Trends 2030 - Mobilität und Logistik - InnoZ
Trends 2030 - Mobilität und Logistik - InnoZ
Trends 2030 - Mobilität und Logistik - InnoZ
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
KLIMAWANDEL<br />
SCHRUMPFUNG<br />
ENERGIEWENDE<br />
W U T B Ü R G E R<br />
WACHSTUM GLOBALISIERUNG<br />
LASTMANAGEMENT B R E N N S T O F F Z E L L E<br />
ÖKOLOGISCHER FUßABDRUCK<br />
EMISSIONSHANDEL CARSHARING<br />
REPRODUKTIONSRATE<br />
MOBILITÄTSBUDGETS<br />
PUFFERKAPAZITÄT MULTIOPTIONALITÄT<br />
ARBEITSTEILUNG E R D E R WÄ R M U N G<br />
DEKARBONISIERUNG<br />
ÖLPREIS<br />
REGENERATIVER STROM<br />
SCH A DENSBE SEITIGUNG<br />
D E M O G R A F I S C H E R WA N D E L<br />
UMWELTZIELE<br />
H Y B R I D T E C H N O L O G I E<br />
VERTEUERUNG<br />
GRÜNE LOGISTIK<br />
W E R T S C H Ö P F U N G<br />
INNOVATION PARTIZIPATION<br />
LEBENSQUALITÄT<br />
ÜBERALTERUNG SZENARIO<br />
M E G A C I T I E S SMART GRID<br />
LIBERALISIERUNG<br />
LADESÄULE<br />
WELTWIRTSCHAFT<br />
BRIC-STAATEN<br />
DYNAMIK<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
SPEICHERDICHTE<br />
GEBURTENRÜCKGANG<br />
RE S SOURCEN<br />
BRÜCKENTECHNOLOGIE<br />
A LT E R S V O R S O R G E<br />
ERWERBSTÄTIGENPOTENZIAL<br />
C O N TA I N E R T R A N S P O R T E<br />
SCHÜLERVERKEHR<br />
AUFLADEDAUER<br />
REGIONALE KREISLAUFWIRTSCHAFT<br />
INFRASTRUKTUR<br />
T R A N S P O R T O R G A N I S AT I O N<br />
MOBILITÄTSMUSTER<br />
R ÄUMLICHE DISPA RITÄTEN<br />
Innovationszentrum für <strong>Mobilität</strong><br />
<strong>und</strong> gesellschaftlichen Wandel<br />
ÖKOLOGISCHER DRUCK<br />
MOBILITÄTSKOSTEN<br />
BRUTTOSTROMVERBRAUCH<br />
VERSTÄDTERUNG<br />
SCHULDENSTAND<br />
LOGISTIK<br />
NIEDRIGWASSER HOCHSEE SCHIFFFA HRT<br />
INTERMODALITÄT<br />
EFFIZIENTER ENERGIEEINSATZ<br />
MEHRFACHVERNETZUNG<br />
INDIVIDUALITÄT<br />
FAHRZEUGTECHNOLOGIE<br />
K O N J U N K T U R<br />
P R E I S E<br />
BÜRGERBETEILIGUNG<br />
TRANSPORTKOSTEN<br />
ELEKTROMOBILITÄT<br />
WIRTSCHAFTSWACHSTUM SMARTPHONE<br />
H AUSH A LT SKONSOLIDIERUNG<br />
LEIHFAHRRÄDER<br />
REGIONALISIERUNGSMITTEL SCHWELLENLÄNDER<br />
H A F E N H I N T E R L A N D V E R K E H R<br />
IKT-LÖSUNG<br />
DIGITAL NATIVES<br />
A LT E R S S T R U K T U R<br />
ARBEITSPLÄTZE<br />
E N E R G I E<br />
KOLLEKTIVE NUTZUNG<br />
ZUKUNF TSFÄHIGKEIT<br />
W E T T B E W E R B S V O R T E I L<br />
VERKEHRSTRÄGER<br />
W E T T E R P H Ä N O M E N E<br />
SCHADSTOFFAUSSTOß<br />
<strong>Trends</strong> <strong>2030</strong><br />
<strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong><br />
NEUE ANTRIEBSTECHNOLOGIEN<br />
B I P<br />
F L O T T E N M A N A G E M E N T STRAßENBENUTZUNGSGEBÜHR<br />
KAPAZITÄTSAUSWEITUNGEN<br />
ZUKUNFT<br />
STATUSSYMBOL<br />
SCHULDENKRISE CO2-BILANZ<br />
NATURKATASTROPHEN<br />
ENERGIE-TENDER DEMOKRATISCHE GESELLSCHAFT<br />
BIOKAPAZITÄT<br />
VERBRENNUNGSMOTOR INFORMATIONS- UND KOMMUNIKATIONSTECHNOLOGIE<br />
INDIVIDUALISIERUNG KRAFTSTOFFEFFIZIENZ MOBILITÄTS-APP SYSTEMEFFIZIENZ<br />
<strong>InnoZ</strong>-Begleitheft<br />
Innovationsworkshop 2012 der DB AG am 14./15. Juni 2012 im <strong>InnoZ</strong>, Berlin
Die Hinweise zu weiterführenden Quellen sind verlinkt, sofern<br />
das jeweilige Dokument zum Download freigegeben wurde.<br />
Aus Gründen der Einfachheit <strong>und</strong> der Lesbarkeit wurde bei Personenbezeichnungen<br />
in der Regel die männliche Form verwendet;<br />
es sind jedoch immer jeweils beide Geschlechter gemeint.
Einleitung<br />
<strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong> sind entscheidende Erfolgsfaktoren für<br />
eine hoch entwickelte Volkswirtschaft <strong>und</strong> von elementarer<br />
Bedeutung für die Gesellschaft. Sie tragen maßgeblich zur<br />
europäischen Integration bei <strong>und</strong> haben gerade für Deutschland<br />
als europäisches Transitland entscheidende Bedeutung. Dass<br />
sich die Welt immer weiter verändert, ist wohl unbestritten –<br />
doch wie wird die Zukunft <strong>und</strong> damit auch die Zukunft von <strong>Mobilität</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Logistik</strong> aussehen? Fragen, die sicherlich niemand<br />
mit Gewissheit beantworten kann, zu der wir im vorliegenden<br />
Begleitheft zum Innovationsworkshop 2012 der Deutschen Bahn<br />
AG einen Ausblick zur Diskussion <strong>und</strong> zur Ableitung der sich<br />
daraus anschließenden Konsequenzen geben wollen. Viele verschiedene<br />
Studien aus den letzten drei Jahren, angereichert<br />
mit unseren eigenen Expertisen, haben wir dazu ausgewertet.<br />
Das Wesentliche zuerst: <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong> nehmen langfristig<br />
zu <strong>und</strong> bleiben bestimmend für wirtschaftliches Wachstum<br />
in demokratischen Gesellschaften. Die Umfeldbedingungen<br />
ändern sich zum Teil gravierend. Die Unsicherheiten hinsichtlich<br />
Konjunktur, Finanzen, Klimaveränderungen, Energiewandel<br />
<strong>und</strong> politischer Stabilität führen zu einer bisher nicht gekannten<br />
Volatilität in der Entwicklung. Der Begriff „Krise“ verliert seine<br />
Bedeutung, weil immer wieder mit Rückschlägen <strong>und</strong> Änderungen<br />
zu rechnen ist. Wir werden einen permanenten Wandel erleben,<br />
der in all seinen Facetten an Intensität zunimmt, sei er gesellschaftlicher,<br />
politischer, wirtschaftlicher, finanzieller oder<br />
technologischer Art. Wenn etwas in Zukunft nachhaltig wirkt,<br />
dann der beständige Wandel. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Gesellschaft rücken näher zusammen <strong>und</strong> vernetzen sich.<br />
<strong>Mobilität</strong>s-, <strong>Logistik</strong>-, Telekommunikations- <strong>und</strong> Energiesysteme<br />
werden intelligent miteinander verb<strong>und</strong>en, um die ambitionierten<br />
Klima-, Umwelt- <strong>und</strong> Energieziele zu erreichen <strong>und</strong> gleichzeitig<br />
das Wirtschaftswachstum der Länder abzusichern. Die Verkehrs-<br />
branche wird von neuen Technologien profitieren, die das<br />
Umsetzen neuer <strong>und</strong> intelligenterer Transport- <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong>-<br />
Konzepte erlauben werden. Inter- <strong>und</strong> Multimodalität durch<br />
Ausnutzen der komparativen Vorteile der jeweiligen Verkehrsträger<br />
bestimmen die Zukunft. Ohne Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologie<br />
ist kein globaler <strong>und</strong> intermodaler<br />
Güter- <strong>und</strong> Personenverkehr möglich. Nicht alle technologischen<br />
Möglichkeiten sind heute schon absehbar <strong>und</strong> planbar;<br />
zu schnell kommen neue Entwicklungen auf den Markt. Sie<br />
müssen jedoch frühzeitig erkannt <strong>und</strong> genutzt werden.<br />
Wir haben die Möglichkeit <strong>und</strong> die Aufgabe, unsere Zukunft aktiv<br />
zu gestalten. Dies kann kein Sektor <strong>und</strong> keine Branche alleine<br />
übernehmen. Die Kunst liegt in der Zusammenarbeit von Wirtschaft,<br />
Wissenschaft, Politik <strong>und</strong> Verwaltungen, um auch in Zukunft<br />
ein wirtschaftliches Wachstum gewährleisten zu können,<br />
das bezahlbar <strong>und</strong> umweltverträglich ist. Die Bündelung von<br />
Wissen verstärkt die Innovationskraft <strong>und</strong> ermöglicht die<br />
<strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong> von morgen. Über das Erarbeiten einer<br />
gemeinsamen Sicht der Zukunft sowie eines gemeinsamen<br />
Verständnisses zu den Schlüsselinnovationen für den Verkehrssektor<br />
können die notwendigen Schritte für jeden Akteur abgeleitet<br />
<strong>und</strong> Entwicklungen vorangetrieben werden. Das vorliegende<br />
Papier soll diesen Prozess anregen.<br />
Vorgestellt werden neun <strong>Trends</strong>, die aus unserer Sicht maßgeblichen<br />
Einfluss auf <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong> in den nächsten<br />
20 Jahren haben werden. Sie werden jeweils durch einzelne<br />
Subtrends näher beschrieben <strong>und</strong> mit Hinweisen zum Weiterlesen<br />
ergänzt.<br />
Ihr <strong>InnoZ</strong><br />
Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft 3
Globalisierung / Wirtschaft<br />
„Die Globalisierung verändert die Strukturen<br />
der Weltwirtschaft nachhaltig“<br />
Die Weltwirtschaft wächst moderat,<br />
Schwellenländer holen schnell auf<br />
Der Prozess der Globalisierung kann allgemein als die internationale<br />
Verflechtung vieler ökonomischer <strong>und</strong> gesellschaftlicher<br />
Bereiche beschrieben werden. Die zunehmende globale<br />
Vernetzung verändert die politischen, ökonomischen <strong>und</strong> kulturellen<br />
Beziehungen zwischen den verschiedenen Regionen der<br />
Welt. Sie lässt den Austausch von Waren oder Dienstleistungen<br />
<strong>und</strong> damit den Güterverkehr mit hoher Dynamik expandieren.<br />
Die globalisierte Ökonomie birgt Chancen <strong>und</strong> Risiken für eine<br />
Industrienation wie Deutschland, deren Wirtschaft einerseits<br />
stark vom Export abhängig ist, in der aber andererseits das<br />
soziale Gefüge aufgr<strong>und</strong> von Produktions- <strong>und</strong> damit Arbeitsplatzverlagerungen<br />
ins Ausland <strong>und</strong> des zunehmenden Lohndrucks<br />
belastet wird. In seinem aktuellen sozioökonomischen<br />
Basis szenario geht das <strong>InnoZ</strong> von anhaltenden Globalisierungsprozessen<br />
<strong>und</strong> einer fortgeführten Internationalisierung der<br />
Beschaffungsmärkte bis <strong>2030</strong> aus. Die Wirtschaft wächst<br />
weltweit bis etwa 2020 dynamisch um rd. 3 – 3,5 % p.a., bevor sich<br />
das Wachstum etwas abschwächt (rd. 2,5 % p.a.), der Welthandel<br />
steigt mit rd. 5 % p.a. weiterhin kräftig an. Auch zukünftig werden<br />
starke regionale Unterschiede zu erkennen sein; Wachstumstreiber<br />
sind die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China)<br />
sowie weitere asiatische Nationen. In Deutschland gestaltet<br />
sich das Wirtschaftswachstum trotz der aktuell sehr positiven<br />
konjunkturellen Situation langfristig, im Vergleich zu den boomenden<br />
Schwellenländern, nur moderat. Das BIP wächst hierzulande<br />
um 1,4 % p.a. (2009 - 30) <strong>und</strong> wird zunächst v.a. vom Außenhandel<br />
getragen, der im gleichen Zeitraum um knapp 5 % p.a.<br />
zulegt. Ein Auseinanderbrechen der Eurozone, die Insolvenz<br />
von Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien, Bankenpleiten<br />
mit einer globalen Kreditklemme für Unternehmen <strong>und</strong><br />
sich zunehmend verschuldende Industriestaaten würde den<br />
oben beschriebenen Ausblick nicht obsolet werden lassen. Nur<br />
das Tempo der Globalisierung <strong>und</strong> der internationalen Arbeitsteilung<br />
mit einer im Weltmaßstab kurzfristig schrumpfenden,<br />
mittel- <strong>und</strong> langfristig aber wieder zunehmenden Wirtschaftsleistung,<br />
würde gedrosselt werden.<br />
Der weltweite Warenaustausch wächst<br />
weiter, die Verkehrsleistung nimmt<br />
im globalen Maßstab stark zu<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Einflusses von WTO, Weltbank <strong>und</strong><br />
anderen internationalen Organisationen sowie in wachsendem<br />
Umfang auch regionaler Handelsabkommen werden Handelsbarrieren<br />
<strong>und</strong> Investitionshindernisse weltweit abgebaut. Dies<br />
4 Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft
ist eine Gr<strong>und</strong>lage für das oben in seinen Hauptannahmen umrissene<br />
Umfeldszenario. Durch die zunehmende Liberalisierung<br />
wird es insbesondere Großunternehmen weiter erleichtert<br />
werden, Arbeitskräfte sowie Ressourcen-, Investitions- <strong>und</strong><br />
Steuerbedingungen anderer Länder gewinnbringend zu nutzen.<br />
Schnelle <strong>und</strong> leistungsfähige globale Transport- <strong>und</strong> Kommunikationsmöglichkeiten<br />
sind Gr<strong>und</strong>lage der Globalisierung. Als<br />
Treiber der Entwicklung fungieren auch weiterhin die internationale<br />
Arbeitsteilung sowie die globale Rohstoffnutzung. Zudem<br />
verstärkt die Suche nach neuen Absatzmärkten das Ausmaß<br />
der globalen Verflechtungen. Insbesondere vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
seiner geographischen Lage ist Deutschland als Transitland<br />
bestrebt, die Verkehrsinfrastruktur mit der Dynamik der<br />
Globalisierung <strong>und</strong> der zunehmenden europäischen Integration<br />
in Einklang zu bringen. Straßen <strong>und</strong> Schienen werden auch zukünftig<br />
mit hohen Wachstumsraten im internationalen Güterverkehr<br />
konfrontiert (s. Abbildung). Dieser Umstand führt immer<br />
öfter zu Konfliktsituationen mit dem Personenverkehr. Etwa<br />
90 % des EU-Außenhandels werden per Hochseeschifffahrt<br />
abgewickelt. Allein bis 2020 wird das durchschnittliche jährliche<br />
Wachstum der weltweiten Containertransporte nach Einschätzungen<br />
der Experten gut 6 % betragen. Sie haben bereits in<br />
den letzten beiden Jahrzehnten zu einer Vervielfachung des<br />
Güterumschlags in den Häfen geführt. Damit geht auch in der<br />
nächsten Dekade ein entsprechend starkes Wachstum der<br />
Hafenhinterlandverkehre einher.<br />
Güterverkehrsleistung EU 27 zwischen 2011 <strong>und</strong> 2025<br />
(Landverkehrsträger)<br />
Verkehrsleistung (in Mrd. Tonnenkilometern)<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
2.300<br />
120<br />
390<br />
1.790<br />
2011<br />
2,0 %<br />
2,6 %<br />
1,8 %<br />
2.750<br />
150<br />
500<br />
2.100<br />
2020<br />
1,1 %<br />
1,8 %<br />
1,0 %<br />
Straße Schiene Binnenschifffahrt<br />
durchschnittliche Wachstumsraten p.a.<br />
2.910<br />
160<br />
540<br />
2.210<br />
2025<br />
Quelle: <strong>InnoZ</strong> nach ProgTrans (2010)<br />
Als Gegenbewegung entfalten<br />
sich lokale Initiativen der Kreislaufwirtschaft<br />
In Zeiten zunehmender Globalisierung von Wirtschaftsverflechtungen,<br />
<strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> Kommunikation gewinnt für viele Menschen<br />
die Rückbesinnung auf den ihnen bekannten Identifikationsraum<br />
an Bedeutung. Vielerorts haben sich lokale Initiativen <strong>und</strong> Ansätze<br />
gebildet, die der weltweiten Vereinheitlichung eine regionale<br />
Wertschöpfung gegenüberstellen. Diese Idee wird weitere Nachahmer<br />
finden. Ein Ziel ist die Stärkung der „eigenen“ Region, die<br />
den Bewohnern vertraut ist, in der sie Netzwerke haben <strong>und</strong> in<br />
der sie sichtbaren Einfluss ausüben können. Dieses Prinzip der<br />
dezentralen, selektiven Selbstversorgung <strong>und</strong> Partizipation<br />
bezieht sich nicht nur auf Nahrungsmittel, die vor Ort angebaut,<br />
vermarktet <strong>und</strong> konsumiert werden. Teil dieser Entwicklung<br />
sind auch die Stärkung des örtlichen Mittelstandes <strong>und</strong> mithin<br />
die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die niedrig verzinste<br />
Vergabe von Krediten durch ortsansässige Banken. Ein wichtiger<br />
Antrieb für die Akteure ist die ökologische Komponente, indem<br />
man implizit lange Pendel- <strong>und</strong> Transportwege vermeidet, regenerativen<br />
Strom produziert <strong>und</strong> ohne nennenswerte Durchleitungsverluste<br />
verbraucht <strong>und</strong> somit die CO 2 -Bilanz verbessert.<br />
Nicht zuletzt handelt es sich bei vielen Initiativen um den Versuch,<br />
gerade in den immer spürbarer von Abwanderung <strong>und</strong><br />
Überalterung bedrohten ländlichen Räumen, den Bewohnern<br />
gute Gründe zum Bleiben zu geben <strong>und</strong> das Bewusstsein für<br />
die Stärken <strong>und</strong> Eigenheiten ihrer Region zu vermitteln.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Deutsche Bahn AG / McKinsey & Company (2010):<br />
„Zukunftsperspektiven für <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> Transport.<br />
Eisenbahn in Deutschland 2025“<br />
Deutsche Post AG (2012):<br />
„Delivering Tomorrow: <strong>Logistik</strong> 2050“<br />
International Transport Forum (2011):<br />
„Transport Outlook – Meeting the Needs of 9 Billion People”<br />
Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft 5
Demografischer Wandel<br />
„Der demografische<br />
Wandel in all seinen<br />
Facetten hat zunehmenden<br />
Einfluss auf<br />
gesellschaftliche<br />
Entwicklungen“<br />
Die Weltbevölkerung wächst<br />
weiter, v.a. in Schwellen- <strong>und</strong><br />
Entwicklungsländern<br />
Die Weltbevölkerung ist seit der Industriellen Revolution <strong>und</strong><br />
insbesondere im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert sehr stark gewachsen. Sie<br />
umfasst heute 7 Mrd. Menschen. Ausschlaggebend für diese<br />
Entwicklung war bekanntlich eine höhere Lebenserwartung<br />
durch den medizinischen Fortschritt bei erst später einsetzendem,<br />
langsamen Geburtenrückgang. Den Daten der UNO zufolge<br />
nimmt die Wachstumsrate der Bevölkerung inzwischen ab. Dennoch<br />
dürfte spätestens um das Jahr 2050 die 9-Mrd.-Schwelle<br />
überschritten sein. In den meisten Industrieländern wächst die<br />
Bevölkerung heute vergleichsweise langsam oder schrumpft<br />
sogar. In den Schwellen- <strong>und</strong> v.a. in den meisten Entwicklungsländern<br />
hingegen bleiben Kinder eine wichtige Absicherung<br />
gegen Armutsrisiken. Besonders in den ärmsten Staaten der Erde<br />
bleibt der Bevölkerungszuwachs vorerst ungebremst. Gerade<br />
durch mangelnde Perspektiven, hohe Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> zunehmenden<br />
ökologischen Druck (z.B. durch Klimawandel, Wasserarmut<br />
oder Ernteausfälle) könnte sich vielerorts die Bereitschaft<br />
zur Migration erhöhen. In den Schwellenländern mit dynamischem<br />
Wirtschaftswachstum bildet sich eine nennenswerte<br />
Mittelschicht heraus; dieser Kaufkraftzuwachs kommt wiederum<br />
auch der exportorientierten deutschen Wirtschaft zugute.<br />
In Deutschland <strong>und</strong> vielen EU-Ländern<br />
geht die Bevölkerungszahl zurück<br />
In Deutschland wie in den meisten europäischen Staaten wird die<br />
Bevölkerungszahl sinken – je nach Szenario von heute ca. 81,6 Mio.<br />
um 1,5 bis 4 Mio. Menschen bis zum Jahr <strong>2030</strong>. Eine Ursache ist<br />
der demografische Wandel, da die notwendige Geburtenzahl von<br />
2,1 Kindern pro Frau seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr erreicht<br />
wird. Ausnahmefälle sind z.B. Frankreich oder Irland mit<br />
nach wie vor höheren Geburtenraten. Langfristig werden auch<br />
Zuwanderungsgewinne durch Migration von außen den Geburtenrückgang<br />
nicht ausgleichen können. Weniger Kinder bedeuten<br />
auch kleinere Alterskohorten bei der nachwachsenden, potenziellen<br />
Elterngeneration <strong>und</strong> bei der erwerbsfähigen Bevölkerung.<br />
Langfristig verstärkt sich dieser Prozess <strong>und</strong> führt zu einer<br />
Schwächung der Wirtschaftskraft. Der Wettbewerb um qualifizierte<br />
Arbeitskräfte wird bereits in den nächsten Jahren deutlich<br />
zunehmen. Räumlich gesehen laufen die Prozesse sehr unterschiedlich<br />
ab: Schrumpfenden Regionen in der ländlichen Peripherie<br />
<strong>und</strong> in altindustrialisierten Gegenden stehen wenige<br />
Metropolregionen wie München, Hamburg oder Rhein-Main<br />
gegenüber, die auch in den nächsten 20 Jahren für Zuwanderer<br />
aus dem In- <strong>und</strong> Ausland attraktiv bleiben (s. Abbildung). Die<br />
räumlichen Disparitäten bei der Verkehrs- <strong>und</strong> Infrastrukturnachfrage<br />
werden dementsprechend weiter ansteigen.<br />
6 Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft
Überall werden wesentlich mehr alte<br />
<strong>und</strong> hochbetagte Menschen leben<br />
Der Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung steigt in<br />
Deutschland bereits seit zwei Jahrzehnten stetig an. Gleichzeitig<br />
nimmt der Anteil junger Menschen ab: Im Jahr 2011 gab es<br />
13,2 Mio. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche (16 % der Gesamtbevölkerung),<br />
<strong>2030</strong> werden es vsl. nur noch 11,6 Mio. sein (14,5 %). Die Zahl<br />
der Senioren steigt im gleichen Zeitraum von 16,8 auf ca. 22 Mio.<br />
(Anteil steigt von 20 % auf über 27 %). Die Verwerfungen in der<br />
Altersstruktur bleiben nicht ohne Folgen für die Gesellschaft.<br />
In diesem Zusammenhang diskutierte Themen sind u.a. die<br />
Generationengerechtigkeit, die schnellere Schrumpfung des<br />
Erwerbstätigenpotenzials im Vergleich zur Gesamtbevölkerung,<br />
die Heraufsetzung des gesetzlichen Rentenalters sowie der<br />
drohende finanzielle Zusammenbruch des Ges<strong>und</strong>heitssystems.<br />
Angesichts der sich permanent ändernden Rahmenbedingungen<br />
nehmen Weiterbildungsmaßnahmen zur Sicherung der Produktivität<br />
einen hohen Stellenwert ein. Auch für die Verkehrsmärkte<br />
ergeben sich tiefgreifende Umwälzungen: Ältere Menschen<br />
im Ruhestand legen weniger <strong>und</strong> kürzere Wege pro Tag<br />
zurück, besitzen aber immer häufiger einen Führerschein. Andererseits<br />
verschiebt sich die Spanne der aktiven Teilhabe mehr<br />
<strong>und</strong> mehr ins höhere Alter. Für <strong>Mobilität</strong>sdienstleister wird dies<br />
zur Herausforderung, denn die Zuwächse an Fahrleistung finden<br />
Bevölkerungsentwicklung in den Kreisen 2011 bis <strong>2030</strong><br />
ø für Deutschland -1,9%<br />
N<br />
0 100 200 km<br />
-40<br />
-20<br />
Quelle: <strong>InnoZ</strong> (2012) auf Gr<strong>und</strong>lage BBSR/StBA<br />
0<br />
+20<br />
überwiegend im verkehrlich schwer zu bündelnden Freizeitbereich<br />
statt. Gleichzeitig geht der Schülerverkehr als eine<br />
tragende Säule des ÖPNV bis etwa 2020 deutschlandweit um<br />
mindestens ein Fünftel zurück. Die Alterung der Gesellschaft<br />
ist keine singulär deutsche oder europäische Erscheinung,<br />
sondern wird bis <strong>2030</strong> <strong>und</strong> darüber hinaus in vielen Weltregionen<br />
zunehmen.<br />
In vielen Teilen der Welt hält der<br />
Trend zur Verstädterung an<br />
Im Jahr 2009 lebten erstmals mehr Menschen in Städten als<br />
auf dem Land, 1950 war es erst ein Drittel. Diese Entwicklung<br />
wird sich fortsetzen: Die UNO geht davon aus, dass es <strong>2030</strong><br />
bereits gut 60 % sein werden. Dabei ist der Anteil der Stadtbevölkerung<br />
in den Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländern wesentlich<br />
größer als in den Industriestaaten; allein in China <strong>und</strong> Indien<br />
bewohnen bereits heute insgesamt knapp 1 Mrd. Menschen<br />
Städte. Die fortschreitende Urbanisierung führt darüber hinaus<br />
zu einer immer größeren Zahl von Megacities mit mehr als<br />
10 Mio. Einwohnern. Ihre Zahl wird bis Mitte der 2020er-Jahre<br />
auf vsl. 29 anwachsen. Die Gründe für das starke Wachstum:<br />
Den mangelnden ökonomischen Perspektiven auf dem Land<br />
steht die Hoffnung gegenüber, sich in der Stadt ein hinreichendes<br />
Auskommen zu sichern. Immerhin entfallen geschätzte<br />
80 % des weltweiten BIP auf die Stadtregionen. In vielen sich<br />
entwickelnden Ländern besteht in den nächsten Dekaden ein<br />
enormes Marktpotenzial zum Auf- <strong>und</strong> Ausbau von Netzinfrastrukturen,<br />
u.a. im Verkehrssektor. Und überall auf der Welt<br />
wächst der Druck aufgr<strong>und</strong> der immensen städtischen Verkehrsprobleme<br />
ebenso wie der Bedarf an intelligenten Lösungen,<br />
da Kapazitätsausweitungen v.a. im Straßennetz enge<br />
Grenzen gesetzt sind.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
B<strong>und</strong>esinstitut für Bau-, Stadt- <strong>und</strong> Raumforschung (2009):<br />
„Raumordnungsprognose 2025/2050“<br />
World Business Council for Sustainable Development (2010):<br />
„Vision 2050. The New Agenda For Business”<br />
United Nations (2011):<br />
„World Urbanization Prospects. The 2011 Revision”<br />
Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft 7
Klimawandel<br />
„Der Klimawandel macht sich immer<br />
stärker bemerkbar“<br />
Extreme Wetterphänomene <strong>und</strong><br />
Naturkatastrophen häufen sich<br />
Seit den 1980er-Jahren hat die Häufigkeit von Naturkatastrophen<br />
weltweit stark zugenommen. Dabei werden immer größere<br />
Schäden verursacht – allein im Jahr 2011 haben H<strong>und</strong>erte von<br />
Ereignissen weltweit Rekordschäden in Höhe von knapp 300<br />
Mrd. Euro angerichtet. Sie treten vermehrt auch in solchen Regionen<br />
auf, die bis dato nicht zu den klassischen Katastrophengebieten<br />
gezählt wurden. Selbst Mitteleuropa wurde in der jüngeren<br />
Vergangenheit außergewöhnlich oft von extremen<br />
Wettererscheinungen wie Orkanen‚ Überschwemmungen, Hitzeperioden<br />
etc. heimgesucht. Allein in Deutschland hat sich die<br />
Zahl von Naturkatastrophen seit 1970 etwa verdreifacht. Die<br />
Expertisen der Klimaforschung gehen nahezu übereinstimmend<br />
davon aus, dass hierzulande auch in Zukunft mit einer<br />
weiteren Zunahme von Wetterextremen zu rechnen ist. Die Klimamodelle<br />
weisen die extremeren Auswirkungen zwar erst<br />
nach ca. 2040 aus, aber schon vorher können Stürme häufiger<br />
<strong>und</strong> intensiver werden <strong>und</strong> Hochwasser winters wie sommers,<br />
allerdings aus unterschiedlichen Gründen, häufiger auftreten.<br />
Zudem wird es zu weiteren extremen Wetterphänomenen wie<br />
Dürreperioden <strong>und</strong> Starkregen- bzw. Hagelschauern kommen.<br />
Die sog. Vulnerabilität, d.h. die Anfälligkeit bzw. Verletzlichkeit<br />
einer Region, ist dabei in Mitteleuropa im Vergleich zu vielen<br />
anderen Gegenden des Kontinents <strong>und</strong> der Welt noch eher gering,<br />
da letztere von Meeresspiegelanstieg, extremer Dürre<br />
oder häufigeren tropischen Wirbelstürmen ungleich stärker<br />
betroffen sind. Hintergr<strong>und</strong> für die steigende Zahl von Extremereignissen<br />
ist höchstwahrscheinlich die sich beschleunigende<br />
Erderwärmung, die durch die Freisetzung klimawirksamer,<br />
anthropogener Gase wie CO 2 oder Methan in die Atmosphäre<br />
mit verursacht wird. Aufgr<strong>und</strong> des global anhaltenden Bevölkerungswachstums,<br />
des durchschnittlich wachsenden Wohlstands<br />
<strong>und</strong> der weiteren Zunahme der Verkehrs- <strong>und</strong> Transportleistungen<br />
wird sich der Ausstoß von Klimagasen weiter<br />
erhöhen. Die Anstrengungen zur Eindämmung des CO 2 -Ausstoßes<br />
in den entwickelten Ländern werden von den absehbaren<br />
Mehremissionen in Schwellen- <strong>und</strong> Entwicklungsländern<br />
stark überkompensiert werden (s. Abbildung Seite 9 links).<br />
Die Kosten für Vorsorge, Unterhalt<br />
<strong>und</strong> Schadensbeseitigung steigen<br />
Im Verkehrssektor werden witterungsanfällige <strong>und</strong> exponierte<br />
Verkehrsbauwerke wie Oberleitungen, Brücken oder Dämme<br />
vermehrt Stürmen, Starkregen, Hagel, Hochwasserereignissen<br />
in den Flusstälern <strong>und</strong> Mittelgebirgen, Sturmfluten an den<br />
8 Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft
Küsten sowie extremen Hitze- <strong>und</strong> Kälteperioden ausgesetzt<br />
sein. Betroffen werden, in unterschiedlicher Intensität <strong>und</strong><br />
Ausformung, auch die Straßen <strong>und</strong> Schienenwege, Flughäfen<br />
<strong>und</strong> Verkehrsstationen sowie nichtrobuste Fahrzeugtechnologien<br />
sein. Die Binnenschifffahrt war bereits in den zurückliegenden<br />
Jahren regelmäßig von Hoch- wie Niedrigwasser betroffen.<br />
Sie wird zukünftig wahrscheinlich immer stärker hiervon<br />
beeinträchtigt sein. Die sich häufenden Extremereignisse führen<br />
zum vorübergehenden Erliegen des Verkehrs, was erhebliche<br />
ökonomische Schäden aufgr<strong>und</strong> von Produktionsausfällen<br />
mit sich bringt. Der Folgenbewältigung dienen z.B. angepasste<br />
Bauweisen, Hochwasserschutzbauten, die Renaturierung von<br />
Flussläufen oder – aus Sicht der Verbraucher – die verstärkte<br />
Klimatisierung von Räumen <strong>und</strong> Fahrzeugen. Die unmittelbaren<br />
Konsequenzen von Naturkatastrophen schlagen sich tendenziell<br />
in einer Verteuerung von <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> Transport nieder.<br />
Gründe dafür sind neben dem unterbrochenen oder behinderten<br />
Verkehrsfluss die Instandsetzung der Infrastruktur, die<br />
Kosten, um die Netze hinreichend robust gegen extreme Wetterereignisse<br />
zu machen sowie steigende Versicherungsbeiträge<br />
(s. Abbildung rechts). Hinzu kommen zukünftig vermehrt<br />
Kosten für Maßnahmen der Klimaschutzpolitik, bspw. für Abgaben<br />
auf Klimagase oder den Emissionshandel. Hintergr<strong>und</strong><br />
ist die Tatsache, dass der Verkehrssektor verglichen mit anderen<br />
Emittenten bislang nur einen sehr bescheidenen Beitrag<br />
zur CO 2 -Reduktion geleistet hat. Angesichts der angestrebten<br />
Reduktionsziele von Seiten der B<strong>und</strong>esregierung wird ein erheblicher<br />
Druck auf die Branche entstehen, in den nächsten<br />
beiden Jahrzehnten Maßnahmen zur „Dekarbonisierung“ des<br />
Verkehrs – z.B. durch CO 2 -arme oder -freie Antriebe – umzusetzen.<br />
Auch dies wird mit erheblichen Kosten verb<strong>und</strong>en sein.<br />
Entwicklung der globalen CO 2 -Emissionen bis 2035<br />
Mrd. t<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
2005<br />
2010<br />
OECD-Länder<br />
2015<br />
2020<br />
Nicht-OECD-Länder<br />
2025<br />
<strong>2030</strong><br />
2035<br />
Quelle: U.S. Energy Information Administration (2011)<br />
Zum Weiterlesen:<br />
DLR / Fraunhofer IWES / IfNE (2012):<br />
„Langfristszenarien <strong>und</strong> Strategien für den Ausbau der erneuerbaren<br />
Energien in Deutschland bei Berücksichtigung<br />
der Entwicklung in Europa <strong>und</strong> global“<br />
Fraunhofer ISI (2011):<br />
„VIVER – Vision für nachhaltigen Verkehr in Deutschland“<br />
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (2011):<br />
„Herausforderung Klimawandel. Antworten <strong>und</strong> Forderungen<br />
der deutschen Versicherer“<br />
Zunahme Schadensatz durch Sturm/Hagel<br />
Mittlerer jährlicher Schadensatz 1984 – 2008 im Vergleich zum Zeitraum …<br />
ganzjähring<br />
Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft 9<br />
ø +7 %<br />
Sommerhalbjahr<br />
2011 – 2040<br />
ø +25 %<br />
Winterhalbjahr<br />
2011 – 2040<br />
ø +1 %<br />
2011 – 2040<br />
durchschnittliche<br />
Änderungen in %<br />
durchschnittliche<br />
Änderungen in %<br />
durchschnittliche<br />
Änderungen in %<br />
ø +28 %<br />
2041 – 2070<br />
ø +61 %<br />
2041 – 2070<br />
ø +16 %<br />
2041 – 2070<br />
Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (2011)
Öko-Sensibilisierung<br />
„Wir achten stärker auf unseren<br />
ökologischen Fußabdruck“<br />
Der Aufbruch hin zu einer<br />
nachhaltigeren Zukunft hat<br />
erst begonnen<br />
Weltweit ist eine drastische Reduzierung der Emissionen von<br />
Treibhausgasen notwendig, um die Erderwärmung auf einen<br />
Wert von unter 2° C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau<br />
zu begrenzen. Der Klimaschutzgedanke war – neben Sicherheitsbedenken<br />
– eine wesentliche Motivation für die im Sommer 2011<br />
von der deutschen B<strong>und</strong>esregierung beschlossene „Energiewende“.<br />
Parallel zum stufenweisen Ausstieg aus der Atomenergie<br />
bis 2022 sollen im Zuge einer gr<strong>und</strong>sätzlich veränderten<br />
Energiepolitik der Anteil der erneuerbaren Energien deutlich<br />
gesteigert sowie wirksame Maßnahmen zum Energiesparen<br />
<strong>und</strong> zum effizienten Energieeinsatz ergriffen werden. Die Entscheidung<br />
kam nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> großen öffentlichen Drucks<br />
zustande. Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr <strong>2030</strong> etwa<br />
zwei Drittel des deutschen Bruttostromverbrauchs aus CO 2 -<br />
neutralen Quellen, v.a. aus Wind- <strong>und</strong> Wasserkraft, Photovoltaik<br />
<strong>und</strong> Biomasse, stammen werden (s. Abbildung). Die Energiewende<br />
steht sehr viel eher im Einklang mit den Prinzipien der<br />
Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Ressourceneffizienz als herkömmliche<br />
Energiestrategien, die fast ausschließlich auf fossile Brennstoffe<br />
oder Atomenergie zur Energieerzeugung setzen. Neben<br />
den im Stromsektor angestrebten Zielen werden aber auch im<br />
Wärme- <strong>und</strong> im Verkehrssektor nachhaltige Strategien umgesetzt,<br />
um eine hinreichende Dekarbonisierung zu erreichen.<br />
Dies umfasst im Wärmesektor u.a. umfassende Maßnahmen<br />
zur Gebäudesanierung, auch bei Produktions- <strong>und</strong> Werkstätten<br />
oder an Flughäfen <strong>und</strong> Bahnhöfen, zum Ausbau dezentraler<br />
Wärmenetze sowie zum verstärkten Einsatz von Solarwärme<br />
<strong>und</strong> Geothermie. Auch im Verkehrssektor, der bislang nur einen<br />
sehr bescheidenen Beitrag zur CO 2 -Einsparung geliefert hat,<br />
sollen alle Verkehrsträger zu Lande, zu Wasser <strong>und</strong> in der Luft<br />
ihren Beitrag zur postfossilen Fortbewegung liefern. Die alleinige<br />
„Elektrifizierung“ der Fahrzeuge wird indes nicht reichen. Vielmehr<br />
werden neue ganzheitliche Ansätze, z.B. zur Elektromobilität,<br />
dazu genutzt, um systemisch <strong>und</strong> unter Einbeziehung<br />
von Nutzern <strong>und</strong> Konsumenten ressourcenschonende Verkehrs-<br />
<strong>und</strong> <strong>Logistik</strong>konzepte zu erproben <strong>und</strong> einzuführen. In der deutschen<br />
Bevölkerung setzt sich immer stärker das Bewusstsein<br />
durch, dass die Energiewende mittel- bis langfristig nicht nur<br />
politisch gewollt, sondern auch ökonomisch sinnvoll ist. Es wächst<br />
die Überzeugung, dass auch zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen<br />
<strong>und</strong> Deutschland in vielen relevanten Bereichen eine<br />
wichtige technologische Vorreiterrolle erlangen kann.<br />
10 Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft
Nachfrage nach CO 2 -armer<br />
<strong>Mobilität</strong> wächst<br />
Der „ökologische Fußabdruck“ eines Menschen bezeichnet die<br />
fiktive durchschnittliche Fläche, die notwendig ist, um den<br />
momentanen Lebensstil zu ermöglichen (d.h. die Fähigkeit des<br />
Planeten, die benötigten Rohstoffe zu produzieren <strong>und</strong> die<br />
produzierten Schadstoffe abzubauen). Er betrug 2010 ca. 2,7 ha<br />
pro Person <strong>und</strong> Jahr; in den Industrieländern ist der Wert noch<br />
wesentlich höher, in Deutschland lag er 2010 bei 5,1. Die sog.<br />
Biokapazität der Erde beträgt demgegenüber jedoch nur etwa<br />
1,8 ha pro Person <strong>und</strong> Jahr. Es besteht also erheblicher Handlungsbedarf.<br />
Immer mehr Menschen werden sich der ökologischen<br />
Probleme bewusst <strong>und</strong> versuchen, ihr Verhalten anzupassen.<br />
Damit stehen sie zukünftig nicht in einer abseitigen<br />
Lifestyle-Nische, sondern gelten mit ihrer auf Nachhaltigkeit<br />
ausgerichteten Konsum- <strong>und</strong> Lebensweise zunehmend als<br />
<strong>Trends</strong>etter. Dies betrifft auch <strong>Mobilität</strong>smuster: Dort, wo es<br />
möglich <strong>und</strong> sinnvoll ist, gehen die Menschen zu Fuß oder<br />
fahren mit dem Fahrrad. Kürzere Wege <strong>und</strong> gemächlichere<br />
Fortbewegung werden im Sinne der „Entschleunigung“ auch<br />
als höhere Lebensqualität wahrgenommen. Durch das ständig<br />
wachsende Angebot an gemeinschaftlich nutzbaren Autos <strong>und</strong><br />
Fahrrädern in Städten sowie des dort ohnehin gut ausgebauten<br />
öffentlichen Verkehrs sehen viele davon ab, noch einen eigenen<br />
Pkw zu halten. Nach Möglichkeit handelt es sich um elektrische<br />
Leihfahrzeuge, deren Strom aus regenerativen Energiequellen<br />
stammt. Für weitere Strecken im Inland wird größtenteils die<br />
Bahn benutzt. Einzig auf Flugreisen wird die Mehrheit der Bevölkerung<br />
nicht verzichten wollen. Dafür wird in der Regel eine Klimakompensation<br />
gezahlt werden, d.h. CO 2 -senkende Maßnahmen<br />
werden an anderer Stelle äquivalent zum ver ursachten Schadstoffausstoß<br />
der Reise umgesetzt.<br />
Möglicher Anteil erneuerbarer Energien am<br />
Bruttostromverbrauch in Deutschland 2010 – <strong>2030</strong><br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
17<br />
5<br />
7<br />
3<br />
2010<br />
Biomasse<br />
2<br />
Wasserkraft<br />
29<br />
7<br />
5<br />
13<br />
4<br />
2015<br />
Windenergie<br />
Geothermie<br />
39<br />
9<br />
7<br />
19<br />
4<br />
2020<br />
53<br />
3<br />
10<br />
9<br />
26<br />
4<br />
2025<br />
Photovoltaik<br />
1<br />
EU-Stromverb<strong>und</strong><br />
66<br />
7<br />
10<br />
10<br />
34<br />
4<br />
<strong>2030</strong><br />
1<br />
Quelle: DLR / Fraunhofer IWES / IfNE (2012)<br />
Grüne <strong>Logistik</strong> im Kommen<br />
Der Güterverkehr steht angesichts der zu erwartenden starken<br />
Wachstumsraten bis <strong>2030</strong> <strong>und</strong> angesichts der Tatsache, dass<br />
fossile Antriebsstoffe bei Lkw oder im Schiffstransport langfristig<br />
weniger leicht substituierbar sind als im Personenverkehr,<br />
vor einer besonderen Herausforderung <strong>und</strong> Verantwortung.<br />
Ebenso wie die eigene <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> ihre Ökobilanz zunehmend<br />
hinterfragt werden, wollen auf Nachhaltigkeit bedachte Konsumenten<br />
vor der Kaufentscheidung Transparenz über die<br />
Höhe der spezifischen Emissionswerte von Waren. Somit wird<br />
Nachhaltigkeit auch für Geschäftsk<strong>und</strong>en in der <strong>Logistik</strong> zunehmend<br />
zu einem wichtigen Kriterium <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />
der „Grünen <strong>Logistik</strong>“ gewinnen entsprechend an Bedeutung.<br />
Hiermit wird das Ziel verfolgt, die in der <strong>Logistik</strong> auftretenden<br />
CO 2 -Emissionen zu reduzieren bzw. durch Ausgleichsmaßnahmen<br />
zu neutralisieren. Dabei stehen nicht nur die eigentlichen<br />
Transportleistungen im Fokus, sondern die gesamte Wertschöpfungskette.<br />
Auch die Ressourcen- <strong>und</strong> Energieeffizienz<br />
von Umschlaganlagen, <strong>Logistik</strong>immobilien <strong>und</strong> bspw. der Verwaltungstätigkeit<br />
werden hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit<br />
optimiert. Dabei dient grüne <strong>Logistik</strong> nicht allein dem aufgebesserten<br />
Image eines Unternehmens oder einer Marke, denn<br />
die durch ressourceneffizientes Wirtschaften erzielbaren<br />
Kosten einsparungen werden zu einem signifikanten Faktor der<br />
Zukunfts- <strong>und</strong> somit Wettbewerbsfähigkeit. Rendite <strong>und</strong> nachhaltiges<br />
Handeln sind spätestens dann kein Widerspruch mehr,<br />
wenn die Emissionen von Klimagasen bepreist werden <strong>und</strong> sich<br />
eine rechtzeitige Umstellung auf ökologisches Wirtschaften<br />
als entscheidender Vorteil erwiesen haben wird.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Deutsche Post AG (2010):<br />
„Delivering Tomorrow: Zukunftstrend Nachhaltige <strong>Logistik</strong>“<br />
DLR / Fraunhofer IWES / IfNE (2012):<br />
„Langfristszenarien <strong>und</strong> Strategien für den Ausbau der erneuerbaren<br />
Energien in Deutschland bei Berücksichtigung<br />
der Entwicklung in Europa <strong>und</strong> global“<br />
Zukunftsinstitut (2011):<br />
„Die Zukunft der <strong>Mobilität</strong> <strong>2030</strong>“<br />
Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft 11
Kosten/Budgets<br />
„Die Kosten für Infrastruktur <strong>und</strong> Betrieb<br />
steigen weiter, die <strong>Mobilität</strong>sbudgets<br />
geraten unter Druck“<br />
Die öffentlichen Mittel fließen<br />
immer spärlicher<br />
Die aktuelle konjunkturelle Lage in Deutschland ist im europäischen<br />
Vergleich gut. Für das Jahr 2012 wird eine Rekordsumme<br />
aus Steuereinnahmen erwartet. Dennoch ist es in Anbetracht<br />
der Verschuldung der öffentlichen Haushalte geboten, den Blick<br />
auf den langfristigen Abbau der Staatsschulden zu richten. Der<br />
Schuldenstand des B<strong>und</strong>es, der Länder <strong>und</strong> Gemeinden belief<br />
sich 2010 auf eine Rekordsumme von insgesamt 2 Bio. EUR,<br />
die Pro-Kopf-Verschuldung auf fast 25.000 EUR je Einwohner<br />
<strong>und</strong> die Schuldenstandsquote, d.h. die Summe der öffentlichen<br />
Verschuldung in Relation zum BIP, betrug gut 80 %. Entsprechend<br />
sind bis <strong>2030</strong> Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung wie<br />
der weitere Abbau von Personalbeständen in öffentlichen Einrichtungen<br />
oder die Verminderung sozialer Leistungen zu<br />
erwarten, um den Anteil des Zinsaufwandes an den Gesamtausgaben<br />
zu verringern <strong>und</strong> die Handlungsfähigkeit der öffentlichen<br />
Haushalte langfristig zu sichern. Auf der Ausgabenseite<br />
ist darüber hinaus mit steigenden öffentlichen Aufwendungen,<br />
z.B. für die Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge einer alternden<br />
Bevölkerung, zu rechnen. Zu diesen bekannten <strong>und</strong> bezifferbaren<br />
Risiken kommen derzeit noch nicht absehbare Unwägbarkeiten<br />
aus dem finanziellen Engagement bei den Europäischen Rettungsschirmen<br />
im Zusammenhang mit der Euro- <strong>und</strong> Schuldenkrise.<br />
Nicht zuletzt steht die Gefahr einer tiefgreifenden <strong>und</strong> nachhaltigen<br />
Rezession im Falle einer nicht auszuschließenden Verschärfung<br />
der Schuldenkrise im Raum. Letztlich stehen bereits in<br />
den nächsten Jahren staatliche Zahlungen, die der Verkehrsinfrastruktur<br />
<strong>und</strong> dem öffentlichen Verkehrsangebot zugute<br />
kommen, in ihrer jetzigen Höhe oder gar komplett zur Disposition.<br />
So steht bspw. bis 2014 die Revision der Regionalisierungsmittel<br />
des B<strong>und</strong>es für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV)<br />
an. Die Entflechtungsmittel, mit denen der B<strong>und</strong> die Finanzierung<br />
von Verkehrsinfrastrukturen in den Kommunen unterstützt,<br />
sollen nach 2019 sogar komplett entfallen.<br />
Die Lücke zwischen Infrastrukturbedarf<br />
<strong>und</strong> den nötigen Ausbau- bzw.<br />
Ersatzinvestitionen wird größer<br />
Während aktuelle deutschlandbezogene Verkehrsprognosen für<br />
die Jahre 2025/<strong>2030</strong> im Personenverkehr je nach unterstelltem<br />
Szenario eher eine Stagnation auf hohem Bestandsniveau oder<br />
noch leichte Zunahmen bei der Verkehrsleistung sehen, sind<br />
sich bei der Prognose des Güterverkehrs die meisten Fachleute<br />
dahingehend einig, dass die gesamte Transportleistung bis 2025<br />
um 25 % <strong>und</strong> mehr gegenüber 2011 steigt. Mit der gegenwärtig<br />
vorhandenen Infrastruktur sind die beschriebenen Verkehrs-<br />
12 Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft
zuwächse kaum aufzufangen. Werden nicht rechtzeitig <strong>und</strong><br />
gezielt hinreichende Investitionen auf notwendige Netzergänzungen<br />
<strong>und</strong> -ausbauten gelenkt, ist mit einer noch höheren<br />
Stauintensität auf der Straße <strong>und</strong> einer höheren Verspätungsanfälligkeit<br />
im Schienenverkehr zu rechnen, was immer öfter<br />
zu Qualitätseinbußen bei <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong> führen würde.<br />
Für Autobahnen <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esstraßen fehlen derzeit nach Berechnungen<br />
des Gießener Verkehrsforschers Aberle pro Jahr<br />
mindestens 2 Mrd. EUR zur Finanzierung von Ersatz- <strong>und</strong><br />
wichtigen Ausbaumaßnahmen. Dabei ist der ebenfalls erhebliche<br />
Bedarf beim nachgeordneten Straßennetz noch nicht eingerechnet.<br />
Bei der Schieneninfrastruktur handelt es sich laut<br />
Aberle um ca. 500 Mio. EUR p.a. Aufgr<strong>und</strong> der Gleichzeitigkeit<br />
von Schrumpfen <strong>und</strong> Wachsen erhöht sich die Inkongruenz<br />
zwischen teils überausgestatteten, strukturschwachen ländlichen<br />
Räumen <strong>und</strong> weiterhin dringendem Ausbaubedarf in prosperierenden<br />
Ballungsräumen <strong>und</strong> Netzknoten. Inwiefern zudem<br />
der Schienengüterverkehr in der Lage sein wird, seine Marktposition<br />
gegenüber der Straße zu verbessern, ist in erster Linie<br />
von den Netzkapazitäten abhängig sowie von der Möglichkeit,<br />
die zu erwartenden Mehrverkehre abzuwickeln.<br />
Die Zeiten billigen Öls sind vorbei,<br />
die <strong>Mobilität</strong>s- <strong>und</strong> Transportkosten<br />
steigen weiter<br />
Autofahren <strong>und</strong> die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel<br />
haben sich in der jüngeren Vergangenheit überdurchschnittlich<br />
verteuert. Diese Entwicklung wird sich vsl. fortsetzen. Beim<br />
motorisierten Individualverkehr (MIV) ist je nach Szenarioansatz<br />
zur Ölpreisentwicklung mit stark bis sehr stark steigenden<br />
Mögliche Entwicklung <strong>Mobilität</strong>skosten<br />
in Bandbreiten 2010 – <strong>2030</strong><br />
MIV<br />
Out-ofpocket-Kosten<br />
Öffentlicher<br />
Straßenpersonenverkehr<br />
(ÖSPV)<br />
147 193<br />
145 169 197<br />
Schienenpersonennahverkehr<br />
(SPNV)<br />
139 153 185 227<br />
100 150 200 250<br />
Index: 2010 = 100<br />
Lebenshaltungskosten Betriebskosten der Verkehrsunternehmen<br />
Bandbreite möglicher <strong>Mobilität</strong>skosten im Jahr <strong>2030</strong><br />
Quelle: Hunsicker & Sommer (2012)<br />
Kraftstoffpreisen bis <strong>2030</strong> zu rechnen. Darüber hinaus ist trotz<br />
aller Beteuerungen der Politik bis spätestens 2020 die Einführung<br />
von Straßenbenutzungsgebühren für Pkw auf Autobahnen<br />
<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esstraßen wahrscheinlich. Folglich steigen die durch<br />
den Autofahrer wahrgenommenen Kosten („out of pocket“). Die<br />
Abbildung spiegelt die Bandbreiten der möglichen <strong>Mobilität</strong>skostensteigerungen<br />
bis <strong>2030</strong> wieder. Auch im SPNV <strong>und</strong> im<br />
öffentlichen Straßenpersonenverkehr ist je nach dem, inwieweit<br />
sich der Staat an der Kofinanzierung in Zukunft beteiligt, mit<br />
steigenden Fahrpreisen zu rechnen. Es ist nicht auszuschließen,<br />
dass die <strong>Mobilität</strong>skosten im öffentlichen Verkehr – mit Ausnahme<br />
des eigenwirtschaftlich agierenden Schienen- <strong>und</strong> Busfernverkehrs<br />
– relativ stärker zulegen als beim MIV. Gleichzeitig<br />
sinkt in den Privathaushalten der durchschnittliche Budgetanteil,<br />
der für <strong>Mobilität</strong> zur Verfügung steht, denn bei nur moderat<br />
steigenden Realeinkommen müssen die Haushalte ständig mehr<br />
für Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Altersvorsorge aufwenden. Insgesamt<br />
gewinnt in allen Bereichen die Nutzerfinanzierung an Bedeutung.<br />
Wie sich die Kosten im Güterverkehr entwickeln werden, ist<br />
derzeit schwer abschätzbar. Einerseits entstehen erhebliche<br />
Mehrkosten, z.B. durch Kraftstoffpreissteigerungen (Lkw,<br />
Binnenschifffahrt), Lärmschutzmaßnahmen <strong>und</strong> Maßgaben<br />
zur Umsetzung der Interoperabilität (Schiene), andererseits<br />
wurde der Wettbewerb intra- wie intermodal bereits in den<br />
letzten Jahren stark über den Preis ausgetragen. Viele Rationalisierungspotenziale<br />
sind dadurch inzwischen ausgeschöpft.<br />
Bei den Transporteuren im Straßengüterverkehr wird in den<br />
kommenden Jahren der Konkurrenz- <strong>und</strong> Kostendruck aus<br />
Osteuropa weiter anhalten <strong>und</strong> einen nachhaltigen Optimierungsprozess<br />
erzwingen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.<br />
Langfristig steigen die Transportkosten aller Modes im Güterverkehr<br />
spürbar an. Dem kann durch eine intelligente Verknüpfung<br />
der Systeme im Rahmen inter- <strong>und</strong> multimodaler<br />
<strong>Logistik</strong>lösungen teilweise entgegengewirkt werden.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Aberle, Gerd / Hofmann, Markus (2012):<br />
„Infrastrukturgipfel 2012. Welche Zukunft für die<br />
Infrastrukturen?“<br />
Hunsicker, Frank / Sommer, Carsten (2009):<br />
„<strong>Mobilität</strong>skosten <strong>2030</strong>: Autofahren <strong>und</strong> ÖPNV-Nutzung<br />
werden teurer“<br />
Technische Universität Dresden (2011):<br />
„Zukunft von <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> Verkehr“<br />
Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft 13
Neue Antriebe<br />
„Neue Antriebstechnologien verändern<br />
die Märkte“<br />
Personenverkehr: Neue Antriebe<br />
gewinnen langsam aber sicher<br />
an Bedeutung <strong>und</strong> erhöhen die<br />
Systemeffizienz<br />
Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, z.B. batterieelektrische<br />
oder mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie, sind seit<br />
einigen Jahren in der Erprobung. Mit großem finanziellem<br />
Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsaufwand seitens der öffentlichen<br />
Hand <strong>und</strong> der Industrie wird versucht, Deutschland als Leitmarkt<br />
für Elektromobilität zu etablieren <strong>und</strong> Brennstoffzellenfahrzeuge<br />
in eine rentable Serienproduktion zu überführen. So sollen bis<br />
2020 1 Mio. <strong>und</strong> bis <strong>2030</strong> 5 Mio. batterieelektrische Fahrzeuge<br />
auf die Straße gebracht werden. Dabei ist das E-Auto auf den<br />
ersten Blick keinesfalls ein gleichwertiger Ersatz für den<br />
„Benziner“. Konventionell gedacht, reduzieren die hohen Batteriekosten<br />
<strong>und</strong> die geringe Speicherdichte das E-Fahrzeug im Vergleich<br />
zum heutigen privaten Universalauto auf ein überteuertes<br />
„Defizitfahrzeug“: hohe Anschaffungskosten, lange Aufladedauer,<br />
geringe Reichweite, begrenzte Höchstgeschwindigkeit,<br />
begrenzte Verfügbarkeit <strong>und</strong> eingeschränkter Komfort. Kurz gesagt:<br />
halbe Leistung zum doppelten Preis. Ein Durchbruch hinsichtlich<br />
höherer Speicherdichte <strong>und</strong> kostengünstigerer Batterien<br />
ist vorerst nicht zu erwarten. Gerade diese vermeintlichen<br />
Schwächen machen das E-Auto aber zur idealen Ergänzung<br />
des klassischen ÖPNV auf kurzen Strecken. Das E-Fahrzeug<br />
kann ideal in intermodale Konzepte eingeb<strong>und</strong>en werden <strong>und</strong><br />
die sinnvolle Integration der Verkehrsträger gerade in Ballungsräumen<br />
voranbringen. Außerdem besteht in vielen Megacities<br />
weltweit ein dringender Bedarf, lokale Emissionen von Luftschadstoffen<br />
durch den ausufernden Straßenverkehr zu beschränken.<br />
Die Hybridtechnologie, bei der Elektromotor <strong>und</strong><br />
konventioneller Verbrennungsmotor kombiniert werden, bietet<br />
zwar eine längere Reichweite, wird aber langfristig zumeist<br />
nur als Brückentechnologie angesehen, denn das Problem der<br />
Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen wird auch mit dieser<br />
Antriebsform nicht vollständig gelöst. Die durch Wasserstoff<br />
<strong>und</strong> Brennstoffzelle angetriebenen Fahrzeuge wiederum haben<br />
zwar eine deutlich größere Reichweite als batterieelektrische<br />
Pkw, sind aber vergleichsweise teuer. Zudem verringert die meist<br />
aufwändige Erzeugung <strong>und</strong> der Transport bzw. die Speicherung<br />
des Wasserstoffs den Gesamtwirkungsgrad erheblich. Inwiefern<br />
<strong>und</strong> in welchem Segment sich diese Technologie langfristig<br />
etablieren wird, ist derzeit schwer absehbar, obwohl viele Hersteller<br />
die Antriebe inzwischen zur Serienreife entwickelt haben.<br />
Derzeit befinden sich auch kombinierte Konzepte zur Reichweitenverlängerung<br />
von Batteriefahrzeugen, z.B. Brennstoffzellen<br />
oder Benzingeneratoren, in der Entwicklung. Schließlich wird<br />
es auch <strong>2030</strong> noch Pkw mit herkömmlichen, aber effizienteren,<br />
Verbrennungsmotoren geben. Auf die lange Sicht werden sie<br />
14 Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft
allerdings von nachhaltigeren Technologien auf Basis regenerativer<br />
Energien abgelöst (s. Abbildung). Im Schienenpersonenverkehr<br />
werden die meisten Leistungen schon heute elektrisch<br />
erbracht. Da es kaum rentabel ist, Strecken ohne Fahrdraht<br />
allein für den Regionalverkehr zu elektrifizieren, werden mittel-<br />
bis langfristig neu entwickelte Hybridfahrzeuge zum Einsatz<br />
kommen, die ihren Traktionsstrom auf diesen Abschnitten<br />
bspw. aus Batterien, Schwungmassenspeichern oder Brennstoffzellen<br />
beziehen. Eine Reihe weiterer Konzepte zur Steigerung<br />
der Energieeffizienz <strong>und</strong> CO 2 -Einsparung im öffentlichen<br />
Verkehr werden derzeit ebenfalls erprobt, z.B. zur induktiven<br />
Unterflur-Schnellladung von Straßenbahnen <strong>und</strong> Bussen während<br />
des Haltestellenaufenthaltes. Zur Senkung des CO 2 -Ausstoßes<br />
tragen im Straßen- wie im Schienenverkehr auch Biokraftstoffe<br />
bei. Allerdings ist ihr Einsatz u.a. aufgr<strong>und</strong> der<br />
Flächenkonkurrenzen zur Nahrungsmittelproduktion umstritten.<br />
Sie erfordern zudem bei Schienenfahrzeugen im Bestand erhöhten<br />
Nachrüstungs- <strong>und</strong> Wartungsaufwand.<br />
Güterverkehr: Elektrische <strong>und</strong><br />
Hybridantriebe für den Nahbereich,<br />
verbesserte Dieseltechnik im<br />
Schwerlastverkehr<br />
Die Motorentechnik für Güterkraftfahrzeuge wird sich bis <strong>2030</strong><br />
analog zum Pkw-Sektor weiterentwickeln. Durch die hohen<br />
Stückzahlen <strong>und</strong> im Vergleich kurzen Abschreibungszeiträume<br />
Geschätzte Marktanteile bei Antriebstechnologien<br />
von Neufahrzeugen (Pkw) weltweit 2010 –2050<br />
100 %<br />
80 %<br />
60 %<br />
40 %<br />
20 %<br />
0 %<br />
2010<br />
Brennstoffzelle<br />
2020<br />
<strong>2030</strong><br />
Elektromotor mit Reichweitenverlängerer<br />
Hybridantrieb<br />
2040<br />
Elektromotor<br />
2050<br />
Verbrennungsmotor<br />
Quelle: McKinsey & Company, in: Zukunftsinstitut (2011)<br />
können antriebstechnologische Innovationen schneller umgesetzt<br />
werden als z.B. im Schienenverkehr. Zurzeit existiert für<br />
Lkw keine marktreife Alternativtechnologie zum Verbrennungsmotor.<br />
Hybridantriebe <strong>und</strong> batterieelektrische Antriebe werden<br />
bis <strong>2030</strong> eher im städtischen Lieferverkehr Einzug halten. Sie<br />
sind in den Innenstädten lärmarm <strong>und</strong> abgasfrei unterwegs.<br />
Zwar lassen sich Effizienzgewinne erzielen, aber insbesondere<br />
für rein elektrische Fahrzeuge bleiben dennoch hohe Anfangsinvestitionen<br />
fällig. Dies gilt auch verstärkt für Fahrzeuge mit<br />
Wasserstoff <strong>und</strong> Brennstoffzellen; zusätzlich zu den hohen<br />
Kosten gilt diese Technologie für <strong>Logistik</strong>anforderungen derzeit<br />
als noch nicht ausgereift. Im Bereich der schweren Lastkraftwagen<br />
mit hoher Laufleistung bleiben auch auf längere<br />
Sicht Dieselmotoren im Einsatz, da sich nichtfossile Antriebe<br />
für diese Anforderungen noch nicht eignen. Allerdings werden<br />
sie eine stark verbesserte Energieeffizienz aufweisen. Sie ergibt<br />
sich aus optimierter Motorentechnik, verbesserter Aerodynamik,<br />
der Verarbeitung neuer Werkstoffe oder der automatischen<br />
Überwachung der Kraftstoffeffizienz. Im Schienengüterverkehr<br />
eröffnen sich durch den sog. oberleitungslosen Elektroantrieb<br />
neue Routenoptionen, da nicht elektrifizierte Streckenabschnitte<br />
ohne aufwändigen Traktionswechsel mit großen, mitgeführten<br />
elektrischen Speichern, gewissermaßen „Energie-Tendern“,<br />
überbrückt werden können. Dieselmotoren v.a. von Rangierlokomotiven<br />
lassen sich mit geringerer Leistung auslegen, da<br />
dynamische Lastspitzen durch Energiespeicher abgedeckt<br />
werden können. Letztlich bleibt festzuhalten, dass Innovationen<br />
im Antriebsbereich bei Personen- wie Güterverkehr über die<br />
Einspareffekte von Klimagasen langfristig betrachtet auch<br />
einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Senkung der Betriebskosten<br />
leisten werden.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
<strong>InnoZ</strong> / SCI (2010):<br />
„Eco Rail Innovation – Herausforderungen für das System<br />
Bahn 2020“<br />
ProgTrans (2010):<br />
„World Transport Reports Edition 2010/2011”<br />
PwC / FH FFM / Fraunhofer LBF (2012):<br />
„Normen bringen die Zukunft in Fahrt“<br />
Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft 15
Einstellungen<br />
„Die Einstellungen der Menschen<br />
differenzieren sich immer weiter aus“<br />
Individualisierung: Die Lebensstile<br />
differenzieren sich weiter aus<br />
Die Lebensstile sind in der postindustriellen Gesellschaft<br />
dynamischeren Veränderungen unterworfen als zuvor. Im Vordergr<strong>und</strong><br />
steht mehr denn je das Bedürfnis nach Individualität.<br />
Die Menschen möchten nach Möglichkeit selbst entscheiden, wo<br />
<strong>und</strong> wie sie leben, wo, wie <strong>und</strong> wann sie arbeiten bzw. ihre<br />
Freizeit gestalten. Die Multioptionalität in allen Lebensbereichen<br />
trägt dazu bei, dass der Alltag zusehends komplexer wird. Hinzu<br />
kommt der Wandel bei der Erwerbsarbeit: Arbeitgeber <strong>und</strong><br />
Arbeitsort mehrmals zu wechseln, gehört heute zur Normalität<br />
<strong>und</strong> führt zur Diversifizierung <strong>und</strong> Fragmentierung vieler Biografien.<br />
Darüber hinaus haben die Steigerung des Lebensstandards,<br />
revolutionäre Innovationen bei den Informations- <strong>und</strong><br />
Kommunikationstechnologien (IKT) sowie der Zuwachs an<br />
Freizeit zu einer extremen Vermehrung der Möglichkeiten<br />
geführt. Vieles deutet auf weiter wachsende Bedürfnisse nach<br />
eher flexibler, individueller <strong>Mobilität</strong> hin. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
sowie angesichts steigender <strong>Mobilität</strong>skosten <strong>und</strong> eher<br />
gedämpfter ökonomischer Perspektiven werden die Anforderungen<br />
pragmatischer interpretiert <strong>und</strong> oft inter- bzw. multimodal<br />
gelöst. Die Grenzen zwischen den kollektiven <strong>und</strong><br />
individuellen <strong>Mobilität</strong>smärkten werden – z.T. technologisch<br />
gestützt – häufiger überw<strong>und</strong>en.<br />
Das eigene Auto verliert als Statussymbol<br />
weiter an Bedeutung<br />
Das eigene Auto als Statussymbol war seit den späten 1950er-<br />
Jahren für immer größere Bevölkerungskreise realisierbar. Im<br />
Laufe der Zeit differenzierte sich diese Symbolik weiter aus, sei<br />
es in Richtung Marke, Größe, Hubraum, Anzahl von Wagen pro<br />
Haushalt oder als Ausdruck ganz persönlicher Individualität.<br />
Diese emotionale Bindung zum Automobil scheint sich bei einem<br />
wachsenden Teil der Bevölkerung aufzulösen. Insbesondere<br />
jüngere Erwachsene setzen <strong>Mobilität</strong> offenbar nicht mehr unreflektiert<br />
mit Auto-<strong>Mobilität</strong> gleich. Die zuvor bei jeder Alterskohorte<br />
im Vergleich zur vorangehenden beobachtete, zunehmende<br />
Pkw-Orientierung stagniert oder geht sogar zurück.<br />
Prinzipiell kann v.a. der öffentliche Verkehr davon profitieren,<br />
sofern sein Angebot den Bedürfnissen entspricht, was in der<br />
Regel in größeren Städten der Fall ist. Dort erlebt auch das<br />
Fahrrad vielerorts eine Renaissance <strong>und</strong> die Nutzerzahlen des<br />
Carsharings steigen. Im Gegenzug spricht vieles dafür, dass<br />
der Pkw im ländlichen Raum für junge Menschen nach wie vor<br />
emotional <strong>und</strong> unter objektiven Gesichtspunkten das Maß der<br />
Dinge darstellt. Die Hintergründe, warum immer mehr junge<br />
Menschen ihre Verkehrsmittelwahl offenbar bewusster <strong>und</strong><br />
situationsabhängig wählen <strong>und</strong> viele den Besitz eines Pkw in<br />
der Stadt als nicht erstrebenswert erachten, sind vielschichtig.<br />
16 Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft
Dazu zählen u.a. verlängerte Ausbildungszeiten <strong>und</strong> prekäre<br />
Berufseinstiegsphasen mit längerwährenden Zeitabschnitten<br />
finanzieller Unsicherheit. Gleichzeitig finden der Auszug aus dem<br />
Elternhaus <strong>und</strong> die Familiengründung in zunehmend höherem<br />
Alter statt. Darüber hinaus spielen mobile, multifunktionale<br />
<strong>und</strong> prestigeträchtige Geräte wie Smartphones eine große Rolle<br />
für die Generation der „Digital Natives“. Sie ermöglichen ganz<br />
neue Formen sozialer Interaktion <strong>und</strong> Vergemeinschaftung.<br />
Dabei werden durch die Nutzung neuer Technologien Zeit, Aufmerksamkeit<br />
<strong>und</strong> Budget geb<strong>und</strong>en. Mit den begrenzten Budgets<br />
müssen unterschiedliche Wünsche realisiert werden, wobei<br />
kostspielige Produkte wie ein Pkw an Reiz verlieren. Diese<br />
möchte man zwar manchmal nutzen, aber nicht unbedingt<br />
sein Eigen nennen.<br />
Die Bürger möchten an Prozessen<br />
beteiligt sein, sonst werden sie<br />
„Wutbürger“<br />
Die umfangreichen <strong>und</strong> langandauernden Massenproteste bei<br />
Neubauten von Großbahnhöfen oder Flughäfen unterstreichen,<br />
dass es in einem dichtbesiedelten Land wie der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
immer komplexer wird, große Infrastrukturprojekte umzusetzen.<br />
Eine oft geäußerte Vermutung lautet, viele Bürger würden sich<br />
heute weniger für gesamtgesellschaftliche Belange <strong>und</strong> mehr<br />
für das Verhindern von Vorhaben in ihrer eigenen, unmittelbaren<br />
Nachbarschaft („not in my backyard“) einsetzen. Daher ist die<br />
Frage durchaus berechtigt, wie zeitgemäß das bestehende<br />
Planungsrecht ist. Bei den heute üblichen Planfeststellungsverfahren<br />
können die unmittelbar Betroffenen während eines<br />
eng begrenzten Zeitfensters Einsprüche äußern, jedoch nur zur<br />
Lösung der sehr konkreten Interessengegensätze. Die eigentliche,<br />
übergeordnete Planung des Vorhabens ist zu diesem Zeitpunkt<br />
Denkbare Lebensstile der Zukunft<br />
Kindheit<br />
Jugend <strong>und</strong><br />
Ausbildung<br />
weitgehend abgeschlossen <strong>und</strong> Fragen zum gesellschaftlichen<br />
Nutzen eines Projektes sind nicht Gegenstand einer Diskussion<br />
mit den Bürgern. Eine frühzeitige <strong>und</strong> umfassende Beteiligung<br />
der Bevölkerung an Planungsprozessen erfordert jedoch qualifizierte<br />
Informationen, eine ergebnisorientierte Verfahrensweise<br />
<strong>und</strong> Dialogkultur sowie einen erhöhten Kommunikationsaufwand,<br />
um dem gewachsenen Informations- <strong>und</strong> Partizipationsbedürfnis<br />
der Bürger entgegenzukommen. Durch die auch in Zukunft zu<br />
erwartenden Widerstände kann es zu erheblichen Zeitverzögerungen<br />
<strong>und</strong> erhöhten Baukosten kommen. Dabei wäre eine<br />
beschleunigte Umsetzung dringend erforderlicher Baumaßnahmen<br />
notwendig. Besonders dringlich ist dies z.B. bei wichtigen<br />
Ergänzungstrassen des Schienenverkehrs oder bei der<br />
Errichtung überregionaler Hochspannungsleitungen. Die Infrastrukturpolitik<br />
wird sich dieser Renaissance der Bürgerbeteiligung<br />
mit neuen Konzeptions- <strong>und</strong> Planungsmethoden stellen<br />
müssen, auch zusätzlich zu den formal <strong>und</strong> gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Verfahren. Letztere werden sich anpassen, aber<br />
nicht vor Ende dieser Dekade. Der in diese Form des „Bürgereinbezugs“<br />
investierte Mehraufwand sollte durch kürzere Verfahrenszeiten<br />
mehr als kompensiert werden. Allerdings kommt<br />
eine noch ganz neue Dimension der Bürgerbeteiligung hinzu.<br />
Immer umfangreicher beginnen Menschen bei den üblichen<br />
Planfeststellungsprozessen selbst Teile der Infrastrukturplanungen<br />
zu übernehmen. Alleine in den letzten zwei Jahren<br />
sind mehr als 400 neue Genossenschaften zur Entwicklung<br />
einer lokal basierten klimaschonenden Energieversorgung<br />
entstanden. Das Interesse an frühestmöglicher <strong>und</strong> dauerhafter<br />
Beteiligung wird also zum Aufbau dezentraler Versorgungsnetze<br />
beitragen.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (2011):<br />
„Verkehr von morgen"<br />
Fraunhofer ISI (2011):<br />
„VIVER – Vision für nachhaltigen Verkehr in Deutschland“<br />
Schönduwe, Robert u.a. (2012):<br />
„Alles wie immer, nur irgendwie anders?“<br />
Super-Daddys<br />
Netzwerk-Familien<br />
Common Teens Inbetweens<br />
Super-Grannys<br />
Jobphase 1 Jobphase 2 Jobphase 3<br />
Postadoleszenz Rush Hour Zweiter Aufbruch Un-Ruhestand<br />
Familie 1 Familie 2 Familie 3<br />
Young Globalists<br />
Silverpremieure<br />
Latte-Macchiato-Familien<br />
Greyhopper<br />
VIP-Familien<br />
Quelle: Zukunftsinstitut (2007)<br />
Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft 17
Intermodalität<br />
„Die Nachfrage nach intermodalen<br />
Lösungen steigt“<br />
Immer mehr Menschen möchten<br />
lediglich nutzen, nicht besitzen<br />
Der kollektiven Nutzung von Verkehrsmitteln im öffentlichen<br />
Raum gehört die Zukunft: Gerade in Städten erfreuen sich<br />
gemeinschaftlich genutzte Sharing-Angebote für Pkw <strong>und</strong><br />
Fahrräder wachsender Beliebtheit. In Städten wie Berlin <strong>und</strong><br />
Hamburg leben bereits heute mehr Menschen, die flexibel<br />
mehrere Verkehrsmittel kombinieren als diejenigen, die nur<br />
ein Hauptverkehrsmittel benutzen. Dies ist kein Zufall: Das<br />
Halten eines oder mehrerer Privat-Pkw wird immer teurer.<br />
Zudem kann der Nutzer durch den eigenen Pkw in vielen Großstädten<br />
kaum noch Zeitvorteile erzielen, da er mit Verkehrsstaus<br />
rechnen <strong>und</strong> im Straßenraum zunehmend mehr Fläche<br />
gegenüber Bus-, Taxi- <strong>und</strong> Fahrradspuren einräumen muss.<br />
Hinzu kommen die oft langwierige Parkplatzsuche, Parkgebühren<br />
sowie der Aufwand für Wartung, Pflege <strong>und</strong> Reparatur.<br />
Einer wachsenden Gruppe von Menschen kommt es daher entgegen,<br />
sich mehr oder weniger spontan für die zeitlich begrenzte<br />
Nutzung eines Pkw entscheiden zu können <strong>und</strong> zwar nur dann,<br />
wenn sie wirklich einen benötigen. Das ideale intermodale Konzept<br />
der Zukunft bedeutet für den Nutzer, jederzeit <strong>und</strong> möglichst<br />
spontan die Wahl zwischen öffentlichem Fern-, Regional- <strong>und</strong><br />
Stadtverkehr, Pkws oder Fahrrädern auf Leihbasis (ggf. mit<br />
Elektroantrieb) sowie weiteren Angeboten wie Taxis, Mitfahr-<br />
zentralen oder herkömmlichen Mietwagen zu haben. Carsharing-Wagen<br />
<strong>und</strong> Leihfahrräder stehen in ausreichender Dichte<br />
im öffentlichen Raum bereit, u.a. an Knotenpunkten des öffentlichen<br />
Verkehrs. Sämtliche Vorgänge r<strong>und</strong> um Information,<br />
Buchung, Navigation <strong>und</strong> Abrechnung sind automatisiert, dem<br />
Nutzer bzw. K<strong>und</strong>en jederzeit transparent <strong>und</strong> möglichst aus<br />
einer Hand (z.B. per Mobilfunk oder <strong>Mobilität</strong>skarte) verfügbar.<br />
Es gilt ein einheitlicher Tarif. Der Strom für die immer umfangreicher<br />
werdenden elektrischen Flotten stammt nachweislich<br />
aus regenerativen Energiequellen. Die Bereitschaft, verschiedene<br />
Verkehrsmittel zu nutzen, statt sie zu besitzen, steigt, wenn die<br />
Nutzung möglichst einfach wird. Je intuitiver sich die Menschen<br />
Verkehrsdiensten bedienen können, desto eher geht ihre intermodale<br />
<strong>Mobilität</strong> in routinisiertes Verhalten über („Nutzen ohne<br />
Nachzudenken“). Ob intermodale Konzepte auch in ländlichen<br />
Räumen <strong>und</strong> in Vorstädten tragfähig sein werden, ist derzeit<br />
noch unklar, denn dort fehlt meist ein ausreichendes öffentliches<br />
Verkehrsangebot. Außerhalb der Ballungszentren wird es eher<br />
darauf ankommen, Bewohnern ohne eigenes Fahrzeug je nach<br />
Siedlungsdichte des betreffenden Raumes verlässliche Mitfahrgelegenheiten<br />
bei öffentlichen Sammelverkehren, bei Privatleuten<br />
oder z.B. bei Kurierdiensten zu offerieren. So wird ein<br />
Mindestmaß an Erreichbarkeit sichergestellt werden können.<br />
18 Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft
Smartphones & Co. werden zum<br />
allwissenden Begleiter <strong>und</strong> Enabler<br />
Smartphones haben in kürzester Zeit eine rasante Verbreitung<br />
gef<strong>und</strong>en. Bereits jeder dritte Deutsche nutzt eines der Geräte.<br />
Da sie anders als herkömmliche Mobiltelefone internetbasierte<br />
Applikationen (Apps) verwenden, eröffnen sich im <strong>Mobilität</strong>smarkt<br />
der Zukunft ganz neue Möglichkeiten: Zum einen ist der<br />
Nutzer auf Wunsch jederzeit räumlich lokalisierbar, zum anderen<br />
eröffnen sich ihm neuartige Optionen, seine <strong>Mobilität</strong> individuell<br />
zu organisieren. Schon heute ist vorstellbar, wie die individuelle<br />
Verkehrsmittelwahl in Zukunft ablaufen könnte: Im Idealfall kann<br />
der Nutzer nach einmaliger Registrierung eine intermodale<br />
<strong>Mobilität</strong>s-App auf seine Anforderungen <strong>und</strong> Bedürfnisse hin<br />
„personalisieren“. Sodann wird es ihm möglich sein, Informationen<br />
über die nächsten Fahrmöglichkeiten in seiner Umgebung<br />
abzurufen, sei es zum öffentlichen Verkehr, einem Carsharing-<br />
Fahrzeug oder einem Leihrad. Diese Informationen sind selbstverständlich<br />
nach Preis, Komfort wie auch nach Geschwindigkeit<br />
filterbar, denn aktuelle Informationen zur Verkehrssituation<br />
sind bereits hinterlegt. Im gleichen Moment kann das Verkehrsmittel<br />
der Wahl reserviert werden, bevor es der Nutzer nach<br />
kurzem Fußweg mit dem inzwischen erhaltenen elektronischen<br />
Buchungscode öffnet. Beim Betreten von Bus oder Bahn wird<br />
er automatisch als K<strong>und</strong>e via Chip oder Code erkannt. Auch im<br />
Fernzug hat er mit seinem mobilen Endgerät seine „Fahrkarte“<br />
stets griffbereit dabei. Beim Ende seiner Fahrt – mit oder ohne<br />
Kombination verschiedener Verkehrsmittel – <strong>und</strong> dem Auschecken<br />
laufen im Hintergr<strong>und</strong> die Bezahlvorgänge ab. Am Monatsende<br />
erhält der K<strong>und</strong>e seine <strong>Mobilität</strong>srechnung, auf der alle Teilwege<br />
detailliert aufgelistet sind. Auch hier sind Individualität,<br />
Transparenz <strong>und</strong> nicht zuletzt der Datenschutz von zentraler<br />
Prognosekorridore zur Entwicklung des Umschlagpotenzials<br />
im Hamburger Hafen bis 2025<br />
Umschlag in Mio. Tonnen<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
2008<br />
Massengüter<br />
2009<br />
Basisprognose Massengüter<br />
2015<br />
2020<br />
Stückgüter<br />
2025<br />
Basisprognose Stückgüter<br />
Quelle: Institut für Seeverkehrswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong> (2010)<br />
Bedeutung: Es sind unterschiedliche Bezahlsysteme möglich<br />
(Flatrate, Prepaid, etc.). Die Apps sind beliebig erweiterbar,<br />
bspw. um Informationen zum Ladezustand von Elektrofahrzeugen<br />
oder zum Standort der nächsten Ladesäule. Kurzum:<br />
Intermodale <strong>Mobilität</strong> wird durch die individualisierten „Navigationsgeräte“<br />
erheblich erleichtert werden.<br />
Infrastrukturengpässe <strong>und</strong> ökologische<br />
Anforderungen begünstigen<br />
intermodale <strong>Logistik</strong><br />
Angesichts des zu erwartenden starken Wachstums der Verkehrsleistung<br />
v.a. im Güterverkehr in den nächsten 20 Jahren<br />
ist eine Verschärfung von Kapazitätsengpässen bei der Straßen-<br />
wie bei der Schieneninfrastruktur absehbar. Außerdem kamen<br />
bislang zu wenige Impulse aus dem Verkehrssektor zur Emissionsabsenkung<br />
bei den Klimagasen. Damit droht sich der Zielkonflikt<br />
zwischen Transport <strong>und</strong> Klimaschutz im hier betrachteten<br />
Zeitraum zu verschärfen. Gefragt sind daher ressourcensparende<br />
Technologien <strong>und</strong> Konzepte. Der intermodale bzw. Kombinierte<br />
Verkehr (KV) kann in diesem Zusammenhang dazu beitragen,<br />
Kapazitäten rationeller auszulasten, da der streckenintensive<br />
Hauptlauf per Zug oder Binnenschiff mit der Sammel- <strong>und</strong> Verteilfunktion<br />
des Lkw auf der „letzten Meile“ kombiniert wird.<br />
Die erwartete überdurchschnittliche Steigerung des KV – durch<br />
Güterstruktureffekt <strong>und</strong> zunehmende Containerisierung ebenfalls<br />
vorangetrieben – ist allerdings abhängig von der gezielten<br />
Beseitigung von Engpässen v.a. im Schienennetz. In der Abbildung<br />
ist das erwartete Wachstum des Umschlags allein im<br />
Hamburger Hafen bis 2025 in Szenarien dargestellt. Durch die<br />
zunehmende Internationalisierung der Verkehre steigen auch<br />
die Anforderungen an interoperable Transporte. Im globalen<br />
Maßstab ergibt sich für die <strong>Logistik</strong>branche durch die intermodale<br />
Optimierung der Transportketten die Chance, die Transportkosten<br />
weiter zu senken. Bei einer entsprechend nachhaltigen Strategie<br />
lassen sich also sowohl Vorteile im Preiswettbewerb erzielen,<br />
als auch – mit der gebotenen Transparenz – Emissionsminderungen<br />
im Sinne der „grünen <strong>Logistik</strong>“ positiv vermarkten.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Arthur D. Little (2011):<br />
„The Future of Urban Mobility. Towards networked, multimodal<br />
cities of 2050”<br />
B<strong>und</strong>esverband der Deutschen Industrie / Z_Punkt (2011):<br />
„Deutschland <strong>2030</strong> – Zukunftsperspektiven der Wertschöpfung“<br />
Zukunftsinstitut (2011):<br />
„Die Zukunft der <strong>Mobilität</strong> <strong>2030</strong>“<br />
Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft 19
Mehrfach-Vernetzung<br />
„<strong>Mobilität</strong>, Energie <strong>und</strong> Telekommunikation<br />
verzahnen sich zusehends“<br />
Moderne Datenkommunikation<br />
eröffnet bislang ungeahnte<br />
Möglichkeiten zur Vernetzung im<br />
<strong>Mobilität</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong>bereich<br />
Der kollektiven Nutzung von Verkehrsmitteln im öffentlichen<br />
Raum gehört, v.a. im städtischen Kontext, die Zukunft. Intermodalität<br />
durchdringt auch den Güter- <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong>bereich sowie<br />
mittelbar ebenfalls den Infrastruktursektor. Intermodalen<br />
Nutzungsformen werden wir dank der rasch fortschreitenden<br />
Möglichkeiten der IKT immer näher kommen. Die übergeordneten<br />
Systeme bei den Anbietern <strong>und</strong> Infrastrukturbetreibern einerseits<br />
sowie die individualisierten <strong>Mobilität</strong>s-Applikationen beim<br />
Nutzer andererseits stellen alle relevanten Informationen quasi<br />
in Echtzeit zur Verfügung. Dies reicht bis hin zur Buchung von<br />
Fahrzeugen <strong>und</strong> vollautomatischen Abrechnung über Verkehrsträgergrenzen<br />
hinweg. Ein weiteres Einsatzfeld moderner IKT<br />
ist die elektronische Bemautung von Straßen, die mittels ständiger<br />
Kommunikation zwischen der sog. On-Board-Unit <strong>und</strong><br />
einem Zentralsystem kilometergenaues Abrechnen ermöglicht.<br />
So könnte bspw. ein differenziertes Mautsystem je nach Tageszeit<br />
oder Streckenauslastung helfen, durch die Steuerungseffekte<br />
teure Infrastrukturausbauten zu vermeiden. Auch ländliche<br />
<strong>und</strong> suburbane Räume profitieren von diesem technologischen<br />
Fortschritt: Betriebsleitzentralen von öffentlichen Sammelverkehren<br />
können ihre Dienste weiter flexibilisieren. Selbst<br />
nach Beginn einer Fahrt können spontane Mitfahrwünsche oft<br />
noch realisiert werden. Datenschutz <strong>und</strong> personenbezogene<br />
Erfassung bzw. Lokalisierung schließen sich übrigens nicht<br />
aus, wenn gr<strong>und</strong>sätzliche Anforderungen bereits beim Systemdesign<br />
integriert werden. Auch logistikrelevante IKT-Lösungen<br />
befinden sich in ständiger Weiterentwicklung. Sie dienen der<br />
weiteren Rationalisierung <strong>und</strong> Effizienzsteigerung des Produktions-<br />
<strong>und</strong> Transportprozesses. Innovationen bei Telematik <strong>und</strong><br />
Flottenmanagement tragen zum Anstieg der Effektivität bei<br />
Ortung, Kommunikation <strong>und</strong> Dispositionsunterstützung bei.<br />
Weitere Verbesserungspotenziale liegen in der schnelleren <strong>und</strong><br />
zuverlässigeren Transportorganisation <strong>und</strong> einer verbesserten<br />
Transparenz für den K<strong>und</strong>en sowie verbessertem Störfallmanagement.<br />
Mehr <strong>und</strong> mehr werden dabei „Cloud- Dienste“ dominieren,<br />
d.h. Serviceunternehmen bieten die vollständige Abwicklung<br />
von IKT-Diensten an, ohne dass K<strong>und</strong>en noch eigene Hardware<br />
vorhalten müssen.<br />
20 Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft
Smart Grids unter Einbeziehung<br />
elektrischer Fahrzeugflotten erlauben<br />
die intelligente Steuerung von<br />
Stromangebot <strong>und</strong> -nachfrage<br />
Die Stromnetze stehen vor einem radikalen Umbau, wenn die<br />
Ziele der Energiewende umsetzbar sein sollen. Die tageszeitlich<br />
<strong>und</strong> wetterabhängig fluktuierende Stromproduktion von Wind-<br />
<strong>und</strong> Solaranlagen erfordert zusätzliche Netze <strong>und</strong> Speicher sowie<br />
völlig neue Anreize, die Nachfrage an das Angebot anzunähern.<br />
Das Stromnetz von morgen wird komplexer <strong>und</strong> dezentraler<br />
als jemals zuvor sein <strong>und</strong> bedarf damit zusätzlicher Steuerungsleistungen.<br />
Neue Speicher sind v.a. deshalb erforderlich, um die<br />
wachsenden Kapazitäten der volatilen regenerativen Energieträger<br />
verarbeiten zu können <strong>und</strong> „gr<strong>und</strong>lastfähig“ verfügbar<br />
zu halten. Zur Entwicklung eines derart komplexen Lastmanagements<br />
müssen neue Pufferkapazitäten generiert <strong>und</strong> die verschiedenen<br />
Erzeuger, Verbraucher <strong>und</strong> Speicher „intelligent“<br />
miteinander verzahnt werden. Batterieelektrische Fahrzeuge<br />
haben in diesem Kontext eine bislang noch geringe Bedeutung,<br />
da die Berechnungen in der Regel vom herkömmlichen, fragmentierten<br />
Nutzungskonzept des privaten Individualverkehrs<br />
ausgehen. Elektrofahrzeuge können aber dann eine wesentliche<br />
Rolle spielen, wenn sie örtlich verdichtet in Flottenkonzepten<br />
eingeb<strong>und</strong>en sind. Bei diesen elektrischen Flotten kann es sich<br />
um Pkw von Firmen- bzw. institutionellen Fuhrparks oder Lieferwagen<br />
zur örtlichen Nahversorgung, aber auch um Schienenfahrzeuge<br />
(z.B. „Energietender“) handeln. Bei relevanten Mengen<br />
werden sie für einen Verteilnetzbetreiber verlässliche, also<br />
planbare Pufferkapazitäten bereitstellen können. Um seitens<br />
der Energiewirtschaft auf diese Entwicklung vorbereitet zu sein,<br />
werden die regionalen Energieversorger ihre Produktions- <strong>und</strong><br />
Verteilungsinfrastrukturen neu, d.h. vor allem dezentraler, ausrichten<br />
<strong>und</strong> das Lastmanagement auch für kleinteilige Speicherkapazitäten<br />
sensibel machen müssen. Der Verkehrs- <strong>und</strong> der<br />
IKT-Sektor werden eine sehr wichtige Rolle zur erfolgreichen<br />
Umsetzung der Energiewende spielen. Welche Modelle im<br />
Einzelnen sich langfristig als praktikabel erweisen werden,<br />
ist derzeit noch nicht abzusehen.<br />
Ehemals getrennte Märkte<br />
wachsen zusammen<br />
Wie oben erläutert, ergeben sich aufgr<strong>und</strong> technologischer,<br />
politischer <strong>und</strong> gesellschaftlicher Dynamiken relevante <strong>und</strong><br />
weiter wachsende Schnittmengen zwischen dem <strong>Mobilität</strong>ssektor<br />
einerseits <strong>und</strong> den Sphären der Informations- <strong>und</strong><br />
Kommunikationstechnologie sowie der Elektrizitätswirtschaft<br />
andererseits. Bisher handelte es sich noch um relativ unverb<strong>und</strong>ene<br />
Einzelsysteme <strong>und</strong> Märkte, die sich nun zunehmend<br />
annähern. Auch innerhalb des <strong>Mobilität</strong>ssektors herrscht derzeit<br />
eine hohe Dynamik: Große Automobilhersteller <strong>und</strong> Autovermieter<br />
haben in vernetzten <strong>Mobilität</strong>sdienstleistungen einen<br />
neuen lukrativen Markt identifiziert <strong>und</strong> treten derzeit massiv<br />
in den Markt ein. Die beschriebenen <strong>Trends</strong> zur Intermodalität<br />
<strong>und</strong> zur „Elektrifizierung“ des Straßenverkehrs sowie der politische<br />
Beschluss, die Energiewende umzusetzen, bieten neue<br />
Geschäftschancen – auch für Branchenfremde. Sie führen mittel-<br />
bis langfristig zum Entstehen neuer Marktsegmente. Die Abbildung<br />
stellt einen möglichen Geneseprozess von der Koexistenz<br />
unverb<strong>und</strong>ener Industrien bis hin zum Entstehen neuer<br />
Segmente <strong>und</strong> neuer großer Wettbewerber auf dem <strong>Mobilität</strong>smarkt<br />
dar. Sie werden in der Lage sein, eine dreifach vernetzte<br />
<strong>Mobilität</strong> zwischen Verkehrs-, Energie- <strong>und</strong> Kommunikationsdiensten<br />
als Gesamtleistung anzubieten. Der <strong>Mobilität</strong>sbegriff<br />
wird dabei automatisch weiter gefasst werden. Der Wettbewerb<br />
wird langfristig, bei vergleichbarem Angebot, über die Qualität<br />
von K<strong>und</strong>endaten <strong>und</strong> die Servicetiefe ausgetragen werden.<br />
Zum Weiterlesen:<br />
B<strong>und</strong>esverband der Deutschen Industrie / Z_Punkt (2011):<br />
„Deutschland <strong>2030</strong> – Zukunftsperspektiven der Wertschöpfung“<br />
European Commission (2006):<br />
„Smart Grids – European Technology Platform. Vision and<br />
Strategy for Europe’s Electricity Networks of the Future“<br />
International Transport Forum (2012): „Transport Outlook –<br />
Seamless Transport for Greener Growth”<br />
Mögliche Entwicklung der Vernetzung von Systemen mit Auswirkungen auf den <strong>Mobilität</strong>smarkt<br />
Einzelsysteme Annäherung / Kooperation Verb<strong>und</strong>e / Akquisitionen Neue große Wettbewerber<br />
MOBILITÄTS-<br />
SYSTEME<br />
IT/ TELEKOM-<br />
SYSTEME<br />
ENERGIE-<br />
SYSTEME<br />
<strong>Mobilität</strong> IT-/Kommunikation Energie<br />
Quelle: <strong>InnoZ</strong> (2012)<br />
Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft 21<br />
Zeit
Quellenverzeichnis <strong>und</strong> weiterführende Literatur<br />
Aberle, Gerd / Hofmann, Markus (2012): Infrastrukturgipfel 2012. Welche<br />
Zukunft für die Infrastrukturen?, <strong>InnoZ</strong>-Begleitheft zum Infrastrukturgipfel<br />
2012, Berlin<br />
ADAC (=Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V.) (2011): Verkehr<br />
von morgen, München<br />
Arthur D. Little (2011): The Future of Urban Mobility. Towards networked,<br />
multimodal cities of 2050<br />
BBSR (=B<strong>und</strong>esinstitut für Bau-, Stadt- <strong>und</strong> Raumforschung) (2009):<br />
Raumordnungsprognose 2025/2050. BBSR-Berichte, Bd. 29, Bonn<br />
Burmeister, Klaus / Neef, Andreas / Glockner, Holger / Beyers, Bert (2012):<br />
Ohne Austausch keine Stadt, In: Technology Review Special <strong>Mobilität</strong>, 01/2012<br />
BDI (=B<strong>und</strong>esverband der Deutschen Industrie) / Z_Punkt (2011):<br />
Deutschland <strong>2030</strong> – Zukunftsperspektiven der Wertschöpfung, Köln<br />
Deutsche Bahn AG / McKinsey & Company (2010): Zukunftsperspektiven<br />
für <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> Transport. Eisenbahn in Deutschland 2025, Berlin<br />
Deutsche Post AG (2010): Delivering Tomorrow: Zukunftstrend Nachhaltige<br />
<strong>Logistik</strong>, Bonn<br />
Deutsche Post AG (2012): Delivering Tomorrow: <strong>Logistik</strong> 2050. Eine Szenariostudie,<br />
Bonn<br />
DLR (=Deutsches Zentrum für Luft- <strong>und</strong> Raumfahrt) / IWES (=Fraunhofer<br />
Institut für Windenergie <strong>und</strong> Energiesystemtechnik) / IfNE (=Ingenieurbüro<br />
für neue Energien) (2012): Langfristszenarien <strong>und</strong> Strategien für den<br />
Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung<br />
der Entwicklung in Europa <strong>und</strong> global; Stuttgart / Kassel / Teltow<br />
Drewitz, Markus / Rommerskirchen, Stefan (2011): Mehr als kosmetische<br />
Korrekturen. Langfristprognosen zum Güter- <strong>und</strong> Personenverkehr,<br />
In: Internationales Verkehrswesen (63) 1/2011<br />
European Commission (2006): Smart Grids – European Technology Platform.<br />
Vision and Strategy for Europe’s Electricity Networks of the Future,<br />
Luxemburg<br />
European Commission (2011): Future of transport. Analytical report,<br />
Brüssel<br />
Fraunhofer ISI (=Institut für System- <strong>und</strong> Innovationsforschung)<br />
(2011): VIVER – Vision für nachhaltigen Verkehr in Deutschland, Karlsruhe<br />
GDV (=Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.)<br />
(2011): Herausforderung Klimawandel. Antworten <strong>und</strong> Forderungen der<br />
deutschen Versicherer, Berlin<br />
Hunsicker, Frank / Sommer, Carsten (2009): „<strong>Mobilität</strong>skosten <strong>2030</strong>:<br />
Autofahren <strong>und</strong> ÖPNV-Nutzung werden teurer“,<br />
In: Internationales Verkehrswesen (61) 10/2009, Hamburg<br />
Hunsicker, Frank / Sommer, Carsten (2012): <strong>Mobilität</strong>skosten <strong>2030</strong>:<br />
Preisauftrieb setzt sich langfristig fort, In: Internationales Verkehrswesen<br />
(62) 4/2012 (im Erscheinen), Hamburg<br />
<strong>InnoZ</strong> (=Innovationszentrum für <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />
Wandel GmbH) / SCI (=SCI Verkehr GmbH) (2010): Eco Rail Innovation –<br />
Herausforderungen für das System Bahn 2020, Berlin<br />
Institut für <strong>Mobilität</strong>sforschung (2010): Zukunft der <strong>Mobilität</strong>. Szenarien<br />
für das Jahr <strong>2030</strong>, zweite Fortschreibung, München<br />
Institut für Seeverkehrswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Logistik</strong> (2010): Prognose des<br />
Umschlagpotenzials des Hamburger Hafens für die Jahre 2015, 2020 <strong>und</strong><br />
2025. Endbericht, Bremen<br />
ITF (=International Transport Forum) (2011): Transport Outlook - Meeting<br />
the Needs of 9 Billion People, Paris<br />
ITF (=International Transport Forum) (2012): Transport Outlook – Seamless<br />
Transport for Greener Growth, Paris<br />
Münchener Rückversicherungsgesellschaft (2012): Naturkatastrophen-<br />
Bilanz 2011, Presseinformation 04.01.2012, München<br />
Prognos (2010): World Report 2010 Deutschland, Basel<br />
Prognos AG / Öko-Institut / Ziesing, Hans-Joachim (2009): Modell<br />
Deutschland Klimaschutz bis 2050 – Vom Ziel her denken, Basel /Berlin<br />
ProgTrans AG (2010): World Transport Reports Edition 2010/2011 Volume<br />
I+II, Basel<br />
PwC (=PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) /<br />
FH FFM (=Fachhochschule Frankfurt am Main) / Fraunhofer LBF<br />
(=Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit <strong>und</strong> Systemzuverlässigkeit<br />
Elektromobilität) (2012): Normen bringen die Zukunft in Fahrt,<br />
Frankfurt<br />
Schönduwe, Robert / Bock, Benno / Deibel, Inga (2012): Alles wie immer,<br />
nur irgendwie anders? <strong>Trends</strong> <strong>und</strong> Thesen zu veränderten <strong>Mobilität</strong>smustern<br />
junger Menschen, <strong>InnoZ</strong>-Baustein 10, Berlin<br />
Shell Deutschland Oil GmbH (2009): Shell PKW-Szenarien bis <strong>2030</strong>. Fakten,<br />
<strong>Trends</strong> <strong>und</strong> Handlungsoptionen für nachhaltige Auto-<strong>Mobilität</strong>, Hamburg<br />
Shell Deutschland Oil GmbH (2010): Shell LKW-Studie. Fakten, <strong>Trends</strong><br />
<strong>und</strong> Perspektiven im Strassengüterverkehr bis <strong>2030</strong>, Hamburg<br />
Siemens AG (2010): Methodik Zukunftsforschung „Picture of the Future“,<br />
Berlin<br />
TU (=Technische Universität) Dresden (2011): Zukunft von <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong><br />
Verkehr - Auswertungen wissenschaftlicher Gr<strong>und</strong>daten, Erwartungen <strong>und</strong><br />
abgeleiteter Perspektiven des Verkehrswesens in Deutschland, Dresden<br />
United Nations (2011): World Urbanization Prospects. The 2011 Revision.<br />
Highlights. New York<br />
U.S. Energy Information Administration (2011): International Energy<br />
Statistics Database, In: International Energy Outlook 2011<br />
WBCSD (=World Business Council for Sustainable Development)<br />
(2010): Vision 2050. Die neue Agenda für Unternehmen – Kurzfassung,<br />
Conches-Geneva<br />
Z_Punkt (2010): Megatrends <strong>2030</strong> – Update, Köln<br />
Z_Punkt / BMW Group (2012): Consumption and Mobility <strong>2030</strong>, München<br />
Zukunftsinstitut GmbH (2007): Lebensstile 2020. Eine Typologie für<br />
Gesellschaft, Konsum <strong>und</strong> Marketing, Kelkheim<br />
Zukunftsinstitut GmbH (2011): Die Zukunft der <strong>Mobilität</strong> <strong>2030</strong>, Kelkheim<br />
22 Innovationsworkshop 2012 · Begleitheft
Bahnhof Südkreuz<br />
Hauptbahnhof<br />
Plattform<br />
elektro<strong>Mobilität</strong><br />
BER<br />
BErLIN EUrEF-CAMPUS<br />
Innovationszentrum für <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong><br />
gesellschaftlichen Wandel (<strong>InnoZ</strong>)<br />
Das <strong>InnoZ</strong> erstellt methodisch f<strong>und</strong>ierte Markt- <strong>und</strong> Umfeldanalysen<br />
sowie qualitative <strong>und</strong> quantitative Prognosen mit Blick auf alle<br />
mobilitätsrelevanten Handlungsfelder. Gemeinsam mit Entscheidungsträgern<br />
aus Verkehrswirtschaft, Verkehrspolitik <strong>und</strong> Verwaltung<br />
entwickeln wir innovative Lösungskonzepte, Produkte<br />
<strong>und</strong> Dienstleistungen im Spannungsfeld von <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> gesellschaftlichem<br />
Wandel.<br />
Wir begleiten unsere Partner in der Pilotierungs- <strong>und</strong> Einführungsphase<br />
neuer <strong>Mobilität</strong>sprodukte <strong>und</strong> -dienstleistungen, stellen<br />
Erprobungsräume für komplexe Anwendungen, Nutzerakzeptanzforschung<br />
<strong>und</strong> Veranstaltungen zur Verfügung <strong>und</strong> koordinieren<br />
die Gesamtvorhaben.<br />
Als b<strong>und</strong>esweit einmalige Erprobungs- <strong>und</strong> Anlaufstelle zu Themen<br />
r<strong>und</strong> um Energie, <strong>Mobilität</strong> <strong>und</strong> Infrastruktur betreibt <strong>InnoZ</strong> die<br />
Plattform elektro<strong>Mobilität</strong> mit ihren drei Funktionen als Erklärzentrale,<br />
Praxislabor <strong>und</strong> Forum.<br />
�����������<br />
�������������������������<br />
PLATTForM<br />
elektro<strong>Mobilität</strong>
Innovationszentrum für <strong>Mobilität</strong><br />
<strong>und</strong> gesellschaftlichen Wandel (<strong>InnoZ</strong>) GmbH<br />
Torgauer Straße 12-15<br />
10829 Berlin (Schöneberg)<br />
Tel +49 (0)30 23 88 84-0<br />
Fax +49 (0)30 23 88 84-120<br />
info@innoz.de<br />
www.innoz.de<br />
Konzeption:<br />
Frank Hunsicker<br />
Redaktion:<br />
Frank Hunsicker, Dr. Jürgen Peters, Christian Scherf,<br />
Susann Schmidt, Saadya Windauer<br />
Titelbild:<br />
Lorenz Crössmann<br />
Gestaltung: designhaus berlin<br />
Illustrationen: momik - Visuelle Kommunikation, Gabriele Schlipf, Berlin<br />
Druck: Druckerei Conrad<br />
gedruckt auf: Recymago