ani Cap Viglio gelegenen Ränberhafen zn denken. Die Pommern<br />
berichten, <strong>der</strong> Hafen sei vier welsche Meilen entfernt gewesen, dic<br />
obige Darstellung spricht von zwei Stunden, beide Angaben stilnmen<br />
mit dieser Vestimmnng. Das Nähere ini Anhang.
Herzogs Bogislav X. in den Orient,<br />
damit überall rechtfertigen zu können". Ich antwortete:<br />
„Barbcta, sag deinem Capitän : an dem Orte hier wo ich mich<br />
befände, würde ich die Schrift ausstellen und überhaupt alles<br />
thun was er wolle, denn ich hatte bei meiner Entscheidung auf<br />
alle übrigen Rücksicht zn nehmen; aber später werde die Wahr-<br />
heit doch überall an den Tag kommen". Er versetzte darauf:<br />
„Du willst also keiuerlei Erklärung abgeben, und aussagen,<br />
daß die Schnld dein gewesen sei; vergissest du denn ganz, daß<br />
dn deine Segel nicht hast streichen wollen? Zu soviel Hoch-<br />
muth war keine Veranlassung; dn mußtest zu Ehren des<br />
höheren und stärkeren thnn., was deine Schuldigkeit war." Ich<br />
entgegnete ihm: „Es ist ganz richtig, mir kann nichts an<strong>der</strong>es<br />
zum Vorwurf gemacht werden, als daß ich allein gegenüber<br />
von neun Segeln nnd viel schwächer wie sie, nicht feiger Weise<br />
meine Segel gestrichen habe, aber ich durfte um <strong>der</strong> Ehre<br />
meiner Regiernng willen solches nicht thun; ich würde sonst jeman-<br />
den Ehre erwiesen haben, <strong>der</strong> mir nnbekannt war; auch hast du<br />
dich nicht zn erkennen geben wollen; ich konnte daher füglich<br />
nur auf das schlimme gefaßt sein, das eingetroffen ist."<br />
Nun ließ mir <strong>der</strong> Capitän folgende weitere Worte sagen:<br />
„Du weißt, Patron, wie viel mein Herr auf jeden einzelnen<br />
seiner Ianitfcharen hält, von denen er über 17000 besitzt, und<br />
<strong>der</strong>en Befehlshaber ich bin, er schätzt sie sehr hoch im<br />
Preise, mehr als 100000 Dueaten den Kopf, du hast<br />
mir mehr als 40^) umgebracht; was entgegnest du<br />
daraus? ich meinestheils weiß nicht was ich für eine<br />
Entschnldignng bei meinem Herrn vorbringen, noch über-<br />
haupt was ich ihm sagen soll." Ich ließ ihm antwor-<br />
ten: „Capitän, gestern hast dn mir sagen lassen, alles<br />
was vorgefallen fei, habe so kommen müssen, weil es uns so<br />
ans die Stirn geschrieben worden fei; ich fage dir: dann stand<br />
anch ans nnferer Stirne geschrieben, daß diese Ianitscharen in<br />
dem Kampfe umkommen sollten, nnd wir dürfen anch hierin<br />
gegen den Willen Gottes nicht angehen; nimms ruhig hin<br />
— - -<br />
"3) In dein Schriftsiiick Nr. VIII siud es .".0.
218 Actenstücke zur Reise<br />
wie ich meinerseits alles ruhig hinnehme, denn ans meiner<br />
Seite sind über 150 verwundet worden und 90 sind todt ^)<br />
geblieben". Er antwortete daranf.- „Patron, an dem Vorfall<br />
trägst du die Schuld, mir aber liegt ob, Geduld zu haben,<br />
nnd den Schaden trägt, wen das Unglück getroffen hat; doch<br />
muß ich dir wie<strong>der</strong>holeu: es wäre an dir, zn bekennen die<br />
Schuld gehabt zu haben, darum weil du die Segel nicht hast<br />
streichen wollen." Ich entgegnete was ich Euch bereits oben<br />
berichtet habe, und darauf entließ er mich mit vielen Worten,<br />
ohne daß ich ihm irgend eine Erklärung ausgestellt hätte.<br />
Er fragte mich, welchen Kurs ich Zu nehmen gewillt sei, den<br />
auf Modöne o<strong>der</strong> ans Candia. Ich sagte: den ans Candia,<br />
dieser wäre mir bequemer, weil Candia näher sei. Ich fragte<br />
ihn wohin er seinerseits gehen werde, und er antwortete: nach<br />
Scyo. 175) Er müsse dort den Camali erwarten, <strong>der</strong> mit zwei<br />
Schiffen auslaufen solle, eines zu 700 und das an<strong>der</strong>e zu<br />
400 Tounen; dieselben würden in Constantinopel ausgerüstet<br />
uud sollten auf Befehl seines Herrn sich mit ihm vereinigen.<br />
Als ich mich wie<strong>der</strong> auf meiner Galere befand, fchickte<br />
Richi, dieser Nimmersatt von einem Piraten, zu mir uud ließ<br />
mich ersuchen, ihm einen Auzug ^') zu verehren. Es schien<br />
mir in je<strong>der</strong> Beziehnng räthlicher das Geschenk zn machen,<br />
uud so übersandte ich ihm fünf Ellen Scharlachtnch, und namentlich<br />
darum weil ich erfahren hatte, wie dieser Richi auf jede<br />
erdenkliche Weise den Capitän zu überreden versuche, alle Reisenden<br />
als Gefangene zu behandeln nnd mit fortzuführen; nnd<br />
l^) Unten giebt Zorzi an, daß er 30 Verwundete nnd l> Todte<br />
hat. Hier mnß Samido aus Flüchtigkeit einen Irrthum begangen<br />
haben, man kann nicht annehmen, daß Zorzi Ornnd gehabt habe,<br />
seine Verluste in solchem Maaße zu übertreiben.<br />
l^) Wahrscheinlich Chios, die vor Smyrna gelegene, damals den<br />
Genuesen gehörende Insel. Der Zweifel in dieser Bestimmung griindet<br />
sich ans die zn vielen Verwechselnngen Anlaß gebenden ähnlichen<br />
Namen an<strong>der</strong>er Inseln.<br />
'^') Vo8w. Im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t gehörte im Orimt zn solchen<br />
Gabcn einer v^ ein doppelter Noch o<strong>der</strong> Nock und Mantel.
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 219<br />
um ihn ein wenig mil<strong>der</strong> zn stimmen, handelte ich so und<br />
that gut daran. Da ich aber auf diese Weise dahiu gebracht<br />
worden war, dem Richi einen Anzug zu schicken, so schien es<br />
mir angezeigt, auch dem Capitä'n einen solchen zukommen zu<br />
lassen nnd darum sandte ich demselben auch süus Ellen Scharlachtuch<br />
sammt eiuem Faß Malvasierwein, ^) sowie einige Schachteln<br />
mit Zuckerwerk und allerlei Näschereien, doch nicht als<br />
Geschenk, son<strong>der</strong>n aus Freundschaft, und so nahm er es auch auf. ^)<br />
Hochmögen<strong>der</strong> Herr Vetter, ich kann Euch versichern, wir<br />
sind bei dieser Geschichte in einer Lebensgefahr gewesen, so<br />
groß sie nur sein kann; wir befanden uns offenbar in drei<br />
verschiedenen Gefahren: von dem Feuer, das die ganze Galere<br />
ergriffen hatte, so daß es ein wahres Wun<strong>der</strong> gewesen ist,<br />
wenn wir dasselbe gelöscht haben; zweitens von dem Wasser,<br />
und drittens von dem Schwert; das letztere sage ich, weil ich<br />
aus guter und sicherer Quelle weiß, daß wenn es den Ianitscharen<br />
gelungen wäre, die Galere zn entern, wir allzumal<br />
würden in Stücke gehauen worden sein, denn also hatten sie<br />
es beschlossen auf den Rath dieses Barbeta, den Ihr ja kennt,<br />
uud <strong>der</strong> ihnen von <strong>der</strong> Galere gesprochen, als ob die Pilger<br />
alle Eingeweide von Gold hätten. In seiner unendlichen Güte<br />
und Barmherzigkeit aber wollte Gott uns soviel Nebels wie<br />
sie vorhatten, nicht anthuu.<br />
Nuu habcu Nur am Samstag, das ist am 1. dieses<br />
Monats, ungefähr nm Sonnenuntergang, ^) zugleich mit<br />
ihnen die Anker gelichtet und haben den Kurs auf Candia<br />
genommen, während sie selbst nach Seyo gingen. ^") Wir<br />
'^) Nämlich von dem hochberühmten Gewächs, das einst an den<br />
Küstenabhängen einige Stunden nördlich von deni oben vorkommenden<br />
Malvasìa o<strong>der</strong> Monembasia gezogen wurde.<br />
'^) Das'Geben von Geschenken an Fremde galt unter Umständen<br />
als eine dem Höheren schnldigermaßen erwiesene Huldigung, uud war<br />
vermuthlich allen venetianischen Unterthanen, die keine bloßen Privat^<br />
lente waren, den Türken gegenüber untersagt. Zorzi glaubt mit Recht<br />
einer falschen Auslegung entgegentreten zu müssen.<br />
'") X(^wl iur koiro 24.<br />
^) Dalmer: Am Sonnabend darnach seindt sie (die nnsrigen) ge°
220 Actenstücke zur Reise<br />
sind an hiesigein Ort am 3. ungefähr Mittags angekommen ^)<br />
und wurden alle bestens willkommen geheißen und ob unserem<br />
Erlebniß bedauert. Ich habe unter Beistand des Herrn<br />
Herzogs ^) ^m^ des Herrn Stadt-Commandanten und ihrer<br />
Räthe die Galere ausbessern lassen; alle haben mir jegliche<br />
Unterstützung gewährt. Morgen Nacht, so es Gott gefallt,<br />
also am 11. dieses, werden wir von hier abgehen. Habe ich hier<br />
länger verweilt, so war dies in Rücksicht auf die 90 Verwundeten<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Von denselben sind sechs gestorben, nämlich ein<br />
deutscher Ritter uud Pilger, welcher Herr Christofalo genannt<br />
wurde, ^) n^tt l^h^- Oberbootsmann Alegreto von Budua, ^)<br />
ein Oberru<strong>der</strong>er, ^) <strong>der</strong> Biasio hieß, uud drei an<strong>der</strong>e Ru<strong>der</strong>sleute.<br />
Weitere vier sind noch in Gefahr; den übrigen<br />
geht es Gott sei Tank gut, und was mich betrifft, so habe ich<br />
fahren nach Candien und die Türckeu beleiteten sie, aber auf die Nacht<br />
wußten sie (die nnsrigen) nicht, wo sie (die Türken) blieben.<br />
^l) Dalmeri Und kahinen aus dehn Montag zu Mittag an Can-<br />
dien in eine Havcnung.<br />
'^) Des Herzogs von Candia nämlich; <strong>der</strong> dortige oberste Ver-<br />
waltnngsbeamte hatte den Titel Herzog — Dnca, (nicht Doge,
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 221<br />
nicht viel abbekommen nnd bin bereits wie<strong>der</strong> hergestellt mit<br />
dem Beistande Christi nnd seiner Mntter, welche mir in allem<br />
geholfen hat. Der Herr Ritter Iaeomo Zorzi von hier hat<br />
mir gnte Gesellschaft geleistet, nnd ebenso Enrem Benedeto nnd<br />
empfiehlt sich bestens.<br />
Dnrch diesen Unfall, den ich erlitten habe, ist mir in<br />
Wahrheit ein großer Schaden erwachsen, ^") ^n 400 Ducatcn,<br />
nnd darüber, da ich die Segel von Hintermast und Vor<strong>der</strong>mast<br />
eingebüßt habe nnd mir mein Zeltdach, die Schalnpsie,<br />
viele Ru<strong>der</strong>, das ganze Castcll und die rechte SchanZkleidnng<br />
sammt dem Tauwerk Znm schnüren <strong>der</strong> Segelstangen ^) und<br />
^) Aus dieser Aeußerung ist nicht zu folgern, daß Zorzi, und<br />
nicht <strong>der</strong> venetianische Staat, <strong>der</strong> Eigenthümer <strong>der</strong> Galere gewesen<br />
sei. Der Capitän hatte ohue Zweifel dcu Schaden, den er hier an-<br />
giebt, uutcr alleu Umständen persönlich zu tragen.<br />
^) (i0M(M6 6ü Ag.!'i(Ia.r lustö. (^omono sind Schifsstaue, meistens<br />
Aukertaue, jedenfalls Stricke gröberer Art, wie sie eben zum Airi^ni-<br />
dcr Fusti erfor<strong>der</strong>lich waren. Fnste uud Fusti ist für deu Venetianer<br />
dasselbe, wir habcu also uicht nöthig, uutcr dcu Fustc Schiffe zu ver<br />
stcheu. wobei auch kein brauchbarer Siuu sich ergebe» würde. Fusti<br />
siud allerlei Staugcu zum Schiffsgebrauch, als Mastspitzen, Segel -<br />
bäume uud ähnliches. So heißcu nidori
222 Aktenstücke zur Reise<br />
die ganze Takelage des Vor<strong>der</strong>mastes durch das Feuer zerstört<br />
worden sind, von an<strong>der</strong>n Beschädigungen und vou den selbstverständlichen<br />
Folgen <strong>der</strong> Feuersgefahr zu schweigeu. Dreimal<br />
ging <strong>der</strong> Brand in meiner Cajüte an nnd zweimal am Bug.<br />
Gott in seiner Gütigkeit aber hat soviel Unglück nicht haben<br />
wollen. Benedetto ist fast um alle seme Sachen gekommen,<br />
da sein Koffer auf dem Castell stand; alles was ihm übrig<br />
geblieben ist, besteht in einem einzigen Nock uud eiuem Paar<br />
Hosen. Gott sei gelobt, daß er mit dem Leben davongekommen<br />
und unbeschädigt geblieben ist; es geht ihm vortrefflich<br />
und er ist guter Dinge.<br />
Hier am Platze hat in Folge <strong>der</strong> Sperre ^) alles Geschäft<br />
aufgehört und man sieht keinen blanken Heller mehr.<br />
Candia, den 10. Juli 1497.<br />
Euer Vetter Aloise Zorzi.<br />
Aufschrift: Dem hoch- nnd edelmögenden Ritter, Herrn<br />
Ieronimo Georgio, meinem gleich einem Vater zn ehrenden<br />
Vetter, in Venedig".<br />
VI.<br />
Neues vom Monat November 1497.<br />
Am 17, kam die Galere von Jaffa Capitän Aloide Zorzi<br />
von San-Fantin, von ihrer Reise zurück und lief zwischen den<br />
beiden Castellen ein, ^') nämlich jene Pilger-Galere, die, wie<br />
ich oben berichtet habe, einen Kampf mit den Türken gehabt<br />
nnd sich mannhaft gewehrt hat; nnd uuter den Reisenden be-<br />
Hochdeutsch ^M-utun, vom Gurten <strong>der</strong> Wafseuröcke im Hildcbrandslicde<br />
V. 4 gebraucht. Oln-nlin-e wäre demnach das Anlegen o<strong>der</strong> Umlegen<br />
von gurtartigeu schmalen Streifen o<strong>der</strong> Bän<strong>der</strong>n. (Ich taun diese<br />
Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne Herrn Th. Elze, evang.<br />
Pfarrer in Venedig, freundlichst zu dauken für den Beistand, den er<br />
nur bei Untersuchungen dieser uud an<strong>der</strong>er Art in gütigster Weise<br />
hat zu Theil werden lasseu.)<br />
'^) Durch die Piratenflottillc nämlich.<br />
'^) Der Gegensatz ist: bei Malamocco, <strong>der</strong> au<strong>der</strong>eu Einfahrt in<br />
das Binnengewässer <strong>der</strong> Laguue.
Herzogs Bogislav X. in den Orient. 223<br />
fand sich cm Herzog von Pomaricu, ein sehr großer Herr, — von<br />
dem ich unten noch reden werde — welcher, ohne vorheriges<br />
Wissen <strong>der</strong> Regierung, die ihn sonst vielleicht ehrenvoll empfangen<br />
haben würde, Hieher Zurückgekehrt nnd in Casa Griti^")<br />
auf <strong>der</strong> Gindccca abgestiegen ist. Anch ist mit besagter Galere<br />
Herr Marco Malipicri, <strong>der</strong> Comtur von Cyfteru ""), hier eingetroffen,<br />
welcher sich ili Cypern nach hier eingeschifft hatte.<br />
So ist alfo diefe Galere von Jaffa, von <strong>der</strong> das Gerücht<br />
ging, daß sie verloren sei und daß die Menschen darauf vou<br />
deu Türken nmgebracht und Zu Sclaven gemacht worden seien,<br />
unversehrt wie<strong>der</strong> angekommen. Und am 18. des genannten<br />
Monats, das ist ani folgenden Tage, ist unser Staatsoberhaupt^)<br />
sammt <strong>der</strong> hohen Regierung^) ^^d vielcu Patri-<br />
Zieru iu den Staatsgondcln ^) nach <strong>der</strong> Giudecea gefahreu,<br />
um dem Herzog vou Pomarieu als eiuem Fiirsteu von großem<br />
Ansehn und Ruf ihre Aufwartung zn machen uud ihu willkommen<br />
Zu heißeu. Es wurde erzählt, daß <strong>der</strong>selbe eiu jährliches<br />
Einkommen von mehr als ) 50000 Dncateu habe. Der<br />
^) Die Casa Griti steht noch; wir beschreiben sie im Anhang<br />
Die Gindecca ist eine <strong>der</strong> ansehnlichsten Inseln, ans denen Venedig<br />
liegt. Sie schließt die Stadt südwärts ab nnd ist durch einen breiten<br />
Canal von <strong>der</strong>en Hauptmasse getrennt.<br />
'"') Derselbe war nach den hier vorkommenden Angaben ein<br />
Iohanniter-Nitter nnd Ordens-Comtnr ans Cypern, ein Sproß <strong>der</strong><br />
alten venctianischen Adclsfamilie Malipiero, ans welcher anch <strong>der</strong><br />
obenerwähnte Domenego, <strong>der</strong> Kriegsmann und Annalist, hervorge-<br />
gangen ist.<br />
^") II pi'iueipo uosti'O) unser Fürst, eine Bezeichnung des Dogen,<br />
die unserem Ohre fremd klingt, aber die gewöhnlichste nnd amtliche war.<br />
'^) (^0u 111 8i^uoria: mir seinen sechs Staatsräthen, doch gehörte<br />
<strong>der</strong> Doge selber mit zn <strong>der</strong> Signoria, <strong>der</strong> obersten Regierungsbehörde,<br />
die ein Septcmvirat o<strong>der</strong> ein Decemvirati war, da anch die drei Präsi-<br />
denten des höchsten Gerichts gewöhnlich mit hinzugerechnet wurden.<br />
'^) l'iati o<strong>der</strong> ^oatmii, eigentlich Flachboote, mehrere, zuletzt ein<br />
Dutzend, vergoldete Gondeln größerer Art. Ihr Capitän strotzte in<br />
Gold und Noth, wie die Staatsflagge, die hinter ihm nachschleppte,<br />
nnd die innere Ansstattnng <strong>der</strong> Boote. Ohne Zweifel waren es solche<br />
Gondeln anch, mit denen Vogislav iu Venedig nmher gefahren wurde.<br />
In <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong>selben befand sich ein Zelt o<strong>der</strong> Pavillon.<br />
15
224 Actenstücke zur Reise<br />
Doge ^) änßerte zu ihm, daß man von seiner Ankuuft vorher<br />
nichts gewußt habe, man würde ihm sonst mit dem Bucintoro<br />
^) cutgegeugefahren sein, er möge sie dieserhalb für<br />
entschuldigt halten. Weiter wurden ihm alle Sehenswürdigkeiten<br />
<strong>der</strong> Stadt gezeigt nnd znr Besichtigung vorgewiesen.<br />
Auch muß noch bemerkt werden, daß mit Bezng daranf deni<br />
am folgenden Tage angekommenen Herzoge von Ferrara <strong>der</strong><br />
Vneintoro nicht angeboten wurde, damit in <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Vewillkommnuug<br />
kein Unterschied stattfände; doch wollen wir jetzt<br />
den Herzog verlassen nnd nnr noch seinen Namen nnd Titel<br />
hierhersetzen: 1>o«'iÄU.8, cl^i<br />
(lux,<br />
VII.<br />
Am 22. desselben Monats ließ <strong>der</strong> obengenannte Herzog<br />
von Pomarien, welcher ein Mann von stattlicher schöner Leibesgestalt<br />
ist, ^) in <strong>der</strong> Markuskirche eine feierliche musikalische<br />
Todtenmcsse lesen für die Seele eines Freiherrn aus seinem<br />
Gefolge, welcher auf jeuer Fahrt nach Jerusalem im Kampf<br />
mit den Türken geblieben war, nämlich des Herrn Christopher<br />
Polcnsz, ^) ^nd nach beendeter Messe begab sich <strong>der</strong>selbe, vou<br />
vielen Herren vom Adcl^) als seinem Ehrcngeleite gefolgt,<br />
^) Sanndo gebraucht auch hier wie<strong>der</strong> den amtlichen und gesetzlichen<br />
Titel i)riii(^)o.<br />
!N) Dem großen hochbordigen Prachtschifs, das hauptsächlich zn<br />
<strong>der</strong> großen Festlichkeit diente, bei welcher <strong>der</strong> Doge ans das adriatische<br />
Meer hinanssnhr nnd, einen Ning in dasselbe werfend, sich mit ihm<br />
vermählte. Es ist ganz unpassend, das Schifs eine Pracht-Galere zn<br />
nennen: mit einer Galere hatte es gar keine Verwandtschast. An^<br />
an<strong>der</strong>en wie regierenden Fürsten wnrde bisweilen die Ehre solchem<br />
Einholung zn Theil.<br />
"?) Di äwtui-u. d0i Iiom0. Schon für sich allein geht <strong>der</strong> Ans<br />
drnck dol Iiomo nnr auf den Leibeswnchs, nicht ans die Gesichtszüge,<br />
^) Die pommerschen Qnellen geben an, daß die Messe <strong>der</strong> Mut'<br />
ter des Herzogs gegolten habe. Vielleicht läßt sich beides vereinigen<br />
^) Es ist ein freiwilliges Gefolge jüngerer Patrizier gemein
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 225<br />
znr Andicnz bei dem Dogen und seinem Rath, wo er mit<br />
großer Feierlichkeit empfangen und nach langem Verweilen von<br />
dem Dogen bis znr steinernen Treppe^") hinunter geleitet<br />
wnrde. Auch gab ihm Herr Marco Malipicro, <strong>der</strong> Comtur<br />
von Cypcrn, welcher mit ihm gekommen war, an diesem Tage<br />
ein Mittagsesscn von vierzig Gängen nnd wurde bei jedem<br />
Gange das ganze Gedeck sammt den Tafelaufsähen gewechselt<br />
und saßen ihrer nnr eilf Personen zn Tische, und ehe man sich<br />
setzte, wurden drei verschiedenartige Imbisse stehend gereicht nnd<br />
blieb man von 12 Uhr Mittags bis 8 Nhr Abends'"') bei<br />
<strong>der</strong> Tafel, und betrugen die Kosten des Essens 180 Ducaten.^2)<br />
Das Land dieses Herzogs liegt unweit von Dänemark uud ist<br />
<strong>der</strong>selbe seinem Stamme nach etwa ein Gothc zn nennen;^)<br />
er trägt sich daher auch deutsch, nnr daß er als Pilger mit<br />
einer großen Halskette-^) angethan war. Uud uach einem<br />
nnd war dasselbe wahrscheinlich von Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> nnter an<strong>der</strong>en<br />
anch zn solchen Zwecken gebildeten (^om^l^in^ (^I1:>. Le^i/a veran-<br />
staltet. Es war dies eine große adliche Festgenosfcnschaft, welche ihren<br />
Namen von den heraldischen Abzeichen führte, die ihre Genossen an<br />
dem einen Hosenbein trugen.<br />
^ Die jetzige „Nicscntrepve"; also von den, zwei Treppen hoch<br />
gelegenen Staatsgcmächern in das zweite Stockwerk hinab. Noch war<br />
die Treppe damals nicht mit den zwei großen Marmorstatnen geziert,<br />
welche ihr den Namen gegeben haben, im Uebrigen war sie vollendet<br />
wie hentc.<br />
^') I)n 1wri'6 19 tiiw lioi'ro 3 di uow. Der Palazzo, in welchem<br />
das Festmal veranstaltet war, ist wahrscheinlich <strong>der</strong> noch hentc vor-<br />
handene bei S. Samncle, ani Canal grande, gegenüber von dem be-<br />
kannten Palazzo Nczzonico, gelegene, damals den Malipiero gehörende<br />
Palast. Näheres im Anhang.<br />
'^) Aller Wahrscheinlichkeit nach gab Malipicro das Festmal auf<br />
Veranlassung <strong>der</strong> Signoria nnd gewissermaßen in <strong>der</strong>en Namen.<br />
'-^) Offenbar ist diese sehr merkwürdige Aeußerung auf ein Wort<br />
des Herzogs selber o<strong>der</strong> doch, was keinen wesentlichen Unterschied<br />
machen würde, eines Herrn <strong>der</strong> Umgebung des Herzogs zurückzuführen.<br />
Wie Johann Friedrich von Pommern (^ KiOO) wollte also anch Vogis-<br />
lav für eiueu echten Deutschen gehalten werden.<br />
'^) Mau sollte eher einen Pilgerkragen, mit Muscheln besetzt,<br />
erwarten, doch hat col^ukm^ schwerlich je solche Bedeutung gehabt.
226 Aktenstücke zur Reise<br />
Aufenthalt in hiesiger Stadt von . . . Tagen brach er ans<br />
nnd ging nach Rom, nnd hatte <strong>der</strong>selbe den Herrn Doetor<br />
nnd Ritter Franeeseo voll Ravenna, welcher in Padua über<br />
Kirchenrecht las nnd den Beinamen Dalla-Wenwria^) führte,<br />
in seine Dienste genommen, damit er mit ihm komme in sein<br />
Land, nnd ans <strong>der</strong> dortigen hohen Schnle Vorlesungen halte,<br />
nnd wollte ihn reich machen und ihm eine Leetorstelle verleihen.<br />
Fürs erste hat er ihm 100 Dncaten^) gegeben nnd<br />
weitere 25 Dueaten, nm sich 2 Pferde zn kanfen, damit er<br />
bei des Herzogs Rückkehr von Rom in Bereitschaft sei, demselben<br />
zn folgen; nnd demgemäß ging <strong>der</strong> genannte Herzog<br />
nach Rom, indem er eines geleisteten Gelübdes halber seinen<br />
Weg über Saneta Maria von Loretto nahm. Ich bemerke<br />
noch, daß fein Reich 1200^') Meilen von hier entfernt ist.<br />
VIII.<br />
Nachträge zn 1497.^)<br />
Vom 4. Angnst.<br />
Ich bemerke noch folgendes: Ans <strong>der</strong> Galere van Jaffa,<br />
Cayitä'n Alvise Zorzi von San-Fantin, befanden sich im ganzen<br />
nicht mehr als 3 halbe Harnische, ^) an lanzenartigen Wehren<br />
Von einer Kette, welche die Ritter des heil. Grabes getragen hätten,<br />
finde ich keine Nachricht. Vgl. B. Ginstinian, Historie ollrouolo!;.<br />
6o11' ori
.Herzogs Bogislav X. in den Orient. 227<br />
aber keine einzige, ^i^ Mt Ausnahme von 10 Stück, welche<br />
Zacharia de Garzoni, des Herrn Marino Sohn, <strong>der</strong> Iohanniter-Ordensmann,<br />
in seinem Reisckasten bei sich hatte, nm sein<br />
Gemach in Rhodns damit auszustatten. An Hellebarden uud<br />
Partisanen, leichten Spießen nnd Spontonen, ^^) sammt<br />
den 10 Rodeln nnd Tartschen desselben ^^) waren 25 vorhanden.<br />
Letzteren Wehrstiicken ist es zn verdanken, daß 50 Menschen<br />
das Leben bewahrt blieb, denn sowie einer <strong>der</strong> Ru<strong>der</strong>leute<br />
verwuudet wurde, legte er seinen Schild ab nnd ein an<strong>der</strong>er<br />
nahm denselben ans nnd trat in die Vertheidigung ein. Die<br />
Pilger aber Zogen sich statt <strong>der</strong> Harnisch? ihre Bettmatratzcn<br />
über, indem sie sich in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong>selben eine Oeffnung, und<br />
so gewissermaßen darans einen Waffenrock machten, um sich<br />
vor den Pfeilen zu schützen. Der Kampf währte 4 bis 5<br />
Stunden; die Galere aber wnrde schließlich nnr dadurch gerettet,<br />
daß ein Türke, in <strong>der</strong> Furcht, die Galere würde genommen<br />
werden, ins Meer sprang und zn den türkischen Fusten<br />
hinüberschwamm. ^'"') Bei den Türken war als Lootsc des<br />
^) Man darf in dein, scheinbar wenigstens, hier gemachten Unter-<br />
schied zwischen den nrme in1m?lln^ nnd den n'mclioin n. s. W. keinen<br />
Gegensatz von langschäftigen nnd an<strong>der</strong>en speersörmigen Wehren sehen.<br />
Sanndo scheint hier die Quelle, welche Malipiero ausführlich giebt,<br />
irrthiimlich erccrpirt zn haben. S. nnicn Nr. Xlll.<br />
'-") lisluc.om, ^ui't^nm':. ^i:Tunc1t^ ^-»oMoni. lanter Stichwaffen<br />
mit verhältnismäßig kurzem Schaft. Eie unterscheiden sich von einan-<br />
<strong>der</strong> durch die Gestalt nnd den Schliff des Stosteiscns o<strong>der</strong> Haueiseus.<br />
Die i'^ncmn hattcu eiuc krumme, sichelartige o<strong>der</strong> sensenförmige, die<br />
s^omoni eine messerartige, zweischneidige Spitze, die ^ilmufttto<br />
waren, wenn ich nicht irre, leichte orientalische Wurfspieße.<br />
^) Nämlich des Ritters Garzoni. Rodeln o<strong>der</strong> Rondellen<br />
waren kleine Rnndschilde für den Kampf zn Fuß, namentlich bei<br />
Stürmen ans Befestigungen, anch spät noch als Auszeichnung <strong>der</strong><br />
Hauptlente gebräuchlich. Die Tartsche, wr^W'Nn, Verkleiueruug und<br />
Abart vou tlu-gii, ist eiu eckiger Neitcrschild, gewöhnlich mit eiuem<br />
Ausschnitt znm Einlegen <strong>der</strong> Lanze versehen.<br />
'^") Bei Malipiero ist <strong>der</strong> „Türke" Sanudos eiu bloßer Galioto,<br />
eiu gewöhnlicher Ru<strong>der</strong>er. Sauudo sucht nnt <strong>der</strong> Aen<strong>der</strong>ung offenbar<br />
die räthselhafte Wirkung dieses Vorgaugs einigermaßen verständlicher<br />
'^n machen. S. darüber den Anhang.
^5> Acteustücle zur Reise<br />
Geschloa<strong>der</strong>s eilt Christ, Benedetto Barbeta. Der Capitali<br />
hatte von den Reisenden Vollmacht zur Abfindung <strong>der</strong> Türken<br />
mit Gold, bis zn 1
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 229<br />
das Schreiben bezüglichen Antrag zn stellen^") und die Räthe<br />
genehmigten denselben. Ich ließ die Antwort volk^ ^ro<br />
v^i'I)Ì8^") anfertigen nnd wnrdc dieselbe von dein Geheimschreiber<br />
Zorzi Negro verfaßt. Das besagte Schreiben ist das hier folgende:<br />
X.<br />
Abschrist eines vom Herzog von Pommern an unsere<br />
Staatsregiernng gerichteten Schreibens, nebst <strong>der</strong> darauf ergangenen<br />
Antwort.<br />
sS. oben Nr. X das lateinisch abgefaßte Schreiben VogislavZ,<br />
Stettin am 30. November 1498.^<br />
XI.<br />
Nachstehendes Schreiben ist die Antwort, welche anf das<br />
obige Schreiben erlassen wnrde.<br />
^S. oben Nr. XI die lateinische Antwort <strong>der</strong> venetianischen Re«<br />
gicrnng, Dogcnpalast am 20. Februar 149.^/9.)<br />
Dieses Antwortschreiben übergab ich dem Peter Pen<strong>der</strong>, ^)<br />
dem Deutschen, nnd beför<strong>der</strong>te dieser dasselbe sofort an den<br />
Herzog, da zufällig grade jemand von dort bei ihm war. ^)<br />
sten mit dem Bncentanr war ein so seltener Vorgang, daß sich nicht<br />
annehmen läßt, Sanndo habe beim Nie<strong>der</strong>schreiben diesen Fall mit<br />
einem an<strong>der</strong>n verwechselt; jedenfalls hat er hier eine allzu flüchtige<br />
Eintragung gemacht.<br />
2"") Sauudo war damals eiu Mitglied des Miuisterraths. S.<br />
das Vorwort.<br />
^) Je<strong>der</strong> Satz wurde einzeln beantwortet.<br />
^) Ueber diesen Pru<strong>der</strong>, welcher iu Veuedig einen Gasthof hielt,<br />
siuden sich uoch an<strong>der</strong>e Augabeu bei Eanudo, welche wir <strong>der</strong> Mittheilung<br />
im Auhauge werth gehalten haben, zumal uuser Herzog bei seiner<br />
ersten Anwesenheit iu Veuedig vermuthlich bei demselben gewohut hat.<br />
-") Wir haben nicht nöthig, auf die Unbefangenheit dieser Vefördcrnugswcisc<br />
aufmerksam zu machcu. Dieselbe entspricht <strong>der</strong> Zeit;<br />
an einen deutschen Staatsconricr o<strong>der</strong> einen ähnlichen amtlichen Briefträger<br />
o<strong>der</strong> einen durch seine Stellung überhaupt mit Vertrauen erfüllenden<br />
Voten brancht nicht gedacht zu werden.
Aktenstücke ,-^ur Reise<br />
In letzter Stuude, doch gliicklicherweise nicht zn spät, um<br />
ihren Inhalt noch leidlich in Znsammenhang mit dein<br />
obigen zu bringen, habe ich mwermuthet einige weitere,<br />
nnscren Gegenstand betreffende und bis dahin uns nnbckannt<br />
gebliebene Nachrichten angetroffen. Dieselben sind in Domcnieo<br />
Malipicros Jahrbüchern enthalten und mit diesen vor<br />
länger als dreißig Jahren bereits in dem ^.i'oliivio borico<br />
it^ii^no im Drncke erschienen.'"^ Tem gewöhnlichen aber<br />
ungenauen Worte vertrauend, daß diese Jahrbücher da aufhören,<br />
wo Sauudos Tagebücher beginnen, mit dem Jahre<br />
1496 also, während doch beide Verfasser die letzten fünf Jahre<br />
des 15. Iahrhnn<strong>der</strong>ts gemeinsam behandeln, war ich nur durch<br />
eine Nebenfrage bewogen worden, anch Malipieros Bekanntschaft<br />
zu snchen uud uur <strong>der</strong> Zufall führte nur in dem dort<br />
zersplitterten-^) Stoff jene kleine aber bedcntfame Folge von<br />
Schriftstücken zn, <strong>der</strong>en Uebersetzung wir hier dcu Sauudoschen<br />
Mittheilungen anschließen wollen. Taß dieselben anch von<br />
an<strong>der</strong>er Seite her nicht schon früher Beachtung gefunden haben,<br />
kann nicht auffallen. Auch iu ihnen erscheint nnsercs Herzogs<br />
nnd seiner Begleiter Gestalt in einer Vcrhülltheit, welche nur<br />
die geschärften Sinne des Son<strong>der</strong>forschers anf den Gedanken<br />
zu bringen vermag, daß in dem hier erscheinenden Ducn cli<br />
^oiri6i'O8, dessen Land bei Bologna gelegen sein soll, und an<br />
dessen Seite <strong>der</strong> domito 5m n nc)I)i!o fi'^ncx^C) auf den:<br />
Platze bleibt, nnfer Herzog von Pommern versteckt fei. Wer<br />
flüchtig die scheinbar für die Gesammtgefchichte sehr gleichgültige<br />
Erzählung liest, kaun leicht dem Eindrucke verfallen, daß<br />
von Franzosen die Rede sei^) und daß die Alemanni, <strong>der</strong>en<br />
N3) Band VII, Theil !, Seite 15'). Florenz 1343.<br />
'"^) Die „Annalen" o<strong>der</strong> „Diarien" Malipicros sind im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
überarbeitet nnd dabei nach Materien in fünf Abschnitten vertheilt<br />
worden. Die Heransgeber des ^Vi-cIl. stui'. haben diese Anordnung<br />
beibehalten. Das Original-Mannscript Malipieros ist nicht<br />
mehr vorhanden. S. Marco Foscarini, MI^ I^wi-iltui-a vcn^?.<br />
Ansg. v. 1854, Seite !'.>2, Aiim. ^ nnd die Vorrede im ^rcn. ^tor.<br />
-25) Es giebt in Frankreich eine sehr große Anzahl von Ortschaf-
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 231<br />
<strong>der</strong> Verfasser nach den Franzosen gedenkt, bei dem Vorfalle<br />
jedenfalls nur eine Nebenrolle gespielt haben.<br />
Domenico Malizierò si428—1515) war den geschichtlichen<br />
Qnellen seiner Annalen, d. h. den amtlichen Urkundenschätzcn<br />
<strong>der</strong> Republik und allen <strong>der</strong> venetianischen Staatsregierung<br />
überhaupt Zugehenden Nachrichten gegenüber in einer ganz<br />
ähnlichen Lage wie Marino Sanudo. Er war wie dieser ein<br />
Sprößling aus einer jener verhältnißmäßig wenig zahlreichen<br />
vornehmen Familien, in <strong>der</strong>en Händen sich thatsächlich <strong>der</strong><br />
venetianische Staat und seine Geschichte befand. Die Unmöglichkeit,<br />
einen ringsum von gefährlichen Feinden umstellten<br />
Großstaat, wie dieser war, auf die Weifungen fouveräner Volksversammlungen<br />
hin zu regieren, auch wenn dieselben aus lauter<br />
Edelleuten bestanden, hatte Venedig allmählig zu einer absolutistisch<br />
regierten Oligarchie gemacht. Wer den von dem Dogen<br />
und seinen sechs Räthen geleiteten Hof <strong>der</strong> Zehnmänner für<br />
sich hatte, stand mit diesen schrecklichen „X" durchaus über<br />
<strong>der</strong> Regel und außerhalb des Gesetzes. "^) Auf diefe Weife<br />
erklärt sich manches, was sonst nicht recht stimmen will, auch<br />
in Malipieros und Sanudos Verhältniß zu den geheimen<br />
Quellen ihrer Annalen. Malipiero war hier in allem <strong>der</strong><br />
Vorgänger und das Vorbild Sanndos, nur daß dieser durch<br />
größere Fülle <strong>der</strong> Thatsachen und größere Stetigkeit seiner<br />
ten mit ähnlichen Namen wie „Pomeres", so z. B. Pommares, Pommeret,<br />
Pommerenr, Pommeraye n. s. w., nnd jedenfalls gab es Adelsgeschlechter,<br />
welche ihren Titel von solchen Orten hatten. Mit Sicherheit<br />
ist mir dies jedoch nnr von dem ritterlichen Geschlechte <strong>der</strong> Dn<br />
Ponnneret bekannt.<br />
226) Um 18. Inli 1467, erzählt Malipiero, sa. a. O. Seite 655)<br />
ward im Großen Nath die Competenz des CouseM 6i X auf sechs<br />
einzelne Kategorien von Fällen bestimmt, „aber", setzt er — man<br />
sieht nicht recht, wann dieser Einschnb, nnd ob von ihm, o<strong>der</strong> wem<br />
sonst geschehen ist — hinzn: „seitdem ist es seine Gewohnheit geworden,<br />
jede Sache an sich zn ziehen, nm die Verhandlungen geheimer<br />
von statten gehen zn lassen." ^V' 18
232 Actenstncke zur Reise<br />
Arbeit seinen Wegweiser weit überholte. Vielleicht war die<br />
Ursache die, daß Malizierò, im Gegensah zn Sanndo, einen<br />
großen Theil seines Lebens fern von <strong>der</strong> Hanptstadt ver-<br />
brachte. 227) So ist seine Arbeit denn auch von bei weiten!<br />
geringerem Umfang und die dreiundvierzig von ihm behan-<br />
delten und von 1457 bis 1500 laufenden Jahre füllen in dem<br />
angegebenen Druck nur an<strong>der</strong>thalb mäßige Bände. Um so<br />
mehr muß <strong>der</strong> Raum überraschen, den <strong>der</strong> Verfasser darin <strong>der</strong><br />
Episode vom Canal von Cerigo gegönnt hat, und daß von<br />
dieser überhaupt da die Rede ist; aber wir wissen bereits,<br />
welches Aufsehen <strong>der</strong> Vorgang im venetianischen Reiche und<br />
weit über dessen Grenzen hinaus erregte und wie die Um-<br />
stände ganz darnach angethan waren, ihm solche Bedeutung<br />
zu geben. Schöpften nun anch die beiden Verfasser im wesent-<br />
lichen aus denselbigen Quellen, für die fünf Jahre, die sie<br />
gemeinsam behandelten, so ist doch die Art <strong>der</strong> Ausnutzung<br />
glücklicherweise eine verschiedene gewesen; die Auszüge und<br />
Abschriften, die sie geben, leisten sich gegenseitigen Beistand statt<br />
sich einfach zu wie<strong>der</strong>holen. Insbeson<strong>der</strong>e dankbar sind wir<br />
Domenico Malipiero für die wörtliche Wie<strong>der</strong>gabe des langen<br />
Berichtes, welchen Zacharias Garzoni, <strong>der</strong> Iohanniter ans<br />
Rhodus, als Augenzeuge und zuverlässigster Gewährsmann<br />
über den ganzen Verlauf <strong>der</strong> Begebenheit einem uns unbe-<br />
kannt bleibenden Freunde erstattet hat. Vielleicht war Mali-<br />
piero, dessen Mutter aus dem Hause Garzoni stammte,^)<br />
selbst dieser Freund. Der Bericht ist in mehr wie einer Be-<br />
ziehung ein vollständiges Seitenstück zu Capitän Zorzis lan-<br />
gem Bericht, den wir oben bei Sanndo gelesen haben, ^) ^d<br />
22') Foscarini a. a. O. Amn. 2.<br />
228) Nm. OiooFUÄ, äßiio illZori^ioni v6U62Ìtmo. Venedig 1.324.<br />
Band II, S. 391.<br />
229) Der Ritter Hieron. Zorzi, an den dieser Brief gerichtet ist,<br />
war im Jahr 1496 Gesandter <strong>der</strong> Republik bei Sr. Heiligkeit Alerai!«<br />
<strong>der</strong> Borgia, und sein Vrn<strong>der</strong> befehligte damals die große Flotte, welche<br />
an <strong>der</strong> westlichen Küste Italiens mit den Neapolitanern und Genuesen<br />
gegen Franzosen und Florentiner wirkte und welche noch in demselben<br />
Jahr von Malipiero übernommen wurde. Die Stellung dieser Pei><br />
^
Herzogs Bogislav X. in den Orient. 233<br />
ist um so wichtiger für nns, als er gewisse dunkle und, wie<br />
es scheint, von Eapitän Zorzi absichtlich dunkel gelassene Um-<br />
stände aufhellt, im übrigen aber dessen Angaben in allem<br />
wesentlichen bestätigt, nnd als er offenbar auch von Sanudo,<br />
in seinen Nachträgen nämlich, benutzt worden ist, und ^uns<br />
von demselben mit einer sehr merkwürdigen Variante und<br />
einer an<strong>der</strong>en nicht unwichtigen Abweichung stellenweise mit-<br />
getheilt wird. ^")<br />
Spät, erst mit seinem sünfnnddreißigstcn, ^) o<strong>der</strong> wie an<strong>der</strong>e<br />
sagen, seinem sicbeuunddrcißigstcn 2^ Jahre (1463 o<strong>der</strong> 65) trat<br />
Domenieo in das politische Leben ein, das heißt, er begann<br />
Theil zu nehmen an den Abstimmungen des Großen Rathes,<br />
wozu alle vcnctianischen Junker mit abgelaufenem fünfund-<br />
zwanzigstem Lebensjahre berechtigt waren. Wahrscheinlich hatten<br />
ihn Handelsgeschäfte bis dahin von <strong>der</strong> Vaterstadt fern ge-<br />
halten.^) Solche Beschäftigung lag für den Patrizier Vene-<br />
dig's bekanntlich in den Ueberlieferungen seiner Herkunft, sie<br />
war für ihn gewissermaßen eine patriotische Pflicht. Während<br />
überall sonst in <strong>der</strong> europäischen Ritterschaft die Kaufmanns-<br />
fe<strong>der</strong> hinter dem Ohre sich mit dem Schwert an <strong>der</strong> Seite<br />
unbedingt nicht vertrug, war <strong>der</strong> venctianische Nobile nicht nur<br />
zu Helm nnd Schwert, son<strong>der</strong>n auch zu solchem Fe<strong>der</strong>kiele ge-<br />
boren, nnd die enropäische Adelsgesellschaft hatte sich schon<br />
frühe bewogen gefuuden, zu diesem Bruch mit dem Grund-<br />
gedanken ihres Bestehens gute Miene zu machen. Zu mächtig<br />
standen die Thatsachen da in den weltgeschichtlichen Erfolgen<br />
dieser geharnischten Handelsleute und Vankherren, uud diese<br />
Erfolge waren nicht mit dem Schwerte allein gewonnen, fon-<br />
sonen giebt dem Inhalt jeuer Briefe und Mittheilungen eiue beson-<br />
<strong>der</strong>e Bedeutung uud Autorität.<br />
'^) Der „Türke", welcher, nach Sauudo, zu deu Fusteu hinüber»<br />
schwamm uud dadurch die Galere gerettet habcu soll, ist bei Mali-<br />
piero ein venetianischer Rn<strong>der</strong>lnecht, uud über die au Bord befind»<br />
lichen Waffen berichtet <strong>der</strong> letztere an<strong>der</strong>s.<br />
-") Cicogna a. a. O. Seite 391.<br />
2N) ^ix-Ii. Ltor. a. a. O. Seite XX.<br />
2^) Foscariui a. a. O. Seite 132.
234 Aktenstücke zur Reise<br />
<strong>der</strong>n auch mit dem Golde, das diese Herren <strong>der</strong> großmächtigcn<br />
Repnblik von San-Marco sich und dein Vaterlande znglcich<br />
zn erwerben verstanden hatten.<br />
Wir hören nicht, daß Malipiero bei <strong>der</strong> Centralregierung,<br />
als Beamter o<strong>der</strong> Senator, je eine Rolle gespielt habe, aber<br />
auswärts finden wir ihn vom Jahre 1484 an öfters in hohen<br />
eivilen und militärischen Stellnngen. In dem obengenannten<br />
Jahre war er (^pitano äolio n^vi lN'in^to, ein Amt, das<br />
dem eines heutigen Contre-Ndmirals gleichkommen mag, und<br />
noch in demselben Jahre tritt er in Apulien ans als Stellvertreter<br />
des vor Gallipoli umgekommenen General-Capitäns<br />
des Landheeres. Im Jahre 1496 trat Malipiero wie<strong>der</strong> in<br />
den Seedienst Zurück und zeichnete sich als ?i'0V6äiwi- äil<br />
Hi'inQclH) eine ansehnliche Flotte gegen Franzosen und Florentiner<br />
vor Livorno befehligend, bei dem Angriffe auf diese<br />
Stadt rühmlichst aus.^) Wenn Namensgleichheit mit einem<br />
Verwandten nicht täuscht, so war Malipiero im Sommer 1497<br />
in gleicher Eigenschaft dein General-Lapitän Melchior Trevisani<br />
beigegeben nnd bei <strong>der</strong> Absendnng jenes Cnrierboots<br />
betheiligt, das, wie wir oben gesehen haben, die ersten Nachrichten<br />
über den Vorfall mit <strong>der</strong> Iaffa-Galere von Cattaro<br />
nach Venedig brachte. Später begegnen wir Malipiero nur<br />
noch in hohen festländischen Verwaltungen, Zuletzt in Treviso<br />
als ?i'0V0(1itoi' Z6n
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 235<br />
in stetiger Schreibebereitschaft und in wohlangelcrnter Schreibegcübtheit<br />
die geschäftlichen Stunden des Tages mit <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> Hand zu verleben.<br />
Noch eins sei zum Schlüsse bemerkt. Wir werden den<br />
Malipieroschen Jahrbüchern nicht nnr diejenigen Schriftsätze,<br />
welche sich unmittelbar auf unsre Sache beziehen, son<strong>der</strong>n auch<br />
gewisse Thatsachen allgemeinen Inhalts entnehmen, welche <strong>der</strong><br />
Verfasser gewissermaßen als eine Einleitung zu unserer Episode<br />
betrachtet zu haben scheint. Auch Sanudos Tagebücher würden<br />
wir in dieser Weise verwendet haben, wenn die augenblicklich<br />
noch bestehende Schwierigkeit <strong>der</strong> Benutzuug <strong>der</strong>selben<br />
uns nicht allzu viele Hiu<strong>der</strong>nissc entgegengestellt hätte.<br />
XII. 235)<br />
1497.<br />
1) In diesem Jahre wurde Frieden mit den Franzosen gemacht,<br />
uud <strong>der</strong> türkische Großherr wurde sehr argwöhnisch.<br />
2) Zwei große Dörfer im Bezirke von Cattaro, welche<br />
nnter <strong>der</strong> Votmäßigkeit Zorzi Cernovichios stehen, haben sich<br />
freiwillig dem Großherrn unterworfen. Zu Anfang des Jahres<br />
hatten sie Abgeordnete an unsere Staatsregierung geschickt und<br />
.... um Abtrennung von Cattaro gebeten .... waren<br />
indessen abschläglich beschieden worden.^)<br />
3) Am 26. Mai lief eine Flotte von zehn Schiffen von<br />
Constantinopel ans, um Corsaren zu suchen,^') nämlich eine<br />
^) Was wir in Nr. XII und XIII geben, steht bei Malipiero<br />
ohne Lücke hinter einan<strong>der</strong> wie eine einheitliche Begebenheit.<br />
^) Wir bringen diese Geschichte nnr in andeutenden Auszügen.<br />
Es ist dieselbe, welche oben in einer Anmerkung zu Nr. I besprochen<br />
worden ist, nnd die türkische Handhabe znr Eröffnung des bald daraus<br />
ausbrechenden Krieges wurde.<br />
^) D. h. angeblich. 'Nach den Verträgen waren die Türken<br />
verpflichtet, dein Seeranbwesen zu steuern, wir sahen aber bereits wie<br />
sie cs damit hielten.
236 Aktenstücke znr Reise<br />
Bark von 300 Tonnen, eine Caravele, ^) zwei Galeren nnd<br />
sechs Fnsten. Ihr Befehlshaber ist <strong>der</strong> Corsar Erichi."")<br />
Derselbe hat 300 Ianitscharen nnd acht Bombengeschütze an<br />
Bord, nnd sein Ziel ist zunächst Salonichi.<br />
4) Am 19. Inni ist ein Selave des türkischen Großherrn<br />
nüt einem Beglaubigungsschreiben eingetroffen und hat gemeldet,<br />
daß er gekommen sei, um Nachricht von einem entscheidenden<br />
Siege zn bringen, den <strong>der</strong> Sohn des Sultans über<br />
die Perser erfochten habe ^") und daß einer seiner Paschas die<br />
Walachei in seine Gewalt gebracht habe. Der Großherr will<br />
dnrch dies Mittel hier einen Eindruck hervorbringen, denn <strong>der</strong><br />
mit Frankreich abgeschlossene Friede hat ihm mißfallen nnd<br />
die beiden Gesandten, welche nnsre Negierung wegen des nnter<br />
den christlichen Fürsten abzuschließenden Friedens nach Spanien<br />
schickte, haben seinen Verdacht erregt.<br />
5) Am 4. Inli'") hat jene eilf Segel mächtige Flotte<br />
'^) Schon ans dem Vergleich dieser Angaben <strong>der</strong> Flottenbcstand-<br />
theile mit denen bei Sanudo, wo überall von zwei Barken die Rede<br />
ist, geht hervor, daß diese Schiffsart zn <strong>der</strong> Varkengattnng gehört.<br />
-^) Derselbe Irrthum, <strong>der</strong> sich bei Sanndo im Bericht I findet:<br />
Nicht Enrichi, Erichi o<strong>der</strong> Nichi befehligte die Flottille und hatte die<br />
300 Ianitscharen bei sich, son<strong>der</strong>n ein gewisser Perichi.<br />
^) Im Vnnde mit Venedig war längere Zeit hindurch <strong>der</strong><br />
Perscrkönig einer <strong>der</strong> gefährlichsten Feinde des Snltans nnd ein sehr<br />
wirksames Hin<strong>der</strong>niß von dessen Vordringen gegen Europa gewesen,<br />
nnd noch immer wurden in Venedig Hoffnungen an die persische Macht<br />
geknüpft.<br />
'^') Was Malipiero hier berichtet, entspricht <strong>der</strong> Mittheilung Sa-<br />
nudos in Nr. I, nnd gründet sich ans dieselbe amtliche erste Meldung,<br />
nämlich auf die Depesche, welche Zantani, <strong>der</strong> Podestü. von Malvasia,<br />
ani 4. Juli au den Gencral-Capitan nnd an den mit diesem damals<br />
in Cattaro befindlichen Domenico Malipiero, bezw. an die Signoria<br />
nach Venedig abgesandt hatte. Das Datum, welches Malipiero hiev<br />
giebt, weun dasselbe nicht auf einem Fehler des Abschreibers bc^<br />
ruht, ist also dasjenige <strong>der</strong> Zantanischen' Depesche, nicht dasjenige<br />
<strong>der</strong> Thatsache, die sich am o0. Inni zngetragen hatte. Man sieht, wie<br />
hier den Daten nicht immer zn tränen ist.
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 23?<br />
des Großtürkcn die große Iaffa-Galere, Caftitän Aloise Zorzi,<br />
genommen, nnd soll die Ursache die gewesen sein, daß die<br />
Galere nicht ihre Segel hat streichen wollen, wie sie von Rechtswegen<br />
hätte thnn müssen. Wegen dieser Nachricht ist die<br />
Stadt nnn in großer Erregung, und wurde am 4. August<br />
beschlossen, 242) daß Marchio Trcvisan, <strong>der</strong> Gcneral-Capitän,<br />
mit drei Galeren von Cattaro abgehen und sich mit Geronimo<br />
Contarmi, dem Proveditor, und drei weiteren Galeren, sowie mit<br />
Andrea Lorcdan, den: Caftitän <strong>der</strong> Kriegsbarken, nach Cav<br />
Malio begeben, und daß die Syrische Flotte unter Bartholomio<br />
Minio, <strong>der</strong> als Commandant nach Famagosta bestimmt<br />
war, sich ihnen anschließen solle. Späteren Nachrichten zufolge<br />
ist die Galere .mit verbranntem Hintertheil und Bug<br />
und verbrannten Raen^) in Candia angelangt, und <strong>der</strong><br />
Oberbotsmann Sun, ein französischer Edelmann,^) und drei<br />
Ru<strong>der</strong>er sind todt und viele verwundet; doch ist die Galere,<br />
nachdem sie als venetianisches Schiffs) ^kannt worden war,<br />
wie<strong>der</strong> frei gegeben worden. Und während die Stadt in Erwartung<br />
zuverlässiger Nachrichten über den eigentlichen Verlanf<br />
<strong>der</strong> Sache schwebte, traf ein Brief des Iohanniterritters Zaecaria<br />
di Garzoni, des Sohnes von Marin di Garzoni, ein,<br />
und ist das folgende eine Abschrift desselben:<br />
XIII. '")<br />
Am Sonnabend den 24. Juni kamen wir in Modone<br />
an und gingen am Montag den 26. um Mittag weiter. Am<br />
'^) Im Senat nämlich, dem ('ousi^Iio äo' I'i'oz-a6i.<br />
2") Norto 'l comiw 8nu, uodile ^rauo6L^, tre callotti. Der<br />
Herausgeber bemerkt in <strong>der</strong> Anmerkung: II (^06. lapponi (eine<br />
alte Abschrift von Malivicro's Urtert) i^nm'i:l.. S. nnten Anin. 256.<br />
2") ^i-oll'lvio 8tor. Uul. I^irenxc, wm. VII. Seite 154. 1843.<br />
Ich erinnere noch einmal daran, daß wir hier aller Wahrscheinlichkeit
238 Actenstücke zur Reise<br />
Freitag den 30. Inni kamen wir, dnrch ungünstiges Wetter<br />
verspätet, um 1 Uhr Mittags 2") zwischen Cerigo nnd Cap<br />
Malio an, und entdeckten ^) an dieser Stelle nenn Segel, nämlich<br />
zwei Barken, zwei Galeren und fünf Fusten. Es war Pcrichi,<br />
<strong>der</strong> großherrliche Kriegs-Capitän, -") ^^ Enrichi, dem ehemaligen<br />
Corsaren und Genossen Camalis. Als dieselben nnscr<br />
gewahr wurden, steuerten sie sofort anf uns los^") nnd bald<br />
war eine <strong>der</strong> Fusten, welche die an<strong>der</strong>en überholt hatte, an<br />
unserer Seite; <strong>der</strong> Wind nämlich war uns fast vollständig ausgegangen.<br />
^) Man rief uns an, wer wir wären, und wir<br />
gaben zur Antwort: von San-Mareo, wie sie schon an den<br />
an Rae und Stange^'-) aufgezogenen Flaggen leicht hätten<br />
sehen können, und auch an <strong>der</strong> Krenzes-Standarte. ^) Wir<br />
fragten unsrerseits, wem ihr Geschwa<strong>der</strong> gehöre und man antwortete<br />
: dem türkischen Großherrn. Wir wurden nnn anfgefor<strong>der</strong>t,<br />
unsere Segel zu streichen, da wir Freunde seien;<br />
wir aber fürchteten, Corsaren vor uns zu haben; denn mehr<br />
als einmal fragten wir, wer ihr Befehlshaber sei, und erhielten<br />
keine Antwort, obwohl wir sagten, es zu dem Zwecke wissen<br />
zu wollen, damit wir thun könnten, was unsre Schuldigkeit<br />
das Schriftstück vor Augen haben, welchem Saimdo den größten Theil<br />
seiner Ergänzungen oben in Nr. VIII entlehnt hat.<br />
2") ^. 18 1w!'6.<br />
2-^) 3copi-Ì886M0. Es liegt in dem Ansdruck nnverkennlich eine<br />
Hindentnng auf die Ferne, in welcher man das feindliche Geschwa<strong>der</strong><br />
zuerst erblickte, ganz dem Berichte Capitän Zorzis entsprechend.<br />
249) Capitamo o<strong>der</strong> Capitano ist was in jener Zeit nnscr „Haupt-<br />
mann": fast immer ein höherer Offizier, hier jedenfalls kein bloßer<br />
Schiffscapitän, wie sich noch mehr in <strong>der</strong> Folge ergeben wird.<br />
2N) Auch <strong>der</strong> Ritter Garzoni sagt also nichts von Umkehr nnd<br />
Flncht.<br />
^l) Die Galere als eine Fniin. ^rosZ^ war dnrch Nn<strong>der</strong>n schwer<br />
vorwärts zu bringen, war also bei Windstille von den Fuste.ii leicht<br />
zn erreichen.<br />
252) In vout^me ot in ätH?:i — e poi il 8tonando doli^ eroc^.<br />
Es scheint hiernach, daß diese Standarte, jedenfalls auch eine Flagge,<br />
we<strong>der</strong> in V6ntu.ni6, noch in 8w^ wehte, son<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>swie be-<br />
festigt war.
Herzogs Vogislav X. in den Orient,<br />
sci. Darnm eben strichen wir nnserc Segel nicht, denn nnsere<br />
Pflicht lvar uns klar: eher allen Gefahren nnd selbst dein Tode<br />
zn trotzen als dnrch Streichen <strong>der</strong> Segel Personen Ehre zn<br />
geben, die uns unbekannt waren. Als wir demgemäß die Fahrt<br />
fortsetzten, gab eine <strong>der</strong> Galeren einen Nombenschuß auf uns<br />
ab, <strong>der</strong> unser Hintermastsegcl traf. Wir strichen mm unsre<br />
Segel, aber alle eilf Schiffe legten sich um unsre Galere uud<br />
machteu ans dieselbe einen wüthenden Angriff mit Pfeilen,<br />
Fenerwnrfschüssen ^) und Bomben. Wir setzten uns in Vertheidignngsstand,<br />
brachten an <strong>der</strong> Schanzklciduug alle uus<br />
möglichen Wehren an nnd bewaffneten nns so gut es ging.<br />
Doch hatten wir ans <strong>der</strong> Galere nicht mehr als Z halbe Harnische<br />
und an lanzenformigen Waffen nnr diejenigen, welche<br />
ich selbst für Nhodus mitgenommen hatte, nämlich nicht mehr<br />
als 25 Stück. Der Rcisekasteu, iu dem sie sich befanden,<br />
wnrde aufgebrochen uud die Waffcu wurdeu geschäftet, und<br />
mit ihrer Hülfe uud mit deu Schwerteru, von denen auch<br />
eiuige vorhaudcu wareu, sowie meiucu Nnndschildcn und Tartschen,<br />
die ich gleichfalls für Nhodns mitgenommen hatte, vertheidigten<br />
wir uus uud wurdcu 50 Menschen mittelst meiner<br />
Waffen vor dein Tode gerettet. Die Pilger aber schnitten ein<br />
Loch in die Mitte ihrer Matratzen und zogen sich dieselben<br />
statt <strong>der</strong> Harnische über. Dergestalt vertheidigten wir die<br />
Galere trotzdem daß es an dem nöthigen fehlte. Das<br />
Gefecht währte fünftehalb Stunden nnd kein Türke erstieg die<br />
Galcrc, dcr uicht sein Leben hätte lassen müssen. Wäre die<br />
Galere mit Waffen versehen gewesen, wie sie hätte sein sollen,<br />
so wären nns die Türken nicht nahe gekommen o<strong>der</strong> hätten<br />
ihre Schaude erlebt, und wir würden, meines Erachtens, einen<br />
dcr größten Siege über sie erfochten haben, die uus seit vielen<br />
Jahren zn Theil geworden sind. ^) Dnrch die Gnade Gottes<br />
2N) Dieselben bestanden iu B. ^idpfeilen, welche mit dem Bogen<br />
geschleu<strong>der</strong>t wurden, uud Feuer' '-f^< wie aus dem Verfolg uud aus<br />
Sauudo hervorgeht. Die Töpfe wm^eu entwe<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Hand o<strong>der</strong><br />
mit Maschinen geworfen.<br />
^) Dcr Ritter macht hier dem Capitän Zorzi eincu Vorwurf,
240 Actenstücke zur Reise<br />
sind wir ihren Händen entgangen, aber nicht nnr gegen ihre<br />
Waffen nnd ihre Artelarie haben wir nns zn behaupten ge-<br />
habt, fon<strong>der</strong>n auch gegen eine Unmasse von Fenerwürfen, ni il<br />
denen fic ohne Aufhören die Galere überfchütteten, und zu<br />
<strong>der</strong>en Abwehr wir alle unsere Wasfcrvorräthe und 200 Barile<br />
Wein verbrauchten. Von diesem Feuer wurden die Nae, das<br />
Hintermastfegel, das Vor<strong>der</strong>segel ^) und viel Gut vernichtet,<br />
und zuletzt wurde auch das Vor<strong>der</strong>castcll^) von dem Feuer<br />
ergriffen. Um zu einem neuen Angriff Kräfte zu sammeln,<br />
zogen sich die Türken zurück, da aber fprang einer unferer<br />
Ru<strong>der</strong>er,^) welcher fürchtete, die Galere würde genommen<br />
werden, um sich zu retten, ius Wasser und wurde von den<br />
Fusten gefangen genommen uud zu dem Befehlshaber de^<br />
Geschwa<strong>der</strong>s^) gebracht nnd von demselben gefragt, was für<br />
eine Galere die unsrige sei, worauf er erwie<strong>der</strong>te: „die vene-<br />
tianische Iaffa-Galere", -^) ^^ ^ Erregung hinzufügte: „ist das<br />
den <strong>der</strong>selbe vollauf verdient hatte. Herzog Vogislav hatte ausdrücklich<br />
in den Ueberfahrtsvertrag, §. ^, die Bestimmung aufnehmen lasse::!<br />
6t iiOLtiuiN ÌllVA8Ì0U6M, 81<br />
tdlivei'um, ÌQ 8Ìmi1idu8 0d86i'VÄ:l ^^11:^<br />
'-^) Hu 1iot0. Die Nndcrer waren damals noch keine „Ga-<br />
lereusclaven", son<strong>der</strong>n freie Leute. Dieser Fnliow ist bei Sauudo ciü<br />
Türke.<br />
258) Es ist <strong>der</strong> Oberbefehlshaber Perichi gemeint-, <strong>der</strong> Nnoers<br />
mann mußte also von <strong>der</strong> Fuste auf die Barke desselbeu hinüber-<br />
gefahren werden.<br />
^) slll,1ul
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 241<br />
dcr Fricdcn, in dcm Eucr Hcrr mit nnscrcr Regierung steht,<br />
daß Ihr übcr nns herfallet als ob wir Encr Feind wären?" ^")<br />
Diefe Worte hatten die Wirkung, daß dcr tnrkifche Capitän<br />
die weiße Waffenstillstands-Flagge aufziehen ließ und befahl,<br />
daß alle ihn begleitenden Schiffe von nns ablassen sollten.^)<br />
An dem Kampf hatte, in Folge <strong>der</strong> Windstille, keine <strong>der</strong> Barken<br />
Antheil genommen, und wäre dcm nicht so gcwcfcn, so<br />
war unfcre Galcrc genommen. ^) Dieser Capitän hatte auf<br />
feiner Galere als Lootfcn cincu christlichen Renegaten Nameus<br />
Bcnctto Barbcta, luelchcr die Galere anf den ersten Blick wie<strong>der</strong>erkannte<br />
nnd als Pilger-Galere bezeichnete und von ihr behauptet,<br />
sie habe „goldene Eingeweide."-^) Diefe Aenßcrung<br />
brachte den Capitän zn dcm Entfchlnß, sich ihrcr zn bemächtigen;<br />
als er sie aber sich im Feuer verzehren sah, zog er ab ^")<br />
und schickte seine Schalupe zu uufcrm Patron und licß ihn<br />
anffordcrn zu ihm zn kommcn. Dicfcr bat sich sicheres Geleit<br />
ans, woranf das Friedenszeicken mit cinem lvcißen an <strong>der</strong><br />
Spihc ciner Lanze befestigten Tuche gegeben nnd das Geleit<br />
überfandt wurdc. Nun begab fich dcr Patron dcr Galcre zu<br />
ihm nnd <strong>der</strong> Capitän entschuldigte fich nnd sagte, er hätte die<br />
Galcre für eine franzöfifche Galeazza gehalten, die er fchon<br />
fett zwei Monaten erwarte, uud er fügte hinzu, vou unfcrm<br />
Patron fci dcr Fehler begangen worden, daß er nicht habe<br />
die Segel strcichcn nnd ihm als dcm stärkeren nnd unfcrem<br />
Frcnndc dic Ehrc geben wollen. Dcr Patron cnt-<br />
^) Im Tczt steht d^nll pnx^-, das Wort pl^x
242 Actenstücke znr Reise<br />
gegncte, <strong>der</strong> Fehler sei nicht auf seiner Seite gewesen, denn<br />
er habe seinen, des Capitäns, Namen nicht erfahren, nnd ohne<br />
ihn zn kennen, würde er ihm nimmer die Ehre gegeben haben,<br />
nnd er hätte glanben müssen, mit Seeräubern Zn thnn zn<br />
haben, da er nach dem Namen gefragt, aber keine Antwort<br />
erhalten habe; daraus hätte er gar nichts an<strong>der</strong>es entnehmen<br />
können als daß er mit Feinden zu thnn habe, nnd, wenn sie<br />
Freunde waren, so hätten sie nichts weiter nöthig gehabt als<br />
eine Fuste an ihn heran zn schicken und sich zn erkennen zn<br />
geben, woranf er ohne Weiteres seme Schuldigkeit würde gethan<br />
haben. Darauf ließ ihm <strong>der</strong> Capitän bedeuten, daß er<br />
alles Vorgefallene geduldig hinnehmen möge, denn es hätte so<br />
sein sollen, nnd er würde ihn zu seiner größeren Bequemlichkeit<br />
ins Schlepptan nehmen nnd sich am kommenden Morgen<br />
über das weitere entscheiden nnd <strong>der</strong> Patron möge gnter Dinge<br />
bleiben; und damit entließ er ihn. Die Pilger aber besorgten,<br />
<strong>der</strong> Patron würde, um sich selbst zu befreien, sie dem Capitän<br />
als Gefangene überlassen, da Franzosen nnd Dentfche ^-"') die<br />
Feinde <strong>der</strong> Türken sind, nnd einer <strong>der</strong> Vornehmsten nnter denselben,<br />
welcher Herzog von Pomeres ^) ist, nahm den Patron<br />
bei Seite und schlng ihm vor, cr möge versuchen, die Galere<br />
mit Gold zn lösen, wozu er ihm 15000 Dncaten anbot,<br />
welche er bei sich auf <strong>der</strong> Galere habe. Der Patron aber<br />
entgegnete, er möge keine Vesorgmß haben, er stehe ihm für<br />
seine Sicherheit mit dem Kopfe. Von unseren Leuten^)<br />
waren mehr als 60 verwundet nnd die Segel waren <strong>der</strong>maßen<br />
versengt, daß die Galere nicht zn regieren war. ^)<br />
265) Die Türken machten fortwährend Nanbzüge nach Oesterreich<br />
hinein; ein wirklicher Feldkrieg zwischen dein Reich o<strong>der</strong> Oesterreich<br />
nnd den Türken hatte noch nicht statt gehabt, doch hatte sich Max, dcr<br />
römische König, bereits <strong>der</strong> Republik als Bundesgenosse für einen<br />
neuen Krieg angetragen.<br />
266) Uno 66 i pi'iucü^Ii, il
Herzogs Bogislav X. in den Orient. 243<br />
Die Türken schickten daher zwei Galeren und hatten uns die<br />
ganze Nacht am Schlepptau. Es kann nichts herzzerreißen<strong>der</strong>es<br />
geben als das Klagen und Stöhnen was man da auf <strong>der</strong><br />
Galere zu hören bekam. ^) Um Morgen langten wir bei<br />
Cap Malio an ^") und fanden den türkischen Capitän bereits<br />
in Bewegung. Wir erhoben uns nnn auch von unserm Lager.<br />
Darauf schickte er die Schaluppe zu uns und ließ sagen, <strong>der</strong><br />
Patron, die Pilger nnd <strong>der</strong> Caftlan sollten zu ihm kommen.<br />
Als wir von dieser Auffor<strong>der</strong>ung hörten, hielten nur uns für<br />
verloren; da die Umstände es aber nothwendig fo erheischten,<br />
so machte sich <strong>der</strong> Patron mit einigen an<strong>der</strong>en auf den Weg.<br />
Der Capitän ging unsern Patron nun an, er solle ihm auf<br />
Treu und Glanben versprechen, daß er überall sagen wolle,<br />
<strong>der</strong> Anlaß zu dem blutigen Streit und zu dem ganzen bedauerlichen<br />
Vorfall fei von unserer Seite gegeben worden und nicht von<br />
ihm, denn wenn wir die Segel gestrichen hätten, so wäre das<br />
alles gar nicht vorgekommen.^) — Ich meinestheils aber<br />
glaube, abgesehen von <strong>der</strong> göttlichen Hülfe, wenn wir uus nicht<br />
zu wehren gewußt und die Türken auf die Galere hätten<br />
kommen lassen, daß wir uns ihnen hätten ergeben müssen und<br />
alle zusammen von ihnen in Stücke gehauen sein würden. —<br />
Schließlich wurde uns freigestellt, ^) unsere Fahrt fortzusetzen.<br />
— Als <strong>der</strong> Patron an Bord <strong>der</strong> Galere zurück war, ließ <strong>der</strong><br />
Corsar Erichi ihn um Scharlachtuch zu einem Anzug ersuchen<br />
nnd brachten wir den Patron dazu, ihm 5 Stück ^) und ebensoviele<br />
dem Capitän zu schicken sammt einem Faß Malvasier-<br />
bloße Nu<strong>der</strong>kraft vorwärts zu bringen imd für die Gattung <strong>der</strong>selben<br />
als MÜH FI'088«,.<br />
AN) 5?ott lu miü mnF^wi- i»n't:'l. ono lüdir i lamenti o i pianti ote.<br />
"
244 Actenstücke zur Reise<br />
Wein, Confeet, Pfefferkuchen und Bisenits. ^) Das alles<br />
wnrde auch angenommen uud ließ <strong>der</strong> Capitän den Patron zn<br />
einem fröhlichen Gelage bitten,^") eine Einladnng, welcher <strong>der</strong><br />
letzte auch Folge leistete. Nuterdessen ließen wir die Galere so<br />
viel wie möglich in Stand setzen, mnßten jedoch bis<br />
zum Abend anf Eintritt günstigen Windes warten.^) ^ni<br />
Sonnenuntergang^') gingen wir unter Segel, zugleich mit <strong>der</strong><br />
Türkenflottille, welche die Richtung anf Chios nahm, indeß wir<br />
auf Candia steuerten. Hier trafen wir am Montag den 3. Juli<br />
um Mittag eiu, in einer Verfassung, als ob wir nnr so eben<br />
dem Untergange entronnen wären. Wir gingen sofort insgesammt<br />
an's Land und zogen, die große Trntzflagge vorauf, ^)<br />
zur Kirche <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>thätigen Mntter Gottes vor dem Thor,<br />
^) (>0ut0tti, do^oladi et,<br />
n clir ni Patron o^e nn6aZ3tt a, 5lU' 8
Herzogs Vojislav X. in den Orient.<br />
um Gott dem Herrn nnd ihr für die große uns erwiesene<br />
Gnade Zu danken. Ganz Candia kam uns auf d
M> Acteustüäe zur Reise<br />
eastell und verbrannte mir vier volle Koffer. Gott fei gelobt,<br />
das) es mir nicht au's ^ebeu gegangen ist. Mit feiner Hülfe<br />
werde ich anch mit allen: an<strong>der</strong>n zurecht tommen. Wun<strong>der</strong>barer<br />
Weise streifte mir ein von dem feindlichen Maftkorb kommen<strong>der</strong><br />
Stein die Haare, ohne mir den geringsten Schaden zn<br />
thnn. Candia den 6. Juli 1497."<br />
XIV.<br />
Am 8. November ist ein Theil <strong>der</strong> oben erwähnten Pilger<br />
von <strong>der</strong> Iaffa-Galere, Capitän Aloise Zorzi, anf <strong>der</strong> sich Herr<br />
Marco Maliftiero, <strong>der</strong> Groß-Conttur von Cypern, eingefchifft<br />
hatte, anf Lesina^) angekonimen. Die Pilger'-^) waren mit<br />
<strong>der</strong> Galere übereingekommen, daß sie anf dem Rückwege nicht<br />
wie<strong>der</strong> Candia anlaufen solle und haben zusammen dem Caftitän<br />
500 Dueaten gegeben, daß er hinter <strong>der</strong> Insel hernm nnd<br />
an ihr vorbei fahre, nm dem türkischen Geschwa<strong>der</strong> nicht<br />
zu begegnen. Am 18. traf die Jaffa-Galere mit den<br />
übrigen Pilgern ein und uuter denselben befand sich <strong>der</strong> Herzog<br />
von Pomeres,^) welcher <strong>der</strong> Staatsregierung einen Besnch<br />
machte und <strong>der</strong>selben einen sehr günstigen Bericht über Caftitän<br />
Aloise Zorzi erstattete.^) M^> den Herzog war das Hans<br />
'^) Insel an <strong>der</strong> dalmatinischen Küste, etwa anf <strong>der</strong> Höhe von<br />
Ancona.<br />
2^>) Das heißt: dieser Theil <strong>der</strong> früher nnd in Lesina angekommenen<br />
Pilger, worunter aber nicht die Pommern waren. Malipieros Erzäh-<br />
lnng ist hier sehr nnklar abgefaßt. Die Galere, mit welcher diese<br />
furchtsameren Pilger nach Lesina gelangten, war die Galere Patron<br />
Aloise Zorzi nicht. Ans den poinmerschen Berichten geht ganz zweifel-<br />
los hervor, daß <strong>der</strong> Herzog nnd seine Begleitung anf <strong>der</strong> Zorzischen<br />
Galere geblieben sind nnd mit dieser anch anf dem Heimwege Candia<br />
angelaufen nnd den Canal von Cerigo passirt haben. Die Pilger also<br />
hatten sich in Jaffa, Cypern o<strong>der</strong> Nhodns getheilt nnd die ängstlichen<br />
hatten da ein an<strong>der</strong>es Schiff bestiegen.<br />
'^l) We<strong>der</strong> Sanndo noch Malipiero hatten offenbar eine Vor-<br />
stellung von Pommern nnd feinem Herzog.<br />
282) Es wird damit angedeutet, daß des Capitans Verhalten nicht
.Herzogs Vogislav X. in den Orient. 247<br />
Aloise Zane's^) auf <strong>der</strong> Gindeeca in Bereitschaft gefetzt worden.<br />
Dieser Herzog hat 100,000 Dueaten Einkommen und fein Staat<br />
liegt bei Polen, ^) 1200 Meilen von hier entfernt. Er geht<br />
nach Loreto und dann nach Rom.<br />
Um fo vollständig wie möglich zu sein, schließen wir mit<br />
einer Bemerkung, welche Malizierò im Sommer 1498, die<br />
Angelegenheit <strong>der</strong> Iaffa-Galcre betreffend, in seine Jahrbücher<br />
einrückt. 285) Z^in großen Sturm, welcher im Jahre 1508 mit<br />
<strong>der</strong> europäischen Verschwörung von Cambray über Venedig<br />
hereinbrach, ging damals ein italienisches Vorspiel voraus.<br />
Mailand, Neapel, Florenz, Ferrara und König Max hatten<br />
sich zusammengethan, um <strong>der</strong> Republik den Untergang zu bereiten.<br />
Doch wollten sie vorher des türkischen Beistandes sicher<br />
sein. Der Sultan aber hatte keinem <strong>der</strong> Verführer diesmal<br />
„fein Ohr geliehen,"^) obgleich schon lange kein venezianischer<br />
Gesandter in Constantinopcl mehr beglaubigt gewesen war;<br />
man hatte eben <strong>der</strong> Hoffnung gänzlich entsagt, durch diplomatische<br />
Mittel dem immer näher und näher rückenden Ausbruch<br />
des Krieges eutgegenwirken zu können. Nun aber schien eine<br />
erfreuliche Anknüpfung gegeben zu sein, und Andrea Zantani<br />
wurde mit stattlicher Ehrcnbcgleitung an die hohe Pforte gesandt.<br />
Malipiero aber scheint von dem Versuch nichts gehalten<br />
zu habeu. „Sind doch," so sagt er, „mehrere Fälle vorgekommen,<br />
die beweisen, daß man <strong>der</strong> Gesinnung des Sultans<br />
gegen die venezianische Regierung nicht trauen dürfe, wie z. B.<br />
<strong>der</strong> Fall mit <strong>der</strong> Iaffa-Galere."<br />
ohne Anfechtung geblieben war und des herzoglichen Zeugnisses zu<br />
seiner völligen Rechtfertigung bedurfte.<br />
263) Bon einem <strong>der</strong> adelichen Familie Zane gehörigen .Hanse auf<br />
<strong>der</strong> Giudecca finde ich keine Spur. Uebrigens ist zn vermuthen, daß<br />
damit die Casa Gritti gemeint sei, welche damals vielleicht nur noch<br />
so hieß, aber den Zanes gehörte,<br />
2^) Im Text steht Cotogna, statt Polonia.<br />
8t,oi'. a. a. O. Seite 161.
Actenstücle zur Reise<br />
Der allgemeine Eindruck also war geblieben, daß die ganze<br />
Begebenheit als ein von oben her angeregter Versuch, Venedig<br />
zn demüthigen und zu reizen, anfgcfaßt werden müsse.<br />
A n h a n g.<br />
1. Der Kampfplatz.<br />
Während die ftommerschen Nachrichten mit den venetianischen<br />
darin übereinkommen, daß <strong>der</strong> Kampf mit den Türken<br />
am Panlstage 1497, Freitag den 30. Juni Nachmittags, stattgehabt<br />
habe, gehen die bei<strong>der</strong>seitigen Angaben über die<br />
geographische Lage <strong>der</strong> Kampfstätte weit auseinan<strong>der</strong>. Alle<br />
pommerschen Quellen, — wenigstens die mir zur Hand sind,<br />
nämlich die beiden gedruckten Kanzowschen Texte uud Dalmers<br />
Erzählung — behaupten, daß <strong>der</strong> Zusammenstoß ganz nahe<br />
bei <strong>der</strong> Küste von Candien, nnd zwar, wie Dalmers Bericht<br />
will, „vier welsche Meilen" vom „Anfang <strong>der</strong> Insel", also<br />
etwa vier Kilometer nördlich o<strong>der</strong> nordwestlich von dem Vorgebirge<br />
von Busa erfolgt fei; nach den venetianischen Berichten<br />
dagegen ist die historische Stelle über zwölf deutsche Meilen<br />
von da im Canal von Cerigo zu suchen, das heißt in <strong>der</strong><br />
Wasserstraße, welche mit Cap Spathi beginnend, bis Cap Malio<br />
hin die Küsten Moreas von denen Cerigos trennt.<br />
Welchen Zeugnissen wir den Vorzug zu geben haben,<br />
kann keine Frage sein. An nnd für sich hat die ftommersche<br />
Angabe freilich nichts was befremden köunte, denn <strong>der</strong> gradeste<br />
Weg von <strong>der</strong> Stadt Modone nach <strong>der</strong> Stadt Candia, die das<br />
nächste Ziel <strong>der</strong> Galere war, geht zwischen Cerigotto und Candia<br />
hindurch, hart an dem vermeintlichen Kampfplatz vorbei,<br />
uud auch heute noch nehmen die von <strong>der</strong> Adria auf Candia<br />
fahrenden Schiffe ihren Weg bald nördlich bald südlich au<br />
Ccrigo vorüber. Hatte doch auch Capitän Zorzi die Absicht,
Herzogs Vogislau X. in den Orient. 249<br />
diesen letzteren Weg zu wählen, als er das Ende <strong>der</strong> nördlichen<br />
Straße durch die Piratenflotte versperrt fand und sich zur Umkehr<br />
entschloß. Nnr eines kann bei <strong>der</strong> pommerschen Darstellung<br />
Bedenken erregen: das Corsarengcschwa<strong>der</strong> soll ihr zufolge<br />
angesichts <strong>der</strong> Galere „unter des Türken Lande hervorgekommen"<br />
sein ; diese Angabe aber paßt wohl auf die nördliche,<br />
doch nicht auf die südliche Straße, denn sowohl Eerigo wie<br />
Candien waren damals Venetianergcbiet und von keiner Stelle<br />
zwischen den Inseln ist Türkenland Zn entdecken, — es müßte<br />
denn das ferne Cap Mataftan sein. ^) Doch mag hier auf<br />
Seiten des herzoglichen Geheimschreibers o<strong>der</strong> wer sonst den<br />
Bericht schrieb, welcher <strong>der</strong> Dalmersche heißt, ein geographischer<br />
o<strong>der</strong> politischer Irrthum begangen sein, den die mittelalterlichen<br />
Verhältnisse unschwer entschuldigen und <strong>der</strong> auch im<br />
übrigen nicht ins Gewicht fällt. Bei dem kindlichen Zustand,<br />
in welchem sich selbst noch im vorigen Jahrhun<strong>der</strong>t das gesammte<br />
Kartenwesen befand, ist sogar nicht zn erwarten, daß<br />
an Bord <strong>der</strong> Galere überhaupt ein an<strong>der</strong>es geographisches<br />
Hülfsmittel zn finden gewesen sei, als etwa jener Portolano<br />
von 149l), welchen auch wir, und nur mit äußerst geringem<br />
Erfolge, zur Kenntniß <strong>der</strong> fraglichen Küsten und Küstenorte<br />
benutzt haben, — eine trockene, von keiner Zeichnung begleitete<br />
Aufzählung <strong>der</strong> die Häfen und Vorgebirge trennenden Entfernungen<br />
nebst Anzeige <strong>der</strong> einzuschlagenden Richtungen.^)<br />
Allerdings könnte auch die Angabe Dalmers Anstand und Zweifel<br />
erregen, daß <strong>der</strong> nach ihm an <strong>der</strong> Küste von Candien gelegene<br />
Hafen, in den die Galere am Abend des Schlachttages geschleppt<br />
wurde, <strong>der</strong> von Casa di Sant'Angelo geheißen habe, denn<br />
26?) Nach dem neuesten Orientführcr von Isambert sind von Cap<br />
Malio ans die Berge von Candien sichtbar, etwa die gleiche Entfer-<br />
mmg wie die eben erwähnte.<br />
^) Anch zn strategischen Zwecken war <strong>der</strong> Gebranch von Plänen<br />
damals, nnd noch viel spater, ganz unbekannt. Wenigstens behauptet<br />
<strong>der</strong> Schreiber des Marschalls de Vieillcville, <strong>der</strong> die Denkwürdigkeiten<br />
seines Herrn schrieb, daß dieser <strong>der</strong> erste Feldherr gewesen sei, <strong>der</strong> sich<br />
— im Jahre 1552 — solcher Mittel bedient habe.
250 Actenstücke zur Reise<br />
nirgendwo will sich ans Candien ein solcher Hafenort finden<br />
lassen, doch hat die Feststellung eines also benannten Hafens<br />
anch für die Küstenlän<strong>der</strong> am Canal von Cerigo ihre Schwierigkeit,<br />
nnd wir können von hier ans die Zuverlässigkeit <strong>der</strong><br />
Dalmerschen Angaben nicht anzweifeln.<br />
Aber, wie viel o<strong>der</strong> wie wenig sich anch ans <strong>der</strong> Sache<br />
selber heraus für die pommersche Behauptung in Betreff <strong>der</strong><br />
Lage <strong>der</strong> Wahlstatt mag anführen lassen, vor den ihr wi<strong>der</strong>sprechenden<br />
Aussagen <strong>der</strong> Venezianer kann sie unbedingt nicht<br />
bestehen. Der Cavlau des Podestas von Monembasia hat von<br />
la V^tiea ans die im Kampf mit den Türken lo<strong>der</strong>nde Galere<br />
„im Canal von Cerigo" erblickt, <strong>der</strong> Ritter Garzoni, <strong>der</strong> mit<br />
auf dem Schiff war, erzählt, daß fich <strong>der</strong> Unfall „zwifchen<br />
Cerigo und Cap Malio" ereignet habe, nnd ebenfo lantet die<br />
Aussage des Capitäus Zorzi, und damit stimmeil alle an<strong>der</strong>en<br />
amtlichen Meldungen nnd sonstigen Nachrichten, — mit einem<br />
Wort: es steht für nns als nnwi<strong>der</strong>leglich dargethan, als völlig<br />
erwiefeu fest, daß <strong>der</strong> Zusammenstoß im Canal von Cerigo,<br />
also auf <strong>der</strong> Strecke zwifchen Cap Spathi und Cap Malio,<br />
stattgefunden: hat.<br />
Gehen wir mit diefem festen Ergebniß als Maßstab <strong>der</strong><br />
Wahrheit an die ftommersche Darstellung znrück, um was au<br />
ihr uoch zu retten ist, in unserm Dienst zu verwcuden, so stellt<br />
sich zuvör<strong>der</strong>st heraus, daß die beiden Kanzowschen Texte in<br />
Bezng auf die Lage des Kampfortes sich ini Grnude mehr unzutreffend<br />
uud ungcnan, loie irrthümlich ausdrücken, <strong>der</strong> sogenannte<br />
Dalmersche Text aber Thatfachen behauptet, <strong>der</strong>en<br />
Unrichtigkeiten sich nnr durch einen gründlichen Ver<strong>der</strong>b <strong>der</strong><br />
ursprünglichen Handschrift von Seiten eines ebenso leichtfertigen<br />
wie nngeschicktcn Bearbeiters erklären lassen nnd die in dem<br />
zunächst vorliegenden Falle dahin zn berichtigen sind, daß an<br />
die Stelle „<strong>der</strong> Insel Candien", an <strong>der</strong>en Anfang <strong>der</strong> kleine<br />
Hafen mit Namen Cafa di S. Angelo gelegen gewesen sein soll,<br />
einfach „Morca" o<strong>der</strong> „Peloponnes" gesetzt werde. Dort, am<br />
Vorgebirge M^lio o<strong>der</strong> Malea, ist <strong>der</strong> Schlupfhafeu <strong>der</strong> türkischen<br />
Piraten zu suchen, in den die Galere am Abend o<strong>der</strong>
Herzogs VogiZIau X. in den Orient. 251<br />
besser ani Morgen nach dem Gefechte gebracht wnrde, und aus<br />
dem anch vermuthlich das feindliche Geschwa<strong>der</strong> am Vormittage<br />
jenes bösen Freitags hervorgekommen war; dort hatte sie ihren<br />
ständigen Rückhalt nnd ihren Ansfallsort, seitdem sie, wie<br />
Zantani berichtete, die ganze Durchfahrt, nämlich eben den<br />
Canal von Cerigo o<strong>der</strong> von Cervi, gesperrt hielt. Daß wir<br />
diefen Schlupfwinkel nicht nördlich von dem Casi Malio und<br />
anf <strong>der</strong> Ostküste, fondcrn westwärts von ihm an <strong>der</strong> füdlichen<br />
Küste Moreas Zu suchen haben, ist eigentlich selbstverständlich;<br />
doch weiß anffälligcr Weise keine <strong>der</strong> vielen alten und neuen<br />
Beschreibungen nnd Landkarten ^') an dieser Stelle und Küste<br />
von einem Ort o<strong>der</strong> Hafen mit Namen Casa o<strong>der</strong> C^ di<br />
Sant Angelo, d. h. Hans des heiligen Engels. Wohl aber<br />
findet sich zu unserer Ueberraschung ein Ort mit Namen Sant<br />
Angelo anf jener eben von uns zurückgewiesenen Ostküste Moreas,<br />
nördlich von Casi Malio, und unweit von diesem.^")<br />
Wer sich jedoch auf den Karten uud in den Betreibungen<br />
diefes feit Iahrhnndcrten o<strong>der</strong> Jahrtausenden in unaufhörlichen<br />
staatlichen wie völkerlichcn Wandlnngen begriffenen Landstriches<br />
einigermaßen umgesehen hat, wird fich durch solche augenblick<<br />
lichen Hin<strong>der</strong>nisse des Verständnisses nicht irren lassen. Von<br />
diesem Sant Angelo-Küstenorte könnte zndem schon darum<br />
^) Die drei ältesten, gezeichneten o<strong>der</strong> gemalten Karten, die ich<br />
zu Nathe gezogen habe, sind vom 16. Jahrhun<strong>der</strong>t, zwei in <strong>der</strong> Mar-<br />
cnsbibliothek Klasse IV. Cod. 148 nnd Cod. 1^9, nnd die in <strong>der</strong><br />
3lüli (I0Ü0 «cuäc» im Dogcnpalast befindliche, in Oel gemalte, im<br />
vorigen Jahrhun<strong>der</strong>t nach einem Brande wie<strong>der</strong>hergestellte Wandkarte<br />
des Vaptista Nhamnsins.<br />
cw. Trieft »854. Seite 10. .V circ^ ^lO miFii^ in<br />
— (von Cap Malio) — .^i sooi-^o nu'<br />
8:mt' ^Vu^io, ooiuo il villa^io cli^ ^
252 Actenstücke zur Reise<br />
nicht ernstlich für unsere Sache die Rede sein, als <strong>der</strong>selbe über<br />
zwei Myriameter weit ab voll Cap Malio gelegen ist und nicht<br />
als Hafen für Schiffe <strong>der</strong> betreffenden Größe beschrieben wird,<br />
mithin für den fraglichen Zweck sehr wenig geeignet erscheint,<br />
namentlich da sich an <strong>der</strong> südlichen Küste, wie wir sehen werden,<br />
mehrere dienlichere Häfen befinden. Ein sehr wichtiger<br />
Umstand ist zunächst <strong>der</strong>, daß Capo Malio vou den Schiffern<br />
auch Capo Santangelo genannt wird, nnd zwar keineswegs,<br />
wie gewöhnlich gesagt wird, erst seit nenerer Zeit. Bereits in<br />
jenem von uns schon einmal erwähnten „Hafenbuch" "^) y^<br />
1490 heißt das fragliche Vorgebirge Chavo Malio Saueto<br />
Angelo, und zwar im Gegensatze zu Cap Matapan, welches<br />
darin Cavo di Malio Matapan genannt wird. Für die christlichen<br />
Schiffer war auch <strong>der</strong> Erzengel Michael, <strong>der</strong> heilige<br />
Drachentö'dter, denn dieser ists, welcher mit dem Sanetus Angelus<br />
gemeint wird, von jeher eine viel wichtigere Person als<br />
<strong>der</strong> alte Spartanerkönig Maläos. Vis in die nenesten Zeiten<br />
hinein waren die Schluchten nnd Vuchteu um dies Vorgebirge<br />
her, wie schon einmal bemerkt wnrde, <strong>der</strong> gefürchtetste Seeräuberwinkel<br />
des Mittelmcers; aber noch eines an<strong>der</strong>n Drachen<br />
harrte daselbst, ans felsiger Klippenöde über die Seinigcn wachend,<br />
<strong>der</strong> heilige Engel mit dem Flammenschwert: von dieser Höhe<br />
herab in jähen Stößen tobt bisweilen ein Sturmwind, welcher<br />
Steine ins Meer hinunter zu schlen<strong>der</strong>n vermag und Leben<br />
und Eigenthum <strong>der</strong> Vorüberfahreudeu in Gefahr bringt.^)<br />
Auf <strong>der</strong> vorspringenden Knppe des Felsens hatte noch im Jahre<br />
1832, wie Lamartine^) meldet, ein griechischer Eremit sein<br />
einsames Heim nnd lag da, des Erzengels Beistand erflehend,<br />
auf den Knieen, so oft uud fo lange christliche Schiffer in Sicht<br />
waren. Anf Coronellis Karte von 1090 findet sich eine Stätte<br />
„S. Anzolo" weiter zurück iu das Land, auf die beide Ufer<br />
beherrschende Höhe gerückt; bei <strong>der</strong> sonstigen ganzen Art dieser<br />
veduto tuto
Herzogs VogiZlau X. in den Orient. 253<br />
einst hochgeachteten Karte hat es aber nicht den mindesten Anstand,<br />
es mit <strong>der</strong> scheinbar so großen Entfernung vom Cap<br />
nicht genau zu nehmen und diese Stätte, ein Haus, Hof,<br />
Kapelle o<strong>der</strong> was es sonst hat vorstellen sollen, als jene Casa<br />
di S. Angelo des Dalmerschen Berichts zu verstehen, in <strong>der</strong>en<br />
Nähe, und vermuthlich zu <strong>der</strong>en Füßen, auf <strong>der</strong> südlichen Küste<br />
Moreas, gleich westwärts neben Cap Malio <strong>der</strong> türkische Zufluchtshafcn<br />
gelegen gewesen sein muß. Vou den Türken ist<br />
Cap und Hafen wahrscheinlich an<strong>der</strong>s genannt worden; doch<br />
kann auch die Frage entstehen, ob <strong>der</strong> vou Dalmer gebrauchte<br />
Name überhaupt ein allgemein gebrauchter, ein wirklicher Name<br />
gewesen sei. Scine „Casa", ein Wort, das von den Venetianern<br />
gewöhnlich in C^ verkürzt wird, ist möglichenfalls nur<br />
ein Mißverständniß, auch Capo wird nicht nur in C^o, son<strong>der</strong>n<br />
auch gleichfalls iu C^ verkürzt und <strong>der</strong> fragliche Hafen mag<br />
einfach <strong>der</strong> von Sant Angelo, d. h. <strong>der</strong> am Cap Malio, geheißen<br />
haben. Darauf scheint auch <strong>der</strong> auffallende Umstand zu<br />
weisen, daß Capitän Zorzi selbst den Hafen gar nicht mit<br />
Namen bezeichnet, woraus an<strong>der</strong>erseits zu schließen sein dürste,<br />
daß dieser Hafen ein alter bekannter Standort <strong>der</strong> türkischen<br />
Piraten uud Wachschiffe gewesen ist und allein in Betracht<br />
kommen konnte. Die Karten verzeichnen gleich westlich neben<br />
dem Cap eine kleine Bucht, o<strong>der</strong> eigentlich mehrere Buchten,<br />
von denen die erstgenannte, in welche eine Quelle herabfließt,<br />
vom Vorgebirge etwa ^/3 Myriameter entfernt gelegen ist. Ohne<br />
Zweifel ist eine dieser Buchten <strong>der</strong> Hafen gewefen, den wir<br />
suchen. 294)<br />
Unsere ganze Entwickluug sammt ihrem Ergebniß müßte<br />
freilich die größten Zweifel erregen, wenn <strong>der</strong> fogcnannte<br />
Dalmersche Bericht in Beziehung auf die Dinge, die er von<br />
dem Hafen von S. Angelo meldet, Glauben verdiente. Da<br />
Cosiantmi, a. a. O. S. ^> nennt eine dieser Buchten<br />
:l, ein Name, den er wie<strong>der</strong>um nnr allein hat. Ich kann<br />
nicht feststellen, welche <strong>der</strong> Buchten <strong>der</strong> Nymbika-Hafcn jein foll.
254 Actenstücke zur Reise<br />
soll (S. 3l)9) eine ilirchc des h. Nicolans nnd in ihr cinc<br />
<strong>der</strong> h. Maria geweihte Kapelle gewesen sein nnd Herr Christofs<br />
Polentzki, <strong>der</strong> im Gefechte gebliebene Landvogt zn Schivelbcin,<br />
soll in ihr begraben worden sein. Dann müßte dieser Schlnpfwinkel<br />
<strong>der</strong> türkischen Seeräuber eine größere, anch von Christen<br />
bewohnte Ortschaft gewesen sein nnd ihr Fehlen auf unsern<br />
sämmtlichen Karten wäre nicht zu begreifen. Weiter wird sS.<br />
315) von Dalmer erzählt, auf ihrer Rückkehr von Jaffa habe<br />
die Galere dort mit dem Herzog und seiner Gesellschaft ganze<br />
acht Tage gelegen „um <strong>der</strong> Türken willen, die da umher segelten".<br />
Aber schon diese letztere ganz wi<strong>der</strong>sinnige Angabe genügt,<br />
uns über die Zuverlässigkeit des angeblichen Dalmer,<br />
„welcher allerwegen mit dabei gewesen" sein soll, anch hier<br />
die Angcn zu öffnen: die Galere soll, ans Furcht vor den<br />
türkischen Räubern, in <strong>der</strong>en Hauptquartier ganze acht Tage<br />
hindurch Schutz gesucht nnd gefnndcn haben, während in <strong>der</strong><br />
Nähe ein, zum Theil wenigstens, venetianischer Hafen mit<br />
einem befestigten venetianischen Schlosse lag. Offenbar ist<br />
diesmal, was <strong>der</strong> Verfasser o<strong>der</strong> Verarbeiter des Textes von<br />
dem Hasen von Casa di Sani Angelo sagt, auf die Stadt<br />
Caudia zu beziehen, wo anch die Kanzowschen Texte den gefallenen<br />
Landvogt beerdigen lassen. Auch lassen dieselben die<br />
Galere auf dem Heimwege wie<strong>der</strong> die Stadt Candia anlaufen,<br />
während <strong>der</strong> angeblich Dalmerfche Text von solchem wie<strong>der</strong>holten<br />
und durch die Rücksicht auf die dort zurückgelassenen<br />
Kranken gebotenen Besuche <strong>der</strong> Stadt uichts weiß. ^)<br />
Wir suchen uunmehr die Stelle näher zu bestimmen, an<br />
welcher im Canal von Cerigo zwischen Cap Spathi und Cap<br />
295) Der sogenannte Dalmersche Bericht ist unverkennbar aus zwei<br />
verschiedenen Berichten zusammengesetzt nnd umgeschrieben worden.<br />
Daß ein „Martin Dalmer Notar" überall dabei gewesen, findet, soviel<br />
mir bekannt ist, in sonstigen Thatsachen keine Bestätigung. Wenn ich<br />
nicht irre, ist S. 315, Z. 9 <strong>der</strong> Gallustag (l6. Ott.) von <strong>der</strong> Ankunft<br />
in Stadt Candia nnd <strong>der</strong> Z. 21 genannte Tag <strong>der</strong> Eintausend<br />
Jungfrauen (^1. Oct.) als <strong>der</strong> Tag zu verstehen, an welchem die<br />
Galere den Hasen bei Cap S. Angelo passine. Für Candia blieben<br />
dann keine acht, son<strong>der</strong>n nur etwa drei Tage übrig.
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 255<br />
Malio <strong>der</strong> Zusammenstoß stattfand. Die Linie, auf welcher<br />
die Galere zu laufen hatte, um auf dem kürzesten Wege vou<br />
Cap Spathi au <strong>der</strong> Westspitze Cerigos die Stadt Candia Zu<br />
erreichen, geht zwischen Caft Spathi und <strong>der</strong> Iusel Llaphonisi,<br />
die auch Teganussa und Cervi-Insel genannt wird, hindurch,<br />
uud geht dauu bis iu die Mitte des Canals von Cerigo iu<br />
ungefähr östlicher Richtilng fort, auf Cap Malio zu. Vou<br />
da ab wendet sich diese Lime allmählich iu südöstliche Richtuug<br />
uud läuft mit <strong>der</strong> Küste Cerigos iu Parallele uach dem Ausgauge<br />
des sogenannten Cauals ins Aegäische Meer, auf Stadt<br />
Caudia zu. An <strong>der</strong> Stelle bei Cap Spathi etwa uur '/2<br />
Myriameter breit, mißt die Straße zwischeu Cap Malio uud<br />
<strong>der</strong> gegenüber liegenden Felsenkiiste Cerigos etwa zwei Myriameter.<br />
Ebeuso groß ist die Längeuausdehuuug des Cauals;<br />
vom Cap Spathi bis zur Mitte desselben beträgt die Eutferulmg<br />
mithiu eiueu Myriameter. In solcher Weite mag das<br />
geübte Auge des Schiffers bei Hellem Sommerwetter am späteu<br />
Vormittag Schiffe zu erkeuucn uud zu uuterscheideu im Staude<br />
sein, die vor ihm am östlicheu Horizonte eins hiuter dem<br />
au<strong>der</strong>cu hervorkommen. Die Galere muß sich demuach, als<br />
sie am Morgen des 30. Juni uuter solcheu Nmständeu die<br />
Corsareuflotte „entdeckte", nngefähr in <strong>der</strong> Mitte des besagten<br />
Canals, einen Myriameter ab von Cap Spathi, nnd folglich<br />
ebenso weit ab von Cap Malio befunden haben. ^) H^n<br />
wendet sie nm und wird bei immer schwächer werdenden! Winde<br />
von den besser dem Arm <strong>der</strong> Nn<strong>der</strong>er gehorchenden Fnsten<br />
innerhalb zweier Stuuden eingeholt. Wenn ich nicht irre, so<br />
darf man die Strecke, welche die Galere zurückgelegt hatte, als<br />
2N) Nach dem sogenannten Dalmerschen Bericht war dies tiirkische<br />
Geschwa<strong>der</strong> „wohl zehn Wekc Sees" entfernt, als es zuerst von <strong>der</strong><br />
Galere wahrgenommen wurde: wahrscheinlich anch eine Neuerung o<strong>der</strong><br />
ein Irrthum des späteren Ucbcrarbeitcrs. Ein solches Maaß kommt<br />
iu dem ganzen Bericht weiter nicht vor, überall wird nach welschen<br />
Meilen gerechnet. Nehmen wir diese zehn Wcke Sees für solche welsche<br />
Meilen, so stimmt das Maaß <strong>der</strong> Entfernnng ganz mit dem vou nns<br />
angenommenen.<br />
17
256 Actenstücke zur Reise<br />
sie in <strong>der</strong> Windstille liegen blieb und von <strong>der</strong> ersten Fuste<br />
erreicht wurde, auf höchstens ^/2 Myriameter berechnen: so<br />
war demnach die gesuchte Stelle des Treffeus gerade zwischen<br />
<strong>der</strong> Mitte des Canals von Cerigo uud dem Cap Spathi, also<br />
^/2 Myriameter östlich von letzterem Vorgebirge uud 1^2<br />
Myriameter westlich ab vou Cap Malio gelegen.^)<br />
Von da aus konnte auch Herrn Zantanis Caplan dem<br />
Galerenbrande in <strong>der</strong> von ihm bezeichneten Cntfernnng znschauen<br />
ohne feststellen zu köunen, ob er wirklich die Iaffa-<br />
Galere erblicke. Von <strong>der</strong> Nordküste <strong>der</strong> Vatica-Bai aus bis<br />
zur Unglücksstätte beträgt die Entfernuug etwas mehr als<br />
einen Myriameter, von dem südlichsten Strande <strong>der</strong> Vai aus<br />
etwas mehr als die Hälfte. Die oben offen gelassene Frage,<br />
was unter dem „ta. L3
Herzogs Bogislau X. in den Orient. 257<br />
Es erübrigt uns noch, diese Feststellung <strong>der</strong> Lage des<br />
Kampfplatzes mit den Angaben zu vergleichen, die uus über<br />
die Entfernung desselben von dem Hafen von Ca di Sant<br />
Angelo gemacht werden. Dalmer berechnet die Fahrt, welche<br />
die Galere am türkischen Schlepptau zu machen hatte, auf<br />
etwa vier welsche Meilen, also ans weniger als einen halben<br />
Myriameter. Dies stimmt aber mit <strong>der</strong> von nns angenommenen<br />
Lage des Hafens ebenso wenig wie mit <strong>der</strong> Angabe<br />
Garzonis, daß man die ganze Nacht gebraucht habe, uni dahin<br />
zn gelangen. Die Sommernacht ist anch in jenen Gegenden<br />
knrz, und Garzonis Angabc ist demnach mit unserer Annahme<br />
sehr wohl in Einklang zn bringen.<br />
2. Die Rettung.<br />
Sowohl die pommerschen wie die venetianischen Darftcllnngen<br />
des Vorgangs sind des Erstaunens voll über die<br />
Türken, welche, ganz nahe daran durch Zerstörung des Pilgerschiffcs<br />
ihr Ziel zn erreichen, urplötzlich'^") vou ihrem Vorhaben<br />
abstehen, <strong>der</strong> Galere in einen Hafen helfen nnd fie<br />
an<strong>der</strong>en Tags ohne Lösegeld nnd Entschädigung freigeben. So<br />
etwas war unerhört,^) war noch nicht vorgekommen^) mit<br />
den Türken, hier lag ein Räthsel vor, ein Geheimniß, zu dem<br />
kein Schlüssel zu finden war, doch nur darum vielleicht, weil<br />
die Eigenthümer desselben ihn zn verbergen beflissen waren.<br />
Capitä'n Zorzis Bericht, so sollte man meinen, müsse allen<br />
I^LuUil notizia 60I ?ol0ix>lin(^. (1687), in Coronelli's Isolano (1690)<br />
und bei den Neueren, wie Pouqueville, Grasset u. s. w. sucht man<br />
vergebens nach einer genauen Beschreibung dieser Gegenden. Wie<br />
wirr nnd willkürlich auf diesem Gebiet alles zugeht, zeigt Corouelli,<br />
sonst eine Autorität, welcher eigenmächtig den Canal von Cerigo den<br />
von Valica nennt. Wemgsieus finde ich diese Bczeichnnng sonst<br />
nirgend wo.<br />
n") Kanzow, v. ^'edem ^, .".0'.!.<br />
^l) Garzoni bei Malipicro a. a. O, S. 1.^8.<br />
^) Kanzow, Voehmcr 3. 109.
258 Actenstücke zur Reise<br />
Dunkelheiten ein Ende machen, doch lesen wir uns durch bis<br />
zum Schlüsse und die Erklärung, so wie wir sie suchen, ist ausgeblieben.<br />
Von solchen Dnnkelheiten scheint Zorzi anch gar<br />
nichts wissen zn wollen, seiner Darstellung nach ist alles ganz<br />
einfach und natürlich verlangen; weuu auch gewaltthätig und<br />
wi<strong>der</strong>rechtlich Zu Anfang, haben sich die Türken im Grnndc<br />
doch ganz logisch und zuletzt sogar sehr liebenswürdig benommen<br />
und was daran hätte fehlen können, ist ihnen von dem,<br />
wie es scheint, allerdings sehr gewaudten und unisichtigen<br />
Capitän beigebracht worden; ein Mißverständnis; auf Seiten<br />
des türkischen Admirale und ein sträflicher Eigensinn auf Seiten<br />
<strong>der</strong> Führer <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>sten Fusteu habeu das ganze Ereigniß<br />
herbeigeführt, eine rechtseitigc Pause des Kampfes aber, dnrch<br />
die Ermüdung <strong>der</strong> Türken entstanden o<strong>der</strong> begünstigt, hat<br />
glücklicherweise den türtischen Admiral ans den guteu Gedanken<br />
gebracht, dem Kampfe, zu dem kein Rechtsgrnnd vorhanden<br />
war, und <strong>der</strong> Zerstörung des Schiffes, die in Niemandes<br />
Vortheil lag, ein Ende zu inachen, und diese vernünftige Wendung<br />
hat dann weiter mit Hülfe vou Zorzis diplomatischer<br />
Kunst den friedlichen Abschluß zu Staude gebracht. Diese<br />
Darstellung genügt uns nicht recht, doch wenn wir nicht mißtrauisch<br />
sind, so bescheiden wir uns, sehen uus das Einzelne<br />
weiter nicht an uud nehmen das Ganze als eine natürliche<br />
Folge jener venetianischen Politik des Friedens um jeden Preis,<br />
jener vielleicht unumgänglichen Politik, die aber das Türkcnthnm,<br />
vom Großherrn am goldenen Horn bis zum nie<strong>der</strong>sten<br />
Ru<strong>der</strong>er heruuter, zn immer mehr steigenden! Nebermuth aufstacheln<br />
mnßte: planlos nnd wie von ungefähr habeu die<br />
Türken den Streit begonnen uud ebenso planlos wie<strong>der</strong> abgebrochen.<br />
So einfach mdessen will den übrigen Zeugen des<br />
Ereignisses <strong>der</strong> Verlauf desselben durchaus nicht erscheinen.<br />
Das unversehuliche^) Ablassen vou dem Zerstörnngswerk nnd<br />
die spätere Freigabe ohne Abkauf, zwei Abschnitte des Her-<br />
Kanzow, v. Mcdem S. 30l>.
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 259<br />
gangs, die wohl zn unterscheiden sind, stehen ihrem Gefühl<br />
nach in so überraschendem Wi<strong>der</strong>spruch mit aller türkischen<br />
Ueberlieferung und aller Corsarengewohnheit, daß nichts übrig<br />
zu bleiben scheint, als die Rettnng aus den Fängen <strong>der</strong> Un-<br />
gläubigen einer ganz beson<strong>der</strong>en Dazwischenkamst, etwa einer<br />
göttlichen Wun<strong>der</strong>that zuzuschreibeu. Ein Theil <strong>der</strong> Pommern<br />
wus;te auch genau welcher: Christus selber hatte eingegriffen,<br />
und zwar eingegriffen im bnchstäblichstem Wortsinne, hatte vor<br />
des Admirals eigenen Angen starke Hand an Allahs Propheten ge-<br />
legt uud denselben so lange schwerlich gegeißelt ^) ^d gesteubet ^),<br />
bis <strong>der</strong> falsche Prophet demselben befohlen hatte, seinen Barken<br />
uud Fustcu abblasen '^) zn lassen. Ob dem aber so sei o<strong>der</strong><br />
nicht, setzt Kanzow o<strong>der</strong> sein Gewährsmann bedächtig hinzu,<br />
mag Gott wisseu, <strong>der</strong> hat ihueu geholfen alleine, daß auch<br />
<strong>der</strong> Mchrtheil gesagt hat, sie wüßteu uicht wie. Wcuiger<br />
deutlich tritt bei Dalmer^) ^^ himmlische Eiuwirkung auf<br />
das Gemüth uud dcu Willeu <strong>der</strong> Türken hervor, doch schim-<br />
mert dieselbe auch hier durch: iu <strong>der</strong> Feuersnoth haben alle<br />
Gott im Himmel und die hochgelobtc Iuugfrau zu Loretto<br />
uud S. Paul, desscu Tag war, um Hülfe — aber auch die<br />
Turkeu — mit aufgchobcueu Häudeu angcrufeu, daß sie sie<br />
möchtcu gefänglich auuchmcn;^) worauf dauu die Türkeu<br />
plötzlich mit dem Schießen aufgehört und den Christen auf<br />
diese Weise die Möglichkeit gewährt habeu, die Brunst zu<br />
dämpfeu uud die Galere zu retteu. Auch <strong>der</strong> Ritter Garzoni<br />
spricht von einer Wuu<strong>der</strong>barkeit ^) doZ Ausgangs, und solchen<br />
Glaubeus scheiuen schließlich alle gewesen zu seiu, aus dem<br />
feierliche« Zuge zu schließen, den die ganze Gesellschaft kaum<br />
augekommen in Caudia uach <strong>der</strong> dort vor dem Thore gele-<br />
genen Madonna de' Miracoli antrat. ^) Uebrigens ist auch<br />
Kanzow, Böhmer S. 145.<br />
Kanzow, v. Medem S. -".0^.<br />
Kanzow, Böhmer S. M9.<br />
Ebendort.<br />
Malipiero a. a. O. Seite 15)3.<br />
Vogislav verzichtete in <strong>der</strong> Noth auf sein Straudrecht w. Mc-
260 Actenstücke zur Reise<br />
Zorzi solcher Auffassung nicht entgegen, er giebt <strong>der</strong> heiligen Inngfran<br />
ansdrücklich und wie<strong>der</strong>holt ihr reiches Theil an dein<br />
gnten Ende, doch redet er von einen: Wnn<strong>der</strong> nnr bei <strong>der</strong><br />
Löschung des Brandes, nicht bei <strong>der</strong> großen kritischen Wendnng,<br />
dem oben befohlenen Einhalt des Anstnrms.<br />
Zur Erklärung <strong>der</strong>selben aber kommt, wie nur wissen,<br />
in nnseren Berichten neben dem Wnn<strong>der</strong> noch eine an<strong>der</strong>e gcheimnißvolle<br />
Dazwischenkamt vor, jener äou8 (?x mlu liin^,<br />
in Gestalt eines Türken, une Sanndo ihn nennt, o<strong>der</strong> eines<br />
venetianischen Galioten o<strong>der</strong> Nn<strong>der</strong>knechts, loie Garzoni will;<br />
doch anch von diesen: sagt Zorzi auffälliger Weise kein Wort,<br />
obwohl er von ihm gewnßt o<strong>der</strong> gehört haben mnß. Uebereinstimmend<br />
sprechen Sanndo nnd <strong>der</strong> Ritter von Rhodns es<br />
ans, daß diesem Türken o<strong>der</strong> Galioten allein die Rettnng <strong>der</strong><br />
Christen zu danken gewesen sei. Sauudo mag hier den Brics<br />
Garzonis bennht haben, doch müssen ihn: noch an<strong>der</strong>e Zcngnisse<br />
vorgelegen haben, da er, beispielsweise, über die Snmmen,<br />
welche <strong>der</strong> Herzog bei sich an Bord hatte und dem Capitän<br />
zur Versüguug stellte, au<strong>der</strong>s als Garzoui berichtet. Daß<br />
Sauudo aber uoch ein halbes Jahr nach dem Ereigniß diesem<br />
türkischen o<strong>der</strong> türkisch redenden Schwimmer in einem Nachtrage<br />
einen Platz in seinen Diarien einräumte, will jedenfalls<br />
doch bedeuten, daß sich in den höheren politischen Kreisen Venedigs<br />
dieser Schwimmer als Retter zu behaupten gewnßt habe<br />
nnd inzwischen nicht abgethan worden sei. Die weitere Frage<br />
aber ist: wie haben wir nns die große Wirknng zn erklären,<br />
welche <strong>der</strong>selbe bei jenem Perichi hervorbrachte? Nach <strong>der</strong><br />
Erzählnug Garzonis hat <strong>der</strong> venetianische Rndcrsmann, wie<br />
wir wissen, demselben eine Strafpredigt gehalten nnd dadnrch<br />
znm Frieden bekehrt; wir haben nicht nöthig, die ganze Nnwahrscheinlichkeit<br />
dieser Angabe darznthnn; daß so eine Erfinduug<br />
aber aufkommen konnte, ist beachtcnswerth; welche Wahrheit<br />
sollte durch dieselbe verschleiert werdeu? Anch Sanndo<br />
dem S. 311), dem Heiligthnm in Lorctto aber hat er kein Oelöbniß<br />
gemacht; dies ist aus den ledigen vier Dncaten zn schließen, welche er<br />
demselben bei seiner Anwesenheit daselbst opferte. (Daliner, S. 317.)
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 261<br />
scheint von dieser Unwahrscheinlichfeit überzeugt gewesen zn<br />
sein, da er, für die an<strong>der</strong>e Lesart sich entscheidend, den Galioten<br />
Garzonis für einen Türken hält; ob für einen türkischen<br />
Nn<strong>der</strong>knecht in venetianischem Dienst, was wenig glaublich ist,<br />
o<strong>der</strong> einen zufällig an Bord besiudlichen türkischen Passagier^")<br />
bleibt zweifelhaft. Bei keinem Volke vielleicht ist anf dem<br />
Gründe gemeinsamer Unbildung und an<strong>der</strong>er Verhältnisse die<br />
Gleichberechtigung Aller gesellschaftlich und politisch in so hohem<br />
Grade durchgeführt wie bei den Türkeu, und in Folge davon<br />
ist anch die Antoritä't <strong>der</strong> Oberen dort eine weniger unbedingte,<br />
doch wi<strong>der</strong>fpricht die vermeintliche Standrede, welche dem siegreichen<br />
und durch den Verlust so vieler Taftfereu erregten<br />
Admiral soll gehalten und mit Beifall soll aufgenommen worden<br />
fein, offenbar so sehr aller Glaublichkeit, daß wir sie auch<br />
iu dieser Gestalt nur ablehnen können. Der Galiot o<strong>der</strong><br />
Türke aber ist nicht aus <strong>der</strong> Welt zu schaffen, wir müssen ihm,<br />
wo immer möglich, eine Erklärung geben; mir scheint, nur<br />
Eine bleibt übrig: <strong>der</strong> rettende Schwimmer war ein besoldeter<br />
Bote, welcher dein türkischen Admiral ^^) im letzten Augenblicke<br />
<strong>der</strong> Entscheidung einen goldenen Vorschlag von Seiten Herzog<br />
Bogislavs überbrachte, einen Vorschlag, <strong>der</strong> sofort angenommcu<br />
wurde und die Einstellung des Feuers, welches „die<br />
goldenen Eingeweide <strong>der</strong> Galere" zu vernichten drohte, zur<br />
Folge hatte. Der Herzog hatte nicht nur für sich, fon<strong>der</strong>n<br />
auch für alle, die mit ihm wareu und mit ihm den fchrecklichfteu<br />
Untergang nahe gebracht waren, zu fühlen, zu denken,<br />
zn handeln; wer könnte demselben verargen, daß er vor ein<br />
letztes Entwe<strong>der</strong> — O<strong>der</strong> gestellt, sich zwischen nutzlosem Tode<br />
^) In Venedig waren als Handelsleute nicht nur manche Türken,<br />
son<strong>der</strong>n anch an<strong>der</strong>e türkische Unterthanen ansässig.<br />
'"l) Sanndo und Dalmer geben ausdrücklich an, daß <strong>der</strong>selbe sich<br />
auf einer <strong>der</strong> Barken befunden habe. Weiter berichtet Sauudo, daß<br />
<strong>der</strong> Türke zu dcu Funen, die ihm näher uud bequemer wareu, nicht<br />
^u deu Barkeu geschwommen sei. Er wurde demuach erst zu <strong>der</strong><br />
^ldmirals-Barke übergefahren, was für die Erklärung in unserem Eiuue<br />
uicht ohue Bedeutung ist.
262 Actenstücke znr Reise<br />
o<strong>der</strong> einer Gefangenschaft zn entscheiden, welche ihn selbst nnd<br />
die Seinigen schimpflichster Antastung ihrer Personen anssetzte,<br />
einem Feind gegenüber, <strong>der</strong> nicht Seinesgleichen war, nach<br />
einem Auswege suchte und denselben in einer Abfindung mit<br />
einigen tausend Ducaten fand? Daß dieses Geschäft geheim<br />
gehalten wnrde nnd blieb, entspricht durchaus <strong>der</strong> ganzen Lage<br />
<strong>der</strong> Sache. Es handelte sich hier nicht allein um eine, auch<br />
Mißdeutungen zugängliche persönliche Sache des Herzogs,<br />
son<strong>der</strong>n auch um die veuetiauische Staatschre. Unter dem<br />
Titel von Entschädigung hatte die Republik freilich längst sich<br />
bequemt, dem Türken Tribute zu zahleu, aber dieser Loskauf,<br />
wenn anch nnr durch Verleumdung anf venetianische Rechnung<br />
gesetzt, konnte leicht den Capitän Zorzi vor den Rath <strong>der</strong><br />
Zehnmänner bringen, und die Schwierigkeit, die er gemacht<br />
haben soll, sich znm Abschlüsse des Handels nnn selbst an<br />
Bord des türkischen Admiralschiffs zn begeben, ist sehr begreiflich.<br />
Indessen befreite ihn an<strong>der</strong>erseits dieser Gang von<br />
<strong>der</strong> schweren Verantwortung, die er mit seiner sträflichen<br />
Unterlassuug hinreichen<strong>der</strong> Bewaffnung <strong>der</strong> Galere, dem Herzog<br />
wie feiner Regierung gegenüber, auf sich geladen hatte, und<br />
au die ihu <strong>der</strong> Herzog — uuteu in feiner Stantia'^) —<br />
nachdrücklichst mag erinnert haben; die ganze heikle Geschichte<br />
kam mit dem pommerschen Gelde ans <strong>der</strong> Welt, <strong>der</strong> Admiral<br />
verstand sich gern zu allerlei Entschuldigungen und Artigkeiten<br />
gegen den Vertreter Venedigs und Herr Zorzi konnte in<br />
allem Ernste glanben und glauben machen, daß er sich um<br />
sein Vaterland sehr verdient gemacht habe. Dazu erlöste<br />
hu eine beson<strong>der</strong>e Nachgiebigkeit des habgierigen Gamyrs uud<br />
des Nimmersatts^) Richi von dem letzten Schein <strong>der</strong> Ergcbnng,<br />
den sein Gang zu den Türken hinüber hätte an-<br />
2^) Hieraus mag die pommcrsche von Kanzow berichtete Sage<br />
entstanden sein von <strong>der</strong> üblen Behandlung, die Vogislav dem<br />
Capitän in dessen Cajüte soll haben angedcihen lassen. Was die<br />
zwei überhaupt da nuten mit einan<strong>der</strong> zn reden hatten, mußte geheim<br />
bleiben.<br />
2") Giotton, bei Sanndo.<br />
'
Herzogs VogiZlao X. in den Orient. 263<br />
nehmen können: Perichi ließ nicht nnr zuerst die Waffen-<br />
stillstandsflaggc aufziehen, er übersandte auch, unter dem Geleit<br />
einer beson<strong>der</strong>en Parlamentärflagge, einen Sicherheitspaß,<br />
offen anf jeden Anfpruch verzichtend, daß Capitän Zorzi sich<br />
als Gefangener erkläre, o<strong>der</strong> als solcher angcsehn werden solle.<br />
Wir versuchen nicht, diese Vcrmnthung, welche nns sehr<br />
nahe zn liegen scheint nnd die wir an<strong>der</strong>erseits nicht über ein<br />
gewisses Maaß bloßer Wahrscheinlichkeit hinausführen können,<br />
des Weiteren zu begründen; unansgefprochen durfte dieselbe<br />
nicht bleiben.<br />
3. Die Galere.<br />
Das schönste nnd eigenthümlichste aller Schiffe, die sich<br />
je einen Namen in <strong>der</strong> Geschichte gemacht haben, stand die<br />
Galere so hoch in <strong>der</strong> Gnnst aller seefahrenden Völker, namentlich<br />
<strong>der</strong>jenigen des Mittelmceres, daß fie viele Menschcnalter<br />
hindurch den Untergang ihrer einstigen hohen Geltung als<br />
Kanffahrcr nnd Kriegsschiff überdauerte. Bis ins vorige<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t hinein erscheint sie, wenn auch znletzt nur als<br />
fürstliches Prachtschiff in den Marinen Frankreichs und Spaniens<br />
und an<strong>der</strong>er Staaten; Lndwigs XIV. Galeren gcnosfen<br />
sogar eines eigenen Vorrechts, fie führten die goldenen Lilien<br />
des königlichen Wappenfchilds in pnrpnrner Flagge; die Republik<br />
von S. Marco aber hielt dicfe Schiffsart für so eng<br />
verbunden mit den ruhmvollsten Zeiten ihrer Geschichte, daß<br />
sie, dankbar für die einst geleisteten Dienste, ihr tren bis zn<br />
Ende blieb, bis zu jenem 12. Mai 1797 und feiner Straßcnverschwörnng,<br />
die dem altersschwächlichen Staate mit seinen<br />
Galeren und Sopracomites ein Ziel setzte. Das war das<br />
Ende des uralten Galerenthums überhaupt.<br />
Zu <strong>der</strong> uns betreffenden Zeit gab es fünf Arten Galeren<br />
o<strong>der</strong> galerenformiger Schiffe:^) iu8t6, Miero sottili o<strong>der</strong><br />
G. Casonis nachgelasseue Sondcrschrift: Doi nuvoli polii-mni<br />
ümi, in den ^Ui 6o11' ^wuco v^uoto, Band II. Seite ?.O7,
264 Actenstücke zur Reise<br />
und g<br />
ßi'0886. ^^) Namentlich die letzteren gehen nns an, da die<br />
Iaffa-Galere von dieser Art lvar. Doch gehörten vielleicht<br />
anch die Galeoni dazu. ^"') Das geilleinsanie dieser verschiedenen<br />
Galerenarten bestand in folgenden Eigenschaften: die<br />
Galere war zngleich Segelschiff lind Nu<strong>der</strong>schiff; <strong>der</strong> Rn<strong>der</strong><br />
wegen hatte sie niedrige Borde nnd in weiterer Folge nnr<br />
mäßigen Tiefgang; sie führte kurze znm Nie<strong>der</strong>legen eingerichtete<br />
Masten mit gewaltigen Segeln nnd mit Naeu, welche<br />
beinahe <strong>der</strong> ganzen Schiffslänge gleichkamen nnd doppelt so<br />
lang wie die sie tragenden Masten waren. Die Segel waren<br />
sogenannte lateinische, d. h. dreieckig geschnittene,^^) nnd gewöhnlich<br />
trug je<strong>der</strong> Mast nnr eine einzige Nae nnd ein einziges<br />
Segel; doch kommen anch Masten mit doppelten: Segel vor.<br />
Sowohl in <strong>der</strong> Nnhe une beim Segelgebranch war das eine<br />
Ende <strong>der</strong> Rae bis nahe an die Schanzkleidnng herabgesentt,<br />
während das an<strong>der</strong>e malerisch hoch in die Lüfte ragte. Nnr<br />
<strong>der</strong> Bng nnd das Hintertheil des Schiffs waren gedeckt, <strong>der</strong><br />
ganze mittlere Ranni, für die Ru<strong>der</strong>er nnd Nu<strong>der</strong>bäuke bestimmt,<br />
war offen. Eine weitere nnd sehr bezeichnende Eigenthümlichkeit<br />
<strong>der</strong> Galere bestand in dem schlanken nnd scharfen,<br />
weitansladendem Sporn o<strong>der</strong> Wid<strong>der</strong>^) am Nng, dessen dreieckige<br />
Plattform im Entcrgefecht eine ganze Schaar von Kriegern<br />
über die Weichen des Gegners hinweg in dessen Mitte hineinzutragen<br />
bestimmt war, ohne daß es dem Feinde gegeben gewesen<br />
wäre, ans dieser Brücke in das enternde Schiff zn gelangen,<br />
denn gleich hinter dein Sporn erhob sich das eben<br />
Venedig 1833. Eine sehr verdienstliche abschließende Arbeit. Anch:<br />
Voue^iii e lo suo 1^Fnm>, 1847. 4 Bde. 4". Band l, I>. Seite I'.'t;.<br />
"5) Sie wnrden anch Galeazze genannt; wann dieser Name aber<br />
anfkam, kann ich nicht feststellen.<br />
^) Ueber diese Schifssgattnng sind die 'Angaben so schwankend,<br />
daß wir in Zweifel gerathen sind, ob nnsre Anmerknng !22, S. -l)^<br />
zutreffend sei. Die Schwierigkeit anf diesem Gebiet ist die rechte<br />
Unterscheidung <strong>der</strong> Zeiten.<br />
2") V(^ iillii latilm o<strong>der</strong> (ln tuul'o.
.Herzogs Vogislav X. in den Orient 265<br />
erwähnte, denselben hoch nnd steil überragende Vor<strong>der</strong>deck-<br />
eastell o<strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>castell, ^) welches als Hauptbollwerk <strong>der</strong><br />
Wehrkraft des Schiffes diente und ans den Kriegsschiffen mit<br />
allerlei Schießzcug ^") versehen war. Doch konnte <strong>der</strong> Sporn<br />
nnr bei Gegnern mit noch niedrigerem Bord in <strong>der</strong> angegebe-<br />
nen Weise beim Entern gebraucht werden, da seme Höhe über<br />
dem Wasserspiegel nur wenige Fnß bctrng; hochbordigen Feinden<br />
gegenüber wnrde <strong>der</strong>selbe als Wid<strong>der</strong> gebraucht. Auch vom<br />
Hinterdeck war ein Theil, nämlich <strong>der</strong> zunächst an den Raum<br />
<strong>der</strong> Ru<strong>der</strong>er stoßende, als Castcll eingerichtet. ^) Ms 5^<br />
Handclsgaleren diente dieser Raun: zum Aufeuthalt <strong>der</strong> vor-<br />
nehmeren Mitreisenden; er war ringsum mit Bänken versehen<br />
nnd von einem Gelän<strong>der</strong> umschlossen und wurde darum Spalliera<br />
genannt. Diese ohne Zweifel mit einem Tuch überspaunte<br />
Spalliera ist also <strong>der</strong> Raum, in welchem wir uns auf <strong>der</strong><br />
Iaffa-Galere die pommcrsche Gesellschaft den Tag über zu<br />
denken haben. Auch war jene Einsteigetrcppe hier, zii je<strong>der</strong><br />
Schiffsseite eine, an welcher <strong>der</strong> gefährliche Streit mit den<br />
stürmenden Ianitscharen bestanden wurde. Gleich hiuter diesem<br />
bevorzngtcn Ramn lag die Tenda, das Capitänszelt. Dasselbe<br />
war dnrch prächtige Ausstattung als Ehrenstättc hervorgehoben:<br />
die Tenda bildete anch den erhabensten Raum <strong>der</strong> ganzen<br />
Galere, während <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>ste Schiffstheil, <strong>der</strong> Bugsporn mit<br />
seiner Plattform, <strong>der</strong>en nie<strong>der</strong>sten ausmachte. Die Profillinie<br />
des Schiffes senkte sich also in mehreren scharfen Absätzen<br />
o<strong>der</strong> Brüchen von hinten allmählig nach vorn, im Verein<br />
mit den mächtigen Segeln ein sehr eigenartiges, zugleich stolzes<br />
wi-j'» di .>I:lriii:l, Mailand 1813, 3 Bde. —<br />
C. A. Marin, Lwriü civile ^ ^mi. dd oolnuierow :n'co
266 AcwMcke zur Reise<br />
und ^fälliges Mld von Thatendrang und Schnelligkeit bietend.<br />
Die Tenda bestand in einer lanbenförmigen Ueberdachuug des<br />
Hinterdecks o<strong>der</strong> eines Theiles desselben; ihre hölzerneu Gurtbögeu<br />
pflegten kunstvoll geschnitzt und theilweise vergoldet zu<br />
sein, innen nnd außen war sie mit kostbaren Tcppichen o<strong>der</strong><br />
Tüchern bekleidet, ^) ^h gleich hinter ihr über den: Steuerru<strong>der</strong><br />
erhob sich als ästhetischer Abschluß jenes eigenthümliche<br />
Ehrenstück aller damaligen Schiffseapitäne von Rang, eine<br />
große kunstvoll gearbeitete und nach dem Range <strong>der</strong> Capitane<br />
verschiedenartige Laterne.^) Endlich war <strong>der</strong> Galere auch<br />
mehr wie an<strong>der</strong>en Fahrzeugen ein reicher Flaggenschmuck eigeu,<br />
vor allen die in zwei o<strong>der</strong> mehreren Lätzen ausgehende mächtige<br />
Trutzflagge, 324) welche in Kirchcufahucngestalt von <strong>der</strong><br />
hochstehenden änßersteu Naespitze herabhing. Ost stand ans<br />
dieser Spitze noch ein kleineres Fähnchen, an einem senkrechten<br />
Stöckchen fliegend. Zn einer Seite o<strong>der</strong> auch zn beiden<br />
Seiten des Einganges <strong>der</strong> Tenda wehten mächtige, gewöhnlich<br />
quadratische Flaggen; auch sieht man bisweilen die ganze<br />
Länge <strong>der</strong> Schanzkleiduugen mit Fähnchen besteckt. Außer<br />
diesem heute nicht mehr vorkommenden Fahnenschmuck trugen<br />
die Galeren auch die jetzt uoch üblichen Flaggen am Spiegel,<br />
an <strong>der</strong> Mastspitze, sowie das Vngsftrictfähnchen, das bei den<br />
Galeren am äußersten Ende des Sporns hing o<strong>der</strong> an einem<br />
aufrechten Stocke flog.<br />
Die Einrichtung <strong>der</strong> Cajüten scheint von <strong>der</strong> heutigen<br />
Weise nicht wesentlich verschieden gewesen zu sein; unsere<br />
pommerschcu Quellen erwähnen ausdrücklich, daß die gesammte<br />
große Reisegesellschaft „ein je<strong>der</strong> in seiner Stantia" untergebracht<br />
gewesen sei. Sauudo beschreibt — Diarien S. 342<br />
a o<strong>der</strong><br />
^) Der oben erwähnte Gagliardo. Die gezackte, vielleicht<br />
symbolische Gestalt dieser Trutz sahnen kommt meines Wissens nur noch<br />
in den räthselhaften Turmerkraa.cn vor, welche die Heraldik und sie<br />
allein kennt.
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 267<br />
— das Prächtige Pizuol, die Cajüte, welche Don Fe<strong>der</strong>igo,<br />
Prinz von Neapel, ans seiner Galere 1496 innc hatte; noch<br />
ausführlicher berichtet Coronelli zwei Jahrhun<strong>der</strong>te später in<br />
seinem Schiffsbuch über die innere Ausstattung <strong>der</strong> Admiralsgalere<br />
Francesco Morosims von etwa 1680; was wir da<br />
von Wohnzimmer, Schlafräumcn, Eßsälcn ?c. hören, gewährt<br />
ein Bild von Ueppigkeit und Behaglichkeit, welches von den<br />
heutigen Leistungen nicht übertroffen wird, uud das uns vollständig<br />
über den Zweifel beruhigt, ob es unserer pommcrschen<br />
Reisegesellschaft auf <strong>der</strong> Iaffa-Galere uicht hieriu an etwas<br />
gefehlt habe.<br />
Eine eigenthümliche Einrichtung bei den größeren Galcren<br />
waren die Laufgänge, welche über den Rumpf des Schiffes<br />
weit hinausragend, zu den beiden Seiten desselben von einem<br />
Castell znm an<strong>der</strong>en liefen, ^") ^d bei dein Vor<strong>der</strong>castell durch<br />
Stirnwände abschließend, dessen Breite und Wi<strong>der</strong>standskrafl<br />
erheblich verstärkten. Mitten durch den Raum <strong>der</strong> Ru<strong>der</strong>er<br />
hindurch und über demselben fort lief eine weitere Vcrbinduugsbrücke^')<br />
<strong>der</strong> beiden Castello, hauptsächlich dem Comito, dem<br />
Obermeister <strong>der</strong> Ru<strong>der</strong>er, zu seinem beständigen Wachgange<br />
dienend.<br />
Es wird noch immer behauptet, daß auf den Galeren<br />
stets mehrere Knechte an demselben Ru<strong>der</strong> verwandt worden<br />
seien und daß die Ru<strong>der</strong>er zu zweien, o<strong>der</strong> dreien, bis<br />
zu fünfen, staffelförmig über einan<strong>der</strong> gesessen hätten; in<br />
solchem Übereinan<strong>der</strong> soll das Wesen <strong>der</strong> ältesten wie <strong>der</strong><br />
späteren ^ii^ini, ti'ii'ouii) ^uin^u6ronli bestanden haben.<br />
Doch ist dies ganz irrig. Allerdings kommen in späterer Zeit<br />
ganze Gruppeu vou Nu<strong>der</strong>kncchten an ein nnd demselben Ru<strong>der</strong><br />
vor, doch schwerlich vordem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t. Ilebereinau<strong>der</strong><br />
gestellte Nu<strong>der</strong>bänke aber hat es niemals gegeben; die letzten<br />
Ungewißheiten hierüber hat G< Casouis erwähnte Son<strong>der</strong>schrift<br />
über den Gegenstand gründlich beseitigt. Sämmtliche
268 Actenstücke zur Reise<br />
Ru<strong>der</strong>knechte saßen in gleicher Höhe, und bei den Biremen<br />
saßen zwei, bei den Triremen drei, bei den Quinqueremen<br />
fünf, halb nebeneinan<strong>der</strong> halb voreinan<strong>der</strong> auf <strong>der</strong>selben zickzackartig<br />
gebrochenen Bank.^) Ini Wasser lagen die Ru<strong>der</strong>,<br />
jedes einen Fuß ungefähr von dem an<strong>der</strong>n entfernt, mit ihren<br />
Schaufeln so nebeneinan<strong>der</strong>, daß alle von gleicher Länge zu<br />
sein schienen, die Länge <strong>der</strong> Stangen aber war in Wirklichkeit<br />
nach <strong>der</strong> Weite verschieden, in welcher die Knechte von <strong>der</strong><br />
Schiffswand entfernt faßen. Auf den Triremen hatten sie dem<br />
entsprechend auch dreierlei verschiedene Namen: torlioliii,<br />
1)08ti(ni) PÌ2>iQ6i'i. Da die Ru<strong>der</strong> ein jedes nnr von zwei<br />
Armen bedient wurde, so konnten dieselben nicht lang und<br />
nicht wuchtig und ihre Wirkung bei schweren Fahrzeugen nicht<br />
groß sein. Die F3.16I-6 Fi'088o gingen demnach, wie ein später<br />
zu nennen<strong>der</strong> Spanier berichtet, auch nnr ungern an ihre<br />
Ru<strong>der</strong>. Casoni scheint die Länge <strong>der</strong> letzteren auf einige<br />
dreißig Fuß anzunehmen und giebt als Grnnd <strong>der</strong> beschriebenen<br />
Stellung <strong>der</strong> Bänke an, daß Raum damit hätte sollen<br />
gespart und Platz für die Aufstellung <strong>der</strong> Balestre, <strong>der</strong> Armbrustgeschütze,<br />
226) nämlich in den Zwischenräumen <strong>der</strong> Ru<strong>der</strong>gruppen,<br />
gewonnen werden. Für diese Zwischenräume,<br />
L, nimmt Casoni drei Fuß Weite iu Anspruch.<br />
327) Eine einmal gebrochene Bank zeigt sich in dem Bild <strong>der</strong> von<br />
oben gesehenen Triremis, das sich in Christoph Canales Mspt. <strong>der</strong><br />
Niii-cillllI. : 6ik1oAdi 6s militi^ inviili von etwa 1550 findet und von<br />
Casoni zn seiner Son<strong>der</strong>schrift nachgezeichnet worden ist. Marin Sanudo,<br />
<strong>der</strong> große Reisende, spricht s1321) in seinem höchst merkwürdigen<br />
lidei' 66 i-6eup6i-Moll6 t6i-i'ü6 LciuewL, (VollFiii-t.) Hannover<br />
1611, Seite 65 vom i'6iniFln-6 nä cjUiU'wroiLZ, ^uiuwi-oioL i-oiuos.<br />
328) Auf den Schiffen, welche die Regierung zu Handelszwecken<br />
vermiethete, waren diese Zwischenräume, wenigstens während <strong>der</strong> Fahrt<br />
nicht mit solchen Schleu<strong>der</strong>geschützen besetzt, boten also Raum zur<br />
Unterbringung von Waaren. Wie es scheint, behielt sich <strong>der</strong> Staat<br />
bei solchen Vermietungen das Verfügungsrecht über diese Nänmevor;<br />
bei Malipiero finden sich häufige Fälle, in denen die Negierung so<br />
und so viele Balestriere« an verarmte adelichc Familien als Pensionen<br />
verleiht.<br />
..
Herzogs Bogislav X. in den Orient. 269<br />
Aus dem Gesagten ergiebt sich, welche Vortheile, welche<br />
Nachtheile mit <strong>der</strong> Galerengestalt verbunden sein mußten. Die<br />
Galere dedurfte ini Nothsall des Windes nicht um vorwärts<br />
zu kommen, sie tonnte selbst gegen den Wind angehen, wenn<br />
es sein mußte, nnd tonnte, ans ihre Nn<strong>der</strong> und ihren geringen<br />
Tiefgang vertrauend, sich in klippenreiche Gewässer und in die<br />
nächste Nähe <strong>der</strong> Küsten wagen. An<strong>der</strong>erseits vermochte aber<br />
anch die größte Galere, mit ihren niedrigen Borden und ihrem<br />
ungedeckten Nanm in <strong>der</strong> Mitte nicht schwerem Seegange hinreichend<br />
Trotz zu bieten,^) sie hatte demnach so lange es<br />
anging das offene hohe Meer zu meiden uud sich den Häfen<br />
möglichst nahe zu haltcu. Noch ein an<strong>der</strong>er Umstand nöthigte<br />
sie, die Nähe <strong>der</strong> Küsten zu suchen; bei <strong>der</strong> geringen Höhe<br />
ihres Rnmpfes konnte <strong>der</strong> Innenraum uur beschränkt sein und<br />
sie hatte demnach bei <strong>der</strong> großen Befatznng, die das Ru<strong>der</strong>werk<br />
uöthig machte, ihre Vorräthe oft zu erneuen. Dem allen<br />
zum Trotze hat sich die italienische Galere Jahrhun<strong>der</strong>te hindurch<br />
zn regelmäßigen Fahrten ans dem buchtenreichen mittelländischen<br />
ins Weltmeer, wenn auch nur das europäische Gestade<br />
cutlang, gewagt. Offenbar waren die Nachtheile <strong>der</strong><br />
Bauart um so eingreifen<strong>der</strong>, je größer das Schiff war; und<br />
so erklärt sich vermuthlich <strong>der</strong> Umstand, daß die einmastige<br />
leichte Galere, die ^lia, Lottilo, auch sür den Kriegsgebrauch,<br />
so lange Galcren überhaupt dazu dienten, das bevorzugte Schiff<br />
blieb, und beispielsweise in <strong>der</strong> Schlacht von Lepanto,^") am<br />
9. Oetober 1571, fast die ganze Schlachtordnung bei<strong>der</strong>seits<br />
ans solchen Einmastern bestand, wenn anch Schiffe größerer<br />
Art, jedoch immer Galeren, al^ Bahnbrecher o<strong>der</strong> schwimmende<br />
Batterieen die Entscheidung herbeiführten.<br />
Für Zwecke des Handelverkehrcs dagegen konnten diese<br />
^') Vgl. die Klagen <strong>der</strong> im Herbste vor Ga^ta liegenden venclianischcn<br />
Capitane bei Sanndo, Tiar. Seite 299: „Die See schlägt<br />
nns bis znr halben ^casthöhe über das Schiff."<br />
-"') Abbildung z. B. bei Gio. Franc. Camotio, I8o!e<br />
Venedig I5)7l. Kl. O.ncrfolio.
270 Actenstücke zur Reise<br />
wenig tragfähigen Einmaster nicht geeignet erscheinen. So war<br />
denn auch die Iaffa-Galerc eiue schwere. Malipiero hat uns<br />
darüber keinen Zweifel gelassen, er nennt sie ausdrücklich eine<br />
AlrÜH gi'083^; dem Seemann genügte die bloße „A^ii^" cilri<br />
/^td nicht, er mußte, zu unseren! Vortheil, dem Schiffe seinen<br />
richtigen technischen Namen geben. Ich sehe nicht dentlich, ob<br />
schon damals dafür die Bezeichnung AÄl63.2>^ gebraucht wurde,<br />
doch mag dies wahrscheinlich sein; Z^i6H226 da. in6ro^nxi^<br />
aber wnrden die schweren Galeren erst nach 1530 genannt, nm<br />
welche Zeit die A^io^n^ da. ^11011^ aufkamen, welche von<br />
den Handelsgaleren sehr verschieden waren. ^) Doch auch die<br />
letztern waren ursprünglich zu kriegerischen Zwecken eingeführt<br />
worden. Nm die alte schwerfällige nnd nicht für Ru<strong>der</strong> eingerichtete<br />
Handels-Galeazza für vorkommende Kriegsfälle vere<br />
wendbar zu machen, hatte man nach dein letzten Frieden mit<br />
<strong>der</strong> Türkei im Jahre 1480 eine Aen<strong>der</strong>ung mit ihr vorgenommen^)<br />
und ihr das galerenartige Wesen gegeben, welches<br />
auf diese Weise auch unserm Jaffa-Fahrer eigen war. Ueber<br />
die Beson<strong>der</strong>heiten dieser ^loi's) ^ro3>80 sind wir vorzüglich<br />
gut unterrichtet durch deu Reisebericht des Pietro Martire<br />
^) Bei Camatio a. a. O. findet sich eine gleich nach dem Ereiguiß<br />
gefertigte Darstellung <strong>der</strong> Schlacht von Lepanto mit <strong>der</strong> Kriegs-<br />
Galeazza, anf welcher <strong>der</strong> venetianische Admiral Dnodo die türkische<br />
Linie durchbricht. Für uns merkwürdig ist ihr swil^ui-äo 6o11«. ci'oco,<br />
ein großes plastisches Kreuz anf <strong>der</strong> Spitze des gleich hinter dein<br />
Vor<strong>der</strong>castell befindlichen Mastes.<br />
^) Aus diesem Gruude ist die hübsche Abbildung einer Galeazza<br />
da mercanzia, welche <strong>der</strong> bereits angezogenen Schrift des Contre-Admirals<br />
L. Fincati beiliegt, für unsere Zwecke nicht verwendbar. Diese<br />
Galeazza ist offenbar kein Nu<strong>der</strong>schiff, auch hat ihr <strong>der</strong> Verfasser selbst<br />
die Jahreszahl 1420 beigesetzt. Bemerkeuswcrth für uns ist die Abbildung<br />
aber dadurch, daß sie zwei große Trutzflaggeu mit dem Kreuz<br />
iu Gestalt vou Kircheufahnen an den Mastspitzen, die Marknsflagge<br />
dagegen au einem Fahncnstock über dem Spiegel, uud au <strong>der</strong> Naespitze<br />
eiueu Gagliardo mit eiuer Figur zeigt, welche vielleicht für die<br />
<strong>der</strong>flagge des Capitäns gehalten werden kann.
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 271<br />
d'Anghiera, welcher im Jahre 1501 als spanischer Gesandter<br />
auf einer solchen Galere von Venedig nach Alexandrien schiffte.<br />
Mit diesem Bericht hat Casoni die schon erwähnten dialogai<br />
8ii11^ militi^ iQHi-ittiinH des Christoforo Canale und zerstreute<br />
Angaben des alten ^ und des jüngeren Sanudo in Verbindung<br />
gesetzt und auf diesem Wege ein Bild <strong>der</strong> F^ioi-o Fro886<br />
entworfen, das für uufere Zwecke vollständiger nicht sein kann,<br />
uud dem wir folgcude Angaben entnehmen.<br />
Während die Fusten kleine einmastige Zweiru<strong>der</strong>cr, ^) ^^e<br />
ino^^^uo und d3.8t^i'ä0 dreirudrige Fusten und die<br />
Lottili größere Bastard-Galcren von über 130 Fuß<br />
Länge waren, führte die ^a.1oi'A Zi'038^ o<strong>der</strong> g^loH^^^ du<br />
m6i'0Hn^ mehrere Masten, war aber sonst nur durch ihre<br />
Größenverhältnissc von den übrigen Galerenartcn verschieden.<br />
Sie maß über 170 Fuß in <strong>der</strong> Länge, das gewöhnliche Maaß<br />
war 175; die vorschriftsmäßige Zahl ihrer Ru<strong>der</strong> und Ru<strong>der</strong>knechte<br />
betrug zu <strong>der</strong> uus angehenden Zeit 150, ihrer sonstigen<br />
Mannschaft an Seeleuten ungefähr 50 Köpfe, fo daß sich die<br />
ganze Besatzung ans etwa 200 Mann belief. Wurde fie<br />
aber für Kriegszwecke in Anspruch genommen und bemanut, so<br />
betrug die Besatzung gegen 300 Köpfe, von denen indessen ein<br />
Theil auch als Schiffshandwerkcr uud Artilleristen verwandt<br />
wurde. Die durchschnittliche Tragfähigkeit <strong>der</strong> schweren Galere<br />
wird ans 1000 venetianische Botte o<strong>der</strong> 500 Tonnen angegeben,<br />
die Botta zu eintausend Pfund gerechnet. Bei voller<br />
Ladung konnte nur die Hälfte <strong>der</strong> Waarcu im sogenannten Ranni<br />
ihreu Platz finden, die an<strong>der</strong>e Hälfte mnßte auf Deck bleiben,<br />
wobei dann auch das Vor<strong>der</strong>castell in Anspruch genommen<br />
wurde, loie das Schicksal beweist, von dem <strong>der</strong> Klei<strong>der</strong>toffer des<br />
kleinen Zorzi betroffen wurde.<br />
Die, wie gesagt, erst nach 1480 aufgekommenen schweren<br />
Galercn waren die ersten Kauffahrer, welche zugleich für den<br />
^) Doch waren mir die Portolati zwcirndrig geordnet, die übrigen<br />
Galeotten waren Einrn<strong>der</strong>er.<br />
18
272 Actenstücke zur Neisc<br />
Kriegsdienst gebant wnrdcn. Bis dahin n^aren sämmtliche Handelsfahrzenge<br />
lediglich Segelschiffe gewesen, von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong><br />
knrzen nnd rnndabfchließenden, hochloandigen ^laoi, Barche o<strong>der</strong><br />
Barze n. s. w. Ihrer vorbehaltenen Bestiinmnng für den<br />
Krieg gemäß wurden diese schwereil Hanoelsgaleren ans den<br />
Werften des Staates gebant nnd fodann alt Unternehmer ans<br />
dem venetianifchen Adel zn Handelszlvecken meistbietcnd vcrnliethet.<br />
So war es fchon Jahrhun<strong>der</strong>te hindnrch mit jenen<br />
an<strong>der</strong>artigen Staatsfchiffen gehalten lvorden, loelche alljährlich<br />
in ganzen Geschwa<strong>der</strong>n nach Flan<strong>der</strong>n nnd an<strong>der</strong>en atlantischen<br />
Küstenlän<strong>der</strong>n zn ziehen pflegten. Immer aber war bei <strong>der</strong><br />
Vermiethnng <strong>der</strong> Vorbehalt <strong>der</strong>, daß inzwischen <strong>der</strong> Staat nich!<br />
selber, seiner Schiffe bedürfen werde. Malipiero erzählt nns<br />
ein Beispiel, wie im Jahre 1479 eine Pilgergalere ans dem<br />
Wege nach Jaffa in Modone festgehalten nnd von dem General-<br />
Capitän, gegen Entschädigung <strong>der</strong> Reisenden, in Ansprnch genommen<br />
wnrde. ^)<br />
lieber die sonstigen Maaße nnd Verhältnisse <strong>der</strong> schwerem<br />
Galeren am Schlüsse des 15. Iahrhnn<strong>der</strong>ts erfahren wir nichts<br />
bei Casom. Nnr berichtet er wie in den Jahren 1520 nnd<br />
1529 die bisherige Größe dieser Schiffe ermäßigt nnd im<br />
letzteren Jahre ans folgende Zahlen znrückgeführt wnrde:<br />
Länge fast 48 Meter, Breite 8 M., Hohe 3 M. Voll<br />
ständiger sind die Angaben Coronellis, welche, obwohl einev<br />
viel späteren Zeit entlehnt, doch in Rücksicht <strong>der</strong> Größenverhältnisse<br />
untereinan<strong>der</strong> ohne Zweifel auch für die ältere<br />
Zeit maßgebend find. Coronelli ^) beschreibt die Generals-<br />
Galere des berühmten Feldherrn Franeeseo Morosini, des<br />
sog. Peloponesiers, welcher im 17. Iahrhnn<strong>der</strong>t noch einmal<br />
Morca <strong>der</strong> Republik wie<strong>der</strong> nnterthänig machte, nnd bestimmt<br />
<strong>der</strong>en Maaße in folgen<strong>der</strong> Weise: Länge 250 Fnß, Breite<br />
des Rumpfes, d. h. die Breite des Schiffs ohne die beiden<br />
A. a. O. Seite 171.<br />
w Lte. Venedig 1s>l)7. 1^"l.<br />
,
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 273<br />
äußeren Lanfgänge 20 F., mit den Laufgängen, die demnach<br />
ein je<strong>der</strong> 8 F. maßen, 36 F., Höhe des Schiffskörpers<br />
8 F., Länge des Hanptmastes 15 F., des Vormastes 12 F.,<br />
Länge <strong>der</strong> 60 Rn<strong>der</strong> 41 F., ein jedes von acht Mann geführt.<br />
Länge des überdeckten Hintertheils 20 F., Breite<br />
desselben an dem Nanm <strong>der</strong> Galcottcn 171/2 F., Breite desselben<br />
am Spiegel 11 F.<br />
Zn Anfang des 14. Iahrhnn<strong>der</strong>ts verlangte dagegen <strong>der</strong><br />
ältere Sanndo''^') für die größte Art Ru<strong>der</strong>galercn eine Länge<br />
von 23 venetianifchen Schritten und 2 Fuß, eine Breite von<br />
20'/x Fnß nnd eine Höhe von 7 Fnß 3 Zoll, mit ">'/. Fnß<br />
Höhe mehr an dem Spiegel nnd 2^/g Fuß am Bng.<br />
Wir kehren hier anf einen Augenblick noch einmal zu <strong>der</strong><br />
Nettungsfrage zurück, doch nnr, nm nns klar zn machen, wie<br />
es <strong>der</strong> Iaffa-Galeazza möglich geworden ist, sich vier o<strong>der</strong> fünf<br />
Stunden hindurch gegen die türkische Uebermacht zn behaupten.<br />
Neben <strong>der</strong> von allen Seiten bewährten Tapferkeit <strong>der</strong> nm ihr<br />
Leben streitenden dreihun<strong>der</strong>t Männer scheinen drei Umstände<br />
vornehmlich das Gelingen dieses ersten Actes des Rettnngswerkes<br />
zn erklären. Erstens war <strong>der</strong> Größenuuterschicd zwischen dein<br />
angegriffenen Schiff nnd den Angreifern fo erheblich, daß die<br />
Türken nnr dnrch Ansetzen von Leitern die Schanzkleidung<br />
<strong>der</strong> Iaffa-Galere zn erreichen vermochten, ein Unternehmen, das<br />
auch bei ruhiger See zu den schwierigeren zn rechnen sein<br />
dürste, namentlich weil es selten gelingen wird, eine größere<br />
Menge von Stürmern zugleich au die Geguer herausbringen.<br />
Von diesen Leitern ist in den pommcrschen Berichten ausdrücklich<br />
die Rede. Ferner, war es den Angegriffenen möglich,<br />
mittelst <strong>der</strong> vielen an Nord befindlichen Waarenballen nnd Kisten<br />
die Schanzkleiduug <strong>der</strong> Galere beträchtlich zu erhöhcu uud zu<br />
verstärken, wobei die dreihun<strong>der</strong>t znr Versüguug stehenden Ver-<br />
A. a. O. bei Vonqcivt.
274 Actenstücke zur Reise<br />
theidiger vollständig ausreichten, um iu <strong>der</strong> Besetzung <strong>der</strong> künstlichen<br />
Wälle keine Lücke zn lassen. Daß diese Nothverstärkung<br />
<strong>der</strong> Brustwehren wirtlich vorgenommen worden sei, berichtet<br />
<strong>der</strong> Ritter Garzoni. Endlich kam <strong>der</strong> bedrohten Galere <strong>der</strong><br />
Umstand zu statten, daß die Windstille den zwei Barken erst<br />
in später Stuude das Nahekommen erlaubte. Auch Garzoni<br />
legt auf dies Fernebleiben <strong>der</strong> Barten ein Hanptgewicht; an<strong>der</strong>nfalls,<br />
nieint er, wäre die Galere unvermeidlich genommen<br />
worden; doch denkt er dabei vermuthlich uur an deu Untergang<br />
<strong>der</strong> Galere o<strong>der</strong> an ihre Ergebung in Folge <strong>der</strong> großen Geschützwirknng,<br />
zu welcher die Barkschiffe im Stande waren;<br />
denn Zu glücklichen Enterversuchen war auch hier, wie m'^r<br />
scheint, keine begründete Aussicht, trotz <strong>der</strong> viel höhereu Bordhöhe<br />
<strong>der</strong> Barken, da die ruuden, bauchigeu Wandungen dieser<br />
Schiffe eine Berührung mit dem feindlichen Schiff auf längere<br />
Strecken <strong>der</strong> Borde unmöglich machten. Anch die Schwerfälligkeit<br />
<strong>der</strong> Barken war hier ein Hin<strong>der</strong>niß, loie an<strong>der</strong>erseits<br />
die langen Nu<strong>der</strong> <strong>der</strong> Galeotten znr Abwehr solcher Annäherung,<br />
anch den kleineren Galeren gegenüber, eine wirksame<br />
Hülfe gewähren konnten.<br />
4- Il Zaffo.<br />
Wie wir gesehen haben, wird nnsre Galere von Sanndo<br />
als ^Hii^ äii /^lO) — auch /^Iio und /5M'o — nnd<br />
von Malipiero, mit einer nicht ins Gewicht fallenden Aen<strong>der</strong>ung,<br />
als
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 275<br />
solch ein Taufnamc gewefen, fo würde <strong>der</strong>selbe nicht mit äi<br />
o<strong>der</strong> äa. zu F^Iia, gesetzt worden sein, son<strong>der</strong>n die Bezeichnung<br />
wäre erfolgt mit ,,I^ Zl^Iill. olii^n^ta. il ^^0" o<strong>der</strong> ohne<br />
Weiteres mit „il Zaffo". Eine an<strong>der</strong>e Wendung erlaubt we<strong>der</strong><br />
die heutige italienische Grammatik, noch <strong>der</strong> alte venetianische<br />
Sprachgebrauch, wie die zahlreichen Benennungen von Schiffen<br />
erweisen, welchen wir bei Sanudo und Malipiero begegnen.<br />
Das dil o<strong>der</strong> dlü /^sso kann immer nur eine genitivische<br />
o<strong>der</strong> ablativische Zugehörigkeit <strong>der</strong> Galere zu einem Zaffo bedeuteu,<br />
<strong>der</strong> mehr als ein Name ist. Aber wer ist dieser<br />
Zaffo?<br />
. Das Wort Zaffo hat verschiedene Bedeutungen, unter<br />
an<strong>der</strong>en eine, welche den Zaffo als Namen für ein ursprünglich<br />
dem Staate gehöriges Schiff an sich ganz gut zu empfehlen<br />
fcheint, es bedentet einen Schützen o<strong>der</strong> Plänkler, in späterer<br />
Zeit einen Späher o<strong>der</strong> Wächter u. s. w., doch kann aus den<br />
soeben entwickelten Gründen von dem Wort in diesem Sinne<br />
hier keine Rede sein. So bleibt denn nur eine einzige Bedeutung<br />
als mögliche übrig, die von Jaffa, auf welche fchon das<br />
vielleicht stetige und jedenfalls öftere Ziel unserer Galere hinweist.<br />
Daß Zafo das vcnetianifche Wort für das fyrifche<br />
Jaffa, den Hafen Ierufalcms, und zwar noch im Jahre 1497<br />
gewesen sei, bedarf keiner Ausführung. Die Thatfache geht<br />
fchon aus dem Schiffsvertrage hervor, den unfer Herzog am<br />
8. März jenes Jahres il: Venedig mit dem Capitän Zorzi<br />
abschloß und den die Klempinschen „Beiträge" wie<strong>der</strong>geben.<br />
Da ist in §. 13 von dem Falle die Rede, daß einer <strong>der</strong> Pilger<br />
mit Tode abgehen würde, ehe man n/I t0i'i^in Xg^Iii gelangt<br />
sei. Am deutlichsten geht die Identität von Zafo und Jaffa<br />
aber wohl aus dem angeführten Werk des älteren Sanudo<br />
hervor, wo sich neben einan<strong>der</strong> im Text und in den geographischen<br />
Karten die Ausdrücke Zapha, Iopen, Iopan, Iafa für<br />
dieselbe Ocrtlichkeit angewandt finden und einmal sogar die<br />
Identität von Iopen und Zapha ausgesprochen wird.^<br />
Seite 2^: .lop^n — vu1
270 Aktenstücke zur Reise<br />
was bedentet das i! vor dein Zafo bei Sanndo nnd<br />
piero, das lvir hier bei dem älteren Sanndo nicht antreffen?<br />
Dem Venetianer ist dies il jedoch nicht im mindesten fremd;<br />
del Zaffo ist <strong>der</strong> Beiname einer <strong>der</strong> berühmtesten Familien <strong>der</strong><br />
Stadt, <strong>der</strong> Contarmi „del Zaffo" nnd noch hente jedem<br />
Venetianer geläufig. „Sie nennt sich del Zaffo", sagt ein mir<br />
grade zur Hand befindlicher „Führer" höherer Art, „weil sie<br />
mit dem Contado di Jaffa, voig-ln-nioiiw ciotta /M'o uud<br />
mit <strong>der</strong> Coutea di Asealone von Catharina Cornaro, <strong>der</strong> Kö-<br />
nigin von Cyftern, belehnt worden war" ^). n contado ilnd<br />
Ici ^onw^ zuiei gleichbedentende Worte, sind soviel une unsere<br />
„Grafschaft"; il Zaffo wäre demnach die Grafschaft Jaffa uud<br />
uusre Galere hätte von dem Land, nicht von <strong>der</strong> Stadt Jaffa<br />
ihren Namen. In den romanischen Sprachen gehen indessen<br />
die Begriffe Land, Ortschaft und Stadt fehr leicht.in einan<strong>der</strong><br />
über, uud so dürfte das Auffällige, welches iu dieser Wenduug<br />
liegt, schwinden. 1^080 und M^8 gelten als Ausdruck für<br />
^aud fowohl wie für Stadt, <strong>der</strong> „toi'i^ X^)1ii" entsprechend,<br />
die nur in dem so eben angezogeneu Schiffsvertrage zur Be-<br />
zeichnung des Hafeus von Jaffa gefnnden haben. Ueberdies<br />
aber versichert uns Thomaso Poreaechi in seinen Isoi^ famoso<br />
äol nioncio von 1572, Seite 17, daß zn seiner Zeit auch<br />
die Stadt Jaffa selbst „il Zaffo" genauut wordeu sei: ,^<br />
li0 il<br />
eiue au<strong>der</strong>c uud letzte Frage dräugt sich hier auf.<br />
Es ist doch kaum denkbar, daß die Iaffa-Galere keinen an<strong>der</strong>en<br />
Namen als den <strong>der</strong> ,,^1i^ ä^i /ä,i'0--, also eigentlich gar<br />
Seite 150, wo von Joppe die Rede ist. Das ausführlichste darüber<br />
geben die 1?oitte8 i^rum iM8ti'. Bd. XIII, Seite lI2, Amn. 2. Wien<br />
1856. Das venetiamsche 2 ist offenbar als weiches 3 aus dem 'I<br />
entstanden, wie xouxoi- aus ^unF^i'o, ^iun^l^.<br />
^) I^olottj, II tio^ cU Vou0/.iu, 1840. 4 Bände. Band IV,<br />
Seite 35. Daß mau ein Mitglied <strong>der</strong> Familie Contarmi mit nn o<strong>der</strong><br />
il 2llt'o bezeichnet, kommt nicht vor, so gelänfia. dein Italiener auch<br />
das il (^ouwi'iui ist.
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 277<br />
keinen Namen gehadl habe. Dies führt uns zu den vielen<br />
Beispielen von Schifssbenennungcn aus <strong>der</strong> Zeit Sanudos<br />
und Malipieros zurück, auf die nur oben bereits flüchtig hin-<br />
gewiesen haben. Wie in altromifchen Zeiten trug auch zu<br />
Ende des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts jedwedes Schiff, schon <strong>der</strong> Unter-<br />
scheidung des einen vom an<strong>der</strong>en, nicht allein <strong>der</strong> ästhetischen<br />
Zier wegen, einen beson<strong>der</strong>en Namen, doch bestand <strong>der</strong>selbe<br />
nicht immer in dem, was wir oben einen Tausnamen genannt<br />
haben. Von solchen Taufnamen begegnen wir da ohne lange<br />
zn suchen, z. B. einer imvo oIimui^tH 111. iicTv<br />
einer u^vo li'luico^ äwimiä^tH 1^ N^d^ion^, einer<br />
(^Ii^ki'ioiH, einer 113.V0 ^i'088H I^ncloi^ einem Qiivi^lio äito<br />
öl 8001^1011 ; es sind also da ungefähr alle Fächer nnd sprach-<br />
lich alle Wendungen vertreten, <strong>der</strong>en wir uns hente auf diesem<br />
Gebiete bedienen. Doch ist diese, so zu sagen unmittelbare,<br />
Weise <strong>der</strong> Schiffsbezeichnnng bei beiden Schriftstellern die Aus-<br />
nahme; die Bezeichnung, welche von Willkür nnd Laune des<br />
Taufvaters absieht und den Namen einem gegebenen Sachver-<br />
hältnisse entlehnt, überwiegt bei Weitem. Die meisten Schiffe<br />
werden da entwe<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> adelichen Familie benannt, zu<br />
welcher ihr Capitäu und Miether, vielleicht auch bisweilen ihr<br />
Eigenthümer gehörte, o<strong>der</strong> werden nach ihrem Inhaber o<strong>der</strong><br />
Capitai! mit dessen persönlichem Namen bezeichnet, o<strong>der</strong> sie<br />
tragen den Namen <strong>der</strong> Stadt, bei <strong>der</strong> sie ihren gewöhnlichen<br />
Standort hatten o<strong>der</strong> zu <strong>der</strong> sie soust irgeud eiue beson<strong>der</strong>e<br />
Beziehnng hatten, uuler an<strong>der</strong>en auch die, daß die Stadt ihr<br />
gewesenes o<strong>der</strong> zutüusliges o<strong>der</strong> gewöhnliches Fahrziel war.<br />
Da in den meisten Fällen <strong>der</strong> Art es <strong>der</strong> dahin gehenden<br />
Schiffe mehrere gab, so schwindet die Bedentuug des Namens<br />
als solchen beinahe ganz, uud die Vermuthung entsteht, daß<br />
uns <strong>der</strong> eigentliche Son<strong>der</strong>name nicht genannt worden sei.<br />
Aehnlich ist es mit den Familiennamen <strong>der</strong> Schiffe. Wir geben<br />
von allen drei o<strong>der</strong> vier Fällen einige Beispiele, indem wir<br />
zuvor noch daraus aufmerksam machen, daß die sprachliche<br />
Form <strong>der</strong> Mehrzahl uach adjeetivisch ist, doch auch <strong>der</strong> Genitiv<br />
und statt dessen auck <strong>der</strong> bloße Nominativ des Eigennamens
278 Actenstücke zur Reise<br />
erscheint, wenn hier nicht etwa das Zeichen des Genitivs aus<br />
Versehen fehlt. I^a navo l^s^ara, 1a nav6 8oi'an2a, Irivi3ana;<br />
1a nav
.Herzogs Vogislav X. in den Orient. 279<br />
befehligten Kriegsschiffe nahmen damals als Namen o<strong>der</strong> als<br />
Beinamen den Geschlechtsnamen ihrer Besitzer o<strong>der</strong> Capitane<br />
an, nnd führteu denselben, so lange solches Verhältniß währte.<br />
So wird von Casoni, Manin und an<strong>der</strong>en Geschichtsschreibern<br />
behauptet, es geht aber auch deutlich aus folgenden bei Sanudo<br />
vorkommenden Ausdrücken hervor: 1^3. (Fa.Ii3.n3. c>1iin, ein<br />
genuesisches Staatsschiff, ininc> cli 1^i'3noo860 8piri0i3^ und<br />
noch bestimmter aus: /5u3n Von in3nd3to 8m'3.00inito ^or<br />
I3, 8i^u0ri3. 811 I3 A3Ü3 so 1i0ml)3, d. h. auf die früher<br />
Nemba genannte Galere des Capitäns Bembo. Wenn daher<br />
Malipiero berichtet, am 21. Dezember 1496 sei die ^3Ü3 d^i<br />
/^3^0 pa.tron ^^U8tin ^ont3i'ini, eon tutti i p6i6^i'ini nach<br />
Venedig zurückgekommen, so ist es nach dem obigen sehr wohl<br />
möglich, daß die hier blos nach ihrem Inhaber genannte<br />
Pilger-Galere dasselbe Schiff mit <strong>der</strong> A3ii^ dil ^3^0 gewesen<br />
sei, welche ein Jahr später von Patron Alvixe Zorzi geführt<br />
uud nach ihm benannt wurde. Als mögliche Ausdruckswendun-<br />
gen zur Bezeichnung unsrer Galere führe ich nach Vorbil<strong>der</strong>n,<br />
die sich bei Malipiero siuden, zum Schluß noch an: I<br />
äii ^Hfo, I3 F3Ü3 äi /Viviyo ^01'^i olio V3, 3<br />
5. Casa Gritti.<br />
Je zweifelhafter es ist, ob sich in Pommern o<strong>der</strong> sonstwo<br />
noch Bauwerke finden, welche in ihrer heutigen Gestalt Bo-<br />
gislav X. zur Wohnuug gedient haben, einst Augenzeugen<br />
seines persönlichsten Thuus und Lassens gewesen sind, um so<br />
erfreulicher und überrafchen<strong>der</strong> ist die Gewißheit, daß hier an<br />
dem Adriastrand eine solche Stätte vorhanden ist, die (^Q3<br />
(^'iti^) nämlich auf <strong>der</strong> Giudccca, welche <strong>der</strong> Herzog bei<br />
seiner Rückkehr vom heiligen Lande mit seinem Gefolge von<br />
Flcmmings und Bugenhagens, von Wedels, von DeWitz, Pode-<br />
wils, Brauuschweigs, Molres und Mollers bewohute uud mehr<br />
So schreibt Sanudo das Wort, die sonstige Weise ist „Gritti".
280 Actenstücke zur Reise<br />
als eine Woche hindurch, von Samstag Abend den 17. bis<br />
Monwg Nachmittag den 26. November^) 1497 mit ausschließlich<br />
pommerschem Leben erfüllte.<br />
Wir wollen uns dnrch Malizierò nicht irre niachen lassen,<br />
welcher, im Wi<strong>der</strong>sprüche mit Sanndo, die Casa Zane ans <strong>der</strong><br />
Gindeeea als Bogislaos damalige Herberge bezeichnet. Vielleicht<br />
waltet hier gar kein Wi<strong>der</strong>spruch ob; das von den<br />
Gritti erbaute Hans mag nicht lange zuvor in den Besitz <strong>der</strong><br />
Zane übergegangen sein, nnd <strong>der</strong> Nmstand, daß Maliftiero<br />
dasselbe nicht Casa Zane schlechthin, son<strong>der</strong>n Casa di Aloise<br />
Zane nennt, scheint unsre Vermuthung unterstützen zn wollen.<br />
Für den Fall eines wirklichen Wi<strong>der</strong>spruchs aber haben wir<br />
hier unbedingt dem Marino Sanudo uud uicht dem Domenego<br />
Malipiero zu glauben. Letzterer war auf solche Art Einzelnheiten<br />
überhaupt viel weniger aus als Sanndo, <strong>der</strong> sich schon<br />
damals als <strong>der</strong> verpflichtete Tagebuchschreiber <strong>der</strong> Republik<br />
von San Mareo und ihrer Siguoria betrachtet zu haben<br />
scheint, nnd als täglicher Gast des Dogenpalastes diesen Dingen<br />
persönlich viel näher stand und besser uuterrichtet sein mnßte<br />
als Malipiero. Dazu kommt, daß Malipiero damals auf<br />
mehrere Jahre die Hauptstadt verlassen hatte, während Sanudo<br />
unzweifelhaft anwesend war. Letzterer giebt selber an,^)<br />
wie er im Herbste 1496 nach fünfmonatlicher Entfernung von<br />
Hause in dienstlichen Angelegenheiten soeben nach Venedig heimgekehrt<br />
sei und sich nun endlich <strong>der</strong> lei<strong>der</strong> so lange unterbliebenen<br />
Fortführung seines Tagebnchs widmen wolle; von<br />
einer ncnen Entfernung, die im Jahr 1497 eingetreten wäre,<br />
erfahren wir nichts, loie denn solche Abwesenheiten überhaupt<br />
bei Sanudo die Ausnahme bilden. Außerdem ist von einem<br />
Zaneschen Hause, das von dem Grittischen verschieden gewesen<br />
sei, in jener Gegend <strong>der</strong> Stadt auch nirgendwo eine Spur zn<br />
entdecken, obschon zu damaliger Zeit die adelicheu Wohuuugen<br />
^") Daliner und Sanudo sind hier übereinstimmend, Malipiero<br />
ueuut dcu 13. als Tag <strong>der</strong> Aukuuft.<br />
>'") Diarii a. a. O. 1879. S. 369.
Herzogs Vogislavs X. in den Orient. 281<br />
daselbst noch nicht zahlreich waren, und darnm auch heute iu<br />
unseren: Falle das Forschungsgebiet uicht umfänglich ist. So<br />
können nur denu getrost ilnd ohue weiteres Zau<strong>der</strong>u die Casa<br />
Gritti, d. h. heute die Casa Nr. 795 auf <strong>der</strong> Giudeeea, Fondamenta<br />
di S. Biagio, etwa einhun<strong>der</strong>t kleine Schritte ostwärts<br />
von <strong>der</strong> gleichnamigen Brücke eutfcrut, als das sichere<br />
Denkmal jenes Abschnittes pommerscher Fürsteugeschichte betrachten.<br />
Als die alte CtM Oriti wird dieses Haus durch<br />
die in seinem Hofe befindliche alteu Grittischen Wappenschilde<br />
beglaubigt. ^")<br />
Die Iusel Giudecca ist heute das verlasseuftc, weil abgelegenste<br />
Viertel Venedigs und uur uoch vou kleiuereu Leutcu<br />
bevölkert. Ehedem aber war die geräumige Insel mit ihren<br />
Gärten und Fel<strong>der</strong>n von den Reichen <strong>der</strong> Hauptstadt als wiudfrischer<br />
läudlicher Aufenthalt fehr geschätzt; doch scheint dieselbe<br />
nicht viel vor <strong>der</strong> uns betreffenden Zeit auch als bleibende<br />
Wohnstätte <strong>der</strong> venetianischen Aristokratie in Mode gekommen<br />
zn sein. Noch hente gehören die dortigen Gärten zu deu zahlreichsten<br />
uud^ größten <strong>der</strong> Stadt, auch hinter C:r Gritti hat<br />
sich ciu solcher, wohl huu<strong>der</strong>t Schritt in die Länge messend,<br />
erhalten und ist links und rechts von gleichen Anlagen umgebcu,<br />
bis zu dem Caual delle Couvertite hiu, au dem <strong>der</strong>selbe mit<br />
einer Mauer abgegrenzt ist. Auch uach voru hin, nordwärts,<br />
ist die Lage des Hauses eine freie: seine Stirnseite geht auf<br />
deu etwa fünfhun<strong>der</strong>t Schritt breiten Wasserarm, welcher die<br />
Gindecea-Insel von <strong>der</strong> Hauptmasse <strong>der</strong> Laguuenstadt scheide!<br />
und schon damals einen herrlichen Blick zu <strong>der</strong>selben hinüber<br />
ans eine glänzende Reihe von Palästen und Kirchen gewährte,<br />
obschon <strong>der</strong> prächtige Abschluß des Pauoramas, die Kirche della<br />
Salute und die Dogaua, eine Schöpfung des 17. Iahrhuu<strong>der</strong>ts,<br />
damals noch fehlte.<br />
>'^) Turch die schon einmal angeführte Beschreibung des verstor-<br />
benen Paoletti: li iìore (ti V^ix^i^, ist es nns möglich gewesen, dem<br />
Palazzo Gritti anf die Spur zu kommen. Von einer Casa Zaue ans<br />
<strong>der</strong> Gindccca weiß we<strong>der</strong> Paoletti, noch sonst jemand.
282 Actenstücke zur Reise<br />
Ein glücklicher Znfall hat nns ein seltsam genaues nnd<br />
trcnes Abbild von jenem Venedig erhalten, wie es Herzog Bogislav<br />
sah, nnd zwar so ungefähr, wie er damals die Stadt<br />
von seinen Fenstern in Casa Gritti erblicken konnte. Aber<br />
noch mehr: nnser Landsmann, welcher das Bild in jener Zeit<br />
fertigte, hat nns den Gefallen erwiesen nnd seinen Standpunkt<br />
noch ein Paar hun<strong>der</strong>t Schritte weiter rückwärts genommen,<br />
fast gerade hinter C^ Oritti, damit er nns anch ein Abbild<br />
von unseres Herzogs damaliger Wohnnng mit <strong>der</strong>en Garten<br />
und Hofraum verschaffe. Dieses Abbild ist <strong>der</strong> bekannte große<br />
Holzschnitt vom Jahr ,,^I. I).", den Albrecht Dürer damals<br />
an Ort nnd Stelle soll aufgenommen haben nnd dessen geschnittene<br />
Tafeln noch hente im Museo Correr zu Venedig aufbewahrt<br />
werden. Jedenfalls war <strong>der</strong> Künstler, dessen steißige Hand das<br />
für die städtische Geschichte Venedigs so bedeutende Werk zn<br />
Stande gebracht hat, ein Deutscher, und die angegebene Zeit<br />
stimmt durchaus mit Stil und Geschichte.-^') Auf diesem<br />
Holzschnitte erscheint Hof, Garten nnd Hans fast noch ganz so,<br />
wie es heute besteht. Schon damals zog sich ein Weinlaubengang<br />
von <strong>der</strong> Hofthür auf den Canal zn, dnrch die ganze<br />
Länge des Gartens, nur daß die denselben abschließende Maner<br />
nicht an einen Canal stieß, son<strong>der</strong>n nnmittclbar an den nicht<br />
eben breiten Lagunenstraud, so daß man demgemäß damals von<br />
den Hinterfenstern des Hanfes auf das weite Binnenmeer nach<br />
Malamoceo Hinansblicken konnte. Anch bestand damals noch<br />
nicht die Areade von Säulen und Rnndbogen, mit <strong>der</strong> sich<br />
hente <strong>der</strong> Hansflnr nach dem Hofe zu öffnet, nnd die den Hof<br />
vom Garten abschließende Mauer war uoch nicht von <strong>der</strong> seltsam<br />
durchbrocheneu Arbeit loie die jetzige. ^) Endlich erscheint<br />
'^5) In Deutschland giebt es meines Wissens nnr einen Abdruck<br />
<strong>der</strong> Ansicht, wenigstens nnr einen, <strong>der</strong> öffentlich ausgestellt ist: in dem<br />
Dürer-Hanse in Nürnberg. In Venedig sind <strong>der</strong>en vier zn sehen, in a,c><br />
nanntem Mnsenm, im Doqenpalast, im Arsenal nnd in <strong>der</strong> Samm-<br />
ln ng Querini.<br />
246) Son<strong>der</strong>barer Weise ähnelt die hentige Gestalt von Hof,<br />
Gartenmauer nnd Garten mehr <strong>der</strong> Darstellung, welche die sogenannte
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 283<br />
auch <strong>der</strong> Vorraum, welcher die Hausfront von dem Giudecea-<br />
Canal trennt, damals viel schmaler o<strong>der</strong> gar nicht vorhanden<br />
gewesen zu seiu. Heute besteht <strong>der</strong>selbe iu einem breiten Kai<br />
o<strong>der</strong> Bollwerk, das dem öffentlichen Verkehre dient. Auf <strong>der</strong><br />
Dürerscheu Ansicht ist die Ca. Gritti westlich von einem an<strong>der</strong>n<br />
Palazzo, <strong>der</strong> Cü. Vendramin, begrenzt, welcher mit seiner<br />
Mauer unmittelbar an die Hausmauer <strong>der</strong> C^ Gritti stößt.<br />
Die C^ Veudramin ist, wenn auch stark verfallen, noch hente<br />
vorhanden, uud jedenfalls ein Van von ungefähr 1500; doch<br />
wäre es möglich, daß um 1497 die C^ Gritti noch nach allen<br />
Seiten hin frei lag. Nach <strong>der</strong> Dürerschcn Aufnahme waren<br />
damals die genannten beiden Palazzi die einzigen auf diesem<br />
großen Abschnitte <strong>der</strong> Giudecea, zwischen den Canälen von S.<br />
Biagio nnd S. Eufemia, alle übrigen, links und rechts neben<br />
denselben gelegenen Gebäude waren unbedeutende stillose Anlagen.<br />
Ein Palast in unserem Sinne ist diese C^ Gritti nicht,<br />
nnd kaum sogar im venetianischen Sinne, obgleich man hier<br />
mit dem Wort nicht eine fürstliche Wohnung von hervorragen<strong>der</strong><br />
Größe, son<strong>der</strong>n jedes herrschaftliche Wohngebäude mit entsprechen<strong>der</strong><br />
stilvoller Bauart und einem gewissen Maaße von<br />
Pracht bezeichnet. Macht man in letzterer Hinsicht nur bescheidene<br />
Ansprüche, so mag die nur mäßig große und mäßig<br />
vornehme Casa Gritti als echter Palazzo gelten; denn ihr<br />
Grnndplan uud ihre Fa^ade sind durchaus <strong>der</strong> Anlage gemäß,<br />
welche das unterscheidende Merkmal eines venctianischen Herrenhanscs<br />
im Gegensatze zu bürgerlichen Prwathäuseru bildet. Es<br />
wird, gewiß uicht mit Unrecht, behauptet, daß diese Aulage<br />
noch die eigenthümliche Mischung von Adelswesen und Kaufmannsart<br />
durchblicken lasse, welche dem venetianischen Herrenthum<br />
seiu Gepräge gab. Die ganze Mitte des Hauses, von<br />
<strong>der</strong> Stirnseite nach dem Hose zn, wird durch alle drei Stockwerke<br />
hiudurch vou eiuem breiten Raum eingenommen, welcher,<br />
Dnrcrschc Ansicht vou den betreffenden Räumen <strong>der</strong> nebenstehenden Cu<br />
Vcndrannn giebt, als dem dortigen Bilde <strong>der</strong> entsprechenden Ocrtlich-<br />
teil <strong>der</strong> Casa Gritti.
284 Actenstücke zur Reise<br />
in den oberen Stockwerken wenigstens, eine Art Mittelding<br />
zwischen Festsaal nnd Flnr bildet nnd als .ein ehemaliger<br />
Waaren-Speicher erklärt wird, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Wohnnng des Handelsherrn<br />
im Anfange nicht zn trennen gewesen sei. Demgemäß<br />
werden ebenfalls die großen nnd breiten Fenster, die<br />
beiden Minestroni gedentet, welche, anch hier in E:^ Gritti, jene<br />
Flurfä'le nach <strong>der</strong> Straße nnd nach dem Hofe zn abschließen,<br />
Sie sollen ans den großen Lnken <strong>der</strong> Speicherräume entstanden<br />
sein, bestimmt znr Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Waaren in die Straße<br />
o<strong>der</strong> das Schiff o<strong>der</strong> den Hof hinnnter zn dienen. Das<br />
Finestrone besteht in einer Reihe von vier o<strong>der</strong> mehr, nnr<br />
dnrch Säulen o<strong>der</strong> Pfeiler getrennten nnd gewissermaßen eine<br />
einzige Oeffnnng bildenden Fenstern, welche bis znm Fnßboden<br />
des Saales hinnntergehen nnd nach anßcn hin dilrch einen<br />
Valeon o<strong>der</strong> eine gitterartige Brüstung abgeschlossen sind. Die<br />
spätere Entwicklung hat ans den Flnrsalen <strong>der</strong> beiden oberen<br />
Stockwerke meistens einen einzigen großen Prachtranm gemacht,<br />
in <strong>der</strong> C^ Gritti indessen haben wir noch die frühere Weise<br />
vor nns. Dagegen hat sich die große breite Treppe, welche<br />
in solchen Hänsern nnmittelbar in den Flnrsaal mündet, nm<br />
welchen herum die übrigen Wohnränme liegen, nicht mehr erhalten<br />
nnd ist dnrch eine bescheidnere Anlage ersetzt worden.<br />
Anch ist <strong>der</strong> einzige an dem Hanse befindliche Baleon, <strong>der</strong> vor<br />
dem großen Fenster des Hanptstockes befindliche, in feiner nrsprünglichen<br />
Gestalt nicht mehr da, son<strong>der</strong>n im 1l>. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
ernent worden. Ans noch späterer Zeit mag <strong>der</strong> Anfbau von<br />
Dachzimmcrn fein, welcher sich über <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Hanptfront<br />
erhebt. Endlich fcheint anch die sehr nnfcheinbare Hausthür,<br />
die in den etwas niedrigen Hausflur führt, nicht ans dein 14.<br />
o<strong>der</strong> frühen 15. Jahrhnn<strong>der</strong>t, nnd fomit ans <strong>der</strong>jenigen Zeit<br />
zn fein, in welcher die Casa Gritti ersichtlich erbaut worden<br />
ist. Daß von <strong>der</strong> inneren alten Einrichtung <strong>der</strong>selben, außer<br />
Mauern und Holzwerk, jetzt nichts mehr vorhanden ist, bedarf<br />
Wohl kaum <strong>der</strong> Erwähnnng; überhaupt ist, foviel ich dav<br />
Iuuere habe besichtigen können, von demselben nichts merk<br />
würdiges zu berichten.
Herzogs Vogislav X. in den Orient. 285<br />
Abgesehen von den soeben gemachten Einschränkungen<br />
steht die C^. Gritti aber noch banlich in demselben Zustande<br />
vor nns, loie sie damals gewesen sein mnß, als Herzog Bogislav<br />
mit den Scinigcn an jenem Novembcrabcnd, sroh ohne<br />
Zweifel, mit Gottes Hülfe so weit gediehen zu sein, daselbst<br />
einzog, kein Prachtban, doch immer „ein stattlich Hans" wie<br />
die pommersche Quelle bei Kanzow sie nennt. Die Casa<br />
Gritti ist dreistöckig, etwa 40 Fuß hoch und 50 Fnß breit<br />
nnd tief. Der Hof ist ein fast gleichseitiges Viereck von 25<br />
Fuß Weite; <strong>der</strong> Garten ebenso breit und wie gesagt nngefähr<br />
100 Schritt lang. Der gothische Stil, in dem <strong>der</strong> Ban ansgeführt<br />
ist, entspricht <strong>der</strong> Weise, die hier im 14. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
nnd bis znr Mitte des folgenden üblich war. Mit Ansnahme<br />
<strong>der</strong> kleinen viereckigen schlichten Fenster des Unterstocks, in dein<br />
sich nach italienischem Brauch keine Wohnungen befinden, sind<br />
sämmtliche Fenster spitzbogig geschlossen, aber nicht bis znm<br />
Boden des Zimmers hcrabgehend, son<strong>der</strong>n einige Fuß über<br />
demselben mit einem Fcnsterstein endend, <strong>der</strong> auswärts von<br />
zierlichen Consolen getragen wird. Die Mancrn sind Ziegelstein,<br />
<strong>der</strong> überkalkt ist; alle Einfassungen, sowie die Säulen<br />
nnd Pfeiler <strong>der</strong> Finestroni und des Balkons von weißlichem,<br />
i'strischcm Marmor. Beson<strong>der</strong>s ansprechend ist die Nanmverthcilnng<br />
an den zwei oberen Stockwerken <strong>der</strong> Hanptfront.<br />
Ganz nahe am Finestrone steht noch zii je<strong>der</strong> Seite je ein<br />
weiteres Fenster nnd sodann nur noch eiues, in jenem weiteren<br />
Abstand von jenem, welcher den romanischen Banten ein<br />
so viel ansprechen<strong>der</strong>es Ansehn giebt als den nordischen, des<br />
Sounengenusscs bedürftigeren Wohnhäusern. Die Finestroni<br />
bestehen ans je vier einzelnen Fenstern bczw. aus drei Rundsänlcn,<br />
die mit zierlichen Capitalen geziert sind, und aus zwei<br />
entsprechenden Pilastcrn, welche das Fenster links und rechts<br />
abschließen. Im Hauptstock sind die Fenster, nach hiesiger sehr<br />
wirkungsvoller Gewohnheit, rechtwinklig eingefaßt, uud die Einfassnngcn<br />
in zierlichem Kerbschnitt; alles einfach aber würdig<br />
nnd hübsch. In <strong>der</strong> Mitte des Hofes zeigt sich ein sehr gefälliger<br />
Brunnentelch, iu Gestalt eiucs Capitals, mit dein schon
286 Actenstücke zur Reise<br />
erwähnten Grittischen Wappen: getheilt, in den: oberen Felde<br />
einschwebendes Kreuz; ein gleicher Schild steht über dem in<br />
den Garten führenden Thor.<br />
Nach alledem erscheint die Cü. Gritti als eine sehr geeignete<br />
Wahl zur Herberge unseres Herzogs. Warum aber die<br />
Wahl gerade auf diese Casa fiel, ist nicht zn sagen. Die<br />
fremden, Venedig besuchenden und von <strong>der</strong> Republik bewirtheten<br />
Fürsten wurden dnrch alle Zeiten hindurch bald in<br />
diesem bald jenem Adelshanse untergebracht; nnr zufällige Umstände<br />
scheinen bei <strong>der</strong> Auswahl entschieden zu haben. Ohne<br />
Zweifel waren die Häuser zu solchen Zwecken von ihren Eigenthümern<br />
den: Staate gegen Entgelt znr Verfügung gestellt nnd<br />
standen entwe<strong>der</strong> in Folge zeitweiliger Abwesenheit <strong>der</strong> Besitzer<br />
o<strong>der</strong> aus an<strong>der</strong>en Ursachen leer, so jedoch, daß es an <strong>der</strong> vollständigen<br />
Ausstattung nicht fehlte. Malipiero erzählt, wie<br />
um diese Zeit im Senate <strong>der</strong> Antrag gestellt worden sei, man<br />
solle, zur Kostenersparnis, den reichen Benedietinern auf <strong>der</strong><br />
Insel S. Giorgio maggiore aufgeben, ihre Kornspeicher in<br />
einen Palast umzubauen, welcher den fremden Fürstlichkeiten<br />
zur Herberge dienen könne. Doch ging <strong>der</strong> Vorfchlag nicht<br />
dnrch. Die Insel S. Giorgio liegt neben <strong>der</strong> Insel Giudeeea,<br />
wie diese von Venedig und von dem Dogenpalast durch eiue<br />
breite Wasserfläche getrennt. Solche Lage empfahl sich in<br />
doppelter Hinsicht zu dem fraglichen Zweck, sie erleichterte die<br />
Überwachung und bot den passenden Raum für die Anfahrten<br />
und Auffahrten mit den Prachtgondeln <strong>der</strong> Signoria, mehr<br />
noch als die Lage am sogenannten großen Canal, an welchem<br />
die meisten Paläste gelegen sind, von denen bei Fürstenbesnchen<br />
als Herbergen Meldung geschieht.<br />
Wir berühren zum Schluß noch eiuen scheinbaren Wi<strong>der</strong>spruch.<br />
Nach den pommerschen, von Malipiero bestätigten<br />
Angaben war die Casa Gritti o<strong>der</strong> die Casa Zane von <strong>der</strong><br />
Signoria für den Herzog eingerichtet und in Vereitschaft<br />
gestellt worden. lind doch lesen wir bei Sanudo, daß<br />
<strong>der</strong> Doge dem Herzog sein Vedauern aussprach, nicht
Herzogs Bogislau X. in den Orient. 287<br />
vorgängig 3") l)on seiner Ankunft in Kenntniß gesetzt worden<br />
zu sein, da er ihm sonst mit dem Bucintoro und allem üblichen<br />
Pomp, bis ans Meer o<strong>der</strong> etwas weiter, würde entgegengefahren<br />
sein. Aber <strong>der</strong> Nachdruck ist hier auf ein „rechtzeitig"<br />
zu legen, obgleich das Wort allerdings nur zwischen<br />
den Zeilen steht. Thatsächlich war <strong>der</strong> Signoria schon lange<br />
bekannt, daß des Herzogs Anknnft bevorstehe, da die Iaffa-<br />
Galere, die ihn an Bord hatte, bei <strong>der</strong> Golfinscl Lesina einige<br />
Zeit hatte Halt machen müssen, ein Theil <strong>der</strong> Mitreisenden<br />
aber, den an<strong>der</strong>n vorans, une Malipicro erzählt, nach Venedig<br />
gekommen war. Dies Wissen aber genügte nicht, nm eine<br />
Entgegenfahrt mit dem Bucintoro zu ermöglichen, dazn gehörten<br />
augenblickliche Vorbereitungen von längerer Daner, sowie<br />
eine geuaue Kenntniß von <strong>der</strong> Stnnde <strong>der</strong> Annäherung. Daher<br />
auch die Fürsten, welche eine solche Bewillkommnnng wünschten<br />
o<strong>der</strong> annahmen, an dein Hafencingang längere Zeit Halt<br />
machen o<strong>der</strong> Malamoeco anlansen mußten. ^)<br />
l). Casa Malipiero.<br />
Das alte Stammhans des seit Kurzem erloschenen Geschlechts<br />
Malizierò war <strong>der</strong> noch hcntc vorhandene und unter<br />
diesem Namen bekannte stattliche Palazzo im Kirchspiel San-<br />
Samnele Hierselbst, mit seiner Fa^ade an dem sogenannten<br />
großen Canal, <strong>der</strong> vornehmsten Straße Venedigs, mit seiner<br />
westlichen Langseite an dem Campo di San-Samnelc gelegen.<br />
^) Herr Di-. in
Actenstücle zur Reise<br />
Wie noch heute die vielen Eingänge und Treppen und die ganze<br />
Nanmvcrtheilnng vermnthen lassen, diente das geränmige Hans<br />
von Lllters her, venezianischer Adel^sitte genläß, nicht nnr<br />
einem einzelnen, son<strong>der</strong>n allen Zweiten des Stammes, so viele<br />
es fassen konnte; selbst davon abgesehen, dürfen wir annehmen,<br />
daß dort auch Herr Mareo Malipiero, <strong>der</strong> Iohanniter-Comtnr<br />
o<strong>der</strong> Groß-Comtur,^) seine Wohnnng gehabt habe, welcher<br />
von Cypern ab des Herzogs Reisegefährte bei dessen Rückfahrt<br />
vom heiligen Lande gewesen war. So wird anch dort das<br />
üppige Festmal — zu 1000 Mark das Couvert, wenn man<br />
den heutigen Mehrwerth des Geldes auf das Fünffache anschlagen<br />
darf — stattgehabt haben, das <strong>der</strong> Komtur am 22.<br />
November 149? seinem fürstlichen Reisegenossen gab, ohne<br />
Zweifel in des Palastes oberein Hanptsaal, dessen Fenster ans<br />
den großeil Canal Hinansgehen. Von jenem Saal aber mag<br />
heute nichts an<strong>der</strong>es mehr als die Wandmauer uud die Holzdecke<br />
übrig fein; zu Ende dee N». o<strong>der</strong> zu Anfang des 17.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts ist, loie <strong>der</strong> Augenschein lehrt, das ganze Han-><br />
innen nnd anßcn neu zugerichtet und theilwcise umgebaut worden.<br />
Vou dem Spihbogenftil, in dem <strong>der</strong> Palazzo ursprünglich<br />
gebaut war, siud heilte nur noch einzelne Ueberbleibsel an<br />
den oberen Fenstern <strong>der</strong> Seitcnwande des Hanses und das<br />
hübsche große Hanptthor vorhanden, alles andre ist rnndbogig<br />
verwandelt worden. Anch noch späier einmal dürsten bauliche<br />
Aen<strong>der</strong>ungen mit dem Hause vorgenommen worden sein, loie<br />
<strong>der</strong> ans dem späteren 17. Iabrhnn<strong>der</strong>t nnweit des Thores<br />
prangende Wappenschild mit dem stehenden Hahnenfuß <strong>der</strong> Malipieri<br />
vermuthen läßt.<br />
Die Lage des „Palazzo di (^l. Malipiero", wie Coronelli<br />
in feinem Schiffbuch sich ausdrüctt, war für die theatralisch<br />
Darstellung, welche nach <strong>der</strong> plattdeutschen Qnelle von Kanzow<br />
vor dem Beginn des Festessens zn lHhrcn Bogislavs nnd znv<br />
Verherrlichnng pommerscher Tapferkeit stattfand, trefflich geeignet.<br />
Ich bin überzeugt, das; diese „Komödie", von welcher<br />
So nennt ihn Malipirvo a. a. ^. ^eite
Herzogs Bogislav X. in den Orient,<br />
in den venctianischen Quellen allerdings keine Nedc ist, in <strong>der</strong><br />
That, nnd zwar dort ans den: großen Canal, als eine Variation<br />
venetianischer sogenannter Regatta aufgeführt worden ist. Was<br />
die pommerschc Ueberlieferung darüber berichtet, sieht schon an<br />
sich sehr wenig nach bloßer Erfindung ans und entspricht<br />
an<strong>der</strong>erseits so sehr den Festen und Spielen, welche die oben<br />
erwähnte Compagnia della Calza zu ihrer eigenen Unterhaltung<br />
uud zu Ehren fürstlicher Gäste uud zum Ruhme Venedigs uud<br />
seines ans <strong>der</strong> letzten Höhe aller damaligen gesellschaftlichen<br />
Entwickelung thronenden Adels zu veranstalten pflegte. Auffallen<strong>der</strong><br />
Weise sagt Kanzows Berichterstatter kein Wort davon,<br />
daß die Bühne, aus welcher das Schaustück gespielt wurde,<br />
uicht <strong>der</strong> Saal des Palazzo, sou<strong>der</strong>n das Wasser davor, <strong>der</strong><br />
Canal grande, gewesen sei. Aus Vergessenheit kann das schwerlich<br />
geschehen sem, <strong>der</strong> Umstand war zu sehr eine Hauptsache,<br />
und wir dürfen vielleicht darans schließen, daß <strong>der</strong>jenige, welcher<br />
die Kanzowsche Darstellung abgefaßt hat, selber kein Angen-<br />
,^'uge, son<strong>der</strong>n nnr ein oberflächlicher fpätcr Nacherzähler gewesen<br />
sei. Um so leichter würde sich die unglückliche Hartnäckigkeit<br />
erklären, mit welcher <strong>der</strong>selbe immer wie<strong>der</strong> auf die uuglaubliche<br />
Mißhaudluug zurückkommt, die <strong>der</strong> Herzog dem Capitäu<br />
Zorzi foll haben angedeihen laffen. Hier muthet er uus sogar<br />
zu, wir sollen glauben, <strong>der</strong> Adel Venedigs habe selber seine<br />
Frende daran gefunden, die Unehrenhaftigkeit eines <strong>der</strong> Seinigen<br />
und defsen Züchtigung dnrch einen Fremden zur öffentlichen<br />
Schau zu briugen. Das verdächtige Behageu an dieser Erfinduug<br />
wirft eiu bedenkliches Seitenlicht auf Kanzows Urtheil<br />
über den Werth feiner Zeugen.<br />
Was von etwaigen Zweifeln an <strong>der</strong> völligen Oruudlosigteit<br />
<strong>der</strong> Kanzowschen Fabel noch irgendwo übrig sein könnte,<br />
dürften die nachfolgenden Angaben über den Lebensgang Alvise<br />
^orzis und deffen Persönlichkeit zu beseitigen im Stande sein.
290 Actenstücke zur Reise<br />
7. Capitän Alvife Zorzi.<br />
Es ist gelegentlich bereits oben berichtet worden, daß <strong>der</strong><br />
Patron <strong>der</strong> Iaffa-Galere, dem die venetianische Regierung und<br />
Herzog Bogislav selbst auf ein halbes gefahrvolles Jahr fein<br />
und <strong>der</strong> Seinigcn Wohlfahrt anvertraute, einem alten Dogen-<br />
Haufe entfprossen war, das sich noch immer im Besitze levantinischer<br />
Fürstentitel befand uud noch im lehten Frieden mit <strong>der</strong><br />
Türkei feine Nesitzrechte auf gewisse Schlösser am Marmara-<br />
Meer hatte bestätigen sehen. Es ist auch erwähnt worden,<br />
wie kurz vor <strong>der</strong> uns betreffenden Zeit das Selbstgefühl des<br />
Geschlechts schwer verletzt worden war durch ein Verbrechen,<br />
das einen Angehörigen des San-Fantinschen Zweiges <strong>der</strong> Zorzis<br />
dem Henker überliefert und feine Familie dem Elende preisgegeben<br />
hatte. Doch hatte dies Unglück das Anfehn des Hausen<br />
nicht dauernd zu erfchütteru vermocht; den Verarmten war <strong>der</strong><br />
Staat zu Hülfe gekommen nnd höher loie je stand jener Hieronimo<br />
Zorzi, den Alvise Zorzi feinen Cugnado nennt, fammi<br />
deffen Bru<strong>der</strong> in <strong>der</strong> öffentlichen Achtung da. Diefer Bru<strong>der</strong><br />
war <strong>der</strong> Vorgänger Domenego Malipieros in <strong>der</strong> Führung <strong>der</strong><br />
gegen Franzofen und Florentiner im Jahr 1496 ansgelanfencn<br />
Flotte, während Hieronymus Gefandter <strong>der</strong> Republik am Hofe<br />
Alexan<strong>der</strong>s VI. war. Auch Alvise Zorzi, uufcr Patron, bekleidete<br />
damals bereits ein höheres Ehrenamt, er war im<br />
Jahre 1496 Provedador del Commi, ^") alfo einer <strong>der</strong> drei<br />
Polizei-Direetoren <strong>der</strong> Hauptstadt, nnd als solcher Mitglied des<br />
hohen Senates. Sanudos Bericht über die denkwürdigen Verhandlungelt,<br />
zu welchen in diesem Jahre die Vorschläge <strong>der</strong><br />
Stadt Tarent den Anlaß gaben, läßt erkennen, in welcher hohen<br />
politischen und sozialen Stellung sich damals Scr Alvife br<br />
fand. In den mehrtägigen heißen Debatten, welche bisweilen weit<br />
in die Nacht hinein währten, war Alvife einer <strong>der</strong> wenigen, desfen<br />
als Redner neben dem Dogen, den Dogcnräthen, Ministern und<br />
Mitglie<strong>der</strong>n vom Rathe <strong>der</strong> Zehne Erwähnnng gefchieht. Dann<br />
'^') Sanudo, Diarii. Venedig 187!'. Seite 382.
Herzogs Vojislav X. in den Orient.<br />
kam das böse Jahr 1497 mit dem Abenteuer vom Canal von<br />
Cerigo. Lei<strong>der</strong> ist es noch nicht gelungen, durch Auffindung<br />
maßgeblicher amtlicher Actenstücke die schließliche Meinung <strong>der</strong><br />
Staatsregiernng über Alvifc Zorzis Benehmen bei jenem Vorfalle<br />
zu erfahren. Doch fcheint Domenego Malivieros Aeußerung,<br />
nnfer Herzog habe sich <strong>der</strong> Signoria gegenüber sehr<br />
günstig über Capitän Zorzis Geschäftsführung ausgesprochen, ^)<br />
die eigene Meinung des Annalisten knnd zu geben nnd als<br />
Vorläufer eines amtlichen Endurtheils gefaßt werden zu können.<br />
Malipicros Meinung fällt hier um so mehr ins Gewicht,<br />
als <strong>der</strong>selbe ein anerkannt tüchtiger Seemann nnd Offizier<br />
war nnd damals eine hohe Stellnng im Flottenbefehl<br />
inne hatte. Die Nntcrlassnng <strong>der</strong> gesetzlichen und vertragsmäßigen<br />
Bewaffnung <strong>der</strong> Iaffa-Galere wird sicher <strong>der</strong> heikelste<br />
Umstand in dieser Frage gewesen sein, aber allem Vermuthen<br />
nach schließlich als ein Zeichen von muthigem Selbstvertrauen<br />
nnd Vertrauen auf den Ruf <strong>der</strong> glorreichen Marcusflagge,<br />
nicht als Leichtfertigkeit ausgelegt und mithin nicht mit vollem<br />
Gewicht in die Wagschale <strong>der</strong> Vorwürfe gelegt worden fein.<br />
Dem entsprechend sind auch die späteren Nachrichten, die sich<br />
über Alvise Zorzis Stellung zn <strong>der</strong> Regierung und seine amtliche<br />
Stcllnng finden. Im Jahre 1504, alfo sieben Jahre<br />
nach <strong>der</strong> Geschichte vom Cerigo-Canal, war Alvise Zorzi Podest^<br />
von Vicenza, also oberster Perwaltnngsbcamter einer <strong>der</strong> bedeutendsten<br />
Städte des venetianischcn Festlands, und 1507<br />
Capitano di Vergamo, also in einer <strong>der</strong> gefahrvollsten Zeiten,<br />
welche die Republik noch zn bestehen gehabt hatte, militärischer<br />
Befehlshaber einer <strong>der</strong> bedeutendsten Grenzfestungen nach <strong>der</strong><br />
bedrohtesten Seite Hill. Vielleicht dürfen wir außer den letzten<br />
beiden Angaben auch noch den folgenden längeren Abschnitt<br />
dem „Campidoglio Veneto" entnehmen als eine Art Zeugniß<br />
darüber, wie sich schließlich das Gesammturtheil über Capitän<br />
Zorzi und das Abenteuer im Cerigo-Canal gestaltet habe. Ieden-<br />
a. a. O. Seite 15'^: Ua lalw ottima
Actenstücke zilr Reise<br />
falls ist die Stelle niertwürdig fiir uns und darf nicht Übergängen<br />
werden. ^) Daß dies Campidoglio nicht überall<br />
Glauben verdient, wird das Mitzutheilende selbst zeigen, doch<br />
ist <strong>der</strong> Umstand hier nicht entscheidend. Wir übersehen:<br />
„1498. Luigi Giorgio, Capitän einer sehr starken Galeon<br />
wurde im Jahre 1496 von türkischen Seeränbern überfallen,<br />
wehrte sich aber während ganzer acht Stunden allein gegen<br />
das ganze feindliche Geschwa<strong>der</strong> mit solchem Muth, daß er<br />
die Ungläubigen zwang, sich mit Schimpf nnd Schaden zurückzuziehen,<br />
während er selbst nnr fünf seiner Soldaten verlor,<br />
aber, ein Beweis seiner eigenen Tapferkeit, von vier Pfeilschüsseu<br />
getroffen wurde."<br />
8. Der Pen<strong>der</strong>'sche Gasthof.<br />
Wir haben oben am Schluß unserer Anszüge von Sanndo<br />
gehört, loie er selbst, <strong>der</strong> damals ein Savio ai ordini<br />
war, das Antwortschreiben <strong>der</strong> Signoria an Herzog Bogislav<br />
vom 22. Februar 1499 zu „Peter Pen<strong>der</strong>, dem Deutschen"<br />
trug, und daß dieser Pen<strong>der</strong> das Schreiben sofort an den<br />
Herzog beför<strong>der</strong>te, „da zufällig gerade einer von dort bei<br />
ihm war".<br />
Zur Erklärung dieser Bemerkung und zur Rechtfertigung<br />
dessen, was ich oben in dieser Beziehung angemerkt habe, sehe<br />
ich eine an<strong>der</strong>e Stelle aus Sauudos Tagebüchern her, die ungefähr<br />
<strong>der</strong>selben Zeit angehört.<br />
„Am 14. Angnst 1500.^')<br />
Es erschien"^) Peter Pen<strong>der</strong>, <strong>der</strong> in hiesiger Stadt in<br />
San-Bortolamio einen Gasthof für Deutsche hält, ^") und zeigte<br />
352) l^impiclog'lio vönoto, di ('iiol ^V1(^s. (^li>
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 2W<br />
an, daß vergangenen Abend ein Abgesandter^') des Königs von<br />
Ungarn, <strong>der</strong> nach Frankreich wolle, bei ihm abgestiegen sei.<br />
Das Collegio beauftragte die Herrn Savij ai ordeni^)<br />
Marin Sanudo nnd Antonio Venier, sich im Namen <strong>der</strong> Signoria<br />
355) zu demselben zn begeben nnd sich znr Verfügung Zn<br />
stellen. Wir gingen denn anch "-^)<br />
Peter Pen<strong>der</strong> war demnach ein Deutscher, welcher mi Bezirk<br />
von Sanct Bartholomäus zu Venedig einen Gasthos für<br />
Deutsche hielt, <strong>der</strong> von ansehnlichen Personen besucht wurde.<br />
Der genannte Bezirk ist <strong>der</strong> zunächst an dem sogenannten Rialto<br />
gelegene, dem Mittelpunkt des venetianischen Verkehres. Dort<br />
lag auch das bekannte Kaufhaus <strong>der</strong> Deutschen, <strong>der</strong> noch heute,<br />
aber in an<strong>der</strong>er Gestalt und zu an<strong>der</strong>en Zwecken bestehende<br />
Fondaco de' Tedeschi.<br />
Die Pflicht, persönliche Anzeige <strong>der</strong> bei ihm angekommenen<br />
Reisenden von Bedeutung, und vielleicht aller, bei <strong>der</strong><br />
Regierung zu machen, mag Pen<strong>der</strong> mit allen Gastwirthen<br />
Venedigs geniein gehabt haben; doch daß sein Haus eine Art<br />
von amtlicher Postanstalt war, daß seinem Besitzer, wie es den<br />
Auschein hat, die regelmäßige Beför<strong>der</strong>ung von Regicruugsschrciben<br />
au die norddeutschen o<strong>der</strong> sämmtlichen deutschen Hose uud<br />
die Auswahl <strong>der</strong> damit zu beauftragenden Personen anvertraut<br />
wurde, giebt dem Haus offeubar einen gewissen Vorrang.<br />
Wir dürfen demzufolge vielleicht vermuthen, daß hier Bogislav<br />
bei seiner ersten Aliwesenheit in Venedig gewohnt habe. Wo<br />
<strong>der</strong> Pen<strong>der</strong>sche Gasthof im Rlalto-Viertcl gelegen gewesen uud<br />
wie er sonst benannt worden sei, läßt sich nicht feststellen.<br />
^') O^tor. Aus dem Schluß <strong>der</strong> ausgezogeneu Stelle geht<br />
hervor, daß mau damals mit diesem Worte fürstliche Boten von je<strong>der</strong><br />
Gattung bezeichnete.<br />
^) Das hier Beschluß fassende Collegio war also ein Collegio<br />
pieno, ein die Signoria in sich begreifendes.<br />
^) Der Schluß lautet i „Er dankte nnd sagte, er würde bei seiner<br />
Rückkehr seine Aufwartung machen. Es ist ein Italiener uud, wie<br />
mir gesagt wurde, ein Maler. Der Zweck seiner Reise war, sich di«:<br />
Damen sür eiue Hcirath des Königs anzusehen."
A)4 Actenstücke zur Reise<br />
ij. Venetianische Ausdrücke in Klempins<br />
„Diplomatischen Beiträgen".<br />
In dem Vertrage, den Herzog Vogislav am 8. Mai 1497<br />
mit Capitän Zorzi wegen <strong>der</strong> Ueberfahrt abschloß, „Diplom.<br />
Beitr." S. 543, kommt in ß. 2 und §. 3 ein oltimnui<br />
ä. (^tli^iioi'UN vor nnd wird in den Anhängen zu dem<br />
Vertrage, S. 544 und S. 546, otäciuiü 8p. ci. (^tlia.ii60<br />
genannt. Klempin hat den Ausdruck ohne Erklärung gelassen;<br />
auch beruht die sprachliche Form, in <strong>der</strong> das Wort hier erscheint,<br />
in beiden Fällen auf einem Mißverständniß.<br />
Das lMoium, von dem hier die Rede ist, war das Amt<br />
<strong>der</strong> Domini o<strong>der</strong> Signori ai Cattav^ri, einer ans drei Edelleuten<br />
bestehenden Behörde, welcher das gesammte Schiffswesen,<br />
insofern es die Beför<strong>der</strong>ung von Pilgern nach Jaffa und<br />
Jerusalem betraf, unterstellt war. Hier mußten die betreffenden<br />
Fahrverträge vorgelegt nnd mußten die Namen aller<br />
Mitreisenden eingeschrieben werden. Alle Streitigkeiten, welche<br />
aus solchen Verträgen entstanden, wurden von den Signori ai<br />
Cattavm'i geschlichtet o<strong>der</strong> polizcirichterlich entschieden, ebenso<br />
die Händel zwischen den Seeleuten <strong>der</strong> Jaffa-Fahrer unter sich.<br />
Der son<strong>der</strong>bare Name stammt von einem an<strong>der</strong>en und<br />
älteren Amt, mit dem diese Behörde betraut war. In einem<br />
Actenstück vom Jahr 1280 werden sie 0lkci^i68 äo<br />
genannt, ad 3ci0Qduin ot. in^uii'miclum inti'^t^Z 6t<br />
8^8 001UNI1Ì8 HIIHO HMoiilmtui- c^wvoi'o. Später kommen<br />
sie vor als IMcia.1i 8(M'Q il OiMavoi-o äol ooinun, o<strong>der</strong><br />
als Mticilüi n, i
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 295<br />
besund keinen Zweifel, wie mir scheint, daß die ersten beiden<br />
beanstandeten Stellen <strong>der</strong> „Dipl. Beiträge" zu lesen sind:<br />
oltioii dormnoriim (^tiin.v^iilli. -V6i'imn o<strong>der</strong> Obliavororuni;<br />
für die letzten beiden Stellen aber möchte ich vorschlagen<br />
zu lesen: oi'üoio, bezw. oitioii, äupi-^diotoi'iiiQ clouiinoriiin<br />
(^tl^voi^, sei es daß <strong>der</strong> Schreiber sich dabei ein unmögliches<br />
Actenstücke zur Reise<br />
ihnen verdingt werde, kommt hier nicht vor. Im weiteren<br />
Sinne also wäre ua!nili8^o: den Fahrvertrag znnschen den<br />
beiden Parteien schließen, und wäre dann gan^ dasselbe, was<br />
in dem Vertrage, Seite 545, zweimal mit co in^o i-sln.ro ansgedrückt<br />
wird. In <strong>der</strong> ersten Stelle concordirt <strong>der</strong> Mitreisende<br />
selbst mit dem Capitän nnd <strong>der</strong> '^otar tritt nur als Bcglaubiger<br />
aus, in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Stelle wird <strong>der</strong> Reisende durch<br />
den Notar eoneordirt.<br />
Daß nlUni1i3Äi'6 hier zweimal in <strong>der</strong> Smgularform erscheint,<br />
wo ein n3.!)iiIÌ8lN'unt o<strong>der</strong> n^!)n1i?5N'mi0 gefor<strong>der</strong>t wird,<br />
beruht auf einer sehr unerfreulichen Eigenthümlichkeit <strong>der</strong> venetianischen<br />
Volkssprache, welche auch das Umgekehrte zu leisten,<br />
den Plural statt des Singulars zu setzen, im Stande ist.<br />
Die 50 „(Incliti sie ^otn.", Seite 544, welche die Pommersche<br />
Reisegesellschaft für den Kopf an Fahrgeld und Kostgeld<br />
zahlte, waren ohne Zweifel eben so viel, une die l>0 „dn^ti<br />
iiui'i", welche Bonifortis Compaxe, Seite 545, zu eutrichten<br />
hatte. Man könnte demzufolge auf den Gedanken kommen,<br />
das „/50tld", welches keinen Sinn giebt, sei als .^ontll/' zu<br />
lesen, <strong>der</strong> Kürzungsstrich über dem 0 sei nur aus Verseheu<br />
nicht mitgeschrieben worden nnd die /ontl^ das venetianische<br />
Wort für ^V^iunt^) Znsatz, bedeute also einen Mehrwert!) besagter<br />
Zonta-Dueaten. Doch will die oenetianische Münzgeschichte<br />
von solchen Dncaten „mit Zusatz" nichts wissen. Es<br />
bleibt somit nichts an<strong>der</strong>es übrig, als unter dem „Zota" ein<br />
ursprüngliches Zeca zn vermnthen. Dies gäbe einen vollständig<br />
passenden Sinn. „Dneati de Zeea" o<strong>der</strong> Zecca ist noch heute<br />
ein üblicher Wechsler-Ausdruck für Ducaten, die in einem Znstande<br />
sind, als ob sie eben aus <strong>der</strong> Münze kämen: vollwichtig<br />
und unverwischten Gepräges. Doch ist <strong>der</strong> Sinn wohl, näher<br />
erwogen, ein an<strong>der</strong>er. Das Wort Zeeea wurde zur Zeit des<br />
Vertrages allein erst von <strong>der</strong> venetianischen Münzstätte gebraucht:<br />
die 50 Ducaten, die <strong>der</strong> Herzog zu zahleu hatte, sollteu nicht<br />
allein baare, son<strong>der</strong>n baare venetianische, also Ducaten von jener<br />
Art sein, die man sünszig Jahr später Zechinen zu uennen begann<br />
; die Vollwichtigkeit mag als eine selbstverständliche Sache
Herzogs Vojislav X. in den Orient. 20?<br />
betrachtet worden sein. Damit stimmt, daß diese Vollwichtigfeit<br />
bei den 60 linciti lnii'i, welche die an<strong>der</strong>n zu zahlen hatten,<br />
nicht vertragsmäßig ausgesprochen wird, nnd daß ohne weiteres,<br />
als ob man so eben den Kurszettel eingesehen habe, 50 Venetianer-Dueaten<br />
für gleichbedeutend an Werth mit 60 Stück<br />
Mailän<strong>der</strong>, Florentiner und an<strong>der</strong>er Dueaten behandelt werden.<br />
Wirkliche Belegstellen für diese Auslegung fehlen mir,<br />
doch führe ich folgende Beispiele weiteren Vorkommens <strong>der</strong><br />
Wendnng an. Von 1497: Hl^ lancio 500 dritti do C6(?ii<br />
m^n^n'i^, wo das Ceca (so geschrieben, weil venetianisch Ceca<br />
zn sprechen wie zeca) den Werth <strong>der</strong> Gabe in <strong>der</strong> Vorstellung<br />
des Lesers offenbar zu steigeru bestimmt ist. Malipiero a. a.<br />
O. Seite 153. Von demselben Jahr: äno^ti 500 ^ni'i cl0<br />
c^Iia,, Geschenk <strong>der</strong> Republik an den türkischen Gesandte!:.<br />
Archiv m I^i'^i. Nä. Lecrot^ 44, Fol. 12. Vom Jahr<br />
1499 : (^(5H 6 (ÜÄ38^ heißt es in den Activen einer Bankerotts-<br />
Bilanz, nachdem schon die älmiu'i coin^äi angegeben sind.<br />
Letztere sind abgezähltes Geld, während (^6CH 6 0^88^ baarcs,<br />
aber loses Geld sein wird. Malipiero a. a. O. 717.<br />
Die tlioloui^ii, tliolcm^ii o<strong>der</strong> toimn^n, welche Seite<br />
544, 545 und 546 den Fahrvertrag auf dem Cattavere-Autt vorlegeu<br />
und deffen Vollziehung besorgen, sind offenbar eine Art<br />
Notare. Man darf also nicht daran denken, das wun<strong>der</strong>lich<br />
lantende Wort, das nur sehr kurze Zeit iu Uebung gewesen<br />
sein muß, deuu Niemand will es hier jemals gehört o<strong>der</strong> gesehen<br />
haben, von ^Innarii abzuleiten, was sprachlich gut ginge,<br />
die tiwloniQAii aber zu Zollbeamten macheu würde. Nun<br />
waren allerdings die amtlichen Neschäftiguugeu <strong>der</strong> altveuetiauischeu<br />
Beamteu meistens so wun<strong>der</strong>lich und willkürlich gemischt,<br />
daß anch hier <strong>der</strong> tliolom^g'iuZ allenfalls als ein Unterbeamter<br />
des Cattavere-Amtes iu desseu Eigenschaft als eine Art Zollamt<br />
uud Steuerann und zugleich als notarieller Vermittler <strong>der</strong><br />
dort abzuschließenden Schiffsverträge zu deukcu sein könute;<br />
indessen ist die Herleituug des Wortes von t^n^rin8, dem<br />
gewöhnlichsten Ausdrucke für Notar, — aber allerdings daneben<br />
auch wie<strong>der</strong> Zollschreiber — jedenfalls einfacher, wenigstens
298 Actenstücke zur Reise Herzogs Vogislav X. in den Orient.<br />
auf venetianischem Sprachgebiet. Denn während Ducangc z. B.<br />
den tsIoiiHi'iuZ in einer ganzen Reihe von mittelalterlichen<br />
Wortgestaltungen kennt, welche denselben beinahe schon zn einem<br />
8 machen, wie t^ionarinL, tkolon^i'iu^ tkolona.u.<br />
s. w., findet sich da neben dem ta.dn1ln'iu8 nur noch<br />
die Nebenform t^doilio; venetianisch aber ist die Wandlung<br />
des t^du1a.i-iu8 in einen t0i0in3,^iu8 ein sich sehr leicht vollziehen<strong>der</strong><br />
Vorgang, ^kni^, das italienische tavola, ist venetianisch<br />
noch heute t^ola., tola,, toi0N6. Durch die dialektische<br />
Neigung, wie sie wenigstens in älterer Zeit bestand, an die<br />
Stelle des n in den Endungen ein m zu setzen, wird aus dem<br />
toloua.i'iiiL wie von selbst ein toiomHrins. Die Endung ai'iu.8<br />
aber ist italienisch nicht nur 3^0, son<strong>der</strong>n auch ^10 uud ging<br />
darunr in mittleren Zeiten ins Lateinische gern als 3^iu8 zurück.<br />
-
Caminer Kirchenglocken.<br />
Von !)r. R. Prümers.<br />
Lange Zeit hatte das Geläute des Kammer Domes geschwiegen,<br />
hatte <strong>der</strong> eherne Mund <strong>der</strong> Glocken die Gläubigen<br />
nicht mehr zum Gebete zusammengerufen, als endlich im Jahre<br />
1620 das Caminer Domeapitel sich bewogen fand, mit einem<br />
Glockengießer in Verbindung zu treten und durch das Umgießen<br />
zweier gespruugener Glocken ein vollständiges Geläute wie<strong>der</strong>herzustellen.<br />
Es war zu damaliger Zeit den Kirchen nicht so<br />
leicht gemacht, wie in <strong>der</strong> Gegenwart, sich mit einem bewährten<br />
Meister zu verständigen und in dessen Gußhause die Arbeit<br />
verrichten zu lassen. Die Glockengießer zogen vielmehr von<br />
Ort zu Ort o<strong>der</strong> wurden dahin berufen, wo gerade ein Bedürfniß<br />
nach ihnen sich geltend machte und hier an Ort uud<br />
Stelle konnten sie erst ans Werk gehen. Die Schwierigkeit des<br />
Transports, <strong>der</strong> fast völlige Maugel an Kunststraßen je<strong>der</strong> Art<br />
wiesen nothgedruugen auf dies Verfahren hin.<br />
Hatte <strong>der</strong> Meister seinen Bestimmungs-Ort erreicht, so<br />
galt es, zunächst ein Gußhaus zu bauen, ja selbst das Material<br />
häufig aus weiter Ferne kommen zu lassen. Ein glücklicher<br />
Umstand war es noch zu nennen, wenn altes Material, welches<br />
sich von neuem verwerthen ließ, vorgefunden wurde.<br />
Nach Camin kam im Jahre 1620, ob berufen, ob auf<br />
einer größeren Reise, lassen wir unentschieden, <strong>der</strong> Glockengießer<br />
Franz Breutel aus Lothringen, wie er bezeichnet wird, ein<br />
Meister in seiner Kunst, wenn man nach den Sätzen, die ihm<br />
bewilligt wurden, schließen darf. Mit diefem wurden die Domherren<br />
<strong>der</strong> Kirche zu Camin am 14. September über den Guß<br />
zweier Glocken einig. Nach dem hierüber durch den Struktua-
300 l)l-. R. Prümers,<br />
rins, den mit den banlichen ^Arbeiten betrauten Domherrn<br />
Heinrich Krause, allfgesetzten Vertrage erhielt Vrentel siir den<br />
Gnß je<strong>der</strong> Glocke 90 Thlr., nnd zuiar den vierten Theil sofort<br />
baar nach Vollendung seinem Werkes die übrigen drei Viertheile<br />
nach Verflnß eines Jahres. Auch sollte dein Ä^eister<br />
em guter Hut, wie er in Camin zu kaufen, gegeben werden —<br />
übrigens begnügte er sich später mü zwei Thalern als Aeqnivalent<br />
für diesen. Er selbst nebst seinen: Gehülfen Thomas<br />
wurde ans <strong>der</strong> Dombankasse beköstigt; für sein Pferd erhielt<br />
er wöchentlich zwei Scheffel Hafer zugestanden. Ferner sollten<br />
ihm alle Anslagen ersetzt werden. Dafür verpflichtete er fich<br />
aber anch, die Arbeit innerhalb vier Wochen zn verrichten,<br />
„daß das geringste Iota o<strong>der</strong> Mangel daran nicht soll gesnnden<br />
werden."<br />
Ncbrigens scheint Franz Breutel nicht <strong>der</strong> einzige bei diesem<br />
Unternehmen Betheiligte gewesen zn sein, da späterhin <strong>der</strong><br />
kunstreiche Dietrich Schapell nnd die Brü<strong>der</strong> Johann, Franz<br />
nnd Magnus Vreutel als Gläubiger <strong>der</strong> Tombankasse für den<br />
ansgeführten Guß bezeichnet werdeu. Der eigentliche Werkmeister<br />
jedoch war jedenfalls Franz Breutel.<br />
Rüstig machte er sich sofort aus Werk. Nach dem Aufbau<br />
des Gußhauses uud in seinem Schutze stellte er mit seinem<br />
Gehülfen Thomas und zwei Handlangern znnächft den Schmelzofen<br />
her, bei dessen Anfbau ihn zngleich ein Maurer aus Camin<br />
unterstützte. 1500 Ziegel-Steine nnd Anker von Z Fuß Länge<br />
wurden erfor<strong>der</strong>t, um den Wandnngen die nöthige Festigkeit zn<br />
geben; zum eisernen Rost sowie znm Modell brauchte er 80 Psd.<br />
Eisen. Mit grobem Hanf nnd Flachs — hentzntage nimmt<br />
man hänftger Häcksel, Knh- o<strong>der</strong> Pferdedung, um den Lehm<br />
trockener zu machen — wnrde <strong>der</strong> Lehm für die Forni selbst<br />
gemischt nud mit Eisendraht in großer Menge befestigt, nm<br />
ihn wi<strong>der</strong>standsfähiger zu machen. Znr Glockenspeise waren<br />
dem Meister zwei zersprnngene Glocken zur Verfügung gestellt,<br />
welche jedoch noch im Thnrme hingen und mit <strong>der</strong>en Abnahme<br />
man den Zinunermeister Jochim Bernd betrantc. Ohne Unfall<br />
ging das schwere Werk von Statten nnd nnn machte sich <strong>der</strong>
Caminer Kirchenglocken. Z01<br />
Grobschmicd Nartholomeus Rüge an die Arbeit, „das Zeug<br />
von <strong>der</strong> Glocke zn schlagen/' d. h. dieselben von den überflüssigen<br />
Eisentheilen, den Oesen, in welchen <strong>der</strong> Klöppel hing,<br />
jowie denen, durch welche die Glocken am Sticht befestigt waren,<br />
zn befreien. An weiterem Material kommen hinzu drei Eentner<br />
Metall zum Preise von 90 Thlr., welche Brentel durch die<br />
Schnlzenpfcrde ans Wolgast geholt hatte, ferner V? Ctr. Zinn<br />
ans Stettin für 3Z fl. Die Herbcischaffnng des Erzes ans<br />
Wolgast hatte weiter teine Kosten geinacht als die Ausgaben<br />
für drei Scheffel Hafer, welcher mitgenommen wnrde, neben<br />
kalter Küche für 24 Groschen nnd an Geld 1 fl. 20 gr. für<br />
Bier und für Ueberfetzcn anf den Fähren mit dem Glockengießer.<br />
Da das Ueberfetzen nicht mit fehr großen Kosten verknüpft<br />
war, so müssen wir in <strong>der</strong> Höhe des letztanfgeführten<br />
Postens eine »gewisse Neignng des Meisters für kühlende Getränke<br />
bei feinem heißen Geschäfte mnthmaßen und mag hier<br />
znr Bestätigung unserer Vermuthung kurz aufgeführt werden,<br />
Ums er in den fünf Wochen zn Camin mit feinem Gehülfen<br />
verzehrt hat. Da stehen anf <strong>der</strong> Rcchnnng 15 fl. für zwei<br />
Mahlzeiten täglich, zn je<strong>der</strong> Mahlzeit drei Gerichte, Fleifch<br />
o<strong>der</strong> Fifche ü. 8 gr., 5 Ort 4 ß. für Weißbrod nnd neben<br />
diesen substantielleren Nahrungsmitteln „3 fl. 12 gr. für Bier,<br />
noch drei Tonnen Bier, die Tonne 10 Ort, machte 7^2 fl."<br />
nnd endlich fcchs Nößel blanken Wein, das Nößcl zn 6 gr.<br />
Man sieht, <strong>der</strong> Meister wnßte zn leben, znmal wenn man die<br />
Einfachheit <strong>der</strong> damaligen Zeit gerade in Bezug auf Reichhaltigkeit<br />
<strong>der</strong> Geuüsse außer bei festlichen Gelegenheiten in Betracht<br />
zieht.<br />
Uebrigens waren diese Kosten garnicht unbedentcnd nnd<br />
gewiß hatte es auch Belang, daß freiwillige Beisteuern anfgebracht<br />
wurden. So verehrten die Stadtlentc zn Camin<br />
25 fl. 17 ß. ohne das Grapenzeug.<br />
Das Gußhaus war nun fertig, das Material zur Stelle,<br />
die eigentliche Arbeit konnte beginnen. Znnächst wurde <strong>der</strong><br />
Stand aus Ziegelsteinen stark gemauert hergestellt. Um diesen<br />
hernm in doppelter Höhe schloß sich <strong>der</strong> Kern ans Lehm, ge-
302 t>. R. Prümers,<br />
mischt mit 10 Pfd. Flachs und grobem Hanf, nnd ihn erhitzte<br />
man so lange, bis er gänzlich trocken, war. Noch jetzt<br />
ist es Sitte, hierauf den Kern mit Bier, Milch o<strong>der</strong> zerschlagenen<br />
Eiern zn bestreichen — es ist das sogenannte Aeschern<br />
— wodurch eine leichtere Lösbarkeit des Metalls von <strong>der</strong><br />
Lehmschicht erreicht werden soll. Unser Meister Vreutel kann<br />
mit seiner bei diesem Posten sehr übertriebenen For<strong>der</strong>nng aber<br />
vor <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> Nachwelt nicht bestehen, da er nicht weniger<br />
als 300 Eier zn diesem Zwecke for<strong>der</strong>te, wahrend vielleicht 20<br />
Stück völlig ansgereicht hätten, wie uns einer seiner Nachfolger<br />
in <strong>der</strong> Kunst versichert. Das Hemd bildete den äußeren<br />
Abschluß <strong>der</strong> Glocken, gleichfalls aus feinem Lehm anf das sorgfältigste<br />
gearbeitet und überzogen mit Eisendraht, nm dein<br />
Ganzen eine größere Haltbarkeit zu geben.<br />
Ohne Fährlichkeiten ging <strong>der</strong> Guß selbst von Statten nnd<br />
am 22. Mai 1621 war den Eaminern die hohe Freude gegönnt,<br />
dem Anfwinden <strong>der</strong> neueu Glocken beiwohnen zn können.<br />
Sie scheinen jedoch bedeutend größer als die früheren<br />
gewesen zu seiu, da <strong>der</strong> Zimmermann Jochim Vcrud einen<br />
ganz neuen Glockenstuhl baueu mußte, dessen Ausdehnung<br />
vielleicht einen Rückschluß anf die Größe <strong>der</strong> Glocken gestattet.<br />
An Holz wurden nämlich 9 Stück Eichen erfor<strong>der</strong>t, das erste<br />
von 37' zu 1 fl., das zweite vou 39" zu 5 Ort, das dritte<br />
vou 46' zu 5 Ort, das vierte von 26" zu 3 Ort, das füufte<br />
von 25' zn 3 Ort, das sechste von 14' zu ^/2 fl., das siebente<br />
von 20' zu 3 Ort, das achte von 35' zu 5 Ort, das nennte<br />
vou 30' zu 1 fl. An Fichten kamen hinzu ein Stück von<br />
39', das zweite von 36', das dritte von 16 ^/2', das vierte<br />
vou 34', jedes Stück zu 3 fl. Der Reepfchläger Hans Nnncken<br />
verbrauchte zur Verfertigung des großen Taus, mit welchem<br />
die Glocke von außen aufgewunden wurde, 7 Stein 2 Pfd.<br />
Hanf zu 15 fl. 1^» ß. und erhielt an Arbeitslohn dazu 6 fl.<br />
Die Wyckschen Leute waren zum Aufziehen <strong>der</strong> Glocken geduugen;<br />
bald fchwebten letztere in schwindeln<strong>der</strong> Höhe und<br />
wnrden durch den erwähnten Zimmermann in dem neuen<br />
Glockenstuhle anfgehangen; anch erwarb ihre Nnterbringnng
Camiuer Kirchenglocken. 303<br />
die volle Zufriedenheit Meister Brcutels, welcher sich jedoch erst<br />
nach Zahlung von sieben Ortsthalcrn dazu verstand, nach seiner<br />
bisher gehabten Mühe zu ihrer Besichtigung in den Thurm<br />
zu steigeu.<br />
Lei<strong>der</strong> war den Glocken nnr ein kurzes Dasein beschieden.<br />
Die Schrecken des dreißigjährigen Krieges drangen auch nach<br />
Camin. Am 4. Inni 1620 brannte die Stadt Camin fast<br />
ganz ab, mit ihr <strong>der</strong> Thurm des Domes; die Glocken schmolzen,<br />
das Gut lag unter Schutt und Trümmer bis zum Jahre<br />
1635, in welchem es gesammelt und zum Guß ueuer Glocken<br />
verwandt wurde, jedoch so unvollständig, daß man noch ini<br />
Jahre 1848 beim Restaurations-Vau große Mengen Gut im<br />
Schutte des Fußbodens fand.
Eimmduicrngstcr Zahresbencht<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommersche Geschichte<br />
und ^ltcrthumskuudc.<br />
. October bis 31. December 1878.<br />
1. Mitglie<strong>der</strong>ftatistik.<br />
Als ordentliche Mitglie<strong>der</strong> sind <strong>der</strong> Gesellschaft beigetreten<br />
die Herren<br />
1. Kaufmann Arft in Grabow a. O.<br />
2. Königl. Amtsrath Brandt in Codram.<br />
3. Regiernngs-Assessor v. Bunan in Stettin.<br />
4. Praktischer Arzt Di'. Fischer in Massow.<br />
5. „ „ Di'. Ger dt in Gr. Stepenih.<br />
6. Lieutenant Glozin in Coldcmanz bei Greifenberg.<br />
7. Pastor Hafcnstein in Vitzmitz.<br />
8. Lehrer Ianezikowski in Stojenthin.<br />
9. Major z. D. von Kessel in Berlin.<br />
10. Ortsdorsteher Laß in Stolzenbnrg bei Pasewalt.<br />
:i. Kreisrichter Dr. ^c'oll in Stettin.<br />
^12. Schiffsea^»itän Neilinann in GraboU' a. O.<br />
13. Lehrer Nitzschke in Grabow a. O.<br />
14. Praktischer Arzt Di'. Sanerhcring in Stettin.<br />
15. Lehrer Snceow in Penknn.<br />
16. Lehrer Wegner in Zipkow bei Stojenthin.<br />
Im Kalen<strong>der</strong>jahre 15)78 iiberhallpt 69 Ncitglie<strong>der</strong>.<br />
^
(5inundvier^ster Jahresbericht, lll. )>sj5<br />
8< Alterthümer.<br />
Was nur diesmal zu besprechen haben, bezieht sich ausschließlich<br />
ans die im Verlauf <strong>der</strong> letzten drei Monate nnseren<br />
Sammlungen zugegangenen Gegenstände. Es sind <strong>der</strong>en<br />
nicht viele; aber es befinden sich unter denselben Stücke von<br />
hohem Interesse.<br />
Unter Nr. 1 ist <strong>der</strong> Balt. Stud. XXIX Hest 1 S. 116<br />
erwähnte St ein fund von P a se walk verzeichnet, den nur<br />
zu erwerben das Glück gehabt haben. Von beson<strong>der</strong>en: Werthe<br />
sind die beiden Feuerstciukno llen, an welche die erste<br />
Hand gelegt ist, uni aus ihnen Beile zu verfertigen. Der<br />
ganze Fund darf als ein im Wasser geborgener Moorfund angesehen<br />
werden, welche Art Bcrgnng bisher nur bei Bronzesacheu<br />
beobachtet ist.<br />
Die unter ? verzeichnete Mü tzennrn e, ein vorzügliches<br />
Exemplar, das unversehrt ist, entspricht ihrem Habitus nach<br />
durchaus <strong>der</strong> vom Herrn Professor Virchow in den Versammluugeu<br />
<strong>der</strong> Verl. authrop. Gesellschaft November 1874<br />
Seite 22 besprochenen nnd dort Tafel XVI abgebildeten Urne<br />
von Nombeyn bei Wongrowietz, nur daß an Stelle <strong>der</strong> dieser<br />
Urne eigenthümlichen reichen Verzierung anf <strong>der</strong> unsrigen oberhalb<br />
des Bauches ein einfacher ährenartiger Kranz hernmlänft, genau<br />
wie auf <strong>der</strong> vou Herrn Dr. Voß besprochenen Gesichtsnrne<br />
aus dem Kreise Ezarnikau (Verh. <strong>der</strong> Verl. anthropol. Ges.<br />
14. November 1877 Tafel XX). Auf diese Besprechung verweisen<br />
wir auch in Bezug auf die unter Beil. Nr. 8 verzeichnete<br />
Gesichtsurne von Kreitzig, die anßer Nase, Augen<br />
und Ohrenleisten noch Andeutungen <strong>der</strong> Ohrenö'ffnnngen enthält.<br />
Unsere Urne schiebt im Norden die Grenze <strong>der</strong> bisher<br />
beson<strong>der</strong>s zahlreich in Pommcrellen gefundenen Gesichtsurnen,<br />
nachdem dieselben dnrch dcu Major Herrn KaMi auch bei<br />
Neustettin aufgegraben sind, noch weiter westlich bi^ in die<br />
Nähe von Schivelbein.<br />
Der Beilage Nr. 10 verzeichnete Moorsund von<br />
B abbin gehört zn den reichsten, die in unserer Provinz gemacht<br />
20'
Cinundvierzigster Jahresbericht. III.<br />
sind. Das unter k verzeichnete Stück ist von ganz räthselhaster<br />
Forni. Der nnter g erwähnte kleine Barren niit seiner<br />
hernmlanfenden Marke, wo <strong>der</strong>selbe durchgeschnitten ist, möchte<br />
wohl als Werthstück, d. h. als Geld, angesprochen werden<br />
können. Die vielen zerbrochenen o<strong>der</strong> desecten Stücke, insbeson<strong>der</strong>e<br />
aber die drei kupsern e n Gußklumpen machen es<br />
wahrscheinlich, daß <strong>der</strong> Fund unmittelbar aus den Händen eines<br />
Handwerkers stammt, <strong>der</strong> zur Umschmelzung seines ^03 coli^otmlmiQi<br />
einen Vorrath Kupfer mit sich geführt hat.*)<br />
Der Fund des römischen Denars von Co mm odns<br />
(Mr. 17) ist wie<strong>der</strong>nm in Sinzlow erfolgt, wo schon einmal<br />
zwei Kaiserdenarc (Vgl. I. B. XXXIX S. 30) ans Licht<br />
getreten sind, also vollkommen nnverdächtig.<br />
Sehr werthvoll ist <strong>der</strong> Fuud römischer Perlen<br />
(Nr. 24), nur daß <strong>der</strong> Fundbericht lei<strong>der</strong> nichts weiter angiebt,<br />
als daß sie znsammen mit Urnen gefnnden sind.<br />
Eine überaus schätzbare Erwerbung für uuscre Sammlnngen<br />
ist die des Min i at ur bi ld es Barnims XII. (f 1603),<br />
dessen schon Oelrichs (Gepriesenes Andenken Seite 100) im Jahre<br />
1763 als eines Schatzes <strong>der</strong> Bibliothek des Domes in Eolberg<br />
erwähnt. Das sauber gemalte Bild ist das Original <strong>der</strong> in<br />
nnserm Besitz befindlichen (übermalten) Copie auf Holz.<br />
") Herr Medizinalassessor Marqnardt, <strong>der</strong> die Güte gehabt hat,<br />
eine Analyse dieses Kupfers anzustellen, schreibt nns darüber:<br />
„Das Nietall enthielt ans 100 Theile berechnet,<br />
Knpfer 98,8<br />
Schwefelknpser . . . 1,^<br />
Eisen (Spur) Unreinigkeit 0,2<br />
100"<br />
Ob das Schweselkupjer ein beabsichtigter o<strong>der</strong> ans <strong>der</strong> Darstcl«<br />
lnng des metallischen Knpfers herrühren<strong>der</strong> Vestandtheil ist, kann ich<br />
nicht sagen. Die Spur Eisen ist jedenfalls irrelevant."
Beilage. 307<br />
Beilage.<br />
Erwerbungen des antilzuanschen Museums<br />
von Ende November 1878 bis Ende Febrnar 1879.<br />
II'' — Fundorts<br />
I. Heidnische Alterthümer.<br />
.
)l)^ Eimmdvier.na.ster Jahresbericht, lls<br />
in a nu daselbst. ^I. 1472.^ fiieber diese wendische Wohnstätte vgl.<br />
Verhandlungen <strong>der</strong> Berliner anthrovol. Gesellschaft Inni 1373.)<br />
7. u. Mützennrne 25 Ein. h. 20 Cui. Vanchdnrchniesser, <strong>der</strong><br />
Hals 20 Cm. h. Der gewölbte mützenartige Deckel hat eine stöpselartige<br />
Verlängerung nach innen. Wo sich <strong>der</strong> Banch in den Hals<br />
verschmälert, länft eine ährenartige Verzierung hernm. Die Urne ist<br />
glänzend schwarz nnd fast ohne Verletzung.<br />
d. Beigabe: die eine Zange einer Bronze-Pincette 7 Cm.<br />
l. ^ Wierzchutschin, Kreis Lancnburg, beim Chaussecbau im<br />
Walde. — Herr Schachtmeister Deftperma n n in Laueuburg dnrch<br />
Herrn Gymnasiallehrer Haber daselbst. ^I. 1471.><br />
8. i^. Gesichts urne. (Vgl. Balt. Stnd. XXIX Heft 1 S. 120.)<br />
I>. Beigabe: Eiserne Nadel mit rnndem Knopfe nnd wellenförmig<br />
gekrümmtem Halse. 1'' Kreitzig bei Schivelbein. — Herr<br />
Nr. Kl am a nn. II. 1473. j<br />
(^. Bronzesachen.<br />
l). Pa al st ab 14 Cm. l., Schneide 4,5> Cm. b. mit ganz durchgeben<strong>der</strong><br />
Schaftkerbe (siehe Frid. Franc. T. XII l, 7). 1'' Pod ejuch,<br />
Sandberge am Bahnhofe. — Herr Bauunternehmer Lenz hier.<br />
lI 1469^<br />
10. n. Zwei aus 3 Cm. breiten Bän<strong>der</strong>n gewuudeue Oberarmspir<br />
al en, mit fortlaufenden Pnnktlnnen verziert sBrnchstiicte)-.<br />
l). drei vollständige Unterarmspiralen von N, 13, 1 ^ Wiudnngen<br />
und fünf Fragmente von solchen; (^. Diadem (Zweidrittel-<br />
Fragment) ; d. zw e i v ollstän d igc Pa alstäbe ( 17 Cm. l. 8 Cm.<br />
b. nnd 13 Cm. l. 5,5 Cm. breit) ähnlich wie Frid. Franc. Xill, 5-<br />
(!. eine 16 Cm. lange dicke stumpfe Nadel; t'. Bruchstück eiuer<br />
Nadel l?)7Cm. l.; ^. viereckige Barre 14Cm. l. 7 nun. b.,<br />
am oberen Ende neben einem hernmlanfenden Kerb durchgeschnitten;<br />
k. Schneide eines Dolches, 1!) Cm. l. 3 Cm. b. s Griff fehlt) ;<br />
i. fünfLanzenspitzen, I l - 13 Cm. l.; 1
Beilage, 309<br />
II. Münzen nnd Abbildungen von Medaillen.<br />
13, Drcigroschen Herzogs Albert von Preußen v. I. 15)40.<br />
Herr Stadtverordneter Di ttmer hier. ^I. 1467.)<br />
14. Photographie einer Medaille ans Ernst L n d w i g und<br />
Sophie Hedwig v. I. 1589. (Die Medaille ist im Besitz <strong>der</strong><br />
Gesellschaft.) — Herr Rechtsanwalt Kirchhof in Grcifswald.<br />
II. 1468.1<br />
15). Thaler Friedrichs III. von Brandenburg von 1695 nach<br />
dem bnrgundischen Fnß. — Herr Direktor Kl eins orge hier.<br />
lI. 1474.1<br />
16. Denar Kaiser Hei n richs III. wahrscheinlich von Hildeshcim,<br />
Vordcrs. lloiin-i^u8 Imj)r., bärtiges Brustbild des Kaisers, Rucks.<br />
8o^. ^I^riu, Brustbild <strong>der</strong> Iungfran Maria (Dannenbcrg Nr. 709).<br />
1^ Sinzlow. -- Herr Lehrer Richter. ^I. 1475.1<br />
17, Denar des Kai fers Commodus loben fast zur Hälfte ab-<br />
gebrochen) v. I. 177. Vor<strong>der</strong>s.: Um den mit Lorbeer bekränzten<br />
Kopf Im^. (^^l si'. 1^. ^UI'0!. (^01UM0i(Iu8 (3
310 Einundvierzigster Jahresbericht. IH.<br />
23. Eiserne Speerspitze, 23 Cm. l. ^ Vinow, IV2 F, tief<br />
beim Grabenziehen. — Herr Vanerhosbesitzer R ei s sengräber.<br />
24. Vi erzehn Ve rnste inkoral le n von 3,5 Cm. bis 0,5 Cm.<br />
Durchmesser und vierzehn römische Glasperlen, davon<br />
10 rothbrann, 2 glasgrün, 1 blau und gelb, 1 meergrün und<br />
gerillt. ^ Woedtke bei Tauenzin, Kreis Lauenburg, in einem<br />
abgetragenen Berge, in welchem 4 F. tief viele Aschenurnen lagen.<br />
— Herr von Rexin daselbst. A. 1481.)<br />
Druck von Derrcke ^ Lebeling Stettin.
WUNNUUUMMWlU
oer, welche intiVesiy älterer Iahrgällge, beson<strong>der</strong>s I., II., XII. 2, XXI. 1, XX^IV.<br />
und XXVIII. <strong>der</strong> Balt. Studien sind und kein beson<strong>der</strong>es Interesse an denselben haben, werden höflichst<br />
ersucht, sie entwe<strong>der</strong> gratis o<strong>der</strong> gegen einen zu verabredenden Preis <strong>der</strong> Gesellschaft zu überlassen.<br />
Der Vorstand.
Inhalts. Verzeichnis<br />
Di-. Kühne: Das bundekorn !611-455<br />
v. Bülow: Verlassenschaftsinuentar <strong>der</strong> Herzogin Sophie<br />
von Pommern 456—465<br />
u. Vülow: Eine tartarijche Gesandtschaft 465—469<br />
v. Vnlow: SittenvolizeilicheZ ans dem 18. Iahrhnn<strong>der</strong>t 470<br />
Einunduierzigster Jahresbericht. IV. nnd Schlnß . . . 471—504
Das Hundekoru.<br />
Einleitung<br />
von dem Appellationsgerichts-Präsidentcn Dr, Kühne<br />
in <strong>Greifswald</strong>.<br />
In Nenvorpommern lastet auf vielen Gütern eine Abgabe,<br />
welche als „Hundekorn" bezeichnet wird uud meistens in<br />
Getreide, zuweilen auch in einem Geldäquivalente zu entrichten<br />
ist. Der Berechtigte ist in den meisten Fällen <strong>der</strong> Königliche<br />
Fiskus; zuweilen sind es aber auch an<strong>der</strong>e juristische Personen<br />
wie Kirchen, Städte, Stiftungen. Ob Privatpersonen noch<br />
jetzt Hundekorn zu for<strong>der</strong>n haben, ist mir uubekannt.<br />
Das Gesetz vom 2. März 1850 betreffend die Ablösung<br />
<strong>der</strong> Reallasten und die Regulirung <strong>der</strong> gutsherrlicheu und bäuerlichen<br />
Verhältnisse (Preußische Gesetz-Sammlung 1850 Seite 77)<br />
bestimmt in §. 3:<br />
„Es werden ferner folgende Berechtigungen, soweit sie<br />
noch bestehen, ohne Entschädigung aufgehoben:<br />
6. alle in Bcziehuug auf die Jagd obliegenden Dienste<br />
und Leistungen."<br />
Bald nach <strong>der</strong> Emanation dieses Gesetzes wurde die Behauptung<br />
aufgestellt, daß durch die mitgetheilte Bestimmung<br />
die Hundekorn-Abgabe beseitigt sei.<br />
Im Wege des Prozesses machte zuerst die Stadt <strong>Greifswald</strong><br />
den Anspruch auf Auerkeunuug <strong>der</strong> Freiheit ihres Gutes<br />
Wüst-Eldena von einer bis dahin entrichteten Huudekorn-Abgabe<br />
gegen den Königl. Fiskus geltend. Nachdem sie in <strong>der</strong><br />
21
il^ Das vundekoni,<br />
höchsten Instanz obgesiegt iiatte, ') erhoben An<strong>der</strong>e den gleichen<br />
Ailsprilch gegeli den Fistia - auch in diesen späteren Prozessen -)<br />
ist <strong>der</strong> letztere in <strong>der</strong> höchsten Instanz vernrtheilt.<br />
Alle diese Erkenntnisse <strong>der</strong>nhten ans <strong>der</strong> Annahme, das;<br />
Hnndekorn eine Iagdaogade iei, eitstanden an^ dee nrsprünglichen<br />
Verftflichtnllg <strong>der</strong> Unterthanen znr An^siitteriing <strong>der</strong><br />
fürstlichen Iagdhnnde. Insbeson<strong>der</strong>e lvar von deni Gericht,<br />
<strong>der</strong> ersten Instanz, dein Uönigl. Kreisgerichte zn GreifsN'ald<br />
ausgeführt, daß in dieser Vedentnng die Abgabe anch in an<strong>der</strong>en<br />
Gegenden Deutschlands vorkonune, daß sie von den<br />
Schriftstellern, welche sie erwähnten, stets als Iagdabgabe bezeichnet<br />
^) nnd daß ailch ili Nenvorvommern diese ihre Natnr<br />
') Urtheil des 5töuigl. il<strong>der</strong>Tlibuiials zn Berlin Vom l^.<br />
ber 18').'), in Striethorsts Archiv für Rechtfälle Vd, 1^> S. '27 l.<br />
2) Einer dieser späteren Prozesse war <strong>der</strong> von Nr. Niggers in<br />
seinen Gutachten (Abschn. X.) erwähnte: Dieckelmann wi<strong>der</strong> den,^011.<br />
Fiskus. Anch gegen an<strong>der</strong>e berechtigte außer dem Fiskus ist in<br />
gleicher Weise erlannt, z. B, gegen die St. Petri-Kirche zu Wolgasi,<br />
welche die Eintragung einer Abgabe in das Hypothekenbuch über dc^<br />
Hof des Schulzeu Vahl zu ^iidinin verlangte nnd lvelcher Vahl di.-<br />
Einrede entgegensetzte, daß die Abgabe Huudekoru und deshalb beseitigt<br />
sei.<br />
^) Die weit verbreitete, man tann wohl sagen herrschende An<br />
ficht, daß Hundckorn, wo es vorlonnne, stets eine Iagdabgabe sei, hätte<br />
beinahe dahin geführt, daß es in dein Gesetze vom '2. März 1^'>i> be<br />
son<strong>der</strong>s als solche genannt wäre. Die erste Redaction des Gesetz-Enl<br />
wnrfes erklärte nämlich als ohne Entschädigung aufgehoben 1<br />
„die in Vezng ans die Jagd obliegenden Dienste und Leistungen,<br />
wohin anch die nnter dem tarnen: Huudekoru, Huudehafev,<br />
Hundebrod vorkommenden '.'lbgaben gehören."<br />
Diese Spezialisirnng beson<strong>der</strong>s benaiilltcr Abgaben wnrde zlvar<br />
ui den späteren Redactionen weggelassen, aber nur deshalb, weil man<br />
befürchtete, daß die Spezialisirung die Folge haben könnte, daß d!<br />
Natnr an<strong>der</strong>er unzweifelhafter ^agdabgabeu in Frage gebracht werden<br />
köuute. Vergl. Lette, Zeitschrift für Landes - Cnltnr - Gesetzgebung<br />
Bd. ^> S. '^,>l> ff. Stenographische Berichte <strong>der</strong> zweiten Kammer<br />
von 1^4l». S. 8^. l37t;. 1 ll)';. f.<br />
Ucbrigens ist die Deutung des Wortes Huudckoru als Bezeichnung<br />
einer Iagdabgabe anch von den Sprachforschern bisher auschciuend<br />
uicht beanstandet, In Grilnnis Deutschem Wörterbuch fehlt das Wort
Das.Hundekorn. 313<br />
nie bezweifelt sei. ^) Der Fiskus hat, da das Kö'mgl. Ober-<br />
Tribnnal die in dem ersten, von <strong>der</strong> Stadt <strong>Greifswald</strong> angestellten<br />
Prozesse ausgesprochene Ansicht in seinen späteren Urtheilen<br />
fest hielt, seit Anfang des vorigen Deeenninms auch<br />
von an<strong>der</strong>en Giltern, <strong>der</strong>en Besitzer eine gerichtliche Entscheidung<br />
nicht herbeigeführt hatten, die Hnndckornabgaoe nicht mehr erhoben.<br />
^) Dadnrch siel die Veranlassung zu ferneren Prozessen<br />
wi<strong>der</strong> den Fiskns fort.<br />
Eine Hundckorn-Abgabe ist feit alter Zeit von dem Gute<br />
Hinrichshagen sim Kreise Grimmen), dessen gemeinschaftliche<br />
Eigenthümer die Stadt Grcifswald nnd das Hofpital Set. Spiritus<br />
dafelbst sind, an die Universität <strong>Greifswald</strong> entrichtet worden.<br />
Es scheint, daß die Besitzer des gedachten Gutes erst im Jahre<br />
1870 darauf aufmerksam wurden, daß in einer größeren von<br />
dem Gnte an die Universität zu entrichtenden Abgabe auch<br />
Hundekorn enthalten ist. Sie weigerten sich nnn, das Hunde -<br />
körn ferner zu eutrichten. Da aber die Universität auf <strong>der</strong><br />
ferneren Leistung bestand, so klagten ini Jahre 1873 die Stadt<br />
Greisswald nnd das Hospital Set. Spiritus auf Anerkennung<br />
(während bei hnndelager die technisch-juristische Bedeutung nicht angegeben<br />
ist). Anch ist es nicht enthalten in Lercrs Mittelhochdeutschem<br />
Wörterb. (wo nuilt8iun(?i' ^ic^ im Nachtrage steht bei 1mut8-1iin8ol).<br />
Dagegen wird in dem Mittelnie<strong>der</strong>dentsch. Wörterb. von Schiller und<br />
^übben Hnndetorn als „Zehntkorn zur Atznng <strong>der</strong> herrschaftlichen Hnnde"<br />
ertlart nnd dazu eine Meklenb. Urkunde allegirt, in welcher dem Worte<br />
diese Vedeutnug nach I^r. Wiggers Ausführungen nicht zukommt.<br />
4) Für die Natur des Huudckorus als einer Iagdabgabe in Neu-<br />
Vorpommern berief man sich auf einige Landtags-Abschiede Pommerscher<br />
Herzoge, welche aber auch eine an<strong>der</strong>e Deutung zulassen, und anf<br />
einige Schriftsteller: Gadebnsch, Schwedisch-Pommersche Staatsknnde<br />
Abth. 2 S, '»().'> (wo es heißt: „Huudetoru ward vormals zum Unter-<br />
halte <strong>der</strong> fürstlichen Jägerei von den adelichen Gütern gegeben und danert<br />
jeht noch fort."); ferner: v. Vilow, Geschichtliche Entwickeluug <strong>der</strong> Ab-<br />
gaucn-Verhaltnisse in Pommern nnd Rügen S. ^06.<br />
">) Sicherem Vernehmen nach wird in Folge <strong>der</strong> ueuereu, auf dcu<br />
Gutachten Dr. Kleinpins und l)i-. Viggers beruhenden Entscheidung von<br />
denjenigen Gütern, welche nicht dnrch rechtskräftige Urtheile entlastet sind,<br />
das Hnndekorn nebst den durch (vierjährige) Verjährung noch nicht<br />
verlorenen rückständigen Raten seitens des Fiskns wie<strong>der</strong> eingefor<strong>der</strong>t.
314 Das .<br />
<strong>der</strong> Freiheit des Gutes Hmrichshagen von <strong>der</strong> Hnndekorn-Ubgabe<br />
gegen die Universität. Im Lanfe des Prozesses<br />
wendete sich die Universität an den Oberpräfideuten <strong>der</strong><br />
Provinz Pommern, mn zn erfahren, N'as sich ans den<br />
im Königl. Staats-Archiv zn Stettin befindlichen Nrknnden i'iber<br />
die streitige Natnr des verlangten Hnndekorns ergeben möchte.<br />
Der Oberpräsident erfor<strong>der</strong>te Ansknnft von dein Vorstände<br />
des Archivs, Staats-Archivar Dr. Klempin. Diefer erstattete<br />
unter dem 31. October 1873 Bericht (das erste Gutachten<br />
Di'. Klempins), in welchen! er auf Grnnd <strong>der</strong> in: Archive angestellten<br />
Nachforschungen zu dem Nefnltate kam, daß das Hnndekorn<br />
in Vorponimern eine Iagdabgabe n icht sei. Der Bericht gelaugte<br />
demnächst zn den Proeeß-Aeten. Das Gericht <strong>der</strong> erstell<br />
Instanz (das Kreisgericht zn Greisswald) ernannte für den Kläger.<br />
Es erachtete die Natur des Hnndekorns als einer Iagdabgabe anch<br />
in diefem Prozesse sür nachgewiesen nnd führte ans, das; es<br />
dnrch das Gutachten Di'. Klempins voin Gegentheile nicht<br />
überzeugt sei. Iu <strong>der</strong> Appellations-Instanz ilberreichte die<br />
Universität ein neues, vom 15. April 1674 datirtes Gutachten<br />
Dr. Klempins, welches hauptfächlich dazu bestimmt war, die<br />
gegen das erste Gutachten gerichteten Ansführnngen ini erstrichtertichen<br />
Urtheile zu wi<strong>der</strong>legen. Das Appellationsgericht zn<br />
<strong>Greifswald</strong>, welches — abweichend von den Gerichten <strong>der</strong> ersten<br />
und <strong>der</strong> dritten Instanz —- schon in den oben erwähnten alte<br />
reu Prozessen von <strong>der</strong> Ansicht ausgegangen war, daß dnrch den<br />
Namen Hundekoru nnd durch die sich hieraus ergebende faktische<br />
Vermuthung (pi'ÄOgunitio 1imniin3) die Natnr <strong>der</strong> Abgabe<br />
als eiuer Iagdabgabe nicht für dargethan gelten könne, vermochte<br />
das Gewicht <strong>der</strong> von Dr. Klempin geltend gemachten Gründe<br />
nicht zu verkennen nnd befchloß voll Amt^wegen, das Gutachten<br />
uoch eiues au<strong>der</strong>eu, durch seinen Bernf ebenfalls anf d^<br />
Kenntniß des mittelalterlichen Abgabewesens hingeführten nnd<br />
zur Prüfuug <strong>der</strong> aus dem vorliegenden archivalifchen Material<br />
sich ergebenden Folgerungen und Beweise geeigneten Gelehr<br />
ten (Sachverständigen) zu erfor<strong>der</strong>n. Es wählte dazn den Av<br />
chivar an: Großherzoglich Mecklenbnrgifchen Geheimen nnd<br />
,
Das .Hundekorn. 315<br />
Haupt-Archiv, Archivrath Di'. F. Wigger in Schwerin. Dieser<br />
erstattete unter dem 19. December 1875 ein ausführlich motivirtcs<br />
Gutachten, welches — nur in einem für die wesentliche<br />
Frage: ob Iagdabgabe? nicht erheblichen Punkte von Dr.<br />
Klempin abweichend — ebenfalls zn dem Resultate gelangte,<br />
daß das Hundekorn in Vorpommern seinem Ursprünge nach<br />
nicht eine mit <strong>der</strong> Jagd zusammenhängende Abgabe o<strong>der</strong> Leistung<br />
sei. Darauf wies das Appellationsgcricht durch Erkenntniß<br />
vom 2. Februar 1877 die Klage ab, und <strong>der</strong> zweite Senat<br />
des Königl. Obcr-Tribnnals zn Berlin bestätigte durch Urtheil<br />
vom 12. März 1878 diese Entscheidung. Beide Erkenntnisse<br />
beruhen auf <strong>der</strong> Erwäguug, daß „die aus dem bloßen Namen<br />
zu eutnehmende Vermnthung", daß die in Vorpommern unter<br />
<strong>der</strong> Bezeichnung Huudekorn vorkommende Abgabe eine in Beziehung<br />
anf die Jagd obliegende Leistung sei, durch die von<br />
Dr. Klempin und Di'. Wigger beigebrachten Gründe „für beseitigt<br />
zu erachten ist". Das Erkenntniß des Königl. Ober-<br />
Tribunals, welches damit die seinen früheren Entscheidungen<br />
zu Grunde liegende Ansicht über die Natur <strong>der</strong> Hundekorn-Abgabe<br />
verlassen hat, ist in den amtlich edirten „Entscheidungen des Königlichen<br />
Qber-Tribnnals" Bd. 81 S. 228 ff. veröffentlicht.<br />
Der Inhalt <strong>der</strong> Gutachten ist in den Entscheiduugsgründen nur<br />
kurz angegeben. Die trefflichen Arbeiten bei<strong>der</strong> Gntachtcr<br />
(von denen Dr. Klempin den forensischen Sieg seiner Ansicht<br />
nicht mehr erlebt hat) verdienen zu Nutz und Frommen <strong>der</strong> Wissenschaft<br />
vollständig publicirt zu werden. Nachdem Herr Archivrath<br />
Di-. Wigger feine Einwilligung ertheilt und den Wunfch<br />
ausgesprochen hat, daß die Veröffentlichung seines Gutachtens<br />
in den „Baltischen Studien" erfolgen möge, wird durch die Aufuahmc<br />
<strong>der</strong> Arbeiten <strong>der</strong> beiden Gelehrten in diefe Zeitschrift ein<br />
gewiß nicht gering zn veranschlagen<strong>der</strong> Beitrag Zur Kenntniß des<br />
mittelalterlichen Abgabewesens geliefert. Zu bemerken ist dabei<br />
nur, daß aus den Gutachteu, welche im Uebrigen in ihrem<br />
ganzen Umfange, sowie sie zu den Prozeß-Aetcn eingeliefert<br />
worden, durch diesen Abdruck mitgetheilt werden, nur einige<br />
Sätze weggelassen sind, welche lediglich durch die Prozeßlage
3il> Das Hundetorn.<br />
hervorgerufen lvareu und ohue Mittheilung <strong>der</strong> jetzt nicht mehr<br />
iuteressireuden Entscheidllngsgriinde des Gerichte <strong>der</strong> ersten Iu^<br />
stanz nicht einmal verständlich sein würden.'^)<br />
Di-. Kühne.<br />
Erstes Gutachten<br />
des Staats-Archivars Di. .^lempin.<br />
Bei Durchforschliug des Königlichen Staats-Archivs deziiglich<br />
<strong>der</strong> aus den: Dorfe Hinrichshageu bei Neiuberg au die<br />
Uuiversität zu <strong>Greifswald</strong> fälligen jährlichen Hebung au Geld<br />
uud ^)caturalieu hat sich uur iu <strong>der</strong> schluedischeu Lanoes-Ma<br />
trikel von 1090, ^)Band „Gricpsnalds Disrrichr och<br />
Eldclio^"^ sol. 023, in den „Annorarioncr öfncr<br />
richshac/cn^ die folgende Notiz vorgefunden:<br />
Och hörcr dcln^a hccla 2övg ll,it>cr ^Hcil. G'cist<br />
Clojtcr utj (3ricpsivaldc>sc<br />
5 ^'s ist von den Vollbauern die Rede) Fifn?a 20 ^>r.<br />
lltj ricl^stcpclllnncsar och 5 Rt. pachrcscld och No.<br />
i. 10 Ar. ncnstcpennincsr och 4 Rt. pachr^ och<br />
dcr hos nana »ned roacsn^ 4 häjcar och 2 pcrsohncr<br />
urj Gricps^rvald cnär dcln bcfallcs, alnucscn<br />
rill ^cd klörscll aller annar, dock haf^a l>hc cv<br />
'wijfa riclistcdacsar., dcß urhal^ ttif-wcs rill colislstorilnn<br />
lirj Grvps'wald af hcla Bvcn^ fon:<br />
kallas hlll^dckorN) 105 skicppr ^f r^cs korli och<br />
hasra och Ivka lnvckcr af I)^varr slacscr sampr<br />
dcr hos 10 Rl. 8 Iß ^)orpom. nhrl. ^)<br />
^') Nachträglich mag noch bemerkt werden, daß man vor M0 Jahren<br />
die Anwendung <strong>der</strong> Bezeichnung „Hnndekorn" ans die Getreidehebnng<br />
als unrichtig recht wohl kannte. Vgl. Stavenhagen, Beschreibung von<br />
Anklam, S. 189.<br />
') Im Staatsarchiv zn Stettin.<br />
^) Uebersetznng: „Und es gehört das ganze Gut dein heiligen<br />
Geist-Kloster in <strong>Greifswald</strong>- es mnß ein Je<strong>der</strong> von diesen 5> (Vollbauern)
Das Hundekorn. 317<br />
In Betreff <strong>der</strong> Natnr jener, gewöhnlich mit den: Namen<br />
„Huudekoru" dezeichneten Abgabe hat sich feststellen lassen, daß<br />
die Annahme des Herrn von Bilow in seiner „Eutwickeluug<br />
<strong>der</strong> Abgabenverhältnisse in Pommern", Seite 2()si : „das Huudcloru<br />
sei eine ans den vormals slavischen Dörfern solcher Gegenden,<br />
nw <strong>der</strong> Herzog Jagd zn treiben pflegte, lastende Abgabe,<br />
wodnrch die nralte Pflicht, die Hnnde bei sich zu füttern, dnrch<br />
jährliche Lieferung von zwei bis drei Scheffel Hafer an den Hof<br />
zn Brod für diese Bestien, abgelöst werden müßte" — ans<br />
Irrthnm bernht.<br />
In den Gegenden nämlich, wo <strong>der</strong> ausgedehnten Waldungen<br />
wegen hauptsächlich die großen herzoglichen Jagden betrieben<br />
wurden, wie z. B. in den drei Haideämtern Ueckcrmünde, Iasenitz<br />
und Torgelow, findet sich die Abgabe „Hnndekorn" gar<br />
nicht, dagegen sind die Orte <strong>der</strong> Aemter Wolgast, Loitz und<br />
Barth, in denen dieselbe gezahlt werden mnßte, sämmtlich entwe<strong>der</strong><br />
deutschen Ursprungs o<strong>der</strong> doch sehr srüh vollständig<br />
dentsch geworden. Ich sühre znm Beweise dafür hier nur die<br />
Namen <strong>der</strong> Dörfer im Amte Barth an, die dieser Abgabe<br />
unterworfen waren, nämlich '') Flcmendorf, Großen-Cordshagen,<br />
Bartelshagen bei Stralsuud, Lütkeu-Lordshagcn, Splietsdorf,<br />
Velgast, Kentz, Rnbitz, Kindshagen, Altenhanshagen, Neuenhanshagen,<br />
Dolgen, Dersetendorf, Prusdorf, Neuen-Lübke,<br />
Trinwillershagen, Tetmannsdorf, Arenshagen, Stormsdorf,<br />
Oldenwiller^hagen, Berendshagen, Tempel, Beyershagen, Steinort,<br />
Kükenhagen, Arendfee, Saal, Ncuendorf, Hermannshagen,<br />
Schlechtmühlen, Bartelshagen bei Dammgarteu, Lüdcrshagen,<br />
Martenshagen.<br />
gebcu 50 Nt. Dieustpseunig und 5 Rt. Pachtgeld, uud Nr. 1 10 Nt.<br />
Dienstpsennig uud 4 Nt. Pacht, uud außerdem dieueu mit einem<br />
Wagen, 4 Pferden uud ^ Persoueu iu Greisswald, weuu es<br />
desohleu wird, entwe<strong>der</strong> zu Holzfuhren o<strong>der</strong> etwas An<strong>der</strong>em; doch habcu<br />
sie uicht gewisse Tiensitage. Außerdem wird gegeben an das Cou-<br />
sistorium zu Grcisswald von dem ganzen Gntc das was genannt wird<br />
,V)uudeloru, N).^) Schfsl. Roggen, Hafer nud eine gleiche 3)cenge von<br />
berste, außerdem 10 Nt. 8 Schillinge Pomm. Geld jährlich^.<br />
'') Vgl. Staatsarchiv zu Stettin: Wolg. Archiv Tit. 77 Nr. 38.
^8 Tao Hundekoru<br />
Das „Huudekorn" entstand nicht durch Umwandlung voll<br />
Iagddieusteu in Naturallieferung voit Getreide. Einestheils<br />
erhellt dies schon darail^, daß in den Klostergntern (bei <strong>der</strong>en<br />
Vergabilng an die Klöster alle lueltlichen Lasten, und speciell<br />
anch die Iagddienste, aufgehoben luaren), seitdem sie nach <strong>der</strong><br />
Reformation in den Domanialbesih <strong>der</strong> Herzoge übergingen,<br />
die althergebrachten theils in Pacht-, theils in Bede-Korn be^<br />
stehenden Getreidelieferungen ebenfalls in „Hnndekorn" umgetanft<br />
wnrden; an<strong>der</strong>ntheils crgiebt auch die Zusammeustelluug<br />
<strong>der</strong> Gesammtabgaben <strong>der</strong> mit „Huudekorn" belegten Ortschaften,<br />
daß da^ letztere theils aus <strong>der</strong> Pacht, theils aus <strong>der</strong> Herbstdede<br />
eutstandeu sein ntuß, uud seiue Höhe im eorrespondirenden<br />
Verhältniß zu den in Geld umgewandelten an<strong>der</strong>en Abgaben<br />
steht. So zahlten (vgl. Solg. Arch. Tit. 77 Nr. 35) z. B. :<br />
Saal:<br />
(20 Landhufcu, 17 Vaueru)<br />
Ili!) Acark 11 Schillinge 7 Pfennige Herbstbede uud Pachtgeld,<br />
uud dauebeu:<br />
— Last 1^ Dröntt 11 Schffl. 2^2 Viert Roggen<br />
0 „ 3 „ 10 „ 2 „ Gerste Hundekorn,<br />
li , 5 „ 10 „ 1 „ Hafer<br />
Nedebas:<br />
(24 Landhufeu, 12 Vaueru)<br />
285 Märt 12 Schillinge Pachtgeld, uud dauedeu:<br />
6 Drömt Hafer Hundckorn.<br />
Kentz:<br />
(2l) Landhnfen, 12 Vaueru)<br />
18l) Äcark 13 Schillinge 8 Pfennige Sommer- nnd Herbst<br />
bede uud Pachtgeld, und daneben:<br />
- Last 3 Drö'mt 6 Schffl. Roggen»<br />
— „ 3 „ 6 „ Gerste hilndekorn.<br />
1 „ „ 8 „ Hafer !<br />
Ls bleibt nur uoch ilbrig, aus deu Aintsauschlägen lind<br />
Registern einige Veweife beizubringen, daß dieselben das<br />
„Hnndekorn" entlve<strong>der</strong> mit dem Pachtkorn o<strong>der</strong> dem Herbstbedetorn<br />
als identisch ausprecheu.<br />
,
Das Hnndekorn. 319<br />
In den Mm, betreffend die Abfindung <strong>der</strong> Herzogin Agnes,<br />
Wittwe des Herzogs Philipp Inlins, wegeil ihres Leibgedinges<br />
ans dem Amte Barth, vom Jahre 1020"') lantet es:<br />
Kornpächte:<br />
8 Scheffel Roggen»<br />
8 Scheffel Gerste Hnndekorn.<br />
8 Scheffel Hafer !<br />
In den die Visitation <strong>der</strong> Kirchen, Klöster, Hospitäler<br />
nnd Armenhänser zn <strong>Greifswald</strong> betreffenden Aeten von 1557 ")<br />
werden bei <strong>der</strong> Einnahme des heiligen Geist-Hospitals in<br />
<strong>Greifswald</strong> nntcr <strong>der</strong> Uebcrschrift „Hnndekorn" die Getreidehebungen<br />
ans den Dörfern Stalbrode, Reinberg, Karrendorf,<br />
Düvelsbroock nnd Jäger angeführt nnd am Schluß die Snmme<br />
gezogen unter <strong>der</strong> Bezeichnung:<br />
Summa des Hunde- und Pachtkorns:<br />
5 Drömt 4 Scheffel Roggen,<br />
5 , 9 „ Gerste.<br />
In den Aeten, betreffend die <strong>der</strong> genannten Herzogin<br />
Agnes als Leibgedinge verordneten Aemter Usedom nnd Pudagla<br />
und dessen spätere Transmutation anf das Amt Barth uud<br />
demnächst anf die Aemter Treptow a. T. und Clempenow vom<br />
Jahre 1605 ^) hoißt es unter <strong>der</strong> Korncinnahme des Amtes<br />
Usedom:<br />
Snmnia des Huudekorns nnd <strong>der</strong> Mühlenpacht:<br />
7 Last 3 Drömt 1'/^ Scheffel,<br />
nnd daranf bezüglich im Defcetenverzeichniß:<br />
Pachtroggen: 7 Last 3 Drömt 1'/^ Scheffel;<br />
bei <strong>der</strong> Hnndegcrste nnd Mühlenpacht:<br />
6 Last 4 Drömt 6 Scheffel 2 Viert,<br />
und darauf bezüglich im Defecteuverzeichuiß:<br />
Pachtgcrste: 0 Last 2 Drömt 10 Scheffel >/x Viert,<br />
") Wolg. Arch. Tit. l^/7, Nr. 77, vol. 1. ful. 159 v^-LO (im<br />
Staatsarchiv zu Stettin).<br />
") Wolg. Arch. Tit. t;3, ^cr. 19^ vol. 1. fol. ^21 vci-8(, (im<br />
Staatsarchiv zu Stettin).<br />
'") Wolg. Arch. Tit.
ei dem Hundehafer und Ablagerhafer:<br />
7 Last 4 Drömt '/2 Viert,<br />
uud darauf bezüglich iui Defeeteuverzeichuiß:<br />
Pachthafcr: 0 Last Z Drömt 2 Scheffel '/^ Bierl.<br />
Iu <strong>der</strong> Gerste- und Haferrechnnng ist zwar ein Addniou^<br />
fehler, doch ist <strong>der</strong>selbe aus die Beweiskraft <strong>der</strong> Stelle für dir<br />
Natur des „Hundekorns" von keiuein Belang.<br />
In <strong>der</strong> Beschreibung des Amtes Wolgast von etwa 1N5 '')<br />
heißt es bei den Abgaben des Dorfes Brüusow:<br />
Die vier Bauleute gcbeu für vier Gärten, fo zu ^röveliü<br />
gehören:<br />
l Roggen ><br />
Hunde Gerste ! :^4 Scheffel.<br />
' Hafer '<br />
Endlich syeeifieirt <strong>der</strong> E^traet <strong>der</strong> Einnahmen <strong>der</strong> Kloster<br />
voll etloa 1570 ^) unter den Einnahmen aus dem Amte Eldma i<br />
tom hundck^rli! 65^ rhln^ 4 N7ark 1 Scoii!.,<br />
bcy das hundckorn 11 Srigc 16 Elcscr, facir<br />
11 ß. 9 Pf.<br />
Auch mag noch zur Erwä'huuug kommen, daß nach dem<br />
Extraet des fürstlichen Wolgaster Antheils von 1509 ^) iid^rall<br />
in den Aemtern, wo „Huudekoru" gegebeu wurde, kem Bede<br />
o<strong>der</strong> Pachtkorn erscheiut, uud umgekehrt Bede- o<strong>der</strong> Pachtern<br />
gezahlt wird, wo kein „Hnndekorn" geliefert lvurde, so daß<br />
also auch daraus die stellvertretende Natur dieser Abgabeu er<br />
kannt werden kaun.<br />
Es wurde nämlich gezahlt 1<br />
im Amte Wolgast 1<br />
„Hundekorn", aber kein Bede- uud Pachtkoru:<br />
im Amte Usedom:<br />
„Huudekoru", aber keiu Bede- uud Pachtkoru;<br />
Schwed. Arch. Tit. 85), '^r. 1, i. fim Staatsarchiv zu S<br />
Wolg. Arch. Tit 63, Nr. l'/7.<br />
Wolg. Arch. Tit. 5_', ^ir. 1^.
Das .Hundekorn.<br />
ini Unite Ueckermünde:<br />
Bedekorn, aber kein „Hnndekorn" :<br />
ini Amte Grimmen:<br />
„Hniidekorn", aber kein Bede- und Pachttorn;<br />
im Amte Tribsces:<br />
„Hnndekorn", aber kein Bede- nnd Pachtloru:<br />
im Amte Lindenberg:<br />
Bedekorn, aber kein „Hnndekorn";<br />
endlich im Amte Üoitz:<br />
„Hnudeloru", aber kein Bede- nnd Pachtwrn.<br />
Das ,^Hu!idekorii" war demnach bald Pacht-, bald Bede-<br />
Hebung nnd als solche fast immer gleichmäßig ans den drei<br />
Getreidearten Roggen, Gerste, Hafer bestehend, welche jenen<br />
Namen erhielt, sobald sie auf den Etat für den Unterhalt des<br />
Hofgesindes nnd hauptsächlich zur Ernährung dcr Iagdhuude<br />
gebracht wnrde.<br />
Letzteres verursachte eine keineswegs geringe Ausgabe, da<br />
z. B. unter Herzog Philipp Julius von Wolgast wöchentlich<br />
über 6 Drömt Getreide für die Hnnde verbacken wurden. Solveit<br />
fich die Nachrichten zurückführen lassen, uud besou<strong>der</strong>s<br />
nach Maaßgabe <strong>der</strong> vorhandenen Amtsanschläge und Register,<br />
wurde das Hundekorn ausschließlich aus den fürstlichen Domanialgütern<br />
erhoben. Solche kamen dann später allerdings durch<br />
Kauf, Tausch o<strong>der</strong> Schenkung auch in Privathände.<br />
Vor <strong>der</strong> Reformation genügten für den obigen Etat des<br />
Hofhalts die Naturalhebuugeu aus den Tomanialgütern <strong>der</strong><br />
Aemter Wolgast, Barth, Grimmen, Tribsees uud Loih; als<br />
aber 1569—1603 das Amt Barth mit Franzburg m deu Apanagenbesih<br />
des Herzogs Bogislav XIII. überging, uud wie<strong>der</strong>nm<br />
1592 das Amt Loitz als Lcibgedinge <strong>der</strong> Herzogin Sophie<br />
Hedwig cingethan wurde, uud das Amt Barth 1625 nochmals<br />
als Leibgedinge <strong>der</strong> Herzogin Agnes außer landesherrlicher<br />
Nutznießnng blieb, mußte für den dadurch herbeigeführten Aussall<br />
voii „Hundekorn" andcrwciter Ersah geschafft werdeu, und<br />
wurden dazu die nach <strong>der</strong> Reformation zu deu Tischgütern des<br />
Herzogs geschlagenen ^losterbesitmngen voli Crummm, Pudagla,
Das<br />
nnd ein kleiner Theil von Renen Camp (Franziums)<br />
herbeigezogen.<br />
Stettin, den 31. Oetober 187-z.<br />
Der Staats-Archivar Or. Klempin.<br />
Zweites Gutachten<br />
des Staats-Archivars Di. Klcmpin.<br />
In nieinenl ersten Gutachten habe ich gesagt, das; da
Das .Hundekorn.<br />
1. Sommerbedc: In Geld umgewandelt.<br />
2. Herbstbcde: In Geld umgewandelt.<br />
3. Geldpacht.<br />
4. Bischofszehnten.<br />
5. Einnahme <strong>der</strong> Pacht von den geistlichen Lehnen.<br />
6. Noch an<strong>der</strong>e gewisse stehende Hebungen.<br />
7. Einnahme von gewissen stehenden Hebuugcn.<br />
lr. Weizen. Hierunter ist allein <strong>der</strong> Pachtweizen von<br />
Saal aufgeführt, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Höhe feines Betrages<br />
durchaus dem aus diefem Dorfe gezahlten Huudcroggen<br />
entspricht, nämlich 12 Drömt, 11 Scheffel,<br />
2^/2 Viert.<br />
d. Roggen.<br />
«. Ablagerroggcn. lieber diefe Abgabe, welche von<br />
einer mit <strong>der</strong> fürstlichen Jagd in Verbindung<br />
stehenden Verpflichtung herrührt, werde ich weiter<br />
nntcn sprechen.<br />
/3. Huu<strong>der</strong>oggen.<br />
)/. Roggen ans den Mühlen o<strong>der</strong> stehende Mühlenpacht.<br />
6. Hnndegcrste.<br />
ci. Haber.<br />
«. Ablagerhabcr.<br />
/3. Hnndchaber.<br />
8. Stehende Gcldhcbungcn. Darunter sind Wasserpacht,<br />
Gunstgeld n. a. begriffen.<br />
9. Steigende und fallende Hebnngcn. Hier werden einzelne<br />
Dorfschaften nicht genannt, son<strong>der</strong>n es wird die Oesammt-<br />
Einnahme ans dem ganzen Amte für jedes <strong>der</strong> zehn Jahre<br />
aufgeführt, darunter Einnahmen aus <strong>der</strong> Forstverwaltnng,<br />
Strafgefällc, Zoll, Wcddcschatz, Auflassung, Sommer- nnd<br />
Herbstzehntcn, Weidcgeld, Wasserpacht, Einnahme nnd Ausgabe<br />
aus den herzoglichen Ackerwerken nnd <strong>der</strong>gleichen.<br />
Hier kommt es nur aus die Titel 1, 2, 3 uud 7 an.<br />
Die Vede (pr^u'm) war eine landesherrliche Grnndnnd<br />
Vichsteuer, welche von je<strong>der</strong> Hufe je nach ihrer Größe<br />
nnd Fruchtbarkeit entrichtet wurde und theils in Geld, theils in
3^4 Das ynndekorn.<br />
Natnralhebnngen bestand. Die letzteren sehten sich znsainmen<br />
ans einem Antheil an dem zuwachsenden Vieh nnd ans einer<br />
gewissen Scheffelzahl an Roggen, berste nnd Hafer von je<strong>der</strong><br />
Hnse, daher anch für die Geldhebnngcn <strong>der</strong> Name P cnn i n gbede,<br />
für die Viehsteuer <strong>der</strong> Name Fle ischb ede nnd für die<br />
Kornhebnngen <strong>der</strong> Name Kornbede vorkommt. Gezahlt<br />
wnrden die Geldhebungen zn Walftnrgis und hießen deshalb<br />
Sommerbede, die Fleisch- nnd Kornhebnngen zu Martini,<br />
woher <strong>der</strong> Name Herbstbede stammt.<br />
Die Pacht entsprang ans einer Znsammenlegnng des<br />
Hufenzinses so0U8U8 inllii80i'uni) nnd des Zehntens, welcher<br />
ursprünglich als <strong>der</strong> zehnte Theil <strong>der</strong> ans <strong>der</strong> Hnfe gewachsenen<br />
Feldfrucht genommen, gegen Ende des 1^. Jahrhun<strong>der</strong>ts aber<br />
in eine bestimmte Scheffelzahl <strong>der</strong> verschiedenen ans <strong>der</strong> Feldmark<br />
gebanten Getreidearten als eine jährliche feste Abgabe<br />
verwandelt wnrde. Dies geschah meistens durch einen förmlichen<br />
Vertrag sp^tum) zwischen Grnndherren nnd Unterthanen,<br />
woher <strong>der</strong> Name „Pacht" für die ganze Abgabe. Der<br />
Hufenzins war eine Geldabgabe gewesen, die Zehntpacht eine<br />
Kornhebnng- so war es natürlich, daß die Pacht als Gelduud<br />
als Kornpacht erscheint. Die Höhe des Hnfenzinfes<br />
war bei den Dörfern verschieden je nach <strong>der</strong> Größe nnd Ertragsfähigkeit<br />
und variirt von 2 Schilling bis mehr als 3<br />
Mark für die Hufe. Die Hufenpacht variirte ans denselben<br />
Gründen, doch scheint <strong>der</strong> Hakenhnfe <br />
Drömt Getreide auferlegt worden zn sein. In diesem Nahmen<br />
von 1—0 Drömt wußte jedoch die ^inanzknnst des Mittelalters<br />
ans fehr sinnreiche Weise auch <strong>der</strong> verschiedensten Ertragsfähigkeit<br />
des Bodens gerecht zn werden, indem sie den<br />
vier Getreidcarten, Weizen, Noggen, Gerste, Hafer in <strong>der</strong><br />
Hnfenpacht einen verschiedenen Antheil znwies. Bei nnfrnchtbarem<br />
Boden wurde das Drömt Hnfenpacht halb in Gerste,<br />
halb in Hafer, bei besserer Beschaffenheit in Noggen, Gerste<br />
nnd Hafer zu gleichen Theilen (je vier Scheffel) nnd bei noch<br />
vorzüglicherer Qualität in Noggen allein gefor<strong>der</strong>t. Bei <strong>der</strong>
Das Hundekorn. 325<br />
Landhnfe wnrde in Brandenburg für den Boden erster Klasse<br />
l' Drömt Hnfenpacht ans die Hufe gelegt nnd dabei das Verhältniß<br />
von Hartkorn sWeizen, Roggen, Gerste) znm Hafer<br />
wie 2 zn 4 uormirt, es gab nämlich die Hufe dieser Art ein<br />
Wispel Hartkorn und 2 Wispel Hafer Hufenpacht; in Mecklenburg<br />
nnd Vorpommern, wo <strong>der</strong> Boden schwerer als in <strong>der</strong><br />
Mark unir, wnrde von <strong>der</strong> ersten Klasse ebenfalls nur 6 Drömt<br />
pro Landhufe gefor<strong>der</strong>t, dagegen aber das Verhältniß des<br />
Hartkorns znm Hafer wie 3 zu 3 normirt. Unser Varther<br />
Amtsbnch, in dem beiläufig die Last immer zn 8 Drömt gerechnet<br />
wird, liefert uns davon ein Beispiel in dem Pacht- und<br />
Hundekorn von Saal: Dieses Dorf gab au Pachtweizeu 12<br />
Drömt, 11 Scheffel, 2^/2 Viert; an Huu<strong>der</strong>oggeu genau ebensoviel,<br />
nämlich anch 12 Drömt 11 Scheffel 2^/2 Viert; an<br />
Huudegerfte geuau das Vierfache vou dem Hun<strong>der</strong>oggen o<strong>der</strong><br />
dem Pachtweizcn, das Doppelte bei<strong>der</strong> zusammen, nämlich li<br />
Last 3 Drömt 10 Scheffel 2 Viert ^ 51 Drömt 10 Scheffel<br />
2 Viert; an Hnndehafer das Sechsfache vom Hnn<strong>der</strong>oggcn o<strong>der</strong><br />
dem Pachtweizen, da^ Gleiche vom Pachtweizen, Hnn<strong>der</strong>oggen<br />
uud Hundegerste, nämlich 9 Last 5 Drömt 10 Scheffel 1 Viert<br />
(ganz genan bloß 9 Scheffel 2 Viert) — 77 Drömt 10<br />
Scheffel 1 Viert. Bei dem Pachtweizen fehlen 1 ^/2 Viert an<br />
<strong>der</strong> rnndcn Summe von 13 Drömt, ebensoviel bei dem Hnn<strong>der</strong>oggen,<br />
bei <strong>der</strong> Hundegerste fehlen 1^/2 Scheffel, also das<br />
Vierfache von <strong>der</strong> runden Summe von 52 Drömt, und beim<br />
Hnndehafer fehlen 1^ 4 Scheffel an <strong>der</strong> runden Summe von<br />
78 Drömt, für alle vier Getreidearten Zusammen also 4 Scheffel,<br />
d. h. nngefähr die Pacht von 2 Morgen, welche an <strong>der</strong> 20.<br />
Hnfe gefehlt haben würden. Ergänzt man dieselben zu ihrer<br />
vollen Höhe vou 30 Morgeu, so zahlte Saal von 26 Hufen<br />
13 Drömt Weizen, 13 Drömt Roggen, 52 Drömt Gerste und<br />
78 Drömt Hafer, mithin von je<strong>der</strong> Hufe ^ Drömt Weizen, '/2<br />
Drömt Roggen, 2 Trömt Gerste uud 3 Drömt Hafer, zusammen (><br />
Trömt, in denen Harttorn zu Hafer sich wie 3 zu 3 verhält. Es<br />
liegt iu dieser Berechnung zugleich <strong>der</strong> striete Nachweis, daß<br />
das iu Saal gezahlte .vuudekorn die alte im 13. Iahrhuu<strong>der</strong>t
326 Das Hundekorn.<br />
vereinbarte Pachthebnng war. Pachtkorn nnd Nedekorn waren<br />
die einzigen Getrcidehcbnngen, welche <strong>der</strong> Hnfe aufgelegt nnd<br />
nach <strong>der</strong> Hufenzahl eingefor<strong>der</strong>t wilrden nnd darin besteht ein<br />
wesentlichem Merknlal dieser Abgabe. Ebenso ist das Dreierlei-<br />
Korn bei Getreidehebungen ein speeifisches Merkmal für Kornpacht<br />
o<strong>der</strong> Kornbede. An<strong>der</strong>e Abgaben, die wie die Iagddienste<br />
ans persönlichen Verpflichtungen herrührten, konnten we<strong>der</strong> den<br />
Hufen anfcrlegt, noch in eine an<strong>der</strong>e Getreidcart umgewandelt<br />
werden, als worin sie bisher geleistet wnrdcn. Eine Verpflichtung<br />
znr Hnndefütterung mit Haferbrot würde Niemcmd an<strong>der</strong>s<br />
als mit dem entsprechenden Quantnm von Haferkorn abgelöst<br />
haben, o<strong>der</strong> sich haben ablösen lassen. Es ist mir kciu Beispiel aus dem<br />
übrigen Deutschland bekannt, worin es je an<strong>der</strong>s gewesen wäre.<br />
Die Kornpacht nnd Bedekorn reservirten sich die Fürsten<br />
nicht überall in ihrer ganzen Vollständigkeit, son<strong>der</strong>n nnr so<br />
viel davon, als sie zur Erhaltung nicht bloß des Marstalls nnd<br />
<strong>der</strong> Iagdhnnde, son<strong>der</strong>n überhaupt für deu Staats- und Hofhanshalt<br />
gebrauchten, da die Beamtenbesoldnngen, Gehälter <strong>der</strong><br />
Hofdiener resp. bis zum 17. Jahrhun<strong>der</strong>t hin größtenteils in.<br />
Natnralien bestanden.<br />
Für dieses znr Kammer fließende Reservatkorn wurde in<br />
Brandenburg, pa.i'8 i)i'0 toto, <strong>der</strong> Name „Hundekorn" üblich<br />
und fand von da wahrscheinlich dnrch den Herzog Wartislav IX.,<br />
<strong>der</strong> mehrere Jahre seiner Ingend bei seinem Oheim, dein<br />
Kurfürsten Friedrich I. von Hohenzollern verlebte, in dem von<br />
1368—1479 bestehendenHerzogthnmWolgast diesseits <strong>der</strong>Swine<br />
Eingang, während in dem übrigen Pommern, nämlich im Herzoge<br />
thnm Wolgast jenseits <strong>der</strong> Swine nnd in dein Herzogthnm Stettin,<br />
das 1464 ausstarb, zwar wohl dieselbe Sache, aber nicht <strong>der</strong> Name<br />
„Hnndekorn" für dieselbe bestand. Anch hier rescrvirten sich die<br />
Fürsten das zn ihrem Hof- nnd Staatshanshalt nöthige Getreide in<br />
n^tni'i^ zogen es aber fort uuter dem alten Namen Pachtkorn<br />
nnd Bedekorn znr Kammer ein. Das was die Fürsten für<br />
ihre Zwecke sich nicht in nlitni'li rescrvirt hatten, war in Geld<br />
umgewandelt, und es findet sich deshalb nnter dem Pachtgcldc<br />
und <strong>der</strong> Geldbede nicht immer <strong>der</strong> reine Hnfenzins und die
Das tzuudekorn. 327<br />
reine Pcnningbede, son<strong>der</strong>n dazu gelegt, was bereits an Pachtkorn<br />
o<strong>der</strong> Bedekorn in Geld abgelöst war. Hierans folgt, daß,<br />
wenn in einem kleineren Torfe von geringerer Hnfcnzahl nnd<br />
schlechterer Bodenbcschaffenheit die Geldpacht absolnt nnd vcrhältnißmäßig<br />
größer ist, als die eines reicheren Dorfes von<br />
mehr Hufenzahl nnd besserer Bodcnbeschaffcnheit, das rescrvirte<br />
Quantum des Pachtkorns in dein ersteren klein, in dem letzteren<br />
groß sein mnß.<br />
Nnn findet sich dies Verhältniß bei den von mir angeführten<br />
drei Orten: Saal, das fruchtbarste Dorf dcs Barthcr<br />
Amtsbezirks, zahlte für seine 26 Hufen 84 Mark 12 Schilling<br />
8 Pfennige Pachtgeld, Redebas mit 24 Hufen von guter,<br />
aber doch nicht von so vortrefflicher Bodcnbeschaffenheit wie<br />
jenes, 285 Mark 12 Schilling Pachtgeld und Kentz mit nur<br />
20 Hufen von mittelmäßiger Qualität 137 Mark 10 Schilling<br />
2 Pfennige Pachtgeld. Dem entsprechend war aber auch das<br />
reservirte Quantum Pachtkorn, welches hier unter dem Namen<br />
„Pachtweizen und Huudckoru" steckt, bei Saal 178 Drömt<br />
weniger 3^2 Scheffel, bei Redebas nur 6 Drömt und bei Kcnh<br />
15 Drömt 8 Scheffel. Die Abhängigkeit <strong>der</strong> Größe des Huudekorns<br />
in den verschiedenen Orten von <strong>der</strong> Größe des Pachtgeldes,<br />
zn dem es im umgekehrten Verhältniß steht, ist eben ein schlagen<strong>der</strong><br />
Beweis, daß das Hundekorn hier in den Barther Amtsdörfcrn<br />
nnr Pachtkorn sein kann.<br />
Ich hatte diese drei Dörfer nicht ohne Absicht ans den<br />
34 Ortschaften des Barther Amts ausgewählt, um den Beweis<br />
daran deutlich zu machen. Die exorbitante Höhe des Hundekorns<br />
bei Saal, welche in Scheffelzahl verwandelt, 1712^2<br />
Scheffel ausmacht, sowie die Nilgleichheit gegen das an Hnfenzahl<br />
und Bodenbeschaffenheit jenem wenig nachstehende Dorf<br />
Redebas, das nnr mit 72 Scheffel Hundckorn notirt ist, reden<br />
eine so verständliche Sprache gegen die Annahme, daß in dem<br />
Hundekorn eine Iagdabgabe stecke, daß es eines weiteren Beweises<br />
kanm bedarf. Ein Iagddienst, <strong>der</strong> felbst nach <strong>der</strong><br />
Meinuug des ersten Nichters eine allgemeine Verpflichtung gewesen,<br />
kann in zwei einan<strong>der</strong> an Größe und Steuerkraft nahe-<br />
22
Z28 Das Hundekorn.<br />
stehenden Orten nicht so nngleich abgelöst Uwrden sein, daß in<br />
dem einen eine fast 24 Mal größere Summe gezahlt werden<br />
mnßte als in dem an<strong>der</strong>n. Noch verständlicher spricht die<br />
Höhe des Huudekorus in Saal für sich; denn so viel ist ein-"<br />
leuchtcud, daß die 1712^2 Scheffel Huudekoru in Saal sich<br />
als Iagddienstablösnng zn denken ein baarer Wi<strong>der</strong>sinn ist.<br />
Der Größe <strong>der</strong> Ablösung mnß doch anch die Größe <strong>der</strong><br />
Verpflichtung entsprochen haben. Man berechne also uur, wie<br />
viel Hnnde wöchentlich mit jenem Quantum Getreide erhalten<br />
werden konnten, so hat man die Zahl <strong>der</strong> Hnnde, welche Saal<br />
vor <strong>der</strong> Ablösung zn füttern gehabt haben würde. Die 1712^/2<br />
Scheffel ergeben für 49 Wochen, also fast für ein volles Jahr<br />
fast genan 35 Scheffel, also nahezn ^ Trömt, für die Woche.<br />
Nnn wnrden am herzoglichen Hofe zn Wolgast gegen Ende des<br />
16. Jahrhun<strong>der</strong>ts nur 2 Drömt Hafer wöchentlich für die<br />
Jagdhunde verfüttert; Herzog Philipp Julius freilich, <strong>der</strong> eiu<br />
fchr großer Jäger und Hnndeliebhaber war, vermehrte feine<br />
Mente soweit, daß dafür 6 Drömt Hafer wöchentlich verbacken<br />
werden mnßten. Saal all eiu würde danach mit seinen jährlichen<br />
1712 l/2 Scheffeln Huudekoru die ganze Iagdmcnte des<br />
Wolgaster Hofes am Ende des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts ein Jahr<br />
und 5 Monate uud die viel größere des Herzogs Philipp<br />
Julius nahezn 6 Monate zn füttern verpflichtet gewesen sein.<br />
Um aber diesen Wi<strong>der</strong>sinn noch näher zn legen, habe ich<br />
mir bei einem dnrch achtjährige Erfahrung mit <strong>der</strong> ausschließlichcn<br />
Haserschrotfütternng <strong>der</strong> Jagdhunde vollkommen vertrauten<br />
Landmann darüber Raths erholt, loie viel Iagdhnnde täglich<br />
mit einen! Scheffel Hafer ernährt werden könnten. Derselbe<br />
gab mir die Ansknnft, daß außerhalb <strong>der</strong> Jagdzeit 25 bis 30<br />
Huude vou einem Scheffel Hafer täglich satt gemacht werden<br />
könnten, daß sie aber in <strong>der</strong> Jagdzeit doppelte nnd dreifache<br />
Nahrung verlangten, daß alfo — durch einan<strong>der</strong> gerechnet —<br />
täglich ein Scheffel Hafer für 15 bis 18 Jagdhunde hinreiche,<br />
daß aber, wenn diefem Scheffel Hafer in dem bei dem Saaler<br />
Hnndekorn angegebenen Verhältnis; das nahrhaftere Roggenund<br />
Gersten-Mehl beigemischt wird, auf einen solchen Scheffel
Das Hundekorn. 329<br />
20 Jagdhunde zu rechnen eine mäßige Schätzung sei. Danach<br />
hätten also die Saaler Vanern 49 Wochen des Jahres hin-<br />
dnrch 100 Jagdhunde fedcn Tag zu füttern gehabt. Wenn<br />
nnn <strong>der</strong> Verpflichtung dieser einen Bauernschaft die ähnliche<br />
Verpflichtung in allen an<strong>der</strong>n Dörfern zur Seite stand, wie<br />
viele Millionen Hnndc hätten in Pommern gehalten werden<br />
müssen, nnd da die Hunde doch nur des Wildes wegen da<br />
waren, une groß hätte <strong>der</strong> Wildstand, nnd da dieser nicht ohne<br />
schützende Wäl<strong>der</strong> gedacht werden kann, die Ansdchnnng <strong>der</strong><br />
Walduugcn und Forsten in Pommern sein müssen? Wie viel<br />
Nanu: wäre noch für menschliches Wohnen nnd menschliche<br />
Cultur übrig geblieben? Und wenn <strong>der</strong> Bauer in Saal und<br />
in all den an<strong>der</strong>n Dörfern seinen Pflug nicht führen, seine<br />
Erndtc nicht einbringen konnte, wovon sollte dann wie<strong>der</strong> das<br />
Hnndekorn hergenommen werden? Genng hiervon. Es wird<br />
darans klar sein, daß die Annahme, das in Pommern vorkom-<br />
mende Hnndckorn sei eine Iagddienstablösnng gewesen, eine<br />
Annahme ist, welche kaum diskutirt werdeu kann.<br />
2. Der Behauptung vou Bilow's: das Hundekoru sei<br />
eine ans den slavischen Dörfern solcher Gegenden, wo <strong>der</strong> Herzog<br />
Jagd zu treiben pflegte, lastende Abgabe, habe ich damit zu-<br />
rückgewiesen, daß das Hnndckorn ja hauptfächlich iu deutschen<br />
o<strong>der</strong> früh germanisirlcn Orten Vorpommerns vorkomme.<br />
Darüber, wer zn Iagddiensten verpflichtet gewesen, und ob in<br />
Pommern überhaupt eiue Ablösung <strong>der</strong>selben vorgenommen,<br />
habe ich mich nicht ansgesprochen, son<strong>der</strong>n mich lediglich darauf<br />
beschränkt, nachzuweisen, daß die Getreidchcbung, welche in<br />
Pommern den Namen „Hnndekorn" führt, nicht einer Iagd-<br />
abgabe entstammt. lieber die Iagddienste zur Hundcverpflegnng<br />
selbst, über die zwei verschiedenen Arten, worin bei je<strong>der</strong> die<br />
Verpflichtung bestand, wer <strong>der</strong> Verpflichtete war und in welcher<br />
Art die Ablösung stattfand, darüber werde ich nachher in Be-<br />
zug auf pommerfche Zustände das Nöthige beibringen. Meine<br />
Angabe, daß viele Orte Pommerns, in denen die Abgabe<br />
„Hnndekorn" vorkommt, deutschen Ilrsprnngs seien, habe ich<br />
in meinem ersten Gutachten überhaupt nicht beweisen wollen,<br />
22»
ZIO Das tznndekorn.<br />
was sonst übrigens nicht schlver gewesen wäre. Wenn behauptet<br />
worden ist, daß „die Entwickelung <strong>der</strong> ländlichen Verhältnisse<br />
Neuvorpommern^ überall ans ehemaligen slavischen bäuerlichen<br />
Besitz znrückweist", so wi<strong>der</strong>legt sich diese Ansicht dnrch die<br />
Namen <strong>der</strong> Dörfer allein. Man berücksichtige nur das Zeugnis;<br />
für die Colonisation <strong>der</strong> Dentschen in Neuvorftommeru, welches<br />
in <strong>der</strong> großen Zahl <strong>der</strong> in diesem Landestheile namentlich in:<br />
Süden und Westen <strong>Greifswald</strong>s vorhandenen „Hagen"-Dörfer<br />
liegt, welche die deutsche Axt und <strong>der</strong> dentsche Pflng dem<br />
Mittenwalde zwischen Eldena und Giitzkolv abgerungen hat.<br />
3. Ferner ist gegen mein Gutachten eingewendet worden,<br />
die in demselben vorgebrachte Ausführuug sei „ohne jedes Gewicht,<br />
wenn man nicht von <strong>der</strong> Suppositiou ansgcht, daß <strong>der</strong><br />
Ansdrnck „Pachte", „Korupächte", „Pachtgel<strong>der</strong>" eine feste<br />
Bedeutnng habe, welche den Begriff einer Abgabe znr Fütterung<br />
fürstlicher Hunde ansfchließt". Diese Snpposition trifft<br />
nnu aber gerade in allen von mir angegebeneu Fällen ein,<br />
loie die von mir bezeichneten Amtsregister erweisen. Wie das<br />
oben beschriebene Amtsregister von Barth, so sind in ähnlicher<br />
Weise auch die au<strong>der</strong>eu Amtsregister eingerichtet; alle scheideu<br />
gauz geuau die verschiedenen Einnahmequellen, uutcr dcueu sie<br />
die eingegangenen Abgaben verzeichnen, also Bede, Pacht,<br />
Hundekorn, Ablager resp., so daß hier an eine allgemeine Bedeutuug<br />
<strong>der</strong> Pacht in keinem Falle gedacht werden kann.<br />
Uebrigens gebrancht die Zeit nnserer Amtsregister den Ansdrnck<br />
„Pacht", „Hufenftacht", ausschließlich nnr in <strong>der</strong> Vedeutuug,<br />
wie ich sie obeu bei Besprechung <strong>der</strong> Abgaben ansgeführt<br />
habe, woranf <strong>der</strong> juristische Begriff des loc^i gar keine Anwendnng<br />
findet. Die ländliche Pacht ini Sinne des locln'n<br />
stand nm diese Zeit in Pommern erst in sehr spärlichem Gebrancb,<br />
und hieß uoch das gauze 17. Iahrhuu<strong>der</strong>t hindurch nicht<br />
„Pacht", son<strong>der</strong>n „peiiäio o<strong>der</strong> Arrhende", <strong>der</strong> Pächter „i)on-<br />
3Ì0n^riu3 o<strong>der</strong> Arrhcndator", verpachten „verpensioniren o<strong>der</strong><br />
verarrhendiren."<br />
4. Endlich ist <strong>der</strong> fernere Einwand gegen mein Gutachten<br />
gemacht worden, es sei darin zwar behanptet, aber nicht uach^
Das .Hundekorn. ZZI<br />
gewiesen, „daß die Hundekornabgabe den Klostergütern erst<br />
nach <strong>der</strong> Reformation uuter diesem Namen aufgelegt o<strong>der</strong><br />
audcre Abgaben erst damals so bezeichnet worden, und daß<br />
die Klostcrgüter vorher von allen grundherrlichen Leistungen,<br />
namentlich von Iagdabgaben (was mit Iagddiensten nicht nothwendig<br />
zusammenfällt) frei gewesen seien". Ich muß auch<br />
hier zunächst feststellen, daß in meinem Gutachten nicht behauptet<br />
wird, daß deu Klostergütcru erst uach <strong>der</strong> Reformatiou die<br />
Abgabe Hnndekorn aufgelegt sei, son<strong>der</strong>n — was davon sehr<br />
wesentlich verschieden ist — daß, „die althergebrachten theils<br />
in Pacht, theils in Bcdekorn bestehenden Getreideliefernngen in<br />
Huudekorn umgetauft wurden", d. h. nur den Namen än<strong>der</strong>ten.<br />
Daß die Unterthanen <strong>der</strong> Klöster von allen landesherrlichen<br />
Abgaben und Diensten zn Gunsten <strong>der</strong> Klöster befreit wurden,<br />
ist eine so allgemein bekannte Thatsache und gilt für alle<br />
Klöster, daß sie mir kanm eines Beweises zu bedürfen schien.<br />
Sonst sind die Beweisdoknmente dafür in Betreff <strong>der</strong> pommerschen<br />
Klöster in Fabrkius, Urkunden zur Geschichte Rügens,<br />
nnd in Kosegarten nnd Hassclbach, 0oä6x clipi. ?om. zu Huu<strong>der</strong>ten<br />
anzutreffen, ich greife nur eine über das Kloster Eldeua<br />
vom Jahre 1209 heraus, in welcher es heißt: ^oolono^ ot<br />
6t u^iuni 6s1ìti69.6Ì0N6 voi 1'6P3
Die Einwände gegen mein Giltachten sind demnach überall<br />
als hinfällig nachgewiesen und dasselbe bleibt in allen seinen<br />
Einzelheiten anfrecht erhalten. Es ist nur gewissermaßen znm<br />
Vorwurf gemacht, daß ich meine Untersnchnng nnr ans das in<br />
Pommern vorkommende Hnndekorn beschränkt nnd nnr das<br />
einzige, die ländlichen Abgabenverhältnisse Pommerns besprechende<br />
Werk von Bilow berücksichtigt habe. Indeß war mein<br />
Gutachten nnr in dieser Nichtnng erfor<strong>der</strong>t worden nnd in dem<br />
vorliegenden Prozeß handelt es sich ja anch nnr nm eine<br />
Hundekornabgabe in Pommern; es konnte also meine Aufgabe<br />
nicht sein, die in an<strong>der</strong>n Gegenden Deutschlands in dieser Hinsicht<br />
vorliegenden Verhältnisse zu besprechen. Es würden sich<br />
sonst anch hier Provinzen haben vorführen lassen, in denen<br />
<strong>der</strong> Name Hnndekorn in <strong>der</strong>selben Bedentnng nnd Anordnnng<br />
wie in Pommern gebrancht worden ist, z. B. in <strong>der</strong> Mark,<br />
wofür ich ans Wohlbrück, Geschichte des Bisthums Lebns I.<br />
S. 264 f. verweise.<br />
Es ist für die Annahme, daß „Hnndetorn" eine Jagdabgäbe<br />
fei, geltend gemacht worden, „das; sich die Abgabe des<br />
Hnndekorns nnter diesem Namen o<strong>der</strong> mit .<strong>der</strong> Bezeichnung<br />
„Hundehafer", „Hnndebrot", „Huudslager", „Hnndslagergeld",<br />
0!,uilN'ÌH) c^u^'iuiii und an<strong>der</strong>en Bezeichnungen dnrch ganz<br />
Deutschland in den slavischen Län<strong>der</strong>n nnd in Frankreich findet<br />
und überall ans denselben Grnnd znrückgeführt wird".<br />
In diesem Satze werden „Hundekorn" nnd alle diese<br />
Namen, als wenn es gleichbedeutende Diuge wären, dnrchein^<br />
an<strong>der</strong>geworfen, nnd doch sind alle ganz von einan<strong>der</strong> verschieden.<br />
Der Name „Hnndekorn" bezeichnet ja überhaupt nnr, daß eine<br />
Kornhebnng für die Fütternng von Jagdhunden bestimmt ist;<br />
ob diese Hebnng aber ans <strong>der</strong> Ablösung einer Iagddienstverpflichtnng<br />
entfprnngen, o<strong>der</strong> eine Iagdabgabe, o<strong>der</strong> endlich eine<br />
althergebrachte Pacht- nnd Vede-Hebnng war, welche, auf den<br />
Staats- und Hof-Haushaltsetat gebracht, den Namen „Hnndekorn"<br />
erhielt, weil die Fütternng <strong>der</strong> Jagdhunde an dem<br />
Hofhaushalt einen mcht nnwesentlichen Antheil hatte, darüber fagt<br />
das Wort „Huudekoru" gar uichts. Es besteht eine zweifache
Das Hundekorn. 333<br />
Verpflichtung zur Fütterung von Jagdhunden: ). die Verpflichtung<br />
einer gewissen Klasse bäuerlicher Besitzer, einzelne fürstliche<br />
Jagdhunde aufzufüttern o<strong>der</strong> auszuhalten; 2. die Verpflichtung<br />
adlicher Vafallen, Klöster und Städte, fürstliche<br />
Iagdmcuten zu Herbergen und zu füttern. Im Glosfar von<br />
Ducauge beziehen sich die Artikel o^n^imil) o^Q^ria, auf<br />
die zweite Art dieser Verpflichtung, ebendarauf <strong>der</strong> in Gönner,<br />
Rechtfälle, Band I Seite 219 besprochene Fall; von Bülow<br />
uud Hagemauu, praktische Erörterungen, Band V Seite 182<br />
allein erwähnen beide Arten, wenn auch nicht scharf unterscheidend,<br />
und die zweite Art fo oberflächlich, daß für den nicht<br />
sonst genauer über diese Verpflichtung Unterrichteten eine irrthümliche<br />
Auffassung kaum vermieden werden kann.<br />
In Betreff <strong>der</strong> ersten Art <strong>der</strong> Verpflichtung handeln von<br />
Bülow und Hagemann a. a. O. leidlich ausführlich, sie nenuen<br />
als die Verpflichteten nnr eine ganz bestimmte Klaffe von<br />
Gutsleuten, nämlich die Jagd- o<strong>der</strong> Reitmeier, d. h. in die<br />
pommersche Sprache übertragen, die Lehn- uud Freischulzen.<br />
Sie behandeln dann die Verpflichtung selbst und führen aus,<br />
daß dicfe zu deu gemesfeuen Diensten gehörte und nur zweimal<br />
im Jahr, zur Stroh- und zur Körnerzeit, stattfand. Endlich<br />
fagen sie nichts von ihrer Ablösung, son<strong>der</strong>n besprechen die<br />
Sache, als wenn sie zu ihrer Zeit noch im vollen Gange befindlich<br />
gewefen fei.<br />
Die zweite Art <strong>der</strong> Verpflichtung bespricht Gönner a. a.<br />
O. in einem Beispiele, dem Rechtsfalle des Klosters L., sowie<br />
auch von Bülow und Hagemann a. a. O. in einigen Zeilen.<br />
Hier war <strong>der</strong> Verpflichtete <strong>der</strong> Vafall, das Kloster, die Stadt.<br />
Wenn die beiden letztgenannten Rechtslehrer hier auch „Gutsleute"<br />
hineinziehen, so geben sie dafür keme Begründung und<br />
ist das auch Wohl uur irrthümlich von ihnen geschehen. Die<br />
Verpflichtung hieß „das Huudelagcr", die Ablösung, wenn sie<br />
in Geld stattfand, „das Huudclagergeld" ; ob, wenn sie in eine<br />
jährliche Naturalabgabe umgewandelt wurde, sie „Hundehafer",<br />
„Hundebrot" genannt ward, muß ich bezweifelu. Vielleicht<br />
habeu jeue Nechtslchrer eiue Ablösung <strong>der</strong> ersten Art dieser
334 Das .Hundekorn.<br />
Verpflichtnng, lvelche in einigen Gegenden Deutschlands mittelst<br />
einer geringen Quantität Haferbrot o<strong>der</strong> Haferkorn stattgehabt<br />
haben mag, mit <strong>der</strong> zweiten Art verwechselt nnd deshalb anch<br />
im Eiugange ihrer Besprechung die „Gutsleute" nnter die<br />
adlicheu Vasallen und Klöster gemischt.<br />
Nun liegt die Zache aber noch an<strong>der</strong>s, da wir es ill<br />
nnserm Falle nicht mit einer hannoverschen, son<strong>der</strong>n eiller pommerschen<br />
Abgabe zu thuu haben und es keineswegs voll vorn<br />
herein feststeht, dan alles das, was dort Rechtens war, es<br />
deshalb anch in Pommern gewesen sei. Denn wie ähnlich anch<br />
il! vielen Beziehungen die geschichtliche Entwickelung <strong>der</strong> Rechtsverhältnisse<br />
in Teutschland sich vollzogen hatte, so hat sich doch<br />
manches landschaftlich so eigenartig entfaltet, daß eine Ilebertragnng<br />
<strong>der</strong> Verhältnisse nnd Zustände eines Landes ohne<br />
weiteres auf das an<strong>der</strong>e zu den größten Mißgriffen in historischen<br />
Dillgeil führeu muß, und zwar um so sicherer führen<br />
mnß, je welliger die Praemissen klargestellt sind.<br />
In Pommern bestand die erste jener beiden Arten voll<br />
Iagddienstverpflichtuugen in ganz ähnlicher Form, die zweite<br />
dagegen kam hier nur in dem Ablager znr Erscheinnng, weshalb<br />
ich mich veranlaßt fühle, über das was, hier zn Lande<br />
ill dieser Beziehung Rechtens war, eine knrze Darstellung zn<br />
geben. Die ländliche Bevölkerung Pommerns, mochte sie min<br />
aus eiugeboreueu Wenden o<strong>der</strong> eingewan<strong>der</strong>ten Dentschen bestehen,<br />
war, sowie ili gewissem Grade anch die Bürger <strong>der</strong><br />
Städte, zn Iagddiensten verpflichtet; nnr die Klosternnterthanen<br />
genossen zn Gunsten <strong>der</strong> Klöster Freiheit von solchen Dienstell,<br />
zn denen auch die Verpflichtnng gehörte, einzelne fürstliche<br />
Iagdhnnde auf läugere o<strong>der</strong> kürzere Zeit ill Pflege uud Kost<br />
zu nehmen. Aber diese Verpflichtung war eine <strong>der</strong>artige, daß<br />
man sie we<strong>der</strong> einem Jeden znmnthen konnte noch anch wollte,<br />
weil <strong>der</strong> Verpflichtete dnrch seine Vermögenslage eine gewisse<br />
Garantie darbieten mußte, daß man sich an ihm des Schadens<br />
würde erholeil können, wenn <strong>der</strong> Iagdhnnd — oft ein kleines<br />
Kapital, da er mit vielen Unkostelt ans Belgien, England o<strong>der</strong><br />
Dänemark, o<strong>der</strong> auch nnr aus den entfernteren Gegenden
Das Hundekorn. 335<br />
Deutschlands herbeigeholt wurde — durch seme Schuld o<strong>der</strong><br />
Vernachlässigung krepirte. So kam es, daß man, wie im übrigen<br />
Deutschland, so auch iu Pommern, das Anffüttern junger und<br />
das Aushalten erwachsener Jagdhunde für bestimmte Zeiten<br />
des Jahres nnr einem ganz beschränkten Kreise von bäuerlicher<br />
Besitzern znmuthete, welche dafiir wahrscheinlich durch Befreiuug<br />
von an<strong>der</strong>n Iagddicnsten entschädigt wurden. Als solche Ver-<br />
pflichtete erweisen sich in Pommern, ebenso wie in Hannover,<br />
die Lehn- o<strong>der</strong> Freischützen; neben diesen aber waren es noch<br />
die Müller, <strong>der</strong>en Gewerbebetrieb sie beson<strong>der</strong>s zur Ableistung<br />
dieses Dienstes geeignet machte, sowie auch die Städte, welche<br />
ihrer Verpflichtung auf Stadtunkosten durch die Büttel nach-<br />
t'ommcn ließen. Nach dem Inventar, welches beim Tode des<br />
Herzogs Philipp Julius über die fürstlichen Jagdhunde auf-<br />
genommen wurde ^) betrug die Zahl <strong>der</strong> englischen und <strong>der</strong><br />
Hetzhunde im Jahre 1625 im Ganzen 54, davon standen zwölf<br />
im herzoglichen Hundcstall zu Wolgast, je eiuer im fürstlichen<br />
Hause o<strong>der</strong> Amthause zu Barth, Neckermünde und Iasenitz,<br />
14 bei den Schulzen zu Lotmannshagen, Kühlenhagen, Hans-<br />
Hagen, Hohendorf, Ernsthof, Spiegelsdorf, Diedrichshagen,<br />
Kemnitz, Ladebow und Vorland, vier bei den Müllern über<br />
<strong>der</strong> Fähre, zn Molzkow und Bandemin, 21 bei den Bütteln<br />
<strong>der</strong> Städte Pasewalk, <strong>Greifswald</strong>, Wolgast, Franzburg, Usedom,<br />
Ueckermünde, Anclam, Lassan, Gutzkow und Barth. Außerdem<br />
waren im fürstlichen Jägerhause zu Wolgast noch 18 Koppel-<br />
Jagdhunde, zwei Lcithunde und siebcu Strick Winde, znsammeu<br />
77, vorhanden. Hieraus wird zugleich ersichtlich, daß wie<br />
mau nicht einen Jeden zu dieser Verpflichtung heranzog, so<br />
auch nicht je<strong>der</strong> Jagdhund in unjagdmäßige Hände zur Pflege<br />
gcgebcu wurde; ausschließlich die Hetzhunde, Rüden uud Sau-<br />
packer zu den Hetz- uud Sanjagden, die keiner beson<strong>der</strong>n Dressur<br />
bedurften, waren die Objecte <strong>der</strong> Verpflichtung. Es versteht<br />
sich auch von selbst, daß unter den verpflichteten Lehnschulzeu<br />
und Müllern nur Amtsunterthancn zu verstehen sind, nicht auch<br />
") Wolg. Archiv Tit, Z2 No ^10 (im Staatsarchiv zu Stettin).
336 Das Hundekorn.<br />
Unterthanen von Klöstern, so lange diese vor <strong>der</strong> Reformation<br />
noch selbstständig bestanden. Als ihre Güter bei <strong>der</strong> Säkularisation<br />
zn Amtsgütern wurden, zog <strong>der</strong> Fürst auch hier die<br />
Freischützen und Müller zur Leistuug jeues Dienstes heran,<br />
welchem Ansinnen als einer nnerhorten Neuerung zuerst passiver<br />
Wi<strong>der</strong>stand entgegengesetzt wnrde, indem die Betheiligten die<br />
ihnen zur Auffütterung übergebenen jungen Jagdhunde lauseu<br />
und umkommen ließen. So fand z. V. Hcrzog Barnim XI.<br />
Veranlassung, dnrch ein Mandat an den Amtmauu zu Colbatz<br />
vom 10. September 1566 sämmtliche Müller uud Freischulzen<br />
des Amts zu bedrohen, daß bei fortgesetztem Ungehorsam je<strong>der</strong><br />
von ihnen nm einen Ochsen gestraft werden solle. ") Der<br />
Kreis <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Hnndeverpflegung Betheiligteu war denmach<br />
im Verhältniß zu den Iagohuuden, welche eiuer solcheu Einlagerung<br />
unterworfen zu werden pflegten, groß genug, daß<br />
ein ordentlicher Turnus unter ihnen beobachtet werden tonnte.<br />
In Pommern kam <strong>der</strong> Netheiligte nicht öfter als ein Jahr nm<br />
das an<strong>der</strong>e daran, meistens wohl noch seltener.<br />
Anßer diesem ordentlichen Dienst lag den Lehuschulzen<br />
und Müllern aber noch <strong>der</strong> außerordentliche ob, Jäger uud<br />
Jagdhunde, wenn letztere bei herannahen<strong>der</strong> Jagdzeit aus den<br />
Standorten gesammelt und dem Hoflager zugeführt wurden,<br />
o<strong>der</strong> wenn sie nach beendigter Jagdzeit wie<strong>der</strong> in ihre Staudquartiere<br />
abgeliefert wurden uud im Orte <strong>der</strong> Betheiligten<br />
rasteten, Nachtlager und Mahl für den Jäger nud für die<br />
Hunde herzugeben. Dies hatte auch zu geschehen, weuu eiu<br />
filrstlicher Jäger eiuen o<strong>der</strong> einzelne Huude bei an<strong>der</strong>er Gelegenheit<br />
transportirte nnd im Orte zu fütteru genöthigt war;<br />
doch bedurfte es hierbei jedesmal eines beson<strong>der</strong>en fürstlichen<br />
Mandates, welches die bevorstehende Einquartierung dem Betreffenden<br />
ansagte.<br />
So schreibt Herzog Philipp Julius vou Wolgast aus<br />
uuter dem 21. September 1623 an die Beamten auf Wolgast,<br />
Eldeua, Franzburg, Barth uud Nügeu, sowie au die Schulzen<br />
Stett. Arch. ?. 1 Tit. 8^ 'Nr. 40.
Das Hundekorn. 337<br />
zu Mesekenhagen, Stalbrode und Horst, die herzoglichen Jäger,<br />
welche für die bevorstehende Schweinshetz die in den genannten<br />
Aemtern stehenden Iagdhnnde zn sammeln abgeschickt seien,<br />
mit Fuhrwerk Zum Weiterkommen, uud so lauge sie in ihren<br />
Ocrtern verharren mnßten, auch mit Speise nnd Trank und<br />
mit Brot für die Hnnde zu versehen.<br />
Aehnlich lailtet ein an<strong>der</strong>es Mandat dcl. Wolgast den 23.<br />
Oetober 1624, worin es heißt: „daß die Beamten nnd Schnlzen<br />
jedes Ortes hiermit ersucht werden, ihn (den Jäger) mit schlenniger<br />
Fuhre von einem Orte znm an<strong>der</strong>n .... fortbringen, ihn:<br />
Essen nnd Trinken .... folgen, anch die Nothdnrft an Brot auf<br />
die bei sich habenden Hunde reichen lassen sollen." '^)<br />
Eine Ablösung dieser Verpflichtung hat in Pommern übcrhanpt<br />
nicht stattgefuuden. Wie schon die mitgetheilten Beweise<br />
ergeben, war sie bis znm Schlnß <strong>der</strong> herzoglichen Zeit noch<br />
in voller Ausdehnnng anfrecht erhalten. Nach dem Aussterbeu<br />
des einheimischen Herrscherhauses aber, also seit 1637, wurde<br />
lein Hoflager mehr im Lande gehalten und mußte somit jene<br />
Berpflichtnng, da kein Berechtigter sie mehr in Anspruch nahm,<br />
von selbst erlöschen. Ebensowenig wie nach von Nülow und<br />
Hagemann in Hannover, so scheint anch in Mecklenburg die<br />
Ablösung nicht erfolgt zn sein, wo nach Kamptz, Schulzeulehne<br />
in Metlenburg (in Zepernik Miscellen Band IV. Nr. 1) die Lehnschulzen<br />
im Lande Stargardt noch am Anfang dieses Iahrhnn<strong>der</strong>ts<br />
znr Fütterung landesherrlicher Jagdhunde verpflichtet waren.<br />
Ans diese Weise war <strong>der</strong> Haushalt des Fürsten in Bezug<br />
aus die Ernährung feiner Jagdhunde aber nnr znm<br />
kleinsten Theil gedeckt, da nnr <strong>der</strong> kleinere Theil <strong>der</strong>felben und<br />
dieser auch nur auf gewisse Zeit des Jahres m Pflege gegeben<br />
wurde. Da aber mancher Landesherr feinen Domanialbesih<br />
durch reiche Vergabungen an Klöster geschmälert hatte, anch<br />
mit <strong>der</strong> ihm in unserer Gegend zn Ende des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
dnrch die Landstände zugebilligten, ordentlichen Landbcde o<strong>der</strong><br />
Grundsteuer verschwen<strong>der</strong>isch nmgegangen war, und sie durch<br />
—<br />
'-"1 Wolg. Arch. Tit. .)2 Nr. ^!10.
338 Das .Hundekorn.<br />
Verlehnnng an die Vasallen, Schenkung o<strong>der</strong> Verlehnnng an<br />
Städte nnd Klöster start redm'irt hatte, so snchte er, nm seine zahlreichen<br />
Iagdmeiüen erhalten zn können, nach cineni nahen Ans^<br />
knnftsnlittel nnd fand dasselbe im Mißbranch seines Ve<strong>der</strong>echts.<br />
Außer <strong>der</strong> ordentlichen Bede stand dem Landesherrn das Recht<br />
zn, für gewisse Fälle, z. B. in KricgsZeiten, znr Anslösnng<br />
aus <strong>der</strong> Gefangenschaft, bei Verheirathung einer Tochter nnd<br />
ähnlichen, allen Unterthanen geistlichen nnd weltlichen Standes<br />
eine gewisse Geld- o<strong>der</strong> Kornhebnng als Stencr anfznlegen.<br />
Dieses Recht dehnten einige Fürsten anch ans die Bedürfnisse<br />
ihres Hundestalles ans, z. V. for<strong>der</strong>ten die Herzoge von Baiern<br />
1373 von den Mönchs- und Nonnenklöster!!, den Pfarrern<br />
nnd Viearen eine geringe Geldabgabe znr Ernährung <strong>der</strong> Iagdhnnde<br />
als „liiiiitäwi'ln'". ^) Meist jedoch wurde diese Steuer<br />
nur in Getreide erhoben und hieß dann „lunioim c^num,<br />
Hnndekorn". Ob sie wohl anch für die einzelne Hnfe, anf<br />
die sie gelegt wnrde, nur einen sehr geringen Betrag an Hafer<br />
ausmachte, so war sie doch sehr verhaßt nnd erregte bei den<br />
Fürsten selbst Gewissensbedenken in Betreff ihrer Rechtmäßigkeit,<br />
so daß sie nirgendswo von langem <strong>Bestände</strong> gewesen ist. In<br />
Meklenbnrg z. B. hob sie Herzog Heinrich 1319 ausdrücklich<br />
als eine fluchwürdige Abgabe auf uud verbot seineu Nachkommen,<br />
sie je wie<strong>der</strong> einzuführen.^) Nur in Urkunden des<br />
14. Jahrhun<strong>der</strong>ts wird dieser verwerflichen Steuer Erwähnung<br />
gethan, welche gegen die von dem Iagddienst Befreiten eine<br />
Rechtsverletzung war und die zu solcheu Diensten Verpflichteten<br />
mit doppelter Last belegte, uud hat dieselbe nirgends Spuren anf<br />
die späteren Jahrhun<strong>der</strong>te vererbt. Um so mehr bin ich erstannt,<br />
daß sie ihre Schatten noch in unsere Tage werfen konnte.<br />
Es entspricht dies aber ganz nnd gar nicht <strong>der</strong> historischen<br />
Wahrheit, steht anch nicht einmal in den Rechtsbüchern. In<br />
Frankreich war die Abgabe Aimoii^ oamiin völlig unbekannt ^)<br />
2») Pez, Script, ^ustr. Theil I, Seite 422.<br />
'") Marschalk, ^uiilü. V. o. 4 und Kirchberg,<br />
n) Vergl. Du Cange.
Das Hundekorn. 339<br />
und in Deutschland kam sie nur ganz sporadisch als ein Auswuchs<br />
<strong>der</strong> Fiuauzkunst des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts vor, weil nicht<br />
je<strong>der</strong> Fürst gewissenlos genug war, sich über Recht und Herkommen<br />
hinweg zu setzen und eine willkürliche Auflage zu<br />
machen, uud auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n Seite auch die Landstände nicht<br />
überall fo schwach waren, daß sie einem solchen Beginnen nicht<br />
hätten Wi<strong>der</strong>stand leisten können. In Pommern nun, wo die<br />
Landstände an den durch den Hansabund mächtigen Seestädten<br />
einen starken Rückhalt hatten, und wo die Fürsten sich<br />
stets durch Gerechtigkeitssinn und Milde gegen ihre Unterthanen<br />
auszeichueten, hat diese Abgabe nie Eingang gefunden.<br />
Einen bessern Ausweg, sich die Ausgabe für den Hnndestall<br />
zu erleichtern, wußten die Fürsten im 15. Iahrhuu<strong>der</strong>t zu finden.<br />
Der Landesherr besaß nach altem Herkommen seinen Unterthanen<br />
gegenüber das ^jU8 pi^iiäii und Hi^kr^^riHS, d. h.<br />
des Recht, von seinen Vasallen, Klöstern und Städten, und im<br />
gewissen Grade auch von seinen Amtsunterthanen, wenn er in<br />
ihren Grenzen weilte, uueutgeltlich beherbergt und beköstigt zu<br />
werden.<br />
Dieses Gastrecht beschränkte sich aber nicht auf seine Person<br />
allein, son<strong>der</strong>n umfaßte auch alle seine Beamten, Diener, Jäger,<br />
Pferde und Huude, die in feiner Begleitnng o<strong>der</strong> auch bloß<br />
iu seiuem Auftrage die betreffenden Gegenden betraten und<br />
daselbst zu verweileu geuöthigt waren. Durch die allmälige<br />
Eutwickeluug <strong>der</strong> Theorie vom Iagdregal hatten die Fürsten<br />
die Ausübung <strong>der</strong> hohen Jagd auch auf den Gütern ihrer<br />
Vasallen, Klöster und Städte als ihr ausschließliches Recht an<br />
sich gezogen; so kam es, daß, wenn sie zur Abhaltung <strong>der</strong>selben<br />
auf den Klostergütcrn mit großem Gefolge erschienen, das<br />
Kloster durch die Ernährung <strong>der</strong> Menschen und Thiere in<br />
große Unkosten gestürzt wurde und auch soust manche Belästigungen<br />
erfuhr. Daran ließ sich aber mancher Herrscher nicht genügen,<br />
son<strong>der</strong>n belegte die Klöster in willkürlicher Ausdehuuug dieser<br />
Rechte mit seinen Jägern und Hundeu zur Ausfütterung anf<br />
längere Zeit. Dies nannte man das Hund e lager. In den<br />
Urkunden des 15. Jahrhun<strong>der</strong>t werden viele Klagen über die
340 Das Hundekorn.<br />
Belästigungen, welche die Klöster durch das Hnndelager erfuhren,<br />
laut, und die Concilien von Costnitz nnd Basel erließen förmliche,<br />
wenn auch wirkungslose Exeomnmnieationsdecrete gegen<br />
alle die, welche die Geistlichen mit solchen Verationen heimsuchen<br />
würden. Daher sahen sich manche Klöster veranlaßt, einen<br />
Vertrag mit ihren Fürsten über die Dauer des Hnndelagers<br />
abzuschließen. Manche kanftcn sich schon früh von demselben<br />
los, so trat z. B. <strong>der</strong> Probst des Klosters Pöhlde zn Anfang<br />
des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts für den Erlaß des Hnndelagers dem<br />
Herzog Philipp von Brannschwcig den Zehnten im Felde zn<br />
Hagen, nebst drei Maltern Roggen nnd drei Maltern Hafer<br />
ab. ^) Ich habe dieses Beispiel absichtlich aus an<strong>der</strong>n herausgegriffen,<br />
um dabei ans die Entstehung des Hnndezehntens,<br />
Huudedecems aufmerksam zn machen, eine Abgabe, die in Pommern<br />
allerdings nicht vorkommt. In diesem Beispiel trat <strong>der</strong> Probst<br />
den Zehnten, den die Bauern ihm schuldig waren, für eine<br />
Iagddienstverpflichtnng ab, uud weuu unn auch deshalb jener<br />
geistliche Zehnte den Namen Hnndezehntc erhielt, in Bezug<br />
auf die zur Zahlung verpflichteten Vaueru hat er feine Natur<br />
als geistlicher Zehnten gar nicht geän<strong>der</strong>t. Es würde also,<br />
wenn das Gesetz vom 2. März 1850 ans diesen Fall zur<br />
Anwendung käme, den Rechtsnachfolgern <strong>der</strong> Banern zn Hagen<br />
ein unmotivirtes Geschenk gemacht werden znm Nachtheil eines<br />
An<strong>der</strong>n, während doch nnr <strong>der</strong> Rechtsnachfolger des Probstes<br />
zn Pöhlde einen Anspruch auf Restitution <strong>der</strong> geleisteten Abfindung<br />
erheben könnte. In Pommern fand jene Ansdehnnng<br />
des Iagdrechts in Verbindung mit dem Iagdregal nicht statt,<br />
doch ließen sich anch die Pommerschen Herzoge das Iagdrecht<br />
in ihren Klöstern in vollem Maße gefallen uud beanspruchten<br />
es auch für ihr Comitat, wenn sie znr hohen Jagd die Grenzen<br />
<strong>der</strong>selben betraten. Dies nannte man hier zu Laude das „Ablager<br />
halten." Da dasselbe immerhin den Klöstern zn großer<br />
Belästigung gereichte, so begannen diese schon Ende des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
eine Abfindnng für dasselbe herbeizuführen, welche<br />
'") Leuckfeld, ^uti^. Pocld. S. 100.
Das Hundekorn. 341<br />
man ebenfalls das Ablager nannte. So kommen schon 1490<br />
die Ablagcr ans den Klöstern Iasenitz, Pudagla, Verchen,<br />
Wollin, <strong>der</strong> Hofmcisterei zn Treptow a. T. nnd <strong>der</strong> Domprobstei<br />
zn Cammin als Abgabe vor, welche <strong>der</strong> Herzogin Anna,<br />
<strong>der</strong> Gemahlin Herzogs Bogislav X., znm Leibgedinge verschrieben<br />
worden. 25) Auch die Städte waren für ihre Landgüter zum<br />
Ablagcr verpflichtet, so schwebte z. V. im Anfang des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
zwischen demselben Herzog Bogislav X. und <strong>der</strong><br />
Stadt Stettin ein Streit wegen seines Ablagcrrcchtes in Pö'litz,<br />
und noch am Ende dieses und am Anfang des 17. Iahrhnn<strong>der</strong>ts<br />
nahmen die Herzoge Johann Friedrich und Philipp II.<br />
das Ablagerrccht im stettiner Landgute Verglank in Anspruch.<br />
Bei dem pommcrschen Ablager wie bei dem an<strong>der</strong>swo vorkommenden<br />
Hnndelager ist <strong>der</strong> Verpflichtete wie <strong>der</strong> Ablösende<br />
immer das Kloster, die Stadt, und nicht <strong>der</strong>en Unterthanen;<br />
dagegen sinde ich, daß die Amtsunterthancn in gewissem Grade<br />
zur Leistung des Ablagcrs herangezogen worden sind, also<br />
wenn <strong>der</strong> Fürst ans Reisen o<strong>der</strong> Iagdzügen durch ihre Gegend<br />
kam, o<strong>der</strong> auch Beamte in seinem Auftrage, sie in beschränktem<br />
Maße Mehl nnd Fnttcr für Mann, Roß und Hunde haben<br />
hergeben müssen. Auch sie lösten diese Verpflichtungen meistens<br />
im Laufe des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts ab; daher erscheinen in den<br />
Amtsregistern die Titel Ablagergeld, Ablagerroggen, Ablagerhafer.<br />
So zahlte nach dem Barther Amtsregister das Dorf<br />
Saal vier Scheffel Ablagerroggen und vier Drömt Ablagerhafer,<br />
das Dorf Kentz zwei Scheffel Ablagerroggen und zwei<br />
Drömt Ablagerhafer.<br />
Fasse ich znm Schlüsse die Resultate meiner Erörterung<br />
zusammen, so crgcbeu sich daraus folgende Punkte für die vorliegende<br />
Prozeßverhandlung:<br />
1. In bäuerlichen Kreifen hat die Verpflichtung znr Fütterung<br />
von Jagdhunden in Pommern nur den Freischnlzen nnd<br />
Müllern obgelegen und diese Verpflichtung ist niemals<br />
abgelöst worden.<br />
N) Klempin, Diplom- Beiträge Seite 527 ff.
342 Das Hundekorn.<br />
2. Eine Iagdabgabe „Hnndekorn" hat in Pommern niemals<br />
bestanden.<br />
Z. Hnndelagcr waren in Pommern nicht üblich; dagegen<br />
fanden die Ablager stati, diese sind abgelöst nnd die<br />
Ablösungen finden sich in den Amtsregistern nnter dem<br />
Titel „Ablager."<br />
4. Das in Pommern vorkommende Hnndckorn ist eine Pachtnnd<br />
Bedekornhcbnng nnd hat znr Jagd nicht die mindeste<br />
Beziehnng.<br />
Stettin, den 15. April 1874.<br />
Der Staa tsarchivar Dr. Klempin.<br />
Gutachten<br />
des Archiv-Raths Di-. F. Wigger in Schwerin.<br />
Im Jahre 1454, „an deme daghe Sunte Peters in <strong>der</strong><br />
Arne" (also am 1. Angnst), verkaufte Herzog Wartislav d. ä.,<br />
Herzog zu Stettin n. s. w., für sich, seine Söhne nnd Erben,<br />
nm 1400 Mark Snndisch wie<strong>der</strong>tänflich an den Magister Berthold<br />
Zegheberghe, Rathmann zn <strong>Greifswald</strong>, dessen Erben<br />
nnd Cessionarien:<br />
„alle unse bede^ denjrcshelt unde Hundekornc ur<br />
dem dorpe ^Hynrikeshacshel^ by deme Reynebercshe<br />
belecfhel^ als nomlyken xivi^ iN. u»lde<br />
xiiü M. dcnstcfhcldcs lu^de ene laft u»rde<br />
vefftehalvcn schcpel Hundekornes dryerlebe")<br />
nebst Bede ails dem Dorfe „Crneemanshaghen".<br />
Wir fügen hinzn, daß die Universität <strong>Greifswald</strong> später<br />
in den Besitz dieses Pfandbriefes kam, und 1563 die<br />
Landesherrschaft, ans das Einlösnngsrecht verzichtend, <strong>der</strong> Universität<br />
jene Hebnngen znm Eigenthnm überließ, nnd hiermit<br />
die Schnld, für welche jene Hebungen verpfändet waren, abtrng.<br />
Nach den: „Vniversitcten-Register" von 1570/71 bezog
Das tznndekorn. 343<br />
die Universität aus Hinrickshagen damals keine an<strong>der</strong>e Hebungen,<br />
als 61 Mk. „stände Pechtc" nnd 1 Last 9 Scheffel „Korn",<br />
und zwar 2 Drömt 11'Scheffel Roggen, ebenso viel Gerste<br />
und ebenso viel Hafer. Die Differenz zwischen 1 Last 4^/2<br />
Sch. und 1 Last 9 Sch. wird sich aus eiuem verschiedenen<br />
Scheffelmaße hinreichend erklären. Vgl. unten im Abschnitt VIII.<br />
Die Bedeutung des Wortes „hnndckorne" in obiger Urkunde<br />
ist streitig geworden. Es handelt sich nm die Frage,<br />
ob es zn den „in Beziehnng ans die Jagd obliegenden Diensten<br />
und Leistungeu" gehört, welche „alle" durch das Gesetz betr.<br />
die Ablösung <strong>der</strong> Rcallasten n. s. w. vom 2. März 1850<br />
(§. 3, 6) „ohne Entschädigung aufgehoben" sind.<br />
1.<br />
Diese Frage ist zunächst ^. verneinend beantwortet von<br />
dem weiland Archivar Dr. Klempin in einem vom 31. October<br />
1873 datirten Bericht, in welchem <strong>der</strong>selbe einer früheren Ansicht,<br />
als ob „das Hnndckorn eine ans den vormals slavischen<br />
Dörfern solcher Gegenden, wo <strong>der</strong> Herzog Jagd zn treiben<br />
pflegte, lastende Abgabe" sei, „wodurch die uralte Pflicht, die<br />
Hunde bei sich zu füttern, durch jährliche Lieferung von zwei<br />
bis drei Scheffeln Hafer an den Hof zu Brod für diese Bestien<br />
abgelöst werden mußte", — die Wahrnehmung entgegenstellt, daß<br />
dasselbe Korn aus gar vielen schon durch ihre Namen als<br />
deutsche Anlagen zu erkennenden Dörfern Neuvorpommerns<br />
erlegt sei, und seine eigene Behauptung:<br />
„Das Hundekorn entstand nicht durch Umwaudclung von<br />
Iagddiensten in Naturalliefcrung von Getreide",<br />
durch zwei Gründe stützt, nämlich<br />
H. „daß in den Kloster guter n (bei <strong>der</strong>en Vergabung an<br />
die Klöster alle weltlichen Lasten und speeiell auch die<br />
Iagddienste aufgehoben waren), seitdem sie nach <strong>der</strong><br />
Reformation in den Domanialbesitz <strong>der</strong> Herzoge übergingen,<br />
die althergebrachten theils in Pacht-, theils in<br />
Nede--Korn bestehenden Getrcidclieferungcn<br />
ebenfalls in Hundekörn umgetauft wurden".<br />
23
344 Das vundekorn,<br />
d. „An<strong>der</strong>ntheils ergiebt auch dir Znsanimenstellung <strong>der</strong><br />
Gesammtabgaben <strong>der</strong> nnt Hnndekorn belegten Ortschaften,<br />
daß das letztere theils aus <strong>der</strong> Pacht-, theils<br />
ans <strong>der</strong> Herbstbede entstanden sein mnß, nnd<br />
seine Höhe im correspondirenden Verhältniß zn den in<br />
Geld umgewandelten an<strong>der</strong>en Abgaben steht".<br />
Sein positives Resultat faßt Klenipin zusammen iu folgenden<br />
Satz:<br />
„Das „Hundekorn" war demnach bald Pacht-, bald<br />
Bede-Hebnng uud als solche fast immer gleichmäßig ans<br />
den drei Getrcidearten Roggen, Gerste, Hafer bestehend, welche<br />
jenen Namen erhielt, sobald sie ans den Etat für<br />
d e n U n terhalt des H ofgesindes nnd h a n ft t s ä ch l i ch z n r<br />
Ernährung <strong>der</strong> Iagdhnnde gebracht wnrde ".<br />
L. Dagegen hat hernach <strong>der</strong> Nichter erster Instanz (Königliches<br />
Kreisgericht zu <strong>Greifswald</strong>) sich dafür entschieden, daß<br />
das Hundekorn „als eine Iagdabgabe entstanden" sei. Er hat<br />
auszuführen gesucht, daß und weshalb Klempin's Gutachten<br />
nicht überzeugend sei, nnd findet, daß „<strong>der</strong> Hauptgrund,<br />
ans welchem man berechtigt ist, eine un Mittelalter als<br />
Hundekorn geleistete Abgabe auf die h errsch aftlich e<br />
Jägerei und die dafür zn leistenden Dienste als Entstehuugsgruud<br />
zurückzuführen, darin besteht, daß sich die Abgabe<br />
des Hnndekorns unter diesem Namen o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Vezeichnnng<br />
„Hundehafer", „Hundebrot", „Hnndslager",<br />
„Hnndslagergcld", ca.ii^i'i^,
Das bundekorn. 345<br />
tigen und weiter zu begründen unternommen. Da Nur auf<br />
seine Ausführungen noch weiterhin Zurückkommen müssen, so<br />
begnügen wir uus hier, seme Resultate wörtlich anzugcbeu:<br />
1. „In bäuerlichen Kreisen hat die Verpflichtung znr<br />
Fütterung von „(fürstlichen)" Jagdhunden in Pommern<br />
nur deu Freischützen und Müllern obgelegen, und diese<br />
Verpflichtung ist nie in als abgelöst worden".<br />
2. „Eine Jagd abgäbe „Hundckorn" hat in Pommern niemals<br />
bestanden".<br />
3. „Hundelager waren in Pommern nicht üblich, dagegen<br />
fanden die Ablager statt; diese sind abgelöst, nnd<br />
die Ablösungen finden sich in den Amtsregistern unter<br />
dem Titel „Ablager".<br />
4. „Das in Pommern vorkommende Huudekorn ist eine<br />
Pacht- uud Vedckornhcbung und hat zur Jagd<br />
nicht die mindeste Beziehung".<br />
Es liegt nnn dem unterzeichneten Referenten ob, nach<br />
Einsicht des Klempinschen Gutachtens über die Richtigkeit dieser<br />
am Schlüsse aufgestellten Behauptungen ein an<strong>der</strong>weitiges motivirtes<br />
Gutachten abzugeben.<br />
ii.<br />
Die Hauptfrage, nm welche es sich hiebei handelt, ist<br />
also diese:<br />
Was bedeutet das Wort Hundekorn um die Mitte des<br />
15. Jahrhun<strong>der</strong>ts in Neu-Vorpommern?<br />
Klempin hatte schon in seinem ersten Gntachten seine Aufgabe<br />
wesentlich auf Vorpommern beschränkt, da nach seiner Behauptung<br />
die Bezeichnung: Hnndekorn nur iu dem Hcrzogthum<br />
Wolgast dicsseit <strong>der</strong> Swinc snicht aber „im Herzogthum<br />
Wolgast jenseit <strong>der</strong> Swinc und in den: Herzogthnm Stettin,<br />
das 1464 ausstarb") üblich war, und das Dorf Hinrichshagen<br />
zwischen <strong>Greifswald</strong> und Stralsund, also in dein vormaligen<br />
ruyanischen Fürstentum, belegen ist. In den Entscheidnngsgründcn<br />
zu dem Urtheil erster Instanz wird dagegen auf einen<br />
urkundlichen Beweis in Bezug auf das Huudekorn in Neu-<br />
23*
346 Das yundekorn.<br />
Vorpommern verzichtet; <strong>der</strong> Nichter begnügt sich mit <strong>der</strong><br />
Annahme s„ist anzunehmen"), daß <strong>der</strong> „Ursprnng" des Hnndekorns<br />
als Jagd abgäbe „in dunkle Vorzeiten sich verliert",<br />
weil solches „im Mittelalter eine so we ite Vcrbreit u n g hatte",<br />
sowohl in Frankreich, als dnrch ganz Deutschland nnd in slavischen<br />
Län<strong>der</strong>n, „nnd überall ans denselben Grund zurückgeführt wird".<br />
Es erscheint uns deshalb angemessen, vorlänfig noch von<br />
Vorpommern speeiell abznsehen nnd den Gebrauch des<br />
Wortes Hundekorn überhaupt zu erwägen.<br />
Schon die Znsammenstellnng mit den Ausdrücken „Hunde -<br />
Hafer", „Hnndelager" ?c. zeigt, daß <strong>der</strong> Nichter das Wort<br />
„Hnndekorn" vornehmlich wegen seiner Znsammcnsehnng mit<br />
„Hnnd" auf eine Kornliefernng für Hnnde, Jagdhunde,<br />
dentet; nnd anch Klempin nimmt an, daß das Pacht- o<strong>der</strong><br />
Vedekorn den Namen Hnndekorn — dnrch die Fürsten nnd<br />
ihre Diener — erhalten hat, sobald es ans den Etat für den<br />
Unterhalt des Hofgesindes nnd hanptsächlich znr Ernährung<br />
<strong>der</strong> Jagdhunde gebracht wurde. Bei<strong>der</strong>seits ist man also<br />
darüber einig, daß die Etymologie auf Hund — Jagdhund<br />
hinweise; nnd die Uebersetznng dnrch ^niion^ o^nuin,<br />
Himoii^ c^nina, lruui6utnin clrnuiQ, welche uns in<br />
den Urkunden des 14. und des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts häufig begegnet,<br />
unterstützt anscheinend diese Annahme.<br />
Indessen, da, wie sich hernach zeigen wird, das Hunde<br />
körn in nnscrn Gegenden nicht nach Gehöften, son<strong>der</strong>n nach<br />
Hnfen, also nach dem Maße <strong>der</strong> Aecker, berechnet ward, so<br />
dürfte doch zn erwägen sein, daß es neben dem Worte Im.'lt<br />
— 0lruÌ8 im Altnie<strong>der</strong>sächsischen noch ein an<strong>der</strong>es gleichlautendes<br />
Wort liimt in <strong>der</strong> Bedentnng eines Ackermaßes ^<br />
V6 Morgen gab. Auch Du Cange kenut dies Wort; er erklärt<br />
^ lin. 1485 l<br />
, toin. I, vi^ioin. 1^)6l^i0. i)l.iF. 787:<br />
Vili01'6111
Das Hundekorn. 347<br />
Man ersieht aus dieser Form, daß <strong>der</strong> Stamm<br />
nicht „Iiuii^" ist, statt dnn
Das .Hundekorn.<br />
in den uns interessirenden Gegenden erst ans dem 14. Jahr-<br />
hun<strong>der</strong>te bekannt ist, auf einem Mißverständnisse beruhen<br />
kann, das sich sehr leicht daraus erklaren ließe, daß das Wort<br />
Imnt — Ackermaß hier zn Lande nicht mehr üblich war, und<br />
<strong>der</strong> Allsdruck: ^unclokorn bei <strong>der</strong> Einführung desselben im<br />
14. Jahrhun<strong>der</strong>t darum falsch gedeutet werden konnte, nmso-<br />
mehr, da an<strong>der</strong>swo wirklich Hafer für Iagdhnnde gegeben<br />
ward; und daß man den Ausdruck Iluinlokoi-ii in dem Siunc<br />
von: Korn, das von den Aeckern ursprünglich nach dem Huude-<br />
maß gegeben ward, anch später beibehielt, als man nach grö-<br />
ßerer Maßeinheit rechnete, ließe sich durch Aualogien wahrschein-<br />
lich machen.<br />
Jedenfalls aber wird diese Wahrnehmung uns warnen<br />
müssen, nicht überall lediglich <strong>der</strong> einmal vorausgesetzten, aber<br />
zweifelhaften Etymologie zu Liebe das Wort: Hundekorn<br />
überall in gleicher Weise wie den Hundehafer, Hundebrot<br />
?c. zu deuten, ohne daß wir den Ursprung <strong>der</strong> jedesmaligen<br />
Abgabe, ihren Betrag u. s. w. kennen.<br />
Nnd selbst, wenn man das Wort: „Hundekorn" <strong>der</strong> Deu-<br />
tung des späteren Mittelalters gemäß, überall als „Korn<br />
für die herrschaftlichen Iagdhnnde" übersetzen will: so fragt<br />
sich doch weiter, ob diese Kornabgabe ausdrücklich zum Hundc-<br />
futt^r (und zum Iägermahl) eingeführt, bewilligt o<strong>der</strong> gefor-<br />
<strong>der</strong>t ward, o<strong>der</strong> ob etwa ein Theil des Pacht- o<strong>der</strong> Bedekorns,<br />
welcher von <strong>der</strong> Herrschaft znm Bedarf des Iagddeparte-<br />
ments angewiesen wurde, dieseu Nameu durch die Beamten<br />
empfing, o<strong>der</strong> ob das Hnndekorn eine Ablösung von Iagd-<br />
frohnden, vom Huudelager, vom Iagdablager vorstellte, o<strong>der</strong> ob<br />
man eine solche auf die Jagd bezügliche Abgabe uud daucben<br />
uoch an<strong>der</strong>e Abgaben zn leisten hatte, solche aber zusammen-<br />
rechnete uud uach dem Grnndsatze: ,,^ iwtioi'i iid llonomiim-<br />
tio" insgesammt Hunde körn benannte, o<strong>der</strong> endlich, ob man<br />
nicht, wenn einmal eine solche Kornabgabe für die herrschaft-<br />
lichen Iagdhnnde „Hundekorn" benannt war, später nach dieser<br />
Analogie Kornabgaben von ähnlichen! o<strong>der</strong> größeren! Betrage,<br />
die mit <strong>der</strong> Jagd in gar keiner Beziehung standen, ebenso be-
Das Hundekorn. 349<br />
nannte. Wie willkürlich man im Mittelalter und noch später<br />
in <strong>der</strong> Benennung <strong>der</strong> Abgaben verfuhr, ist bekannt genug.<br />
Es sei nnr daran erinnert, daß z. V. in Meklenburg die alten<br />
Zehnten und Beden gar häusig unter <strong>der</strong> Benennung „Pachte"<br />
vorkommen; nnd um eiu an<strong>der</strong>es naheligendes Beispiel anzuführen,<br />
so benannte man Dienstkorn, d. h. Korn, mit welchem<br />
Dienste abgelöst waren, anch Bedekorn.<br />
'n (Wischuer uuweit Wismar) do<br />
ot diuiiäio ^i'O 86i'nitio<br />
Es wird dcuinach unsere Aufgabe sein, Umschau zu halten, in<br />
welchem Sinne das Wort Hundekorn außerhalb Neu-Vorpommcrns<br />
in Gebrauch war, ob es überall eine feste Bedeutung<br />
hatte, o<strong>der</strong> ob diese schwankte.<br />
in.<br />
Es mag dabei vorweg bemerkt werden, daß die in den<br />
Entscheidungsgründcn des ersten Richters angezogenen Stellen<br />
(bei Gönner ?c.) überall nichts beweisen, daß in allen diesen<br />
Stellen das Wort Hund e körn überhaupt uicht vorkommt,<br />
viel weniger von dreierlei Hnndekorn (Roggen, Gerste, Haser,<br />
loie in dem Falle, welcher das gegenwärtige Erachten hervorgerufen<br />
hat) dort die Rede ist.<br />
Es geht ans ihnen nur hervor, was auch Klempin wohl<br />
bekannt war, daß (abgesehen von den eigentlichen Iagdfrohnden,<br />
den Diensten bei <strong>der</strong> Jagd, Fuhren <strong>der</strong> Jäger, Netze und an<strong>der</strong>er<br />
Iagdgeräthe, Stellen <strong>der</strong> Netze, Klappern, Treiben :c.,<br />
welche nach Runde „in <strong>der</strong> Regel" nur <strong>der</strong> Bauer seinem<br />
Grundherrn zu leisten hatte) an vielen Orten in Frankreich<br />
uud Deutschland Vasallen und Klöster (nnd auch Hintersassen<br />
<strong>der</strong> Letzteren, weil die Klöster ihnen solches znschoben) H. zum<br />
„Iagdlager" o<strong>der</strong> „Jagd ab lager", d. h. zur Verabreichung<br />
von Nachtlager nnd „Futter und Mahl" an den Iagdherrn,<br />
dessen Jäger, Pferde, Hunde (und Falken) gehalten waren,<br />
N) Mekl. Urk.-Vuch II. Nr. 792, vom Jahre 1257.
35l) Das hundckovu,<br />
zum Theil aber solche Last durch ein Iägergeld ablösten,<br />
und daß ^. „hin und wie<strong>der</strong> Gutsleute, ja auch adliche Vasallen<br />
nnd Klöster" (auch <strong>der</strong>eu Hintersassen, vermuthlich für das<br />
Kloster) „eiue gewisse Anzahl von Jagdhunden aufziehen uud<br />
füttern, o<strong>der</strong> statt <strong>der</strong> Unterhaltung Huudelagergeld, Hundehaber<br />
o<strong>der</strong> Huudebrot eutrichteu müssen".<br />
Dies ist alles nicht zweifelhaft, uud namentlich <strong>der</strong> Hundshafer<br />
war eiuc so verbreitete Abgabe, daß er sogar zum<br />
Sprichwort benutzt ist (Einem den Hundshafer dreschen — Einen<br />
durchbläueu, s. Grimms Lexikon u. d. W.). Daß auch stellenweise<br />
an<strong>der</strong>es Korn für dell Hafer gegeben sei, daß „in<br />
einem gewissen Fürsteuthum" „ein gottseliger Herzog den<br />
Huudshaber o<strong>der</strong> das Hund e körn" —, „weil verschiedene"<br />
Unterthanen „nicht Haber, son<strong>der</strong>n Korn" (d. h. Roggen)<br />
zu geben gehalten sind", — „verschiedenen Geistlichen zn ihrem<br />
Deputat verordnet", bemerkt Ch. Gottl. Rieeins, zuverläss.<br />
Entwurf vou <strong>der</strong> in Teutschland üblichen Iagtgercchtigkeit (2.<br />
Aufl. v. I. 1772) Seite 218.<br />
Hier begegnen wir also wirklich einmal dem Ausdruck<br />
„Huudekorn"; aber von zweierlei o<strong>der</strong> dreierlei Korn<br />
erwähnt auch Nieeius nichts; uud überdies bezeichnet er nicht<br />
genaner den U rspr ung dieser Roggen-Abgabe. Da sein reiches<br />
Material wesentlich ans Acten und Iagdordnnngen des 16.<br />
uud 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts entuommen ist, so bleibt es fraglich,<br />
ob er nicht ein althergebrachtes „Hundekorn", anch <strong>der</strong> Etymologie<br />
folgend, auf eiue Iagdabgabe gedeutet hat.<br />
Doch auch felbst dauu, weuu sich wirklich nachweisen ließe,<br />
was ich bis auf weiteres uicht für möglich o<strong>der</strong> wahrscheinlich<br />
halte, daß damals, als die wendischen Län<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Ostsee<br />
germanisirt wurden, eine Koruablösung für Iagdfrohnden, o<strong>der</strong><br />
für das Iägerlager o<strong>der</strong> für das Hundclagcr in Nic<strong>der</strong>fachseu<br />
und Westfalen üblich gewesen wäre, so würde es immer noch<br />
sehr gewagt sein, solchen Brauch o<strong>der</strong> auch jene Iagdlasteu<br />
selbst ohne weiteres auch bei deu deutscheu Kolonisten an <strong>der</strong><br />
Ostsee voransznsetzen. Deuu z. V. auch die Ministerialität<br />
ritterbürtiger Familien, welche ans Nie<strong>der</strong>sachsen nach Meklen-
Das Hundekorn. 351<br />
bürg und Neuvorpommern answan<strong>der</strong>ten, nnd die Hörigkeit <strong>der</strong><br />
eingewan<strong>der</strong>ten Bauern wurden hier sofort aufgehoben; und es<br />
verdient bemerkt zu werden, daß im 12. und im 13. Iahrhnn<strong>der</strong>t<br />
in den meklenbnrgischen Landen nie von Iagdfrohnden<br />
o<strong>der</strong> von Iagdabgaben die Rede ist (von Ablager ^o^itiiiin^<br />
aber nicht Jagd Mager, ein einzig Mal ^), wenngleich sie<br />
später, bei <strong>der</strong> prekären Lage des Bauernstandes gegenüber<br />
<strong>der</strong> Landesherrschaft wie den Vasallen, sich hier ebenso entwickelten<br />
wie an<strong>der</strong>swo.<br />
IV.<br />
Ueberhanpt dürfen die Verhältnisse des deutsche n Kolonisten<br />
nicht nach denen des wendischen Bauern bemessen<br />
werden. Da in den Entfcheidungsgründen auch auf die slavischen<br />
Län<strong>der</strong> Bezug genommen und das sla vif che Element<br />
in den bäuerlichen Verhältnissen Vorpommerns betont ist,<br />
so mögen hier folgende Bemerkungen Platz finden.<br />
Nichtig ist es, daß sich in flavifchcn Gegenden des nordöstlichen<br />
Deutschland Iagddienste <strong>der</strong> slav if chen Bauern nachweisen<br />
lassen. Da dies in den Entfcheiduugsgrüuden nicht geschehen<br />
ist, so führen wir hier Einiges an. Z. B. hatten die<br />
polnischen Banern die Verpflichtung, landesherrliche Huude<br />
zu füttern ^)8Ì3.i'8i^i) und fürstliche Huudcwärter und Jagdhunde<br />
bei sich auszunehmen (^glii'o); nnd in Schlesien waren<br />
dicfe Lasten bekannt genug. ^') Herzog Wladiflav von Oppeln<br />
befreite z. B. das Dorf Nepten 1247 u. a. auch von solchen:<br />
„linntio voi 13l;.<br />
^-) Tzschoppe nnd Stenzel, Urkundensanunlnng fiir Schlesien und<br />
Oberlausitz p. 20.<br />
^") Ebendaselbst Nr. 26.
Das Hundekorn.<br />
niI)U8 0( ci031^1'11 IN 0t 0X ^^rt0 ^rincipuin V0NH-<br />
toi'08 C^I'Ottioi'UN) 001V01111N 80l1 ^01'001'Ulli 8i1v0-<br />
8ti'Il1llI 8011 oticilli ^lilll'UUI ^08tii11'11111, it01N l^i0 0-<br />
ll l> 1 ìÌ 8611 CktOli Ä11011P08, 0 XÌ ^ 0 N t 6 8 Viä 01 i 0 0 t<br />
sviili 3 od ti 0 inin il) 11 8 0 0 0i0 8Ìl11'11UI 6xr)0n-<br />
8l13 sii'0 80 O t
Das Hundekorn. 353<br />
Recht, gewissermaßen für die Befreiung von allen Placke-<br />
reien des polnischen Bauern. Es findet sich daher dieses Korn<br />
in den Urkunden über die Verleihung des deutschen Rechts<br />
auch dann, wenn in diesen <strong>der</strong> Iagddienste gar nicht aus-<br />
drücklich Erwähnung geschieht. '^)<br />
Auch in Pommerellen war die Gastung <strong>der</strong> Hunde<br />
nnd Huudewärter wohl bekannt; Herzog Mcstwin befreiete 1294<br />
Bauern des Klosters Hilda bei einer Schenkuug in seinem<br />
Lande von den „cHiiidiiotorilii^". ^) Nnd ohne Zweifel ist<br />
es auch bei den wendischen Banern ans Rügen nicht an<strong>der</strong>s<br />
gewesen. Denn im Jahre 1300 verkauften die Ruyanerfürsten<br />
Wizlav, Wizlav uud Sambor den Einwohnern (cinikn8) ^<br />
Dörfer (^i'03
354 Das Hundekorn.<br />
20 Eier, 1 „km't^o" Roggen nnd ebenso viel Hafer. Dafür<br />
aber sollten sie sein:<br />
,/rvcs vndc Ic>sz vunn aller ril^cil)cli rccl)tlcl)cit<br />
-wccscn dclistc vndc csastvnFc ttanrzlikclr^ (lateinisch<br />
: .^1) 0U1NÌ 1NÌU01Ì iu^tioii^ in 801'nicÜ8 6t ^u-<br />
Ans <strong>der</strong> ersten <strong>der</strong> beiden Ilrknnden geht unzweifelhaft hervor,<br />
daß Vanern anf <strong>der</strong> Insel Rügen, nnd zlvar, wie man ans<br />
<strong>der</strong> Gewährnng <strong>der</strong> freien Ehen nnd ans <strong>der</strong> Rechnung nach<br />
wendischen Maßen (nach „Haken" nnd „Koretzcn") ersieht,<br />
w endisch e Bancrn fürstliche Pferde nnd H nnde zn fiittern<br />
hatten- ebenso bestimmt aber geht ans diesen Privilegien hervor,<br />
daß diese Last mit vielen an<strong>der</strong>n, namentlich anch<br />
mit <strong>der</strong> Ansqnartiernng des Vogtes nnd des Nntervogtes, für<br />
den bei Erwerbung des Erbrechtes festgesetzten Zins abgelöst<br />
wnrde, <strong>der</strong> Zins aber von allen geringeren Diensten für die<br />
Landesherrschaft, vermuthlich also von allen landesherrlichen<br />
Diensten mit Ausnahme des Burg- und Brückenwcrks uud<br />
<strong>der</strong> Landwehr, befreiete.<br />
Wir sehen hier also anf Rügen eine gewisse Analogie<br />
mit den Verhältnissen <strong>der</strong> wendischen Vanern in Schlesien.<br />
Vom Festlande Rügen (Neuvorpomnlern) ist nns ans <strong>der</strong><br />
rnyanischen Zeit, d. h. bis 1325, eine ähnliche Urknnde nicht<br />
bekannt. Ob deutsche Bauern in Nenvorpommern ähnliche<br />
Verpflichtungen znr Gastnng <strong>der</strong> Vögte nnd Ilntervögte nnd<br />
znr Fütternng fürstlicher Pferde nnd Hnnde hatten, o<strong>der</strong> ob<br />
man sie von solchen befreiete, wie man es in Schlesien bei<br />
Verleihnngen des dent s chen Rechts that, haben wir hernach<br />
in den Abschnitten IX. nnd X. zn nntersucheu.<br />
V.<br />
Woher taucht mm aber iu Neuvorpommern das Wort<br />
„Hundekorn" (nicht gar lange, nachdem dies Land dnrch das<br />
Erlöschen des ruyanischeu Fürstenhauses au die Herzoge von<br />
^) Fabricius, ebendaselbst S. 130.
Das Hundekorn. 355<br />
Pommern gekommen war) so plötzlich ans? Spricht dies für<br />
die Einführung einer neuen Abgabe? o<strong>der</strong> tanfte man eine<br />
alte Abgabe um?<br />
Klempin hat in seinem Zweiten Gutachten die Behauptung<br />
ausgesprochen, <strong>der</strong> Ausdruck „Hundekorn" sei für das zur<br />
fürstlichen Kammer fließende, zur Erhaltung des Märstalls,<br />
<strong>der</strong> Iagdhnnde und überhaupt für deu Staats- uud<br />
Hofhaushalt gebrauchte Reservatkorn (1^18 ^0 toto)<br />
in Brandenburg üblich gewesen und habe von dort her<br />
wahrscheinlich durch dcu Herzog Wartislav IX.. <strong>der</strong> mehrere<br />
Jahre in seiner Ingend bei seinem Oheim, dem Kurfürsteu<br />
Friedrich I. von Hohenzollcrn, verlebte, in dem Herzogthum<br />
Wolgast di e ss eit <strong>der</strong> Swine (denn jenseit <strong>der</strong>selben finde es<br />
sich nicht) Eingang gefunden.<br />
Aber fo ansprechend diese Vermuthung auf den ersten<br />
Blick erscheint, so wenig ist sie doch richtig. Denn erstens<br />
fällt die Negierungszeit Wartislavs IX. erst in das 15. Jahrhnn<strong>der</strong>t;<br />
<strong>der</strong> Ausdruck „Hundekorn" findet sich in Vorpommern<br />
aber schon in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Wenigstens schon 1373 verpfändeten die Brü<strong>der</strong> Herzog Wartislav<br />
(VI.) uud Bogislav (VI.) die Bede, Hundekorn uud<br />
Dieust von etlichen Hufen zu Nicnkerken und zu Hinrichshagen<br />
an einen <strong>Greifswald</strong>ischen Nathmann. ")<br />
Desgleichen verpfändete fchon 1384 Herzog Wartislav zu<br />
Stettin den: <strong>Greifswald</strong>ischen Rathmann Vineentius Wiebold<br />
„alle bedc, alle Hundekorn >>an^ achte huucn<br />
in demc dorpe to Tzarneroanye . . rmde alle<br />
bcdc, alle hundekorn ouer twe Hünen in demc<br />
dorpe ro Cerelni^c .. onde alle bede^ alle hun dekorn<br />
oucrtn?ehttucn in dcmedol petoC<br />
und an demselben Tage einem an<strong>der</strong>n Nathmann<br />
4U) Oelnchs, Verzeichuiß S. 100. Dies ist, beiläufig bemerkt,<br />
die älteste Urkunde über „Huudekoru", die Oelrichs erlvähnt; ich weiß<br />
auch keine frühere nachzuweisen.<br />
") Lisch, Vchr. Urk. N. S. ?-_>.
356 Das Hundekorn.<br />
„allc bcdc vndc allc hlllldccorn an dcmc dorpc<br />
tho Grotcn-G astro ^c"^^).<br />
Die Herzoge Barium (VI.) und Wartislav (VIII.) verpfändeten<br />
1401, 22. Deebr., dem Bürgermeister Heinrich<br />
Rnbenow zn <strong>Greifswald</strong><br />
„allc bcdc vndc hulldckornc dcs Fhallczcl:<br />
dorpcs »alkcnhacshcn vndc des cshanczcn<br />
dorpcs -Hcnnckcn hagclr^").<br />
Wenn man aber unter den zufällig gedruckten Urkunden<br />
fchon in so vielen Dörfern das Hundekorn angeführt findet,<br />
so läßt sich behaupten, daß das „Hundekorn" in Vorpommern<br />
schon vor <strong>der</strong> Zeit Wartislavs IX. nicht vereinzelt, fon<strong>der</strong>n<br />
mindestens ziemlich weit bekannt gewesen ist.<br />
Zum an<strong>der</strong>n ist Klempin den Beweis dafür schuldig geblieben,<br />
daß jene Bedeutung des Wortes Hundekorn m Brandenbnrg,<br />
in <strong>der</strong> Kammer Kurfürst Friedrichs I., üblich gewesen<br />
sei. Zu <strong>der</strong>selben Zeit, wo das Wort dem Referenten (bei<br />
lückenhafter Kenntniß des lei<strong>der</strong> nicht gesammelten pommerschen<br />
Urkundenschcches) zuerst in Pommern begegnet, im Jahre 1375,<br />
kommt in dem Landbuche <strong>der</strong> Mark Brandenburg, welches<br />
Kaiser Karl IV. zusammenstellen ließ, <strong>der</strong> Ausdruck Hundekorn<br />
nnr bei zwei Dörfern, und zwar in weitester Entfernung<br />
von Pommern, vor.<br />
Nämlich im Dorf Gräben in <strong>der</strong> Zanche, 30 Hufen<br />
groß, wo dem Markgrafen das höchste Gericht und die Bede<br />
(die aber vom ganzen Dorfe nur 1 Schock Groschen betrug)<br />
zustand, bezahlte jede Hnfe an Zins 8 Pf., an Pacht 2^/2 Schff.<br />
Roggen nnd 2 Schff. Hafer, außerdem an Hnndekorn<br />
V2 Schff. Roggen und ^ Tchff. Hafer (iwm t inoäium<br />
^i1ÌAÌiiÌ8 6t I a.aoiw, (^ui lucani- liiindokoi'n). ")<br />
Feruer hatte das damals znr Altmark (jetzt zum Wollmirstedtschen<br />
Kreise) gehörige Vors S a ndf ur t (nach Seite 287)<br />
von je<strong>der</strong> Hufe au Hans Vogesack ^/2 Scheffel Roggen nnd<br />
") Lisch, Vehr. Urk. III. S. 7li.<br />
") Daselbst S. 135.<br />
") Landbnch (Hertzbergsche Ausg.) S. 145).
Das Hundekorn. 357<br />
^/2 Scheffel Hafer, ,,(11106. dioitul I^imdo^orn^, zu<br />
geben, war aber vom Fleischzehnten befreiet und gab im<br />
Uebrigen an Lndolf v. Griben, <strong>der</strong> in diesem Dorfe das Lehn,<br />
das höchste Gericht, Wagendienst und Kirchenpatronat hatte,<br />
von den 34 Hufen, <strong>der</strong>en 2 <strong>der</strong> Pfarrer hatte und 8 wüste<br />
waren, 30 Scheffel Hafer, 4 Schill. Brand. Pf. und pi'0<br />
Hufe an Pacht ^/2 Wispel Roggen und 6 Scheffel Hafer<br />
(für den Hafer 2 Hufen: Gerste) und 2 Brandenburgische<br />
Schillinge Zins, ohne Vede.<br />
Der Ursprung dieses Hundekorns, das also im ersten<br />
Falle dem Markgrafen, im zweiten einem Privatmanne zn<br />
entrichten war, ist nicht zn ermitteln. Es ist aber zu beachten,<br />
daß beide Orte Magdeburg nahe lagen und daß<br />
in jener Gegend von Alters her das „Hundekorn" bekannt war.<br />
VI.<br />
Nämlich Gebhard Edler von Arnstein übernahm im<br />
Jahre 1211, am 16. August,^) die Schirmvogtei und das<br />
Gericht des Klosters Leitzkau und feiner Unterthanen unter<br />
denfclben Bedingungen, unter welchen folche vor ihm fchon<br />
Everer Herr von Lindow und desfen Sohn Richard als<br />
))d6i'oii80i'63 ot Mcliceä" geführt hatten, daß ihm uämlich<br />
die Unterthaueu des Klosters jährlich die „voZot^oiiniAQ",<br />
im Betrage von 7 Pfund und 7 Schill., und das Getreide,<br />
welches limitioi'ii genannt werde, nämlich 21 Wispel<br />
uud 10 Scheffel bei<strong>der</strong>lei Getreides, Gerste uud<br />
Hafer, welche zu dem Bedarf des Richters gehörten,<br />
leisteten:<br />
iii vniZ3ii'it6i' diomitur vo^ot-<br />
VII t3,i6QtH OHN VII 8o1ìdÌ8,<br />
6t l'i'11 IQ 011t HIN, (luod dioitui' limi t. Korn,<br />
XXI cdoioä omn X inoäiiä<br />
) ot 3>U.6Q0) ^<br />
i 11611t 08. ^<br />
Riedel, c^0^. äi^i. ^1-Äi^0ud. I. Bd. 10, S. 80.
358 Das .Hundekorn.<br />
nnd daß <strong>der</strong> Vogt, <strong>der</strong> dreimal ini Jahre über schwere Verbrechen<br />
zn richten hatte, von den Strafgcfällen den dritten<br />
Pfennig, die ^voääo^omu^o". erhalten sollte. Erfüllt <strong>der</strong><br />
Schirmvogt o<strong>der</strong> seine Erben nnd Nachfolger die Pflicht des<br />
Schuhes nicht, o<strong>der</strong> begehen sie IIebergriffe, so kann das Kloster<br />
von dem Vertrage zurücktreten,<br />
„0t tliNO 01111113. iiili, (^110 0^0 VOI Ii01'0(l08 M61<br />
^ut ipsOlUIQ 8NOO683O1'08 PIO (10^0^310110 0 t<br />
iudioio ip8O17N1^ MINII 0 toniporo 00N80^ni 80I0-<br />
0t<br />
F6, 0t 8Ì<br />
111)01-6 roäiknnt ^ä 0Ooi08Ì^ia<br />
Filr unsere Untersuchung ist dieser Contraet von großer<br />
Wichtigkeit; er zeigt uns, daß, wenigstens in diesem Falle,<br />
schon im Anfange des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts in <strong>der</strong> Gegend von<br />
Magdeburg das „Iiuntivoi'n" nicht eiue Iagdabgabe war,<br />
(beilänfig bemerkt auch nicht Iiund^oi'ii genannt nnd noch<br />
nicht mit irumo-iituiQ o^nuui übersetzt wird), son<strong>der</strong>n als<br />
eine beson<strong>der</strong>e Abgabe für die Schirmvogtei spi'0 60^011310110<br />
6t incuoio), und nicht filr die Iagdhnnde (i^cl 0^1108 iii0nc1o8),<br />
son<strong>der</strong>n ausdrücklich überhaupt zum Wirth schaf tlicheu<br />
Bedarf des Schirmherr:: gegeben ward. Deiln diese Vedentnng<br />
des Wortes 0x^0118^0 ist in: ^Mittelalter so gewöhnlich,<br />
daß sie kaum des Beweises bedarf. Beispiel: 1300<br />
verkauften Heiurich I. uud Heinrich II. von Meklenbnrg <strong>der</strong><br />
Stadt Wismar Mühle und Mi'chlenteich von Alt-Wismar,<br />
,,1'0301'U^ta. 1iol)18 in i^)8^ 1)i80M
Das Hundekorn. 359<br />
Leizkau, das wenigstens im Jahre 1187 erst acht Dörfer und<br />
in fünf verschiedenen Orten zusammen 10^/2 Hufen uud einen<br />
Hof, fowie volle Zehnten ans cincin an<strong>der</strong>n und zwei Drittel<br />
<strong>der</strong> Zehnten aus sechs an<strong>der</strong>n Dörfern hatte,") dem Schirmvogt<br />
aus diesem geringen Besitze eine Kornabgabc von solcher<br />
Höhe bloß für seine Iagdhnnde o<strong>der</strong> als Entschädigung für<br />
Iagdablager o<strong>der</strong> Hnndclager zugestauden hätte.<br />
VII.<br />
Aus dem Magdeburgischen ist nnn, wenn nicht Alles<br />
trügt, <strong>der</strong> Ausdruck: Hundekorn direct nach dem östlichen Meklenburg,<br />
nach <strong>der</strong> Herrschaft Werle, übertragen, zumal wir es<br />
zwischen dem Magdeburgischen und dem Meklenburgischen nicht<br />
nachweisen können. Denn hier erscheint dieses Wort, welches<br />
man in den sämmtlichen erhaltenen, nach vielen Hun<strong>der</strong>ten<br />
zählenden, meklenburgischen Urkunden des 12. uud 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
vergebens sncht, plötzlich (zu Anfang des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts),<br />
gerade, als Günther, Herr von Werle,<br />
Domherr zu Magdeburg war. Ja, wenn wir abschen<br />
von einer gefälschten Urkunde (wovon hernach), so ist<br />
<strong>der</strong> erste Werleschc Brief, in dem wir das Wort Hundekorn<br />
antreffen, eben von jenem Domherrn, Herrn Günther von<br />
Werle, ausgestellt; und wie wir hiernach sehen werden, wird<br />
das Wort im Werleschen auch gerade wie im Magdcburgischen<br />
in <strong>der</strong> Bedeutuug vou Wirthschaftskorn gebraucht.<br />
Die erste Urkunde im Werleschen, <strong>der</strong>en Siegel und junge<br />
Schrift sie verurthcilen, die aber wahrscheinlich auf Grund<br />
einer echten angefertigt ward, ist die Urkunde, in welcher<br />
angeblich Fürst Nicolaus II. vou Werle dem holsteinischen<br />
Kloster Reinfeld 1302, 15. Sept., das Eigenthum und Gericht<br />
des Dorfes Kleth in <strong>der</strong> (vormals pommerschen, 1282 aber<br />
an Werle verpfändeten) Nogtci Stavenhagen verleiht (o<strong>der</strong><br />
vielmehr bestätigt) und dabei die Banern ausdrücklich befreiet<br />
))3
360 Das yundekorn.<br />
(?t ^ ^011811 6t 1> o t ioi 0 II 0 , s^ 11 0 (I ci il^i tiii' II n II -<br />
(Io 1(0 1'11, 0t a
Das Hundekorn. 361<br />
geben, als das in Lübeck noch erhaltene, wenn anch schon zerschnittene<br />
Coneept eines Vertrags <strong>der</strong> fürstlichen Brü<strong>der</strong> Nieolans<br />
III. nnd Bernhard III. von Werle über ihre gemeinschaftliche<br />
Regierung, Residenz und Hofhaltung.^)<br />
Derselbe mnß, da die Fürsten darin ihrer Gemahlinnen<br />
gedenken, sie sich aber erst 1341 vermählten, und da sie an<strong>der</strong>erseits<br />
1347 eine Landestheilnng vornahmen, in die Jahre<br />
1341—1347 fallen. Sie bekennen im Eingange,<br />
„dat n>i na rade r»ser vrunt r>nde trun>cr n^an<br />
vndc s^tede m sainendc hcbben cshclcc^t vlide<br />
lecshen vse stede, slotc^ lant vndc »nan vnde<br />
r» n s e kostende brot an dusdan er (d. h. solcher)<br />
-wys^ dat vser ievoclk scal vtlccscshcn alle iarlik<br />
van svme dele ot vser bey<strong>der</strong> lande datFantze<br />
^lll^dekorli tu vser kost vlidc tn vseni<br />
houe".<br />
Außerdeni soll je<strong>der</strong> 000 M. wend. Pfennige, nnd Uw nöthig<br />
mehr, erlegen „tu r»ser kost vnde l)of tu l)oldelide".<br />
Ein halb Jahr soll die Residenz zn Güstrow, das an<strong>der</strong>e halbe<br />
Jahr zu Nobel sein.<br />
Al vnser an<strong>der</strong>en csnldc (Einnahme) an korne^<br />
fielnivlicshen^ bede i^nde brokc (Gcrichtsgefällen) -<br />
scal lnalk (je<strong>der</strong>) bruken tu syner scnlt".<br />
Die erste Stelle läßt — grammatisch angesehen — eine zwiefache<br />
Auslegung zu, je nachdem man entwe<strong>der</strong> eonstruirt:<br />
vllecscshen tu r»scr kost vnde tu vsem houc dat csantze<br />
Hundekorn van svme dele vt vser bevdcr lande")<br />
o<strong>der</strong> aber:
362 Das Hnndekorn.<br />
das Hnndckorn allein für ausreichend znr ganzen fürstlichen<br />
Haus- nnd Hofhaltuug erachtet ward. Aeeeptiren wir aber,<br />
wozn die Wortstellnng nöthigt, die zweite Constrnetion, so be^<br />
deutet also das „Hundekorn zu unserer eigenen Kost nnd zn<br />
unserer ganzen Hofhaltnng" den, loie wir sagen würden, znr<br />
fürstlichen Haus- und Hofhaltung uöthigeu Kornbcdarf, und<br />
diese Stelle stimmt völlig übereiu mit Klempins oben mitgetheilter<br />
Ansicht von <strong>der</strong> Bedeutnng des Hundekorns nnd mit<br />
<strong>der</strong> oben angeführten Urkunde vom Jahre 1211; wie dort<br />
olioroZ
Das Hundekorn. 363<br />
Vogtei Teterow (1389) auf Lisch, Maltzan Urk. II., 391.<br />
Kalcn (1359) „ „ „ „ II., 164.<br />
Gnoien „ „ Hahn Urk. II., 125.<br />
Malchin (1342) „ M. U.-Buch IX. Nr. 6198.<br />
„ Stavcnhagcn(1354) „ Lisch, Maltzan Urk. II., 74.<br />
Penzlin (1312, 1345) M. U.-Buch V. Nr. 3563.<br />
„ Warcu (1336) auf „ VIII. Nr. 5634.<br />
Malchow (1309) „ „ V. Nr. 3346.<br />
„ Plau (in Registern).<br />
„ Wredenhagen (in Registern).<br />
Krakow (1366) auf Lisch, Maltzau Urk. II., 191.<br />
„ Parchim (1375) „ „ „ „ II., 275.<br />
„ Goldberg (1354) „ „ „ „ II., 116.<br />
Selten wird im 14. Iahrhnn<strong>der</strong>t jedoch <strong>der</strong> Betrag angegeben.<br />
Daß er nicht nnbedentend war, ergiebt sich, wie die angeführteu<br />
Urknnden bezeugen, schon daraus, daß bei <strong>der</strong> Verleihuug<br />
uud Verpfändung von Vogteien und einzelnen Gütern<br />
neben Gericht, Dienst, Pacht und (Geld-)Nede gerade das<br />
Hundekorn als einzige Ko r n einnähme namhaft gemacht<br />
wird. Um recht frühe Beispiele anzuführeu, fo verlieh 1309<br />
Nicolaus von Werle einem Ritter die Hälfte des Dorfes und<br />
Wer<strong>der</strong>s Damerow,<br />
,,ouui oinui i)i'oi)i'Ì6tHw" (d. h. nnter Aufhebung des<br />
Lehusnexus) „6t 1N)6rta.to, onin oinni ini'6 (Gericht)<br />
6t UNIIOI'i) 6UNI t061Uß 1)1'66H1'Ì6 li 1)61'-<br />
6t HU<br />
8UÌ8<br />
Derselbe bestätigte denl Kloster Broda seine Besitzungen im<br />
Werleschen mit allen Gerechtigkeiten:<br />
„kcrklen (Patronate) vndc manlen an dessen suluen<br />
csu<strong>der</strong>en, alle richte^ allen denst^ pachr^<br />
hundekcrn, dllrdeliest hercndcnest^<br />
(Fleischzehntcn). 5')<br />
Mett. Urk.-Viich V. Nr. 3346.<br />
Daselbst Nr, 3563.
364 Das hundckorn.<br />
1375 verpfändeten Lorenz und Johann von Werte dem Rathe<br />
zu Parchim<br />
^de vacshedye rhu Parchiln — lnvr <strong>der</strong> bede gror<br />
vnde Illttict)) dat huli d ekorll e., den te^liden<br />
de korenpenliyiicshe, de lnu»nepe»i-<br />
allen borchdcnst vnde burdenst<br />
menelkcn" (überhaupt) ^alle plecshe vnde<br />
(Einnahmen), ö^)<br />
Bisweilen wird das Hnndekorn znr Bede im lueiteren Sinne<br />
gerechnet und <strong>der</strong> Pfcnnigbcde (als dem an<strong>der</strong>en Theile <strong>der</strong><br />
Vede) gegenübergestellt, z. B. 1354 verpfändeten Johann nnd<br />
Nieolans von Werle die Hebnngcn ans dem vierten Theile<br />
des Landes Stavenhagcn:<br />
,,0inniI)N8 cl 6ii ^i'i o r n ni pi' 0 (^ rii 3 , tl^m ^6wll-<br />
1i!)i.i8 stzerbstbede) cincin 68diu^1idu8 (Sommerbede),<br />
in Iiiis (vier) vi11Ì8<br />
In 5)er Regel lvard unter <strong>der</strong> Bede aber nur die Geldbcde<br />
(i)i'6(^i'i^ c^Q^i'ioruin, Pennigbede) verstanden. Auch als<br />
Pacht wird das Hundekorn gelegentlich bezeichnet,^) wie<br />
denn die Ausdrücke Pacht nnd Bede damals schon längst dnrch<br />
einan<strong>der</strong> gingen uud überhaupt für jede jährliche Abgabe ge-<br />
braucht wurden. In <strong>der</strong> Regel scheint das Hundekorn mit<br />
<strong>der</strong> Herbstbede zusammen gegeben zu sein, Michaelis wird<br />
wie<strong>der</strong>holt als <strong>der</strong> Termin bezeichnet.^) Was den Betrag<br />
angeht, so gab es einen bestimmten Usns. Denn z. V. als<br />
1349 Johann III. von Werle an Gerd Busfehl das Dorf<br />
Sehlstorf mit allem Recht, Eigenthum, Gerichten uud Hebnu-<br />
gen, darnnter anch ,,init Qunci650i'Q6" verpfändete, heißt es<br />
in seinen: Pfandbriefe ^zun<strong>der</strong> (ansgenommen) ouer sestevn<br />
houen beholde n>)? dat hundecorn, al so (wie) dar<br />
55) Lisch, Maltzan Urk. II. 145.<br />
5") Daselbst II. 74.<br />
5
Das .Hundekorn. 365<br />
lncync lant cshifd; dar scal ^lis<br />
liakolnelincshen Gherd vtddcr (o<strong>der</strong>) zmc crncl^ r»th den<br />
zejreyn honen schcppen." Immer bestand es aus<br />
dreierlei Korn, Roggen, Gerste und Hafer, in <strong>der</strong> Regel<br />
zu gleichen Theilen, und zwar zwei Scheffel von je<strong>der</strong> Kornart<br />
von <strong>der</strong> Hufe. Weizen kommt nie als Hundekorn vor.<br />
Wir führen wegen des Betrages einige Beispiele an.<br />
1357 schenkte ein Rathmann zn Waren einer dortigen Kirche<br />
eine Rente von 10 M. nnd 1 Drömt dreierlei Korns zu<br />
gleichen Theilen (d. h. 4 Sch. Roggen, ebenso viel Gerste<br />
uud Hafer — oum trsincxlio ti-iMoi8 ot o^ii2.IÌ8 ^unono,<br />
8ÌIin-iiiÌ8) Iioi'äsi 6t 9.U6116) aus zwei Hufen zu Sommerstorf;<br />
und Herr Bernhard von Werle bestätigte diese Schenkung<br />
in <strong>der</strong> Weise, daß die beiden Hufen 4 M. Pacht und 6 M.<br />
von <strong>der</strong> kleineren und größeren Bede, und das Drömt Korn<br />
vom Hundekorn geben sollten („(inatu.0i' lliHl09.8 cls<br />
8 6t<br />
Beiläusig bemerkt, ist in einer alten, noch<br />
nie<strong>der</strong>sächsischen Nebersetzung dieser Urkunde <strong>der</strong> Ausdruck<br />
)>QQQ0NH o^uum" nicht mit ^httndckorn") son<strong>der</strong>n durch<br />
^ahrfrucht" wie<strong>der</strong>gegeben.<br />
1381 verpfändeten die v. Moltzan Bede, Münzftfennige<br />
und Hundekorn, Dienst ?c. aus Ritzerow (in <strong>der</strong> Vogtei<br />
Stavenhagen) ; <strong>der</strong> Betrag war von <strong>der</strong> Hufe: ^i M. somlncrbedc)<br />
Z M. -wintcrbcde) Hundekorn alz van<br />
cner yes lichen honen Vdrbenomct twc scepel<br />
rocfheN) n sccpcl cshcrsteN) n scepel hancren/^")<br />
Genau so standen Sommerbede und Huudekoru aber auch<br />
noch 1508. Die Baueru zu Ritzerow hatten 32 Hufen unter<br />
dem Pflnge, davon war aber „^2 hone fr)? vmm schultenainptc."<br />
Sie entrichteten an Sommerbede 31^2 M., an<br />
Hundekorn aber 63 Scheffel (also nach Abzug <strong>der</strong> halben<br />
n) Schrö<strong>der</strong>, P. M. 1364.<br />
w) Lisch, Maltzan Urk. II. 332, 333.
366 Das Hundekorn.<br />
Hufe 2 X 31^,2 Sch. Hun<strong>der</strong>oggen, ebensoviel Hnndegerstc und<br />
ebensoviel Hundehafer). Winterbcde wird nicht mehr genannt,<br />
dafür aber Pacht 126V» M., also pro Hufe etwa 4 M.<br />
Vinkenogen, die wohl an Werth jenen 3 M. früherer Miinze<br />
entsprochen haben werden. Auch im Jahre 1556 war <strong>der</strong><br />
Betrag des Hundekorns noch 63 Sch. Roggen, 63 Sch. Gerste<br />
und 63 Sch. Hafer, während die Prüfung <strong>der</strong> Beträge au<br />
Pacht und Sommerbede dnrch die Verän<strong>der</strong>ung des Münzfnßcs<br />
erschwert wird.<br />
Zn diesen letzten Angaben bemerken wir noch<br />
1. daß die Befreiung <strong>der</strong> freien Schulzenhufeu von<br />
<strong>der</strong> Abgabe des huudekorus auch schon früher bezeugt ist.<br />
Als z. B. Nicolaus vou Werle 1359 dem Kloster Dargun<br />
das an<strong>der</strong>weitig erkaufte Dorf Upost verlieh, behielt er sich<br />
nnr in den 17 Zinshnfen Hundekorn nnd Beden vor (<br />
IIÄQt08 1wI)Ì8 ot N03ti'Ì8 Ii61'6sIiI)U8 i^ clictiä XVII.<br />
oc; n 8 u ^ 1 i ^ u. 8 sin n ttlXil t 5liiQ0n^in camnam. ot<br />
^roc;Hi'iii8) in^iorsm vidolic^t ot ininoicm/') ^^)<br />
2. heben wir hervor, daß Ritzerow 1508 nnd 1518<br />
neben jenem ßundekorn noch drei Drömt „Affleger-Hauer",<br />
uud 1556 zum „Hirßableger" o<strong>der</strong> „großen Ableger zum<br />
Hause" (Staveuhageu) eiuen Ochsen, zwei Schafe und drei Dr.<br />
Hafer zu erlegen hatte, daß aber 1508 und 1516 sonst keine<br />
Kornabgabm entrichtet wnrden.<br />
Znr Vergleichung führen wir noch an, daß aus eiuem<br />
Dorfe <strong>der</strong> Vogtei Güstrow, wo neuu Bauleute zwölf Hufen<br />
bebaucten, <strong>der</strong> jährliche Betrag ihrer Abgaben im Jahre 1520<br />
war: Geld 17 M. 13 ß.<br />
„Hnndekorn": 2 Dr. Roggen, 2 Dr. Gerste uud<br />
2 Dr. Hafer.<br />
„Bedehaber": 6 Dr. Hafer.<br />
2 Dr. Hafer,<br />
2 Tonnen Bier,<br />
„Ablager" ^ Riud,<br />
3 Lämmer,<br />
5 Schafe.<br />
Lisch, Maltzan Urk. II, 164.
Das Hundekorn. 367<br />
Hier ist also das Hundekorn dem im Stavenhagenschen erhobenen<br />
gleich, die Geld abgäbe viel geringer; dafür aber kommt<br />
<strong>der</strong> Bedehafer hinzu und ein stärkerer Beitrag zum Ablager.<br />
Aber auch hier ist das Ablagerkorn nur Hafer. Im Amte<br />
Wredenhagen wurden 1564 zum „Iäger-Ablager" auch<br />
Brote geliefert, die man Zu 1 ßl. rechnete; statt einer Stiege<br />
Brote konnten die Vanern auch 1 Sch. Korns liefern; dagegen<br />
fehlte hier <strong>der</strong> Ablager-Hafer, es ward nur „Gift-, Pacht-,<br />
Hunde- und Dedinges-Hafer" gegeben. — Es ward also ein<br />
Ablagerkorn (und zwar einerlei Korn, gewöhnlich Hafer)<br />
neben dem ans dreierlei Korn bestehenden Hundekorn im<br />
Werleschen wenigstens im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t von den Bauern<br />
entrichtet. Eben so Zerlegten die Klöster für ihre Güter im<br />
16. Jahrhun<strong>der</strong>t an die Landesherrschaft zum Ersatz für die<br />
Ablager Ablager Hafer (einige daneben auch noch einen Ochsen<br />
und Hühner); aber Ablagerg erste o<strong>der</strong> Ablagerkorn, welches<br />
aus den drei Kornarten zusammengesetzt wäre, ist im Werleschen<br />
unerhört.<br />
Für die frühere Zeit läßt sich gleichfalls nachweifen, daß<br />
das Ablager neben dem Hundekoru bestand. Z. B. verliehen<br />
die Herren von Werle dein Kloster Dobbertin neuerworbeue<br />
Güter mit Gericht, Dienst, Beden und Hundekorn; daneben<br />
aber verzichteten sie dann noch auf das Ablag er, z. V. in<br />
Bezug auf Gerdshagen Fürst Lorenz 1382:<br />
„vnd ro)? noch mise ammerlyde, mannen cd<strong>der</strong><br />
knechte scholen dar afflecser hcbben,"<br />
ebenso 1402 Herr Balthasar rücksichtlich an<strong>der</strong>er Dörfer.^)<br />
O<strong>der</strong>, um ein an<strong>der</strong>es Beispiel zu wählen, so verschrieb Herzog<br />
Albrecht vott Mcklcnburg seiner Gemahlin Katharina 1482<br />
u. a. die im ehemals werleschen Gebiete belegene Vogtei<br />
Parchim: „mir pechren, tinzcn, renrcn — dunste,<br />
recsede, rockhunre, hundekorne, lecscr r»nde<br />
Vgl. Schrö<strong>der</strong>, P. M. 15)56-. Lisch, Maltzau Urk. II., 441.<br />
Lisch, Maltzau Urt. IV. 73.
368 Das Hundekorn.<br />
Ist hier immer im Allgemeinen vom Ablag er die Rede, so<br />
schloß dieser weitere Begriff natürlich auch die Iagdablager<br />
ein, welche die häufigsten und darnm die drückendsten waren.<br />
Man darf hierans, daß die Verpflichtungen znm Ablager<br />
uud Zum Huudekorn neben einan<strong>der</strong> bestanden, den Schlnß<br />
ziehen, daß das Hundekorn nicht eine Ablösung des Ablagers<br />
war.<br />
Aber anch die Annahme, als ob das Hnndekorn eine<br />
Ablösnng für das hnndslager gewesen o<strong>der</strong> ausdrücklich zur<br />
Ausfütteruug <strong>der</strong> fürstlichen Hnnde eingeführt wäre, ist gänzlich<br />
unstatthaft. Denn zunächst steht <strong>der</strong> Betrag dieses Hnndckorns,<br />
zwei Sch. Noggen, zwei Sch. Gerste und zwei<br />
Sch. Hafer für jede Landhufe, in gar keinem Verhältniß<br />
zn dem angenommenen Zweck. Zn Anfang des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />
wo schon bei <strong>der</strong> im Mittelalter fortlaufenden Veränßernug<br />
von Domanialstücken dnrch Velehunng <strong>der</strong> Vasallen<br />
mit Dörfern nnd dnrch Verleihnngen zn milden Zwecken das<br />
Hundekorn gewöhnlich mit vergeben war uud es z. B. uutcr<br />
mehr als 40 Dörfern in <strong>der</strong> Vogtei Stavenhagen nur noch<br />
aus 16 Dörfern anfkam, betrug die Summe des Hundekorns<br />
aus diefeu 16 Dörfern (1508), obwohl in einzelnen Dörfern<br />
Roggen und Gerste wegen Hagelschadens ausblieb,<br />
341/2 Dr. Roggen ^ 414 Sch. Roggen<br />
30 „ Gerste ^ 360 „ Gerste<br />
52 „ Hafer ^- 624 „ Hafer<br />
in<br />
Man mache sich hiernach einen Ueberschlag über die sämmtlichen<br />
Zu Anfang des 14. Iahrhnndcrts noch nicht verliehenen,<br />
alfo znm Domaninm <strong>der</strong> Herren von Werle gehörigen Güter<br />
und sonstigen Hebungen: so darf man den damaligen Betrag<br />
des Hnndekorns doch sicher auf weit mehr denn 1000 Drömt<br />
Korns veranschlagen.<br />
Zum an<strong>der</strong>n ist Gerste kein Korn, mit dem man<br />
Hnnde fütterte, und wollte man annehmen, sie sei znm Bier<br />
für die Jäger gegeben; wie viele und loie dnrstige Jäger<br />
müßten die Herren von Werle sich gehalten haben, um jährlich
Das Hundekorn. 369<br />
Tausende von Scheffeln Gerste für sie verbrauen zn lassen!<br />
Solche Abgaben konnten aber außerhalb des Domaninms<br />
nicht ohne ständische Einwilligung erhoben werden.<br />
Um es kurz zu sagcu, das Huudckorn als Abgabe im<br />
Werleschen steht mit <strong>der</strong> Jagd in keiner Verbindung, son<strong>der</strong>n<br />
ist nichts An<strong>der</strong>es als die alte, auch im 13. Iahrhnn<strong>der</strong>t<br />
wohl bekannte Kornabgabc von den Hnfcn, die man bald als<br />
Kornbede, bald (als zwischen Pacht nnd constant gewordener<br />
Bede kein Unterschied mehr gemacht ward) als Pachtkorn<br />
bezeichnete. Auch als <strong>der</strong> Ausdruck Huudekorn schon dafür<br />
aufgekommen war, brauchte man doch noch oft den alten<br />
Namen Kornbede dafür, o<strong>der</strong> man sagte einfach „Korn."<br />
Ich lege dabei Gewicht darauf, daß das Huudekoru gelegentlich<br />
selbst so erklärt wird. Z. B. Nicolaus uud Christoph<br />
von Werle erneuerten dem Lüdeke Hahn 1404 seinen Brief<br />
über die Velehnnng mit dcm Dorfc Demftzin,<br />
„mit <strong>der</strong> lmreken bcde vnde mit <strong>der</strong> csroten<br />
bede vnde mit aller bede, 5c me bilden ed<strong>der</strong><br />
bcden (die man erbitten o<strong>der</strong> gebieten) moFhe, ^nde<br />
mid <strong>der</strong> korliebede^ dat nie hnndckorne<br />
hct^ vnde nnt deli muntepenninFhcn" 6w.'^)<br />
Wir finden hänfig genng anch schlechtweg Kornbedc, wo man<br />
in an<strong>der</strong>n gleichzeitigen Urkunden an <strong>der</strong>selben Stelle Hundckorn<br />
gesagt hat. Z. V. wurden 1337 den Gebrü<strong>der</strong>n Hahn<br />
Vasedow nnd an<strong>der</strong>e Dörfer in <strong>der</strong> Vogtei Malchin, wo sonst<br />
das „Huudekorn" üblich war, 'durch Johann III. von Werle<br />
verliehen, mit aller fürstlichen Gerechtigkeit anßcr dem Roßdienste;<br />
aber des Hnndekorns wird nicht gedacht, son<strong>der</strong>n es<br />
heißt:<br />
„mid dcme csrotcstcn — vndc mid dcme minncjlcn<br />
richte nnt crochpcnliincscn^ lnid muntcpcnnlncscli^<br />
nnd rilidcrcshcldc ^ndc mid honrccscldc<br />
vlidc lnid almc slnalteFhcdcn^ nnr aller<br />
Lisch, Hahn Urk. II. 70-73.
370 Das Hundekorn.<br />
p enninchbede vndc mid aller kornbedende dre drompt körn es<br />
drierle)? vnde an<strong>der</strong>halue schepel kornes^tho<br />
Mamero-w vefftcin H.ub. mark cscldes r>nde<br />
necsen schepcl korncs r>nde dre drompt kornes<br />
drierley^ cho Grammcczorv achrchalf -^ub. mk.<br />
Feldes r»nde achtein schcpel kornes dricrlcy^<br />
vndc rho Rodtspalke sos drompr kornes drieri<br />
ey min andcrhaluen schepcl kornes."^^)<br />
Schon <strong>der</strong> Ausdruck „drierley" zeigt, daß wir es hier mit<br />
sonst so genanntem „Hundekorn" zu thun haben. Späterhin,<br />
1486, überließ bei einem Vergleich mit den Landesherren<br />
über diese Dörfer Wedege Moltzan denselben wie<strong>der</strong>: „hoFestc<br />
Ferichte, bede vnde Hundekorne oucr dach csanye<br />
dorp ro tNammeron?)" und es waren ^achtchalue<br />
bedehouen."^) Folglich wurde zu Mamerow für jede<br />
Zins- o<strong>der</strong> Bedehufe ^ ^ 2 M. (Bede) uud ^ . ^ ^ ^<br />
^ 6 Sch. Hundekorn (2 Sch. Roggen, 2 Sch. Gerste, 2 Sch.<br />
Hafer) gegeben.<br />
Schon <strong>der</strong> eine Umstand, daß nie Weizen (dessen Anbau<br />
erst allmählig aufkani uud lange Zeit auf wenig Gegenden<br />
Meklenburgs beschränkt blieb) als Hnndekorn gegeben ward,<br />
65) Mekl. Urk.-Vuch IX. No. 5764; vergl. No. 6206 u. f. w.,<br />
auch Lisch, Maltzan Urk. ll. 77, 79, 92 :c.<br />
66) Lisch, Maltzan Urk. IH. 380.<br />
6?) Das. IV. S. 101.
Das Hnndekorn. 371<br />
nnd zweitens dicWahrnchmnng, daß die freien o<strong>der</strong> Schnlzenhnfen<br />
danernd von <strong>der</strong> Entrichtung des Hnndekorns befreit<br />
blieben, weifen nns znriick in die Zeit <strong>der</strong> ersten deutschen<br />
Kolonisation, wo von vorne herein zwifchen den iniiQ8Ì8 1i^6i'Ì8<br />
— den Hnfcn des loo^tor, <strong>der</strong> das Dorf ansiedelte nnd das<br />
Schulzcnrccht ausübte ^ - und den Zinshufen (m^n8Ì3 oon-<br />
8Ull.1iI)N8) strenge unterschieden ward. Jene blieben aber in<br />
<strong>der</strong> Regel nicht allein vou dein Zins, son<strong>der</strong>n auch von dem<br />
Zehnten frei, von dem <strong>der</strong> Landesherr übrigens (und wie<br />
die öfter vorkommende Mitverleihnng <strong>der</strong> Zehnten beweist, anch<br />
im Werlefchen) einen Theil vom Bischof zn Lehn trng, und<br />
<strong>der</strong>, was den Kornzehnten zumal betrifft, wo es nicht von<br />
vorne herein geschehen war, wenigstens sehr früh fixirt ward.<br />
Es war das Leichteste für den Zinsbauern, feine feste Pacht<br />
(^otum), zn welcher <strong>der</strong> ursprüngliche Zins und <strong>der</strong> fixirte<br />
Kornzchntc vereinigt waren (nnd die man, mit <strong>der</strong> Bede vereinigt,<br />
anch nnter dem Namen (ordentliche) Bede im Gegensatz<br />
zu außerordentlichen Beden zusammenfaßte), in den drei<br />
Arten von Korn, die er allein o<strong>der</strong> doch Vorzugsweife bauete,<br />
Roggen, Gerste und Hafer, zu entrichten. Da aber die große<br />
Menge des Korns, welche auf die Weife zusammenkam, von<br />
<strong>der</strong> Landcshcrrschaft nicht vcrbrancht werden konnte und sich<br />
schwer verwerthen ließ, so ging ihr Bestreben von vorne herein<br />
dahin, statt des Kornzinses uud <strong>der</strong> Korubede möglichst den<br />
entsprechenden Gcldwerth (die Penuigbede, o<strong>der</strong> Sommer- uud<br />
Winterbede, letztere auch schlechtweg Pacht genannt) zu empsangen.<br />
Im Werleschcn ist allem Anscheine nach früh allgemein<br />
die Hnfenpacht in <strong>der</strong> Weife entrichtet, daß dieselbe, die natürlich<br />
je nach <strong>der</strong> Ertragsfähigkeit in den verschiedenen Dörfern<br />
verschieden war, in Geld (Sonnner- und Winterbede, o<strong>der</strong><br />
Pacht) gegeben ward bis ans je zwei Scheffel Roggen, Gerste<br />
nnd Hafer von <strong>der</strong> Hufe, die zum Bedarf <strong>der</strong> fürstlichen Hausuud<br />
Hofwirthfchaft ausreichten. Eben diese Kornabgabe zum<br />
fürstlichen Bedarf ward feit dem Aufauge des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
mit dem — anscheinend dnrch Günther von Werle ans dem<br />
Magdcbnrgischen eingeführten — Ausdruck,, Hnudekorn" bc-
372 Das hnndekorn.<br />
nannt, jedoch so, daß auch gelegentlich dafür, loie wir sahen,<br />
noch die Ausdrücke „Kornbedc" o<strong>der</strong> „Bedet'orn" o<strong>der</strong> schlechtweg<br />
„Korn" vorkommen. Taraus aber, daß das Hnndekorn<br />
eben ein Theil <strong>der</strong> znm Grundzins gewordenen Vede war, erklärt<br />
es sich auch, daß es - mit sehr seltenen Ausnahmen<br />
— ebenso wie die „Vede" (Geldzins) regelmäßig mit verliehen<br />
ward, so oft die Fürsten Grnnd nnd Boden znm Pfand- o<strong>der</strong><br />
Lchnbesih weggaben.<br />
Ganz analoge Verhältnisse finden wir, um auch uoch<br />
einen Blick ans die an<strong>der</strong>n meklenbnrgischen Gebiete außerhalb<br />
<strong>der</strong> Herrschaft Werte zu werfen, im Stargardischen. Aber<br />
<strong>der</strong> Ansdrnck „Hundekorn" begegnet nns hier für die Abgabe<br />
dreierlei Korns änßerst selten. Gegenwärtig sind nur nnr<br />
zwei Fälle. 1368 nämlich bestätigte Herzog Johann dem<br />
Kloster Broda einen von Ianeke Roggentin erkauften Hof<br />
mit zehn Hnfen zn Podewall „myr dcmc thcFhcdcn, nnr<br />
dcr mölcnpacht —
Das Hundekorn. 373<br />
14 Dörfer im Lande Sternberg, ^mir aller bede, pennin cshe<br />
S) nnt alme rechte^).<br />
In <strong>der</strong>selben Urkunde haben wir also die beiden Synonyma:<br />
nnd I(01'niD6d6 !<br />
Freilich erzählt Ernst von Kirchbcrg, <strong>der</strong> aber erst 1378<br />
zn schreiben ansing, in Cap. 71 seiner Rcimchronik, Heinrich<br />
II. von Mecklenburg habe in seinen: Testament (1329) nm<br />
seines Seelenheiles willen befohlen,<br />
„daz man daz hundckorn »nnnnier nie<br />
solde csec^schin (for<strong>der</strong>n) recht als c<br />
vbir svne land vnd sv»: herschaft^;<br />
nnd Klcmpin ist in seinem zweiten Erachten geneigt, hierin eine<br />
Iagdabgabe zn sehen; aber mit Unrecht. Kirchberg hat dabei<br />
nichts An<strong>der</strong>es im Nnge als das, was er im 165. Capitel^")<br />
selbst erzählt nnd was anch ans Dctmars Chronik (z. I. 1321)<br />
bekannt genng ist, daß nämlich <strong>der</strong> Fürst Heinrich in seiner<br />
Kricgsnoth dazn griff, „den papcn r»lldc allen<br />
luden ererenthe, de van de,ne iare en toborede i<br />
lande", zn ^nemen". Er lvard bekanntlich dafür gebannt<br />
nnd mnßte sich wegen solcher „Schahnng" mit den Prälaten<br />
abfinden. Er bekennt in seiner Sühne mit dem Bischof von<br />
Natzcburg vom 17. März 1323 auch,<br />
8U08 l)61I6ii0Ì9.t03 I) 0 N 0 i Ì 0 Ì ^ IÌ I) U 8<br />
Also das Zehntkoru u. s. w., welches <strong>der</strong> Fürst Heinrich <strong>der</strong><br />
Geistlichkeit entzog nnd für feinen eigenen Bedarf verwandte,<br />
beucuut Kirchbcrg uach dem Sprachgebrauche seiner Zeit:<br />
Mell. Urk.-Vuch VII. Nr. 4959.<br />
Westphalen Nonmn. ii>6^,. IX". S. 817.<br />
Mctl. Urk.'Vuch VII. Nr. !4.>l..
374 Das Hundekorn.<br />
Vili.<br />
Indem wir nns nun von <strong>der</strong> Herrschaft Werle nach Vorpommern<br />
hinüber begeben, erinnern wir daran, daß schon oben<br />
in Abschnitt V die ältesten pommerschen Urkunden genannt<br />
wnrden, in denen wir das Hnndekorn antrafen. Die älteste<br />
von diesen gehörte dem Jahre 1373 an. Möglicher Weise<br />
findet es sich schon in älteren, noch nngedrnckten Briefen;<br />
aber schwerlich wird <strong>der</strong> Gebrauch des Wortes viel weiter zurückreichen,<br />
da v. Dreger nnd <strong>der</strong> Archivar Di'. Kleinpin, die<br />
doch mit den Schätzen des Königlichen Staatsarchivs zu Stettin<br />
so vertraut waren, es ans dieser Zeit nicht gekannt haben.<br />
Wir können übrigens leicht zeigen, daß bis etwa znr Mitte<br />
des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts, also etwa bis zu <strong>der</strong> Zeit, welcher die<br />
Urkunde über Hinrichshagen angehört, das Hnndekorn in<br />
Urkunden über die verschiedensten Güter, gleichviel ob sie einen<br />
wendischen, o<strong>der</strong> ob sie einen deutschen Namen tragen, sowohl<br />
innerhalb des alten ruyanischen Festlandes, als auch außerhalb<br />
desselben in Vorpommern vorkommt. Z. B. in den von Lisch<br />
herausgegcbeuen Urknnden znr Geschichte des Geschlechts v.<br />
Vehr, welche thunlichst nach beglaubigten Abschriften von den<br />
Originalen im Königlichen Staatsarchiv zu Stettin gcdrnckt<br />
sind und <strong>der</strong>eu Abdrücke darum Vertrauen verdienen, finden<br />
wir das Hundekorn erwähnt:<br />
in Stnpenhagen 1425,^)<br />
in Gätkenhag en 1450,^)<br />
in Lendcrshagen, Wnlneshagen, Hovede (Hövet),<br />
Mergenha ghe n e, Ln s dyen 145> 1, ^')<br />
in Willershagen 1449, ^)<br />
in Kindesh a g cn 1450,^)<br />
Sehr Urk. III. S. WO.<br />
Daselbst IV. 66.<br />
Maltzan Nrk. IIl. ^5.<br />
Vehr Urk. I V. 53.<br />
Daselbst IV. 66.
Das Hundekorn. 375<br />
inDolgen, S c m l o w, Navenhorst, Stormstorf,<br />
Zarnow, Prnstorf 1450,^-')<br />
in Gnemerstors 1415/«)<br />
in Falkenhagen und Henke nhagen 1401,^^)<br />
in Zarnewanz, Zettelwitz, Candelin, Gr. Zastrow<br />
in Dersckow 1402/3)<br />
im Lande Gutzkow überhaupt 1412,^)<br />
häufig in <strong>der</strong> Gegend von Grcifswald, Z. B.<br />
in Nenenkirchen und Hinrichshagen<br />
in Stilow, Gustebin und Vierow 1402/^)<br />
in Lo ss in 1403/7)<br />
weiter südlich in <strong>der</strong> Vogtei Cnmmerow 1426, ^)<br />
bei Usedom zn Ncggesow (Rcgezow) 1432.^)<br />
Aus dem Anschlag des Amtes Barth ä. a. 1604—14^ ^^. i-. Wolg. Nrch. 7. 22. Nr. 12.<br />
25
376 Das Huttdekorn.<br />
von einer Anzahl Hilfen enthalten, war in <strong>der</strong> Regel keine<br />
Veranlasfnng, den Betrag des Hnndekorns zn specifieiren;<br />
aber in einzelnen Fällen ist es doch gefchehcn.<br />
Z. B. 1384, am 13. Januar, verpfändete Herzog Wartislav<br />
(VI.) dem Rathmann Vinccnz Wicbold zn <strong>Greifswald</strong><br />
„alle bede, alle hundekornc" von acht Hnfen zn Zarnewanz,<br />
von zwei Hnfen zn Zettelwitz nnd von zwei Hufen zu<br />
Caudelin,<br />
„alze van ener iervelken (—jeglichen) huue dre<br />
mark vnde zos sccpcl Hundekorns alle iar<br />
vproborcnde ro zrune Mycheles dacshe^ vnde<br />
allen dcnest ouer de vorbenumeden huuen.^^)<br />
Die Bede betrug also pro Hilfe 3 M., das Hundekorn genau<br />
wie im Wcrlefchen sechs Scheffel. Nebrigens bemerken wir,<br />
daß <strong>der</strong> Herzog in, dieser Urkunde keine an<strong>der</strong>e Kornabgabe<br />
von diesen Hnfen erwähnt, aber sich und seinem Vetter ausdrücklich<br />
nichts darin vorbehält.<br />
In einer an<strong>der</strong>n Urkunde Volt demselben Tage verpfändet<br />
<strong>der</strong>selbe Herzog einem an<strong>der</strong>n Bürger aus <strong>Greifswald</strong> „alle<br />
bcde vnde alle Hundekorne an deine dorpe ro Groren<br />
Auch hier eutrichtete die Hufe 3 M. Bede und sechs<br />
Scheffel Korn; <strong>der</strong> Zahluugstermiu war gleichfalls Michaelis.<br />
Aehnlich finden wir es in einer an<strong>der</strong>n Gegend. Nm<br />
7. Januar 1402 verpfändeten die Herzoge Barnim (VI.) nnd<br />
Wartislav (VIII.) aus dcu Dörfern Stilow, Ghustebyn und<br />
Vicrow:<br />
„alle hundekorne, van ener )?sl)?ken houe<br />
desser naschreuenen dörpc sos schepel dreverle)?e<br />
kornes^)<br />
ferner alles Holzgeld, pro Hufe 8 ß.,<br />
alle Markbede, „ „ 1 M.,<br />
Lisch, Vehr Urk. NI. S. 72.<br />
Daselbst S. 76.
Das tzundekorn. 377<br />
alle Sommerbede, Pro Hufe 6 ß.,<br />
alle Münzpfennige „ „ 6 Pf.,<br />
endlich von je<strong>der</strong> Hufe ein Huhn und vier Eier und allen Dienst<br />
„Vndc allcnr dat, dat n?y an dessen dorpen Vndc<br />
höucn nacfcschrcucn hat Hebben." ^)<br />
Ganz ähnlich lautet <strong>der</strong>selben Herzoge Pfandbrief über das<br />
Dorf Dersekow von demselben Tage, ^) nur daß es hier heißt:<br />
^van ^cvoclkcn houcn rvoe schere! rocscfhel^) troe<br />
schepel Fersten r»nde t'we schcpel Haueren hundeforncs"<br />
))Ulle iar Vproborende vppesunte M^chelis<br />
dagh."<br />
1403 verpfändeten dieselben Herzoge ^alle bedc vndc hrn^dekorne<br />
des cshanycn dorpes ^.odcssyn" (Lossin), und<br />
wie<strong>der</strong>um von je<strong>der</strong> Hufe sechs Scheffel ^dr^erleye kornes."^)<br />
Die Aehulichkeit dieses Hundckorns mit dem im Werleschen<br />
springt in die Augen, namentlich ist zu beachten, daß es<br />
regelmäßig aus dreierlei Korn, und zwar genau o<strong>der</strong> fast<br />
gleichviel von je<strong>der</strong> Kornart, besteht. Dagegen scheint <strong>der</strong><br />
Betrag je<strong>der</strong> Kornart nicht immer gerade zwei Scheffel betragen<br />
zu habeu, wie wir es im Werleschen fanden, so daß<br />
man hieraus nicht so ohne Weiteres z. V. folgern kann, daß,<br />
wenn Hinrichshagen im Jahre 1454 eine Last 4V2 Scheffel<br />
dreierlei Korns Hundekorn entrichtete, das Dorf ^v^^<br />
Zinshufen gehabt haben muß.<br />
Um Zu zeigen, wie weit noch in späterer Zeit die Behauptung<br />
zutrifft, daß in <strong>der</strong> Regel, wo man nicht dnrch eine<br />
kleine Verschiebung des Betrages (je nach <strong>der</strong> Vodenbeschaffenheit<br />
o<strong>der</strong> um Vruchtheile des Scheffels zu vermeiden) ausglich,<br />
das Hundekorn aus Roggen, Gerste und Hafer zu gleichen<br />
Theilen gegeben ward, setzeu wir den Gesammtbetrag des<br />
Hundekorns aus den Aemtern hierher:<br />
Lisch, Behr Urk. III S. 141.<br />
Daselbst S. 143.<br />
Daselbst S. 151.
378<br />
Das hnndekorn.<br />
Roggen. Gerste. Haser.<br />
1. Usedom 4L.4D. I^S. 5L.1D.l/2S. 4L.4D.1'/2S.<br />
(a.0. 1541.)<br />
2. Wolgast<br />
(mitKrnmmin<br />
seit 1562.) 6„ 7 ,<br />
3. Grimmen<br />
(1541?): 1„4 „ 1^<br />
4. Loitz<br />
11 5'/4<br />
(1569): 6 „ 7 „ 1 1<br />
(mit Einschluß des<br />
Dicnfthafers.)<br />
5. Tribsees<br />
(1569):<br />
, 1L.4D.2 S.<br />
6. Barth<br />
(1604/14)<br />
„ 17 „ 3 „ 6'/8 „<br />
Snmma: 2<br />
Roggen. Gerste.<br />
Hafer. -<br />
Wir schalten hier beiläufig ein, daß nach einem Register<br />
des Amtes Tribsees^) ans <strong>der</strong> Zeit Herzog Philipps I.<br />
(f 1560) die Ansätze für das Amt Tribsees ein wenig geringer<br />
sind, für Roggen nnd Hafer nämlich fünf, für die<br />
Gerste vier Scheffel weniger, eine gleichmäßige Differenz, die<br />
sich vermnthlich ans einem verschiedenen Scheffelmaße erklärt,<br />
wie denn anch die Universität 1570 schon 1 Last 9 Scheffel<br />
ans Hinrichshagen bezog, während ihr nnr 1 Last 4^2 Scheffel<br />
1454 verschrieben waren. Die Steigernng ist hier nach <strong>der</strong>selben<br />
Proportion geschehen.<br />
Anch sei hier noch bemerkt, daß das Hnndekorn nach den<br />
Registern gleichfalls so gnt ans Dörfern mit deutschen Namen,<br />
wie ans solchen mit wendischen Namen erhoben ward.<br />
Die Hanptsnmme zeigt also zwischen den Beträgen <strong>der</strong><br />
drei Kornarten (Weizen kommt anch in Pommern nie als<br />
Staatsarchiv zu Stettill 6. r. Wolg. Arch. T. 22. Nr. l2.<br />
Wolg. Arch. Tit. 82 Nr. 11.
Das Hundekorn. 379<br />
Hnndekorn vor) einen sehr bedeutenden Unterschied; man sieht<br />
jedoch sofort, daß dieser wesentlich vom Amte Barth herrührt.<br />
Denn bei Loitz wird ausdrücklich gesagt, daß <strong>der</strong> Dien st Hafer<br />
mit eingerechnet ist, von Wolgast wird dasselbe gelten. Aber<br />
glücklicher Weise existirt gerade von dem Amte Barth eine<br />
genane Specifikation darüber, wie viel Hnndekorn jedes Dorf<br />
zn leisten hatte. Es ward nach dem erwähnten Anschlag 1604/14<br />
dort ans 37 Dörfern erhoben, nnd von diesen entrichteten 31<br />
Dörfer von allen drei Kornarten eine gleiche Quantität, nnr<br />
vier eine ungleiche (Kentze z. B. 42 Sch< Roggen, ebenso viel<br />
Gerste, aber 104 Sch. Hafer, Saal 157^2 Sch. Roggen,<br />
622 Sch. Gerste, 934^4 Sch. Hafer); endlich Starkow und<br />
Redebas entrichteten (neben starker Geldpacht) an Hundekorn<br />
nnr resp. 8 Sch. und 72 Sch. Hafer. Da nun aber diese<br />
wenigen Dörfer im Gegensahe zn den Hun<strong>der</strong>ten von Ortschäften<br />
Vorpommerns eben nur als seltene Ausnahmen erscheinen,<br />
bis znm 17. Iahrhnn<strong>der</strong>te hin anch schon manche<br />
Verän<strong>der</strong>ungen vorgegangen waren, und diese Ausnahmen<br />
weiter nnten ihre ausreichende Erklärung finden werden, so<br />
dürfen wir als die Regel festhalten, daß in Vorpommern das<br />
Hundckorn anch später noch in dreierlei Korn, Roggen,<br />
Gerste und Hafer, und zwar in einem völlig o<strong>der</strong> doch fast<br />
gleichen Betrage von je<strong>der</strong> Kornart gegeben ward.<br />
Die Vertheilnng des Hundekorns auf die drei Kornarten<br />
ist so charakteristisch, daß man eine Abgabe in dreierlei<br />
Korn von etwa gleichem Betrage in solchen Aemtern, wo<br />
überhaupt das Hundekorn üblich war, selbst dann für Hundekorn<br />
halten muß, wenn es auch nicht ausdrücklich als solches<br />
bezeichnet wird. Z. B. 1426 verpfändete die Herzogin Agnes<br />
unter Bestätigung ihrer Söhne aus ihrem Leibgedinge in <strong>der</strong><br />
Vogtei Grimmen, und zwar aus Papenhagen und Hoikenhagen<br />
28^/2 M. Geld nnd 13 Scheffel Roggen, 13 Scheffel Gerste<br />
und 13 Scheffel Hafer; 1449 verpfändete Herzog Barnim (VIII.)<br />
2^/2 M. Winterbede, eben so viel Sonnnerbede ^nnd X sccpcl<br />
dricrlcv korlis im dorpc Dcrsckcndorpc", ferner in<br />
Willershagen 2^/2 M. Sommer- und Winterbede „vnd VIII
380 Das Hundekorn.<br />
(71/2) sccpel drierlcy korns" mit dem höchsten Gericht<br />
und Dienst.^)<br />
Wir würden diese Kornhebungen „dreierlei Korns" für<br />
Hundekorn nehmen, wenn uns auch nicht aus dem Ertraet <strong>der</strong><br />
Aemter des Wolgastischen Theils bekannt wäre, daß in <strong>der</strong><br />
Vogtei Grimmen Huudekoru erhoben ward, und wenn wir<br />
auch nicht aus dem oft angezogenen Anschlage des Amtes<br />
Barth wüßten, daß aus den Dörfern dieses Amtes kein an<strong>der</strong>es<br />
Korn gegeben ward als eben Huudekorn.<br />
Merkwürdig ist nun aber, daß in jenen Aemtern, wo<br />
das Hundekorn erhoben ward, kein Bedekorn vorkommt, dagegen<br />
in an<strong>der</strong>n Aemtern, wo kein Hundekorn einging, Bcdekorn in<br />
ganz gleicher Art (von dreierlei Korn in gleicher Quantität)<br />
üblich war. So erhob das Amt Lindenberg 1569 kein<br />
Huudckorn, aber an Bedekorn:<br />
4 Last 1 Dr. IV2 Sch. Roggen,<br />
4 „ 1 „ 7'/8 „ Gerste,<br />
4 „ 4 „ 3 l/8 „ Hafer.<br />
Ebenso ging bei dem fürstlichen Amte Ueckermünde damals<br />
kein Hundekorn ein, aber aus Dörfern <strong>der</strong> vormaligen Abtei<br />
Stolp (an <strong>der</strong> Peene) Bedekorn:<br />
4 Last 7 Dr. 0 Sch. Roggen,<br />
4 „ 7 „ 31/2 „ Gerste,<br />
5 „ Hafer (aber: „ein paar Scheffel fehlen<br />
alle Jahre daran!" ^)<br />
ImExtraet des Klosters Stolft von ca. 1570^) finden wir<br />
aufgeführt:<br />
1 Last 4 Dr. 6 Sch. Be<strong>der</strong>oggen,<br />
1 „ 4 „ 6 „ Bedegerste,<br />
1 „ 3 „ 5 „ Bedchafer<br />
und außerdem ganz vereinzelt von <strong>der</strong> Stadt Anklam (ver-<br />
N) Lisch, Behr Urk. IV. S. ? und 53.<br />
'M) Staatsarch. zu Stettin Z. i-. Wolgast. Arch. Tit. 22, Nr. 12<br />
Fol. 46. 31 ff.<br />
wl) Staatsarchiv zu Stettin Z. r. Wolg. Arch. Tit. 63, Nr. 127<br />
Fol. 33 u. 34.
Das Hundekorn. 381<br />
muthlich für überlassenen Grundbesitz) 2 Dr. 8 Sch. Roggen<br />
„Hundekorn" und 3 Dr. 10 Sch. Hafer.<br />
Noch eigenthümlicher ist die Bezeichnung im Extracte<br />
des Klosters Verchen (ca. 1570):^)<br />
Roggen: „Heruestbede" 1 Last 6 Dr. 6 Sch.<br />
„Bedegersten" 1 „ 6 „ 6 „<br />
„Bedehauern" 1 „ 6 „ 6 „<br />
Aehnlich heißt es im Extract des Klosters Eldena<br />
(ca. 1570): "3)<br />
Roggen: „Heruestbede" 2 Last 5 Dr. 2 Viert<br />
„Pachtgerste, Heruestbede" 2 „ 5 „ 2 „<br />
„Pacht- und Diensthauer:<br />
Heruestbede od. Hundekorne" 2 „ 2 „ 8^/2 Sch.<br />
„Hnener tom Hnndekorn 65, thuu 4 M. 1 ßl."<br />
„Eiger bey das Huudekoru 11 Stiege 16 Eiger, i^o. 11 s. 9 Pf."<br />
Man sieht hieraus deutlich, daß die Ausdrücke „Hundekorn",<br />
„Bedekorn", „Herbstbede" hier correspondirende Bezeichnungen<br />
sind, und daß in den Domanialämtern „Hnndekorn," in den<br />
Klostcrämtern „Vedekorn" nnd „Hcrbstbed^' vorwalten.<br />
Bei Verlcihuugen von Gütern an Vasallen und Bürger<br />
und Stifter durch Lehn o<strong>der</strong> Verkanf o<strong>der</strong> Verpfänduug stand<br />
es natürlich in dem Willen des Landcsherrn, sich die Einnahme<br />
des Hundekorns zu referviren; ebenso aber stand ihm frei,<br />
dieselbe mitzuveräußern. So geschah es nicht selten, daß<br />
„Hundekorn" aus fürstlichem Besitz an Privatleute und Klöster<br />
überging. Z. B. haben die Herzoge Wartiflav und Barnim<br />
1421 dem Ritter Kurt Moltke und seinen Erben<br />
^cshecscuen und Fhclenet" (also zu Lehn!) ^de<br />
bcde vnde Hundekorn in demc dorpe to dem<br />
StupenhaFhene mit dcme hocshesten rechte darsuiuest<br />
Vnde rves rv^ vor<strong>der</strong> in dem vorscreuen<br />
dorpe r»nde csude hebben."^^)<br />
O<strong>der</strong> uni ein an<strong>der</strong>es Beispiel zu wählen, so verkaufte <strong>der</strong><br />
iw) Staatsarchiv zu Stettin 3. i-. Wolg. Arch. Tit. 63 Nr. 127, F. 52.<br />
'M) a. a. O. Fol. 5 ff.<br />
1«) Lisch, Vehr Urk. III. S. WO.
382 Da<br />
Vasall Heinrich Vrobozen zu <strong>Greifswald</strong> an den Abt zu<br />
Neuenkamp<br />
oinni ^NI'0, jni'i^siil'tiono Nicoli Staninoli,<br />
ot colli,<br />
monto OHNNIN)<br />
und die Herzoge bestätigten (ea. 1415) diesen Verkanf und<br />
verliehen dem Kloster jenes Dorf „onin sooclos!), cloniinoo<br />
t'iunlonto Oldnnin, ino-<br />
Wenn nun die Klöster das Hundekorn in den nenerworbcnen<br />
Gütern in <strong>der</strong> Regel als Vedekorn anfführten o<strong>der</strong> einfach<br />
mit <strong>der</strong> Korn- o<strong>der</strong> Ocldpacht zusammenzurcchuen pflegten, so<br />
behielt das Kloster Eldena in solchen Fällen den Ausdrnck<br />
^-Harucjcbcdc cffrc ^Hul^dckorn^ bei. Solches Korn<br />
erhob das Kloster (nach dem Register von 1578) z. B. aus<br />
Dersekow 8 Sch. Noggeu, 8 Sch. Gerste, 8 Sch. Hafer,<br />
Lotzin 36 „ „ :z0 „ „ 36 „<br />
Vierow 23 „ „ 23 „ . 23 „<br />
Hinrickshagen 18'/2„ „ 18V^, „ 18'/2„<br />
Aus diesen Dörfern ist früher Duudekoru nachgewiesen (s. oben).<br />
Hieraus aber wird sich auch erkläreu, wie <strong>der</strong> Laudesherr<br />
umgekehrt das Koru, welches er aus Klosterdörferu erhob,<br />
Hundekorn benennen konnte. Irrig hat nämlich Klempin<br />
in seinem ersten Gntachteu (gegeu das Eude) behauptet: „Soweit<br />
sich die Nachrichten zurückführen lassen, nnd beson<strong>der</strong>s<br />
nach Maßgabe <strong>der</strong> vorhandenen Amtsanschläge nnd Register,<br />
wnrde das Hnndekorn ausschließlich aus deu fürstlicheu<br />
Do mania lgütern erhoben. Solche kamen dann später allerdings<br />
dnrch Kauf, Tausch o<strong>der</strong> Scheukuug auch in Privathände".<br />
Daß Hnndekorn von <strong>der</strong> Landesherrschaft an Private<br />
veräußert wurde, habeu wir allerdiugs soeben gesehen; daß<br />
es aber, wenigstens stellenweise, mich ans Lehngntern von<br />
den Landesherren bezogen ward, beweist z. B. die Urkuude von<br />
Lisch, Vehr Urk. III. S. l
Daö Hundekorn. 383<br />
1456, ^"') worin Herzog Wartislav dm Brü<strong>der</strong>n Claus nnd<br />
Gerd Vehr verpfändet: Bede nnd Huudekorn ans Dolgen, Navenhorst<br />
nnd Stormstorf, ferner:<br />
„rho Acllncloo^. rho Tzornoro^ to Slcmmvn<br />
vr c liccs^clivlidcrvointccl) uiark vnde<br />
ch schcpcl hondckorn s) Nach Wolg. Arch. Tit. 82. iic'r. l4.<br />
"") Lisch, Bi'hr Uvk. l V. S. s.l!.<br />
lw) Fabric. Nr. 783.<br />
"", s. Lisch, Mllltzan Urk. III. S. 228.<br />
c vnde Gusdvcn csehctcn dar Für
Z84 Das Hundekorn.<br />
Diese waren seit dem 13. Jahrhun<strong>der</strong>t im Besitze <strong>der</strong> Kirche<br />
zu Riga und des Klosters Neuenkamp. Ferner ist es bezeugt<br />
vou Dörfern des Klosters Eldena, und zwar von solchen, welche<br />
im ursprünglichen Klostergebiete lagen. Herzog Barnim VIII.<br />
zu Barth verpfändete nämlich 1434 dem Kloster Eldena die<br />
Bede ^Geldbede), das Huudekorn nnd Dienst aus „Hennekenhagen"<br />
und dem „Kytz", bei <strong>Greifswald</strong>, wie seine Vorfahren<br />
sie früher an Gottschalk von Letzenitz verpfändet, und das Kloster<br />
sie von dessen Erben uud zuletzt von den Rathmännern Nieolans<br />
Below und Hans Nubeuow eingelöst hatte. ^^) Das<br />
Dorf hcnnekenhagen hatte das Kloster auf dem Gebiete des<br />
uralten, schon 1207 als solches vorkommenden Dorfes Leist<br />
(I^o3tuioo) erbauet, man nannte es anch ursprüuglich 1^68iii2,<br />
und das alte I^ostnit^o ward Kieshof (15)'^) benannt. ^")<br />
Es entrichtete auch im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t noch seine Kornpacht<br />
an das Kloster Eldena, sogut wie <strong>der</strong> Bauer „vpm Kytzhaue".<br />
Das Kloster blieb nnn aber nicht im Pfandbesitze jener fürstlichen<br />
Hebungen. Herzog Wartislav IX. bestätigte 1456 <strong>der</strong><br />
Universität <strong>Greifswald</strong> alle seine Beden und Korn Hebungen<br />
(0Q1N68 ii08ti'H8 proc^rias ot HNiionlliin) aus deu drei<br />
Dörfern I^o^ini^on (Leist), Wampen und Hennekenhagen, mit<br />
allem ihm bisher zuständigen Eigenthum (onin oinni proprioti^to<br />
ot äomiriiO) pront no8 1^otonu3 1i^I)uirQu.8) ; <strong>der</strong><br />
Herzog schlug den Ertrag auf 300 M. Sundisck an. ^")<br />
Wampen lag gleichfalls auf dein ursprünglichen Klostergebiete,<br />
kommt auch schou seit 1207 als Besitzung des Klosters<br />
Eldena vor"^) und zahlte an dasselbe seine Herbstbede und<br />
Kornpacht bis zur Säcularisation. "^')<br />
">) Lisch, Behr Urk. IV. S. 14.<br />
"-) Vgl. Ooä. I'oiusi-. äipi. Nr. 83, 118, 299, 429, auch S.<br />
995 und 1054, desgl. Fabricius Nr. 141, 231, 341.<br />
l'3) Dähnert, Sammlung II. S. 748.<br />
I") (^a. I>0M61-. äipi. Nr. 88 :c.<br />
U5) Register des Klosters Eldena von 1577/78, im Besitze <strong>der</strong><br />
Universität <strong>Greifswald</strong>.
Das ßundekorn. 385<br />
Wartislavs IX. Sohn, Wartislav X., bestätigte nun am<br />
1. August 1459 <strong>der</strong> Universität den Pfand besitz<br />
„<strong>der</strong> bcdc unde hundekornc unser dorpe<br />
Wampen^-Hcnnekenhacscn undc Rvesz" — „beth<br />
to <strong>der</strong> tyd) dar voy se ncd<strong>der</strong> loset hcbbcn na<br />
lüde <strong>der</strong> vorsccsclden brcve
386 Das tzundekorn.<br />
baares Geld verpfändet waren uud 1456 und wie<strong>der</strong>um 1563<br />
von ihnen unter dem Verzicht auf das Einlösungsrecht <strong>der</strong><br />
Pfaudinhaberin zum Eigenthum (,^uin oiinu ^iopriotlito od<br />
clomiiiio/' ^ta,n(iu^in i)i'0i)i-Ì03") iiberlafsen wurden, sind<br />
aus dem „Vniuersitetcu-Register do ^nno 1570 intt 1571"<br />
(Michael. 1570/71) zu erkennen. Diese Dörfer entrichteten au<br />
die Universität:<br />
„an standen Pachten" „an Korn"<br />
Roggen: Gerste: Hafer:<br />
Wampen 21M.12'/2s.; 2Dr. 10 Sch.; 2Dr. 10Sch.; 2Dr.10Sch.<br />
Hennikenhagen<br />
mit dem<br />
„Kytzhof" 39 ., 8 , 2 „ 11'/2,, 2 „ 11'/2. 2 „ 11'/2.,<br />
„Letzen"<br />
(ursprünglich) 42 „ — „ (kein Korn)<br />
Dagegen hatte Wampen (22 Landhufeu) an das<br />
Kloster Eldcna Zu geben: „Haruestbede" : 39 M. 12 ßl.<br />
8 Pf. und 8 Last 3 Dr. 8 Sch. Roggeupacht, 2 Last<br />
6 Dr. 9 Sch. Gerste, uud 5 Last 5 Dr. 6 Sch. Hafer.<br />
Aus dem Dorfe Heunikenha geu mit dem „Kytzhaue"<br />
(111/2 Hägerhufen) bezog das Kloster Eldena (außer etwas<br />
Wisch-, Krugpacht 3c.) „Roggeupacht:" 6 Last 1 Sch.,<br />
Gerste: 1 L. 5 Dr. 11 Sch., Hafer: 2 Last 2 Dr. 9 Sch.<br />
Endlich „Letzen" hatte dem Kloster an Roggenpacht:<br />
2 Last 7 Dr., Gerste: 2 Last 2 Dr. 8 Sch., Hafer 3 Last<br />
4 Dr. zu geben. „Haruestbede" bezog das Kloster aus<br />
Hennikenhagen, dem Kytzhofe und Leist nicht.<br />
Die Universität bezeichnete also die „bebe" (wie die<br />
Landesherren sagten) als stehende Pachte, das damit<br />
verbuudene „hundckorn" schlechtweg als „Korn." Noch<br />
interessanter ist aber jedenfalls, daß <strong>der</strong> pommersche Canzler<br />
im Jahre 1563 die Ausdrücke „bedc" uud ^<br />
nicht, wie es früher 1456 gefchah, durch prec^i-i^ und<br />
o<strong>der</strong> wie es in früherer Zeit soust üblich war, durch pro<br />
und luinoQa. ognuni (o<strong>der</strong> ^immnl, oluiinn. o<strong>der</strong> ii'n-<br />
luiuin) wie<strong>der</strong>giebt. Es scheint, er hat selbst kein<br />
„Korn für die fürstlichen Huude" iu dieser Abgabe des
Das Hundekorn. 387<br />
Klosters Eldena erblickt. Nicht min<strong>der</strong> auffallend ist es, daß<br />
in <strong>der</strong> Confirmation Herzog Wartislavs IX. von 1456 einfach<br />
^iniOQ^ statt linQ0QH oHnnm. gebraucht ist, obwohl es<br />
seinen oben angeführten Beträgen nach so benannt werden<br />
konnte und von seinen Söhnen auch so benannt ward. Wir<br />
kommen auf dieses Hundekorn weiter unten noch einmal zurück.<br />
Diese Fälle beweisen, daß das an die Landesherren entrichtete<br />
Korn aus eiuem Kloster, welches z. V. im Amte Ueckermünde<br />
Bedekorn genannt ward (s. oben), bisweilen anch als<br />
Hundekorn bezeichnet wurde. Ebenso kommt es aber auch vor,<br />
daß iu einem fürstlichen Amte das Hnndekorn Bede körn<br />
benannt wird. Z. B. in einem Register des Amts Grimmen<br />
ans <strong>der</strong> Zeit Herzog Philipps I. (f 1560) ^o) wird keine an<strong>der</strong>e<br />
Korneinnahmc genannt als:<br />
„Ahn Roggen: 3 Last 3 Dr. 4^2 Sch. Bedhekorn<br />
vnd körn vth <strong>der</strong> Mollen" (Mühle),<br />
„Ahn Garsten vnd Molte 2^2 Last 9 Sch.<br />
„Ahn Hauereu: 3 Last 1 Dr. 10 Sch. 1 Viert Hundekorne<br />
vnd Diensthaueren".<br />
Da hier ein Theil des Hafers als „Huudekorue" bezeichnet<br />
ist, fo bleibt nichts an<strong>der</strong>es übrig, als den Roggen, <strong>der</strong> hier<br />
Bedhekorn genannt wird, gleichfalls für Huudekorn anznsehen,<br />
wie auch sonst jenes „Bedhekorn" in Grimmenschen Amtsextracten<br />
Hundetorn hieß, wo kein Bedekorn aus dem Amte<br />
angegeben ward.<br />
Als Hauptergebniß unserer Untersuchung hat sich herausgestellt,<br />
daß das Huudekorn in Vorpommern ganz wie das<br />
Werlcsche in den drei Kornartcn: Roggen, Gerste und Hafer,<br />
gegeben ward. Es unterscheidet sich also wesentlich von <strong>der</strong><br />
Kornabgabe, welche sonst nachweislich in Süd- und Mitteldeutschland<br />
vielfach als ein Snrrogat für das Hundelagcr üblich<br />
war, stets aber nnr in einer Kornart, gewöhnlich in Hafer<br />
(daher „Hundshafcr" genannt), selten in Roggen geleistet ward.<br />
'^) Staatsarch. zu Stettin 8. r. Wolg. Arch. Tit. 82 Nr. 14. F. 34.
388 Das Hundekorn.<br />
IX.<br />
Wir sind bei nnserer Nntersuchnng über die Verbreitung,<br />
den Betrag nnd die Art des Hnndckorns in Vorpommern darauf<br />
geführt, daß wenigstens stellenweise Bede- und Hundekorn<br />
synonyme Ausdrücke waren. Es möchte nun aber jemand etwa<br />
sagen, daß vielleicht das Hundekorn nnr als speciellerer unter<br />
den Begriff Bedekorn als den allgemeineren subsumirt sei, mithin<br />
<strong>der</strong> Ursprung des hnndekorns immerhin seines Namens<br />
wegen, wiewohl wir die etymologische Deutung schon oben als<br />
durchaus zweifelhaft nachgewiesen haben, noch auf eiue Iagdabgabe<br />
gedeutet werdeu könne, trotz aller Ähnlichkeit, welche<br />
diefes Hnndekorn in Pommern fönst mit dem im Werlescheu als<br />
Kornbedarf zum fürstlichen Hofhalt nachgewiesenen zeige, uud<br />
trotz aller Verschiedenheit vou dem als Iagdabgabe uicht bestrittenen<br />
an<strong>der</strong>swo üblichen Hundshafer.<br />
Es liegt uus demnach ob zu uutersuchcn, ob nnd welche<br />
Iagdlaste.n in Vorpommern zu trageu waren gegenüber <strong>der</strong><br />
Landesherrschaft. Denn fo viel wir feheu, kommt das Huudekoru<br />
nur als eine fürstliche Hebung vor und iu dem Besitze<br />
von Privaten (Vasallen und Bürgern) und Klöstern nur dann,<br />
wenn es von <strong>der</strong> Laudesherrschaft an jene durch Verkauf, Verpfändung<br />
o<strong>der</strong> Belehnung veräußert war. Soll das Hundekorn<br />
eine Iagdabgabe an die Landesherrschaft sein, so haben<br />
wir es entwe<strong>der</strong> anznsehen als eine directe Abgabe, eingefor<strong>der</strong>t<br />
zum Behuf <strong>der</strong> Unterhaltung <strong>der</strong> fürstlichen Iagdhuudc<br />
nnd vielleicht <strong>der</strong> ganzen fürstlichen Jägerei, o<strong>der</strong> als eine Ablösuug<br />
vou Iagddiensten, welche dem Laudesherrn zu<br />
leifteu waren, also entwe<strong>der</strong> des Hundelagers o<strong>der</strong> des<br />
Ablagers, o<strong>der</strong> vielleicht bei<strong>der</strong>.<br />
In dem letztereu Falle, das Hnndekorn für eine Ablösung<br />
von Iagddiensten genommen, dürfte man allerdings von<br />
vorne herein erwarten, daß es als eine persönliche Leistung<br />
nach <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Bauern, alfo <strong>der</strong> Gehöfte, nicht <strong>der</strong> Hnfen,<br />
entrichtet und daß es zn dem Dienstkorn gerechnet, also<br />
auch wie das Dienstkorn nicht in dreierlei Korn, son<strong>der</strong>n
Das Hundekorn. 389<br />
(wie in Pommern nach Ausweis <strong>der</strong> Register üblich war)<br />
allein in Hafer („Diensthafer") entrichtet o<strong>der</strong> mit dem an<strong>der</strong>n<br />
Diensthafcr in Geld abgelöst wäre. Dies macht fchon von<br />
vorne herein die ganze Annahme unstatthaft.<br />
Indessen untersuchen wir die Iagdlasten! Wir haben<br />
oben (im Abschnitt IV) nachgewiesen, daß wendische Bauern<br />
auf <strong>der</strong> Infel Rügen eben so wie slavische Banern in Schlesien<br />
2c. verpflichtet waren, fürstliche Hunde (und Pferde) auszufüttern<br />
und den fürstlichen Beamten (also wahrscheinlich auch<br />
Jägern, denn genannt sind diese nicht) die „Gastung" zu gewahren.<br />
Bei <strong>der</strong> Festsetzung eines Erbrechtes und Zinses aber<br />
wurden solche Verpflichtungen, wie wir sahen, aufgehoben. In<br />
Schlesien sielen solche Dienste, wie die Iagddienste, mit <strong>der</strong><br />
Verleihung des deutschen bäuerlichen Rechts weg (s. Abschnitt<br />
l.V). Es ist deshalb durchaus nicht als selbstverständlich anzusehen,<br />
daß, weil die wendischen Bauern auf Rügen ehedem<br />
zum Hundelagcr und zum Ablager verpflichtet waren, die<br />
deutschen Ansiedler in Vorpommern von vorne herein<br />
auch das Hundelagcr und die Gastung zu tragen hatten. Und<br />
in den Hun<strong>der</strong>ten von Urkunden aus <strong>der</strong> ruyanischcn Zeit (d.<br />
h. bis 1325), welche Fabricius gesammelt hat, begegnet man<br />
auch keiner Spur davon, daß die Bauern in Vorpommern<br />
znm Iagdablager und zum Hundclagcr verpflichtet waren.<br />
Auch ist es nicht einmal wahrscheinlich. Denn wollte man<br />
Fremde zum Anbau des noch uncultivirteu Landes herbeiziehen,<br />
so mußte man ihnen größere Freiheiten und Rechte bieten,<br />
als sie daheim gehabt hatten. Auch ist noch gar nicht nachgewiesen,<br />
ob im 12. und im 13. Jahrhun<strong>der</strong>t die deutschen<br />
Baueru (von den Schulzen nnd Müllern abgesehen!) in den Gegenden,<br />
aus denen die deutschen Ansiedler nach Pommern zogen,<br />
jene Lasten zu tragen hatten. Und wie sehr man bemüht war, den<br />
Ansiedlern ihre schwere Aufgabe zu erleichtern, sieht man recht<br />
deutlich aus dem geringen Betrage, zu welchem man die Zehnten<br />
fixirte. Indessen, die Geschichte des deutschen Bauernstandes<br />
in den wendischen Ostseelän<strong>der</strong>n zeigt ein allmähligcs Versinken<br />
des freien Bauern in die Dienstbarkeit und znletzt in Leibeigen-
390 Das hundckorn.<br />
schaft, in <strong>der</strong>selben Art, wie wir es anch in an<strong>der</strong>n deutschen<br />
Län<strong>der</strong>n wahrnehmen. Ob die wendischen Bauern neben<br />
ihnen noch lange zn wendischem Bauernrechte sas;en, vermögen<br />
wir nicht zn sagen, anch nicht anzugeben, welchen Proeentscch<br />
diese etwa in <strong>der</strong> bäuerlichen Bevölkerung bildeten, obwohl eine<br />
genauere Untersuchung über die Verbreitung <strong>der</strong> wendischen<br />
(Haken-) Hnfen mit den deutschen (Land- nnd Häger-)Hufen<br />
darüber Aufschluß geben möchte. Für nnsere Frage hätte eine<br />
solche Forschuug eben keinen Werth, da sich in <strong>der</strong> zweiten<br />
Hälfte des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts Unterschiede in Bezug auf Iagdlasteu<br />
zwischeu ehemals wendischen und ursprünglich deutscheu<br />
Dörfern schwerlich mehr wahrnehmen lassen.<br />
In <strong>der</strong> Zeit uun, wo wir das Huudekoru in Vorpommern<br />
nachgewiesen haben, bestand bereits hier auch (ebenso wie im<br />
Werleschen) das Ab lager (die Gastung) neben dem Hundekorn.<br />
Wie führen nach unserer Weise dafür zunächst ein paar<br />
Beispiele aus Urkunden an. Bei <strong>der</strong> oben erwähnten, am 13.<br />
Januar 1384 geschehenen Verpfandung des Hundekorus n. s. w.<br />
ans Zarnewanz, Zettelwitz uud Candelin verzichtete Herzog<br />
Wartislav VI. noch ausdrücklich auf jedes Ablagcr für sich und<br />
seine Beamten in den genannten Dörfern:<br />
Vorttncr louc (geloben) n?i,—dar noch (we<strong>der</strong>) "wi,<br />
oftc (o<strong>der</strong>, noch) dc vnscn cddcr ncmant -van<br />
vnscr n)cFhcn cddcr vliscr crfllanlcn vllde narrccshcn<br />
scholcn aflccshcr cddcr<br />
cddcr vodcrlnFl)c (Filtterung)<br />
terincshc (Zehrung) al: dcinc vorcbclnllncdc<br />
dun cddcr hcbdcll" — —.<br />
Einen ähnlichen Verzicht finden wir in dem angeführten Pfandbriefe<br />
<strong>der</strong> Herzoge Barnim VI. und Wartislav VIII. über<br />
Stilow, Gustebye und Vierow vom Jahre 1402:<br />
„(vk skolc n?y vndc nvllcn liccncrlc^c (keinerlei)<br />
ynlccshcr hcbbcn cddcr l^cinalid ^alr vscr voccshcn<br />
an dcjscll vorbclioincdcli dorpcn cddcr l^cclicrlcvc<br />
bcsvoarvlics^c (Belästigung) dun; vndc
Das tzundekorn. 391<br />
rvere yd
392 Das .Hundekorn.<br />
Wnfsekenn, Kagcndorf" . Eine Weile war dafür Geld<br />
gegeben: „Ictzo niinbt man wie<strong>der</strong> Aflager." In<br />
an<strong>der</strong>n Aemtern finden wir nnter den Einnahmen an<br />
Naturalien anßer den: Hnndekorn nnd von diefeni ganz<br />
geschieden noch Ablag er Hafer (o<strong>der</strong> dafür Ablager geld)<br />
nnd im Amte Barth anch ein wenig Ablagerroggen Zn<br />
einem bestimmten Qnantnm verzeichnet. Im Amte Barth<br />
entrichteten nämlich nach dein Anschlage von 1604/14 von<br />
den 56 Dörfern, ans denen überall damals Abgaben zum<br />
Amte eingingen, 16 Dörfer Ablagerroggcn in verschiedenem<br />
Betrage (z. V. Tempel ^/4 Sch., Flcmendorf 2 Sch., Lü<strong>der</strong>shagen<br />
4 Sch.), 17 entrichteten Ablagerhafer (z. B. Tempel<br />
14 Sch., Flemendorf 24 Sch., Lü<strong>der</strong>shagen 36 Sch., Saale<br />
48 Sch.); darunter waren 13 Dörfer, ans denen neben dreierlei<br />
Hundekorn auch Ablagerroggen und Ablagerhafer gegeben<br />
ward. Der ganze Betrag aus dem Amte Barth belief sich<br />
damals jährlich auf:<br />
Ablagerroggcn — Lst. 2 Dr. 2 Sch. 2'/2 Viert<br />
Ablagerhafer 4 „ 1 „ 6 „ 3V2 „<br />
Summa 4'M7^Dr7^ Sch.^ ^ ^<br />
Dagegen betrug, wie oben gezeigt ist, das tzundekorn<br />
aus jenem Amte damals jährlich 36 Last 9 Sch. 2 Viert.<br />
Aus dem Amte Loitz wurden um 1579 au Ablagerhafer<br />
erhoben: 2 Last 5 Dr. 9 Sch. (Ablagerroggen<br />
gar nicht), 2 Speckseiten, 78 Pfd. Butter, und für an<strong>der</strong>e<br />
Vietualien znm Ablager wnrdcn 134 M. 4 ß. baar bezahlt. ^3)<br />
Das Amt Grimmen erlegte neben feinem Hnndekorn<br />
(s. oben) 38 M. 8 ß. Ablagergc ld e r nnd 1 Last Ablagerhafer<br />
(keinen Ablagerr o gg e n).<br />
Im Amte Usedom werden nm 1570 anßer dem Hundekorn<br />
(s. oben) 2 Last 5 Dr. 3^/4 Sch. Ablager Hafer (kein<br />
Ablagerroggen) verzeichnet, 1491 aber<br />
„XXV csllldcl^n afftcgcr VP Nsdttm/"24)<br />
Wenn aber das Ablager neben <strong>der</strong> Verpflichtung zum Hunde-<br />
'^) Vgl. oben den Betrag des Hnndekorns.<br />
'^) Klempin, Dipl. Beiträge S. 528.
Das Hundekorn. 393<br />
körn bestand, das Ablagerkoru (Hafer, im Amte Barth auch<br />
ein wenig Roggen) neben und außer dem Hundekorn<br />
dreierlei Korns entrichtet ward, so geht daraus mit größter<br />
Evidenz hervor,<br />
daß das Hundekorn kein Surrogat sür das<br />
Ablager war.<br />
Im Ganzen war also <strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> Lasten wegen <strong>der</strong><br />
Ablager (unter denen für manche Gegenden die Iagdablager<br />
die Mehrzahl bilden mochten) für die Bauern in den Dom an ialci<br />
intern nicht allzu groß; viel bedeuten<strong>der</strong> war, was die<br />
Herzoge vom Pommern für ihre Ablager aus den geistlichen<br />
Stiftern, nnd zwar theils von den Klostervorstehern<br />
(Aebten und Pröbstcn), theils aber auch, weil es die Aebte<br />
und Pröpste auf diefe gewälzt hatten, direct von den Klosterbauern<br />
empfingen.<br />
Freilich waren ursprünglich feit <strong>der</strong> Stiftung <strong>der</strong><br />
Klöster <strong>der</strong>en Hinterfaffcn von allen Diensten uud Leistungen<br />
(mithin auch von allen I a g d leistungen) an die Landesherrfchaft<br />
dnrchaus befreit; als Ausnahme erscheint es,<br />
wenn 1188 Anastasia bei <strong>der</strong> Verleihung des Dorfes Zglattiz<br />
und <strong>der</strong> Gegend Lipa au das Kloster Groba (Usedom, Pudagla)<br />
sich deu Dienst des Bnrgbaues von den Bauern<br />
vorbehält. "5)<br />
Diese ursprüngliche Immunität <strong>der</strong> Stifter ist in Pommern<br />
so allgemein gewesen, daß ich deswegen einfach auf die<br />
ältesten Klostcrbriefe im 0oä6x ?oinoi'5UiiH6 cli^ioni^ticna<br />
verweisen könnte. Da aber <strong>der</strong> Richter erster Instanz den<br />
Beweis für die Freiheit <strong>der</strong> Klostcrleute von Iagddicnsten<br />
vermißt, uud in <strong>der</strong> Appcllations-Rechtferiiguug diese Immunität<br />
irrig als eine Befreiung „von allen aus dem gutsherrlichen<br />
und Patr i m on i al Verhältnisse herrührenden Abgaben<br />
und Leistungen" (das würde hier fein: von allen Abgaben<br />
und Leistungen an das Kloster) gedeutet wordeu ist: so ziehe<br />
Hasselbach und Kosegarten, (>'0ä. ?om. 6ipl. Nr. 65.<br />
26»
394 Das Hundekorn.<br />
ich eine Anzahl von Nnmmern des genannten Codex für ein-<br />
zelne Stifter an.<br />
In Bezug auf Eldena nenne ich Nr. 85 uud 88,<br />
Iaromars I. Urkunden von 1207 und 1209 („nt ii6iiiiiii<br />
do!)65mt 1N8Ì 8o1i 600 6t.<br />
0" !) ; — Nr. 87, Kasimirs II. Urkunde; Nr. 118,<br />
Vogislavs II. Urkunde von 1218 (,,lüoIollO3 6t iiill^i-uni<br />
6i^1l8ti'^1ii11I1 Qlil)itlitoi'68 1i1)6rO8 3^1) Ollllli 8 6 l'Ilio io<br />
6t 6XQ6tioii6 60ii3titiliillli8");-' Nr. 126, 135, 399.—<br />
Namentlich aber fei hier verwiesen auf die generellen Privile-<br />
gien des Fürsten Wizlav II. von 1241^6) ^nd Herzog<br />
Wartiflavs III. von 1241 ^) und 1248. ^) Nizlav II.<br />
sagt ausdrücklich:<br />
6t iiiiilN'UNI 6i^U8tri Q01NÌ1168<br />
i^UÌ66 6t Ul-<br />
6t ^Olltinili 8tl><br />
6t 1)1'01'8U8 lrl) 0MNÌ 8 6lliiti() 6t 6X3.6-<br />
1i1)61'08 imp61'1)6tuUN1 (1011^111118) vt U6-<br />
171ÌQÌ
Das hnndekorn. 395<br />
Q c^U6 80I-UÌ0Ì0 nostro 8ÌU6<br />
Dem Kloster Neuenkamp gab Wizlav I. schon 1231<br />
in Bezug auf die Colonen die Zusicherung:<br />
ornili ox^otÌ0Q6 00init^lli) Hduooatolum. et. indi-<br />
— —, ita ut ii 0 in i n i HuioMam 8 6 riiitii<br />
11Ì8Ì 80Ü cl60 6t 1N0Qaatoi'Ì0."<br />
Ebenso bestimmt lauten die Zusicherungen für die Klöster<br />
Stolp,^) Verchen Madessow),^) Groba (Usedom, Pudagla),<br />
^2) Bergen,^) für die Güter <strong>der</strong> Klöster D ob eran,134)<br />
Dargun^^) u. s. w.<br />
Aber später, als die Abteien dnrch die größte Thätigkeit<br />
<strong>der</strong> Mönche, <strong>der</strong> Conversbrü<strong>der</strong> und <strong>der</strong> von ihnen angesiedelten<br />
deutschen Banern, sowie <strong>der</strong> Wenden, die <strong>der</strong>en Beispiel<br />
nachahmten, reich geworden waren, blieb diese Immunität<br />
nicht bei Bestand, sie ward mehrfach durchbrochen. Einmal<br />
dadurch, daß die Prälaten mit den Mannen und Städten <strong>der</strong><br />
Landesherrschaft zur Aufrechterhaltung des durch Kriege und<br />
an<strong>der</strong>e kostspielige Ereignisse und Schulden erschwerten Landesregimentes<br />
nnd Hofhaltes Beden (^Grundsteuern) auch von<br />
ihren Hintersassen bewilligten. Zum an<strong>der</strong>n aber legten die<br />
Landesherren den Klöstern dnrch die anfänglich Ehren halber<br />
bewilligten, hernach zur Gewohnheit gewordenen und als<br />
Pflicht gefor<strong>der</strong>ten und gesteigerten Ablag er eine sehr schwere<br />
Last auf. Wohl sträubte sich hiegegen das Kloster Neuenkamp;<br />
in dem Konservatorium desselben, welches Pabst<br />
Johann XXII. am 15. Mai 1320 den Decanen zu Magde-<br />
in) 0oä. ?0mer. Nr. 188.<br />
'30) ebendas. Nr. 40, 52, 1Z9, 178, 187, 296 und die generellen<br />
Privilegien Nr. 208 und 326, auch Dreger, Ood. I. Nr. 0 0 II.<br />
l") ebendas. Nr. 346.<br />
"2) ebendas. Nr. 37, 65, 106. 125. 129, 202.<br />
'N) ebendas. Nr. 71.<br />
"4) ebendas. Nr. 316.<br />
lN) ebcndas. Nr. 36, 128, 162, 163, 310.
396 Das Hundekorn.<br />
bürg und Brandenburg übertrug,^') finden luir neben an<strong>der</strong>n<br />
Klagen des Klosters über Bedrückungen weltlicher Herren auch<br />
die über die Ablager (6(^08, 6lin68 6t<br />
Ablager!) in 6l^n8ti'^, 6ui 13.3, moisndin^ 6t<br />
6ÌU8(i61U 1110I1^8t61'ii cld 51.1611 (Inin 86 u ^^dul5i.11(Ini1) mit-<br />
tunt, in ^)!-6c1Ì6t0 M0ii^8t6i'Ì0 6t 1)01113 i^oinnt ^ll^cit^<br />
36N Malica. PHI-I^lli6nta. salso Landtage!), 3>ä ^U6 6U111<br />
3 6t<br />
6t ^6clitu.m ^666(i6lit68<br />
^01'3Iit 36 UÌ6tU3,1Ì3, 6t 1768<br />
6t 60U8ninunt). Doch schützte auch dieser Schutzbrief nicht;<br />
die Ablager entwickelten sich weiter.<br />
Nun kam es wohl vor, daß sich <strong>der</strong> Landesherr bei einer<br />
Verpfändung vou ueuen Dörfern an ein Kloster ein Ablager<br />
in denselben vorbehielt ^s. oben die Urkunde Herzog Wartislavs<br />
IX. vom 20. December 1451); sonst aber fanden sich die<br />
Klöster mit den Landesherren durch ein Fixum ab, das sehr<br />
bedeutend war. Theils sandten die Aebte selbst Bedekorn uuter<br />
dem Namen „ Deputat von des Abtes dische" und Victualien<br />
Zur Hofstatt, theils legten sie ihren Bauern die Entrichtung<br />
von Ablager körn und von Victualien Zum Ablager<br />
so<strong>der</strong> eine Geldablösnng) an die Landesherrschaft anf.<br />
Um das Jahr 1447 pflegte das Kloster Neuenkamp dem<br />
Landesherrn jährlich 600 Mark Sundisch zu entrichten (plccsen<br />
to Fheucndc). ^) 1491 verschrieb <strong>der</strong> Herzog Bogislav<br />
X. seiner Gemahlin zum Leibgedinge u. a. als Einkünfte vom<br />
Abt zum Camp (Neueneamp):<br />
461 fl. für 20 Last Hafer, 3 Last Gerste, 8 Last Roggen,<br />
20 Tonnen Kuhfleisch, 6 Ochsen, 30 Speckseiten, 4<br />
Tonnen Vntter, 8 Tonnen Schaffleisch und 100 fl. baar,<br />
und außerdem ^Vun den buren in <strong>der</strong> abbcdlFcn"<br />
(Neuenkamp) noch das Geld für 14 Last Hafer, 11 L. 1 T.<br />
Vier, 43 Schafe, 18 Ochsen, 26 Speckseiten, 6 Schock Hühner,<br />
in) Fabricius Nr. 796.<br />
"?) Lisch, Maltzan Urk. III. S. 180^
Tas Hundekorn. 397<br />
2 Tonnen Butter und 28 sl. weniger 1 M. für Kraut und<br />
Fischgeld. '")<br />
Unter welchem Rechtstitel <strong>der</strong> Herzog diese Abgaben erhob,<br />
wird hier nicht gesagt; aber aus dem schon augezogeneu<br />
Extract <strong>der</strong> Aemter Wolgastischen Theils von 1569^9) ersehen<br />
wir, daß dies eben theils das Deputat, theils die Abfindung<br />
sür das Ablager war. Denn 1569 mußten znm Ablager<br />
die Baueru <strong>der</strong> Vogtei Neucnkamp 527 M. 5 ß. uud<br />
25 Speckseiten liefern; <strong>der</strong> Ablagerhafer ans <strong>der</strong> Campischen<br />
Vogtei belief sich aus 13 Last 6 Dr. 9 Sch.; die „Vittalie<br />
aus dem Kloster Camp von den" ftormaligeni „Monigken"<br />
(Ochsen, Schafe ?e.) wurden zu 190 fl. 24 s. geschätzt; das Deputatkorn<br />
bestand in 8 Last Roggen, 3 Last Gerste, 20 Last Hafer."<br />
Aehnliche Abgaben leisteten, je nach ihrem Vermögen, auch<br />
die an<strong>der</strong>n Klöster. Als „Afflager" von den Banern des Klosters<br />
Eldena finden wir ca. 1570 150 M. und 27 Speckseiten<br />
verzeichnet; <strong>der</strong> Ablager haser war bereits zu Geld gerechuet<br />
und zur Pacht geschlagen; das Deputatkorn von Eldena bestand<br />
in 5 Last Roggen, 3 Last Gerste und 15 Last Hafer.<br />
Das Kloster Reinfeld entrichtete „vor Alters" (heißt<br />
es ca. 1570 in dem schon angeführten Klosterextract) für seine<br />
6 Dörfer in Pommern Zum Ablager 240 M.<br />
Die „Prorvcsiicse chor Nerch c n" leistete 1491 jährlich:<br />
„ivo csulden astecrcrcselr^ z6 Fuldcn vor 6 last<br />
haueren, 23 Fuldcn vor z last rocscsen^.<br />
Das Amt Ueckermüude hatte 1491:<br />
„xx cfulden afflccser in <strong>der</strong> ebbedicsen",<br />
„xx Fulden vor vili osscn afflcFcr in <strong>der</strong> cbbedigc<br />
rho „Stolpe und <strong>der</strong> „Abbat rho Srolp<br />
csifft allc Iar: zz guldeli 1 Mark ahn Feldc, 8<br />
csulden vor 6 rh. sci)apflcss
398 Das Hundekorn.<br />
Dagegen betrug ca. 1570 das Ablager aus den Abteidörfern<br />
26 fl. 20 ß. 4 Pf. (es war erhöhet) und 2 Last 1 Dr. 11<br />
Sch. Hafer.<br />
Von Pudagla und Bergen finden wir um 1570 kein<br />
Ablager verzeichnet, son<strong>der</strong>n nur Deputattorn: aus Pudagla<br />
3 Last Roggen und 7 ^/2 Last Hafer, ans Bergen nur Haser<br />
(6 Last).<br />
Wir bemerken auch hier, daß Gerste wohl als D eputatkörn,<br />
aber nicht als Ablagerkorn genannt wird.<br />
,<br />
X.<br />
Wenn man nun in <strong>der</strong> Bewilligung des Deputatkorus<br />
von Seiten <strong>der</strong> Aebte und Pröbste <strong>der</strong> Stifter auch ein Zugeständniß<br />
einer Bede erblicken muß, so lag doch in <strong>der</strong> Verpflichtung<br />
ihrer Hintersassen zur Lieferung von Hafer nnd von<br />
Victualien Zum Ablag er <strong>der</strong> Herzoge unzweifelhaft eine Verletzung<br />
<strong>der</strong> ursprünglichen Immunität <strong>der</strong> Klöster. Wir<br />
haben oben ferner gesehen, daß die Herzoge im Jahre 1434<br />
auch Dienst aus ursprünglichen Klosterdörfern verpfändeten;<br />
doch muß <strong>der</strong> sehr unbedeutend gewesen sein, da er 1456 und<br />
1486 nicht einmal erwähnt wird. Worin er bestand, bleibt<br />
uns verborgen. Wäre es ein Iagddienst, etwa die Verpflichtung<br />
zum Hundelager gewesen, wie in manchen deutschen<br />
Län<strong>der</strong>n Klöster zu solchen genöthigt wurden und sie dann<br />
wohl auf ihre Unterthanen wälzten, so würde daraus nur hervorgehen,<br />
daß das daneben genannte Huudekorn keine Ablösung<br />
des Hundelagers wäre.<br />
Wir haben jedoch keinen einzigen Beweis dafür gefunden,<br />
daß den Klöstern Vorpommerns von den Herzogen je Hundelager<br />
angesonnen wären. Wohl aber kann als ein Beweis<br />
gegen solche Annahme gelten, was bereits Klempin (in seinem<br />
zweiten Gutachten) nach Stettiner Archivaeten angeführt hat,<br />
daß, als nach <strong>der</strong> Säkularisation <strong>der</strong> pommerschen Stifter die<br />
Landesherrschaft Kolbatzer Klosterlcuten (Müllern und Freischulzen)<br />
Hunde zur Verpflegung zugesandt hatte, diese solchem<br />
Ansinnen als einer Neneruug nicht Folge gaben, son<strong>der</strong>n die
Das tzundekorn. 399<br />
jungen Jagdhunde laufen und umkommen ließen, fo daß Herzog<br />
Barnim XI. am 10. Septbr. 1566 weiter fortgefetzten Ungehorsam<br />
mit fcharfer Strafe bedrohen mußte.<br />
Freilich kommt diefe Frage, ob die Klöster (o<strong>der</strong> auf<br />
<strong>der</strong>en Befehl die Klosterbauern) fürstliche Hunde zu verpflegen<br />
gehabt haben, hier weniger in Betracht, da aus den Klosterdörfern<br />
meistens wohl entsprechendes Bedekorn, das Hundekorn<br />
aber vernehmlich aus den Domanialdörfern erhoben ward. Da<br />
indessen, wie wir fahen, beide Benennungen in einan<strong>der</strong> übergingen,<br />
fo macht eben <strong>der</strong> Umstand es fchon allein zweifelhaft,<br />
ob das Hundekorn als ein Surrogat für das Hundelager an«<br />
gesehen werden könne.<br />
Ferner ist zu erwägen, daß bei Ablösung einer Verpflichtung<br />
dnrch eine feste Kornabgabe man in eben <strong>der</strong> Kornart<br />
abzulöfeu Pflegte, iu welcher jene Verpflichtuug geleistet ward.<br />
Eben weil man die Hunde mit Haf erbrot zu fütteru pflegte,<br />
ward in an<strong>der</strong>n Gegenden Teutschlands das dort übliche<br />
Hundelager mit Hundshafer abgelöst, hie und da auch wohl<br />
mit etwas Roggen statt des Hafers, weil man stellenweise<br />
den Hunden Rog genschrotbrot gab. Daß es aber je mit<br />
Gerste o<strong>der</strong> mit Korn von dreierlei Gattung geschehen<br />
wäre, ist nicht bezeugt und fchon darum uuglaublich, weil man<br />
die Gerste nicht als Hundefutter verwandte. Wäre<br />
aber jemals <strong>der</strong> Dienst des Huudelagers ' in Pommern durch<br />
Korn abgelöst, fo würde diese Ablösung unter das Dienst -<br />
körn gefallen, nicht daneben aufgeführt sein; als solches aber<br />
begegnet uus in den Amtsregistern nur Dien st Hafer, kein<br />
Dienstroggen o<strong>der</strong> gar Tienstge rst e (z. V. das kleine Amt<br />
Tribsees ergab 4 Last 1 Dr. 4 Sch. „Denesthauehren.")<br />
Schließlich aber, was die Hauptsache ist, hat Klempin<br />
(iu seinem zweiten Gutachten) aus den Acten des königl.<br />
Staatsarchivs zu Stettin nachgewiesen, 1. daß in Pommern<br />
allerdings <strong>der</strong> Dienst des Huudelagers bestand, daß die Städte<br />
fürstliche Hunde durch ihre Büttel erhalten ließen, im Domaniunl<br />
nicht die Bauern, son<strong>der</strong>n nur die Freischulzeu<br />
und die Müller (wie dies auch iu an<strong>der</strong>n deutschen Län-
Das Hundekorn,<br />
<strong>der</strong>n Brauch war) ^") verpflichtet wurden, fürstliche Hunde Zu<br />
unterhalten, auch den Jägern, wenn sie diefe Huude zur Jagd<br />
einholten o<strong>der</strong> nachher sie wie<strong>der</strong> vertheilten, unterwegs Nachtlager<br />
uud Mahl uud den Hunden Futter zu reichen. 2. hat<br />
Klempin dort gezeigt, daß dieser Dienst in Pommern nie<br />
abgelöst ist, son<strong>der</strong>n bis zum Erlöschen des pommerschen<br />
Herzogshauses fortbestanden hat, hernach aber nicht weiter<br />
gefor<strong>der</strong>t ist.<br />
^„Denn es kommt hier nicht in Betracht, daß nach einem<br />
Bericht <strong>der</strong> Regierung vom 18. Mai 1742 (wie sich ans den<br />
Acten des Kreisgerichts zu <strong>Greifswald</strong> in Sachen Diekelmann<br />
coutil den Königl. Fiskus ergicbt) im Jahre 1714 bei<br />
Anwesenheit des Königs Karl XII. in Pommern „denen zu<br />
Fälluug des Wildes vor die Königl. Taffel gebrauchten Heyde-<br />
Bedienten, in Ermangelung des Zuganges zu ihrem ordentlichen<br />
Lohn, von jeden: Müller in Königl. A embt e r n<br />
monahtlich ein Scheffel Rocken an Hnnde-Korn gereichet ist,"<br />
um so weniger weil, als ,,^o. 1721 von dem — Ober-<br />
Jägermeister Baron von Kirchbach solche Hundekoru-Liefferuug<br />
an den Iagt-Stat alß eine in alter odLorv^nc^ gegründete<br />
1)i'3.68tatioii <strong>der</strong> Müller augegeben und ans solcher Ursache<br />
gefor<strong>der</strong>t werden wolle, sich dazu kein hinlänglicher Gruud<br />
gefunden, und daher solche gäntzlich unterblieben."^<br />
Von einer Verpflichtung ritterschaftlicher Güter in<br />
Vorpommern zur Verpfleguug fürstlicher Huude ist keine Spur<br />
aufgefunden, obwohl auch von diesen oben die Liefernng von<br />
Huudekorn nachgewiesen ward.<br />
Und wollte man etwa den Einwand erheben, daß diese<br />
Verpflichtuug von Klempin erst aus dem 16. und 17. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
nachgewiesen ist, dieselbe den Müllern uud Schulzen<br />
aber vielleicht eben deswegen in spaterer Zeit erst aufgebürdet<br />
o<strong>der</strong> bei ihnen von Bestand geblieben sei, weil die Bauern<br />
dieselbe früher, etwa eben durch das Hundekorn, abgelöst<br />
hätten: so stellt sich diese Annahme bald als ganz nnstatthaft<br />
'4") vgl. v. Biilow und Hagemann, Prakt. Erörterungen V.<br />
S. 183, auch Göbel, lHomuiont. äo M-o vouaiM I. S. 86.
Das .Hundekorn. 401<br />
heraus, wenn man die Last des Hnndelagers mit dem angenommenen<br />
Aequivaleut vergleicht. Werthvolle Hunde gab<br />
man natürlich Vancrn überhaupt nicht hin, son<strong>der</strong>n behielt<br />
sie unter <strong>der</strong> Obhut <strong>der</strong> Iagdbeamten, desgleichen solche, die<br />
man täglich zur Jagd gebrauchte, und solche, die dressirt<br />
werden mußten o<strong>der</strong> nicht aus <strong>der</strong> Dressur kommen durften.<br />
Wenn man sich nun die Zahl <strong>der</strong> übrigen fürstlichen Hnnde<br />
auch noch so erheblich denkt, so wird, wenn man die Hun<strong>der</strong>te<br />
von Domanialdörfern in Vorpommern dagegen in<br />
Anschlag bringt (und die von den Städten verpflegten Hunde<br />
außer Rechuung läßt), sich leicht ergeben, daß jedes Dorf erst<br />
nach einer Reihe von Jahren wie<strong>der</strong> daran kommen konnte,<br />
einen fürstlichen Hund die Monate hindurch, wo er nicht<br />
zur Jagd gebraucht ward, unterhalten zu müssen. Schon<br />
bei <strong>der</strong> historisch nachweisbaren Beschränkung des Hundelagers<br />
ans die Schulzen und Müller kam (nach Klempin) „<strong>der</strong><br />
Betheiligte nicht öfter als ein Jahr um das an<strong>der</strong>e<br />
daran, meistens Wohl noch seltener." Wer möchte glauben,<br />
daß die Bauern eine so unbedeutende Last, wie die Verpflegung<br />
eines Hundes auf noch kein volles Jahr war, und<br />
welche das Dorf erst nach einer Reihe von Jahren wie<strong>der</strong><br />
treffen konnte, mit einer jährlichen Abgabe von etwa<br />
6 Scheffel Korn — nicht für das ganze Dorf, son<strong>der</strong>n<br />
von je<strong>der</strong> Hufe — abgelöst hätten? Es würde dann in<br />
<strong>der</strong> That nur noch die Annahme übrig bleiben, daß ihnen<br />
das Hundekorn statt des Hundelagers o<strong>der</strong> überhaupt als eine<br />
Abgabe zur Unterhaltung <strong>der</strong> fürstlichen Hnnde o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
ganzen fürstlichen Jägerei von <strong>der</strong> Landesherrschaft aufgezwungen<br />
wäre. Dies gilt indessen immerhin nur von den<br />
Domanialbauern; daß Vasallen und Klöster <strong>der</strong> Landesherrschaft<br />
eine solche Abgabe sür eine so geringe Last bewilligt<br />
haben sollten, ist undenkbar.<br />
XI.<br />
Aber auch die Auuahme, daß das Huudekorn in Vorpommern<br />
eine von <strong>der</strong> Landcsherrschaft ausdrücklich und
402 Das Hundekorn.<br />
speciell zum Unterhalte <strong>der</strong> fürstlichen Hunde o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ganzen<br />
fürstlichen Jägerei erhobene Abgabe sei, erweist sich leicht als<br />
ganz unannehmbar.<br />
Wenn man anch davon absehen mag, daß eine gewisfe<br />
Ungleichheit und Ungerechtigkeit darin läge, daß folche Abgabe<br />
nur in Vorpommern erhoben wäre (denn die pommerschen<br />
Lande waren ja um die Zeit, da das „Hundekorn" in Pommern<br />
auftaucht, eben unter Bogislav V. nnd Barnim IV.<br />
getheilt), so wäre es doch kaum glaublich, daß in Vorpommern<br />
selbst ganze Aemter davon verschont, dagegen an<strong>der</strong>e dazu<br />
herangezogen wären. Anch hierin darf man noch einen Grnnd<br />
mehr finden für das fchon oben auf an<strong>der</strong>em Wege gewonnene<br />
Resnltat, daß das Bedekorn aus jenen Aemtern sz. B. Lindenberg)<br />
nud das Hundekorn in diesen identisch find. Ferner<br />
haben wir oben gesehen, daß <strong>der</strong> Landesherr das ans Neueneampischen<br />
nnd Eldenaischen Klosterdörfern erhobene Korn<br />
auch Hundekorn nannte. Sollen wir aber alles dieses Korn<br />
für eine Jagd abgäbe halten, so ist zn erwägen, daß die<br />
Landesherrfchaft aus den Klosterdörsern keine Bede erheben<br />
konnte ohne ständische Zustimmung. Man müßte also schon<br />
annehmen, daß nm die Mitte des 14. Iahrhuu<strong>der</strong>ts o<strong>der</strong><br />
etwas später die pommerschcn Herzoge von den Ständen die<br />
Erhebung einer Kornbede im Betrage von etwa 2 Scheffel<br />
Roggen, ebensoviel Gerste und ebensoviel Hafer von je<strong>der</strong><br />
Hufe ausdrücklich und speciell zur Unterhaltung <strong>der</strong> fürstlichen<br />
Iagdhuude o<strong>der</strong> des ganzen fürstlichen Iagdstaates uuter dem<br />
Namen „Hundekorn" begehrt und erlaugt hätten. Aber zn<br />
beweisen steht dies gar nicht; ja solche Annahme ist geradezu<br />
undenkbar, wenn man sich wie<strong>der</strong>um das Bedürfniß zu<br />
solcher For<strong>der</strong>ung und den Betrag <strong>der</strong>selben ein wenig vergegenwärtigt;<br />
es ist we<strong>der</strong> denkbar, daß die Landesherrschaft<br />
sich bewogen fühlte, neben den Ablagern noch eine neue<br />
Iagdabgabe von solcher Größe von den Klöstern zu begehren,<br />
noch daß die Stände, namentlich die Prälaten, sich veranlaßt<br />
gefuuden hätten, solche nene Iagdabgabe zu bewilligen. Der<br />
angenommene Zweck steht zn <strong>der</strong> Höhe des Betrages in gar
Das Hundekorn. 403<br />
keinem Verhältnisse, nnd die Korn arten selbst wären für<br />
diesen Zweck ganz unpassend gewählt.<br />
Denn snmmirt man die oben angeführten Quantitäten<br />
des Hundekorns aus den 6 Aemtern Usedom, Wolgast, Loitz,<br />
Grimmen, Tribsees und Barth im 16. und 17. Iahrhnn<strong>der</strong>t,<br />
so ergiebt sich aus:<br />
Roggeu: 28 Last 4 Drömt 5V2 Schffl.<br />
Gerste: 34 „ 7 „ 10^8 „<br />
Hafer: 46 „ 6 „ 7^8 „<br />
die Summe von 110 Last 2 Drömt 10 Scheffel ^<br />
10594 Scheffel.<br />
Damit aber hat man noch lange nicht den Betrag gewonnen,<br />
<strong>der</strong> aus diesen Aemtern ursprünglich bei <strong>der</strong> angenommenen<br />
Einführung dieser Iagdabgabe aufkam. Denn seit<br />
diesem Zeitpunkte, im Laufe von 200 Jahren, war durch<br />
Verkauf, Verpfändung und Velehnung fchon unendlich viel<br />
Hundekorn von den Herzogen veräußert, selbst aus ganzen<br />
Vogteicn, z. B. aus <strong>der</strong> Vogtei Cnmmerow an die von Malhan.<br />
^") Man nmß ferner, wenn man einen richtigen Anschlag<br />
<strong>der</strong> ursprünglichen Menge gewinnen will, das entsprechende<br />
Bedekorn ans den an<strong>der</strong>n Aemtern hinzudenken. Wahrscheinlich<br />
wird man also nicht irre gehen, wenn man den<br />
ursprünglichen Betrag ans 16—20,000 Scheffel Korn veranschlagt<br />
!<br />
Wer aber möchte, anch ohne weitere Forschungen, den<br />
pommerschen Herzogen im Mittelalter einen Iagdstaat zuerkennen,<br />
<strong>der</strong> auch nur annähernd jährlich eine solche Menge Korns<br />
verschlungen hätte, für den sie eine solche Beihülfe hätten<br />
for<strong>der</strong>n mögen? Doch liegen uns auch sichere Nachrichten vor,<br />
um zu erkennen, wie groß dieser Iagdstaat zu verschiedenen<br />
Zeiten war, und um danach gründlicher nrtheilen zu können.<br />
Klempin hat aus Archivnachrichten (in seinem zweiten<br />
Gutachten) mitgetheilt, daß am Ende des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
für die fürstlichen Hunde wöchentlich 2 Drömt Hafer, unter<br />
^ls Lisch, Maltzan Urk. II. S. 56Z; lll. S. 206, 354; IV. S.<br />
7l, 294.
404 Das Hundekorn.<br />
dem passionirten Iagdfrcund Herzog Philipp Julius (f 1625)<br />
aber lvöchcntlich 6 Drömt Hafer fiir die fürstlichen Hunde<br />
(so viele <strong>der</strong>selben nicht bei Müllern und Schulzen auf Hunde-<br />
lager gegeben waren) verbacken wurdeu. Im ersteren Falle<br />
wurden also jährlich uugefähr 1250 Scheffel, im letzteren<br />
Falle etwa 3750 Scheffel Hafer jährlich für die fürstlichen<br />
Hunde verbraucht, also selbst in dem letzteren ganz ungewöhn-<br />
lichen Falle vielleicht etwa die Hälfte desjenigen Hafers, <strong>der</strong><br />
ursprünglich vom Hundekorn aufkam. Und wozu uun die fast<br />
eben so große Menge <strong>der</strong> Gerste und dann die Menge des<br />
Roggens? Wie viel Jägermeister, Jäger und Hundewärtcr<br />
sollte denn Wohl ein pommcrscher Herzog gehalten haben, uni<br />
vielleicht 4—5000 Scheffel Roggen uud ebensoviel Gerste (zum<br />
Bier!) für sie in Anspruch zu nehmen?<br />
Glücklicher Weise besitzen wir aber noch eine Uebersicht<br />
über das Hofpersonal pommerschcr Herzoge im 1 4. Jahrhun-<br />
<strong>der</strong>t, aus dem zur Geuüge hervorgeht, wie bescheiden ein<br />
mittelalterlicher Hofstaat im Gegensatz zu solchem im 16.<br />
nnd 17. Jahrhun<strong>der</strong>t war. Nämlich Herzog Otto I. nnd<br />
sein Sohn Barnim (III.) vereinigten sich zum leichtereu Ab-<br />
trag <strong>der</strong> Schulden 1321 mit Herzog Wartislav IV. über eine<br />
gemeinsame Hofhaltung auf 4 Jahre („w i)i'686ntidu8 ini-<br />
6t. 6U1'Ì6 ^ä c^iatuoi' lrQN08 60ntinu03<br />
imionoiri".) Dabei beurkundet Herzog Otto:<br />
„6t una. onm ^Hti'iio Q08ti'0 (Wartislav) ^rodioto ti'6 8<br />
kI^rUIQ 6(iuit^nt68 6t kl'6 8 6UN1<br />
du. 08 i^1^0Nll>rÌ08 6t clu08, (M 6Ì-<br />
6ciuit8.ut63^. ^^^) Das war <strong>der</strong> ganze<br />
Iagdstaat <strong>der</strong> drei Herzoge — 10 Jäger! Nicht einmal ein<br />
Jägermeister sii^AÌ8t6i' vou^torum) war vorhanden. Dagegen<br />
waren die an<strong>der</strong>n „Hofdepartemcnts" viel ausgebildeter; Her-<br />
zog Otto allein hatte außer zwei Caplancn, einem Schreiber<br />
und einem Scholaren 2 Cavaliere (milit68 eui'io), 12 Stall-<br />
knechte, 1 Kammermeister und 6 Kämmerer, 1 Küchenmeister,<br />
Dähnert, Sammlung I. 244 flgd.
Das tzundekorn. 405<br />
2 reitende Köche, 1 reitenden Küchcnknccht nnd 2 zn Fnß, 1<br />
Hofmarschall, 1 Spcisemeister nnd 2 Kellerknechte, sowie 2<br />
Fenerwärter. Wahrlich! nnr mn 10 Jäger zn speisen, zn<br />
<strong>der</strong>en Unterhalt überdies schon das Ablagerkorn diente, hätte<br />
<strong>der</strong> Hof jährlich 5000 Scheffel Roggen nnd ebensoviel Gerste<br />
zum Bier we<strong>der</strong> begehrt, noch von den Ständen bewilligt erhalten!<br />
Das Jagddepartement verlangte am Hofe bei weitem<br />
nicht das meiste Korn, viel mehr Hafer als die Iagdhnnde<br />
verzehrten natürlich die damals in verhältnißmäßig großer<br />
Anzahl erfor<strong>der</strong>lichen Kriegsrosse nnd die Gänle und Reitpferde<br />
des Marstalls.<br />
Knrz, man würde wohl niemals ans die Idee, daß das<br />
Hnndekorn in Vorpommern eine ans die Jagd bezügliche Leistung<br />
gewesen, gekommen sein, wenn man 1. geahnt hätte, wie<br />
groß ursprünglich nnd später noch <strong>der</strong> Betrag desselben war,<br />
wenn man 2. sich den Unterschied zwischen dem drei theiligen<br />
Hnndckorn in Werle und Vorpommern nnd dem an<strong>der</strong>swo<br />
üblichen eintheiligen, meistens Hnudehafer (selten Roggen), klar<br />
gemacht hätte, 3. wenn bekannt gewesen wäre, daß, als <strong>der</strong><br />
Ansdruck „Hundekorn" nach Pommern gelangte, dieser in<br />
nnscrn Gegenden, im Magdcburgischen nnd später im Werleschen,<br />
gar nicht „Korn für die fürstlichen Hunde", son<strong>der</strong>n<br />
das Korn bedeutete, welches <strong>der</strong> Empfänger für seine Wirthschaft<br />
brauchte, 4. wenn man nicht dnrch die durchaus zweifelhafte<br />
Etymologie irre geleitet wäre nnd „Hnnd" ohne Weiteres<br />
auf das Iagdthier gedeutet hätte, während man es, wo von<br />
drei theiligem Hnndekorn die Rede ist, mit viel größerer Wahrscheinlichkeit<br />
ans das alte Wort Iinnt in <strong>der</strong> Bedeutung eines<br />
Ackcrmaßes zurückzuführen hat, fo daß es ursprünglich die von<br />
den „Hunden" ^Aeckcrn) und <strong>der</strong>en Ertrage zn leistende Kornabgabe<br />
bedeutet, uud man diesen nralten Ansdruck auch dann<br />
beibehielt, als man nicht mehr nach „Hunden", son<strong>der</strong>n nach<br />
dem größeren Ackermaße <strong>der</strong> Hnse rechnete.<br />
XII.<br />
Endlich aber kommt nun sür Vorpommern speciell noch
406 Das .Hundekon:.<br />
in Betracht, daß das Hnndekorn zu jener Zeit, wo es hier<br />
zuerst in den Urkunden erscheint (in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des<br />
14. Jahrhun<strong>der</strong>ts), nicht eine erst damals eingeführte, fon<strong>der</strong>n<br />
bereits eine alte Abgabe war, die fchon ans <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong><br />
Nnyanerfürsten (die 1325 abgingen) herstammte. Für diefe<br />
Behauptung haben wir keinen geringeren Zengen, als den<br />
Herzog Wartiflav VI. von Pommern-Barth. Ganz ausdrücklich<br />
fagt diefcr Fürst in dem schon oben angeführten Pfandbriefe<br />
vom Jahre 1384 über die Bede, das Hundckoru ?e.<br />
aus Zarnewanz, Zettelwih nnd Candelin, er verleihe dies alles<br />
„mir alzodancmc (solchem) rechte, dut n»i darinnc<br />
(in jenen Dörfern) hcbbcn vndc to tokomendcn<br />
tidcn hcbbcl^ mocshcn, nnt aller lnlttcchcit (Nntznng),<br />
^ricshcit vnde rcchtcchcit) alsc dc vorstc<br />
to Rllyel^ vl^dc vnsc oldcrcn ^ndc vvi dc<br />
vorbcnulncndcn huucn, bcdc, hlindckorl^<br />
dcncjl, richte^ vricshcit bczctclr hcbbcn."<br />
Da man nnn aber doch unmöglich glanben kann, jene Abgabe<br />
habe eine so verborgene Existenz geführt, daß sie 50 Jahre<br />
lang und länger in den Urkunden nicht zn Tage gekommen<br />
wäre, und da sie anch nnter dem Namen Hnndekorn in den<br />
mit annähern<strong>der</strong> Vollständigkeit durch Fabrieius publicirteu<br />
Urkunden ans <strong>der</strong> rnyanischen Zeit niemals erscheint: so<br />
bleibt nnr <strong>der</strong> Schluß übrig, daß „Hund e körn" ein in<br />
<strong>der</strong> zweiten Hälfte des 14. Iahrhuu<strong>der</strong>ts nen aufgekommener<br />
Name für eine alte Abgabe war.<br />
Erkennt man aber diesen Schluß an, so fällt damit anch<br />
<strong>der</strong> lehte Grnnd — <strong>der</strong> aus dem (überdies anscheinend mißdeuteten)<br />
Namen genommene — weg, das Hnndekorn als<br />
eine Abgabe zur Uuterhaltuug <strong>der</strong> fürstlichen Hnnde nnd<br />
überhaupt <strong>der</strong> gauzeu fürstlicheu Jägerei zu betrachten.<br />
XIII.<br />
Wir glauben hiermit nnsere Anfgabe gelöst und erwiesen<br />
zu habeu,<br />
daß das Huudekorn in Vorpommern keine mit <strong>der</strong>
Das Hundekorn. 407<br />
Jagd zusammenhangende Abgabe o<strong>der</strong> Leistung gewesen<br />
ist.<br />
Doch wollen wir uns <strong>der</strong> Mühe nicht entziehen, nachdem<br />
wir erwiesen haben, was das Hnndekorn seinem Nrsprnngc<br />
nach nicht gewesen ist, noch zn zeigen, welche ältere Abgabe<br />
in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts den nenen<br />
Namen Hnndekorn empfing.<br />
Wir müssen zu dem Ende etwas weiter ansholen und<br />
stellen darum zur leichteren Orientirung das Resnltat nnsercr<br />
Forschung voran. Es lautet:<br />
„Hundekorn" ist <strong>der</strong> nene Name für die alte Kornbcde,<br />
d. h. für denjenigen Theil <strong>der</strong> Bede, welchen<br />
<strong>der</strong> Landesherr nicht in Geld erhob, son<strong>der</strong>n in dreierlei<br />
Korn zum Behufe seiuer fürstlichen Hofwirthschaft.<br />
Vergegenwärtigen wir uns znm Beweise dieser Behauptuug<br />
erstens, daß, wie oben in Abschnitt VIII gezeigt ist,<br />
anch noch später Huudckoru uud Bedekoru in verschiedenen<br />
Aemtern verschiedene Ausdrucke für eine<br />
und dieselbe Abgabe waren. Zweitens haben wir gesehen,<br />
daß <strong>der</strong> Landesherr Huudekoru nicht nnr aus seiuen Domanialdörfern,<br />
son<strong>der</strong>n anch ans ritterschaftlichen uud aus<br />
Klosterdörfern erhob; mithin kann das Huudekorn ursprüuglich<br />
uicht eiue Abgabe gewescu sein, die ihm als dem Gutsherrn<br />
zukam, son<strong>der</strong>n nur eiue solche, welche er als Landesherr<br />
einnahm. Es solgt darans, daß das Hnndekorn ursprünglich<br />
kein Zins körn o<strong>der</strong> Pacht körn war, überhaupt keine<br />
aus dem g u ts herrlich e n Nexus hervorgegangene Abgabe.<br />
Im Allgemeinen nahm die Entwickelung <strong>der</strong> bäuerlichen<br />
Abgaben in Vorpommern seit <strong>der</strong> Germanisirung des Landes<br />
denselben Verlauf wie iu dem augrenzenden Meklenburg. Die<br />
Hauptabgabeu des Vaucru (von den Freischulzeu sehen wir ab)<br />
waren ursprünglich 1) <strong>der</strong> Zins (c^iiäuä) von den Hnfcn an<br />
den Grundherrn (an den Landeshcrrn im Domanium, an<br />
den Vafallen im Lehngut, au das Kloster im Klostergut),<br />
ä) <strong>der</strong> Z e Hute (döoiinll) an den Bischof o<strong>der</strong> den, dem dieser<br />
27
4l)8 Das tzuudekoru.<br />
densclbeu ganz o<strong>der</strong> theilweise abgetreten hatte, nud 3) im Domaniilm<br />
und in den Lehngütern die Steuer an die Landes-<br />
Herrschaft, die in den Nrknnden bald zx^titio, bald 6xliMo<br />
(bisweilen tiidntmn) ^^) genannt wird, von welcher aber,<br />
wie wir oben sahen, die Klosterbanern regelmäßig ausdrücklich<br />
befreit wnrden.<br />
Ein Verttag vom Jahre 1221 regelte den Antheil an<br />
den Zehnten, welchen <strong>der</strong> Landesherr vom Bischof von<br />
Schwerin zn Lehn nahm;^) anch <strong>der</strong> Bischof von Camin<br />
gestand den Landesherren Zehnten in beträchtlichem Maße zn ^).<br />
Von den ihnen selbst verbliebenen Zehnten verschenkten die<br />
Bischöfe nicht wenige an geistliche Stifter, veräußerten anch<br />
sonst manche; die übrigen fixirten sie. ^^') Auch die Landesherren<br />
verscheukten ihrerseits manche Zehnten: ^") den Vasallen<br />
verliehen sie die Zehnten ans den Lehngütern. ^) Iu den<br />
Domanialgütern schlugen die Fürsten den Kornzehnten znr<br />
Pacht, <strong>der</strong> Schmal- o<strong>der</strong> Flcischzehnte ward noch später erhoben<br />
(z.B. w^0t-, d. h. Zehnt-Lännner); die Vasallen machten es<br />
ebenso in ihren Gütern. ^")<br />
Zins nnd Zehnten des Grundherrn wilrden dann aber<br />
(seit <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 13. Iahrhnn<strong>der</strong>ts) allgemein durch<br />
einen Vertrag (^^otuui) fixirt, sie hießen daher (zusammengerechnet)<br />
Pacht; nicht mir <strong>der</strong> Betrag <strong>der</strong> Pacht für jede<br />
Hnfe ward festgesetzt, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Regel ward anch von<br />
Seiten des Grundherrn ans jede nene Nachmessuug verzichtet,<br />
das heißt, auch die Hnfcnzahl für jedes Torf ward als fest<br />
'«) Fabncius 428d, 4We.<br />
l") Fabricius Nr. XIV.<br />
l") Vgl. z. B. Fabricius Nr. 194, Drcger )^r. CXXXI,<br />
'^) Z- V. Fabricius Nr. 51^, Klt.'mpin, Diplomat. Beitr. S.<br />
384 f.<br />
l") Z. V. Fabricius 3ir. XI., 514.<br />
l") Vgl. z. V. Fabricius Nr. 7ä5, 78^.<br />
l") Fabricius, 5131), 59od, 785, ,^98: ^xumam >li(;imn Vin^w^Ilc,d«u,<br />
3Ìcut al l
Das .Hundekorn. 409<br />
angenommen. ^'") Die Pacht intercssirt nns hier jedoch vorläufig<br />
nicht n^eiter, weil sie dein gutsherrlicheu Ne^ns angehört.<br />
Die schon erwähnte Grundsteuer au deu Landesherrn<br />
war eine allgemeine Verpflichtung: sie ward nicht<br />
nnr von den Hufen <strong>der</strong> Domanialbaueru, son<strong>der</strong>n eben so gnt<br />
von denen <strong>der</strong> rittcrschaftlichen Vanern erhoben. Dies crgiebt<br />
sich nicht nnr ans den Klosterprivilegieu, in welchen die Klostcrlente<br />
von <strong>der</strong>selben befreit wurden, son<strong>der</strong>n auch aus solchen<br />
Urkunden, in denen <strong>der</strong> Fürst sich diese Einnahme vorbehält<br />
sz. V. Fabrieins 514 bei <strong>der</strong> Verleihung des Eigenthums<br />
von Arnesse uud Veuet'enHagen au das H. Geist-Haus zu<br />
Stralsnnd 1^94: ,,8cä ))
410 Das Hunoekoru.<br />
Ständen-, ^up unsc lnal^ ^Vasallen^, up Ullsc srcdc<br />
-onde up abdcr 2lrlioldc van dcmc r7vcnca»npc"^^)<br />
die an<strong>der</strong>slvo bestehenden 3 Stände! Prälaten, Vasallen nnd<br />
Städte, waren also anch hier schon ausgebildet - ltnd im Jahre<br />
1320 fanden wir (s. oben im Abschnitt IX) „pln'i^inont^"<br />
erwähnt. Von den Land ständen mußten die Landesherren<br />
nun zu <strong>der</strong> alten Stener nenc erbitten, die eben deshalb<br />
^roo^i'i^o, dentsch „Beden", genannt wurden. Solche<br />
Znschnsse werden bisweilen zn Anfang als durchaus freiwillige<br />
bezeichnet, z. V. die von Barth bewilligte jährliche Hülfe von<br />
20 Mk. Pfennige (ox ooruni ^i'o^rio lli'ditrio 3
Das .Hundekorn. 411<br />
nur werden hernach sehen, daß Fürst Wizlav schon 1299 Vede<br />
ans Dörfern des Klosters Eldena verpfändete; nnd wenn 1320<br />
das Kloster Ncuenkamp sich beim Papste Iahann XXII. beklagte,<br />
es werde genöthigt ,,^cl ooiiti-i1)ii6Q(1uin in tallii« 6t<br />
^'"), so blieb, falls darunter anch etlva<br />
die Beden begriffen fein sollten, das erfolgte päpstliche Conservatorinm<br />
in Bezng anf diefe doch ohne Wirkung. Denn<br />
wir haben schon oben Beden ans Dörfern diefcs Klosters gefnnden.<br />
Beweise sür die Bedepflicht <strong>der</strong> Lehn guter liefern<br />
nns die Urkunden ans <strong>der</strong> ruyanischen Zeit viele ^^), ilnd die<br />
v. Dechow vertanften lZ19 eine Rente ans Hufen in Beiers-<br />
hagcn niit dein Beinerten: ,,0xo6^)ta. tHiu.6ii<br />
1101'NIII iu 1^)318 M^113Ì8 8ÌCi2t ili I^ii^uia 8ui t 6 1'l'i -<br />
toi'ii ^NQUütim O^)tin0^it^ ^^).<br />
Sehr verschieden lvar null aber die Art, wie solche<br />
Abgaben, Pacht, Bede, Zehnten (anch die Ablösung voli Diensten,<br />
die uns aber hier nicht angeht), entrichtet wurden. War<br />
e^ für den Bauer das Bequemste, feine Abgaben in Korn zn<br />
entrichten, um <strong>der</strong> Mühe des Verkaufs bei schwierigen Absatzwegen<br />
überhoben zu sein, so war es für den Empfänger selbstverständlich<br />
das Willkommenste, anstatt desjenigen Kornes,<br />
welches er nicht in seiner Wirthschaft verbraucheil konnte, baar<br />
Geld zn erhalten. So finden wir denn die Pacht bald in<br />
Korn festgesetzt, z. B. in Lü<strong>der</strong>hagen, ^) bald in Geld,<br />
z. B. iil Schlichteniiiöleu, Bulow ^e. ; ^^) ja man ließ wohl gar<br />
den Banern srei, ob sie ihre Pacht in Korn o<strong>der</strong> in dem<br />
entsprechendeil Gelde entrichten wollten, z. V. in SanZ; "'')<br />
'^) Fabric. Nr. 7
Das .hnndekorn.<br />
in an<strong>der</strong>n Dörfern endlich, z. B. in Arnesse ""), ward die<br />
Pacht theils in Geld, theils in Korn entrichtet. So<br />
finden wir denn anch in den späteren Registern an einer Stelle<br />
nnr Geld Pacht, an einer an<strong>der</strong>n nnr Korn Pacht, an einer<br />
dritten Geld- nnd Kornpacht. Für die Entrichtung des Zehn-<br />
ten war allerdings nrsprünglich die Natnralleistnng die sachge-<br />
mäße; doch finden wir anch hier frühzeitig Abweichnngen.<br />
Während un Schweriner Bisthnm das ^ehntkorn üblich<br />
blieb, empfing von Alters her <strong>der</strong> Bischof von Cani in von<br />
je<strong>der</strong> Hilfe je 2 Schff. Roggen, 2 Schff. Gerste nnd 2 Schff.<br />
Hafer, sowie 2 Schillinge Nischofpfennige nnd noch von jedem<br />
Dorfe 2 Schillinge; ^) nnd mit dem Bischof von Roeskilde<br />
ward 1306 ein Abkommen getroffen, wonach er an Zehnten<br />
von <strong>der</strong> Infel Rügen jährlich 35 Last weniger 2 Pfnnd<br />
(16 Schfs.) Roggen nnd anf jede Last noch 2 Schillinge baar<br />
haben sollte."")<br />
Was nnn die Bede angeht, so wissen wir nicht, wie<br />
die nrsprüngliche oxactio entrichtet ist, wohl aber, wie es<br />
geschah, nachdem diese mit <strong>der</strong> pi^clriill verbnnden war. Anf<br />
<strong>der</strong> Insel Rügen finden wir 1314 als „proc^ii^ nnr<br />
Geld, kein Korn verzeichnet"^), von je<strong>der</strong> Hakenhnfe 12 (anf<br />
Wittow allein von je<strong>der</strong> nnr 8) Schillinge; doch, da hiernach<br />
<strong>der</strong> ,,C0N3N8 cimiln'ioi'nm" für fich berechnet ist nnd dann<br />
noch die „i'0äc1itn8 annone'- folgen, fo wissen wir nicht, ob<br />
nicht die letzte Rnbrik anßer Pachtkorn anch Oedekorn ent-<br />
hält. Uebrigens ist bisher wenigstens ans alter Zeit anch<br />
von <strong>der</strong> Abgabe des Hnndekorns anf <strong>der</strong> Insel Rügen nichts<br />
bekannt geworden. Anch anf den: Festlande Rügen wird<br />
nnter <strong>der</strong> prooln-i^ in den Urkunden, wo <strong>der</strong> Betrag genannt<br />
ist, in <strong>der</strong> Regel nnr Geld verstanden, theils weil die Beden<br />
später meistenteils in Geld gegeben wnrden, vornehmlich aber,<br />
weil es sich in den Urkunden, wo <strong>der</strong> Netrag angegeben ist,<br />
N) Fabric. Nr. 513 b.<br />
"") Klcmftin, Dipl. Beiträge S. 354 f.<br />
"') Fabric. Nr. 566.<br />
'") Fabric. 'Nr. 762.
Das Hundekorn. 413<br />
um Verpfändung handelt, zu <strong>der</strong> sich Geldreuten besser eigneten<br />
als Kornrenten. Nichts desto weniger uuterliegt es keiuem<br />
Zweifel, daß hier ein Theil <strong>der</strong> zu erlegenden Bede don <strong>der</strong><br />
Landesherrschaft in Korn erhoben ward. Z. B. verläßt <strong>der</strong><br />
Fürst Wizlav IV. 1322 "2) seinen: Vasallen Arnold Scerf<br />
seine fürstliche Vede von 4 Hnfen im Dorfe Iohannshagen,<br />
soviel <strong>der</strong> Fürst dort jährlich zu empfangen hatte, außerdem<br />
Korn, weil <strong>der</strong> Fürst dieses zu seinem eigenen Bedarf<br />
behalten will:<br />
i ^ ^ t IN5lQ3Ì8 ìli viiili.<br />
Hier haben loir also das Vedctorn so<strong>der</strong> die Kornbede,<br />
wie jenes im Gegensatz zur „Pennigbede" genannt ward),<br />
und dazu denselben Ausdruck ,.cid x^
as hnndckorn.<br />
den Gütern <strong>der</strong> Klöster Stolp nnd Verchen blieb <strong>der</strong> alte<br />
Name: Vede körn, für das Bedekorn ans den Klöstern<br />
Eldena nnd Nenenkanip luard <strong>der</strong> nene ^nune: Hnndckorn<br />
üblich, nnd das Kloster Eldena fing selbst an, zwischen beiden<br />
zn schwanken (Harnestbede o<strong>der</strong> Hllndekorn). Nicht selten<br />
nannte man das Bedeiorn anch einfach „Korn". Die Geldbeden<br />
dagegen, welche später in „Sommerbede" nnd<br />
„Herbstbede" bestanden, nannte man nnn schlechtweg anch<br />
„bcdc". Alls diesen! Verhältnisse zloischclt bcde (Geldbede)<br />
und ^lllit>ckorn, daß sie nämlich nrsftrünglich Theile einer<br />
Abgabe waren, erklärt es sich dann anch, daß sie so hänsig<br />
bei Verleihungen nnd Verpfändungen mit einan<strong>der</strong> verbunden<br />
werden (bcdc vndc hundckornX s. z. V. die in Abschnitt IV<br />
citirte Urknnde von 1384.<br />
So allgemein die Verpflichtnng zn Bedeleistuugen war,<br />
so ging doch <strong>der</strong> Landesherrschaft im Lanfe <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te<br />
viel Bede verloren, so daß die Erscheinung dieser Abgabe<br />
allmählich eine sehr nngleiche ward. Bei <strong>der</strong> Schenkung des<br />
Eigenthums von neilerworbenen Gütern an die geistlichen<br />
Stiftungen, Klöster, Pfarren, Vieareien, pflegten die Fürsten<br />
in <strong>der</strong> Regel anch die Bede u mitznverleihen ; ^") ^Z geschah<br />
nicht häufig, daß sie sich solche vorbehielten. ^) Die Herzoge<br />
von Pommern wareu hierin liberaler, als die letzten Ruyanerfürsten,<br />
welche freilich anch stark verschuldet waren. Einmal<br />
(1281) bclehute sin uLium louclum ot I^g'^io) Herzog<br />
Bogislav lV. vou Pomniern das Kloster Eldena sogar mit<br />
<strong>der</strong> ganzen Bede, welche ihm nnd seinen Nachfolgern in den<br />
Klostergütern znstand („t^t^iii ^ioclni^in, c^uo nol)i« et<br />
-') ^^). Ob freilich diese Belehnnng in späterer Zeit<br />
voll Bestand geblieben ist, lassen wir dahin gestellt. Jedenfalls war<br />
sie für die Güter, welche das Kloster Eldcna in dem Fürsten-<br />
l") z. V. FabriciuZ Nrn. 255, 446 vgl. 487, 721.<br />
"!) z. V, Fabric. Nr. 514, 762 d., 785.<br />
'") Lisch, Vehr Uvk. I. S. ^l5I.
Das Hundekorn. 415<br />
thnm Nilgen besaß, ^') überhaupt nicht von Geltung.<br />
Wizlav III. von Rügen verpfändete dann auch schon 12 99<br />
den Gebrü<strong>der</strong>n von Blixem „ i n ^) r 6 o. 3. r i lr 0 x ^ot10 n c<br />
.^iuguli 8 Aliili 8 N 0 8 C0 Nt Ì 11^ 0nt0 ìli I) O 11 Ì ^<br />
6t ?0t6i'8liHg6ii", eine Rente von<br />
62 M. ^') Eben ans Neuenkirchen verpfändeten hernach<br />
1373 "5) die Herzoge Wartislav VI. und Bogislav VI. Bede<br />
und Hunde körn; nnd desgleichen ward, wie wir uus aus<br />
dem oben (in Abschnitt VIII) Mitgetheilten erinnern, in: 15.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t Vede und Hundekorn aus den Eldenaischen<br />
Klosterdörfern Wampen nnd Hennckenhagen von <strong>der</strong> Landesherrschaft<br />
zn Pfand ausgethan. „Bede nnd Hundekorn" hieß<br />
also nnn, was 1299 mit dem allgemeinen Begriff ,,in ^)i'6c^in."<br />
zusammengefaßt war.<br />
Glücklicher als Eldcna kam das Kloster Dargun wegen<br />
seiner Bedepflicht für die in Pommern belcgencn Dörfer davon.<br />
Der herzogliche Vogt Wedego Walsleben zu Temmin erhob<br />
aus deu Dörfern Warrenzin, Zarnckow, Barlin uud (halb)<br />
Bru<strong>der</strong>storf, welche jenem Kloster gehörten, „ny bcde eddcr<br />
h ll li d c korli c". Auf herzoglichcu Befehl aber vom Jahre<br />
1402 „hörte" er (d. h. ließ er sich vorlesen und übersetzen)<br />
mit Lüdeke Moltzan und An<strong>der</strong>n deswegen die Klosterbriefe.<br />
Sie gewannen daraus die Ueberzeugung, dut dc hcrcn van<br />
Slcrvn l>cinc Fot>cs^)usc ro Darcsulr dc doroc zo<br />
jn cncshc vorbrcuer hcbbc»^ dar dar limnlnclN (niemand)<br />
nvchr vali rechte alic hcbbcn schal^ bchalucn (aus<br />
genomnien) dar Fodcshus ro Darcfmi." ^^) Damit ver^<br />
weist <strong>der</strong> Vogt ans Barnims I. Privileg von 1266, ^") wo<br />
anch namentlich in jenen Dörfern die Bauern von allen fürstlichen<br />
Beden freigesprochen werden („^<br />
Fabric. vl'r. VI.<br />
Fabric. Nr. 465.<br />
Oclrichs S. 100.<br />
^i>ch, Maltzan Url. NI. S. 10.<br />
Mellb. Urk.-Buch II. ^c'r. 10?I.
41k Das Hundetorn.<br />
nnd anf den Vergleich des Klosters mit<br />
den Herzogen Otto I. nnd Barnim Ili. von I-^)-;/") worin<br />
das Kloster dem Herzog Barnim anf seine Lebenszeit<br />
von je<strong>der</strong> eigenen Hnfe jährlich 24 Schill, nnd > Scheffel<br />
Roggen, 1 Schff. Gerste nnd 1 Schff. Hafer (also dreierlei<br />
Korn, wie das „Hnndekoru") zugesteht, mit dieser clon^riorinn<br />
ot lliin0U6 ^nmin^ aber für jene Dörfer die volle<br />
Immnnität, die Exemtion „^1) oiinn!)U8 ^t, 8ÌuaIÌ8 o.x^ooioni^u«<br />
i)i'6ClrriÌ8 ot ^ii^^i'ii8", fiir immer erlangt.<br />
Die Befreiung von <strong>der</strong> Bede befreiete also auch später vom<br />
Hnndekorn — weil dieses ein Theil <strong>der</strong>selben war.<br />
Anch von den Beden, welche ihr ans den Gütern <strong>der</strong><br />
Vasallen gebührten, veräußerte die Landeccherrschaft durch<br />
Verlehnnng, Verschenkung, Verkauf und Verpfändnng ohne hernach<br />
erfolgte Einlösung nicht wenig. Z. B. 1^75 belehnten<br />
Herzog Barnim I. nnd sein Sohn Vojislav IV. die v. Vehr<br />
mit <strong>der</strong> Bede in ihren Lehngütern in den Landen <strong>der</strong> Herzoge<br />
( t 1 i ^IÌ i^ i<br />
ili I)0NÌ8 'ii)801'II1U, ^uc cr 1wI)Ì3 ili<br />
lQt ^tl^uo t6Q0Qt, in V0Il.1N<br />
i6g'^1o^. ^^) Verschenkungcu, Verkäufe nnd Verpfändungen<br />
von Bede treffen wir in früherer Zeit ebenso an, ^^) wie<br />
später noch Bede nnd Huudekorn zusammen uicht selten veräußert<br />
ward. Daraus erklärt es sich, das; auch späterhin<br />
mauche Lehngüter zur Lieferung des Hnndekorns verpflichtet,<br />
an<strong>der</strong>e dagegen davon frei waren.<br />
Was den Betrag des Korns angeht, welches sich <strong>der</strong><br />
Landesherr als einen Theil <strong>der</strong> Bede mtter dein Namen Bedekorn<br />
o<strong>der</strong> Hnndekorn erlege:: ließ, so ist oben ini Abschnitt<br />
VIII gezeigt, daß es regelmäßig aus deu drei Kornarten, die<br />
man von Anfang <strong>der</strong> Germanisiruug an in Pommern bauete,<br />
Roggen, Gerste, Hafer, und zwar zu gleichen Theilen, bestand,<br />
l^l) Mekl. Urk.-Vuch VIII. Nr. 5<br />
'^) Lisch, Behr Urk. I. S. 180, vgl. auch lll. S. 64, 68 :c.<br />
'") Fabric. Nr. 5l)4, 598, 690. 696, beson<strong>der</strong>s 845.
Das Huudc-korn. 417<br />
Weizen aber nnd Erbsen nie nmer dein Huudekorn waren.<br />
Das 3N a ß je<strong>der</strong> Kornart richtete sich freilich naturgemäß zunächst<br />
nach dcni Bediirfnisse <strong>der</strong> Hofhaltung. Da indessen dem<br />
Fürsten ja freistand, nach Gefallen einen größeren o<strong>der</strong> einen<br />
geringeren Theil von <strong>der</strong> Pacht ans seinen Domainen in<br />
Korn o<strong>der</strong> in Geld Zn erheben, nnd da nur wahrnahmen, ^)<br />
daß in Gegenden, welche in kirchlicher Beziehung unter dem<br />
Bischof von Camin standen, <strong>der</strong> Betrag des Hnndckorns gerade<br />
ebenso groß war (2 Scheffel von je<strong>der</strong> <strong>der</strong> drei Korngattnngen)<br />
une die Menge desjenigen Korns, welches dieser Bischof von<br />
Alters her als einen Theil feines Zehnten erhob ss. oben in<br />
diesem Abschnitt): so ist es nicht unwahrscheinlich, daß hier<br />
des Bischofs Beispiel auf jene Maßbestimmung des Hnndekorns<br />
eingewirkt hat. — In den ehemals r iranischen Gebieten,<br />
die uuter dem Bischöfe von Schwerin standen, vermögen wir<br />
das Maß des Hnndekorns von je<strong>der</strong> Hufe nicht fo gnt zu constatiren,<br />
theils weil nns von mehreren Aemtern Specifikationen<br />
über die Beträge des Huudekorus aus je<strong>der</strong> Ortfchaft und znglcich<br />
über deu Hufeustaud <strong>der</strong>selben fehlen, theils weil man<br />
das hnndekorn hier in den fpateren Negistern nicht immer sür<br />
sich geson<strong>der</strong>t berechnete nnd aufführte, son<strong>der</strong>n deu Hundehafer<br />
mit dem Diensthafer nnd, wie wir sehen werden, das ganze<br />
Huudekoru voll eiuigeu Dörfern ini Amte Barth mit dem<br />
Pachtkorn znfammenrechnete. Solch.' Zusammeufasfuug landesherrlicher<br />
nnd gutsherrlicher Einnahmen war uatürlich uur in<br />
Domanialdörfern möglich, wo <strong>der</strong> Landesherr znglcich <strong>der</strong><br />
Gntsherr war.<br />
Um hierfür einige Beispiele anznführcn, so fanden wir<br />
loben Abschnitt VIII) im Amte Loitz 15l)9 den Diensthafer<br />
mit dem Hafer von Hnndekorn zusammengerechnet, ebenso im<br />
Amte Grimmen einmal den „Bedberoggen" mit dem Mühlenroggen<br />
und das Hundekorn mit dein „Dieusthauereu" zusam<<br />
mengeworfen, während ein an<strong>der</strong> Mal das Huudekoru für sich<br />
augegebeu ward. Bei <strong>der</strong> Visitation <strong>der</strong> Kircheu, Klöster, Ho-<br />
Abschnitt VIII.
418 Das hundetorn.<br />
spitäler illld Armenhäuser zn <strong>Greifswald</strong> inl Jahre 155)7 '^)<br />
werden Getreidehebllngeil ans Dörfern des Heil. Geist-Hauses<br />
nnter <strong>der</strong> Ueberschrift „Hnndetorn" anfgerechllet, darnnter<br />
aber <strong>der</strong> Gesammtbetrag als „8l.iiuin^ des Hnndc- nnd Pachtkorns"<br />
bezeichnet. Mehrere ähnliche Fälle zählt Klempin in<br />
seinen! ersten Gutachten ans.<br />
XIV.<br />
Etwas genaner nlüssen wir nns aber nlit dem A in te<br />
Barth beschäftigen. Nach Ausweis des oft eitirten Anschlages<br />
von 1604/14 ward in diesem Amte die Pacht damals ganz<br />
in Geld erlegt; wenigstens erwähnt wird in dem Anschlage<br />
kein an<strong>der</strong>es Pachtkorn als <strong>der</strong> ganz vereinzelt dastehende Pachtweizen<br />
von Saal (^ 1 Last 4 Dr. 11 Sch. 2'/2 Viert).<br />
Bei einigen Dörfern finden wir neben <strong>der</strong> Geldpacht anch<br />
Herbstbede (in Geld) nnd Sommerbede sin Geld) angegeben,<br />
nnd daneben noch Hnndekorn (anch, was hier aber nicht interessirt,<br />
Ablagerkorn). Z. B. Tempel hatte zn liefern: 4 M.<br />
10 V- ßl. Sommcrbede, 18 M. 12 ßl. Herbstbcde, 27 M. 4<br />
ßl. Geldpacht nnd an Hnndekorn 10 Schffl. Roggen, ebensoviel<br />
an Gerste nnd an Hafer. Bei den meisten Dörfern ist<br />
aber Sommerbede gar nicht notirt, dagegen sind z. B. bei<br />
einigen die übrigen erwähnten Leistungen, bei Gr. Cnrtshagen:<br />
69 M. 8 ßl. Herbstbede, 164 M. 10 ßl. Pacht, Hundekorn<br />
34 Schffl. voll je<strong>der</strong> Kornart; bei Splitsdorf: 116 M. 5 ßl.<br />
Pacht, aber nnr 5 M. 9 ßl. 5 Pf. Winterbede nnd nnr 4<br />
Schffl. Roggen, 4 Schffl. Gerste nnd 4 Schsfl. Hafer als<br />
Hundekorn. In den letzten Angaben ist offenbar das ursprüngliche<br />
Verhältniß schon verschoben, die Pacht uuverhältnißmäßig<br />
hoch gegen die Bede nnd das Hnndekorn; also entwe<strong>der</strong> sind<br />
diese theilweise abgelöst, o<strong>der</strong> aber das meiste von ihnen ist<br />
znr Pacht geschlagen. Die letzte Annahme erweist sich als<br />
'^) Wolg. Arch. Tit. 63 Nr. 193 Vol. 1. f. 2^1.
Das Hundekorn. 419<br />
die richtige: denn nnter 14 an<strong>der</strong>n Dörfern finden wir nnr<br />
noch Pacht in Geld, daneben keine Beden nnd keinHunde-<br />
korn verzeichnet, die Geld Pacht aber dafür znm Theil hoch,<br />
z. B. von Lossentin 183 M. 10 ßl. 2 pf. Am auffallendsten<br />
ist, daß Nedebas snicht einmal das bedeutendste Dorf im<br />
Amte), alle an<strong>der</strong>n Dörfer weit überragend, 285 M. 12 ßl.<br />
Pacht, daneben aber keine Beden nnd an Hnndekorn nur 72<br />
Schffl. Hafer zu erlegen hatte. Hier sieht man recht dentlich,<br />
daß alle Abgaben von diesem Dorfe in Geld umgesetzt waren<br />
(anch <strong>der</strong> Hnn<strong>der</strong>oggen und die Hundegerste), mit Ausnahme<br />
des Hnndehafcrs, und daß <strong>der</strong> Begriff Pacht nnnmehr also<br />
anch die Beden und einen Theil des Hundekorus mit umfaßte.<br />
Ganz ebenso entrichtete Starkow neben 84 M. 5 ßl. Oeldpacht<br />
nnr noch 8 Schffl. Hafer an Hundekorn.<br />
Hier wird es danu auch am Orte fein, daran zn erinnern,<br />
daß, wie oben im Abschnitt VIII angegeben ward, 4 Dörfer<br />
im Amte Barth ausnahmsweise eiue merkwürdige Ungleichheit<br />
zeigen in den Quantitäten an Roggen, Gerste uud Hafer, die<br />
sie unter dem Namen Hnndekorn in den Jahren 1604/14 zu<br />
entrichten hatten. Es lieferten<br />
h unde - hundeHunde- Pacht und<br />
roggen g e r st e hafer Vede<br />
Kentz 3 Dr/ 6S. 0L.3Dr.<br />
6S. 1^,.0Dr.<br />
8 S. 189! N.5ßl. 8 Pf.<br />
hermannshagenKindes-<br />
2 „ 10^/g„ 0. 3 „ '/4 ., 0,. /2 " 301 7 4 „<br />
hagen 0 „ 5 ., 0. 0 „ 5 ., 0 „ 3 „ 11 10 ., 12 „ 0 ..<br />
Saal ^l2<br />
.115/,,, 6. 3 „10'/-2,,
420 Das Hundekorn.<br />
in Korn geben nnchte, Geldpacht und Kornpacht also zu<br />
einan<strong>der</strong> in umgekehrter Proportion standen, folglich in <strong>der</strong><br />
großen Kornmenge, welche Saal entrichtete ^wozn noch <strong>der</strong><br />
Pachtweizen hinznznrcchncn ist), wiewohl dieselbe den Namen<br />
„Hund e körn" trägt, doch auch Pachikorn — außer dem<br />
nrsprünglichen Hnndekorn — stecken mnß. Tasselbe dürfen wir<br />
dann auch rücksichtlich <strong>der</strong> Hafer quanta bei deu an<strong>der</strong>n drei<br />
Dörfern annehmen. Znr Erklärnng niüssen wir darauf hinweisen,<br />
daß man damals des ursprünglichen Unterschiedes<br />
zwischen Hundekorn nnd Pachtkorn, loie wir schon oben fanden,<br />
sich nicht mehr streng bewußt war; und nachdem in allen an<strong>der</strong>n<br />
Dörfern des Amtes keine Kornpacht mehr erhoben ward, schien<br />
es wohl unnöthig, nm jene vier Dörfer, in denen man noch<br />
Pachtkorn entwe<strong>der</strong> forterhob o<strong>der</strong> vielleicht anch erst später für<br />
einen Theil <strong>der</strong> Geldpacht wie<strong>der</strong> einführte, eine beson<strong>der</strong>e<br />
Rubrik „Pachtkorn" neben dem „Hnndekorn" anzulegen; man<br />
zog die Beträge bei<strong>der</strong> Kornabgaben eben zusammen, znmal sie<br />
beide gleichzeitig (im Herbst) erlegt wurden. Immer aber<br />
blieb auch iu diesem Ausnahmefalle die Bezeichnung des Pachtkorns<br />
als Hnndekorn <strong>der</strong> nrsprünglichen Bedeutung des Wortes<br />
„Hnndekorn" in Vorpommern in so fern gemäß, als dieselbe<br />
einer von <strong>der</strong> Landesherrschaft zum Behuf <strong>der</strong> Hofhalmng beibehaltenen<br />
(nicht in Geld umgesetzten) o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> statt des<br />
Geldes eingetretenen Kornhebuug beigelegt ward.<br />
Wir stimmen demnach mit Klempins Ansicht, daß das<br />
Hnndekorn in Vorpommern „bald Pacht- bald Vedehebung"<br />
war, überein, jedoch mit <strong>der</strong> Modificatimi, daß wir in demselben<br />
ursprünglich uur Bedekoru erkennen tonnen, die<br />
Bezeichnung von Pachttorn als Hnndekorn aber für eine fpäte<br />
Aen<strong>der</strong>nng erklären müssen, die erst nach <strong>der</strong> Reformation<br />
eintrat. In den uus zur Inspektion zngegangenen Acten<br />
finden wir solches nur, und zwar ausnahmsweise, in den<br />
erwähnten 4 Dörfern des Amtes Barth in dem Amtsanschlage<br />
von 1W4 — 14. Da uus wesentlich oblag, den Ursprung<br />
und die Natur des „Huudckorus" in Vorpommern .ni ermitteln,<br />
so hatte die Ausdehnung <strong>der</strong> Bedeutuug dieses Wortes
Das .Hundekorn' 421<br />
auf das Pachtkorn (im 16./17. Jahrhun<strong>der</strong>t) für uns kein<br />
weiteres Interesse: und lediglich <strong>der</strong> Vollständigkeit halber<br />
führen nur hier an, daß nach Klempins Forschung, als<br />
„1569 — 1003 das Amt Barth mit Franzbnrg (Neuenkamp)<br />
in den Apanagenbefitz des Herzog Vogislav X11I. überging,<br />
und wie<strong>der</strong>um 1592 das Amt Loitz als Leibgedinge <strong>der</strong><br />
Herzogin Sophie Hedwig eingcthan wurde, und das Amt<br />
Barth 1625) nochmals als Leibgedinge <strong>der</strong> Herzogin Agues<br />
außer landesherrlicher Nntzniesznng blieb, für den dadurch<br />
herbeigeführten Ausfall von „Hnndekorn" an<strong>der</strong>weitig Ersatz<br />
geschafft werden mußte, uud dazu die nach <strong>der</strong> Reformation<br />
zu deu Tischgütern des Herzogs geschlagenen Klostcrbcsitzungen<br />
vou Crummiu, Pudagla, Eldena ui^d ein kleiner Theil von<br />
Neuencamp (Frauzburg) herbeigezogen wurden."<br />
XV.<br />
Fassen nur nuu kurz die Resultate iluserer Forschung<br />
zusammeu, so können wir dieselben in folgenden Sätzen aus-<br />
sprechen :<br />
1. Das „Huudekoru" iu Vorpommern ist und war seinem<br />
Ursprünge nach keiuc mit <strong>der</strong> Jagd zusammen-<br />
hangende Abgabe o<strong>der</strong> Leistung, inson<strong>der</strong>heit<br />
kein Surrogat für Jagd ablag er (IX.) o<strong>der</strong><br />
f ü r da s H und elagcr (X.), a u ch k eiue spe eiell<br />
z u r II u t e r haltullg d e r f ii r stlich en Jagd h n n d e<br />
o<strong>der</strong> überhaupt d er für stlichcn Jägerei gefor-<br />
<strong>der</strong>t e uud geleist ete K o r n a b g a b e (XI. ).<br />
2. Vielmehr ist „Huudekorn" eiue nach dem früher im<br />
Magdeburgischen (VI.) und ini Wcrleschen (VII.) üblicheu<br />
Sprachgebrauche im 11. Jahrhun<strong>der</strong>t in Vorpommern<br />
bei den meisten Aemtern eingeführte uene B e n e n u i: n g<br />
(XII.) für denjenigen Theil <strong>der</strong> Bede, welchen die<br />
Herzoge nicht in Geld, fon<strong>der</strong>n Zum Behufe ihrer<br />
H ofwirt h s ch a st in dreierlei Korn, Roggen,<br />
Gerste uud Hafer (VIII.) erhobeu (XIII.).
422<br />
Das Hnndekorn,<br />
Z. Nach <strong>der</strong> Reformation ist die Benennung „Hnndetorn"<br />
anch ailf P a ch tkorn, N' e l ch e s z n d e ni selbe n<br />
Zlvecke bestiinmt loard, ausgedehnt worden (XIV).<br />
Schwerin, d. N). Deeember 1875.<br />
I)r. F. Wigger,<br />
Archivar am Großhcrzoglichcn<br />
Gt,'h. und Haupt-Archiv.
Das Hundekorn.<br />
Anhang.<br />
Zur Etymologie des Wortes Hundekorn.<br />
Von dem Appellationsgerichts-Präsidenten Di'. Kühne<br />
in <strong>Greifswald</strong>.<br />
423<br />
Die seit langer Zeit herrschende, fast allgemeine Annahme,<br />
daß Hnndekorn (huntkorn) eine Iagdabgabe sei, ist für Vorpommern<br />
— wie ich meine — dnrch die Gutachten Di'. Klempin's<br />
nnd Di'. Wigger's wi<strong>der</strong>legt. Möglich ist es freilich,<br />
daß dio Hnndekorn-Abgabe in an<strong>der</strong>en Gegenden Deutschlands<br />
mit <strong>der</strong> Jägerei im Zusammenhange steht, möglich anch, daß<br />
die Vermuthung Dr. Klemftin's richtig ist: Der Name <strong>der</strong><br />
ursprünglich sür die Unterhaltung <strong>der</strong> Jagdhunde<br />
bestimmten Abgabe sei in Vorpommern später<br />
auf an<strong>der</strong>e Gefälle (Vede uud Pacht) ausgedehnt. Wahrscheinlich<br />
ist mir aber nach demjenigen, was wir durch die<br />
Gutachteil erfahren haben, we<strong>der</strong> das eiue noch das an<strong>der</strong>e.<br />
Wenn eine Ableituug des Nameus <strong>der</strong> Abgabe gefunden werden<br />
kann, welche die Beziehung zn dem vierfüßigen Gehülfen des<br />
Jägers ausschließt, so würde dadurch nicht allein das Resultat<br />
<strong>der</strong> Gutachten bestätigt werden, son<strong>der</strong>n es ergäbe sich daraus<br />
auch für die in an<strong>der</strong>en Gegenden Deutschlands vorkommende<br />
Hundekorn-Abgabe, daß aus dem Namen noch nicht einmal<br />
eine faktische Vermuthung für die Natur <strong>der</strong>selben als einer<br />
Iagdabgabe eutnommeu werden darf.<br />
Hieraus so wie aus dem sich daran anknüpfenden historischen<br />
Interesse wird sich <strong>der</strong> folgende Versuch einer<br />
Erkläruug des Namens <strong>der</strong> Abgabe rechtfertigen.<br />
28
424 Das Hundekorn.<br />
I.<br />
In seinem Gutachten (Absch. II und XI a. E.) hat<br />
Dr. Wigger die Vermuthung ausgesprochen, daß das in <strong>der</strong><br />
Bezeichnnng Hnndekorn enthaltene Wort Hunt o<strong>der</strong> hlmd in<br />
<strong>der</strong> Bedeutung eines Ackermaßcs zu versteheu sei. Zuerst<br />
war ich sehr geneigt, dieser Ansicht beizutreten; ich bin dadurch<br />
veranlaßt worden, dem Entstehen, <strong>der</strong> Bedeutung und <strong>der</strong><br />
geographischen Verbreitung dieser Ackermaß-Bezeichnung nachzuspüren.<br />
Ueber das Resultat meiner Ermittelungen werde<br />
ich im zweiten Abschnitt dieses Anhangs berichten.^) H^r<br />
wird die unten zu begründende Bemerkung genügen, daß selbst<br />
nach <strong>der</strong> für die größere Ausdehnung günstigsten Berechnung<br />
ein Hnnt doch immer noch eine verhältnißmäßig recht kleine<br />
Fläche ist; sie beträgt danach nur V10 Magdeburger Morgen<br />
^ 0,17473 Hektars<br />
Es ist mir in hohem Grade unwahrscheinlich, daß man<br />
in alten Zeiten den Namen einer Abgabe an ein so<br />
kleines Flächenmaß angeknüpft haben sollte; insbeson<strong>der</strong>e will<br />
mir die Annahme Dr. Wigger's nicht einleuchten, daß man in<br />
uralten Zeiten eine Kornabgabe nach Hunten berechnet haben,<br />
später aber bei Reparation <strong>der</strong> Abgabe auf die größere Hufe<br />
übergegangen fein follte. Die Beziehung nämlich zwischen <strong>der</strong><br />
Abgabe und dem Huut würde doch Wohl nur die sein können,<br />
daß die Abgabe nach Hunten repartirt o<strong>der</strong> auf jedem einzelnen<br />
Hunt lastend gedacht wäre. In solch kleine Verhältnisse<br />
ist man im Mittelalter, wo die Hundekorn-Abgabe entstanden<br />
ist, bei Vertheilung <strong>der</strong> Grundabgaben schwerlich eingegangen.<br />
Eine Hufen-Steuer, repartirt auf das ganze Besitzthum eines<br />
!U6) Obgleich ich die Nichtigkeit <strong>der</strong> von Dr. Wigger aufgestellten<br />
Vermuthung bezweifle, so bin ich doch weit entfernt, sie als wi<strong>der</strong>legt<br />
anzusehen. Vielleicht ist die iu Absch. II enthaltene Zusammenstellung<br />
meiner Ermittelungen über das Ackermaß Hunt geeignet, als Grundlage<br />
für weitere Forschungen zu dienen nnd dadurch beizutragen zur<br />
Feststellung <strong>der</strong> ursprünglichen Bedeutung des räthselhasten Wortes<br />
Hundekorn. Deshalb sei mir gestattet, zu dem in Aosch, 1 enthaltenen<br />
Exkurse durch Absch. II einen ueuen hinzuzufügen.
Das Hundekorn. 425<br />
Abgabepflichtigen — gewöhnlich eine Nauerhufe — ist leicht<br />
erklärlich, nicht aber eine Abgabe von dein Hunt.<br />
Es tritt hiuzu, daß die Hnndekorn-Abgabe in Gegenden<br />
(wahrscheinlich sogar nnr in solchen Gegenden) vorkommt, für<br />
welche <strong>der</strong> Gebranch des Ackermaßcs Hnnt nicht nachgewiesen<br />
werden kann nnd daß wir das Ackermaß Hunt finden in<br />
Gegenden (wie<strong>der</strong>um wahrscheinlich nnr in solchen Gegenden),<br />
wo die Hnndet'orn-Abgabe unbekannt geblieben ist.<br />
So viel ich für die nenere Zeit durch vielfache Erknndignngen,<br />
für die ältere dnrch Prüfnng des mir zn Gebote<br />
stehenden urkundlichen nnd literarischen Materials zn ermitteln<br />
im Stande gewesen bin, kommt das Flächenmaß Hunt sowohl<br />
in älterer als in neuerer Zeit —- wenigstens in <strong>der</strong> Form<br />
Hnnt, Hnnd, Hundts — nnr in dem höchsten Norden<br />
Dentschlands vor und auch hier nnr in den Küstenlän<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Nordsee, namentlich in Oldenburg, den Herzogtümern Bremen<br />
nnd Verden nnd in Holstein; ^) ich glaube auch uicht, daß<br />
diese Flächenmaß-Bezeichnuug in südlicheren Gegenden jemals<br />
gebräuchlich gewcseu ist. ^") — In jenen Landschaften kommt<br />
aber Huudekoru nicht vor, insbeson<strong>der</strong>e nach meineu<br />
Ermittelungen nicht in Oldenburg uud auch uicht in den<br />
Küstenlän<strong>der</strong>n zwischen Elbe nnd Weser.<br />
Dagegen finden wir Hnnd e körn seit dem Anfang des<br />
13. Jahrhun<strong>der</strong>ts in Urkunden, welche den östlich, rechts <strong>der</strong><br />
Elbe belegcnen Theil des Erzbisthums Magdeburg betreffen,<br />
und im folgenden Jahrhun<strong>der</strong>te in Urkunden <strong>der</strong> Mar<br />
'") Ueber die Vorte Ilüä nnd Ilo^dt, welche auch Ackermaße bezeich-<br />
nen, vgl. unten Absch. II.<br />
^) So z. B. gehören alle Urkunden, welche in dem Versuch<br />
eines bremisch-nic<strong>der</strong>sächs. Wörterbuches nnd bei Schiller und Lnbben,<br />
Mittelnie<strong>der</strong>deutsch. Nörterb. als Beläge für die Ackcrmaßbezeichnnng<br />
Imut angezogen sind, diesen Län<strong>der</strong>n an.<br />
'^) Die Gründe, welche mich anßer dem Umstände, daß ich diese<br />
Maßbezeichnnng in keinem Sprachdenkmal einer südlicheren Gegend<br />
finde, zn dieser Annahme bewogen haben, liegen darin, daß das Hunt<br />
sich nnr in Marschen nnd einigen marschähnlichen Landstrichen nach-<br />
weisen läßt. Vcrgl. Absch, II.<br />
28"'
426 Das Hundekorn.<br />
Brandenburg, Meklenburgs und Vorpommerns. Das Acker-<br />
maß Hunt ist in diesen einst wendischen Gegenden niemals<br />
gebräuchlich gewesen.<br />
Dr. Wigger hat es wahrscheinlich zu machen gesucht, daß<br />
<strong>der</strong> Name tniiMorii aus dem Magdeburgischeu nach Meklen-<br />
bürg und Vorpommern eingeführt sei. In diesen Län<strong>der</strong>n ist<br />
das Ackermaß Hnnt nie bekannt gewesen. Ist Dr. Wigger's<br />
Annahme richtig, so leuchtet es schwer eiu, wie die Bezeichnung<br />
Hundekorn sich in Meklenburg nnd Vorpommern so schnell ein-<br />
gebürgert haben sollte, wenn man dabei an ein in diesen Ge-<br />
genden unbekanntes Flächenmaß zu denken gehabt hätte; denn<br />
<strong>der</strong> Name einer Abgabe, welcher von einer erst durch die An-<br />
schauung verständlich werdenden Maßbezeichnuug abgeleitet ist,<br />
wird sich kaum in Gegenden übertragen, in welchen jene An<<br />
schauung fehlt, wo also das Wort ohne faßlichen Inhalt bleibt.<br />
Wenn aber, wie ich hiernach anzunehmen geneigt bin, das<br />
Ackermaß Hnnt mit dein Hnndekorn in keinem Znsammenhange<br />
steht, woher ist dann <strong>der</strong> Name <strong>der</strong> Abgabe abzuleiteu?<br />
Da Knut o<strong>der</strong> Iiunä eine alte Form des Zahlwortes<br />
Hun<strong>der</strong>t ist, ^") so könnte man, analog dem Zehnten (ä^iina.),<br />
an einen Hun<strong>der</strong>tsten ^6ii^68Ìm^) denken. Ohne darauf weiter<br />
einzugehen, will ich nnr bemerken, daß für ciue solche Ablei-<br />
tung, außer <strong>der</strong> Aehnlichkeit (Gleichheit) des Stammwortes, alle<br />
Anhaltspunkte fehlen.<br />
'N) Grimm, Wörterd. Bd. 4. Abth. 2. Spalte 1919. Aber kommt<br />
diese Form des Zahlwortes ini Mittelnie<strong>der</strong>deutschen vor? Der<br />
Versuch des bremisch-nie<strong>der</strong>sächs. Nörterb. enthält nichts darüber;<br />
Schiller nnd Lübben, Mittelnie<strong>der</strong>deutsch. Wörterb. Vd. 2, S. 332,<br />
nehmen ohne weitere Begründung an, daß im Landmaße Imut das<br />
Zahlwort enthalten sei. Letzteres gerade bezweifle ich.<br />
Die von Di-. Pyl (40. Jahresbericht <strong>der</strong> Rüg.-Pomm. Abthei'<br />
lnng <strong>der</strong> Gesch.-Ges. S. 77) aufgestellte Vermnthnng, daß das Wort<br />
Hnndekorn daher kommen möge, daß die „Hundskornbede" die Sommer '<br />
bede sei, welche von den Hnnd sta gen ihren Namen erhalten habe, wird<br />
dnrch die thatsächlichen Verhältnisse nicht bestätigt. Die „Sommerbede"<br />
wurde zu Walpnrgis entrichtet — nnd, soweit ich habe ermitteln können,<br />
ist das hnndekorn niemals in den Hundstagen fällig, son<strong>der</strong>n entwe<strong>der</strong><br />
ebenfalls im Frühjahr o<strong>der</strong> im Herbst.
Das Hundekorn. 427<br />
Eine an<strong>der</strong>e Ableituug hat sich mir aufgedrängt, welche<br />
ich für die wahrscheinlichste halte.<br />
Hnnt, Hund, Hunne, Hnn, Honne (denn alle diese<br />
Formen kommen vor; altdeutsch: hunno) ist nach <strong>der</strong> deutschen<br />
(insbeson<strong>der</strong>e fränkischen) Gauverfassuug des Mittelalters <strong>der</strong><br />
Name des Vorstehers <strong>der</strong> Hundschaft (Hun<strong>der</strong>tschaft). In<br />
lateinischen Urkunden wird er O6ntoua.i'in8, vio^i'iu8, auch Wohl<br />
^uäox geuannt. In <strong>der</strong> nachsrä'nkischcn Zeit erscheint <strong>der</strong><br />
Hnnne als grundherrlicher Vogt. In noch späterer Zeit sinkt<br />
das Amt noch tiefer nnd wird mit dem des Schultheißen und<br />
villico identifieirt; ^) znletzt wird sogar nur noch <strong>der</strong> Gemeindediencr<br />
eines Dorfes mit dem Worte Hunne bezeichnet,<br />
nnd in dieser Vcdeutuug soll das letztere noch jetzt in einigen<br />
Gegenden am Nie<strong>der</strong>rhein nnd in Westphalcn im Gebrauche<br />
sein.<br />
Der Centenar o<strong>der</strong> Hnnne hat nach <strong>der</strong> fränkischen Verfassnng<br />
die Verpflichtung, für Beitreibung <strong>der</strong> für den König<br />
zu entrichtenden Steuern zu forgen. Als grundherrlicher Beamter<br />
(Vogt) mnß er die gruudherrlichen Zinsen uud an<strong>der</strong>e Einkünfte<br />
erheben, darunter auch die für gewährte Schirmvogtei und<br />
für die Rechtspflege zu entrichtenden Abgaben. Für diefe an<br />
den Hunnen zn entrichtenden Steuern, welche von Anfang an<br />
auch zum Zwecke feiner eigenen Susteutation gedient haben<br />
mögen, wurden in Deutschland die Namen: lionnoliLiioi',<br />
Iiuntlioii^i') wahrscheinlich — wenngleich ich deutsche Urkunden<br />
dafür augenblicklich nicht nachweisen kann — auch<br />
''") Es wurde hier nicht am Orte sein, auf die rcchtshistorischeu<br />
Details uud Streitfragen einzugehen, welche das Amt des Ceuteuars<br />
uud die verfchiedeueu Bezeichnungen des Trägers dicfes Amtes betreffen.<br />
Es mag die Bemerkung genügen, daß <strong>der</strong> Centenar früher allgemein<br />
mit dein vio«(;
428 Das Hundekorn.<br />
gebräuchlich."^) Die in alten englischen Ur-<br />
kunden vorkommenden Bezeichnungen: lionä^m^, Iiun
Das .Hundekorn. 429<br />
Auffallend ist es zwar, daß sich keine unverdächtige Urkunde<br />
^) ans denjenigen Landschaften, in welchen die alte<br />
Gauverfassnng in Kraft gewesen ist, nachweisen läßt, die eine<br />
an den Hunnen Zu entrichtende Getreide-Abgabe, insbeson<strong>der</strong>e<br />
1in,iitlv oi'ii erwähnte. Aber daß dort Natural-Abgaben<br />
an den Hunnen auch vorkamen, geht aus Urkunden des 14.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts hervor, welche als solche Abgabe den Hnndswein<br />
(llnnt^>vin, Iluiiiouin vinnm) erwähnen, welcher in den Erzbisthümcrn<br />
Trier und Cöln zu entrichte:: war. ^) — Die meines<br />
Wissens zwei ältesten Urkunden, welche das Wort Iimitkoi'n<br />
enthalten, sind Magdeburgischc; sie datircu beide aus dem Jahre<br />
1211; die eine ist genau cineu Mouat älter als die an<strong>der</strong>e.<br />
Die ältere, vom 16. Juli 1211, betrifft eiucn Vergleich,<br />
nach welchem dein Kloster Berge „docimg. ot Im littorii in<br />
?6Q0k68t.k0i-i)" (Pfcnnigsdorf) zufällt. ^6) — Die zweite,<br />
vom 16. August 1211 ist die bereits vou I)r. Wigger angezogene,<br />
nach welcher Gebhard von Arnstcin die Schirmvogtei<br />
des Klosters Leitzkan übernimmt. '")<br />
Gegend des Neckar kamen. Vergl. Lappenberg, Gesch. von England.<br />
Vd. 1 S. 82 st. X^mi.I^, 'Illo 8ux0U8 in NnFiaud. L. I 0d. 1.<br />
'") Die bei Grimm, Weisthümer Vd. 4 S. 480 ff. mitgetheilte<br />
Urkunde kann nicht in Betracht kommen; we<strong>der</strong> ist ihr Alter bekannt,<br />
noch liegt sie in <strong>der</strong> ursprünglichen Fassung vor. — Dr. Pyl, a. a. O.<br />
S. 76 referirt, daß Dr. Frommann ihm nutgetheilt habe, daß <strong>der</strong><br />
Ausdruck „Huudekorn" in oberdeutschen Schriften sehr selten vor-<br />
komme; ich habe ihn in oberdeutschen Urkunden und Schriften über-<br />
haupt nicht ermitteln können.<br />
^) Lacomblet, Archiv für die Geschichte des Nie<strong>der</strong>rheins<br />
Bd. 1 S. 233 st.<br />
'^) Urkundeuduch des Klosters Berge bei Magdeburg, bearbeitet<br />
vou Dr. Holstein (Halle I87i)) S. 44.<br />
"7) Riedels x mpIomM^us Nrliua(mdurF6ULÌ3. Thl. 1,<br />
Vd. 10, S. 80. Den Inhalt dieser charakteristischen Urkuude, welche<br />
wir uns hier iu das Gedächtniß zurückrufen müssen, will ich etwas<br />
vollständiger mittheilen, als es in Dr, Wigger's Gutachten geschehen<br />
ist. Gebhard vou Arnsteiu sagt vou deu Kauouikeru des Klosters<br />
Leitzkaui „(juo^ ^ ,
430 Das Hundekorn.<br />
Wir müssen darauf anfmerksam machen, daß sowohl das<br />
Kloster Leitzkan als Pfennigsdorf in dem am rechten Ufer <strong>der</strong><br />
Elbe befindlichen Theile des Erzbisthums Magdeburg liegen,<br />
in dein wendischen Gan Morzane, ^) welchem im 12. Iahrhnn<strong>der</strong>t<br />
durch Erzbischof Wichmann eine sehr starke, vom Nie<strong>der</strong>rhein,<br />
aus Holland, überhaupt aus den deutschen Gauen des<br />
alten fränkischen Reiches kommende Einwan<strong>der</strong>ung zilgeführt wurde<br />
— und daß in dem westlichen, links <strong>der</strong> Elbe belogenen Theile des<br />
VoFtponui^o vidolioot VII tl^outll «um VII 80U6Ì8 od<br />
l'rumontum (juoä clioitur l l ,i utk oru 8oilioot XXI onoi-()8 oum X<br />
M0(Ui^ litriu8cjuo trumouti orcloi ot liuono ild oxpon8<br />
Z) 01 ti N0Ilt08 lilllluo tompoi'0 milli 0t Il0!'o6ibu8 M6I8<br />
8uoooö80ridu8 ciliro äodorout 8ud
Das Hundekorn. 431<br />
Erzbisthums, welcher von Germanen bewohnt war nnd welcher<br />
von <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ung nicht o<strong>der</strong> nnr in sehr geringem Umfange<br />
betroffen wnrde, Hundckorn sich nirgends findet. —<br />
Hiernach liegt die Vermuthung nahe, daß die deutschen Kolonisten<br />
das Wort Iiuntkoi'n, welches bald nach <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>nng<br />
plötzlich in dem bisherigen Wcndenlande auftaucht, eingeführt<br />
und es entwe<strong>der</strong> ans eine neue Abgabe, welche sie an<br />
gleichartige o<strong>der</strong> ähnliche Leistungen in ihrer früheren Heimath<br />
erinnerte, angewendet o<strong>der</strong> es anf eine analoge, im Wendenlande<br />
bereits bekannte Abgabe, nnter Abwcifung <strong>der</strong> slavischen<br />
Bezeichnung, übertragen haben. ^) Selbst wenn die Einwan<strong>der</strong>er<br />
das Wort Iiunt^orn in ihrer früheren Heimath nicht<br />
gebraucht, son<strong>der</strong>n nnr 1^untli«1l6i', Koiin6ii6i1oi', Iiunt^v/in<br />
gekannt haben sollten, so lag es für sie doch sehr nahe, daß<br />
sie für eiue Getreideabgabe das Wort Iiuntkorn bildeten.<br />
Die Natural-Abgabc an Stelle <strong>der</strong> in <strong>der</strong> früheren Heimath<br />
<strong>der</strong> Kolonisten wohl häufigeren Geldabgabe ilniiMolioi') erklärt<br />
sich aus deu wirthschaftlich weniger entwickelten Verhältnissen<br />
des Wendenlandes o<strong>der</strong> daraus, daß die Abgabe unter eiuen<br />
an<strong>der</strong>n (wendischen) Namen als Getreide-Abgabe bereits bestand.<br />
Der Einfnhruug des Wortes Iiuntkoi'n wird es gewiß nicht<br />
eutgegeugcstaudeu haben, daß die Kolonisten in <strong>der</strong> neuen Heimath<br />
einen Huut o<strong>der</strong> Hunnen nicht vorfaudeu. Man braucht<br />
sich nicht zu <strong>der</strong> gewagten Conjeetur zu versteigen, daß die<br />
'^) Ist vielleicht das wendische vvonxop zum jnmtkcn'ii nmgetanft<br />
worden? Auffallend ist es, daß die wendische Abgabe ^vc^/x^,, welche<br />
im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t in dein östlichen Theile des Erzbisthmns Magde-<br />
burg noch so häufig ist, daß Erzbischof Wichmann diese anscheinend<br />
anch in mehrerlei Getreide zn entrichtende Leistung in einer Urknnde<br />
von 1164 bezeichnet als „i6, (juoä mor« totius ti'll.u8u1diu« i)>'0-<br />
VÌNCÌ6 >V055/OP nolnllmtn!'", im folgenden Jahrhun<strong>der</strong>t zn verschwinden<br />
beginnt, zn <strong>der</strong>selben Zeit, wo zuerst das IiuiMoi-n anstritt. Vergl.<br />
Urknndenbuch des Klosters Uns. Lieb. Frauen zn Magdeburg, be-<br />
arbeitet von Or. Hertel. (Halle 1878) S. 34, l3. Dazn Winter<br />
a. a. O. S. 232: „Bei den deutschen Kolonisten trat an die Stelle<br />
des Wozzops eine bestimmt für jede Hufe festgesetzte Getreidelieferuug<br />
an den Landesherrn. ^
Das Hundekorn.<br />
eingewan<strong>der</strong>ten Deutschen den mit <strong>der</strong> Abgabenerhcbung beauftragten<br />
Beamten des Wendenlandes mit dein in ihrer früheren<br />
Hcimath gebräuchlichen Namen bezeichnet hätten; denn im 12.<br />
Iahrhnn<strong>der</strong>t war anch in <strong>der</strong> alten Heimath das Hnntamt be^<br />
reits in Verfall gerathen nnd wahrscheinlich anch dort vielfach,<br />
wenn auch noch nicht bei den Gelehrten, doch im Volke, <strong>der</strong><br />
Znsammenhang des Namens <strong>der</strong> Abgabe mit dem alten Amte<br />
des Centenars, Vogts, Schnltheißen schon vergessen. Die Uebertragung<br />
des Namens auf eine sonst aualoge, vielleicht mit<br />
einem Worte <strong>der</strong> verachteten Wendensprache bezeichnete Abgabe<br />
erklärt sich, ohne daß dabei an das Amt des Hnnnen gedacht<br />
sein branchie, aus <strong>der</strong> Aehnlichkeit <strong>der</strong> übrigen Verhältnisse.<br />
Daß aber diese Verhältnisse, namentlich die Zwecke, für<br />
welche die Abgabe entrichtet wurde, sehr ähnliche waren, wie<br />
diejenigen, für welche iu deu deutschen Gauen Beisteuern dnrch<br />
den Huunen erhoben wnrden — das erkennen wir deutlich aus<br />
jeuer das Kloster Leitzkau betreffenden Urkunde, auf welche<br />
aufmerksam gemacht zn haben des Verdienst Di-. Wigger's<br />
ist. Die alte Hun<strong>der</strong>tschaft war vor Allem ein Verband zum<br />
Zwecke staatlichen Schutzes uud <strong>der</strong> Gerichtspflege; <strong>der</strong> Hunt<br />
war vor Allem Beamter des Grafen für die Erreichung dieser<br />
Zwecke. Dazu wurden die an den ersteren zn entrichtenden<br />
Steuern vorzugsweise erhoben. In dem Zwecke dieser Abgaben<br />
wurde nichts Wesentliches geän<strong>der</strong>t, als <strong>der</strong> Hunne zum grundherrlichen<br />
Vogt geworden war. Für gleiche Zwecke wurde das<br />
Iiuntkoi-n in <strong>der</strong> „transalbinischen Provinz" des Erzbisthums<br />
Magöeöurg gegeben: )Fi'0 cic/6^8i'ou6 st Mcii'cio" „^ci sx-<br />
1)6N8^8 Mdic:Ì8 ^ei'tinoQZ". ^") Bemerkenswert!) ist es auch<br />
— worauf schon I)r. Wiggcr hingewiesen hat, — daß man<br />
'-^) In wie weit <strong>der</strong> in <strong>der</strong> magdeburgischen Urkunde genannte<br />
^'aclsx dem grundherrlichen Hnnnen <strong>der</strong> westlichen Ganen, namentlich<br />
des Nie<strong>der</strong>rheins, entsprach, kann füglich dahin gestellt bleiben. Auch<br />
wird es nicht in das Gewicht fallen, daß in jener Urknnde von einem<br />
Klostervogte die Rede ist; denn wenn anch die Klostervögte eine<br />
beson<strong>der</strong>e Stellung hatten, so war dieselbe doch insofern von <strong>der</strong>jenigen<br />
an<strong>der</strong>er Vögte nicht verschieden, als anch sie die vogteilichen<br />
Abgaben einzogen.
Das tzundekorn, 433<br />
bei <strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong> das Kloster Leitzkan betreffenden Urkunde<br />
im Jahre 12 N das Imntkoi'ii noch nicht mit ii-nni6ntum<br />
CHNHU1, ^nilon^ ciininH o<strong>der</strong> einem ähnlichen lateinischen<br />
Ausdrucke bezeichnete, wie es in <strong>der</strong> späteren Zeit, schon im<br />
Mittelalter, allgemein gebräuchlich wurde. Die bei <strong>der</strong> Ausstellung<br />
<strong>der</strong> Urkunde, theils als Vertragsparteien, theils als<br />
Zeugeu anwesenden Personen waren — wie die Urkuude ergiebt<br />
— zum großen Theile Cleriker, also Gelehrte, welchen wahrscheinlich<br />
noch bekannt war, daß das Iiuntkoi'n in keinem Zusammenhange<br />
stand mit dem 0HNÌ8. Aber die vorsichtig deklarirenden<br />
Zusätze — namentlich: „pro cl6l0ii8ioiio 6t^udioio"<br />
und ,,g>ä 6X^01189.8 ÌU(IÌ0Ì8 ^01^11161^68" lassen erkennen, daß<br />
die bloße Bezeichnung <strong>der</strong> Abgabe als „kuntkorn" im Magdeburgischen<br />
nicht allgemein verständlich war. — Daraus, daß<br />
man im späteren Mittelalter bei dem Worte Knut, kund,<br />
Iiuii nur noch an den vierfüßigen Freund des Jägers zu<br />
denken Pflegte, erklärt es sich denn auch, daß das Wort<br />
in späteren lateinischen Urkunden naiv mit<br />
lmnona 05unii^ übersetzt wurde und dadurch jeuer<br />
Gedanke zum Ausdruck tam. Der Gedanke selbst aber beruhte<br />
sicher auf einem Mißverständnisse. ^) Aus jenen latei-<br />
A)l) Solche auf Mißverständnissen beruhende Uebersetzungen sind<br />
in alter und neuer Zeit nicht selten.<br />
Ergötzlich ist es zu scheu, was man dem armen Hunnen<br />
angedichtet hat, als mau die richtige Ableitung seines Namens<br />
vergessen hatte. Die Beschreibung eines Hungerichtes, welche Se-<br />
bastian Bnrggrav. ein Bürger von Speier, im Jahre 1594 ver-<br />
saßt hat, enthält solgcnde Stellei „In solchem Gericht sitzen 2!<br />
Schöpfen, haben eine Person im Gericht, den man den Hun nennt.<br />
Solcher (welchen ich auch gesehen und mir solches erzehlt hat) wohnt<br />
jetzun<strong>der</strong> zne Weitersheim, gebeut den 31 Schöpfen, wenn man Einen<br />
hinrichten will, zuesam. Solcher Hun, wenn man den Uebelthäter<br />
hinrichten will, mueß dreimal wie ein Hundt auß dem Us-<br />
ui eil er Heckcheu bellen, wenn mau den Armen zum Galgen<br />
führt." Grimm, Weisthümer Bd. 1 S. 796, bemerkt hierzu: „Die<br />
Wcisthümcr <strong>der</strong>selben Gegend haben keine Spur solcher Bestimmungen."<br />
Sehr begreiflich! Der würdige Speierer, welcher den alten Hun, dessen<br />
Name ihm nicht mehr verständlich war, zum Bello degradirt, hat
434 Das.Hundekorn.<br />
nischen, freilich weit verbreiteten Ausdrucken kann für den ursprünglichen<br />
Zusammenhang des Wortes Huudekorn mit jenem<br />
Iagdthiere nichts hergeleitet werden.<br />
Wie die Vezcichnnng Huntkorn, welche im Anfange des<br />
14. Jahrhun<strong>der</strong>ts in Mcklenburg und einige Dceennien später in<br />
Vorpommern zuerst vorkommt, nach diesen Län<strong>der</strong>n übertragen ist,<br />
wird sich zwar mit Sicherheit schwerlich feststellen lassen; aber<br />
die Vermuthung Dr. Wigger's, daß <strong>der</strong> Magdeburgische Domherr<br />
Güuther v. Werle <strong>der</strong> Vermittler gewesen sei, will mir nicht einleuchten.<br />
Es ist mir unwahrscheinlich, daß <strong>der</strong> bisher in den wendischen<br />
Län<strong>der</strong>n an <strong>der</strong> Ostsee unbekannte Ausdruck durch einen einzelnen<br />
Mann importirt und, ohne daß wir dafür eine Erklärung<br />
hätten, sofort eingebürgert nnd so weit verbreitet sein sollte,<br />
wie es nach den vorliegenden Urkunden in demselben uud dem<br />
folgenden Jahrhun<strong>der</strong>t geschehen ist. Die Annahme scheint<br />
mir natürlicher, daß anch nach Meklenbnrg und Vorpommern<br />
die Bezeichnung einer Getreide-Abgabe als Huntkorn — ebenso<br />
wie nach dem Magdebnrgischen Gau Morzane — dnrch deutsche<br />
Einwan<strong>der</strong>er eingeführt und unter den Kolonisten auch dieser<br />
ehemaligen Wendenlän<strong>der</strong> bald verbreitet und gebräuchlich geworden<br />
ist. Dazu gehört freilich <strong>der</strong> Nachweis, daß die deutschen<br />
Kolonisten dieser Län<strong>der</strong> aus Gegenden gekommen sind,<br />
in welchen <strong>der</strong> Huune o<strong>der</strong>, wenn auch dieser nicht mehr, doch<br />
Huntkorn o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Abgaben, welche nach dem Huuueu benannt<br />
waren, wie Huutheller o<strong>der</strong> Hnndswein, bekannt waren.<br />
Die deutsche Einwan<strong>der</strong>nng insbeson<strong>der</strong>e nach Pommern<br />
hat erst im 13. Iahrhuu<strong>der</strong>t eiuen größeren Umfang gewonnen,<br />
nachdem die wendischen Bewohner dieser Gegenden im 13.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t znm Christenthnm bekehrt waren. In welcher<br />
Anzahl die Kolonisten ans den verschiedenen deutscheu Land'<br />
schaften kamen, läßt sich nicht mit einiger Sicherheit feststellen:<br />
aber wir haben Nachrichten, daß ein nicht unerheblicher Theil<br />
<strong>der</strong> Kolonisten aus Franken, vom Nie<strong>der</strong>rhein uud aus den<br />
sächsischeu Landschaften an <strong>der</strong> mittleren Elbe gekommen ist. —<br />
sich von dem Spaßvogel, <strong>der</strong> ihm „solches erzehlt hat", etwas aufbinden<br />
lassen!
Das Hundekorn. 435<br />
Ob die Sachsen, welche in Folge <strong>der</strong> Kriege Heinrichs des<br />
Löwen uud <strong>der</strong> dadurch hervorgerufenen Verwüstung ihrer heimathlichen<br />
Län<strong>der</strong> nach den Gestaden an <strong>der</strong> Ostsee zogen, wo<br />
sie von den Pommern-Herzögen mit offenen Armen aufgenommen<br />
wnrden, den neueu Namen Huntkorn nach den Wendenlän<strong>der</strong>n<br />
gebracht haben, mag dahm gestellt bleiben; ich bezweifle<br />
es, weil in Nicdcrsachsen an <strong>der</strong> mittleren und unteren<br />
Elbe, so viel wir wissen, <strong>der</strong> Centcnar, die Hun<strong>der</strong>tschaften, also anch<br />
wohl Abgaben, welche nach dem Huuucn benannt waren, nicht cxistirt<br />
haben mögen. Aber auch die Sachsen werden sehr geneigt gewesen<br />
sein, deutsche Bezeichnungen sich anzueignen, welche von an<strong>der</strong>n<br />
deutschen Stämmen eingeführt waren, die uuu mit ihnen vermischt<br />
die germanischen Kolomeen in den Wendenländcrn bewohnten.<br />
Die Einwan<strong>der</strong>er ans Franken und vom Nie<strong>der</strong>rhcin aber<br />
lamcn aus Län<strong>der</strong>n, in welchen <strong>der</strong> Huuue die Abgaben früher<br />
erhoben hatte o<strong>der</strong> (am Nie<strong>der</strong>rhcin) zur Zeit <strong>der</strong> Kolonisation<br />
Pommerns noch erhob.<br />
Der Apostel <strong>der</strong> Pommern war <strong>der</strong> Bischof Otto von<br />
Bamberg. Wir wissen, daß er bei seinen zwei Bekehrnngsreisen<br />
nach Pommern mit nicht unbedeutendem Gefolge kam und daß<br />
durch seinen Einfluß deutsche Ausiedelungen in Pommern angelegt<br />
wurden. Mögen die letzteren zunächst auch vorwiegend<br />
von Klerikern bewohnt gewesen sein, so zogen doch diese später<br />
an<strong>der</strong>e Kolonisten in das Land; jedenfalls bildeten die Franken<br />
in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Germanisirnng Pommerns einen nicht unerheblichen<br />
Theil <strong>der</strong> Kolonisten.<br />
Noch wichtiger für uns ist die Einwan<strong>der</strong>ung vom Nie<strong>der</strong>rhcin.<br />
In den nie<strong>der</strong>rhcinischcn Län<strong>der</strong>n war, wie nur aus<br />
den erhaltenen Urkunden bestimmt wissen, "^) zur Zeit <strong>der</strong><br />
deutscheu Einwan<strong>der</strong>ung nach Pommern <strong>der</strong> Hun noch eine bekannte<br />
Persönlichkeit; am Niedcrrhein wurde noch damals von<br />
ihnen Huntheller und Huudswein erhoben. Die Einwan<strong>der</strong>uug<br />
vom Nie<strong>der</strong>rhcin ging aber, wie wir ebenfalls wissen, vorzugs-<br />
^-) Vergl. oben Amn. l9^.
436 Das hundekorn.<br />
weise nach Vorpommern, uud ein großer Theil <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>er<br />
muß sich gerade da angesiedelt haben, wo die Hundekorn-<br />
Abgabe — wie wir ans Di'. Klemftins Forschungen erfahren<br />
haben — wohl am häufigsten war, im Lande Barth.<br />
Denn dort errichteten Cistercienser-Mönchc vom Nie<strong>der</strong>rhcin<br />
das Kloster Rosengarten (^08otnin), dessen ursprünglicher<br />
Name bald in Vergessenheit gerieth, weil seine Bewohner in<br />
treuer Anhänglichkeit an das Mutter-Kloster Kamp (bei Gel<strong>der</strong>u<br />
im Erzbisthnm Köln) den Namen Neuen-Kamp vorzogen. ^)<br />
Herzog Wizlaw 1. erklärte in <strong>der</strong> im Jahre 1231 vollzogenen<br />
Stiftungsurkunde: „vedimi (^o^no pi-oiatiZ lra.ti-ibii8<br />
063.MÌ ad 86 0d colloo^näi udionn^uo V0-<br />
P088688Ì0Q6 prkl^tk 6^oi6816 CUM80UUciU6 A0NtÌ8<br />
ot cu^u8^un(^u6 ^^18 lioniin03". Die frommen Brü<strong>der</strong><br />
werden nicht verfehlt haben, in Folge dieser Ermächtigung<br />
Landsleute vom Nie<strong>der</strong>rhein herbei zu rufeu. ^) — Wir sindeu<br />
also nie<strong>der</strong>rheinische Ansiedelungen „im Landt zn Bart" ;^^)<br />
'^") Das Kloster Neuen-Kamp stand an <strong>der</strong> Stelle <strong>der</strong> heutigen<br />
Stadt Franzburg. Die Stadtkirche, jetzt ein thnrmartiges Gebäude,<br />
dessen Länge zn seiner Höhe in keinem Verhältnisse steht, ist ein kleiner<br />
Rest <strong>der</strong> ehemaligen Klosterkirche. Dieselbe ist neuerlich restanrirt und<br />
bei dieser Gelegenheit hat man die Fundamente des zerstörten groß-<br />
artigen Gebändes ermittelt. Vergl. die Mittheilung von Di-. Pyl in<br />
dem 40. Jahresberichte <strong>der</strong> Rüg.-Pomm. Abtheilung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
für Pomm. Geschichte. Greisswald 1879. S. 57.<br />
264) Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Geistlichen viel zurHerbei-<br />
ziehnng deutscher Kolonisten in die Weudenlän<strong>der</strong> beigetragen haben.<br />
Sie sind dabei sogar anf Mittel verfallen, mit denen sie hent zn Tage<br />
kaum vor dem §. 144 des deutschen Strafgesetzbuches (Verleitung zur<br />
Auswan<strong>der</strong>ung) bestehen würden. Der größte Schwärmer für seine<br />
Pommersche Heimath wird doch kaum bestreiten können, daß eine<br />
„Vorspiegelung falscher Thatsachen", eine „unbegründete Angabe"<br />
o<strong>der</strong> ein „auf Täuschung berechnetes Mittel" darin lag, wenn die<br />
frommen Brü<strong>der</strong> von Pommern rühmten: ,,8i vitein 6t oloam «t<br />
Loum kiidoret, tsri-aiu putn.i'68 638« lopi-onnsLiomg." Varthold,<br />
Gesch. von Rügen und Pommern, Vd. 1 S. 482 Anm. 1.<br />
205) So bezeichnet Kantzow in seiner Chrouik (Ausgabe von Kose«<br />
garten Vd. 1 S. 232) den Ort, wo „das herrliche Abtkloster znm<br />
Campe" liegt.
Das Hundekorn.<br />
— am Nie<strong>der</strong>rhcin sind Honnehellcr und Hundswein noch znr<br />
Zeit dieser Ansiedelungen gebräuchlich und diese Abgaben sind<br />
dort, wie nicht bezweifelt werden kann und nie bezweifelt ist,<br />
so genannt, weil sie an den Hunnen entrichtet wurden; — im<br />
Lande Barth vorzugsweise finden wir später die Hundekorn-<br />
Abgabe! Man wird nicht in Abrede stellen können, daß hierin<br />
mindestens ein starkes Indici um dafür enthalten ist, daß in<br />
dem dunkeln Worte Hundckorn <strong>der</strong> alte Hunne verborgen liegt. ^)<br />
Dazu kommt noch <strong>der</strong> höchst bemerkenswerthe Umstand,<br />
daß nach Dr. Klcmpins Forschungen das Hundekorn fast ausschließlich<br />
nur in Ortschaften vorkommt, welche entwe<strong>der</strong> deutschen<br />
Ursprungs (die Hagen^Dörfer) o<strong>der</strong> nachweislich sehr<br />
früh germanisirt sind. ^) Dies deutet wenigstens auf den<br />
deutscheu Ursprung auch <strong>der</strong> Abgabe hin, welche in einem fest<br />
bestimmten Maße von den in den ersten Zeiten nach <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ung<br />
sehr begünstigten deutschen Kolouisten gefor<strong>der</strong>t<br />
wurde, während den Wenden nach alter slavischer Gewohnheit<br />
an<strong>der</strong>e und drücken<strong>der</strong>e Lasten aufgebürdet fein mögen.<br />
Hiernach ist es nur höchst wahrscheinlich, daß die Bezeichnung<br />
Hundckorn in Vorpommern (lind in Meklenburg) in ganz<br />
gleicher Weise gebräuchlich geworden ist wie in dem wendischen<br />
Gau Morzanc an <strong>der</strong> Elbe, nachdem sie zuerst unter den<br />
deutschen Kolonisten aufgekommen o<strong>der</strong> von ihnen in die Wendenlän<strong>der</strong><br />
eingeführt war.<br />
Ist dies aber richtig, so bleibt mir über die Ableitung<br />
des Wortes kaum ein Zweifel.<br />
Nach den Rcfultaten <strong>der</strong> Forschungen Dr. Klempins und<br />
Dr. Wiggers scheint die Annahme gerechtfertigt, daß <strong>der</strong> Name<br />
266) Es soll keineswegs behauptet werden, daß alle Getreideab-<br />
gaben im Laude Barth, welche dort als Hundekoru bezeichnet sind,<br />
schon ursprünglich von den deutschen Kolouisten vorgefunden uud so<br />
genannt wurden; ich folgere aus <strong>der</strong> weiten Verbreitung, welche <strong>der</strong><br />
Name dort gefuudcu hat, nur, daß <strong>der</strong> Name den Bewohnern jener<br />
Landschaft von Alters her geläufig gewesen sein muß.<br />
A") Die betreffende Bemerkung Dl-. Klempins wird dnrch das-<br />
jenige, was Dr. Wiggcr in Abschu. VIll seines Gutachtens über die<br />
Verbreitung des huudckorus anführt, eher bestätigt als wi<strong>der</strong>legt.
438 Das tzundekorn.<br />
Hnndekorn von <strong>der</strong> zunächst damit bezeichneten bald übertragen<br />
ist ans an<strong>der</strong>e Abgaben, welche eine gleiche Verwendung fanden<br />
wie das Hundekorn. — Letzteres, seiner ursprünglichen Bedeutung<br />
nach in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Germanisirung Pommerns, wo <strong>der</strong> Hunne<br />
schon zum grundherrlichen Vogt geworden war, eine Abgabe<br />
für gewährte Schirmvogtei, wurde dem Fürsten als dem Schirmvogt<br />
<strong>der</strong> Kolonisten ad 6xp6ii83.8 (I1102.I68 P6i-t.in6ii8 entrichtet.<br />
Als später em Theil <strong>der</strong> Kornbede zur Unterhaltung <strong>der</strong> fürstlichen<br />
Hofwirthschast verwendet wurde, war es nicht zu verwun<strong>der</strong>n,<br />
daß man auch diesen Theil <strong>der</strong> Kornbcde mit dem<br />
Namen Hundekorn belegte.<br />
Ich bin weit entfernt von dem Glauben, durch die vorstehenden<br />
Ausführungen die Etymologie des Wortes Hundekorn<br />
festgestellt zu haben. Zwar zweifle ich nicht, daß fich für<br />
meine Annahme noch mehr urkundliches Material beibringen<br />
lassen wird; ^) ^h^ ^ würde kaum weniger befriedigt fein,<br />
wenn kundige Forscher meine Conjeetur wi<strong>der</strong>legten, als wenn<br />
sie dieselbe durch neue Grüude bestätigten. Es genügt mir,<br />
die Frage angeregt zu haben; ihre sichere Beantwortung, wenn<br />
sie überhaupt möglich ist, wird nur uach sorgfältiger Auffuchuug<br />
und Prüfung des gewiß noch vorhandenen, für die Beantwortung<br />
zu verwendenden urkundlichen Materials erfolgen können.<br />
'^) Ob <strong>der</strong> Hun nicht noch in an<strong>der</strong>en Worten enthalten ist, mit<br />
welchen Abgaben bezeichnet worden, ist eine m. E. nicht ganz von <strong>der</strong><br />
Hand zn weisende Frage. Ein solches Wort ist z. B. Huhnschatz «<br />
hnhn. Dasselbe ist bisher nicht erklärt. Lüntzel, die bäuerlichen<br />
Lasten im Fürstenthnm Hildesheim (Hildesheim 1330) S. 204 sagt<br />
darüber: „Hnhnschatzhühner kommen in Malerten vor. Es giebt dort<br />
ein Hos drei Hnhnschatzhühner und vier Hlihner. Der Namen deutet<br />
auf eiue Steuer, obgleich es nicht wahrscheinlich ist, daß eine Schätzung<br />
jemals uach Hühneru veranlagt wäre; dazu kommt auch <strong>der</strong> Namen<br />
zn vereinzelt vor." Malerten liegt im alten Bisthum Hildesheim, im<br />
heutigen Amte Gronau. Sollte vielleicht, <strong>der</strong> Ableitung uach. richtiger<br />
zu schreiben sein: Hnnschatzhnhn? Das „Rauchhuhn" kommt in Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
als gerichtsherrliche Abgabe vielfach vor. Vergl. anch Grimm,<br />
Nechtsalterthümer S. 374 ff. Stobbe, deutsches Privatrecht, Bd. ^<br />
S. 486 Anm. 30.
Das Hundekorn. 439<br />
Zu solchen weiteren Forschungen fehlen nur Zeit und Gelegenheit.<br />
II ^)<br />
Es kann nicht bezweifelt werden, das; das Wort Hunt<br />
(Hund, Hundt) auch ein Flächenmaß bezeichnet. Aber we<strong>der</strong><br />
ist die geographische Verbreitung des Wortes bisher festgestellt,<br />
noch ist <strong>der</strong> Umfang (Inhalt) <strong>der</strong> dannt bezeichneten Fläche<br />
überall <strong>der</strong>selbe, noch ist die Ableitung des Wortes klar.<br />
Die geographische Verbreitung <strong>der</strong> Ackermaßbezei<br />
ch uuug Huut betreffend, wollen wir zunächst von <strong>der</strong><br />
Frage abseheu, ob die in Hollaud uud Westphaleu vorkommeudeu<br />
Flächenbezeichnnngen Ilocdt, II()t, Hüt dasselbe Wort wie<br />
Hunt in an<strong>der</strong>er Form enthalten. -— Dies vorausgeschickt,<br />
glaube ich annehmen zu dürseu, daß in Demschland die Ackermaß-Bezeichnnng<br />
Huut nur in Oldenburg, iu Hannover, iu<br />
dem Gebiete <strong>der</strong> freien uud Haufestadt Bremen uud iu Holstein<br />
vorkommt uud zwar nur iu deu Marschen au <strong>der</strong> Elbe<br />
u u d W e f er uu d (bei Bremen) iu deu Tief- uud M o o r -<br />
läu<strong>der</strong>eien, welche deu 3)iarschen insofern ähnlich sind,<br />
als auch sie <strong>der</strong> Weser und kleinen Nebenflüssen <strong>der</strong>selben durch<br />
Eindeichung abgewonnen wurdeu uud in ähnlicher Weise mit<br />
2N) Ein großer Theil des Inhalts dieses Abschnittes bericht ans<br />
Mittheilungen, welche ich ans ineine Erkundigungen erhalten habe.<br />
Ich kann nicht unterlassen, allen denen hier meinen Dank zn sagen,<br />
welche mir freundlichst Ansknnft ertheilt haben, insbeson<strong>der</strong>e Herrn<br />
Bibliothekar Dr. A. Liibben in Oldenburg und einem lieben Frennde<br />
in Celle, welcher, in Stade geboren nnd erzogen, längere Zeit als<br />
Beamter im alten Laiide angestellt war, Land nnd Lente <strong>der</strong> Elb-<br />
marschcn genan kennt nnd in <strong>der</strong> Geschichte wie in <strong>der</strong> Sprache<br />
Nie<strong>der</strong>sachsens wohl bewan<strong>der</strong>t ist. Der letztere hat mich auch ans<br />
die Konjektnr hingeführt, welche ich am Ende dieses Abschnitts auf-<br />
gestellt habe nnd welche ich deshalb nicht als mein alleiniges Eigen-<br />
thum in Ansprnch nehme. Ich selbst bin einige Zeit in E^ade<br />
aiigestellt gewesen nnd habe dadurch eine Anschauung von <strong>der</strong> ^ion-<br />
figuratimi <strong>der</strong> Marscheu — des Landes Kehdiugen nnd des Alten<br />
Landes — gewonnen.
440 Das Hundekorn.<br />
Hülfe von Entwässernngsgräbcn :e. knltivirt werden, ^i^ —<br />
In Oldenburg kommt das Hnnt nnr vor im Stedingerlandc, ^")<br />
einer tief gelegenen Marsch ani linken Ufer <strong>der</strong> Weser; in<br />
Hannover finden wir das Hnnt nur ini Alten Lande — <strong>der</strong><br />
Elbmarsch Zwischen Harbnrg und Stade, — ferner im Lande<br />
Kehdingen — <strong>der</strong> Elbmarsch zwischen Stadc uud dem Ansfluffe<br />
<strong>der</strong> Elbe in die Nordfee — endlich in dem Marschlande des<br />
Amtes Hagen an <strong>der</strong> Wefer, Osterstade genannt; in dem Ge-<br />
biete <strong>der</strong> Stadt Bremen begegnen wir den: Hunt in dem Marsch-<br />
lande am linken Ufer <strong>der</strong> Weser nnd den tief gelegenen, kulti-<br />
virten Landstrichen ^Ver<strong>der</strong>land, Nlockland, Hollerland in den<br />
Urkunden oft genannt: „in pHiudiI)U8", d. i. im Moore) ani<br />
rechten Ufer dieses Flusses. "^) Anch in Holstein kommt das<br />
210) Mf meine Erkundigungen habe ich überall die Auskunft<br />
erhalten, daß das Hunt im Geestlande sso bezeichnet man an <strong>der</strong> unteren<br />
Elbe uud an <strong>der</strong> unteren Weser das hoch gelegene, trockene Land im<br />
Gegensatze znm Tieflande an den Flüssen, namentlich im Gegensatz<br />
zur Marsch) nicht nachgewiesen werden könne; ich habe alle mir bekannt<br />
gewordenen Urkunden, in welchen das Hnnt erwähnt wird, nach dieser<br />
Richtung geprüft bezw. über den Inhalt <strong>der</strong>jenigen, welche ich nicht<br />
selbst einsehen konnte, zuverlässige Auskunft erhalten; so weit die<br />
Urkunden überhaupt erkennen lassen, wo die Län<strong>der</strong>eien liegen, auf<br />
welche die Urkunden sich beziehen, betreffen sie ausnahmslos entwe<strong>der</strong><br />
Marsch- o<strong>der</strong> (bei Bremen) Tiefland. Vergl. die folgenden Anmerkungen.<br />
211) Nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Bibliothekars<br />
Di-. Lübben in Oldenburg. Auf das Stedingerland beziehen sich die<br />
in dem Mittelnie<strong>der</strong>dent. Wörterbuch von Schiller nnd Lübben angezogencn<br />
Oldenb. Urkunden.<br />
212) Dies beruht auf deu auf mciue Erknndiguugeu betreffend die<br />
Provinz Hannover uud das Gebiet voll Bremen mir gemachten Mittheilungen<br />
mehrerer Freunde. Für Hannover wird es bestätigt durch<br />
die unten erwähnte Bekanntmachung des Obcrprä'sidenten dieser Provinz<br />
vom 30. October 1869; denn diese Bekanntmachung führt das Hnnt<br />
nur auf für das Alte Laud, das ^'aud Kchdingcn nnd das Amt Hagen.<br />
Das letztere besteht zwar nicht blos in Marschland; aber nach erhalte«<br />
uer Auskunft ist auch im Amte Hagen das Hunt niemals anf Geestland<br />
angewendet. Was die Urkunden betrifft l^ergl. Aum. 210), so<br />
will ich diejenigen, welche Hannover nnd Bremen angehen, einer<br />
kurzeu Musterung nuterziehen, uni meiue Behauptung zn erweisen:<br />
u.) Die Urkunden betreffend das Kloster Lilienthal — welche Dr. Wig-
Das Hundekorn. 441<br />
Hunt wahrscheinlich nur in den Marschen vor. — So sicher<br />
ger in Abschn. II seines Gutachtens angezogen hat uud welche in dem<br />
Bremischen Urknndcubuche von Ehmck uud v. Bippeu Vd. 1 S. 313,<br />
562 veröffentlicht sind — enthalten folgende Worte: die Urkunde von<br />
1257: ,,iu Hoi'8t trin Imin", die Urkunde von 1299: ^UÄtuor nuut<br />
iu Horst" nnd ,,ti'08 ül5ix»8 in I^e8inuil6erd!'o^e (Lesumerbruch) et<br />
vigiliti 8ex Iiunt iu 1>UI^/- Duug, jetzt Dnnge o<strong>der</strong> Düuge, ist eiu<br />
Dorf im Bremischen Verdcrlaude, marschartigem Tieflaude rechts <strong>der</strong><br />
Weser. Horst ist wahrscheinlich das heutige Wasserhorst, im<br />
Bremischen Blocklande, eingedeichtem Tieflande, d) Die Urkunde von<br />
1259 — angezogen im „Versuch eines Vremisch-nie<strong>der</strong>sächs. Wörterb."<br />
Bd. 2 S. 670 nnd mitgetheilt bei Vogt, Nonumeuta weäiw I^m. II.<br />
S. 218 — ebensalls das Kloster Lilieuthal betreffend: ^.uovein wmt<br />
iu DuF." Das ist wahrscheinlich das zn l^. bereits erwähnte Dnng, dessen<br />
Namen hier verschrieben o<strong>der</strong> vou Vogt unrichtig gelesen sein wird,<br />
c) Die Urkunde von 129l', — welche Dr. Nigger a. a. O. anzieht, Brem.<br />
Urkuudeubuch Bd. 1 S. 543 — : „terru iutezrli iu ^1) als inöglich hinstellen, ist nach dein übrigen<br />
Inhalte <strong>der</strong> Urkunde unwahrscheinlich, d) Die Urkunde von 1307 —<br />
angezogen im „Versuch eines Vrem.-uic<strong>der</strong>sächs. Wörterb." Bd. 2<br />
S. 671 uud bei Schiller uud Lübbeu a. a. O. Vd. 2 S. 335, Vrem.<br />
Urkundenbnch Vd. 2 S. 88 — : ,,
442 Das Hnndekorn.<br />
wie für Oldenbnrg, Bremen nnd Hannover bin ich zwar für<br />
Holstein durch das Resultat <strong>der</strong> von mir angestellten Ermittelungen<br />
nicht; aber ich habe wenigstens von Holsteinern, welche<br />
das Innere des Landes gcnan kennen, erfahren, daß dort<br />
eine Ackermaßbczeichnnng Hnnt nicht gebräuchlich sei; die mir<br />
bekannt gewordenen Urkunden, welche Holstein betreffen nnd<br />
das Hnnt erwähnen, beziehen sich beide ans Marschlän<strong>der</strong>eien. ^)<br />
Wenn wir über die Grenzen Deutschlands Hinansschauen<br />
nach Holland nnd die mehrfach angenommene, auch von Dr.<br />
Wigger gebilligte Ansicht zu Grnnde legen, daß das latinisirte<br />
Wort donali das deutsche Hunt ist, so weist anch die einzige<br />
Nrknnde, in welcher uuseres Wissens jenes latinisirte Wort vorkommt,<br />
auf Holländisches, tief gelegenes nnd eingedeichtes<br />
Land hin. 2'4)<br />
2") Ganz sicher ist dies in Betreff <strong>der</strong> Urkunde von 1192 (Lappenberg,<br />
Hamburgisches Urkundenbnch Bd. 1 S. 726), welche sich anf<br />
Län<strong>der</strong>eien in <strong>der</strong> Cremper Marsch, nördlich von Glückstadt bezieht:<br />
Bürger von Crempe versprechen den Hambnrgischen Domherren Geldzins<br />
statt <strong>der</strong> bisherigen Kornrente: ),Il6^uoiniiunu8 pro 6uodu3 ^u«6i'ikuZ<br />
6t VM0 Imutli) (^o6ä6l
Das Hundekorn. 443<br />
Die sehr alte Flächcnbezeichmmg Hunt ^) ist noch heut<br />
zu Tage gebräuchlich, wenn sie auch seit <strong>der</strong> deutschen Maßund<br />
Gewichts-Ordnung amtlich nicht mehr anerkannt wird, in<br />
den Marschlän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Provinz Hannover; ^') ob auch noch<br />
in Oldenburg, Bremen und Holstein, ist mir nicht bekannt.<br />
Was ist <strong>der</strong> Größeninhalt eines Hunt? Schon<br />
eine oldenburgische Urkunde vom Jahre 1597 bezeichnet das<br />
Hnnt als den sechsten Theil eines Morgens. ^^) Damit stimmt<br />
überein Diedcrich von Stade in seiner „Erklärung <strong>der</strong> vornehmsten<br />
deutschen Wörter, <strong>der</strong>eu sich Di'. Martin Luther in<br />
Ilebersetzung <strong>der</strong> Bibel in die deutsche Sprache gebrauchet".<br />
(Bremen 1724.) Bei <strong>der</strong> Mittheilung seiner „Gedanken über<br />
die Zahlwörter" und „von Zahlen und Maßen" (wobei es ihm<br />
nicht darauf ankommt, daß die Maßbezeichnung Hunt von<br />
Luther nicht gebraucht ist) sagt er Seite 65:<br />
„Ein Hunt Landes wird im Bremischen genannt <strong>der</strong><br />
auch genannt: ,,80pwm^ug'ei':l cum sc^wm Iwuäiä." Wateringe liegt in<br />
Holland, etwa eine Meile südlich vom Haag („Mvtti ll^um ^oiuitis<br />
iu iloiluiM^"). Wie diese konäi belegen waren, sieht man deutlich<br />
daraus, daß die Kleriker nach Inhalt <strong>der</strong> von Miräus gleichfalls mit-<br />
getheilten Acceptations-Urtuude ihrerseits unter An<strong>der</strong>em versprechen:<br />
„8Ì spi'iitMctuin oonvouwm) l'uiMtn.? cum terriL<br />
diluvii 8udni6i'
444 Das hnndekorn.<br />
sechste Theil eines Morgens o<strong>der</strong> 20 Nnthcn in <strong>der</strong><br />
Länge nnd vier Rnthen in <strong>der</strong> Breite; man weiß aber<br />
nicht mehr, wie in alten Zeiten die Maße eingerichtet<br />
gewesen, wie man anch solches von den alten ^.u^oi<br />
8^x011 nicht weiß."<br />
Aus dem Bnche Die<strong>der</strong>ich's von Stade ist diese Beschreibung<br />
<strong>der</strong> Form des Hunt in den „Versuch eines bremisch-nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
Wörterbuches", in Grimm's Wörterbnch nnd in das<br />
Mittelnie<strong>der</strong>deutsche Wörterbuch von Schiller nnd Lübben<br />
übergegangen. Sie ist anch sicher richtig; nnr ist sie nicht erschöpfend,<br />
namentlich insofern nicht, als anch Hnnt in <strong>der</strong><br />
Breite von zwei Rnthen nnd <strong>der</strong> Länge von 40 Ruthen<br />
vorkommt.<br />
Lassen wir zunächst die Beschreibung <strong>der</strong> Form eines<br />
Hunt auf sich beruhen! Was die Beschreibung <strong>der</strong> Größe<br />
als eines Sechstel-Morgens betrifft, so gewinnen wir dadurch<br />
keinen sicheren Anhalt; denn wir wissen nicht, wie groß <strong>der</strong><br />
gemeinte Morgen ist. ^) Unzweifelhaft ist <strong>der</strong> Marschmorgen<br />
gemeint; denn ealenberger Morgen waren in <strong>der</strong><br />
hannoverschen Provinz Bremen, welche erst knrz vor <strong>der</strong> Zeit,<br />
als Diedrich von Stade sein Bnch veröffentlichte, dem Kurfürstenthum<br />
Hannover einverleibt war, noch nnbekannt; zuerst<br />
im Jahre 1765 versuchte man die hannoverschen Maße in<br />
die Provinz Bremen einzuführen. ^) Die Größe des Marsch-<br />
^) Puffendorf, 0ds3. ^om. II odg. 185: ,,6<br />
erklärt das Hnnt anch für „ein Scchsteil Morgen." Aber er geht<br />
darin offenbar irre, daß er den hannoverschen (calenbergischeu) Morgen<br />
als Einheit zn Grnnde legt. Der Marfchmorgen ist ein Vielfaches<br />
des calenberger Morgens. Es sind nämlich 1 Kehdinger Morgen -^<br />
4 calenberger Morg., 1 Altlän<strong>der</strong> Morg. — 3 V^ calenberger Morg.<br />
219) Sowohl 1765 als fpäter, im Jahre 1836, wo man in Hannover<br />
Gleichheit <strong>der</strong> Maße herbeizuführen suchte, gestattete man den<br />
Gebrauch <strong>der</strong> alten, in den einzelnen Landestheilen üblichen Maße<br />
neben den gesetzlichen. Dadurch ist es zn erklären, daß in den Marschen<br />
das Hunt bis in die neuste Zeit hinein im Gebrauche<br />
geblieben ist.
Das Hundekorn. 445<br />
morgens, welche in den verschiedenen Marschen verschieden<br />
waren, vermögen wir aber wenigstens annähernd anzugeben. ^")<br />
Um die ^eit des westfälischen Friedens wnrde die von<br />
den Herzogtümern Bremen uud Verden aufzubringende Kontribution<br />
nen veranlagt. Die Marschlän<strong>der</strong>eien wurden zu<br />
diesem Zwecke vermessen und bonitirt. Aber bei <strong>der</strong> Vermessung<br />
wurde nicht gleichmäßig verfahren; zwar geschah sie überall<br />
nach Morgen, Rnthen nnd Fußen, nnd <strong>der</strong> Normal-Fuß war<br />
anscheinend überall <strong>der</strong> alte Stadt-Bremer Fuß; auch wurde<br />
überall <strong>der</strong> Morgen, 120 Rutheu lang und vier Ruthen breit<br />
gemessen. Aber während im Lande Kehdingen die Gräben<br />
(welche in den Marschen vielen Ranm in Anspruch nehmen)<br />
in die vermessene Fläche eingerechnet wurden nnd die Rnthe<br />
zn 16 Fuß angenommen war, wurden im Alten Lande die<br />
Gräben in die vermessene Fläche nicht eingerechnet, die Ruthe<br />
aber wurde zu uur 14 Fuß angenommen. ^) EZ ist mir<br />
nicht gelungen, die genaue Größe des alten Stadt-Bremer<br />
Fußes zu ermitteln. Snbstituiren wir demselben einmal den bis<br />
vor Kurzem in Preußen gesetzlichen rheinländischen Fuß, welcher<br />
wahrscheinlich nicht unbedeutend länger ist, und nehmen wir<br />
das größere Maß <strong>der</strong> Ruthe — zu 16 Fuß — an, so ergiebt<br />
die Rechnung, daß ein hiernach berechneter Marschmorgen<br />
gleich ist 3^3 Magdeburger Morgen (o<strong>der</strong> nahezu -^/e Hektar).<br />
Danach würde ein Huut als <strong>der</strong> sechste Theil eines Marschmorgens<br />
sein 5/9 magdebnrgcr Morgen.<br />
Als die am 1. Januar 1872 iu Kraft getretene deutsche<br />
Maß- uud Gewichts-Ordnung vom 17. August 1868 emanirt<br />
war, erließ gemäß Artikel 21 <strong>der</strong>selben <strong>der</strong> Obcrpräsident <strong>der</strong><br />
'"") Das Folgende ist entnommen ans: (Pratje) Altes und Neues<br />
aus den Herzogthümern Bremen nnd Verden. Stade 1769 — 1781.<br />
Vd. 2 S. 325 ff. Bd. 6 S. 321 ff.<br />
'"') Diese Abweichung für das alte Land ist interessant, weil die<br />
alte holländische Nnthe 14 Fuß enthielt, nnd die Bewohner des<br />
Alten Landes ganz überwiegend die Nachkommen <strong>der</strong> holländischen<br />
Kolonisten sind, welche dieses fruchtbare Stück Erde den Fluthen ab-<br />
gerungen haben. Man hat ihnen offenbar mit <strong>der</strong> 14füßigen Ruthe<br />
eine Concession gemacht.
446 Das Hundekorn.<br />
Provinz Hannover eine Bekanntmachung voni 30. Oktober<br />
1869. 222) Danach ist<br />
1 Hnnt im Alten Lande — 0,13378 Hektar.<br />
1 Hnnt im Lande Kehdingen und ini Amte Hagen ^<br />
0,17473 Hektar.<br />
Ob diese Umrechnung in das nene Maß genau richtig ist,<br />
mag dahin gestellt bleiben. ^) Wenn wir das größere Kehdinger<br />
Hunt nach dieser amtlichen Berechnung auf das uus<br />
geläufigere Flächenmaß von Magdeburger Morgen reducireu, so<br />
ergicbt sich, daß ein Kehdinger Hunt gleich ist ^/10 Magdeburger<br />
Morgen. Das ist <strong>der</strong> größte Inhalt einer Fläche,<br />
welche nach den verschiedenen Maßangaben mit dem<br />
Worte Hunt bezeichnet wird.<br />
Ein dem Inhalte nach noch an<strong>der</strong>es Maß scheint das<br />
Hnnt im oldenburgischen Stedingerlande zn sein. Hier enthält<br />
<strong>der</strong> Morgen 350 ^Ruthen zu 400 HÜFnß. Aber anch hier bestätigt<br />
sich die mehrerwähnte Angabc, daß das Hnnt <strong>der</strong> sechste<br />
Theil eines Morgens ist: das Hunt enthält 58^3 ^Ruthen. 2'")<br />
Ein in den Elb- nnd Weser-Marschen ^) überall gleiches<br />
Maß ist also das Hnnt nicht; aber wenngleich ans Obigem<br />
seine genaue Größe nicht zu entnehmen ist, so ist doch jeden-<br />
222) Amtsblatt für Hannover 1369 Stück 45. Der Bekannt-<br />
machung ist eine Tabelle beigefügt, „enthaltend die Verhältnißzahlen<br />
für die Umrechnung <strong>der</strong> in bestimmten Gegenden bisher gültigen be-<br />
son<strong>der</strong>en Maße in die durch die Maß-- nnd Gewichts^Ordnnng für<br />
den Norddeutschen Bund festgestellten nenen Maße nnd Gewichte."<br />
Dieser Tabelle sind die obigen Verhältnißzahlen entnommen.<br />
'"^) Man hat sich bei <strong>der</strong> Umrechnung die Sache etwas leicht<br />
gemacht, indem man den beiden verschiedenen Hnntmaßen einfach das<br />
Verhältniß von 14.zn 16 zn Grunde legte, ohne daß man beachtete,<br />
daß im Lande Kehdingen die Gräben mitgemessen sind, im Alten<br />
Lande nicht.<br />
224) Nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Bibliothekars<br />
Dr. Lübben in Oldenburg.<br />
2'25) Ueber die Größe des Hnnt in Holstein habe ich nichts<br />
erfahren; ich habe Ermittelungen speciell hierüber nicht angestellt,<br />
weil es für unsern Zweck ausreichen wird, daß die Größe des Hunt<br />
in den hannoverschen Marschen festgestellt ist.
Das Hundekorn. 445<br />
morgens, welche in den verschiedenen Marschen verschieden<br />
warm, vermögen wir aber wenigstens annähernd anzugeben. ^")<br />
Um die Zeit de5 westfälischen Friedens wurde die von<br />
den Herzogthümern Bremen und Verden auszubringende Kontribution<br />
neu veranlagt. Die Marschlän<strong>der</strong>eien wurden zu<br />
diesem Zwecke vermessen nnd bonitirt. Aber bei <strong>der</strong> Vermessung<br />
wurde nicht gleichmäßig verfahren; zwar geschah sie überall<br />
nach Morgen, Ruthen und Fußen, uud <strong>der</strong> Normal-Fuß war<br />
anscheinend überall <strong>der</strong> alte Stadt-Bremer Fuß; auch wurde<br />
überall <strong>der</strong> Morgen. 120 Ruthen lang und vier Ruthen breit<br />
gemessen. Aber während im Lande Kehdingen die Gräben<br />
^welche in den Marschen vielen Raum in Anspruch nehmen)<br />
in die vermessene Fläche eingerechnet wurden und die Rnthe<br />
zu 16 Fuß angenommen war, wurden im Alten Lande die<br />
Gräben in die vermessene Fläche nicht eingerechnet, die Ruthe<br />
aber wurde zu nur 1-1 Fuß angenommen. ^) (zZ ist mir<br />
nicht gelungen, die genaue Größe des alten Stadt-Bremer<br />
Fußes zu ermitteln. Substituiren wir demselben einmal den bis<br />
vor Kurzem in Preußen gesetzlichen rheinländischen Fnß, welcher<br />
wahrscheinlich nicht unbedeutend länger ist, und nehmen wir<br />
das größere Maß <strong>der</strong> Ruthe — zu 16 Fuß — an, so ergiebt<br />
die Rechnung, daß ein hiernach berechneter Marschmorgen<br />
gleich ist 3^3 Magdeburger Morgen (o<strong>der</strong> nahezu ^/e Hektar).<br />
Danach würde ein Hunt als <strong>der</strong> sechste Theil eines Marschmorgens<br />
sein ^ Magdeburger Morgen.<br />
Als die am 1. Januar 1872 in Kraft getretene deutsche<br />
Maß- und Gewichts-Ordnung vom 17. August 1868 emanirt<br />
war, erließ gemäß Artikel 21 <strong>der</strong>selben <strong>der</strong> Oberpräsident <strong>der</strong><br />
'^n) Das Folgende ist entnommen aus: (Pratje) Altes und Neues<br />
aus den Herzogthümern Bremen nnd Verden. Stade 1769 — 1781.<br />
Bd. 2 S. 325 fs. Bd. 6 S. ."^1 ff.<br />
'-^l) Diese Abweichung für das alte Land ist interessant, weil die<br />
alte holländische Nuthe 14 Fuß enthielt, nnd die Bewohner des<br />
Alten Landes ganz überwiegend die Nachkommen <strong>der</strong> holländischen<br />
Kolonisten sind, welche dieses fruchtbare Stück Erde den Fluthen ab-<br />
gerungen haben. Man hat ihnen offenbar mit <strong>der</strong> 14füßigen Nuthe<br />
eine Concession gemach!
446 Das tzundekorn,<br />
Provinz Hannover eine Bekanntmachung vom 30. Oktober<br />
1869. 222) Danach ist<br />
1 Hnnt im Alten Lande — 0,18Z78 Hektar.<br />
1 Hnnt im Lande Kehdingen nnd im Amte Hagen —<br />
0,17473 Hektar.<br />
Ob diese Ilmrechnnng in das nene Maß genau richtig ist,<br />
mag dahin gestellt bleiben. ^) Wenn wir das größere Kehdinger<br />
Hnnt nach dieser amtlichen Berechnung auf das uns<br />
geläufigere Flächenmaß von Magdeburger Morgen reduciren, so<br />
ergicbt sich, daß ein Kehdinger Hnnt gleich ist ^/io Magdeburger<br />
Morgen. Das ist <strong>der</strong> größte Inhalt einer Fläche,<br />
welche nach den verschiedenen Maßangaben mit dem<br />
Worte Hunt bezeichnet wird.<br />
Ein dem Inhalte nach noch an<strong>der</strong>es Maß scheint das<br />
Hnnt ini oldenbnrgischen Stedingerlande zn sein. Hier enthält<br />
<strong>der</strong> Morgen 350 ^URuthen zu 400 lüFuß. Aber auch hier bestätigt<br />
sich die mehrerwähnte Angabe, daß das Hnnt <strong>der</strong> sechste<br />
Theil eines Morgens ist; das Hnnt enthält 58 >/3 ^Ruthen. 224)<br />
Ein in den Elb- nnd Weser-Marschen '^) überall gleiches<br />
Maß ist also das Hnnt nicht; aber wenngleich aus Obigem<br />
seine genaue Größe nicht zu entnehmen ist, so ist doch jeden-<br />
222) Amtsblatt für Hannover 1869 Stück 45). Der Bekanntmachung<br />
ist eine Tabelle beigefügt, „enthaltend die Verhältnißzahlen<br />
fiir die Umrechnung <strong>der</strong> in bestimmten Gegenden bisher gültigen beson<strong>der</strong>en<br />
Maße in die dnrch die Maß- nnd Gewichts'Ordnnng für<br />
den Norddeutschen Vnnd festgestellten uenen Maße nnd Gewichte."<br />
Dieser Tabelle sind die obigen Verhältnißzahlen entnommen.<br />
2'"3) Man hat sich bei <strong>der</strong> Umrechnung die Sache etwas leicht<br />
gemacht, indem man den beiden verschiedenen Huntinaßen einfach das<br />
Verhältniß von 14. zn 16 zn Grnnde legte, ohne daß man beachtete,<br />
daß im Lande Kehdingen die Gräben mitgemessen sind, im Alten<br />
Lande nicht.<br />
224) Nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Bibliothekars<br />
Oi-. Lübben in Oldenburg.<br />
225) Ueber die Größe des Hnnt in Holstein habe ich nichts<br />
erfahren; ich habe Ermittelungen speciell hierüber nicht angestellt,<br />
weil es für unsern Zweck ausreichen wird, daß die Größe des Hunt<br />
in den hannoverschen Marschen festgestellt ist.
Das Hundekorn. 447<br />
falls so viel daraus zn ersehen, daß das Hunt immer eine verhältnißmäßig<br />
kleine Fläche bezeichnet.<br />
Woher ist <strong>der</strong> Name des Ackermaßes Hunt abzuleiten?<br />
Schon Diedcrich von Stade weiß auf diese Frage<br />
keine Antwort. Er tröstet sich damit, daß auch <strong>der</strong> Name des<br />
angelsächsischen I2nnäi'0ä nicht aufgeklärt sei. Einen Zusammenhang<br />
zwischen den Hun<strong>der</strong>tschaften (englisch Imnäi-Oää) und<br />
dem kleinen Ackermaße Hnnt vermag ich nicht aufzufinden. ^)<br />
Wir begegnen aber vielfach <strong>der</strong> Behauptung, daß auch in <strong>der</strong><br />
Ackermaß-Bezeichnung Hunt das Zahlwort Hun<strong>der</strong>t enthalten<br />
sei. Vorab muß zwar zugegeben werden, daß Ornici eine alte<br />
Form des Zahlwortes Hun<strong>der</strong>t ist; aber es ist zu bezweifeln,<br />
daß diese alte Forni sich da findet, wo das Ackermaß Hunt<br />
gebräuchlich war. We<strong>der</strong> findet sie sich im Altfriesifchen noch<br />
im Nie<strong>der</strong>deutschen. ^') Schon dadurch schwindet die Wahrscheinlichkeit,<br />
daß in <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>deutschen Ackermaß-Bezeichnung<br />
das Zahlwort enthalten ist. Wenn die erstere in Grimm's<br />
Wörterbuch a. a. O. durch die Ausstellung erklärt werden soll:<br />
„dem Maße liegt die Einthcilnng eines Landstriches in hun<strong>der</strong>t<br />
Theile zu Grunde", so ist doch <strong>der</strong> Lexikograph jeden Beweis<br />
für feine Behauptung schuldig geblieben; ich kann mir nicht<br />
denken, was das für eine Hun<strong>der</strong>ttheilung fein sollte. Dafür<br />
daß das Hunt <strong>der</strong> hun<strong>der</strong>tste Theil einer großen Fläche fein<br />
follte, liegt nichts vor; am wenigsten wird man es nach <strong>der</strong><br />
Konfiguration <strong>der</strong> Marschen unterstellen können, wenn meine<br />
Annahme richtig ist, daß das Hunt nur in den Marschlän<strong>der</strong>n<br />
226) Die deutschen Hun<strong>der</strong>tschaften und die angelsächsischen iiuu-<br />
ärsäs sind, so viele Zweifel über ihre Entstehung nnd ihre ursprüng-<br />
liche Verfassung auch obwalten mögen, jedenfalls zunächst poli-<br />
tische Verbände, welche auf bestimmte Bezirke, vielleicht auf hun<strong>der</strong>t<br />
Bauerhufeu (Iü^:w, ni6o8) beschränkt waren. Was sollte ein solcher<br />
Verband o<strong>der</strong> <strong>der</strong> geographisch abgeschlossene Kreis desselben zu <strong>der</strong><br />
winzigen Ackerfläche Hnnt für eine Beziehung haben? Ist in <strong>der</strong><br />
Ackermaßbezeichnnng Hunt wirklich das Zahlwort Hun<strong>der</strong>t enthalten,<br />
so ist dieser zufällige Umstand gewiß ohne alle Beziehung zu dem<br />
Namen jener Verbände und Bezirke.<br />
22?) Vcrgl. oben Nnm. 1l)0.
448 Das Hundekorn.<br />
vorkommt. Dagegen kann für die Aufstellung, daß das Hunt<br />
in sich hun<strong>der</strong>t kleinere Theile enthalte, eine Stelle aus einein<br />
Register des 15. Iahrhnn<strong>der</strong>ts angeführt werden, welches verschiedene,<br />
am Nie<strong>der</strong>rhein geltende Maßbestimmungcn angiebt. "6)<br />
Die Stelle lautet:<br />
ecn hollan^c MorFcn hclt scß ^Hocdr; ecn<br />
^Hocdr hclr hon<strong>der</strong>r )>odcn; ccn hollanrzc<br />
Rodc helr vcrthicn Nocdt".<br />
Schiller und Lübben a. a. O. bemerken dazu, daß Hoedt nnr<br />
eine an<strong>der</strong>e Form des Wortes Hnnt sei; ich muß das dahin<br />
gestellt sein lassen. ^) Die Angabe, daß <strong>der</strong> Morgen sechs<br />
Hoedt enthalte, scheint allerdings ans das Hunt, welches auch<br />
das Sechstel eines Morgens ist, hinzuführen; aber die Stelle<br />
bleibt doch unklar. Denn indem sie fortfährt: ein Hoedt enthalte<br />
hun<strong>der</strong>t Ruthen und eine Ruthe 14 Fuß, reihet sie an<br />
die Flächenmaße Morgen nnd Hoedt (vorausgesetzt, daß dieses<br />
Wort gleichbedeutend ist mit Hunt) Bezeichnungen an, welche<br />
nnr Längenmaße sind: Rnthen nnd Fuße. Geviertruthen und<br />
Geviertfuße warm im 15. Jahrhun<strong>der</strong>t, ans welchem das<br />
Register herrühren soll, noch nicht gebräuchlich; die Messungen<br />
nach Quadratmaßen sind eine Erfindung viel späterer Zeit.<br />
Wenn aber die Rnthe (Gerte, Ì6rd) nnd <strong>der</strong> Fuß in <strong>der</strong><br />
Stelle Längenmaße bezeichnen, so ist nicht zn verstehen, wie<br />
ein Hoedt (Flächenmaß) hun<strong>der</strong>t Ruthen (Längenmaß) enthalten<br />
kann. 22") Zwar mnß dabei noch in Betracht gezogen werden,<br />
228) Mitgetheilt in Lacomblet's Archiv sür die Geschichte des<br />
Nie<strong>der</strong>rheins Bd. 1 S. 207 f. Die Stelle auch bei Schiller nnd<br />
Lübben a. a. O. Vd. 2 S. 335 — wo aber statt: vo6ou zn lesen<br />
ist: i'oäLu.<br />
2N) Die bei Schiller und Lübben a. a. O. angeführte Analogie:<br />
Ltot — Lwut (gemeint sind die beiden Präterita des Verbnm Lt^u)<br />
ist mir bedenklich. Vergl. unten Anm. 235 über die Formen Imn6t — Quu6t.<br />
220) Dabei mnß ich gestehen, daß mir ans gleichem Grunde eine<br />
an<strong>der</strong>e Urknnde nicht verständlich ist (Zeitschrift des bergischen Ge»<br />
schichts-Vereins 1873 S. 222): „Voi-tmo iwi-ot in clon uoÜ' 2 6/u
Das Hundekorn. 449<br />
daß bei alten FlächenbeZeichmmgen nicht felten nur die Länge<br />
<strong>der</strong> Fläche angegeben und die Breite als bekannt vorausgefetzt<br />
o<strong>der</strong> vielleicht als uubcdeuteud variirend für uicht wefentüch<br />
erachtet wird. Aber wenn man danach den Morgen ohne<br />
Weiteres zu eiuer bestimmten Breite, etwa zu vier Ruthen,<br />
anzunehmen hat, fo daß alfo die ausgedrückten Ruthen nur<br />
die Länge bezeichneten, fo würde ein Morgen zu fechs Hoedt<br />
600 Ruthen lang fein nnd daraus sich ein Morgenmaß von<br />
fönst uuerhörter Größe ergeben. Lei<strong>der</strong> find wir außer<br />
Stande, den Werth <strong>der</strong> von Lacomblet ohne alle Angaben über<br />
ihre Schrift, ihre Unterfchrift, den Fundort u. f. lo. veröffentlichten<br />
Urkunde zu beurtheilen; aber ich kann mich eines uugünstigcn<br />
Eindruckes, welchen ihr Gesammtinhalt macht, nicht<br />
erwehren: sie fcheint mir flüchtige Notizen zn enthalten, welche<br />
ein Mönch o<strong>der</strong> irgend ein an<strong>der</strong>er Schreiber hingeworfen hat.<br />
Deshalb kann ich <strong>der</strong> Urkunde ein erhebliches Gewicht für die<br />
Beantwortung unferer Frage uicht beimessen. ^)<br />
Größere Bedeutung für die Ansicht, daß in <strong>der</strong> Ackermaßbezeichuuug<br />
Hunt das Zahlwort Hun<strong>der</strong>t enthalten sei, würde<br />
den Urkunden beizulegen fein, welche das Wort Huu<strong>der</strong>t direkt<br />
als Ackermaßbezeichnung enthalten, wenn feststände, daß<br />
diese Maßbezeich nuug identifch ist mit dein Hunt<br />
<strong>der</strong> Marfchen. Solche Urkunden sind bei Schiller und<br />
Lübben a. a. O. bei dein Worte Huu<strong>der</strong>t zwei angeführt, beide<br />
aus Oldenburg und beide aus dem Jahre 1543:<br />
H. ^v^ffrich hun<strong>der</strong>t landcs oftc trrynnch und<br />
csraszc landcs".<br />
d. „dre hun<strong>der</strong>t landes".<br />
n>) Wöste, welcher in <strong>der</strong> Zeitichrist des bergischen Geschichts-<br />
Vereins 1873 S. 132 ff. verschiedene Ackcrmaße besprochen hat,<br />
ideutificirt liooät mit dem nie<strong>der</strong>sächsischen Iiüt und erklärt dies als<br />
Haut, welches Wort zunächst die Einzäunung, das Umgebende, Ein-<br />
schließende, Behütende und danu als Ackermaß das Eingezäunte<br />
bezeichne, in dieser Bedeutuug aber dem englischen Iii^« verwandt sei.<br />
Ob dies richtig ist, lasse ich dahin gestellt- verfehlt aber ist es jedenfalls,<br />
wenn Wöste serner die Ansicht ausspricht, daß das in den Eibgegendeu
450 Das Hundekorn.<br />
Aber diese Urkunden betreffen nicht die Marschen. Einer<br />
brieflichen Mittheilung des Herrn Bibliothekars Or. Lübben<br />
entnehme ich Folgendes:<br />
„Daß Ilniidoi't ein Ackermaß ist — 100 Nnthen, ergiebt<br />
sich anch aus eincni an<strong>der</strong>en Oldenbnrgischen Maße, das<br />
aber nur im Je<strong>der</strong> lande üblich ist. In diesem<br />
Ländchen wurde nämlich nach Matten, Grasen und Hun-<br />
<strong>der</strong>ten gerechnet: 1 Matt — 1^2 Gras — 3 tznn<strong>der</strong>t —<br />
300 lüRnthen ^ 58,800 lüFnß. Die Matten waren übri-<br />
gens verschieden, je nachdem die Län<strong>der</strong>eien Grodelände-<br />
reien o<strong>der</strong> Binnenlän<strong>der</strong>eien waren"<br />
„Ein Hnnt 222) wird im Ganzen und Großen immer 7<br />
Ruthen betragen haben. Die Breite (droäo) eines Ackers<br />
kam weniger in Betracht; wenigstens habe ich nie bei<br />
den so häufig vorkommenden Breden ein bestimmtes<br />
Maß angegeben gefunden".<br />
Das Hun<strong>der</strong>t im Ieverlande erklärt sich hiernach von selbst<br />
als 100 ^Ruthen. ^) Das „Hnn<strong>der</strong>t" des Ieverlandes ist<br />
eine Maßbezcichnung in einem an<strong>der</strong>en System, als das System,<br />
in welchem das Hunt vorkommt (ein Sechstel Morgen), und<br />
ich bezweifle, daß man folgern darf: da in einem Lande eine<br />
Ackermaßbezeichnung Hnn<strong>der</strong>t vorkommt, so sei die in einem<br />
an<strong>der</strong>n Lande gebräuchliche Ackermaßbezcichuung Hunt gleich-<br />
bedentend mit Hun<strong>der</strong>t.<br />
Ich neige mich <strong>der</strong> Ansicht zu, daß die Bezeichnung des<br />
Ackermaßes Hnnt mit dem Zahlworte Hun<strong>der</strong>t überhaupt nicht<br />
zusammenhängt. Darin bestärkt mich <strong>der</strong> Umstand daß,<br />
wie wir gesehen haben, die Ackermaßbczeichnung eine sehr<br />
als eine Ackermaß-Bezeichnung gebrauchte Wort liunt ans jenem nüd<br />
ver<strong>der</strong>bt sei. Vergl. unten Anm. 235.<br />
^) Di-. Lübben schreibt hier „Hnnt", obgleich er nicht sagt,<br />
daß dieses Wort (o<strong>der</strong> diese Form des Wortes) im Ieverlande vorkomme;<br />
er vertheidigt nämlich die Ansicht, daß die Ackcrmaßbezeichnnng<br />
Hnnt in den Elb- und Wesermarschen identisch sei mit <strong>der</strong> alten<br />
Form des Zahlwortes für Hun<strong>der</strong>t.<br />
2N) Ob die Erklärung schon für 1543 paßt, ist mir freilich recht<br />
bedenklich.
Das tzundekorn- 451<br />
alte, schon im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t vorkommende ist. Zwar haben<br />
die Zahlwörter auch bei unseren Altvor<strong>der</strong>en ans die Bezeichnung<br />
gewisser Verbände, gewisser Abgaben und <strong>der</strong>gleichen ihre<br />
Verwendung gefunden; die Hun<strong>der</strong>tschaften nnd die Zehnten<br />
find nahe liegende Beispiele. Aber die Verwendung <strong>der</strong> Zahlwörter<br />
zur Bezeichnung <strong>der</strong> Längen- und Flächen-Maße ist<br />
neueren, fast mo<strong>der</strong>nen Ursprungs. Sehen wir von dem zweifelhaften<br />
Hunt ab und durchmustern wir die von den Deutschen<br />
im Mittelalter gebrauchte!: Längen- und Flächenbezeichnnngen,<br />
so finden wir fast nur Naturmaße, bildliche Ausdrücke,<br />
welche nicht immer fehr genan die Größe bezeichnet haben<br />
mögen, aber den einfacheren Verhältnissen und zugleich den<br />
geistigen, die Phantasie anregenden Bedürfnissen unserer Vorfahren<br />
genügten; letztere verlangten für eine Maßbezeichnung<br />
mehr die Hinweisung auf eine konkrete, veranschaulichende Gestalt,<br />
als einen abstrakten Zahlenbegriff. Daher: <strong>der</strong> Fuß, die<br />
Ruthe (Gerte, M'äe, )^i-ä, vii'^a, p68tioH), <strong>der</strong> Morgen, das<br />
Tagewerk, die Wende, die Scheffelaussaat, das Joch. Würden<br />
die m südlicheren Gegenden gebräuchlichen und die in ihrer<br />
figürlichen Bedeutung uns nicht mehr ebenso leicht verständlichen<br />
Längen- o<strong>der</strong> Flächenmaßbezeichnungen älterer Zeiten<br />
herangezogen, so würden sich die obigen Beispiele leicht auf<br />
das Zehn- und Zwanzigfache vermehren lassen; schwerlich wird<br />
sich aber aus alter Zeit eine Maßbezcichnung anführen lassen,<br />
welche mit Sicherheit von einem Zahlworte abzuleiten ist. ^4)<br />
^) Vielleicht wird das im Ieverlande vorkommende „Hun<strong>der</strong>t"<br />
ausgenommen werden müsseu. Seine urkundliche Beglaubigung be-<br />
zweifele ich nicht; aber ich nehme Anstand, die mo<strong>der</strong>ne Neduzirung<br />
auf ^Nutheu dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t zuzuschreiben o<strong>der</strong> als schon da-<br />
mals bekannt anzunehmen. — Das Wort Hufe als Aäermaßbczeich-<br />
uuug ist allerdings kein bildlicher Ausdruck; wahrscheinlich bedeutet<br />
es zunächst ein geschlossenes Bcsitzthum (Vauerhufe, Nittcrhuse) uud<br />
ist erst später Maßbezeichnung geworden. Vcrgl. Grimm, Wörter-<br />
buch Vd. 4 Abth. 3 Spalte 1867. Daß einmal (o<strong>der</strong> vielleicht einige<br />
Male) eine alte Maßbezeichnung vorkommt, welche nicht eine bildliche,<br />
son<strong>der</strong>n aus Vesitzbezeichuuugen übertragen ist, wird meiner Ansicht<br />
nicht entgegengehalten werden können.
452 Das .Hundekorn.<br />
Meine Vermnthnng geht dahin, daß das Hnnt <strong>der</strong> Marschen<br />
ein Naturmaß, eine bildliche Bezeichnung ist. Was danach<br />
das Wort bedeutet, ist schwer zu sagen. Aber auf die Gefahr<br />
hin, von Knndigeren mit <strong>der</strong>selben Zurückgewiesen zn werden,<br />
will ich eine Konjektnr aufstellen, welche allerdings mir diejenigen<br />
ganz verstehen werden, welche die Konfiguration <strong>der</strong><br />
Marschlän<strong>der</strong> kennen.<br />
Die Aecker in den Marschen — namentlich in den Elbmarschen<br />
— haben sals Morgen) in <strong>der</strong> Regel eine Breite<br />
von vier Ruthen, seltener
Das .Hundekorn. 453<br />
in den Marschen Huut nennt. Man denke sich die Figur eines<br />
solchen Ackerstückcs! — Hat das Wort Hunt eine Bedeutung,<br />
welches auf eine solche Figur angewendet werden kann?<br />
„Hvasa ma slaich icfcha ncrpch mich cha Hund,<br />
sa brcckt hi siftcnc scillmFar."<br />
So bestimmen die Emsinger Nußtaxen — §. 41 —235)<br />
Das heißt in wörtlicher Übersetzung:<br />
Welcher Mann schlägt o<strong>der</strong> wirft mit dem Knittel, so<br />
verbricht er fünfzehn Schillinge.<br />
Der korrcspondirende mittelnie<strong>der</strong>deutsche Text <strong>der</strong>sclbcu<br />
Vorschrift lautet:<br />
„die slacshcn -wert ofrc ^orpcn m^t cencn Hunt,<br />
dc breck XV scillingc."<br />
235) v. Richthofcn, Friesische Rcchtsquellen S. 243. Die Uebersetzung<br />
nach v. Nichthofen's Altfriesischem Wörterbuch. In dem<br />
letzteren ist 1iun6 als Knittel erklärt und es siud dafür mehrere<br />
Autoritäten angeführt. Eiu Stein kauu nicht darunter zu verstehen<br />
sein, jedenfalls nicht in <strong>der</strong> alten nie<strong>der</strong>deutschen Uebersetzung, welche<br />
die an obige Worte unmittelbar sich anschließende friesische Stelle:<br />
^Viyalcc thrimme furlhere" überträgt: ^m^t eonen stenen een<br />
<strong>der</strong>do dcol mer." Außerdem spricht für die gedachte Bedeutung des<br />
Wortes <strong>der</strong> Umstand, daß in an<strong>der</strong>en altfriesischen Vußtareu ganz<br />
ähnliche Strafen „pro iotu duculi", „LwtLloo", „LwiLiesclv" au-<br />
gedroht siud. sv. Nichthoseu, Fries. Nechtsquelleu S. 92 liu. 27 S. 93<br />
Iw. 27 uud 3iote 13.) Der alte nie<strong>der</strong>deutsche Text, wie er oben<br />
mitgetheilt wird, ist bei v. Nichthofcu neben dem friesischen als tz. 36<br />
des ersteren abgedruckt. Iu dem Wörterb. tbeilt v. R. anf S. 830<br />
mit, daß in einer Handschrift des mittelnie<strong>der</strong>deutschen Tertes <strong>der</strong><br />
Eiusinger Bußtarcn an unserer Stelle deutlich nicht Iiuut, son<strong>der</strong>n<br />
Innit geschrieben stehe: „Die bestimmten Züge <strong>der</strong> Schrift gestatten iu<br />
keiuer Weise dafür nuut zu lesen; über jedem u steht deutlich eiu<br />
Halbkreis." Diese an<strong>der</strong>e Forni desselben Wortes läßt sich daraus<br />
erklären, daß im Nie<strong>der</strong>deutschen <strong>der</strong> Ausfall des u vor einem an<strong>der</strong>n<br />
Konsonanten nicht selten ist und daß dadurch <strong>der</strong> dem ausgestoßcucu<br />
11 vorangehende Vokal gedehnt wird, so daß also aus duuä wird Iiüd<br />
o<strong>der</strong> Iluuä. Dem Abschreiber mag die letztere Form geläufiger<br />
gewesen sein (die Haudschrist stammt aus dem 15. Jahrhun<strong>der</strong>t. Vergl.<br />
v. Richthofen, Ncchtsquelleu S. X VIII). Ob das „hottantzc Hoedt"<br />
hiernach zu erklären ist svergl. oben Anm. 229), lasse ich auch hier<br />
dahin gestellt.
454 Das Hundekorn.<br />
Denken wir nun zurück an unser Ackerstück Hunt in <strong>der</strong><br />
Marsch, dessen Figur wir mit <strong>der</strong> Nebenerwägung betrachten,<br />
daß — zu schweigen von dem Längenmaße Nuthe o<strong>der</strong><br />
Gerte — noch eine an<strong>der</strong>e, schon im 14. Jahrhun<strong>der</strong>te vorkommende<br />
Bezeichnung für eiue Landfläche von eiuem Stücke<br />
Holz hergenommen ist: ein „Block Landes",^) so dürfte es<br />
unserer Phantasie, welche an Lebhaftigkeit die <strong>der</strong> alten friesischen<br />
Marschbewohner schwerlich erreicht, nicht zu viel<br />
zugemuthet sein, wenn wir iu dem 4 Ruthen breiten und<br />
20 Rutheu langen o<strong>der</strong> 2 Rutheu breiten und 40 Ruthen<br />
langen, in <strong>der</strong> Mitte mit einem <strong>der</strong> Länge nach verlaufenden<br />
Bnckel versehenen Ackerstücke den dicken Knittel wie<strong>der</strong> erkennen<br />
sollen, den die alten Friesen darin sehen mochten. ^)<br />
Sollte meine Phantasie doch lebhafter gewesen sein, als<br />
es <strong>der</strong>jenigen eines alten Naturvolkes zugetraut werden kann,<br />
so bitte ich meine geneigten Leser wegen dieser neuen Konjektur<br />
um Entschuldigung.<br />
N6) Schiller und Lübben a. a. O. Bd. 1 S. 360 unter:<br />
Vergl. auch Grimm, Wörterb. Bd. 2 Spalte 137. Im Gebiete <strong>der</strong><br />
Stadt Bremen heißt ein Landstrich: Blockland.<br />
^) Vemerkenswerth dürfte es auch sein, daß das Ackermaß Hnnt<br />
o<strong>der</strong> HoriänZ sich nnr nachweisen läßt an Orten, welche entwe<strong>der</strong><br />
ursprünglich von Friesen bewohnt waren o<strong>der</strong> nach welchen eine starke<br />
friesische (holländische) Einwan<strong>der</strong>ung stattgefnnden hat, wie nach den<br />
Elb- nnd Wesermarschen. Das dürfte meine Konjektnr, nach welcher<br />
das Wort Hunt als Ackermaßbezeichnnng ursprünglich ein altjriesisches<br />
sein müßte, unterstützen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ließe sich daraus<br />
ableiten, daß auch in dem Worte Hnndekorn die Ackermaßbezeichnung<br />
enthalten sei und daß die holländischen Einwan<strong>der</strong>er das so zu<br />
erklärende Wort Hnndekorn in das Magdebnrgische übertragen<br />
hätten. Aber die oben angegebenen Gründe machen dies unwahrscheinlich,<br />
nnd wir wissen we<strong>der</strong> etwas von einer Hnndekorn-Abgabe<br />
bei den Friesen noch von einer friesischen Einwan<strong>der</strong>ung nach Pommern<br />
nnd nach Meklenbnrg, wo das Hnndekorn viel häufiger vorkommt<br />
als im Magdebnrgischen.
Das Hundekorn. 455<br />
Nachtrag. ')<br />
In <strong>der</strong> Einleitung uud in dem Anhange habe ich mitgetheilt,<br />
daß die Annahme, Hnndekorn sei stets eine Iagdabgabe,<br />
bisher die herrschende gewesen sei; ich will aber nicht<br />
unerwähnt lassen, daß diese Ansicht schon in älterer Zeit als<br />
eine unrichtige bezeichnet ist. So z. B. referirt Stavcnhagcn<br />
in seiner „Topographischen und Chronologischen Beschreibung<br />
<strong>der</strong> Stadt Anklam, <strong>Greifswald</strong> 1773," den Inhalt<br />
eines Vergleiches, welchen die Stadt mit dem Kloster Stolp<br />
im Jahre 1348 „umme de Elven Pundt Koru-Geldeß tho<br />
Gellende" abgeschlossen hat, mit folgenden Worten (S. 180):<br />
„daß das Kloster die Hebung des Korngeldes zu Gellendin,<br />
welches man zu uuserer Zeit mit II n recht<br />
Hundekorn nennt, so lange behalte bis die Stadt<br />
ein gleiches Korngeld in des Klosters Güter angekauft<br />
und sür die Gcllendinschc Hebung vertanschct habe."<br />
Anch scheinen schon ältere Schriftsteller bei Erwähnung<br />
<strong>der</strong> Kornhebungcn für die Iagdbcrcchtigten darüber Zweifel<br />
gehabt zu haben, ob diefe Hebungen nicht vielmehr mit <strong>der</strong><br />
Gerichtshcrrlichkcit zusammenhängen. Dergleichen Andeutungen<br />
finde ich z. B. in Lsäoläi t1i083>ui'ii8 ^ractionZ 6ä. Diot-<br />
Iioi'i' ot ^ritZoli) ^0i'iuil). 1679^ 8iil) voci^. Forst,<br />
Forstliche Obrigkeit (S. 260 ff.) uud Vogthaberen (S. 972.<br />
S. 613: „In<br />
t moclii, Iagthabern, Forsthabern. Ii<br />
Hundshabcrn.") Vielleicht ergeben weitere Forschungen,<br />
daß anch die als Hu nd e Hafer bezeichnete Abgabe cille Iagdabgabe<br />
nicht ist und daß die in dieser Veziehuug vou Di'. Klem-<br />
Pin gemachten Einränmuugcn schou zu weit gehen.<br />
^) S. S. 316 Anm. 0.<br />
Di'. Kiihne.<br />
30
456 Verlassenschaftvnwentar<br />
Verlajstnschaftöinuentar<br />
<strong>der</strong> Herzogin Sophia von Pommmt, Erbin des Königs<br />
Erich von Schweden nnd Wittwe des Herzogs Erich II.<br />
von Pommern.<br />
1497.<br />
Mitgetheilt von Dr. von Vülow, Staatsarchivar.<br />
Der Ruhm, welchen <strong>der</strong> Unionskönig Erich von Dänemark,<br />
Norwegen nnd Schweden in seinem großen Reiche sich erworben<br />
hatte, war gering, nm so unermeßlichere Reichthümer<br />
aber brachte er sammt dem Haß seiner bisherigen Unterthanen<br />
im Jahre 1439 von dort in sein angestammtes hinterpommersches<br />
Herzogthnm wie<strong>der</strong> mit zurück. Kanzow berichtet über<br />
dieselben, theils ans eigner Anschauung, theils nach den Erzählungen<br />
An<strong>der</strong>er folgendes ^):<br />
Zuerst nennt er als Hauptstück ein Iesusbild, so groß<br />
als ein Knabe von fünfzehn Jahren, ans lauterem arabischem<br />
Golde, dazn die Bildsäulen <strong>der</strong> zwölf Apostel „wie Kin<strong>der</strong><br />
groß" ans gediegenem Silber, eine goldene Schanmünze,<br />
100,000 Gulden werth, die <strong>der</strong> König mit seinem Gemahl,<br />
Königin Philippa zum Brautschatz erhielt, eine goldene Gans,<br />
die auf dem Thurme des Schlosses Wordingborg als Wetterfahne<br />
gedient hatte, dazu eine Menge königliches Silbergeschirr,<br />
Credenzschüsseln, Kleinode ?c. Selbst gesehen hatte Kanzow<br />
diese Schätze nicht, wohl aber eine nicht min<strong>der</strong> kostbare Monstranz<br />
eitel von arabischem Golde und ein ganzes Einhorn,<br />
') Kosegarten, Pomerama, II. S. ')4. Kanzow schrieb seine<br />
Chronik etwa 1530 ff.
<strong>der</strong> Herzogin topina von Pommern. 4,57<br />
letzteres bekanntlich ini Mittelalter höher geschätzt, als die<br />
edelsten Metalle nnd köstlichsten Steine. Die Monstranz hatte<br />
Erich <strong>der</strong> Schloßkirche zn Nügenwalde, wohin er sich zurück-<br />
gezogen hatte, geschenkt nnd das Einhorn als Wächter davor<br />
gestellt. „Wie es nm die übrigen Schätze ist", fährt er fort,<br />
„weiß man nicht, etliche meinen, sie seien noch ganz vor-<br />
handen,, etliche meinen nein, aber die Fürsten lassen ihre Heim-<br />
lichkeit nicht gern wissen."<br />
Die Erbin dieser Reichthümer war nach des Königs in:<br />
Jahre 1459 erfolgten Tode die Tochter seines Vetters Herzogs<br />
Bogislav IX., Sophia, seit dem November 1451 mit ihrem<br />
Neffen Herzog Erich II. von Pommern-Wolgast vermählt, nnd<br />
wenn anch <strong>der</strong> Chronist an <strong>der</strong> eben angeführten Stelle die<br />
Vcrmnthnng durchblicken läßt, als fei mit dem Nachlaß nicht<br />
ganz ordnungsgemäß verfahren worden, so giebt er an andrer<br />
Stelle'^) doch zn, daß die Herzogin „gemeiniglich alle Schätze,<br />
so König Erich mit sich gebracht, noch fand und bekam."<br />
Die Herzogin Sophia war bekanntlich eine auf ihre<br />
königliche Abkunft (sie stammte mütterlicherseits vom polnischen<br />
Herrscherhause ab) stolze Frau, die den anch nicht eben sanft<br />
gearteten Gatten den Abstand <strong>der</strong> Gebnrt und des Reichthnms<br />
so sehr fühlen ließ, daß des eheliche Verhältniß darnnter schwer<br />
litt und beide getrennt von einan<strong>der</strong> lebten. Als Erich II.<br />
am 5. Juli 1474 starb, überkam die Herzogin die Fnrcht,<br />
sein Nachfolger, <strong>der</strong> kräftige Bogislav X., werde die dem Vater<br />
nnd in früher Ingend anch ihm selbst angethane Schmach<br />
nnd Vernachlässigung rächen, so daß sie eilends ihre Schätze<br />
nnd Kleinodien zusammeuraffte nud mit ihrem Hofhalt von<br />
Rügenwaldc erst nach Stolp und dann nach Danzig floh.<br />
Dort soll sie in verbotenem Umgänge mit ihrem Hofmeister<br />
Hans von Massow gelebt und iu kurzer Zeit viel von ihren<br />
reichen Schätzen verschwendet haben. Obgleich sie sich nach<br />
einigen Jahren uuter Aufgabe aller Ansprüche an das Land<br />
Pommern uud au ihr Leibgcdinge mit ihrem Sohn wie<strong>der</strong><br />
^'1 Pomcrania II. S. 105.<br />
30»
458 Verta ssenschaftsinuentar<br />
aussöhnte nnd von demselben Stadt und Amt Stolp zum<br />
Leibgedinge erhielt, so ist doch erwiesen, daß von den nnermeßlichen<br />
Schätzen des Königs Erich nur ein geringer Theil<br />
ans Herzog Vogislav vererbte ^). Was er erhielt, ist ersichtlich<br />
aus dem nach <strong>der</strong> Mntter Tode von ihrem Eigenthnm aufgenommenen<br />
Inventar, welches nuteu im Abdruck folgt.<br />
Dasselbe enthalt zwar eine Menge Kleinodien nnd mit Perlen<br />
nnd kostbaren Steinen besetzte Schmnckfachen, die Hanptstücke<br />
ans dem früheren königlichen Schatz fehlen jedoch, wie die<br />
folgende Vergleichnng zeigen wird.<br />
Die Moustranz nnd das Einhorn müssen vorab ausgeschieden<br />
werden, da König Erich dieselben für die Kirche zn<br />
Rügenwalde bestimmt hatte nnd sie zn Kanzows Zeiten noch<br />
dort gewesen waren. Einzelne Stücke werden aber von dem<br />
Einhorn vorher abgelöst worden sein, denn in Sophiens Nachlaß<br />
findet sich sowohl „ein Stück vom Einhorn, nicht groß"<br />
als auch „ein Paternoster von Einhorn".<br />
Die eigentlichen Prnnkstücke des Schatzes fehlen sämmtlich,<br />
so zunächst das Iesnsbild, ebenso <strong>der</strong> Zehntausendguldeupfennig<br />
und die goldene Gans. Heiligenbil<strong>der</strong> von edlem Metall enthält<br />
das Inventar zwar mehrere, doch darf an die zwölf<br />
Apostel des Königsschatzcs nicht gedacht werden; diese waren<br />
von Silber uud von beträchtlicher Größe, „wie Kin<strong>der</strong>", die<br />
Heiligenbil<strong>der</strong> des Nachlasses waren dagegen golden nnd werden<br />
ansdrücklich als von <strong>der</strong>jenigen geringen Größe bezeichnet,<br />
loie man sie an Rosenkränzen zn tragen pflegte. Auch stellten<br />
diese Bildchen, mit Ansnahme des Johannes, keine Apostel<br />
dar, son<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>e Heilige, S. Lanrentins, S. Kathariua<br />
nnd S. Georg. Was dagegen vorhanden ist, war ja allerdings<br />
von Werth, wie die vielen Ketteil nnd Kreuze mit Perlen ?e.,<br />
es war aber nichts, was sich nicht ini Nachlaß einer jeden<br />
') Vgl. auch die Klageschrift Bi?gislavs gegeu seine Mutter aus<br />
<strong>der</strong> Zeit vou 1480—1483, abgedruckt iu Klempiu, Dipl. Beiträge,<br />
S. 477. Au an<strong>der</strong>er Stelle äußert sich <strong>der</strong> Herzog: „llnnd schall mmv<br />
densutvenn schat wed<strong>der</strong>schickenn, denn iv^ aclnenn up lnin<strong>der</strong>r<br />
dusenr guldenn." Staatsarchiv zu Stettin: Mscr. St.-A. II. !2, Vl. 202.
<strong>der</strong> Herzogin Sophia von Pommern. 45.)<br />
Fürstin jener Zeit anch gesunden haben würde, denn selbst die<br />
,. goldene Krone nnt Peilen" branchi nichl als königliches<br />
Wiirdezeichcn erklärt zn n^erdeu, son<strong>der</strong>n kann ein weiblicher<br />
Kopfschmuck gelvefen sein Von dein silbernen Tafelgeschirr<br />
mögen einzelne Stücke noch vom König Erich herstammen,<br />
sie kommen aber nicht in Betracht im vergleich mit dem was fehlt.<br />
Mag mm anch die Herzogin, welche ihren Gemahl nm<br />
23 Jahre überlebte, nnd <strong>der</strong> seit <strong>der</strong> Anssöbnnng nnt ihrem<br />
Sohne nichts Tadelnswerthee nachgesagt werden kann, während<br />
dieser langen Zeit manches kostbare Stück verschenkt, zu frommen<br />
Zwecken verwendet o<strong>der</strong> anch verkauft baden, so ist doch nicht<br />
anzunehmen, daß dies unbemerkt babe geschehen können, ani<br />
wenigsten mit einem <strong>der</strong> im ganzen Lande bekannten Prachtstücke,<br />
an <strong>der</strong>en einige ja sogar Dänemark für seinen Staatsschatz<br />
Ansprüche machen zn können glanbte. Einige Kleinode<br />
schenkte die Herzogin a in Mittwoch nach Marine Gebnrt<br />
s12. Sept.) 1464 dem Eonvente des Predigermönchskloster?<br />
zn Stolpe, damit dafür an allen Montagen, Mittwochen nnd<br />
Freitagen Psalmen gesungen werden sollten. «Staatsarchiv zu<br />
Stettin: Orig. Stolpe, Nr. 7!5.) Ter Mangel laß! sich wohl<br />
kanm an<strong>der</strong>s erklären, al^ dasz Sophia znr Bestreitung <strong>der</strong><br />
Kosten ihres zügellosen Lebens mit Hans voli Massoni, namentlich<br />
während des Aufenthalts in Tanzig, sich <strong>der</strong> werthvollsten<br />
Stücke des Schatzes entäußerte, wozu die verwandtschaftlichen<br />
Beziehungen zu dein prunkliebenden polnischen Hos die gewünschte<br />
Gelegenheit geboten haben werden<br />
van<br />
dcmml mlllcjmio quadrmgvnrcjimo nona^<br />
scpmno llppcn mandaci) na sunrc 25arrholodacsc^)<br />
hcbbcnn 5cjsc nascrcvcncnc ^hcscbikcdc<br />
') Staatsarchiv zu Stettin'. Tucalia, ')lV. 7>,<br />
^', Äiontag nach S. ^avilioloinäus trifft im ^alnc 1 l97 aus<br />
^. August.
460 Verlassenschaftsinventar<br />
Pomernn :c. hcrteg)?lrne, in asfvoesende des hochgeborini<br />
forsten, hernn Bllgslaff ro Sterili ?c. hertoge»^,<br />
l:einelick ^affrens Stoycnnn, ^alls Stoyentin,<br />
Gurgeli Ixleest, ^enningk Glasenap, Gllrge<br />
Jochlln Czil)rvit)e, Cläres CzilZ-wiye, Gurgelt<br />
kummer ili b^'wesende her ^Hans Mafsorven rid<strong>der</strong>ò<br />
iuncfron?c 2lbelen Margarete Massoroen, Clarvcs<br />
'vorlnan, tLngelke Jordan^ Peter Ivlemtzen, des radcs<br />
to Stolpe unnd lnyns, notarien hirun<strong>der</strong> csesereven,<br />
upgeslaren unnde bosiehtiget de gudcrc, de de hochgebornn<br />
furstynne, vrou^e Sophia to Stetin^ Pamcrnn<br />
:e. hertoghynne seliger dechtnisse nalaten hadde^<br />
unnd svnt gebunden in allen fasten lnind spynden,<br />
zo hir nasere^en steyt. Item desulven gu<strong>der</strong>e hebbenn<br />
de upgnanten igesehickedeil re<strong>der</strong>e angenomen<br />
erem gnedigcn hernn unnd denvenen to gude, de<br />
dar mochten r>an erves i^egeli recht to Hebben.<br />
(Nuemet ock to botalinge <strong>der</strong> schulde, 30 deden zc<br />
protestatien dat ze de nicht ivv<strong>der</strong> annemen wolden<br />
zun<strong>der</strong> ze botalingc <strong>der</strong> schulde<br />
don unnde ere rverdunge langen lnochten.<br />
Item int erste ys geflllideli yn redense gelde<br />
trre sware nobelen, elven unghersche gülden, dre<br />
unde druchtich rinschc gülden, ullde dre Hunt gülden<br />
Postulat.<br />
Item e)m stucke vamme enhorne, nicht groth.<br />
Itein sovell unde drllttich ghulden al^ sulver<br />
gelde, minus soß ß.<br />
Iren: ene gülden natele.<br />
Item dre unde tn>intich güldene rynghe.<br />
Itein enen güldenen lepel.<br />
Item c^n paternoster vanll enhornn unlld parlen.<br />
Itcn: e^n gülden cruce luvt elrer keden, dar<br />
stan ^er sophire ynne.
<strong>der</strong> Herzogin Sophia von Pommern,<br />
Item noch eyn cruce
^6^ Verta ssenschaftv in ucntar<br />
Itcnl cyn klrorret bekcr vorcshllldcr lllldc cyn<br />
klcn vorcsuldcr bckcr.<br />
Ilc»?^ cyli klcyn bckcrkcu, dar ys yunc borvrachr<br />
cync »ncrsnycscsc^ lnldc c^n slllvcrcli kanuckcn inidt<br />
bildckcn.<br />
Itcin rvoc sulncrnc klcl^c koppc^ dc inc to hopc<br />
stcckr.<br />
Itcm c)'n klcn kcnnckcn is vorcslll<strong>der</strong>crc
<strong>der</strong> Herzogin Sopliia ^on Ponunern, 463<br />
Item cvn brilli lnanrcl nni>c c^li srvartcli<br />
llcli rock unt>c clicn arra<br />
m l>cr rodcli kvjlc clicli rock valili o<br />
stllckc lllil>c clicn rock vali cncm<br />
cyli rock van clicin blav^cli undc csclcli<br />
guldcn stllckc.<br />
Itcln cvn rock vali blan?cln ^ainlnil^ mit hermc-<br />
Icli fodcrt.<br />
Irclli cvn blav»? dalnaskcn rock mvt laßkcnn<br />
fot>crr.<br />
crllkc mouvocli van cmldcn stucken.<br />
tvr>c dcckcn<br />
lioch rvoc kistcn, in l>cr clicn synr roprc,<br />
in dcr a»idcrcli synr lakcnli li»idc halirdivclcnclic pustc<br />
cyli olr sidcli kujfcn.<br />
IlclN nccscli rol>c f>ll>Ic midc vccr rot>c<br />
vali Icddcr.<br />
Irclli drc luidc vcrrict) rvnncnc vatc luttick lllil>c<br />
grolc I linsjunics hanrvat, XV Frapcli<br />
llnl>c I schorrcll^ra^cli.<br />
Ircm XXXIII rvinicnc srosc, llirrick nndc cs<br />
IrelN Uli i^rolc kcrkcnc, XII! klclic bcrkcnc<br />
III
464 Verlassenschaftsmventar<br />
Item VII misschinFessche luchterc, VI klene<br />
tynnene vlafschenli.<br />
Iren: ene csrore blcckvlafsche^ ene holtene spuntvlafsche<br />
unde II par dischmcfse.<br />
Item cne tynnene vlafsche lnyt eneme vo<strong>der</strong>e.<br />
Item vlff beddealß lin-want unde II stucke Hollandes liniwant)<br />
nicht vele, II stucke czeter^^ blaw unde roth.<br />
Item I stucke -roestvels.<br />
Item in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en kisten synt XIIII par lakene.<br />
Item III badekappeN) XV hemmeden, viff kufsenburen^<br />
I stllcke litrvoant unde ene beddcsbure.<br />
To<br />
In dcme have to Groten Bruscoro synt ane<br />
vertich lutke unde Frote.<br />
Zeter, ein Zeug.<br />
Brüskow im Amte Stolp.
<strong>der</strong> Herzogin Sophia von Pommern. 465<br />
Ircm XXXV hovcde cfroth rvnrvcc.<br />
XI kalvcre.<br />
up dclnc kornebovcli is II dromer<br />
Ircm XII güße.<br />
Item m cr schune zynr I^XXVII<br />
rocscscncr csarvcn.<br />
by XI. schapcn.<br />
Ira cst quo silpra Simili Brrni norarills scripstt<br />
manu propria.<br />
Eine tartansche Gesandtschaft.<br />
1681.<br />
Im Sommer des Jahres 1681 traf eine tartarische Gesandtschaft<br />
ans ihrem Wege nach Stockholm zu dem Könige<br />
Karl XI. von Schweden in Stettin ein, nm von dort ans<br />
die Reise zn Wasser fortzusetzen. An <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong>selben<br />
stand Schach Kazy Aga, welcher ein Gefolge von 20 Personen<br />
mit 40 Pferden hatte, von denen zwei als Geschenk für<br />
den König von Schweden bestimmt waren. Ueber den Zweck<br />
<strong>der</strong> Sendung geben hiesige Acten ^) keine Auskunft.<br />
Die Reise geschah ans königliche Kosten, und da grade<br />
kein Schiff in Stettin nach Stockholm bereit lag, so wurde<br />
mit dein stettiner Bürger und Schiffer Hans Hartke untet<br />
dem 30. August 1681 eigens aecordirt, daß er seine Bojarte<br />
von etwa 20 Last fertig machen, Ballast einnehmen, und die<br />
Gesandtschaft mit dem nächsten favorablen Winde im Namen<br />
>4) viom ^ 100 - 120 Garben o<strong>der</strong> Hausen.<br />
') Staatsarchiv zu Stettin: Schwed. Arch. Tit. 77 Nr< 1.
466 Eine tartarische Gesandtschaft.<br />
Gottes nach Stockholm fortschaffen solle. Da er keine weitere<br />
Fracht laden durfte, so wnrden ihm für die Fahrt 150 Thaler,<br />
in zwei Raten zahlbar, zngefagt. Die Pferde, mit Ansnahme<br />
<strong>der</strong> zwei für den König von Schweden bestimmten, blieben<br />
mit ' fünf bis sechs Personen, die dieselben zn warten hatten,<br />
znnächst in Stettin zurück nnd wnrden anf die Stadtwiesen<br />
zur Weide gelassen; doch war das Gras daselbst zu naß,<br />
die tartarischen Stallknechte führten Beschwerde, und <strong>der</strong> Rath<br />
von Stettin sah sich nach an<strong>der</strong>er Gelegenheit nm. Anf Anfragen<br />
berichtete denn auch schon unter dein 21. September<br />
<strong>der</strong> Proviantmeister Stolting aus Damm, daß auf dem dortigen<br />
Stadtfelde soviel Wiesewachs vorhanden, daß die gedachten<br />
Pferde daselbst noch eine Zeitlang weiden könnten, auch seieu die<br />
Heuwiesen sowohl am podejuchschen Wege als nach dem Knüppeldamm<br />
zn anf festem Grunde gelegen nnd mit Nachmaht wohl<br />
bewachsen. Nicht min<strong>der</strong> werde für die dazu gehörigen Leute<br />
sich Unterkommen finden. Die Umquartierung <strong>der</strong> Pferde uud<br />
Mannfchaft nach Damm geschah in Folge dessen <strong>der</strong> Art, daß<br />
die bisher bei dem Vürgervorfprach Samuel Wulff liegenden<br />
Soldaten an<strong>der</strong>swo untergebracht wurden, uud er dafür die<br />
Tartaren erhielt.<br />
Die fremden Gäste gaben ihrem nenen Wirth viel Urfach<br />
zur Klage und wenn auch, wie dies bekanntlich in solchen<br />
Fällen immer geschieht, seine an die königliche Regierung in<br />
Stettin gerichteten Befchwerdcfchreiben, in denen er fich als<br />
das unschuldige Opfer von Intrigueu darstellt, vou Uebertreibung<br />
nicht frei sein werden, fo mag doch immerhin etwas<br />
Wahres daran sein, und jedenfalls haben wir keine Urfach das<br />
anzuzweifeln, was er von <strong>der</strong> Lebensart und dem Gebahren<br />
<strong>der</strong> Tartaren sagt.<br />
Der Rath von Damm hatte übrigens in Voraussicht<br />
dessen, was kommen würde, nicht nur die füuf tartarischeu<br />
Stallknechte in ein gemeinsames Quartier gelegt, denn er wollte<br />
lieber eine Beschwerde wegen füuf, als fünf Beschwerden<br />
wegen je eines nnliebsamen Einlegers haben, son<strong>der</strong>n er hatte<br />
anch feinerfeits bei <strong>der</strong> königlichen Regierung vorgearbeitet und
Eine tartarische Gesandtschaft. 467<br />
<strong>der</strong>selben dargestellt, daß eine Aen<strong>der</strong>nng nicht möglich sei und<br />
<strong>der</strong> Wirth ja anch dadurch eine Erleichterung genösse, daß er<br />
von <strong>der</strong> gewöhnlichen Einquartierung befreit wäre. Wulff<br />
seinerseits beschwerte sich, die Tartaren hätten in seiner Abwesenheit<br />
von einem Stall, worin er sein bischen Vieh stehen<br />
habe, das Schloß abgehaucu, denselben mit Gewalt nnd in <strong>der</strong><br />
Absicht geöffnet, sein Vieh hinauszutreibeu und statt dessen<br />
ihre Pferde einzustellen, ja schließlich hätten sie dieselben ans<br />
seinem Hansflnr uutergebracht. Auch gegen ihn felbst und<br />
seme schwache und kränkliche Frau hätten sie sich gewandt, sie<br />
aus ihrer Wohnstube vertrieben uud sich allerhand an<strong>der</strong>e Gewaltthätigkeiten<br />
erlaubt, „auch bey ihrem mehr denn viehischen<br />
Leben und Gesöffe des Nachts folch Feur" augemacht, „daß<br />
ich uud die meinigcn so wenig alßdan als des Tages einige<br />
Ruhe vor ihnen haben können uud alle Augenblick ein gemeines<br />
Unglück befahren müssen. Wenn dan solch Ungemach<br />
weiter zu dulden nur nicht muglich, mich auch zur Desperation<br />
nnd dahin bringen wird, daß ich etwas anfangen möchte,<br />
darauß nichts gutes erfolgen dürffte, alß bitte ?c."<br />
Wulffs Bitte ging zunächst dahin, daß nicht mehr Pferde<br />
bei ihm eingelegt würden, als er ohne Schaden für sein Vieh<br />
bei sich unterzubringen vermöchte, sowie daß nicht alle Knechte<br />
bei ihm einqnartiert würden; nnd obgleich <strong>der</strong> Rath in seinem<br />
vorerwähnten Schreiben an die Negierung die Unmöglichkeit<br />
einer Umlcgung behauptet hatte, so muß irgend ein Ausweg<br />
sich doch gefunden haben, denn Wulffs Schreiben trägt die<br />
Randbemerkung: „Diesem Beschwer ist bereits remedyret."<br />
Auf feiue zweite Beschwerde wegeu <strong>der</strong> drohenden Feuersgefahr<br />
wurde nn Interesse <strong>der</strong> allgemeinen Sicherheit ebenfalls,<br />
uutcr dem 24. Oetober, Verfügung getroffen, indem <strong>der</strong> in<br />
Damm commandirende Lieutenant Befehl erhielt, eine Schildwache<br />
vor das Haus zu stellen, nm dem Bürger Schutz zu<br />
halten, den tartarischen Leuten Zuznfprcchcn uud sie zu gebührendem<br />
Comporlement anzuweisen. Letztere hatten ihrerseits<br />
auch I^sache zu klagen, denn sehr bald nach <strong>der</strong> Umquartierung<br />
nach Damm war ihnen eins <strong>der</strong> anvertrauten Pferde, ver-
468 Eine tartaresche Gesandtschaft.<br />
muthlich durch Diebstahl, abhanden gekommen, so daß sie sich<br />
deshalb bei <strong>der</strong> Regierung in Stettin beschwerten. Auf Wulff<br />
fiel übrigeus kein Verdacht, doch konnte die angeordnete Untersuchung<br />
auch den wahren Thäter nicht ausfindig machen.<br />
Sämmtliche Uebelstände wnrden dadurch beseitigt, daß<br />
<strong>der</strong> Gesandte Schach Kazy Aga seine Geschäfte in Stockholm<br />
sehr schnell erledigte nnd sich alsbald auf den Heimweg machte.<br />
Schon am 26. Oetober werden von Stettin aus alle königliche<br />
Beamte von <strong>der</strong> Rückreise desselben benachrichtigt und beauftragt,<br />
ihm und seinem Gefolge jede Erleichterung zu verschaffen.<br />
Der König von Polen hatte dem Gesandten den<br />
polnischen Großen Adam Ratecky als Geleitsmann zugeordnet.<br />
Nach gütigst von dem königlichen Reichsarchiv zu Stockholm<br />
ertheilter Auskunft erschienen in den Jahren 1680 und<br />
1681 drei tartarische Gesandtschaften in Schweden,^) von<br />
denen die des Kazy Aga die zweite war und keinen an<strong>der</strong>n<br />
Zweck hatte, als zwischen beiden Herrschern als Nachbarn Rußlands<br />
freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten und zu vermehren.<br />
Davon zeugt das folgende Antwortfchreiben, welches<br />
König Karl XI. dem Gesandten für seinen Herrn mitgab, uud<br />
dessen Concept im Archiv zu Stockholm aufbewahrt wird.<br />
^ä 861-6"""" ^HI-t^I-01-IHQ I56A6IQ Nui^t (^61-61<br />
w. 80I-6IN83Ì1I10<br />
ut ot t61'1'Q6 1(^061^6^6, (16111(^116 15.681(1611 tÌ516 oin-iina<br />
D0IUÌI10<br />
81166688U8. 86I'6QÌ88ÌM6 ?iil166r)8^ ^N1166 oli3118811116,<br />
1)1'6V6 t6IH^01-Ì8 8PlitÌi1II1 Ìt6lHtÌ8 ^08 Iit61-Ì8,<br />
V68t61' 86lia.6li X^)^ ^.ZH 6xIiÌI)UÌt, ìli-<br />
VÌ86I-6 Ì 1 ä it1i ^ t<br />
6I1ÌN1<br />
2) Vgl. über dieselben Carls on Sweriges Historia un<strong>der</strong><br />
Konungarne af Pfaltziska huset 111. Seite 330.
Eine tartaresche Gesandtschaft. 469<br />
13.11^UiI111 10601'NIII<br />
^1NÌ6ÌtÌ3. 60F11086Ì<br />
P0tuit. It^116 no 0^1ii6 H 1)^1^6 ^08ti'H iu 8Ì1NÌ1Ì<br />
liti<br />
ÌiNll16I180 D6Ì 1)61165610<br />
1111116<br />
1110611111 ^ p )<br />
, 11011 0NiÌtt6It1I18<br />
8tucIÌ0 0MUÌl)N8 118,<br />
in-<br />
6t ^)61' li1Ì^U6111 Ìiit61'I1U1itÌi1Q1 ^08triim t^1H 6.6<br />
III060 V08 I'6666r6 66rtÌ0r68, intuii Ìt6111 ^08)<br />
8Ì6 P086111it, 3.6 8ÌMÌ1ì^ liiit<br />
I1Ì866 6i6IN6nt6r 6imittimi13<br />
D^lintui' ili N6F1H<br />
Ì 6Ì6 3" 06tob. ^" 1681.<br />
Zum Schluß bemerke ich noch, daß die beim Staasarchiv<br />
aufbewahrten Schriftstücke den Namen des Gesandten durchgehends<br />
Razy schreiben, während die stockholmer Acten, denen<br />
ich hierin gefolgt bin, den Gesandten Kazy nennen. Ich bin<br />
nicht in <strong>der</strong> Lage zn entscheiden, welche Form die richtige ist.<br />
«1.
470 Sittenpokzeiliches aus dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t,<br />
Sitteupolheiliches aus dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />
Zu Anfang des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts war die tönigl. Regierung<br />
in Stargard genöthigt, nachstehende Verordnung Zn<br />
erlassen:<br />
Nahmens ?e. wirdt je<strong>der</strong>männiglich hiemit dcmandiret und<br />
anbefohlen, sich von nun an nicht gelüsten zu lassen, innerhalb<br />
dehm Rathhause an diesem Orthe o<strong>der</strong> inwendig an denen<br />
Thüren und in denen Winckeln das Wasser abznschlagen o<strong>der</strong><br />
sonst aufs an<strong>der</strong>e Arth dieses Gebänwde zn verunreinigen,<br />
undt zwar soll <strong>der</strong>jenige, so das erste Mahl betroffen wirdt,<br />
einen Rdl. Straffe geben, o<strong>der</strong> da er nicht Mittel hätte, mit<br />
<strong>der</strong> Straffe, eine Stunde im Halseisen zu stehen, beleget nnd<br />
nachgehends, wenn jemandt sich weiter betreten ließe, die ^)06NH<br />
duftliret werden.<br />
Stargardt, 3. Juli 1706.<br />
de Somnitz. de Cors wandt, de Schrö<strong>der</strong>.<br />
Die gerügte schlechte Sitte muß sehr tief eingewurzelt<br />
gewesen sein, denn kurze Zeit darauf berichtete <strong>der</strong> Canzleidiencr,<br />
daß er einen von Grape ertappt habe, wie er im Rathhause<br />
vor den Regierungsräumen das Wasser abgeschlagen<br />
habe. In dem deshalb auf den 26. September angesetzten<br />
Termin ') erschien <strong>der</strong> Beklagte, wegen Krankheit und Steinbefchwerden<br />
sich entschuldigend, nicht persönlich, seine Frau<br />
aber kani und läugnete das Factnm. Erst als <strong>der</strong> Canzleidiencr<br />
von Neuem bezeugte, „daß er ihn selbst darüber angetroffen,<br />
es gesehen und gehöret, auch deswegen angeredet<br />
habe", bat die Frau, die Sache diesmal „so hingehen zu lassen<br />
nnd die Strahffe in lOZ^räe ihrer zu schenken."<br />
Es wurde entschieden, „daß diesesmahl von dehm von Grapcn<br />
nichts mehr als ein Ndl., so dehm Cantzleydiener zugebillieget,<br />
gcfo<strong>der</strong>t werden soll."<br />
l) Staatsarchiv zu Stettin: Stett. Arch. l'. I. Tit. W Nr. 39
EimmdmclWfter Jahresbericht<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommerschc Geschichte<br />
und Merthumskmlde.<br />
IV. und Schluß.<br />
1. Januar bis 1. April 1879.<br />
In den äußeren Verhältnissen <strong>der</strong> Gesellschaft hat sich<br />
in dem abgelaufenen Verwaltungsjahre nichts von Erheblichkeit<br />
geän<strong>der</strong>t, mit Dank darf vielmehr auch an dieser Stelle<br />
hervorgehoben werden, daß nicht bloß dnrch die reichlicher<br />
ihr jetzt Zufließenden außerordentlichen Geldunterstützungcn,<br />
son<strong>der</strong>n auch durch die stetig zunehmende Theilnahme an ihren<br />
Bestrebungen sie in den verschiedensten Kreisen sich geför<strong>der</strong>t gesehen<br />
hat. Die Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> ist in einem noch<br />
immer stetigen, wenn auch uicht mehr so rapiden Wachsen,<br />
wie vor einigen Jahren, begriffen. Der letzte Schlußbericht<br />
wies am 1. April 1878 einen Bestand an 455 nach<br />
es kamen hinzn im Lanfe des Jahres 40<br />
495<br />
es starben o<strong>der</strong> schieden ans 29<br />
somit bleibt ein Bestand von 466<br />
welcher gleich ist einer Zuuahme von 11 Mitglie<strong>der</strong>n.<br />
Außer den in den Quartalberichten schon nachgewiesenen<br />
31
Einundvierzigster Jahresbericht. lV.<br />
1? und 16 neuen Mitglie<strong>der</strong>n sind <strong>der</strong> Gesellschaft im letzten<br />
Vierteljahr noch beigetreten folgende 7 Herren: Nitter-Gntsbesitzer<br />
Vahrfeldt in Rieh - Nenendorf bei Pfaffendorf,<br />
Appcllationsgerichts-Nath vonT e w i tz, Major v o n K a m e k e<br />
in Stettin, Kreisrichter von Mellcnthin in Schivelbcin,<br />
Ritter-Gutsbesitzer von Petersdorf in Buddendorf bei<br />
Maffow, Kreisrichter Tonrbiö in Värwalde, Krcisgerichts-<br />
Rath Weg euer in Eolberg.<br />
Einen fehr enipfindlichen Verlnst erlitt die Gesellschaft<br />
durch den Tod ihres Ehrenmitgliedes des Geheimen Negicrungs-<br />
Nathcs Herrn Professor Dr. O. F. Schömann in Greifsniald,<br />
<strong>der</strong> in dem hohen Alter von nahezu 86 Iahreu an: 25. März<br />
d. I. verschieden ist. In ihm schicd <strong>der</strong> Nestor <strong>der</strong> Gelehrten<br />
uuscrer Provinz und zugleich eiue unvergleichliche Zierde ihrer<br />
Hochschule, <strong>der</strong>en eigenthümliche Seiten sich in ihm vielfach<br />
geradezu verkörpert hatten. Wir entnehmen ans einem ehrenden<br />
Nachrufe, deu ihm <strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong> Nügisch-Pommerschen<br />
Abtheilung unserer Gesellschaft Herr Professor I)r. Theodor<br />
Pyl in <strong>der</strong> Stralfun<strong>der</strong> Zeitung widmete, über seinen äußereu<br />
Lebensgang nnd seine geistige Entwickelung das Nachstehende:<br />
Georg Friedrich Schömann wnrde geboren am 28. Juni 1793<br />
zu Stralfuud als <strong>der</strong> Sohu des Nechtsanwals Jakob Georg<br />
Schömann und erhielt, da häusliche Verhältnisse eine Nebcrsiedelung<br />
nöthig machten, feine Erziehnng im Hanfe feines<br />
Großvaters, des Nathsherrn G. E. Schömann in Anklam,<br />
nnd befnchte das dortige Gymnasimn nnter den Neetoren<br />
Ioh. Gottfried Lueas Hagenieister uud Thiel. Wenn jener<br />
ihm auch eine allgemeine geistvolle Auffassung des Alterthums,<br />
sowie <strong>der</strong> Geschichte und neneren Literatur, und dieser eine<br />
tüchtige grammatische Ausbildung zu gewähren vermochte, fo<br />
war ihr Einflnß doch so wenig von Dancr nnd Tiefe, daß<br />
Schömann, als er im Jahre 1809 die Universität <strong>Greifswald</strong><br />
bezog, im Zweifel war, ob er Mediein o<strong>der</strong> Philologie studiren<br />
folle. Er befnchte daher abwcchfelnd die Vorlesungen<br />
bei<strong>der</strong> Facnltäten, wnrde aber durch die Sccttonen des anato<br />
mischen Theaters von <strong>der</strong> Mediein so abgeschreckt, daß er sich
Einundvierzigstcr Jahresbericht. IV. 473<br />
dann dauernd <strong>der</strong> Philologie zuwandte. Allein auch ans<br />
diesem Gebiete vermochten ihm we<strong>der</strong> die damals in Oreifswald<br />
lehrenden Professoren, Overkamp, Wallcnius, Tillberg u. A.<br />
noch die vorhandenen Hülfsmittel <strong>der</strong> Universitätsbibliothek Zu<br />
genügen, und gleichen Zuständen begegnete er, als er im Laufe<br />
<strong>der</strong> Jahre 1809—12 die heimathliche Hochschule mit <strong>der</strong> von<br />
Jena vertauschte. Wohl aber erkannte er, daß die philologische<br />
Wissenschaft ihre ebenbürtigen Vertreter in Gottfried Hermann<br />
in Leipzig uud August Bocckh iu Berlin besitze, und richtete<br />
daher sein eifrigstes Bcstrebeu darauf, aus den Schriften bei<strong>der</strong><br />
Gelehrten sich zu unterrichten und mit ihnen,'da seine Mittel<br />
ihm ein längeres Stndium ans jenen Hochschulen nicht gestatteten,<br />
in brieflichen Verkehr zu treten. Er gelangte auch<br />
zu dem gewünschten Ziele und uameutlich Vocckh kam ihm so<br />
freundlich entgegen, daß er ihm alle Bücher, welche Schümann<br />
zu seiucn Studieu gebrauchte, bereitwillig zugänglich machte.<br />
Da Beide nur durch ein Alter von 8 Jahren getrennt wurden,<br />
eutstaud aus dem Verhältniß von Lehrer uud Schiller bald<br />
eine dancrnde Freundschaft, welche Voeckh mit gleicher Achtung<br />
auf seincu jüngeren Gefährten blicken ließ. In <strong>der</strong> ersten<br />
Zeit nach seiner Rückkehr aus Jena wandte er sich jedoch dem<br />
praktischen Schulfache zu, wurde 1813 Conrector in Anklam,<br />
wo er sich anch in erster Ehe vermählte, dann 1814 Conreetor<br />
uud von 1817—1826 Proreetor in Grcifswald. Am 10. Mai<br />
1815 zum Doctor <strong>der</strong> Philosophie promovirt, habilitirte er<br />
sich in dieser Facultät 1820, wurde 1823 außerordentlicher<br />
und 1827 ordentlicher Professor, so wie nach Verwaltung des<br />
Unterbibliothekanats 1821, im Jahre 1844 Obcrbibliothekar<br />
<strong>der</strong> Universität, uud schloß auch 1824 seiue zweite Ehe mit<br />
<strong>der</strong> Tochter seines Amtsgenosseu, des Professors <strong>der</strong> Rechte<br />
Di'. Schildener. Schon während seines Schulamics hatte er<br />
durch seine erste Schrift ,,O
474 Einundvierzigster Jahresbericht. IV.<br />
gestellten Preisangabe. Als er dann nach seinem Abgange<br />
vom Gymnasinm freiere Zeit gewann, sich dein Stndinm <strong>der</strong><br />
Griechischen Rechtsalterthümer im weiteren Umfange zn widmen,<br />
veröffentlichte er als die Frncht dieser Bestrebungen 1880—31<br />
die Reden des Isäns nnd 1838 )Anti
Einundvierzigster Jahresbericht. IV. 475<br />
seine Thätigkeit als Bibliothekar geleitet, anch die übrigen<br />
philosophisch-historischen Wissenschaften mit regem Eifer, und<br />
begegnete sich ans dem Gebiete <strong>der</strong> allgemeinen Geschichte in<br />
gleicher Neignng mit Leopold Ranke, wie im Felde <strong>der</strong> Rügisch-<br />
Pommerschen Specialhistorie mit seinem Jugendfreunde Mohnike.<br />
Bis in das höchste Alter erfreute er sich eines staunenswerthen<br />
Gedächtnisses und des feiusteu kritischen Blickes, welche ihn auf<br />
jedem Gebiete, welches das Gespräch berührte, stets orientirt<br />
und als Meister <strong>der</strong> Sache erscheinen ließen. Wenn sich in<br />
dieser Weise das Bild des klassischen Alterthums uach seiner<br />
höchsten Vollendung seinem Geiste wie<strong>der</strong>spiegelte, uud auch<br />
die folgenden Zeiten, die sich aus <strong>der</strong> Griechisch-Römischen<br />
Welt entwickelten, vor seinem Blicke ausgebreitet lagen, so bewahrte<br />
er dessenungeachtet auch <strong>der</strong> Gegenwart ein warmes<br />
Interesse und widmete namentlich dem Kaiser und Könige,<br />
dem greisen Altersgenossen, eine innige Verehrung. Als<br />
Schümann bei <strong>der</strong> Feier des vierhun<strong>der</strong>tjährigen Jubelfestes<br />
<strong>der</strong> Universität 1856 die Hochschule als Reetor vertrat, ehrte<br />
<strong>der</strong> Monarch, <strong>der</strong> damals seinen königlichen Bru<strong>der</strong> begleitete,<br />
ihn durch eine längere Unterredung, und bekundete durch die<br />
höchsten Auszeichnungen, welche er in <strong>der</strong> Folge ihm zu deu<br />
eigenen Jubelfesten fpendete, seine Hochachtung und Huld.<br />
Der Vorstand hat durch die Cooptation des Herrn<br />
Kreisgerichtsrath Küster die Zahl seiner Mitglie<strong>der</strong> auf 14<br />
vermehrt und diefe Cooptation die statutenmäßig nachgesuchte<br />
Genehmigung <strong>der</strong> General-Versammlung erhalten. Er bestand<br />
demnach im verflossenen Jahre aus folgenden Herren:<br />
1. Stadtschulrath Balsam.<br />
2. Oberlehrer Dr. Blümcke.<br />
3. Staatsarchivar Dr. von Bülow, Bibliothekar.<br />
4. Oberlehrer Di'. Haag.<br />
5. Professor Di'. Hering.<br />
6. Rentier Knorrn, 2. Sekretär.<br />
7. Oberlehrer Dr. Kühne, Confervator u.Kassenführcr.<br />
8. Krcisgerichtsrath Küster.<br />
9. Professor Lemcke, 1. Sekretär.
476 Einundmer.^qster ^adres<strong>der</strong>icht. IV.<br />
10. Gerichtsassessor a. D. Mueller.<br />
11. Geh. Iustizrath Pitzschky, Rcchnnngsrevisor.<br />
12. Realschullehrer Or. Schlegel.<br />
13. Oberlehrer Schmidt.<br />
14. Ober-Negierungsratt) Trieft.<br />
Die Redaktion <strong>der</strong> baltischen Studicu ist von einem be-<br />
son<strong>der</strong>eil Redaktions-Ansschuß, bestehend ans dem 1. Sekretär<br />
nnd den DOi-. v. Bülolo nnd Haag, besorgt worden.<br />
An die Stelle <strong>der</strong> für ein kleineres Pnbliknm berechneten<br />
nnd mehr anf Speeialuntersuclumgen bernhenden öffentlichen<br />
Wintervorträge hat <strong>der</strong> Borstand in dem vergangenen Winter<br />
den Versuch gemacht, einen Cnelns von solchen Vorlesungen<br />
eintreten zu lasfen, welche eine Uebersicht über die ganze Ge-<br />
schichte Pommerns geben nnd einen größeren Znhörerkreis ver-<br />
sammeln sollten. Das Letztere ist in ungeahntem Maße <strong>der</strong><br />
Fall gewesen und es ist damit <strong>der</strong> Beweis gegeben, daß das<br />
Interesse an unserer heimathlichen Geschichte ein weit lebhaf-<br />
teres und allgemeineres ist, als man gewöhnlich anzunehmen<br />
geneigt ist. Anßer den Stettiner Mitglie<strong>der</strong>n, den Herren<br />
Di-. Kühne, Professor Di'. Hering uud Di-. Haag haben<br />
auch von Auswärtige die Herren Di-. Hanncke ans Cöslin,<br />
Di-. Franck und Di'. Starck aus Demmin sich hierbei zu<br />
betheiligen die Güte gehabt, ihnen allen sei anch an dieser<br />
Stelle nochmals <strong>der</strong> gebührende Dank gesagt.<br />
Die Zahl <strong>der</strong> eorrespondirenden Vereine hat sich<br />
nm zwei vermehrt, den Naturwissenschaftlichen Verein für<br />
Schleswig-Holstein in Kiel und den Verein für die Geschichte<br />
<strong>der</strong> Stadt Nürnberg.<br />
Die Kasse, welche in dein vorjährigen Bericht mit einem<br />
Baarbestand von 214.74 Mark abschloß, hatte eine Einnahme<br />
von M. 5358.—.<br />
Dazu Resteinnahme ans 1877 „ 740.33.<br />
Obiger Baarbestand „ 214.74.<br />
Summa aller Eiuuahmen M. 6313.07.<br />
Die Ausgabe betrug „ 4256.70.<br />
Somit verblieb als Baarbestand . . . . ^ " M
Einundvierzigstcr Jahresbericht. IV. 477<br />
Transport . . . M. 2050.37.<br />
Außerdem besitzt die Gesellschaft ein zinsbar<br />
angelegtes Kapital von „ 4200.—.<br />
Somit betrug das Vermögen am Schlüsse des<br />
Jahres 1878 M. 6256.37.<br />
Die Rechnung ist nach geschehener Prüfung ordnnngsmaßig<br />
in <strong>der</strong> Vorstandssitzung vom 8. Mai 1879 dcchargirt<br />
worden. Einen Auszug aus <strong>der</strong>selben giebt die Beilage 0.<br />
Die Sammlungen haben anch jetzt wie<strong>der</strong> eine reichliche<br />
Vermehruug erfahren; über die <strong>der</strong> Bibliothek theils durch<br />
Schenkung, theils dnrch Kauf zngegaugenen Bücher giebt die<br />
Beilage ^. die nähere Auskunft; die Erwerbnngen des antiquarischen<br />
Museums sind bis zum Februar inel. schon in den<br />
Quartalberichten verzeichnet und ebendaselbst anch sonst über<br />
die Alterthümer berichtet wordeu.<br />
Außer in <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Gesellschaft herausgegebeuen Zeitschrift<br />
ist die Pommersche Geschichte anch an<strong>der</strong>weitig ein Gegenstand<br />
eifriger Forschung gewesen. Wir nennen von den einschlägigen<br />
literarischen Unternehmuugen an erster Stelle eine<br />
Schrift, die mit dem historischen auch einen patriotischen Zweck<br />
verfolgt uud von dem Oberlehrer Herrn Dr. Blase ndor ff<br />
in Pyritz verfaßt die wie<strong>der</strong>holte Anwesenheit <strong>der</strong> Königin<br />
Lili se in Pommern zum Gegeustand ihrer Darstelluug<br />
macht. Da <strong>der</strong> Verfasser außerdem den ans dem Verwnf zu<br />
erzielenden Erlös für eine milde Stiftung, die Waisenkasse <strong>der</strong><br />
Lehrer an den höheren Schulen Pommerns, bestimmt hat, so<br />
ist <strong>der</strong> anziehenden kleinen Schrift, welche auch au Allerhöchster<br />
Stelle sich <strong>der</strong> Auerkenuuug zu erfreuen gehabt hat, um so<br />
mehr eiue recht weite Verbreituug dringend zn wünschen.<br />
Außerdem erschienen:<br />
Geschichte <strong>der</strong> Stadt <strong>Greifswald</strong> von Di'. Theodor Pyl in<br />
dem Jahresbericht <strong>der</strong> Rügisch - Pommerschen Abtheilnng<br />
uuscrer Gesellschaft.<br />
Die Nicolai- und Iaeobikirche in Stralsund von O. Francke<br />
sin den Hansischen Geschichtsblättern),.<br />
Chronik <strong>der</strong> Parochie Hohen-Selchow von den ältesten Zeiten
Liuuudvierziqster Jahresbericht. IV.<br />
bis auf die Gegeuwart vou C. G. F. Scheut. Schwedt<br />
1878.<br />
Zur Geschichte <strong>der</strong> Stadt Schlawe. Theil IV. 1412—1480.<br />
Mit 26 Urkuudeu von Dr. Becker. Programui des Progyuiuasiums<br />
zu Schlawe 1878.<br />
Pommeru zur Zeit Otto's vou Bamberg vou Di'. H. Le limami.<br />
Berlin 1878.<br />
Ciu Veitrag zur Geschichte <strong>der</strong> Züufte <strong>der</strong> Stadt Lauenburg<br />
vou I.Haber. Programui des Progymuasiums zu Laueuburg<br />
1878.<br />
Geschichte <strong>der</strong> Kircheu uud uiildeu Stiftuugeu <strong>der</strong> Stadt Stargard<br />
a. d. Ihna vom Oberlehrer Sch m id t. Stargard 1878.<br />
Bausteine zur Neustettiuer Lokalgeschichte vou Dr. H. Lehuiauu.<br />
Programm des Gymnasinms zn 3censtettin 1879.<br />
Bischof Otto von Bamberg als Apostel <strong>der</strong> Pommern I. von<br />
Dr. Zinzow. Programm des Gymnasiums zu Pyritz 1879.<br />
Lesestücke aus <strong>der</strong> Heimathskuude uud Geschichte Pommerus<br />
vou Suppriau, Seminardirektor. Bielefeld uud Leipzig<br />
1879.<br />
Die Zollrolle Barnim I. von Dr. Blümcke. Programm des<br />
Stadtgymnasiums zu Stettin. 1879.<br />
Die Politik Schwedens im Westfälischen Friedenseongreß von<br />
C. T. Odhner. Gotha 1877.<br />
Pommerns Küste von <strong>der</strong> Dievenow bis zum Dars vou<br />
Paul Lehmann. Breslau 1878.<br />
M. Johannes Rhenanns, Ein Beitrag zur Bergwcrksgeschichte<br />
Pommerus aus dem 16. Iahrhuudcrt vou H. Cramer.<br />
Hatte 1879.<br />
Die Belagerung Stralsunds durch deu großen Kurfürsteu<br />
vou Fraucke (2. Bearbeitung des Aufsatzes in den Balt.<br />
Stud. XXII.)<br />
Alt <strong>der</strong> Fortsetzung des Pommerschen Urkundeubuches<br />
lvird, wie wir mittheilen können, in dem hiesigen Staatsarchiv<br />
durch Herrn Dr. Prümers rüstig gearbeitet uud darf<br />
das Erscheiueu des 2. Bandes als nicht mehr zu ferusteheud<br />
bezeichnet werden.
Einundvierngster Jahresbericht. IV. 479<br />
Die Arbeiten für das Inventar <strong>der</strong> Kunstdenkmäler<br />
schritten lei<strong>der</strong> ans den schon früher erwähnten Gründen<br />
nicht in erfreulicher Weise fort. Zwar konnte die Arbeit<br />
für den Negierungs-Bezirk Stralfund durch Herrn Stadtbaumcister<br />
von Haselbcrg in Stralsund nahezu bis zum Abschluß<br />
gebracht worden, dagegen mußte für die beiden an<strong>der</strong>en Regiernngs-Bezirke<br />
noch immer die Gewinnung von Mitarbeitern<br />
als eine vergeblich erhoffte bezeichnet werden. Erst gegen das<br />
Ende des Winters Zeigte sich auch hier eine erfreuliche Aussicht<br />
auf die Gewiunuug eiuer Kraft, die mit regem Eifer sich<br />
an <strong>der</strong> Lösuug <strong>der</strong> Aufgabe betheiligen will.<br />
Die General-Ve rfam mlun g fand in <strong>der</strong> gewohnten<br />
Weife am 18. Mai 1878 statt. Nach dem von dem ersten<br />
Sekretär erstatteten Jahresbericht trug Herr Di'. Blasendorff<br />
unter vielem Beifall einen Theil aus <strong>der</strong> oben erwähnten<br />
Schrift vor, in welchen! er dasjenige zusammengestellt hatte,<br />
was sich anf die Anwesenheit <strong>der</strong> Königin Luise in Stettin<br />
bezog.<br />
Der Vorstand <strong>der</strong> Gesellschaft für Pommerschc<br />
Geschichte und Merthumskunde.
480 Einundvierzigster Jahresbericht. IV.<br />
Beilage<br />
Zuwachs <strong>der</strong> Bibliothek<br />
vom 1. slpril 1878 bis 1. April 1879.<br />
A grani.<br />
I. Durch Austausch.<br />
cUnu 1. Ni-. 1—3.<br />
Banlberg. Historischer Verein für Oberfranken.<br />
40. Bericht.<br />
Basel. Historische und antiquarische Gesellschaft.<br />
1. Deckengemälde in <strong>der</strong> Krypta des Münsters zn<br />
Basel vouA. Ver noni lli. A. u. d. T. Mittheilungen<br />
Nene Folge. I.<br />
i?. Die Finanzverhältnisse <strong>der</strong> Stadt Basel im 14.<br />
nnd 15. Jahrhun<strong>der</strong>t von G. Schön berg.<br />
Bayreuth. Historischer Verein für Oberfranken.<br />
1. Archiv XIII. 3. XlV. 1.<br />
2. Inbiläumsschrist: l)r. Theodor Mornng von<br />
Kranszold. H. 1. 2.<br />
Berlin. ^. Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und<br />
Urgeschichte.<br />
Verhandlnngen bis November 1878. Ferner Jahrgang<br />
1871.<br />
d) Verein für die Geschichte Berlins.<br />
1. Schriften Lieferung 15. Das Dorf Tempelhof<br />
von C. Brecht.<br />
c;) Der deutsche Herold.<br />
Jahrgang 1877 nnd 1878.
Beilage ^. 481<br />
V istriz. Gewerbeschnle.<br />
4. Jahresbericht.<br />
Berll. Allgemeine geschichl^sorschende Gesellschaft.<br />
Jahrbuch Bd. II!.<br />
Vremen. Historische Abtheilung <strong>der</strong> Gesellschaft des Künstlervereins.<br />
Jahrbuch Bd. lX-X.<br />
Vreslall. !l.) Vereiil für vaterländische Cnltnr.<br />
5>5. Jahresbericht uebsl Schriftenverzeichnis; 1364—<br />
1876.<br />
I)) Verein für Geschichte nnd Alterthümer Schlesiens.<br />
Zeitschrift XIV. 2 uud Audienz Breslaucr Bürger<br />
bei Navotcon 1.<br />
B n dysin. Nl^ic^ 8(3i'I)8^
482 Einundvierzigster Jahresbericht I V.<br />
Freiburg i. B. Gesellschaft für Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Geschichts-,<br />
Alterthums- und Volkskunde.<br />
Zeitschrift Bd. VI. Heft l u. 3.<br />
Genf. 8oci6tü do Z60Ai'3^1)Ì6.<br />
^ (^iodo vol. XVII. l—4. XVIli. I. ^l>l>pi(m>^ul !.<br />
Görlitz, l^) Oberlausitzische Gesellschaft <strong>der</strong> Wissenschaften.<br />
Neues Lausitzisches Magazin Bd. I.IV. Heft 1. 2.<br />
Bd. I.V. heft 1.<br />
d) Naturforfchende Gesellschaft.<br />
Abhandlungen Bd. XVI.<br />
Graz. Historischer Verein für Steiermark.<br />
1. Beiträge Jahrg. XV. 2. Mittheilungen H. 26.<br />
Halle a. S. Thüringisch-Sächsischer Geschichts- nnd Alterthnmsverein.<br />
Neue Mittheilungen Bd. XIV. H. 2.<br />
Hambnrg. Verein für Hamburgische Geschickte.<br />
Mittheilungen 1878. No. 7—12. 1879. No. 1-5.<br />
Hanau. Bezirksverem für Hessische Ocschichts- u. Landeskunde.<br />
Die Grabmäler nnd Särge <strong>der</strong> in Hanan bestatteten<br />
Personen aus den Hänsern Hanan und Hessen<br />
von R. Suchier.<br />
Hannover. Historischer Verein für Nie<strong>der</strong>sachsen.<br />
Zeitschrift Jahrg. 1878.<br />
Heilbronn. Historischer Verein für das Württembergische<br />
Franken.<br />
Zeitschrift Bd. X. 8. Register zn Bd. I-1X.<br />
Hermannstadt. Verein für Siebenbürgische Landeskunde.<br />
1. Archiv N. F. XIV. 1. 2. 2. Die Ernteergebnisse<br />
ans dem ehemaligen Königsboden von M.<br />
Schnster. 3. Jahresbericht 1876/77. 4. Programm<br />
des Gymnasiums zu Hermannstadt 1876/77. 5. Bericht<br />
über das von Vrückenthalische Museum I.<br />
Kahla. Verein für Geschichts- und <strong>Alterthumskunde</strong> zu<br />
Kahla und Roda.<br />
Mittheilungen Bd. II. H. 1.<br />
Kiel. ^Gesellschaft für Schleswig-Holstein-Lauenburgische<br />
Geschichte.<br />
Zeitschrift Bd. VIll.
Beilage ^. 483<br />
1>) Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig-<br />
Holstein.<br />
I. Mittheilungen Heft 1, 4 — 7, 9. 2. Schriften Bd. l.<br />
H. 1. ^. Vd. li. H. _'. Bd. III. H. I.<br />
c;) Schleswig-Holsteinisches Museum vaterländischer<br />
Alterthümer.<br />
.".6. Bericht znr Alterthnmstnnde Schleswig-Holsteins<br />
von H. Handelmann.<br />
Königsberg i. Pr. n.) Alterthnmsverein Prussia.<br />
Altprenßifche Monatsschrift 1878 No. 1—4 n. 7—8.<br />
187^) No. 1--2.<br />
l») Physit'al.-ökonomische Gesellschaft.<br />
Schriften Vd. XVII. 1. 2. XVIII. 1.<br />
Kopenhagen. Xon^eiigo uoräiälio 01d8i^doi'ilnuläc^o 1^ott6i^
484 Einnndvierzigster Jahresbericht' IV.<br />
Meininge n. Alterthnmsforfchen<strong>der</strong> Verein.<br />
Eiuladuugsschrift zuui 1 j. )ll?v. 1378.<br />
München. ^) Königl. Bayerische Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften.<br />
Abhandlungen Bd. XIV. H. 2. Sitzungsberichte-<br />
1878. I. II.<br />
^) Historischer Verein für Oberba^ern.<br />
Archiv Bd. XXXVI. Jahresbericht 36/38.<br />
Münster. Verein für Gcfchichte nnd Alterthiimer Westfalens.<br />
Zeitschrift Bd. XXXV. n. XXXVI.<br />
Namiir. 8oc;i6tü ai'^^olo^icsul?.<br />
^Vnn:l.1«8 1^(1. XIV. '2. 3. uini 1^05 lic!l^ «In i;onit,«><br />
Nürnberg, a) Germanisches Mnsenm.<br />
Anzeiger fiir Kunde <strong>der</strong> deutscheu Vorzeit 1878.<br />
I)) Verein für Geschichte <strong>der</strong> Stadt Nürnberg.<br />
Mittheilungen Heft 1.<br />
Oldenburg. Landesverein fiir Alterthnlnsknnde.<br />
Bericht für 1877/78.<br />
Osnabrück. Historischer Verein.<br />
Mittheilungen Bd. XI,<br />
St. Peter s b n r g. (^ou^inig^ion iin^i'i^Ic ^i'eli^olooiciuG.<br />
1^p^)0i'ty POUI' los nnin'cs 187,'), 1376.<br />
Neval. Esthländische literarische Gesellschaft.<br />
Beiträge Bd. II H. 3. Archiv, N. F. Bd. VI.<br />
Riga. Gesellschaft für Geschichte nnd Altcrthnmsknnde<br />
<strong>der</strong> Ostseeprovinzen Rnßlands.<br />
Sitzungsberichte 1876.<br />
Salzwedel. Altmärkischer Verein für vaterländische Geschichte.<br />
19. Jahresbericht.<br />
Schwerin. Verein fiir Meklenbnrgischc Geschichte nnd Alterthmnsknnde.<br />
Jahrbücher Iahrgaug 43. Urkuudeubuch Bd. XI.<br />
Sigma ringen. Verein für Geschichte nnd Alterthnmsknnde<br />
in Hohenzollern.<br />
Mittheilungen Iahrgaug 11.<br />
Stadtamhof. Historischer Verein für Oberftfalz nnd Regens^<br />
bnrg.<br />
Verhandlungen Bd. XXXIII.
Beilage ^. 485)<br />
Ituttgar t. Würtemberqischer Alterthnmsverein.<br />
Vicrteljahrsschrift 1373. H. 1^ 4. Kloster Manldronn,<br />
Heft _>. ^.<br />
Tongres. 8c)cu'i5 8ci(?ntiin^u'
486 Eiuundvierzigster Jahresbericht. IV.<br />
6. Von dem Oberregiernngsrath Herrn Freih. von Tcttan in<br />
Erfurt dessen i<br />
Urkundliche Geschichte <strong>der</strong> Tettan'schen Familie in den Zweigen<br />
Tettan und Kinsky. Berlin 1878.<br />
7. Von dem Rektor des Progymnasiums iu Laucnbnrg i. P. :<br />
Ein Beitrag znr Geschichte <strong>der</strong> Zünfte <strong>der</strong> Stadt Lanenbnrg von<br />
I. Haber. Programm des Progymnasiums 1878.<br />
3. Von dem Herrn Ober Präsidenten von Hannover im Auftrage<br />
Sr. Erc. des Herrn Ministers <strong>der</strong> geistl. :
Beilage ^. 487<br />
18. Von dem Rektor des Progyiiiiiasinms in Schlawe Herrn N>-.<br />
Becker dessen:<br />
Die in den Grundstein des Progymnasialgebändcs gelegte Urkunde<br />
voin 1.^. October 1878 und i>cachrichteu über zwei städtische Stiftungen<br />
ans den Jahren 1550 nnd 1590. Schlawe 1879. 1".<br />
19. Von dein Herrn Semiuardirektor Snpprian in Berlin dessen i<br />
Lesestiicke ans <strong>der</strong> Heiniathslnnde nnd Geschichte von Ponnnern.<br />
Bielefeld nnd Leipzig 1^79. ^'.<br />
20. Von dein Kalligraphen Herrn Fabian hier dessen:<br />
Stammbaum des Hauses Hohenzollern.<br />
21. Von dem Oberlehrer Herrn Di'. Blümcke hier dessen:<br />
Die Zollrolle Barnim's l. Programm des Stadt-Gymnasinms<br />
zn Stettin 1879.<br />
22. Von dem Herrn I. A udrà e hier:<br />
!l. Ein eigenhändiges schreiben <strong>der</strong> Prinzessin Elisabeth aus dem<br />
Jahre 1838.<br />
l^. Wöchentliche Stemner Frag- nnd Anzeignngs-Nachrichten vom<br />
5. Martins 177,",.<br />
488 Einunduierzigster Jahresbericht. IV.<br />
14. Imhof-Blnmer: Portraitköpfe ans römischen Münzen. Leipzig<br />
1879.<br />
15. Die Bau- und Kunstdenkmäler <strong>der</strong> Provinz Sachsen, heransgegeb.<br />
von <strong>der</strong> historischen Commission <strong>der</strong> Provinz Sachsen. Heft 1 :<br />
Der Kreis Zeitz. Von Otte u. Sommer. Halle 1879.<br />
16. Kunstdenkmäler und Alterthümer im Hannoverschen von K. W.<br />
h. Mithoff. VI. Bd. Hannover 1879. 4^.<br />
17. Lindenschmit: Heinrich Schliemann's Ausgrabungen in Troja<br />
und Mycenä. Mainz 1878.<br />
18. Cramer, H. M.: Johannes Nhenanus, ein Veitrag zur Berg«<br />
werksgeschichte Pommerns ans dem 16. Iahrhnn<strong>der</strong>t. Halle 1879. 8^.<br />
19. Franz Winter, Die Cistercienser des nordöstlichen Deutschlands.<br />
3 Thle. Gotha 1868—71. 8^.<br />
20. Die Chroniken <strong>der</strong> deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahr'<br />
hun<strong>der</strong>t. Bd. 1—15. Leipzig 1862—78. 8^.<br />
21. Berendt, Ch.: Die Pommerellischen Gesichtsurnen. Königsberg<br />
1878. 40.<br />
22. Desselben: Nachtrag zn den Pommerellischen Gesichtsurnen.<br />
23. Schäfer, D. Die Hansastädte und König Waldemar. 1879. 8°.<br />
24. Gozzadini, G. Di uu natica usoi-opois n Nai-^dotto nel<br />
Voi0Fue86. Bologna 1865. 2^.<br />
25. Gozzadini, G. Di uiwi-ioi-i seopei-to uoii' iiuticn. N60i'0p0ic<br />
Ä ^^i-2^d0tt0. Bologna 1870. 2«.<br />
26. An gu st in. Die mittelalterlichen und vorchristlichen Alterthümer<br />
von Halberstadt. Wernigerode 1872. 4°.
heyeichms; <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Gesellschaft für Pommcrschc Geschichte und<br />
bis zum 1. April 1879.<br />
489<br />
I. Protector.<br />
Sc. Kaiserliche und Königliche Hoheit <strong>der</strong> Kronprinz des<br />
deutschen Reiches nnd von Prenßen.<br />
II. ^Präsident.<br />
Der Königliche Oberpräsident von Pommern,<br />
Wirkl. Geheinie Rath Herr Freiherr v. Äciinch-<br />
Hansen Exeellenz.<br />
III. (^hronnlitglic^rr.<br />
1. Se. Königl. Hoheit <strong>der</strong> Prinz Carl von Prens;en.<br />
2. Se. Durchlaucht <strong>der</strong> Reichskanzler nnd Minister-Präsident<br />
Dr. Fürst v. Vismarck in Varzin.<br />
3. Sc. Execllcnz <strong>der</strong> General <strong>der</strong> Cavallerie und Kommandirende<br />
General des 2. Armee-Korps Herr Hann von<br />
Weyhern in Stettin.<br />
4. Se. Excellenz <strong>der</strong> Königliche Wirkliche Geheime Rath<br />
und General-Landschafts-Direetor Herr v. Koller in<br />
Carow bei Lades.<br />
5'. Der Großhcrzoglich Mecklenburgische Geheime Archiv-Rath<br />
Herr Di'. Lisch in Schwerin i. M.<br />
6. Der Geheime Med.-Rath Herr Professor Dr. Virchow<br />
in Vcrlin.<br />
7. Der Professor und O<strong>der</strong>^Bibliolhttar Herr Dr. Hirsch<br />
in Grcifswald.
490 Einnndvierzigster Jahresbericht. lV.<br />
8. Der Geheime Rath und Professor Herr Di'. W. von<br />
Gì esc brecht in München.<br />
9. Der Direetor des germanischen Mnsenms Herr Professor<br />
Di'. Essen wein in Nürnberg.<br />
10. Der Dircetor des römisch-germanischen Ceutral-Museums<br />
Herr Professor Dr. Lindenschmit in Mainz.<br />
11. Der Direktor im Königl. Ital. Ministerium <strong>der</strong> answärtigcn<br />
Angelegenheiten Herr Christo foro Negri<br />
in Rom.<br />
14. Der Kaisers. Ober-Ceremonienmeister Graf v. Stillfried-Aleantara,<br />
Exeellenz in Berlin.<br />
IV. Eorrespondirende Mitglie<strong>der</strong>.<br />
1. Freiherr von Köhne, Wirkt. Geh. Staatsrath in St.<br />
Petersburg.<br />
2. Prof. Dr. Berghaus in Grünhof-Stettin.<br />
3. Dr. Ceynowa in Bukowiee bei Schwetz.<br />
4. Hering, Apftell.-Gcrichts-Direetor in Arnsberg.<br />
5. Di-. Grosse, Syndicus in Altenburg.<br />
6. Di-. Kurd von Schlözer, Gesandter in Washington.<br />
7. Plathner, Baumeister in Berlin.<br />
8. Di-. Volger, Archivar in Goslar.<br />
9. Di'. Wigger, Archivrath in Schwerin i. M.<br />
10. Freiherr v. Tettau, Qber-Regierungsrath in Erfurt.<br />
11. Di-. Beyersdorff, Arzt in Beruhen in O.-S.<br />
12. Kasiski, Major z. D. in Neustettin.<br />
13. Nichter, Lehrer in Sinzlow bei Neumark i. Pomm.<br />
14. Danneuberg, Stadtgerichtsrath in Berlin.<br />
15. Dr. Fricdlän<strong>der</strong>, Direetor des Königl. Münzkabinets<br />
iu Berlin.<br />
16. Dr. Pertsch, Professor in Gotha.<br />
V. Ordentliche Mitglie<strong>der</strong>.<br />
^. In Pommern.<br />
in Alt-Damm 1. Kumbier, Apotheker,<br />
in Auelam 2. Billerbeck, Iustizrath.
Beilage 401<br />
3. Grübe, Privatlehrer.<br />
4. 1)r. Hanow, Oberlehrer.<br />
5. Keibel, Lehrer d. höheren Töchterschule.<br />
6. Pottcke, Buchdruckereibesitzer.<br />
iuBärlvalde i. P. 7. Tourbi6, Kreisrichter.<br />
iu Bahn 8. Di'. Bet hg e, Apotheker.<br />
9. Ha geni ei st er, Bürgermeister.<br />
10. Fromm, Reetor.<br />
11. Dr. Kauitz, Rcetor.<br />
12. Koch, Kreisrichter.<br />
13. Müller, Superintendent.<br />
14. Mülle r-H ochhei m, Lientn. nnd Gutsbes.<br />
15. Sachse, Lehrer.<br />
bei Nahn IN. Flaminius, Oberamtm. in Wlldenbruch.<br />
17. Nahn, Amtsvorsteher in Rohrsdorf,<br />
in Belgard 18. Apolant, Kaufmann.<br />
19. Nr. Kierski, Kreis-Physikns.<br />
20. Klewe, Gyuinasiallehrer.<br />
21. Knorr, Gymnasiallehrer.<br />
22. Dr. Kriiger, Gymnasiallehrer.<br />
23. Dr. Petersdorff, Oberlehrer.<br />
24. Dr. Scheibner, Gymnasiallehrer.<br />
25. Stettin, Rechtsanwalt.<br />
bei Belgard<br />
bei Callies<br />
in Cammin<br />
bei Casetow<br />
26. Wegner, Superintendent.<br />
27. v. K l ei st-Retzow, Ober-Präsident a. D.<br />
in Kieckow.<br />
28. v. Klitzing, Rittergutsbes. in Zuchow.<br />
29. Liipke, Archidiaconus.<br />
30. Kücken, Ziegclcibesitzer.<br />
31. Kücken, Ingenieur.<br />
32. Schenk, Pastor in Hohenselchow.<br />
bei Charlottenhos 33. Petersen, Ober-Amtmann in Drenolv.<br />
bei Clempenow 34. Gieseb recht, Pastor in Golchen.<br />
in Codram 35. Brandt, Königl. Oberamtniann.<br />
in Colberg 3li. Crusius, Generalmajor z. D.<br />
37. Meier, Zeichenlehrer.
492<br />
Einimdvievzigster Jahresbericht. I V.<br />
36. Prüft, Stadtrath und Kämmerer.<br />
39. Di'. Ziemer, Gymnasiallehrer.<br />
40. Di-. Schuffert, Gymnasiallehrer.<br />
41. Di-. Streit, Gymnasial-Director.<br />
42. Wegner, Kreisgerichtsrath.<br />
bei Colberg 43. v. Ramin, Rittergutsbes. in Iarchow.<br />
bei Cöslin 44. v. Kameke, Rittergutsbes. in Lustebuhr.<br />
45. Klawonn, Pastor in Bast.<br />
46. Lenz, Pastor in Tessin.<br />
bei Crössin 47. Kypke, Pastor in Naseband.<br />
in Daber 48. Wegner, Superintendent.<br />
bei Daber 49. v. Dewitz, Rittergutsbes. in Wussow.<br />
50 v. Dewitz-Krebs, Rittergutsbesitzer in<br />
Weitenhagen,<br />
in Demmin 51. Di-. Frank, Oberlehrer.<br />
52. Dr. insci. Stark, Pract. Arzt,<br />
bei Demmin 53. Graßmann, Pastor in Sophienhof.<br />
54. Baron v. Seckendorf, Rittergutsbesitzer<br />
in Brook.<br />
55. Schmidt, Pastor in Cartlow.<br />
bei Denzin 56. v. Zitze Witz, Rittergntsbes. in Bornzin.<br />
bei Dölitz 57. Eben, Rittergutsbesitzer in Linde.<br />
58. Schmidt, Pastor in Suckow.<br />
in Falkenburg 59. Plato, Ober-Prediger,<br />
in Ferdinandstein 60. Höppner, Lehrer,<br />
in Fiddichow 61. Herm. Glöde, Bürger,<br />
bei Fiddichow 62. Grundmann, Rittmeister a. D. in<br />
Lindow.<br />
63. Coste, Landschaftsrath in Brusenfelde.<br />
64. Baron v. Stein äcker, Rittergutsbesitzer iu<br />
Rosenfelde.<br />
bei Friedrichsgnade 65. Steffen, Gutsbesitzer in Instemin.<br />
in Gartz a. O. 66. Heydemann, Prem.-Lieuteuant.<br />
67. Krielke, Maurermeister,<br />
in Köuigsberg i. N. 68. Ramthun, Gymnasiallehrer.<br />
69. Nnnge, Hanptmann.
Beilage N. 493<br />
70. Di'. iu
494 Einnndmerzigster Jahresbericht. IV,<br />
in Iasenitz 102. Wegner, Pastor.<br />
in Lebbin 103. Franz Kü ster, Amtsvorsteher in Kalkofen.<br />
104. Hngo Küster, in Kalkofen,<br />
in Massow 105. Dr. moä. Fischer, Arzt,<br />
bei Massow 106. Rohrbeck, Rittergutsbes. in Müggenhall.<br />
107. v. Petersdorf, Rittergutsbesitzer in<br />
Buddendorf,<br />
bei Mittelfelde 108. Frcih. v. W an gen heim, Rittergutsbes.<br />
in Neulobitz.<br />
bei Naugard 109. Bar. v. Flemming, Erblandmarschall<br />
in Basenthin,<br />
bei Neumark i. P. 110. Obenaus, Pastor in Sinzlow.<br />
111. Rieck, Rittergutsbes. in Glien.<br />
bei Nörenberg 112. Dahms, Rittergutsbes. in Seegut,<br />
in Neustettin 113. Betge, Gymnasiallehrer.<br />
114. Baack, Gymnasiallehrer.<br />
115. Bind seil, Gymnasiallehrer.<br />
116. Bö hl au, Gymnasiallehrer.<br />
117. Blunk, Baumeister<br />
118. v. Vonin, Landrath.<br />
119. Beckmann, Baumeister.<br />
120. Beyer, Baumeister.<br />
121. Haake, Gymnasiallehrer.<br />
122. Di-. Hoff, Rathsherr.<br />
123. Hnth, Kaufmann.<br />
124. Kohlmann, Gymnasiallehrer.<br />
125. Di et le in, Prorector.<br />
126. Di'. Lehmann, Gymnasial-Direetor.<br />
127. Reclam, Gymnasiallehrer.<br />
128. Schmidt, Hauptm. und Catastercontroll.<br />
129. Spreer, Oberlehrer.<br />
130. Schünemann, Rechtsanwalt.<br />
131. Schirmeist er, Gymnasiallehrer.<br />
132. Schwanbeck, technischer Gymnasiallehrer.<br />
133. Wille, Gymnasiallehrer.<br />
134. Di-. Ziemßen, Oberlehrer.
Beilage N. 4^5<br />
bei ÄceuU'arp 135. v. Enckevort, Rittergutsbesitzer in<br />
Albrechtsyof.<br />
in Paselvalk 13l>. Graf v. Vismark-Bohlen, Premier-<br />
Lientenant.<br />
137. v. Enckeoort, Rittmeister.<br />
138. v. Winterfeldt, Premierlieutenant,<br />
ul Peneun 139. Sneeow, Lehrer.<br />
bei Plathe. 140. Havenstein, Pastor in Witzniitz.<br />
in Polzin 141. Richard N'ietardt, Kaufmaun.<br />
bei Polzin 142. v. V^antenffel, Rittergutsbesitzer und<br />
Mitglied des Herrenhanscs in Redet,<br />
bei Pricnchausen 143. Mühlenbcck, Rittergutsbesitzer<br />
in Gr. Wachlin.<br />
in Pyritz 144. Backe, Bnchhändler.<br />
145. Balcke, Gymnasiallehrer.<br />
146. Berg, Ober-Prediger.<br />
147. Dr. Blas end or ff, Oberlehrer.<br />
148. Brei tsprecher, Seminarlehrer.<br />
149. Ei sentra ut, Bankdirector.<br />
150. Dr. N0sl. Hartwig, Arzt.<br />
151. Di-. Kalmus, Prorector.<br />
152. Dr. Maskow, Gymuasiallchrer.<br />
153. Di-. Qio^. Möller, Arzt.<br />
154. E. Schreiber, Nankbuchhalter.<br />
155. T um me ley, Fabrikbesitzer.<br />
150. Wetzel, Rector und Hülfsprediger.<br />
157. G. Wetzel, Rector <strong>der</strong> Mädchenschule.<br />
158. Zietlow, Snperintendent.<br />
159. Di- Zin^ow, Gymnasialdireetor.<br />
bei Pyrw 1 l)0. Nehring, Rittergutsbesitzer in Rakitt.<br />
1 l)1. v. Schöning, Rittergutsb. iu Liibtow V.<br />
15, Gnst. Schnltz, Kaufniann.<br />
166. Hallen kleben, Heilgehülfe,
496 Eimmdmerzigstei Jahresbericht, IV.<br />
in<br />
in<br />
in<br />
lx'i<br />
in<br />
dci<br />
in<br />
in<br />
Rügenwalde<br />
Schivelbein<br />
Schlawe<br />
Schlawe<br />
Stargard<br />
Stargard<br />
Stepenitz<br />
Stettin<br />
167.<br />
168.<br />
169.<br />
170.<br />
171.<br />
172<br />
173<br />
174<br />
175.<br />
176.<br />
177.<br />
178.<br />
179.<br />
180.<br />
181.<br />
182.<br />
183.<br />
184.<br />
185.<br />
186.<br />
187.<br />
188.<br />
189.<br />
190.<br />
191.<br />
192.<br />
193.<br />
194.<br />
195.<br />
196.<br />
197.<br />
198.<br />
199.<br />
200,<br />
Hemptenmacher, Commerzienrath.<br />
v. Mellenthin, Kreisrichter.<br />
Waldow, Bnchdrnckereibesitzer.<br />
Di-. Crnsins, Kreis-Physicus.<br />
Brandenburg, Rechnungsführer in<br />
Adlich-Suckow.<br />
Berg haus, Hauptmann.<br />
Dr. Lothholz, Gymnasialdirector.<br />
Müller, Rentier und Stadtverordneter,<br />
v. Nickisch-Rosenegk, Landrath.<br />
Petrich, Gymnasiallehrer.<br />
Roh le<strong>der</strong> Gymnasiallehrer.<br />
Di'. Schmidt, Oberlehrer.<br />
Schwarze, Rector.<br />
Dr. Wiggert, Prorector.<br />
Dr. Ziegel, Gymnasiallehrer.<br />
Witzlow, Lieutenant und Rittergutsb.<br />
in Ferchland.<br />
Dr. uioä. Ger dt, Arzt.<br />
Holz, Referendar.<br />
Rahm, Oberförstercandidat.<br />
Richter, Oberförster.<br />
Tech, Domainenrath.<br />
Abel, Bankier.<br />
Allendorf, Kaufmann.<br />
Appel, Gutsbesitzer.<br />
Aron, Emil, Kaufmann.<br />
Baevenroth 36n., Kaufmann.<br />
Balsam, Stadtschulrath.<br />
Barsekow, Bankdirector.<br />
Bartels, Kaufmann.<br />
C. Becker, Kaufmann.<br />
Bennthsow, Kaufmann.<br />
Dr. Blümcke, Oberlehrer.<br />
Bock, Stadtrath.<br />
E. Böttcher, Kaufmann.
Beilage N. 497<br />
201. Botzow, Kaufmann.<br />
202. Bon, Ober-Regieruugsrath.<br />
203. v. Borcke, Vant'direetor.<br />
204. Bonrwig, Instizratb.<br />
205. Di. Brand, Arzt.<br />
206. Brc n n h a n sen, Banmeister.<br />
207. I)r. Brunn, Gymnasiallehrer.<br />
208. Bueck, Appellationsgerichtsrath.<br />
209. Di'. v. Biilou^, Staatsarchivar.<br />
210. v. Bunan, Reg.-Assessor.<br />
211. Di-. Carus, Consistorialrath.<br />
212. Di-. Clans, Oberlehrer.<br />
213. B. Cohn, Kaufmann.<br />
214. H. Dan nenberg, Buchhändler.<br />
215. Degner, Kaufmann.<br />
216. Denhard, Krcisgerichtsrath.<br />
21,8. Dekkert, Kanftnann.<br />
218. v. Delvin, Appellatwnsgerichtsrath.<br />
219. Di'. Dohrn .suli.<br />
220. v. Dücker, Köuigl. Forstmeister.<br />
221. Dr. Eckert, Oberlehrer.<br />
222. v. Fereutheil und Gruppeubcrg,<br />
Oen.-Lieutn. und Kommandant.<br />
223. Fischer v. Rös le r st a nnn , Redaetcur.<br />
224. Flügge, Rentier.<br />
225. Furbach, Iustizrath.<br />
226. Gadebuich, Stadtrath.<br />
227. Gehrkc, Divisiouspfarrer.<br />
227. Gentzensobn, Bnchdruckercibesitzer.<br />
229. G ies e brecht, Syndiens.<br />
230. Rud. Grauhe, Kaufmann.<br />
231. Di'. Graßinann, Gymnasiallehrer.<br />
232. E. Grefsrnl h, Kaufmann.<br />
233. Ori bel, General-Consnl.<br />
234. v. Groneseld, Ober-Negierilngsrath.<br />
235. N. Grundmann, Kaufmann.
498 Einunduierzigster Jahresbericht. IV.<br />
236. Dr. Haag, Oberlehrer.<br />
237. Haken, Ober-Bürgermeister.<br />
238. Hammerstein, Kreisrichter.<br />
239. Harms, Staatsanwalt.<br />
240. Heidenhain, Oberlehrer.<br />
241. Heinrich, Director.<br />
242. Hemptenmacheri, Kaufmann.<br />
243. Di-. Hering, Professor.<br />
244. v. Heyden-Cadow, Landesdirector.<br />
245. Hoffmann, Oberlehrer.<br />
246. Rob. Iahnke, Kaufmann.<br />
247. Iobst, Oberlehrer.<br />
248. Kabisch, Director.<br />
249. C. Kanzow, Kaufmann.<br />
250. v. Kameke, Major.<br />
251. Karkutsch, Kaufmann.<br />
252. Karow, Commerzieurath.<br />
253. Keßler, Kreisgerichts-Director.<br />
254. Kießling, Referendar.<br />
255. Kisker, Konsul.<br />
256. Knorrn, Rentier.<br />
257. Köhn, Staatsanwalt.<br />
258. Dr. König, Redacteur.<br />
259. Kossak, Baumeister.<br />
260. Krähn st över, Kaufmann.<br />
261. Kre ich, Kaufmann.<br />
262. Krummacher, Consistorialrath.<br />
263. Dr. Kühne, Oberlehrer.<br />
264. Küster, K. Forstmeister.<br />
265. Küster, Kreisgerichtsrath.<br />
266. Langhoff, Kaufmann.<br />
267. Latsch, Rector.<br />
268. Lebeling, Buchdruckereibesiher.<br />
269. Lemcke, Professor.<br />
270. Dr. Lieber, Oberlehrer.<br />
271. Lincke, Realschullehrer.
Beilage N. 499<br />
272. Dv. Löwe, Gymnasiallehrer.<br />
273. Lossius, Director.<br />
274. Mag nun a, Director.<br />
275. Di'. Marburg, Oberlehrer.<br />
270. Marqnardt, Medizinal-Assessor.<br />
277. Masche, Iustizrath.<br />
278. Metzel, Rentier.<br />
279. W. H. Meyer, Kaufmann.<br />
280. Isidor Meyer, Kaufmann.<br />
281. Milcntz, Kreisgerichtsrath.<br />
282. Mitzlaff, Kaufmann.<br />
283. Di'. jui-. Moll, Kreisrichtcr.<br />
284. Mügge, Inspcctor.<br />
285. Müller, Dircetor <strong>der</strong> Proviuzial-<br />
Zuckersie<strong>der</strong>ei.<br />
280. Müller, Prediger.<br />
287. v. d. Na hin er, Buchhändler.<br />
288. F. A. Otto, Kaufmann.<br />
289. E. Pietschmann, Kaufmann.<br />
290. Carl Julius Piper, Kaufmann.<br />
291. Pitfch, Professor.<br />
292. Pitzschky, Geh. Iustizrath.<br />
293. Fr. Pitzschky, Kaufmann.<br />
294. Di-. Prümers, Archivfecrctair.<br />
295. Rabbolu, Kaufmann.<br />
290. Rahm, Geh. Commerzienrath.<br />
296. v. R^dei, Kaufmann.<br />
298. Em. Richter, Kaufmaun.<br />
299. Rohlc<strong>der</strong>, Kaufmaun.<br />
300. Di-. Rühl, Gymnasiallehrer.<br />
301. Rusch, Hanptlehrcr.<br />
202. Dr. iu0ä. Sauerhering, Arzt.<br />
303. Saunier, Buchhäudler.<br />
304. Dr. ni(^ä. Schar lau, Arzt.<br />
3l>5. Scheut, Rector.<br />
30. Schi ff mann, Archidiaconus.
500 Einunduierzigster Jahresbericht. IV.<br />
307. F. F. Schiffmann, Kaufmann.<br />
308. Schinkc, Manrermeister.<br />
309. Schintke, Goldarbeiter.<br />
310. I)r. Schlegel, Realschullehrcr.<br />
311. Schlesack, Stadtrath.<br />
312. Schlichting, Kreisgerichtsrath.<br />
313. W. Schlutow, Geh. Commerzicnrath.<br />
314. A. Schlutow, Stadtrath.<br />
315. Th. Schmidt, Oberlehrer.<br />
316. Schmidt, Appellationsgcrichtsrath.<br />
317. Schreyer, Consnl.<br />
318. Sch ridde, Oberlehrer.<br />
319. Hellm. Schrö<strong>der</strong>, Kanfmann.<br />
320. v. Schrot ter, Kgl. Forstmeister.<br />
321. C. H. S. Schultz, Director.<br />
322. Fr. Leop. Schultz, Kanfmann.<br />
323. Schnltz, Prediger.<br />
324. Sehlmach er, Instizrath.<br />
325. Sievert, Dircctor.<br />
326. Silling, Kanfmann.<br />
327. Sotzmann, Kgl. Oberförster a. D.<br />
328 Sperling, Rentier.<br />
329. Di-. ia6ä. Steffen, Sanitätsrath.<br />
330. Steffen ha gen, Gymnasiallehrer.<br />
331. Steinmetz, Prediger.<br />
332. Svenbeck, Kanfmann.<br />
333. Thierry, Reichsbankkassirer.<br />
334. Thiem, Vankdirector.<br />
335. Ferd. Thiede, Kaufmann.<br />
336. Trieft, Ober-Regiernngsrath.<br />
337. v. Twardowski, Hauptmann.<br />
338. Uhfadel, Bankdirector.<br />
339. Wächter, Confnl.<br />
340. v. Warnstedt, Polizei-Präsident.<br />
341. Dr. Wegner, Schuluorsteher.<br />
342. Dr. E. Wegner, Arzt.
Beilage ^. 501<br />
343. N. Weguer, Kaufinauu.<br />
344. Wehmer, Kaufmann.<br />
345. Weigert, Kreisrichter.<br />
346. Di'. Neicker, Gi^nnasial-Direetor.<br />
347. Weise, Bürgermeister a. D.<br />
348. Dr. Wehr mann, Geh. Reg.-Nath.<br />
349. Wendlandt, Iusttzrath.<br />
350. Werner, Rechtsanwalt.<br />
351. Weyland, Kaufmann.<br />
352. Dr. W iß mann, Medizinalrath.<br />
353. Dr. Wol ff, Chef-Redacteur.<br />
354. A. H. Zan<strong>der</strong>, Kanfmann.<br />
355. v. Zcpelin, Hauptinann.<br />
bei Stettin 356. Kolbe, Rittergntsbcsitzer in Pritzlow.<br />
357. v. Ramin, Geh. Rath in Brnnn.<br />
358. Wetzel, Pastor in Mandelkow.<br />
in Stojenthin 359. Janezikowski, Lehrer.<br />
bei Stojenthiit 360. Wegner, Lehrer in Zipkolv.<br />
in Stolp i. P. 361. v. Home y er, Rittcrgntsbef.<br />
362. Pippow, Banmeister.<br />
363. v. Rcckow, General-Major z. D.<br />
bei Stolp i. P. 364. Arnold, Rittergutsbesitzer nnd Lientn.<br />
in Reetz.<br />
365. Trenbrod, Brcnnerei-Insp. in Gumbin.<br />
in Stolzenburg 366. I. Laß, Ortsuorstehcr.<br />
bei Tantow 367. Hüfenctt, Rittergutsbes. in Nadrense.<br />
bei Trainpkc 368. Abraham, Rittergutsb. iu Sasfenhagen.<br />
369. Rohrbeck, Rittergutsbef. in Sassenhagen.<br />
370. Kolbc, Rittergutsbes. iu Uchtenhagcn.<br />
in Trcptowa.R. 371. Boden st ein, Bürgermeister.<br />
372. Di-. Bo ut er weck, Gymnasial-Direetor.<br />
373. Calow, Kreisrichter und Landschafts-<br />
Syndieus.<br />
beiTreptowa.R. 374. v. Ramiu, Rittergntsdes. in Schwedt.<br />
375. Stumpf, Oberförster iu Grünhaus,<br />
iu TreptowaT. 376. Oelgardt, Courector.
502 Einundvierzigster Jahresbericht. IV.<br />
bnTreptowa.T. 377. Thilo, Pastor in Wer<strong>der</strong>.<br />
bei Uchtdorf 378. Agahd, Lehrer in Iägersfeldc.<br />
in Neckermünde 379. Graf v. Rittberg, Landrath.<br />
bei Ueckermünde 380. v. Enckev o rt,Rittergntsb. in Vogelsang.<br />
bei Vitzig 381. v. Zitzewitz, Nittergntsbes. in Zezenow.<br />
in Wangerin 382. Petermann, Zimmermeister.<br />
bei Wangerin 383. v. Pütt kam er, Rittmeister a. D.<br />
in Henkenhagen.<br />
in Wartenberg i. P. 384. Wentz, Superintendent,<br />
bei Wartenberg i. P. 385. Hildebrandt, Superintendent<br />
in Babbin.<br />
in Wolgast 386. Bödcher, Gymnasiallehrer.<br />
387. Herm. Witte, Kaufmann,<br />
bei Wolgast 388. Kasten, Pastor in Katzow.<br />
bei Wollin i. P. 389. Di'. Preußner, Dir. in Iordanhütte.<br />
bei Zinnowitz 390. Dieckmann, Pastor in Netzelkow.<br />
in Züllchow 391. Dr. nicxl. Steinbrück. Arzt.<br />
U. Außerhalb Pommerns.<br />
in Aachen 392. Paul, Hauptzollamts Assistent.<br />
inAngermnnde 393. Di'. Mathien, Pastor,<br />
in Barmen 394. Hasfe, Apothekenbesitzer.<br />
395. Schultz, Polizei-Inspeetor.<br />
in Berlin 396. A. Arndt, Lehrer.<br />
397. Bartz, Anstaltsprediger in Plötzensee.<br />
398. v. Corswandt, Rentier.<br />
399. Vrömel, Seeretair.<br />
400. I)r. incxl. Groß mann, Arzt.<br />
401. v. Heller mann, Rittmeister.<br />
402. v, Heller mann, Lieutenant.<br />
403. v. Kefsel, Major z. D.<br />
404. G. Iähnke, Bibliothekar an <strong>der</strong><br />
Unwersitäts-Vilbliothek.<br />
405. Oppenheim, Ober-Tribunalsrath.<br />
406. Der Pommern-Verein.<br />
407. v. Rönne, Stadtgerichtsrath.
in<br />
in<br />
Culm<br />
Danzig<br />
408<br />
409<br />
410<br />
411<br />
412<br />
413<br />
Beilage N. 503<br />
v. Somuitz, Prcmierlieutenant.<br />
Sllpprian, Seminar-Director.<br />
v. Zitzcwitz, Oberstlieutenant a. D.<br />
Faß mann, Gymnasiallehrer.<br />
Bertling, Arichidiaeonns und Stadtbibliothekar.<br />
Or. Gicsc, Lehrer a. d. Realschule zu<br />
St. Iohaun.<br />
in Glogau 414, Gallus, Rechtsanwalt.<br />
in Halle a. S. 415, Dr. Wehrmann, Gymnasiallehrer.<br />
in Iusterburg 410 H e nipel, Apftellationsgerichtsrath.<br />
in Kiel 417. Dr. Haupt, Professor.<br />
in Königsberg i. N, 418. v. Lühmann, Oberlehrer.<br />
beiKrziezanowitz 419, Weltzcl, Geistlicher Rath in Tworkau.<br />
in Lennep 420. Encke, Lehrer.<br />
in Lissa N.-P. 421, Knooft, Gymnasiallehrer.<br />
in Luckenwalde 422. Dr, M6ä. Klauiaun, Arzt.<br />
bei Psafsendors 423 E. Bahrjeld, Rittergutsb. uud Ort^^<br />
Vorsteher in Rieh-Ncucudorf.<br />
in Posen 424. v. Kuuowski, Uppcllatiousgerichts-Ches-<br />
Präsident.<br />
in Potsdam 425. v. Ücttow, Oberst im ersten Garde-<br />
Negllueut zu Fuß.<br />
in Schönsließ i. N. 426. Eick, Amtsrath in Steinwehr.<br />
in Siegen 427. Di'. Tägcrt, Direetor.<br />
in Sorau 428. Petcrsen, Oberförster.<br />
in Schnx'tz 429. M agunua, Staatsanwalt.<br />
in Tarnowih 430. I)r. Pfund hell er, Oberlehrer<br />
beiNeu-Trebbiu 431. Tesmar, Pastor in Alt-Trebbin.<br />
in Wiesbaden 432. Müller, Assessor a. D.<br />
in Würzburg 433, Di'. Schrö<strong>der</strong>, Professor.
504 Beilage 0.<br />
Beilage «3.<br />
Auszug aus <strong>der</strong> Rechnung für 1878.<br />
Einnahme,<br />
a) Aus Vorjahren:<br />
1. Kassenbestand ^. 214.74.<br />
2. Nestcinnahme<br />
d) Ans 1878:<br />
„ 740.33.<br />
1. Jahresbeiträge<br />
2. Unterstützungen<br />
„ 1274.—.<br />
des Staats „ 600.—.<br />
<strong>der</strong> Provinz „ 625.—.<br />
<strong>der</strong> Stadt Stettin „ 600.—.<br />
des Nsedom-Wolliner Kreises . . . „ 50.—.<br />
des Prinzen Carl von Preußeu . . „ 36.—.<br />
<strong>der</strong> Stadt Colberg „ 15.—.<br />
des Wissensch. Vereins in Cöslin . . „ 20.—.<br />
3. Zinsen „ 171.—.<br />
4. Erstattete Porti „ 18.15.<br />
5. Für Baltische Studien „ 1392.—.<br />
6. Diverse „ 546.85.<br />
Ausgabe.<br />
Ankauf von Münzen
-<br />
Diese Zeitschrift erscheint in Vierteljahrsheften nnd kostet<br />
im Buchhandel 4,50 Mark <strong>der</strong> Jahrgang. Aelterc Jahrgänge<br />
bis XX. incl. werden mit Ausnahme von I, II, XII 2, XX11,<br />
welche vergriffen sind, zu herabgesetzten Preisen, <strong>der</strong> Jahrgang<br />
zu 1,50 Mark, verkauft, und sind zu beziehen durch den<br />
Hauptlehrer Rusch hier, Iohannishof 1—2.<br />
Die geehrten Mitglie<strong>der</strong> ersuchen wir, ihre Geldsendungen<br />
nicht an die Gesellschaft für Ponnu. Gesch. :c., son<strong>der</strong>n<br />
an den Oberlehrer Di'. Kühne, Hohenz ollernst<br />
raß e 8, alle an<strong>der</strong>en Zusendungen und Correspondcnzen an<br />
den Professor öemcke, Königsftlatz 12, adressiren zu wollen.<br />
Im Verlage von H. DlltMenberg in Stettin ist erschienen<br />
nnd durch jede Vuchhandluug zu beziehen:<br />
Die Königin Lnise in Pommern, von<br />
Dr. Vlasendorff, Oberlehrer am Gymnasium zu Pyritz.<br />
Preis 1 Mark.<br />
Der Ertrag <strong>der</strong> Schrift ist bestimmt für die Waisenkasfe<br />
<strong>der</strong> Lehrer an den höheren Schulen Pommerns.