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Gödels platonistische Philosophie der Mathematik ...

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<strong>Gödels</strong> <strong>platonistische</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong><br />

Eckehart Köhler<br />

Mitschrift von Maximilian Wielän<strong>der</strong><br />

VO, SS 2011<br />

Diese Mitschrift stellt we<strong>der</strong> den Anspruch vollständig noch den Anspruch<br />

(absolut) korrekt zu sein. Ich habe außerdem nur den Stoff aus <strong>der</strong> Vorlesung<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

herangezogen, nicht den aus den Emails.<br />

1 Vorgeschichte zu <strong>Gödels</strong> Standpunkt 1<br />

1.1 Traditioneller Platonismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />

1.2 Wie kam Gödel zu seinem Unvollständigkeitsbeweis? . . . . . . . . . 3<br />

1.2.1 Hilberts Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

2 <strong>Gödels</strong> Beweise 6<br />

2.1 Hintergrund von <strong>Gödels</strong> Theoremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

2.2 <strong>Gödels</strong> Beweis (nach van Heijenhoort) . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.3 Folgen von <strong>Gödels</strong> Beweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

3 <strong>Gödels</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> 13<br />

3.1 Subjektiv-objektiv Unterscheidung: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

3.2 <strong>Gödels</strong> Analogie: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

3.3 <strong>Gödels</strong> Definition des Platonismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

3.4 <strong>Gödels</strong> Begriff <strong>der</strong> Intuition - 6. Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

3.5 <strong>Gödels</strong> Platonismus und <strong>der</strong> Intuitiunismus: . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

3.6 Intuitionen/Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

1 Vorgeschichte zu <strong>Gödels</strong> Standpunkt<br />

1.1 Traditioneller Platonismus<br />

1. Vorlesung, 1.3.2011 Der ursrpüngliche Platonismus <strong>der</strong> Antike ist natürlich<br />

von Platon entwickelt worden. Dieser übernahm allerdings zentrale Ideen <strong>der</strong> Py-<br />

thagoräer: Pythagoras prägte eine mystische Zahlenvorstellung in <strong>der</strong> die Zahlen als<br />

1


Götter in einer zweiten Welt betrachtet wurden. Die Wurzeln dieser Idee finden<br />

sich wahrscheinlich in Persien bei <strong>der</strong> Theologie des Zarathustra. Platon übernahm<br />

die Idee, dass Zahlen ideale Wesenheiten darstellen. Zwischen den Pythagoräern<br />

und Platon war jedoch einiges vorgefallen: Unter den Pythagoräern entwickelte sich<br />

eine Gruppe, die über den Sinn <strong>der</strong> Aussagen nachdachte. (nicht einfach die mysti-<br />

schen Lehrsätze des Pythagoras nachbetete). Diese ” sogenannten Pythagoräer“, so<br />

schreibt Aristoteles, fingen an axiomatische <strong>Mathematik</strong>, natürlich außerhalb <strong>der</strong><br />

pythagoräischen Sekte, zu betreiben. Diese neue Art <strong>Mathematik</strong> zu betreiben fand<br />

bei Euklid (<strong>der</strong> an <strong>der</strong> platonischen Akademie studierte) und seiner Axiomatisierung<br />

<strong>der</strong> Geometrie ihren Höhepunkt. Das übte wie<strong>der</strong>um auf die <strong>Philosophie</strong> einen sehr<br />

starken Einfluss aus. Platon spielte bei dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle.<br />

Gödel hörte von Platon wohl bei seinen Lehrern Heinrich Gomperz und Phillipp<br />

Furtwängler, die beide Platonisten waren, und las Platons Dialoge sowohl von <strong>der</strong><br />

wissenschaftlichen als auch von <strong>der</strong> mystischen Seite.<br />

Der ” traditionelle Platonismus“ (in <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong>) geht von einem Dualismus,<br />

einer Trennung zwischen empirischer und idealer Welt aus. Die ideale Welt ist die<br />

sichere, wissenschaftliche Hälfte und wird deshalb bevorzugt. Allerdings gerät diese<br />

Position in Probleme:<br />

Ideen können auch als Inhalt von Prädikaten und Begriffen verstanden werden und<br />

das Empirische als die Gegenstände. Dann können die Probleme gelöst werden.<br />

Somit spiegelt sich in <strong>der</strong> Subjekt-Prädikat Unterscheidung <strong>der</strong> platonische Dualis-<br />

mus.Aristoteles Lösung ist es, Form und Materie zu unterscheiden die aber immer<br />

zusammenkommen. Gödel lehnte Aristoteles Lösung ab. Es solle keine Verschmel-<br />

zung zwischen platonischem IDeenhimmel und empirischer Welt geben.<br />

Platonismus und Unendlichkeit: Platonismus wird oft eng verbunden mit <strong>der</strong> Unend-<br />

lichkeitslehre (z.B. bei Cantor). Aber bei Platon selbst wird die Unendlichkeit gar<br />

nicht genau definiert, die passiert erst bei Bernard Bolzano. Bei den Griechen wur-<br />

de nur zwischen ” begrenzt“ und ” unbegrenzt“ unterschieden, das reicht aber noch<br />

nicht um ” endlich“ von ” unendlich“ zu unterscheiden. Was jedoch sicherlich <strong>der</strong> Fall<br />

ist, ist dass Platonisten starke Begriffsbildungen (und ” unendlich“ ist eine solche)<br />

immer ohne Probleme anerkannt haben. Bsp: Die Abschlussbildung: Aus 1,2,3,4,...<br />

(einer ” potential“ unendlichen Reihe) wird N (die Menge <strong>der</strong> natürlichen Zahlen).<br />

Die Intuitionisten lassen diese Abschlussbildung nicht zu und akzeptieren nur ” po-<br />

tential unendlich“. Auch Sätze mit dem Allquantor ∀ setzen voraus, das man einen<br />

unedlichen Gegenstandsbereich annehmen kann (ansonsten kann ich nicht über alle<br />

Gegenstände quantifizieren).<br />

Die häufigste Defintion stammt von Quine. Er unterscheidet zwie Analysen <strong>der</strong><br />

2


Subjekt-Prädikat Beziehung eine <strong>platonistische</strong> und eine mereologische:<br />

1. Platonistische Analyse: P a heißt: P ist ein abstrakter Begriff und <strong>der</strong> Gegen-<br />

stand a erfüllt diesen Begriff → Typentheorie, mit <strong>der</strong> Beziehung ∈ (Element<br />

sein)<br />

2. Mereologische Analyse: P a heißt: Sowohl P als auch a sind Individuen. Die<br />

Subjekt-Prädikat Beziehung ist eine Teil-Objekt Relation , d.h. P a bedeuted:<br />

a ist ein Teil von P. Die Beziehung die hier verwendet wird ist ⊂ (Teilmenge<br />

sein).<br />

Der Platonsimus geht also in dieser Interpratiation auf Abstraktheiten zurück, er<br />

behauptet, dass abstrakte Begriffsbildungen kein Problem darstellen. Somit lässt<br />

Quine den ” Platonismus“ von <strong>der</strong> ” Abstraktion“ abhängen.<br />

2.Vorlesung 8.3.2011 Russell kritisiert Platons (angeblichen) Missbrauch <strong>der</strong> Mys-<br />

tik für philosophische/wissenschaftliche Zwecke (z.B. im Höhlengleichnis). Jedoch<br />

bedenkt er nicht, dass es auch positive Verwendungen <strong>der</strong> Mystik in <strong>der</strong> Wissen-<br />

schaft gibt: Platon wollte bloß die Wissenschaft von den Erscheinungen hin zu tiefe-<br />

ren theoretischen Einsichten leiten. Also auf die Ursachen hinter den Erscheinungen<br />

richten, sozusagen als Wink, dass man nicht nur die Erscheinungen (wie Empiris-<br />

mus, Hume, Mach,...) son<strong>der</strong>n auch theoretische Begriffe ernst nimmt.<br />

Man kann sogar alle Wissenschaft als verbündet mit <strong>der</strong> Mystik auffassen, denn die<br />

Wissenschaft will sich, wie die Mystik, mit dem Gegenstand ” vereinigen“ (z.B. sind<br />

für Newton Naturgesetze Handwerk Gottes).<br />

1.2 Wie kam Gödel zu seinem Unvollständigkeitsbeweis?<br />

Als Rudolf Carnap 1927 nach Wien kam, hatte er sich mit Problemen des Logi-<br />

zismus, Intuitionismus und mit Hilberts Programm beschäftigt (Abraham Fraenkel<br />

hatte ihn gebeten die mathemat. Grundlagendebatte zu prüfen und auszuarbeiten).<br />

Als er anfing über die Grundlagen <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> zu lehren, nahm Gödel an den<br />

Vorlesungen teil und begann sich dadurch für Logik zu interessieren.<br />

Die drei wichtigesten Ansätze in <strong>der</strong> Grundlagendebatte waren:<br />

1. Logizismus (Frege, Russell): Versucht die gesamte <strong>Mathematik</strong> aus <strong>der</strong> Lo-<br />

gik zu entwickeln. Aus genau bestimmten Grundaxiomen soll die Arithmetik<br />

(und mit ihr die gesamte <strong>Mathematik</strong>) rein logisch hergeleitet werden. Die-<br />

se Grundaxiome müssen, laut dem Logizismus, unmittelbar evidente logische<br />

Warheiten über mathematische Gegenstände sein, die schlussendlich die Wahr-<br />

heit <strong>der</strong> gesamten <strong>Mathematik</strong> garantieren. In Freges erstem Versuch dieses<br />

Programm umzusetzen ( ” Grundgesetze <strong>der</strong> Arithmetik“) fand Russell jedoch<br />

3


einen Wi<strong>der</strong>spruch, woraufhin er die ” Principia Mathematica“ verfasste, die<br />

diesen Wi<strong>der</strong>spruch vermied.<br />

2. Formalismus (Hilbert): Nach Hilbert müssen mathematische Theorien, Be-<br />

griffe und Axiome zunächst frei von je<strong>der</strong> Interpretation betrachtet werden.<br />

Sie handeln nicht von bestimmten Objekten, son<strong>der</strong>n sind ein rein formaler<br />

Kalkül <strong>der</strong> aus Axiomen eine Menge von Sätzen herleitet. Die mathematischen<br />

Theorien können schlussendlich auf alle Objekte angewendet werden, die die<br />

Axiome erfüllen. Die ” unmittelbare Evidenz“ <strong>der</strong> Axiome, die <strong>der</strong> Logizismus<br />

haben möchte, wird hier nicht gefor<strong>der</strong>t, die einzig relevante Frage ist die<br />

” Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit“ des Axiomensystems, die mit endlichen und möglichst<br />

schwachen Mitteln in <strong>der</strong> Metamathematik“ gezeigt werden muss.<br />

”<br />

3. Intuitionismus (Poincare, Brouwer, Heyting): Brouwer geht von <strong>der</strong> (zunächst<br />

philosophischen) Annahme aus, dass mathematische Objekte und Sätze menta-<br />

le (und sprachlose) Konstruktionen sind. Die Wahrheit eines mathematischen<br />

Satzes besteht allein darin, dass ein (konstruktiver) Beweis, was ja schließlich<br />

ein mentaler Prozess ist, geführt werden kann. Da Wahrheit und Beweisbar-<br />

keit gleichgesetzt werden, verwirft <strong>der</strong> Intuitionismus den ” Satz vom ausge-<br />

schlossenen Dritten“ und damit auch alle indirekten (und überhaupt nicht-<br />

konstruktiven) Beweise (Unterscheidung konstruktiv-nicht konstruktiv: siehe<br />

weiter unten). Der Intuitionismus wendet sich sowohl gegen die Vorstellung<br />

einer unabhängigen mathematischen Welt (Platonismus) als auch gegen die<br />

Vorstellung von <strong>Mathematik</strong> als rein formaler Zeichenmanipulation (Formalis-<br />

mus).<br />

1.2.1 Hilberts Programm<br />

Schon vor 1900 waren Antinomien <strong>der</strong> Mengenlehr bekannt und überhaupt war die<br />

klassische Analysis (reele Zahlenlehre plus Mengenlehre davon) berüchtigt für ih-<br />

re Wi<strong>der</strong>sprüche. Wobei allerdings die ” delta-epsilon“-Notation von Weierstraß und<br />

Dedekind schon sehr viel zur Beruhigung beigetragen hatte, da sie wesentlich exakter<br />

und vorsichtiger vorgeht als die bisherigen intuitiven Vorstellungen in <strong>der</strong> Analysis.<br />

1899 hat Hilbert seine berühmten ” Grundlagen <strong>der</strong> Geometrie“ veröffentlicht, wo<br />

schon wichtige Ansätze seines ” Formalismus“ enthalten sind, vor allem die Idee<br />

<strong>der</strong> ” Inhaltslosigkeit“ <strong>der</strong> Axiome (Axiome sind, nach Hilbert, rein formal ohne<br />

Berücksichtigung ihres intendierten Inhalts zu betrachten). Kant hatte behauptet,<br />

dass Geometrie, da sie <strong>der</strong> ” reinen Anschuung“ entspringt, a priori wahr ist (geome-<br />

trische Sätze sind bei ihm synthetisch a priori). Aber schon ca.1820 war Gauß darauf<br />

gekommen, dass zumindest das euklidische Parrallelenaxiom (Zu einer Gerade gibt<br />

es in einem fest gewählten Punkt eine und nur eine Parallele) nicht a priori gültig<br />

4


sein muss, da man es empirisch (z.B. im Vermessungswesen) wi<strong>der</strong>legen kann. Gauß<br />

Schüler Bólyai und später Lobacevskij haben aus dieser Annahme die sog. ” nicht-<br />

euklidische“ Geometrie entwickelt. Riemann hat diese Entwicklung weiter geführt.<br />

Hilberts Axiomatisierung <strong>der</strong> Geometrie ermöglichte eine rein formale Darstellung<br />

<strong>der</strong> geometrischen Sätze und eine klare Darstellung <strong>der</strong> Unterschiede zwischen eu-<br />

klidischen und nichteuklidischen Geometrien.<br />

Daraus entstand nun die Idee nicht nur die Geometrie zu formalisieren son<strong>der</strong>n die<br />

gesamte <strong>Mathematik</strong>. Dies sollte helfen, die Bedrohung durch mengentheoretische<br />

Antinomien zu bannen. Diese Bestrebung <strong>der</strong> Formalisierung und Axiomatisierung<br />

<strong>der</strong> gesamten klassischen <strong>Mathematik</strong> (einschließlich Cantors ” Himmel“ <strong>der</strong> Men-<br />

genlehre) wird als ” Hilberts Programm“ bezeichnet. So wäre es dann schließlich<br />

möglich einen Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheitsbeweis für die gesamte <strong>Mathematik</strong> zu führen,<br />

<strong>der</strong> die Möglichkeit ihrer Wahrheit beweist/begründet.<br />

Hilbert möchte die Gegner <strong>der</strong> nicht konstuktivern <strong>Mathematik</strong> zu Toleranz bewe-<br />

gen.<br />

Einschub: Unterscheidung zwischen konstruktiver und nicht-konstruktiver Mathe-<br />

matik:<br />

Nicht Konstruktiv sind:<br />

1. indirekte Beweise: Hier wird das Prinzip des Ausgeschlossenen Drit-<br />

ten in <strong>der</strong> Unendlichkeit verwendet. Bsp: : Cantors Diagonal-Beweis <strong>der</strong><br />

Überabzählbarkeit <strong>der</strong> reellen Zahlen. Obwohl alle reellen Zahlen in einer Liste<br />

angeschrieben werden, kann eine neue reelle Zahl (die sog. Diagonalzahl) gebil-<br />

det werden, die nicht auf dieser Liste steht. Cantor schließt aus <strong>der</strong> Konstruk-<br />

tionsmöglichkeit <strong>der</strong> Diagonalzahlen, dass die Annahme <strong>der</strong> Abzählbarkeit <strong>der</strong><br />

reelen Zahlen falsch sein muss, wegen des Prinzips des ausgeschlossenen Drit-<br />

ten.<br />

2. ” Nichtprädikative“ Begriffsbildungen, wie <strong>der</strong> Dedekindsche Schnitt. (Konti-<br />

nuum in 2 Teile schneiden) Er definiert einen bestimmten Punkt mit Hilfe<br />

einer Punktmenge in <strong>der</strong> dieser Schnitt liegen soll.<br />

Diese Methoden eint, dass aus gewissen Eigenschaften auf die Lösung geschlossen<br />

wird, aber diese Lösung nicht expliziet konstruiert wird.<br />

3.Vorlesung, 15.03. Hilberts Programm ist äußerst wichtig für Gödel, denn <strong>der</strong><br />

<strong>Gödels</strong>che Unvollständigkeitssatz ” wi<strong>der</strong>legt“ (zumindest auf gewisse Weise) Hil-<br />

berts Programm.<br />

Hilberts Programm ist kantianisch inspiriert: Es gilt die Bedingungen <strong>der</strong> Möglichkeit<br />

5


von <strong>Mathematik</strong> zu finden. Diese ” Möglichkeit“ <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> ist für Hilbert nichts<br />

an<strong>der</strong>es als ” Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit“. Wenn gezeigt werden kann, dass ein Axiomen-<br />

system wi<strong>der</strong>spruchsfrei ist, so ist dies ein Beweis für die ” Wahrheit“ <strong>der</strong> Theorie.<br />

Frege hat dagegen eingeworfen, dass die bloße Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit noch nicht Wahr-<br />

heit <strong>der</strong> Axiome impliziere. Frege schlug vor Hilberts Axiomensysteme als Prädikate<br />

mit freien Variablen zu interpretieren. (Ob man ein Axiom o<strong>der</strong> eine Regel akzep-<br />

tiert hängt, nach Frege, davon ab ob man an die Gültigkeit des Axioms o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Regel glaubt, d.h. dass man eine dementsprechende Intuition hat) Hilbert hat wohl<br />

Kants Anschauung, im Sinne einer konkreten Intuition von einzelnen Gegenständen,<br />

akzeptiert (Kant/Bolzano). Allerdings wurde die Anschauung nie klar von sinnlicher<br />

Wahrnehmung unterschieden (auch bei Hilbert nicht).<br />

Gödel hingegn, wollte beweisen, dass die <strong>Mathematik</strong> keine Naturwissenschaft, d.h.<br />

nich in Erfahrung begründet, son<strong>der</strong>n eigenständig ist. Dazu war es natürlich not-<br />

wendig die mathematische Intuition (den 6.Sinn) von <strong>der</strong> sinnlichen Wahrnehmung<br />

klar zu unterscheiden. Eine Möglichkeit dies zu tun stammt von Carnap: mathemati-<br />

sche Intuition kann als Werturteil aufgefasst werden, als Unterscheidung zwischen<br />

gültig und ungültig. In <strong>der</strong> Empirie wird die Wahrheit und Falschheit von Tat-<br />

sachen festgestellt, in <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> gibt es keine Wirklichkeit an <strong>der</strong> man misst<br />

son<strong>der</strong>n nur die ” Gültigkeit“ o<strong>der</strong> ” Ungültigkeit“ in einem System. Diese Interpreta-<br />

tion lässt auch die Möglichkeit offen, dass <strong>Mathematik</strong>er unterschiedlicher Meinung<br />

sind ohne sich gegenseitig die Gültigkeit abzusprechen. Verschiedene Formen <strong>der</strong><br />

<strong>Mathematik</strong> könnten so etwas verschiedene Begriffe von Gültigkeit entwickeln ohne,<br />

dass sie den an<strong>der</strong>en ihren Status absprechen müssen.<br />

Ein Rest an Intuition bleibt auch bei Hilbert bestehen: Nach Hilberts Programm soll<br />

ja die Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit <strong>der</strong> gesamten <strong>Mathematik</strong> durch einen Wi<strong>der</strong>spruchs-<br />

freiheitsbeweis für die Arithmetik gezeigt werden.(aus <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit <strong>der</strong><br />

Arithmetik folgt nämlich die Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit <strong>der</strong> Analysis, <strong>der</strong> Geometrie, usw.,<br />

da die Arithmetik Modelle für diese höheren Theorien liefert). Um nun diesen ent-<br />

scheidenden Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheitsbeweis für die Arithmetik führen zu können muss<br />

ich an die Gültigkeit <strong>der</strong> Methoden glauben, die dabei verwendet werden. Des-<br />

wegen, um die Notwendigkeit von Intuition so gering wie möglich zu halten, soll<br />

dieser Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheitsbeweis nach Hilbert mit möglichst einfachen Methoden<br />

in einer möglichst schwachen Theorie erfolgen. Die Frage ist jedoch, ob man die<br />

Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit er <strong>Mathematik</strong> in einem starken System o<strong>der</strong> mit mehreren<br />

schwächeren aufbauenden Systemen beweisen soll. Die Zahlentheorie muss jeden-<br />

falls vorrausgesetzt werden um Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit zu beweisen, und dann auf<br />

sich selbst angewendet werden. Außerdem muss vor einem Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheits-<br />

beweis die Vollständigkeit des Axiomensystems bewiesen werden, da bei Unvoll-<br />

6


ständigkeit genau die nicht beweisbaren Sätze die, zu Wi<strong>der</strong>sprüchen führenden,<br />

Problemfälle sein könnten.<br />

Vollständigkeit eines Axiomensystems heißt: alle semantisch gültigen Sätze des<br />

Axiomensystems müssen aus den vorgegebenen Axiomen mit den vorgeg. Beweisre-<br />

geln beweisbar (=ableitbar) sein.<br />

Hilberts Programm wurde von seinen Mitstreitern von Neumann, Bernays und Gent-<br />

zen weitergeführt. Von Neumann führte Vollständigkeitsbeweise für beschränkte Ge-<br />

biete mit eingeschränkten Quantoren (1928).<br />

Es lässt sich aber sehr leicht zeigen, dass die Peano Arithmetik in finiten Systemen<br />

nicht Vollständig sein kann: Die Anzahl <strong>der</strong> möglichen arithmetischen Funktionen<br />

beträgt 2 ℵ 0, Hilberts finite Syntax schafft allerdings höchstens ℵ0 viele Theoreme!!<br />

(Das hat Gödel 1931 in einer Fußnote angemerkt). Hilbert hat diesen Gegenbeweis<br />

allerdings nicht anerkannt, da er offensichtlich nicht finit ist (und Hilbert akzeptierte<br />

nur finite Beweise). Hilbert wollte die konstruktive Klarheit von Freges Begriffsschrift<br />

genießen, die sehr brav finit ist. Frege wäre allerdings durchaus bereit gewesen einen<br />

nicht-finiten Standpunkt einzunehmen, denn als Beweisregel würde Frege jeden lo-<br />

gisch gültigen Satz anerkennen falls notwendig.<br />

(Hilberts erste transfinite Beweisregel (er hat die noch für finit gehalten), die ω-<br />

Regel:<br />

Wenn alle Sätze in <strong>der</strong> Folge P a1, P a2, P a3, ... beweisbar sind, dann gilt: ∀x : P x. )<br />

2 <strong>Gödels</strong> Beweise<br />

2.1 Hintergrund von <strong>Gödels</strong> Theoremen<br />

4.Vorlesung, 22.3. Frege versuchte schon in den ” Grundlagen <strong>der</strong> Arithmetik“<br />

(1884) und den ” Grundgesetzen <strong>der</strong> Arithmetik“ (1893) einen Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheits-<br />

beweis <strong>der</strong> Arithmetik zu liefern, in dem er sie vollständig aus <strong>der</strong> Logik entwickelte.<br />

Da Logik für Frege vollkommen zweifelsfrei war, würde dies die Wi<strong>der</strong>spruchsfrei-<br />

heit <strong>der</strong> Arithmetik (und damit <strong>der</strong> gesamten <strong>Mathematik</strong>) beweisen. Dieser Ver-<br />

such wurde jedoch durch ” Russels Paradox“ gestürzt, denn die Prämisse, dass je<strong>der</strong><br />

wohlgeformte Audruck Bedeutung haben sollte, konnte, ob <strong>der</strong> daraus folgenden<br />

Antinomie <strong>der</strong> ” Menge aller Mengen die sich selbst nicht enthalten“, nicht mehr<br />

gehalten werden.<br />

Paul Finsler versuchte 1926 mithilfe <strong>der</strong> ” Richardschen Antinomie einen Unvoll-<br />

ständigkeitsbeweis zu fühen. Jean van Heijenhoort kommentiert dazu, dass Finsler<br />

auf zu unklarer Weise zwischen formalen Systemen (ohne sie näher durch Axiome zu<br />

beschrieben) und dem ” konzeptuellen Bereich“ (<strong>der</strong> Gedankenwelt) unterscheidet.<br />

7


Gödel hat schließlich als erster Hilberts Programm expliziert (im Carnapschen Sin-<br />

ne: vage/intuitive Begriffe formal ausgedrückt). Das heißt er hat gezeigt, wie Me-<br />

tamathematik, insbeson<strong>der</strong>e Beweistheorie, in die Arithmetik übersetzt (= ” arith-<br />

metisiert“) werden kann. Bernays kommentiert dazu: ” Gödel executed Hilberts pro-<br />

gram“.<br />

2.2 <strong>Gödels</strong> Beweis (nach van Heijenhoort)<br />

Der erste Schritt in <strong>Gödels</strong> Beweis besteht in einer Arithmetisierung <strong>der</strong> Meta-<br />

mathematik, welche die formalen Systeme <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> zum Objekt hat. Diese<br />

Arithmetisierung von formalen Zeichensystemen erfolgt durch Kodierung.<br />

Zunächst muss das formale System S , welches arithmetisiert werden soll genau<br />

definiert werden. Dieses besteht aus:<br />

• einem Alphabet ∼ (nicht), ⊃ (impliziert/daraus folgt), ( ) (Klammern), x y z<br />

(Variablen), = 0, ′ (Nachfolger von), + · (Rechensymbole). Daraus werden die<br />

folgenden Zeichen definiert: (x) (Für alle x gilt ...), ∧ (und), ∨ (o<strong>der</strong>).<br />

• Axiome (von S):<br />

(i) (x) ∼ (0 = x ′ ) (Für alle x ist 0 nicht gleich <strong>der</strong> Nachfolger von x)<br />

(ii) (x)(y)(x ′ = y ′ ⊃ x = y) (Für alle x gilt, dass für alle y gilt, dass, wenn <strong>der</strong><br />

Nachfolger von x gleich dem Nachfolger von y ist, dann sind x und y gleich.)<br />

(iii) (x)(x + 0 = x)<br />

(iv) (x)(x + y ′ = (x + y) ′ )<br />

(v) (x · 0 = 0)<br />

(vi) (x)(y)(x · y ′ = (x · y) + x)<br />

• einem Axiomenschema: A(0) ⊃ ((x)(A(x) ⊃ A(x ′ )) ⊃ (x)A(x))<br />

• Beweisregeln:<br />

Modus Ponens: Wenn, ⊢ (A ⊃ B) und ⊢ A dann ⊢ B<br />

Modus Tollens: Wenn ⊢ (A ⊃ B) und ⊢∼ B , dann ⊢∼ A<br />

Indirekter Beweis: Wenn ⊢∼ A ⊃ (B∧ ∼ B), dann ⊢ A<br />

Nun werden in diesem formalen System einige beweistheoretische Eigenschaften und<br />

Begriffe definiert:<br />

• ω-Vollständigkeit (ω = die erste transfinite Ordinalzahl) heißt: alle Sätze<br />

A(x) sind beweisbar, und auch (x)A(x)<br />

• ω-Unvollständigkeit: alle Sätze A(x) sind beweisbar, aber nicht (x)A(x)<br />

• ω-Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit: alle A(x) sind beweisbar, aber auch ∼ (x)A(x)<br />

• ω-Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit: alle A(x) sind beweisbar, und ∼ (x)A(x) ist nicht<br />

beweisbar<br />

8


Es gilt folgen<strong>der</strong> Satz:<br />

Ist S ω-wi<strong>der</strong>spruchsfrei so ist S wi<strong>der</strong>spruchsfrei aber nicht umgekehrt.<br />

Jetzt wird die Metamathematik arithmetisiert. Das verwendete Verfahen nennt man<br />

” Gödelisierung“.<br />

1. Jedem Zeichen des Alphabets von S wird eine Zahl zugeordnet:<br />

∼ ⊃ ( ) , x y z ‘ = 0 ′ + ·<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14<br />

2. Jedem Satz <strong>der</strong> Sprache (=des formalen Systems) wird eine Gödelnummer<br />

GN zugeordnet in dem die Zahlen für die Zeichen <strong>der</strong> Reihe nach als Potenzen<br />

von Primzahlen angeschrieben werden; diese Primzahlen werden schließlich<br />

multipliziert:<br />

Bsp.: Der Satz (x)(x=x) hat die Gödelnummer:<br />

2 3 ∗ 3 6 ∗ 5 4 ∗ 7 3 ∗ 11 6 ∗ 13 10 ∗ 17 6 ∗ 19 4 = 146225196679034880<br />

Die Gödelisierung hat nun folgende Eigensschaften:<br />

1. Jede wohlgeformte Formel (= je<strong>der</strong> Satz) des formalen Systems in eine Zahl<br />

übersetzt werden und aus je<strong>der</strong> Zahl kann mithilfe <strong>der</strong> Primfaktorzerlegung<br />

<strong>der</strong> zugehörige Satz rekonstruiert werden.<br />

2. Jede wohlgeformte Formel hat genau eine Gödelnummer und verschieden wohl-<br />

geformte Formeln, haben verschiedene Gödelnummern (Die Zuordnung ist ein-<br />

deutig weil die Primfaktorzerlegung eindeutig ist)<br />

3. Es kann auch je<strong>der</strong> Sequenz von Formeln genau eine Gödelnummer zugeord-<br />

net werden. Manche dieser Sequenzen sind Beweissequenzen (=Beweisfolgen).<br />

Somit wird berechenbar ob etwas ein Beweis ist.<br />

Wir definieren jetzt das Prädikat Bew(u,v), welches besagt, dass u die GN von einer<br />

Beweissequenz für die Formel mit GN v ist. Gödel beweist, dass Bew effektiv entscheidbar,<br />

d.h. primitiv rekursiv berechenbar, ist.<br />

Wir definieren nun weiters das Prädikat Sub(s,f,t,w), welches besagt: Gegeben eine<br />

Formel mit GN s, die die Formel f enthält. Wenn jedes freie Vorkommen <strong>der</strong> Variable<br />

y in f durch 0 (t) (<strong>der</strong> t-te Nachfolger von 0, also irgendeine Zahl) ersetzt wird, dann<br />

ist w die GN des Resultats.<br />

Bew kann ziffernmäßig dargestellt (numeralwise represented) werden durch Q(x,y).<br />

Nun bilden wir das Prädikat Bew(u,f(s,t)). Und definieren w=f(s,t), wobei w die<br />

Gödelnummer <strong>der</strong> Einsetzung von 0 (t) für die Variable y in die Formel mit GN s ist.<br />

9


Betrachten wir den Fixpunktfall Bew(u,f(t,t)), dieses Prädikat ist arithmetisierbar<br />

und wird mit Q(x,y) dargestellt. Der Satz (x)∼ Q(x, y) hat die GN i. Jetzt bilden<br />

wir den <strong>Gödels</strong>atz G ≡ (x) ∼ Q(x, 0 (i) )<br />

Theorem 1 (Teil 1):<br />

Wenn S wi<strong>der</strong>spruchsfrei ist, dann ist G unbeweisbar in S<br />

Beweis:<br />

Die GN von G=f(i,i). Falls G beweisbar wäre, würde gelten: Bew(u,f(i,i)) für irgend-<br />

ein u: daher wäre ein Q(0 (k) , 0 (i) ) beweisbar für ein k.<br />

Somit würde gelten: ∼ (x) ∼ Q(x, 0 (i) ), die ist aber genau ∼ G. Die ist ein WI-<br />

DERPSRUCH zu G. Da aber S wi<strong>der</strong>spruchsfrei ist, muss die Annahme, dass G<br />

beweisbar ist falsch ist. G ist also unbeweisbar in S. Q.E.D.<br />

Theorem 1 (Teil 2): Wenn S wi<strong>der</strong>spruchsfrei ist, dann ist ∼G unbeweisbar in S.<br />

Beweis: Wenn S ω-konsistent ist, dann ist S auch konsistent. Da nach Teil 1 Bew(u,f(i,i))<br />

für kein u gelten kann so muss Q(0 (k) , 0 (i) ) wi<strong>der</strong>legbar sein, für jedes k, daher<br />

∼Q(0 (k) , 0 (i) ) beweisbar sein für jedes k.<br />

Falls nun S ω-konsistent ist, dann kann ∼Q(0 (k) , 0 (i) ) nict beweisbar sein. Dieser<br />

Satz ist aber nicht an<strong>der</strong>es als ∼ G. Also ist we<strong>der</strong> G noch ∼G beweisbar. Daher ist<br />

S unvollständig. Q.E.D.<br />

5.Vorlesung, 29.3.2011 Theorem 1 (Teil 1) zeigt, dass <strong>Gödels</strong>atz nicht beweisbar,<br />

(Teil 2), dass die Verneinung nicht beweisber ist. Der <strong>Gödels</strong>atz ist eine Spielart <strong>der</strong><br />

Lügner-antinomie allerdings, so Gödel, könnte auch die Richardsche Antinomie ver-<br />

wendet werden. Allerdings verwendet die Lügner-Antinomie ein Wahrheitsprädikat<br />

und <strong>der</strong> <strong>Gödels</strong>atz das Prädikat ” beweisbar“. Laut Dummet ist Wahrheit jedoch<br />

” jenseits“ von beweisbar, Beweisbar“ führt nicht zu einem Wi<strong>der</strong>spruch. Wahrheit<br />

”<br />

schon, denn für das Wahrheitsprädikat gilt <strong>der</strong> Satz vom ausgeschlossenen Drit-<br />

ten, für Beweisbarkeit nicht. Somit entkommt Gödel einem Wi<strong>der</strong>spruch und <strong>der</strong><br />

<strong>Gödels</strong>atz kann dennoch wahr sein.<br />

Die Richardsche Paradoxie handelt von Definierbarkeit, <strong>Gödels</strong> Beweis von Beweis-<br />

barkeit. Diese beiden Konzepte hängen jedoch zusammen: beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Frage ob<br />

man Theorien auf an<strong>der</strong>e Theorien reduzieren kann. So stellt sich die Frage ob man<br />

die Begriffe <strong>der</strong> einen Theorie durch Begriffe <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en definieren kann. Es gibt<br />

gewisse philosophsche Theorien zu <strong>Gödels</strong> Theorem 1: J.R.Lucas ist <strong>der</strong> Meinung,<br />

dass Gödel gezeigt hat, dass <strong>der</strong> menschliche Geist stärker ist als das Maschinen-<br />

denken. Durch semantische Analyse können wir beweisen, dass <strong>der</strong> <strong>Gödels</strong>atz wahr,<br />

aber diese Methode ist auch in Maschinen implementierbar.<br />

10


Das Theorem 2 ist zeitlich später von Gödel bewiesen worden (November 1930)<br />

(Allerdings ist seine Folgerung nicht beson<strong>der</strong>s schwierig). Es besagt, dass die Wi-<br />

<strong>der</strong>spruchsfreiheit <strong>der</strong> Arithmetik nich in S bewiesen werden kann und ist damit ein<br />

herber Rückschlag (wenn nicht gar eine Wi<strong>der</strong>legung) des Hilbert Programms.<br />

Zunächst müssen wir die Frage stellen: Was ist ein Wi<strong>der</strong>spruch? Dazu gibt es drei<br />

Möglichkeiten:<br />

1. ein Satz <strong>der</strong> Form A ∧ ¬A (in S) o<strong>der</strong><br />

2. wenn man in S alles beweisen kann (ex falso quod libet) o<strong>der</strong><br />

3. (0 = 0 ′ ) ist beweisbar<br />

Wir wählen Möglichkeit 3: Sei m die Gödelnummer von (0 = 0 ′ ). Nun können wir die<br />

Aussage <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit explizit formulieren: ” Für kein u gilt, dass u die<br />

Gödelnummer eines Beweises für m ist.“ O<strong>der</strong> formal: (x) ∼ P (x, 0 m ), wir nennen<br />

diese Aussage C. Nun können wir formlieren:<br />

Theorem 2: Wenn S wi<strong>der</strong>spruchsfrei ist, dann ist C unbeweisbar in S<br />

Beweis: Betrachte nun den Satz: C ⊃ (x) ∼ Q(x, 0 i ). Dieser besagt, dass wenn<br />

S wi<strong>der</strong>spruchsfrei ist, G unbeweisbar ist, also genau Theorem 1 (Teil 1). Die rechte<br />

Seite davon ist aber gerade G, d.h. <strong>der</strong> Satz kann auch so geschrieben werden: C ⊃ G.<br />

Da nun <strong>der</strong> Beweis für Theorem 1 (Teil 1) wie<strong>der</strong> kodierbar ist, kann <strong>der</strong> Beweis<br />

für C ⊃ G selbst auch in S ausgedrückt werden. Falls nun C getrennt in S beweis-<br />

bar wäre, dann könnte daher auch G in S bewiesen werden (nach Modus Ponens).<br />

Dies ist jedoch ein Wi<strong>der</strong>spruch zu Theorem 1 daher kann umöglich C unabhängig<br />

bewiesen werden. Q.E.D.<br />

2.3 Folgen von <strong>Gödels</strong> Beweisen<br />

Hilberts Reaktion: Hilbert hat sich zu <strong>Gödels</strong> Beweis fast nie direkt geäußert und<br />

auch keinen Kontakt zu Gödel aufgenommen. Seine Schüler, vor allem von Neu-<br />

mann, haben <strong>Gödels</strong> Beweis sofort akzeptiert, rezipiert und gelehrt. Hilbert hat sie<br />

jedoch auch nie daran gehin<strong>der</strong>t. Bernays war zu <strong>der</strong> Zeit jedoch hauptsächlich in<br />

<strong>der</strong> Schweiz und Ackermann wurde Gymnasiumslehrer (von Hilbert gefeuert).<br />

Die Hilbert Schule war schockiert von <strong>Gödels</strong> Beweis und führte zu einer vollkom-<br />

menen Abkehr vom Hilbert Programm. Die Schüler wendeten sich an<strong>der</strong>en Themen<br />

zu (Bernays - Mengenlehre). Hilbert war zu dieser Zeit schon sehr alt.<br />

11


Veröffentlichung von <strong>Gödels</strong> Beweis: <strong>Gödels</strong> Doktorarbeit, <strong>der</strong> Beweis <strong>der</strong> vollständig<br />

<strong>der</strong> Prädikatenlogik erster Stufe (Funktionenkalkül), verschaffte Gödel in Göttingen<br />

eine Anerkennung und Autorität. (Problem von Ackermann aufgeworfen). Dies verstärkte<br />

die Wirkung <strong>der</strong> Veröffentlichung seines Unvollständigkeitssatzes in <strong>der</strong> Hilbert-<br />

Schule.<br />

Gödel und von Neumann lernten sich bei einer Tagung <strong>der</strong> ” deutschen Mathema-<br />

tikervereinigung“ in Königsberg kennen. (auch Wiener Kreis dort - abgedruckt in<br />

Erkenntnis) Hilbert war damals als größter deutscher <strong>Mathematik</strong>er bekannt.<br />

Gödel trug seinen Vollständigkeitssatz vor (Frühjahr 1930), (seinen Unvollständigketisbeweis<br />

hatte er erst Juli 1930). In Königsberg hat von Neumann den hilbertschen Formalis-<br />

mus vorgetragen. Am nächsten Tag in <strong>der</strong> Diskussion hat Gödel behauptet, dass es<br />

Sätze in <strong>der</strong> PA gibt die nicht entscheidbar sind. Von Neumann war interessiert dar-<br />

an und erhält Korrekturversionen seines Artikels. Von Neumann berichtete Bernays<br />

von <strong>Gödels</strong> Entdeckungen und beide korrespondierten schon vor <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

mit Gödel.<br />

Von Neumann hätte sogar einen eigenen Beweis für Theorem 2 veröffentlichen können,<br />

überließ aber Gödel die Veröffentlichung um ihm das Renomee zu ermöglichen.<br />

Gödel nimmt nach <strong>der</strong> Veröffentlichung seines Unvollständigkeitsbeweises immer<br />

weniger an den Treffen des Wiener Kreies teil. Mit den Weggang von Carnap nach<br />

Prag 1931, wurden die Treffen des Wiener Kreises für Gödel uninteressanter. Gödel<br />

und Menger waren an <strong>der</strong> ” Wittgensteinerei“ nicht interessiert.<br />

Carnap selber verwendet in den 30er Jahren die Methode <strong>der</strong> ” Gödelisierung“ in<br />

seinem Syntaxprogramm um eine Übersetzung <strong>der</strong> Metasprache in die Sprache sel-<br />

ber zu bewerkstelligen. <strong>Gödels</strong> Beweis lieferte so eine wichtige Grundlage für sein<br />

philosophisches Programm. Weitere philosophischen Folgerungen.<br />

Wittgensteins Standpunkt, dass über die Sprache selbst nicht gesprochen werden<br />

kann, wird von Gödel quasi wi<strong>der</strong>legt. Wittgenstein stand dabei in <strong>der</strong> ” univer-<br />

salistischen“ Tradition von Frege und Russell, die behauptet, dass die Logik eine<br />

universale Sprache ist. (Die Gegenposition von Boole, Peirce und Schrö<strong>der</strong> sieht Lo-<br />

gik als Kalküle die erst in Modellen gedeutet werden müssten (wobei die Art dieser<br />

Modelle offenblieb, möglich waren auch unbeschränkt große, auch überabzählbare<br />

Modelle). )<br />

Wittgenstein hat im Tractatus die Ansicht vertreten, dass man über eine formale<br />

Sprache nicht sprechen kann, da man dafür keine Formalisierung finden kann. Die<br />

Methode <strong>der</strong> Gödelisierung erlaubt jedoch genau das. Wittgenstein könnte darauf<br />

antworten: Wenn die Metapsrache unvollständig ist dann ist es keine echte Meta-<br />

sprache. Allerdings hat Wittgenstein zu stark behauptet, dass man gar nicht über<br />

eine Sprache sprechen kann. Carnaps Syntaxprogramm ist genau diese Ausführung<br />

<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>legung Wittgensteins. Jedoch hat Carnap dies nie verlautbart, da es im<br />

12


Wiener Kreis selbst viele Anhänger Wittgensteins gab. Vor allem Waismann wollte<br />

verbieten, dass man über die Sprache redet.<br />

Wittgenstein selbst war zu dieser Zeit nicht mehr an wissenschaftlicher Forschung<br />

interessiert. Hat sich bemüht den Beweis zu verstehen. (Kreisel berichet, dass er<br />

von <strong>Gödels</strong> Beweis als ” neue Art des Beweises“ bezeichnet hat.) Gödel kritisiert<br />

Wittgenstein dafür, da er meint seine Sätze sind einfache arithmetische Sätze sind.<br />

Jedoch müsste dazu die Methode <strong>der</strong> Gödelisierung, <strong>der</strong> Begriff ” Beweisbar“ und die<br />

” Substitution“ zur Arithmetik gerechnet werden. Jedoch spricht die reine“ Arith-<br />

”<br />

metik gerade nicht über Syntax und enthält daher auch nicht diese Begriffe.<br />

In <strong>der</strong> Logik hat <strong>Gödels</strong> Beweis bald einen großen Einfluss gehabt: vor allem in<br />

Polen haben die Logiker ihre Arbeitsweise ziemlich geän<strong>der</strong>t. Vor allem Tarski war<br />

fast Konkurrent <strong>Gödels</strong>. Auch in Amerika hat die Logik durch <strong>Gödels</strong> Beweis einen<br />

höheren Rang erhalten.<br />

Auf <strong>der</strong> technischen Seite etnstand durch <strong>Gödels</strong> Beweis die Rekursionstheorie:<br />

<strong>Gödels</strong> Begriff <strong>der</strong> Rekursion war die erste strenge Formalisierung des Berechenbar-<br />

keitsbegriffs. Vor allem Alonzo Church und Kleene haben diese Theorie entwickelt.<br />

Auch Turings Ergebnisse (Turing Maschinen) sind äquivalent zu <strong>Gödels</strong> Rekursions-<br />

begriff.<br />

Brouwers Intuitionismus ist auch sehr ändlich mit algorithmischen Arbeiten, aller-<br />

dings ist die Formalisierung <strong>der</strong> Rekursion durch Gödel zu formal für Intuitionis-<br />

ten. Mittlerweile: Enge Verbindung zwischen Intuitionisten/konstruktive Mathema-<br />

tik und Rekursionstheorie (v.a. bei Kleene).<br />

6.Vorlesung, 5.4.2011 Fortsetzung: Einfluss von <strong>Gödels</strong> Beweis auf Hilberts Pro-<br />

gramm: Hilbert Programms ist Münchhausen-haft, da versucht wurde mit Hilfe ei-<br />

nes relativ schwachen Teils <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong>, nämlich <strong>der</strong> finiten Peano Arithmetik,<br />

die gesamte (auch transfinite) <strong>Mathematik</strong> zu begründen. Ein Konsistenzbeweis für<br />

die Peano Arithmetik, so die Vorstellung, würde die Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit <strong>der</strong> ge-<br />

samten <strong>Mathematik</strong> beweisen. (Da Analysis, Geometire, e.t.c auf die Arithmetik<br />

zurückführbar). Dieser Versuch ” sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen“,<br />

ist durch <strong>Gödels</strong> Unvollständigkeitssatz klar wi<strong>der</strong>legt.<br />

Manche Hibertianer, vor allem <strong>der</strong> junge Gerhard Gentzen, haben trotzdem ver-<br />

sucht das Programm zu retten. (Von Neumann wendete sich ab, Bernays hielt aber<br />

noch Kontakt mit Göttingen). Gentzen lieferte 1936 einen Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheitsbe-<br />

weis, <strong>der</strong> durchaus als finit bezeichnet werden könnte. Es stellt sich jedoch die Frage<br />

ob Gentzens Beweis wirklich eine Rettung des Hilbertschen Programms darstellt.<br />

13


Immerhin benötigt Gentzen nur Mengen <strong>der</strong>en Kardinalität < ℵ0 (PA bleibt unter-<br />

halb von ω) Aber Gentzen erlaubt es unendliche viele Progressionen hintereinan<strong>der</strong><br />

auszuführen, sein Beweis bleibt aber immerhin unterhalb von ɛ0 = ωωωω.. , also quasi<br />

finit.<br />

Gödel selbst hat von diesem Beweis gewusst. ER hat auch selbst nie behauptet das<br />

Hilbertsche Programm wi<strong>der</strong>legt zu haben. Gödel skizziert eine Abän<strong>der</strong>ung des Fi-<br />

nitismus von Hilbert.<br />

Was bedeutet die Gödel-Unvollständigkeit für Aristoteles und Leibniz?<br />

Von allen interessanten (die Peano Arithmetik enthaltenen) Axiomensystemen gilt<br />

<strong>der</strong> unvollständigkeitssatz. Somit kann <strong>der</strong> <strong>Gödels</strong>che Beweis als echte Beschränkung<br />

des theoretischen Wissensschaftsbegriff gedeutet werden. Nach Aristoteles Analytica<br />

posteriora ist jede Wissenschaft ein Axiomensystem. Es wird ein Gegenstansbereich<br />

vorgegeben (Grundobjekte) und welche Attribute diese Grundobjekte haben. Daraus<br />

können dann die Sätze gebildet werden. Aristoteles hat allerdings keine Relations-<br />

logik aufgestellt.<br />

Mit diesen Sätzen sollen dann Beweise geführt werden können. (Aristoteles hat Satz-<br />

begriff, Axiome und Beweisregeln).<br />

Wenn aber nun nach Gödel, jedes stärkere Axiomensystem prinzipiell unvollständig<br />

ist, wie kann dann behauptet werden (wie bei Aristoteles), dass die gesamte Wis-<br />

senschaft durch ein Axiomensystem abgedeckt wird.<br />

Ist die ” theory of everything“ von <strong>Gödels</strong> Beweis betroffen?<br />

Die ” theory of everything“ ist die Idee eine Theorie zu finden die alle physikali-<br />

schen Grundräfte in sich einschließt. Kann es so eine Theorie die alle physikalischen<br />

Sätze in sich einschließt nun wegen dem Unvollständigketissatz ganz einfach nicht<br />

geben. Georg Kreisel, Dane Scott und Hillary Puntnam meinen die Möglichkeit einer<br />

t.e. sei durch Gödel nicht beeinträchtigt. Es sei dennoch möglich einen vollständigen<br />

Satz von Axiomen zu finden, nur kann we<strong>der</strong> ihre Vollständigkeit noch ihre Wi<strong>der</strong>-<br />

spruchsfreiheit bewiesen werden.<br />

Die Goldbach-Vermutung ist immer noch nicht bewiesen, aber trotzdem, kann sie<br />

durch Hochleistungs-rechner für unglaublich hohe zahlenwerte gezeigt werden. Diese<br />

Herangehensweis hat Gödel durchaus für sinnvoll gehalten. Auch bei einer theory<br />

of everything könne so (unvollständig) induktiv begründet werden: Wenn wir alle<br />

bekannten Kräfte in <strong>der</strong> Theorie vereint haben, so wäre dies eine (unvollständig) in-<br />

duktive Begründung für die Vollständigkeit einer t.e.. (eigentlich eh nur theoretisch<br />

14


interressant: scheitert an komplexität <strong>der</strong> Rechnungen)<br />

Muss <strong>der</strong> <strong>Gödels</strong>atz G wahr sein?<br />

Prinzipiell kann das verneint werden. Gödel hat dies nirgends in seinem Aufsatz<br />

erwähnt.<br />

Der Beweis von <strong>Gödels</strong> Unvollständigkeitssatz verläuft eigentlich rein syntaktisch.<br />

Demnach wird <strong>der</strong> semantische Begriff ” Wahrheit“ nie erwähnt. (Allerdings, die Pea-<br />

no Arithmetik selbst muss als wahr/gültig anerkannt und als Teil de mathematischen<br />

Wissens anerkannt werden, denn sonst ist <strong>der</strong> Beweis <strong>Gödels</strong> nicht überzeugen). Wis-<br />

sen setzt Wahrheitserkenntnisse voraus, die in zwei Stufen erlangt werden: 1. durch<br />

direkte Beobachtung, (d.h. in <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong>: Intuition o<strong>der</strong> Anschauung), 2. durch<br />

Schließen (deduktiv und induktiv). In einem Wi<strong>der</strong>spruchfreiheitsbeweis wird aber<br />

Wissen/Wahrheit nicht gebraucht. Tarski und auch Quine hielten <strong>Gödels</strong> Beweis für<br />

rein syntaktisch.<br />

Warum braucht man Wahrheit um eine Theorie zu begründen? Hilbert<br />

hielt Begründungen für etwas schwächeres, ein Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheitsbeweis ist schon<br />

ausreichend um eine mathematische Theorie zu begründen.<br />

Die <strong>Mathematik</strong>er rückten 1899 von Wahrheit ab, denn es wurde nicht mehr ver-<br />

langt, dass eine Theorie wahr/gültig sein müsste son<strong>der</strong>n nur, dass sie beweistheo-<br />

retisch korrekt durchgeführt werden.<br />

Aber trotzdem müssen <strong>Mathematik</strong>er Empfehlungen über Wahrheit/Gültigkeit ma-<br />

chen und insofern ein Wissen behaupten. Frege hat Hilbert geschrieben, dass Wi-<br />

<strong>der</strong>spruchsfreiheit zu wenig war, und dass Wahrheit und eine inhaltliche (heute:<br />

semantische) Einstellung sehr wohl notwendig ist. (Frege und Bolzano verwendeten<br />

” Einsicht“ um mathematische Wahrheit/Gültigkeit zu erkennen.) Eine echte/volle<br />

Begründung einer Theorie müsse den Glauben stützen, was ein Wi<strong>der</strong>psruchsfrei-<br />

heitsbeweis nicht tut.<br />

3 <strong>Gödels</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong><br />

3.1 Subjektiv-objektiv Unterscheidung:<br />

Ist <strong>Mathematik</strong> subjektiv o<strong>der</strong> objektiv?. Zunächst ist sie jedenfalls subjektiv, da<br />

<strong>Mathematik</strong> mit rechnen und beweisführen zu tun hat. Beides sind geistige Tätigkeiten<br />

und daher ist die <strong>Mathematik</strong> klar subjektiv.<br />

15


Gödel Unterschied zwischen subjektiver und objektiver <strong>Mathematik</strong>:<br />

Subjektive <strong>Mathematik</strong> ist diejenige, die bewiesen wurde bzw. bewiesen werden<br />

kann;<br />

Objektive <strong>Mathematik</strong> ist einfach die ” wahre“ <strong>Mathematik</strong>.<br />

Warum hat Frege so stark gegen ” Psychologismus“ getobt? Frege war überzeugt,<br />

dass man niemals durch (empirisch) psychologische Studien die Zahlenlehre be-<br />

gründen kann. Empirische Studien würden geradezu belegen, dass das tatsächliche<br />

(Rechen-) Verhalten von Menschen viel zu schwankend ist um eine exakte Logik o<strong>der</strong><br />

<strong>Mathematik</strong> aufzubauen. Was Frege nicht bedacht hat: es gibt auch eine normative<br />

Psychologie. Genau zu dieser gehört die <strong>Mathematik</strong>.<br />

7.Vorlesung 12.04.2011: Überblick über Folgen aus <strong>Gödels</strong> Theorem:<br />

1. Wi<strong>der</strong>legung des Hilbertschen Programms (”Münchhausen-Version”)<br />

2. Wi<strong>der</strong>legung des Logizismus (eigentlich nicht, weil Logizismus zu ”flexibel”)<br />

3. Wi<strong>der</strong>legung des logischen Empirismus, weil das Verifikationsprinzip wohl schei-<br />

tert<br />

4. Wi<strong>der</strong>legung von Wittgenstein<br />

5. Das Gödel-Theorem kann man als erste exakte Explikationn (Carnap 1950,<br />

Kap. 1) vom deutschen transzendentalen Idealismus sehen. Vom deutschen<br />

transzendentalen Idealismus kommt Hilberts Metamathematik. Gödel hat ja<br />

das Hilbertsche Programm als erster exakt expliziert, aber das Hilbertsche<br />

Programm kommt ja vom transzendentalen Idealismus (”die Bedingungen <strong>der</strong><br />

Möglichkeit des menschlichen apriori-Wissens”). Daher hat Gödel eigentlich<br />

auch als erster den deutschen transzendentalen Idealismus expliziert.<br />

Beweis (u, v) ¡– objektiv<br />

Q (0 u , 0 w ) ¡– subjektiv<br />

Dem Gödel-Satz gelingt es, etwas wichtiges über das ëigene Wissenäuszusagen. Kant<br />

hat zwischen dem transzendentalen und dem empirischen/menschlichen Ich unter-<br />

schieden und trotzdem die beiden in seiner transzendentalen Deduktion einan<strong>der</strong><br />

gleichgesetzt. (Literatur darüber von Magdalena Aebi. Kants Begründung <strong>der</strong> deut-<br />

schen <strong>Philosophie</strong>, Zürich 1947. –¿ Sie hat die transzendentale Deduktion als Fehl-<br />

schluss entlarvt.) In einem 90seitigen Vorwort erklärt Aebi, wieso Kant zum großen<br />

deutschen Philosophen avancierte. Das wichtigste am deutschen Idealismus ist Re-<br />

flektion/Lehre des Selbstbewusstseins. Daraus gewinnt man eine Kohärenztheorie<br />

<strong>der</strong> Wahrheit, so wie sie Hegel und die Heglianer entworfen haben. (Hegel gewann<br />

16


seine Dialektik aus Kants transzendentaler Logik, <strong>der</strong>en Aufgabe es war, die Anti-<br />

nomien <strong>der</strong> reinen Vernunft zu beschreiben und ihre Unauflösbarkeit zu belegen.)<br />

Es gibt zwei verschiedene Unterscheidungen subjektiv/objektiv:<br />

1. Quasi-Dichotomie zwischen ”mentalünd ”materiell”<br />

2. Sätze, die angezweifelt werden, werden ßubjektiv”genannt, an<strong>der</strong>nfalls öbjek-<br />

tiv”<br />

Brouwers Intuitionismus handelt vom ïdealen <strong>Mathematik</strong>er”. Brouwer erlaubt ei-<br />

ne ɛ0-Regel: Man schließt analog zur vollständigen mathematischen Induktion auf<br />

einen Satz, <strong>der</strong> von einem Ordnungstyp ɛ0 handelt, von demjenigen Typ, <strong>der</strong> die<br />

Komplexität eines finiten formalen (syntaktischen) Systems misst.<br />

Gödel lässt sich nicht so festnageln wie Brouwer,<br />

• aber <strong>der</strong> menschliche Geist sei schon sehr stark, weil Gödel sämtliche ihrer<br />

Möglichkeiten für alle Zukunft zu ihr hinzudenkt.<br />

• seine wichtigste Fakultät, die Intuition, ist entsprechend nach oben unbegrenzt,<br />

obwohl sie fehlerbehaftet sei, können alle Fehler prinzipiell behoben werden.<br />

8.Vorlesung 03.05.2011 Die erste Subkjektiv-Objektiv Dichotomie: Technisch<br />

bezeichnet ist die <strong>der</strong> Niveau Unterschied zwischen Objekt- und Metastufe einer<br />

(metatheoretischen Darstellung). In <strong>Gödels</strong> Unvollständigkeitsbeweis sind Sätze mit<br />

den Prädikaten ” Bew“ ” Sub“ ” Con“ obekttheoretisch. Sätze mit dem zahlentheo-<br />

retischen Prädikat ” Q“ sind aber metatheoretisch.(Q redet von den gödelisierten<br />

Sätzen) Daher sind Sätze mit ” Bew“ objektiv“, Sätze mit ” Q“ sind subjelktiv. Der<br />

Beweis ” spielt“ also quasi mit diesem Niveau unterschied. Im Gegensatz zu Tarski,<br />

<strong>der</strong> eine typentheoretische Trennung zwischen Objekt und Metasprache vornimmt<br />

ist in <strong>der</strong> Sprache des <strong>Gödels</strong>chen Beweises die Metasprache, durch Gödelisierung,<br />

in <strong>der</strong> Objektsprache ausdrückbar.<br />

(Hilberts Kantianismus: sucht die Bedingungen <strong>der</strong> Möglichkeit von Erkenntnis,<br />

wobei Möglichkeit in <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheit bedeutet)<br />

Die Zweite S/O Dichotomie hat mit ” Sicherheit“ (reliability) bzw. Robustheit zu<br />

tun: In diesem Rahmen deutet ” objektiv“ eine Art ” Gewährleistung“ an, d.h. dass<br />

ein Satz hinreichend begründet wird bzw. einfach begründbar ist. Subjektiv bedu-<br />

etet hier, dass bloß aufgrund <strong>der</strong> Meinung Einzelner behauptet wird.(Da gibt es<br />

natürlich viele Schattierungen). Hier geht es also um etwas Pragmatisches und nicht<br />

um etwas Logisches. In <strong>der</strong> Umgangssprache wird diese zweite Art <strong>der</strong> Subjektivität<br />

17


schön klar mit erkenntnistheoretischen Hilfswörtern wie ” wissen“, ” glauben“, ” zwei-<br />

feln“, ” sagen“, usw. bezeichnet.<br />

Hängen diese beiden Dichtomotien nun zusammen?<br />

Wenn etwas bezweifelt wird so geht man in die Metastufe und analysiert die Vor-<br />

rasusetzungen und Hintergründe <strong>der</strong> bezweifelten Behauptung. In <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong><br />

werden z.B. im Falle eines Zweifels an einem Satz beweistheoretische (und somit<br />

metamathematischen) Analysen angestellt. Jede Fehlerdiagnose und Fehlerkorrek-<br />

tur geschieht also auf Meta-niveau.<br />

3.2 <strong>Gödels</strong> Analogie:<br />

Gödel stellt eine (inzwischen berühmt gewordene) Analogie (in seinem Aufsatz über<br />

Russell) zwischen <strong>der</strong> sinnlichen Beobachtung in den Naturwissenschaften und ma-<br />

thematischer Intuition, beide als Begründung von Realität, auf. In den Naturwis-<br />

senschaften gibt es Methoden wie man aus <strong>der</strong> Beobachtung <strong>der</strong> Aussenwelt auf<br />

objektive (gewährleistete) Ergebnisse kommt. Laut Gödel ist es ind er <strong>Mathematik</strong><br />

analog: Sie haben Methoden um aus ihrer ” mathematischen Intuition“ auf objektive<br />

Ergebnisse zu kommen.<br />

Gödel möchte die Existenz von zwei Welten, die in beiden Fällen objektiv begründet<br />

werden kann.<br />

Welt 1 ist die Welt <strong>der</strong> Natur<br />

Welt 2 ist die Welt <strong>der</strong> Logik und <strong>Mathematik</strong><br />

Die Hierarchie <strong>der</strong> Naturwissenschaften:<br />

1. Physik (Elementarteilchen, Kernphysik, Thermodynamik)<br />

2. Chemie (Verbindungen von obigem)<br />

3. Physiologie/Biologie<br />

4. Psychologie<br />

5. Soziologie/Ökonomie<br />

Je höher man in dieser Hierarchie stiegt, desto komplexer werden die Materie-<br />

Verbindungen sein.<br />

In den normativen Wissenschaften gibt es eine ähnliche Hierarchie, die auf Intuition<br />

aufbaut:<br />

Die Hierarchie <strong>der</strong> normativen Wissenschaften:<br />

18


1. Logik/<strong>Mathematik</strong> [deduktive Reationalität]<br />

Gödel:<br />

(a) ultrafinit: <strong>Mathematik</strong> mit höchstens n Zahlen (Maximialzahl wird auch<br />

” Horizont“ genannt)<br />

(b) finit<br />

(c) konstruktiv (Einschränkung <strong>der</strong> Länge von Beweisen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Iteration<br />

von Quantoren)<br />

(d) Brouwer/Gentzen<br />

(e) klassische <strong>Mathematik</strong> (Analysis),<br />

(f) (transfinit))<br />

(Quine versucht zwischen Logik und <strong>Mathematik</strong> zu unterscheiden: Typen-<br />

theorie: beson<strong>der</strong>e Art von Mengenlehre - jede Menge gehört zu einer bestimm-<br />

ten Stufe. In <strong>der</strong> klassischen Auffassung gehören Begriffe zweiter Ordnung auch<br />

zur Logik.)<br />

2. Statistik und Messtheorie [induktive Rationalität] nicht monotones Schliessen<br />

und empirische Beobachtung kommen hinzu<br />

3. Entscheidungstheorie [individuelle Rationalität - ” homo oeconomicus“] neu<br />

hier sind: Werte und Handlung<br />

4. Spieltheorie[Gruppenrationalität]<br />

5. Ethik[Gruppenrationalität mit Einschränkungen bezgl. Fairness und Gerech-<br />

tigeit]<br />

6. (eventuell:Ästhetik)<br />

In <strong>Gödels</strong> Sichtweise wird in <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> gewissermaßen ” das Subjektive objek-<br />

tiv“.<br />

3.3 <strong>Gödels</strong> Definition des Platonismus<br />

9.Vorlesung 10.05. 1 Gödel hat in seiner Gibbs Lecture vor <strong>der</strong> American Mathema-<br />

tical Association den Platonismus definiert und verteidigt. Er versuchte dabei zu zei-<br />

gen, dass die mathematische Wirklichkeit genauso gut ist, wie die äußere empirische<br />

Wirklichkeit. Während er in früheren Definitionsversuche Abstraktheit verwendete<br />

ist in <strong>der</strong> Gibbs Lectur davon nicht mehr die Rede. Gödel argumentiert gegen den<br />

Psychologismus. <strong>Mathematik</strong> seine empirische Art des Denkens. Eine seiner Thesen<br />

1 Übernommen von: Mitschrift von Sebastian Redl: https://sites.google.com/site/sebastian7redl/philosophie/goedel-<br />

mathematik<br />

19


ist, dass mathematischen Wissen existiert un eine nichtsinnliche Wirklichkeit be-<br />

schriebt. Es gibt eine ganze Welt von mathematischen Wahrheiten, die unabhängig<br />

von <strong>der</strong> empirischen Welt ist. Beide Welten sind von Gott geschaffen und von uns<br />

unabhängig. Er schreibt:<br />

I am un<strong>der</strong> the impression that after sufficient clarification of the<br />

concepts in question (...) the Platonisitic view is the only one tenable.<br />

Thereby I mean the view that mathematics describes a non-sensual rea-<br />

lity, which exists independently both of the acts and [of] the dispositions<br />

of the human mind and is only percieved, and probably percieved very<br />

incompletely, by the human mind. This view is rather unpopular among<br />

mathematicians; there exist, however, some great mathematicians who<br />

have adhered to it. 2<br />

Zusammengefasst vertritt Gödel hier folgende Ansichten:<br />

1. Die Ansicht, dass die <strong>Mathematik</strong> eine nichtsinnliche Wirklichkeit beschreibt<br />

- Gödel vertritt eine Dualismusthese<br />

2. Eine Welt, die unabhängig von den Handlungen als auch von den Zuständen<br />

des menschlichen Geistes existiert - Er glaubt an die Objektivität unabhängig<br />

des menschlichen Geistes.<br />

3. Eine Welt, die wahrgenommen wird, wahrscheinlich unvollständig, nur von<br />

dem menschlichen Geist - Der Menschliche Geist kann diese Dinge sehen, aber<br />

nur unvollständig.<br />

3.4 <strong>Gödels</strong> Begriff <strong>der</strong> Intuition - 6. Sinn<br />

<strong>Gödels</strong> Versuch mathematische Erkenntnis unabhängig von naturwissenschaftlicher<br />

Erkenntnis, über eben diesen Begriff <strong>der</strong> Intuition (des 6. Sinns), zu etablieren hat<br />

überraschende Ähnlichkeit mit Humes Gesetz (Die strikte Trennung zwischen Sein<br />

und Sollen, bzw. empirischen Sätzen und ethischen Sätzen). Auch <strong>Gödels</strong> Intui-<br />

tion ist nicht sinnlich und somit unabhängig von <strong>der</strong> empirischen Wahrnehmung<br />

(Beobachtung). Die Explikation von Intuition könnte somit auch als ein Werturteil<br />

verstanden werden.<br />

Analyse: Dualismus und Objektivität folgen aus Intuition. Warum?<br />

1. Da Intuition nichtsinnlich sei, ist sie unabhängig von <strong>der</strong> empirischen Wahr-<br />

nehmung.<br />

2 Gödel, Kurt: ” Some basic theorems on the foundations of mathematics and their implication“.<br />

In: Feferman, Solomon (Hrsg.): Kurt Gödel: Collected Works, VOL.III. Oxford University Press,<br />

New York 1995; S.322-323<br />

20


2. Angenommen, die Intuition nimmt etwas wahr, dann ist sie erfolgreich und<br />

reagiert auf einen externen Reiz.<br />

Bei <strong>der</strong> <strong>platonistische</strong>n Intuition kann natürlich kein Reiz als kausale Ursachen fest<br />

gemacht werden, <strong>der</strong> diese Intuition erst provoziert o<strong>der</strong> bewirkt. Die kausale Theo-<br />

rie <strong>der</strong> Wahrnehmung verschafft daher dem Platonismus ein großes Problem, das<br />

Gödel selbst nicht gelöst hat. Bei den Griechen wird die Vernunft (nus - Intuition)<br />

kausal. Das Problem ist, dass keine Kausalketten zwischen Platons Himmel und un-<br />

seren Organen bestehen können.<br />

Wie kann Gödel gerettet werden? Indem die Analogie zu Hume soweit ausgear-<br />

beitet wird, dass mathematische Intuition im Endeffekt als Werturteil verstanden<br />

werden kann. Gödel tritt mit seiner Ablehnung <strong>der</strong> Folgerung einer mathematischen<br />

Erkenntnis aus einem Seinsatz in Humes Fußstapfen. Das hat Gödel nie realisiert,<br />

au0er in einem Gespräch über Hegel: ” The seperation of force (or wish) and fact<br />

as the meaning of the world. The meaning of the world is the separation of wish<br />

and fact.“ (von Hao Wangs Zitat von <strong>Gödels</strong> Diskussionen, Nov. 1975) Ein erfüllter<br />

Wunsch ist genau diese Vereinigung von Wunsch und Faktum. Hier fehlt nur noch<br />

<strong>der</strong> Parameter <strong>der</strong> Handlung um eine Entscheidungsregel zu bekommen. Die drei<br />

Parameter <strong>der</strong> Entscheidungstheorie sind nämlich: p (Wahrscheinlichkeit als Glau-<br />

benspart), u (Nutzenfunktion - Präferenzen und Wünsche), a (Handlungen). Diese<br />

drei Parameter kommen in <strong>der</strong> Wirklichkeit vor, <strong>der</strong> Psychologie misst sie und in<br />

<strong>der</strong> Entscheidungstheorie können sie mathematisch behandelt werden.<br />

Gödel hat die Trennung von Wunsch und Tatsache sehr stark hervorgehoben, aller-<br />

dings nie in Bezug auf die <strong>Mathematik</strong>. Dabei ist die <strong>Mathematik</strong> auch eine soziale<br />

Institution. Die mathematische Normen sind ein Kommunikationsmittel zwischen<br />

den Teilnehmern. Sie existieren unabhängig vom Einzelnen. Dies ähnelt Carnaps<br />

Konventionalismus. Die Frage ” Ist diese Neuerung eine Entdeckung o<strong>der</strong> eine Erfin-<br />

dung?“ spielt auch bei platonischen Diskursen eine Rolle.<br />

Gödel war ein Antispychiologist. Dies ist aber kein Beweis, dass die <strong>Mathematik</strong><br />

in seiner Ansicht nicht doch subjektiv sein kann. <strong>Gödels</strong> Antispychiologismus ist<br />

nämlich in erster Linie ein Kampf gegen den Empirismus, er vergisst dabei aber,<br />

dass auch das psychologische durchaus normativ sein kann. Bloß weil wir die Ma-<br />

thematik für objektiv halten heißt nicht dass wir sie nicht psychologisch deuten<br />

könnten. ’<strong>Gödels</strong> Antipsychologismus’ ist und kann nur gegen empirische Psycholo-<br />

gie gerichtet sein, nicht aber gegen normative Psychologie. (Empirische Psychologie<br />

gewinnt ihre Erkenntnisse mit Hilfe empirischer, d.h. auf überprüfter Erfahrung be-<br />

ruhen<strong>der</strong> Verfahren.) Z.b. gehört <strong>Gödels</strong> Idee einer idealen Intuition offensichtlich<br />

zur normativen Psychologie. Aber was soll diese ideale Intuition: eigentlich soll das<br />

21


ja eine menschliche Fähigkeit sein die mathematische Welt einzusehen. Die ” ideale“<br />

Intuition würde dann auf einen unendlichen Geist gehen.<br />

Das Hauptproblem bleibt also die Objektivität <strong>der</strong> Intuition zu begründen. Die<br />

empirische Wahrnehmung hat heute ein hohes Prestige. Die Physiker wissen wie man<br />

Messungen durchführt. Bevor die Naturwissenschaften wichtig geworden sind war<br />

dem nicht so. Berkeley hat gegen die wirkliche Außenwelt argumentiert. Kant: Gott<br />

will die Menschen nicht betrügen. Die sinnliche Wahrnehmung hat damals schlecht<br />

abgeschnitten verglichen mit <strong>der</strong> reinen Vernunft. <strong>Gödels</strong> Parteinahme für das reine<br />

Denken war sehr unzeitgemäß.<br />

Wie kann nun aber die Objektivität <strong>der</strong> Intuition begründet werden? Zunächst<br />

einmal kann man Verweisen auf die Erfahrung <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong>er über ihr eigenes<br />

Denken und an ihren Glauben an die Axiome <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong>. Z.b. ist <strong>der</strong> Glau-<br />

be daran, dass es unendlich viele Primzahlen gibt sehr sehr stark. Unsere Intuition<br />

ist allerdings fehlerbehaftet. Dies zeigt sich nach Gödel in den mengentheoretischen<br />

Antinomien. Diese Fehler können allerdings repariert werden, da unsere Intuition<br />

verfeinert werden kann.<br />

Auch Husserls Phänomenologie (und Gödel hat Husserl geschätzt) baut wesentlich<br />

auf Intuition auf. Aber Husserl will unbedingt die Phänomenologie theoriefrei halten.<br />

(Vorrausetzungsfrei halten). Dinge sollen möglichst direkt angeschaut werden, ohne<br />

Vorurteile und Vorraussetzung. Wenn man aber die Intuition völlig von Vorrausset-<br />

zungen freihält, dann hat man einen fürchterlichen Primitivmus denn dann lässt sich<br />

nicht verbessern. Jede Verfeinerung berücksichtigt nämlich irgend eine theoretische<br />

Auflage. (Deswegen hat die Phänomenologie nie etwas erreicht.)<br />

3.5 <strong>Gödels</strong> Platonismus und <strong>der</strong> Intuitiunismus:<br />

10. Vorlesung 17.05. Gödel (zu Wang): ” The meaning of the world is the separati-<br />

on of wish and fact“. Gödel hat diese Bemerkung nicht im direkten Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> PHilosophie <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> gebracht (lei<strong>der</strong>). Es geht dabei jedenfalls<br />

um individuelle Rationalität (also Entscheidungstehorie) - Trennung des ” sechsten<br />

Sinns“ von <strong>der</strong> Wahrnehmung. Gödel möchte ein psychologistisches Modell des Den-<br />

kens. Gödel begründet das mathematisches Wissen so wie Hume das moralische:<br />

Aus <strong>der</strong> empirischen Beschreibung eines Mathemtaikers und seiner Arbeit geht noch<br />

nicht hervor was mathematisches Wissen ist. Wir können die Beweise und Sätze und<br />

Handlungen ganz genau beschreiben aber uns fehlt die zusätzliche Information das<br />

sich <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong>er an die Beweisregeln hält (Gödel sagt das ncith, deshalb hat<br />

Gödel den Aufsatz nie abgegeben).<br />

22


Gödel verpasst die Gelegenheit, das mathematische Wissen als ” Korrekt“ zu kenn-<br />

zeichnen, d.h. wenn die Rädchen des mathematischen Beweisens noch so genau empi-<br />

risch beschrieben werden, fehlt <strong>der</strong> Zusatz, dass Beweisregeln richtig befolgt werden.<br />

Warum hat Gödel <strong>Mathematik</strong> als faktisch gesehen? Vielleicht kommt das aus <strong>der</strong><br />

platonischen Tradition, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Einblick in Platons Himmel (6. Sinn) Tatsachen<br />

in dieser an<strong>der</strong>en Welt beschreibt. (in Anlogie zu den an<strong>der</strong>en Wahrnehmungssin-<br />

nen). Warum wird die Normativität <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> (das dieser Einblick nur in<br />

eine wunschwelt ist), unterschlagen? Vielleicht weil <strong>Mathematik</strong> so eng mit <strong>der</strong> Be-<br />

schreibung, bzw. ” Konstituierung“ <strong>der</strong> empirischen Wirklichkeit zu tun hat. (Kant<br />

denkt <strong>Mathematik</strong> als ” konstitutiv“ für die Wirklichkeit – eingebettet in die Wirk-<br />

lichkeit.) Bsp: Galileos Fallgesetz, Newtons Gravitationstheorie. – Um die wirkliche<br />

Welt zu verstehen (z.b. Dynamik <strong>der</strong> Himmelskörper) muss man ein Gravitations-<br />

feld hinzudenken, dieses Gravitationsfeld ist ein mathematisches Objekt nämlich ein<br />

Vektorfeld. Dieses mathematische Objekt ist konstitutiv für die gesamte Theorie <strong>der</strong><br />

dynamik von Himmelskörpern. Ohne sie kann man die Wirklichkeit, zumindest nicht<br />

in <strong>der</strong> Art, beschreiben.<br />

Wiedner / Frege: <strong>Mathematik</strong> und Logik teilen die Eigenschaft, dass sie für alle<br />

Gegenstände gelten.<br />

Gödel und <strong>der</strong> ” 6. Sinn“<br />

Gödel verwendet die Phrase ” 6. Sinn“ auch weil er okkultistische/mystische Interes-<br />

sen hatte. ” The syntactical conventions make only those sentences true that can be<br />

grasped by the additional sense“ ” The second reality is comleptly seperated from the<br />

first one, but might help us to un<strong>der</strong>stand it because in certain aspects it is similar or<br />

isomorphic. This explains aplliocation of mathematics in physics.“ (Carnap-Aufsatz)<br />

” Someone with sixth sense, can put that experience into syntactical rules, which can<br />

make it be proven tautological.“ Die Grundlage des sechsten Sinns ist <strong>der</strong> Einblick<br />

in Vernunft.<br />

Köhler: 6.Sinn ist dasselbe wie ein Werturteil. Wenn <strong>der</strong> 6. Sinn (Vernunft bzw.<br />

rationale Intuition) als Werturteil expliziert wird, gewährt das seine unabhängigkeit<br />

von <strong>der</strong> sinnlichen Beobachtung. Dazu: Blick in die Wertlehre. Die genaueste Be-<br />

handlung er Wertlehre findet man im Modell <strong>der</strong> ” individuellen Rationalität“ das<br />

von Ökonomen den Kaufentscheidungen von Maktteilnehmern zugrundegelegt wird.<br />

Eine <strong>der</strong> wichtigsten Entscheidungsregeln behandelt drei Parameter für den Akteur<br />

wichtig sind: p, u, a (probability, utility, acts). Demnach soll ein Akteur diejenige<br />

Handlung a*, die den erwarteten Gewinn maximiert. Eu(A*) soll maximiert werden,<br />

d.h. � r<br />

l=1 [p(cl/ak)xul]<br />

p(cl/ak) ... bedingte Wahrscheinlichkeit einer Folge cl, gegeben eine Handlung ak<br />

wurde ausgeführt. ul ist <strong>der</strong> Wert von Folge l.<br />

23


Das p stellt unser faktisches Wissen darm das u stellt unsere Werte dar. Sind<br />

diese Parameter voneinan<strong>der</strong> unabhängig?<br />

Die Entscheidungstheorie kann ohne die Unabhängigkeit <strong>der</strong> beiden Parameter nicht<br />

funktionieren, bzw. nicht angewandt werden. We<strong>der</strong> deskritpiv (empirisch, faktisch)<br />

noch preskriptiv (ideal,normativ). Aber Hillary Putnam wagt ihre Unabhängigkeit<br />

in Frage zu stellen. Putnam glaubt das, weil Wertbegriffe häufig nicht von Tatsachen-<br />

feststellungen unterschiedlich sind in umgangsprachlichen Texten. In den verschie-<br />

denen Normgebieten reden Fachleute häufig so, dass Normen als Tatsachen gehan-<br />

delt werden. als diejenigen Normen anerkannt, die von den meisten/allen gerade als<br />

gültig anerkannt werden. Man kann aber sehr wohl in jedem Fall in jedem Einzelfall<br />

tatsächlich feststellen ob je<strong>der</strong> Sprecher richtig entscheiden kann ob er einen Begriff<br />

normativo<strong>der</strong> faktisch verwenden. (Im Einzelfall wird die Unabhängigkeit gewahrt).<br />

Dazu ist ein Gedankenexperiment gut: Man stelle sich einen Konsulenten vor. vor,<br />

<strong>der</strong> eine Aussage über künftige Ereignisse macht, wo die Assage Begriffe enthält die<br />

entwe<strong>der</strong> normativ o<strong>der</strong> faktisch verstanden werden können. Der Konsulent weiß<br />

sehr wohl, ob er einen Ratschlag erteilt, o<strong>der</strong> eine Zukunftsprognose macht. Der Ad-<br />

dresat des Ratschlags hat natürlich ein Problem, aber ein guter Konsulat sollte ihm<br />

auch klarmachen können, dass er jetzt eine faktische Aussage macht o<strong>der</strong>, dass er<br />

einen Ratschlag erteilt. Köhler: davon ausgehen, dass ein linguist prinzipiell klären<br />

kann ob faktische Begriffe o<strong>der</strong> Wertbegriffe vorliegen. Sprache sollte so gestaltet<br />

sein, dass klar ist ob ein Satz normatic o<strong>der</strong> faktisch gemeint ist. (kritische Litera-<br />

tur über Umgangssprachephilosophie: Hao Wang: ” A critique of analytic philosophy<br />

- donig justice to what we know. Mundte: a critique of ordinary language philosophy<br />

Aus <strong>der</strong> Unabhängigkeit von Fakt und Werturteilen folgt für den Platonismus,<br />

dass die ” Idealität“ des platonischen Himmels nichts an<strong>der</strong>es als seine Korrekt-<br />

heit/Gültigkeit ist. Der Platonische Himmel beschreibt eine vollkommene Welt. Wir<br />

können das Modell <strong>der</strong> Entscheidungstheorie anwenden um zwischen <strong>der</strong> Tatsachen-<br />

welt und <strong>der</strong> idealen Welt zu unterscheiden, wie folgt: Die Tatsachenwelt ist die<br />

Menge von Sätzen die wahr sind (Wittgenstein: alles was <strong>der</strong> Fall ist). Die ideale<br />

Welt hingegen ist die Menge von Sätzen die optimal sind.(Leibniz). Leitgeb hat Lo-<br />

cke´s Prinzip <strong>der</strong> ” hohen Wahrscheinlichkeit“ angesprochen.<br />

Hauptresultat: Mathematische Intuition wird von Köhler als Gültigkeitsfeststellung<br />

expliziert. Dies basiert auf Rudolf Carnap, <strong>der</strong> kurz vor seinem Tod seine Ansicht in<br />

Richtung <strong>der</strong> mathematischen Intuition verän<strong>der</strong>t hat. In einem Vortrag von 1956<br />

(veröff. 1986), tritt Carnap für die Intution eines Statistikers, <strong>der</strong> induktive und auch<br />

deduktive Schlüsse macht, ein. In <strong>der</strong> Diskussion expliziert er Intuition als ” the dis-<br />

crimination between valid and invalid“.<br />

Übrigbleibendes Problem des Platonismus: Kann <strong>der</strong> 6. Sinn wirklich etwas objektiv<br />

wahrnehmen (meistens Intuition als subjektives/schwammiges Verstanden).<br />

24


11. Vorlesung 24.05. <strong>Gödels</strong> Platonismus 2 Attribute des Platonismus: Plura-<br />

lismus und Objektivität. Heute gehen wir den Knackpunkt an: Wie Objektiv ist<br />

die Intuition in <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> wie sie vom Platonsimus behauptet wird. <strong>Gödels</strong><br />

Analogie Argumentation: So wie für die wirkliche (natürliche) Welt unsere Sinnes-<br />

daten den inuktiven Schluss auf die Existenz <strong>der</strong> Aussenwelt erlauben, erlaubt uns<br />

die mathematische Intuition einen (induktiven) Schluss auf die Existenz und Rea-<br />

lität <strong>der</strong> ” platonischen Welt“. Einen Seitenblick zur Obejktivität gewinnt man durch<br />

Überlegungen, wieweit die platonische Welt (o<strong>der</strong>: <strong>der</strong> platonische Himmel) erfunden<br />

werden kann (create). Diese Ansicht <strong>der</strong> Konventionalisten (Das die <strong>Mathematik</strong> aus<br />

Erfindungen besteht) untergräbt natürlich die <strong>platonistische</strong> Position. Gödel führte<br />

deshalb Gegenargumente gegen die Erfindbarkeit des platonischen Himmels: Gerade<br />

die Fehlerbehaftetheit <strong>der</strong> Intuition zeigt, nach Gödel, dass die Intuition objektiv<br />

ist. Denn wenn die mathematische Intution Fehler machen kann, dann zeigt dies,<br />

dass die Intution von etwas außerhalb des Geistes korrigiert und bewertet werden<br />

kann. D.h. die Intution ist nicht rein subjektiv son<strong>der</strong>n objektiv.<br />

Hao Wang (Köhler gödels plat. S.50, fn. 79:<br />

Der eigentliche Grund für <strong>Gödels</strong> objektivismus ist ein basic fact: Gödel glaubt<br />

fest daran, dass die Goldbachsche Vermutung einen Sinn hat und, dass sie wahr<br />

o<strong>der</strong> falsch sein muss. Das erinnert an den Empirismus: Wenn wir denn Sinn eines<br />

Satzes verstehen, dann wissen wir wie er verifiziber ist. Für Gödel muss es objektive<br />

Tatsachen über Zahlen geben, die sich aber an<strong>der</strong>s als Tatsachen über empirische<br />

Gegenstände verhalten (sind unverän<strong>der</strong>lich, zeitlos usw.). Gödel erweitert diese<br />

Aussage auch auf die Mengenlehre: Die bloße psychologische Tatsache einer Intuiti-<br />

on die die Axiome akzeptieren lassen beweist, dass die Kontinuumshypothese einen<br />

Sinn hat.<br />

<strong>Gödels</strong> (handfestes Argument) für Objektivität in seinem Carnap Aufsatz (ca.1953)<br />

weißt auf die notwendige Rolle <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> in naturwissescnaftlichen Erklärungen<br />

und Vorraussagen hin. Wenn die Erklärungen o<strong>der</strong> Vorraussagen etwa fehlgehen<br />

” hängt“ die <strong>Mathematik</strong> mit den empirischen Bewegungsgesetzen mit. Aber: wir<br />

müssen die Objektivität <strong>der</strong> Intuition direkt Beweisen.<br />

Robinson: Mathematische Gegenstände anzunehmen ist einfach nützlich.<br />

Gödel: Das ist Verstellung und Verstellung kann nie denselben Grad wie Einbil-<br />

dungskraft erreichen.<br />

Russell: Nur <strong>der</strong> robuste Glaube an die Existenz von mathematischenb Gegenständen<br />

macht Sinn.<br />

Einen Zugang zur Objektivität <strong>der</strong> Sinneswahrnehmung findet man in <strong>der</strong> Psy-<br />

chophysik. Die sinnliche Wahrnehmung hat verschiedene Schwellwerte: obere und<br />

25


untere und auch sog. differentielle Wahrnehmbarkeitsschwellen. (just notable dif-<br />

fernces - jnd´s). Man möchte die jnd für Hörstärke I bestimmen ∆I<br />

�<br />

= K ,welches<br />

I<br />

�<br />

zum Weber-Fechner-Gesetz führt: p = k �n S<br />

S0<br />

Wobei p das wahrgenommene Signal, S die physische Signalstärke, S0 die Stärke des<br />

Signals an <strong>der</strong> unteren Schwelle.<br />

Gibt das Weber-Fechner-Gesetz einen ” absoluten Vergleichsmaßstab“. Eigentlich<br />

nein, denn es lässt sich nur ein Sinnesorgan mit an<strong>der</strong>en (natürlichen o<strong>der</strong> künstlichen)<br />

Organen vergleichen. Der eigentliche Unterschied zwischen Intuition und Sinnes-<br />

wahrnehmung scheint darin zu liegen, dass die Intuition digital ist wobei die Sinnes-<br />

wahrnehmung analog ist. Intutition vetrifft deklaratives Wissen, welches auf ” digi-<br />

talen“ Begriffen (und Sätzen) baut. Da passen keine ” jnd-Analysen“ Mathematische<br />

Sätze, Regeln und Begriffe sind digital, indem Sinne, dass sie entewe<strong>der</strong> ganz da o<strong>der</strong><br />

nicht da sind. (Das sind die ” Reize“ für Intuition, <strong>der</strong> Input). Aber Intuition hat<br />

auch einen ” Output“ nämlich: Glaubensgrade bzw. Geltungs- und Evaluierungsgra-<br />

de. Diese Outputs sind schon analog, denn sie sind vergleichbar mit Wahrscheinlich-<br />

keitsgraden und meßbar durch Nutzen-funktionen. Diese Wertungen können obere<br />

und untere Schwellen sowie jnds haben wie die Sinneswahrnehmung.<br />

Die Intuition ist laut Köhler eine Wertverteilung, die in Präferenzordnungen organi-<br />

siert werden kann. Solche Präferenzordnungen können aber einfach in Nutzenfunk-<br />

tionen umgewandelt werden, wie John von Neumann im Anhang zu ” Game Theory“<br />

(1947) zeigt.<br />

In <strong>der</strong> täglichen Arbeit in <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> geht es aber recht informell zu, denn<br />

selten werden (insb.) Beweisregeln explizit gemacht. (KI: deklariert). Bis alles ex-<br />

plizit gmeacht wird, kann nur schwer die Intuition darüber studieren. Ausnahme:<br />

Douglas Lenat hat ein K.I.-Programm [automated mathematician] konstruiert. AM<br />

hat eine schwache Mengenlehre, einige Schlussregeln, plus hun<strong>der</strong>te Heuristiken um<br />

die Schlussregeln geschickt zu hantieren. Hier war eine gewisse Spielart <strong>der</strong> mathem.<br />

Intuition volständig explizit gemacht.<br />

Was sind nun passable Kriterien <strong>der</strong> Objektivität für Intuition? Intuition kann man<br />

zunächst auf den Einzelforscher beschränken. Dann muss Intuition zumindest robust<br />

sein (d.h., dass die Intuition auch unter verän<strong>der</strong>nden Umständen konstant bleibt,<br />

nicht ” wankelmütig“ ist). Wenn Intuition verfeinert wird, dann ist sie ” progressiv“.<br />

(verfeinerte Int kann alles was vorhergehende auch konnte aber etwas mehr.) Intuiti-<br />

on ist aber auch intersubjektiv vergleichbar: die Intuitionen verschiedener Forscher<br />

müssen übereinstimmen (soweit das bei individuellen Unterschieden möglich ist).<br />

Wie wird Intuition verfeinert? Durch Entdeckung von Überlappungen und Quer-<br />

verbindungen. Das berühmteste Beispiel überhaupt war Descartes systematische<br />

Anwendung seiner ” analytischen Methode“, die alte konstruktive Geometrie wurde<br />

stark erweitert, durch Umwandlung von geometrischen in algebraische Sätze.<br />

26


12.Vorlesung 31.05.2011 Verflogung und Ausführung von <strong>Gödels</strong> Analogiever-<br />

gleich von Intuition und Sinneswahrnehmung: Zu Platons Zeit hatte die Sinneswahr-<br />

nehmung beinahe kein Prestige im Gegensatz zur Intuition. Durch den Aufstieg <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Naturwissenschaft hat sich dieses Verhältnis geän<strong>der</strong>t: Die Sinneswahr-<br />

nehmung hat heute das Prestige, da sie durch die Zuhilfenahme von künstlichen<br />

Apparaten verfeinert wurde, die Intuition gilt heute als ungenau und rein subjektiv.<br />

• Jedoch: Die Objektivität <strong>der</strong> Sinneswahrnehmung wird nur relativ gewährleistet,<br />

durch Leistungsvergelich zwischen menschlichen Organen+Bewusstsein mit<br />

an<strong>der</strong>en Organen, nämlich:<br />

mit Messapparaten (Psychophysik)<br />

mit Organen an<strong>der</strong>er Menschen, an<strong>der</strong>er Tiere, auch auf mögliche Tierarten<br />

in dieser o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Universen und an<strong>der</strong>en Naturgesetzen. (also an<strong>der</strong>e<br />

Sinnesapparate).<br />

• Wichtig in <strong>der</strong> Sinneswahrnehmung ist, dass es wichtige Korrelationen zwi-<br />

schen Sinnen gibt. Beson<strong>der</strong>s zwischen Sehen, Hören und Tasten.<br />

• Aber: es gibt keine Korrelation zwischen Sinneswahrnehmung und Intuition.<br />

Theoretisch gilt das, weil die Nutzenfunktion u von <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeits-<br />

funktion p unabhängig ist. (die Werturteile die von u ausgedrückt werden<br />

sind unabhängig von den Tatsachenurteilen ausgedrückt durch p). Experten<br />

können außerdem (subjektiv) diese unterscheiden. (Der Sprecher weiß immer<br />

ob er ein Werturteil o<strong>der</strong> eine Tatsachenfeststellung ausspricht). Dies ist also<br />

eine Bestätigung von Humes Gesetz. Gödel möchte genau dies zeigen, dass<br />

mathematisches Wissen unabhängig ist von Tatsachenwissen.<br />

• Es gibt Wahrnehmungsnormen: Wir sagen, dass Menschen Farben richtig wahr-<br />

nehmen, wenn sie z.B. zwischen Grün und Ort unterscheiden können. Diese<br />

Normen muss man feststellen.<br />

• Um die Objektivität <strong>der</strong> menschlichen Intuition zu gewährleisten, müssen wir<br />

eine Intuition mit <strong>der</strong> Intuition eines ” geeichten“ Experten vergleichen. Auch<br />

für die Intuition gibt es Normen und Standarde. Ein geeichter <strong>Mathematik</strong>er,<br />

weiß wie ein Beweis läuft, e.t.c.. Wie kann man die Intuitionen eines geübten<br />

<strong>Mathematik</strong>ers feststellen? Indem man alle Heuristiken aufschreibt, die man<br />

von den empirischen Untersuchungen des Beweisverhaltens des <strong>Mathematik</strong>ers<br />

anstellt. Der Experte hat also eine ” Liste“ von Heuristiken bzw. eine Nutzen-<br />

funktion, welche eine Wahrnehmbarkeitsnorm darstellt.<br />

• Werden diese Normen auch wirklich eingehalten (ansonsten ja nicht wirk-<br />

lich objektiv)? Wenn wir die Nutzenmessung betrachten, finden wir folgen-<br />

des Bild: theoretisch ja (die Normen können eingehalten werden), in <strong>der</strong> Pra-<br />

xis bestenfalls manchmal, je nachdem um welche Norm es sich handelt. Man<br />

27


kann aber auch die annähernde Einhaltung von Normen untersuchen: Eine<br />

Wahrnehmung ist objektiv wenn die Urteile verschiedener Beobachter sich<br />

möglichst annähren. Genauso kann bei Intuition vorgegangen werden. Das<br />

Annäherungsverhalten ist beson<strong>der</strong>s wichtig bei Verfeinerungen: Da sie ” fort-<br />

schrittlich“ sind, erwarten wir schon deshalb ein Annäherungsverhalten.<br />

Einschub: Poppers 3 Welten sollten 4 Sein: subjektiv normativ: Logik/Math;<br />

subjektiv faktisch: emp. Psychologie; objektiv faktisch: emp. Naturwissensch.; ob-<br />

jektiv normativ: Technik; Popper verneinte das Vermögen <strong>der</strong> Intuition irgendetwas<br />

zu rechtfertigen: Das war die Standardmeinung des Wiener Kreises und auch von<br />

Quine, und den meisten analytischen Philosophen - auch Hempel. Die Ablehnung<br />

<strong>der</strong> Intuition ist Hauptverantwortlich für Naturalismus.<br />

Köhler: Wenn man Konventionalismus richtig deutet, dann kein Problem Kon-<br />

ventionalismus und Platonismus zu vereinen. Konventionalist kann wie Platonist<br />

überzeugt sein, dass es z.B. einen Beweis für die Goldbachsche Vermutung gibt und<br />

Platonist kann auch überzeugt sein, dass es Revolutionen in <strong>der</strong> Wissenschaft gibt<br />

(sind dann Revolutionen in <strong>der</strong> Intuition).<br />

Feststellung <strong>der</strong> Objektivität von Intuitionen: Vergleich muss mit einem ” ge-<br />

normten“ <strong>Mathematik</strong>er passieren. Sind die Wahrnehmungsnormen auch selber ” rich-<br />

tig“? Empirisch betrachtet werden Normen vermutlich besser je länger sie verfeinert<br />

werden. Aber nach einiger Zeit kommt ein Equilibrium (wenn Verfeinerung kaum<br />

mehr möglich ist). In <strong>der</strong> Ethik gibt es Rawls ” reflective equilibrium“, <strong>der</strong> ethischen<br />

Intuition. Rawls denkt an eine ” Gruppenbewertung“ nach einer reifen Überlegung.<br />

Die Gruppe besteht aus verschiedenen Experten.<br />

Der Begriff ” reflective equilibrium“ kann in allen Normgebieten verwendet werden.<br />

Rawls Idee kommt von Nelson Goodmans Vorgehensweise für (unvollständige) In-<br />

duktion. Bei Goodmans ” Grue-Bleen“ Paradoxie gibt es allerdings wohl ein an<strong>der</strong>es<br />

Kriterium als bloß Equilibrium, nämlich das Fehlen von Bezugnahme auf Raum o<strong>der</strong><br />

Zeit in einem Prädikat.<br />

Equilibrium wird untersucht in <strong>der</strong> Spieltheorie, Kontrolltheorie, nichtlineare Sys-<br />

temtheorie (nichtlineare Differntialgleichungen - Chaostheorie). Wenn man ein Equi-<br />

librium erreicht, dann hat man einen gewissen Grad an Obejktivität erreicht<br />

13.Vorlesung 7.06 Objektivität des mathematischen Wissens<br />

Aus was besteht mathematische Wissen?<br />

• Vorrat von Begriffen, Theoreme und Regeln<br />

• Fertigkeiten bei <strong>der</strong> Entdeckung von ” interessanten“ Vermutungen<br />

• Fertigkeiten bei <strong>der</strong> Entdeckung von Beweisen (Vorrausetzung: geschicktes ver-<br />

meiden von Fehlern), eine Batterie von Heuristiken (z.B. D.Lenat -automated<br />

28


mathematician) hilft Fehler zu vermeiden.<br />

Hilbert (instrumentalist/Formalist) und Carnap (Konventionalist) behaupten, dass<br />

es kein mathematisches ” Wissen“ gibt. <strong>Mathematik</strong> ist nach Hilbert ein rein forma-<br />

les Schließen aus (zunächst) inhaltsleeren Axiomen. Allerdings muss es auch für Hil-<br />

bert und Carnap logisch-mathematisches Wissen doch geben, denn um Hilbertsche<br />

Axiomatik o<strong>der</strong> Carnapsche Syntax analysieren zu können, benötigen sie inhaltliche<br />

Metamathematik (Hilbert) bzw. inhaltliche Mengenlehre (Carnap): Beweise führen,<br />

arithmetische Rechnungen müssen alle gültig sein. Hilbert geht bei seiner Sichtweise<br />

auf die <strong>Mathematik</strong> viel zu stark von seiner Axiomatisierung <strong>der</strong> Geometrie aus.<br />

Geometrie ist aber schon angewandte <strong>Mathematik</strong>. Hilbert dachte er benötigt nur<br />

inhaltliche <strong>Mathematik</strong> um Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheitsbeweise zu führen, aber er muss<br />

dennoch Mengenlehre betreiben.<br />

(Einschub: Konvention nicht rein formal leer, drückt eine positive Grundhaltung<br />

zur Arbeit mit gewissen Regeln und Axiomen aus. Als solches ist Konvention das-<br />

selbe wie Inuition. Konventionen verstecken Intuitionen, sind also nicht so inhaltleer<br />

und formalistische wie Carnap dachte.)<br />

Gibt es wissenschaftlichen Fortschritt in <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong>?<br />

Ja, wenn man Beweise von neuen Theoremen als Fortschnitt rechnet, das ist aber<br />

in gewissem Sinn trivial. Einen ” tieferen“ Fortschritt kann es geben durch Entwick-<br />

lung von neuen Beweismethoden, Schlussregeln, aber auch durch ” Verfeinerung <strong>der</strong><br />

Intuition“. Kann man den Fortschritt messen? Ja, zumindest grob. Expertengrup-<br />

pen können die wichtigsten Probleme je nach Bedeutungsgrad einordnen. Damit<br />

kann <strong>der</strong> Ertrag von Problemlösungen gemessen werden. Dabei müssen 2 Parameter<br />

berücksichtigt werden: Erstens Bedetungsgrad/Inhalt/Erklärungstärke (wieviele an-<br />

<strong>der</strong>e Ergebnisse kann das Theorem erklären usw.), Zweitens Glaubwürdigkeit/Bestätigungsgrad<br />

Beide Parameter müssen erfüllt sein (Carnap-Popper Debatte/Imre Lakatos). Gödel<br />

hat auch indirekte Bestätigung befürwortet: die Intuition für ein Axiom kann verstärkt<br />

werden, durch Rückschlüsse aus Anwendungserfolgen (Ein Beispiel dafür wäre die<br />

Anwendung von alegebraischen Methoden in <strong>der</strong> Geometrie bei Descartes, durch die<br />

dadurch mögliche Übersetzung von geometrischen Problemen in arithmetische half<br />

einige Probleme lösbar).<br />

Wie viel Fortschritt bzw. Konsensfindung gibt es in den normativen Wissenschaften?<br />

Schon erheblich viel!- obwohl es natürlich immer viel Streit gibt. Es gibt Kernberei-<br />

che wo Konsens gefunden wurde, aber an den Rän<strong>der</strong>n (beson<strong>der</strong>s in den Grundla-<br />

gen) gibt es unentwegt Streit.<br />

Bsp.: Ökonometrie, Eine wichtige Kennzahl ist das BIP(GDP), dies wird häufig von<br />

Politikern als Wohlfahrtsmaß missbraucht, Ökonometriker wissen davon und versu-<br />

chen ein besseres Maß zu finden (z.B.: Armatya Sen). Konsens gibt es aber weitge-<br />

29


hend beim Vertragsrecht, Rechnungslegung, Geschöftsordnungen sind sehr ähnlich<br />

Der Platonismus for<strong>der</strong>t prinzipiell, dass letzten Endes überall Konsens gefunden<br />

werden muss, vorrausgesetzt die beteiligten Menschen o<strong>der</strong> sonstige rationale Men-<br />

schen sind wirklich vernünftig.<br />

3.6 Intuitionen/Kausalität<br />

Der klassische Platonismus war vor allem mit folgendem Problem behaftet: Dem<br />

Fehlen einer Kausalverbindung zwischen Mensch und Himmel. Die mathematischen<br />

Gegenstände sollten/müssen mit <strong>der</strong> menschlichen Intuition kausal verbunden sein.<br />

Hier kann <strong>der</strong> Einwand formuliert werden: Wenn die mathematischen Gegenstände<br />

Teil eines an<strong>der</strong>en Universums sind, kann es keine solche Kausalverbindung geben.<br />

Dieser ” gordische Knoten“ kann allerdings durchschlagen werden wenn man be-<br />

hauptet, dass ale mathematischen Gegenstände physikalisiert werden können. (Diese<br />

Möglichkeit hat Gödel allerdings nur ganz kurz angeschnitten, aber von Neumann<br />

hat das angestrebt.) Man denke an ” Matrix“, wo zwei ” Wirklichkeitsebenen“ zusam-<br />

mentreffen: Die eigentliche Wirklichkeit und die ” Back-office“ (Meta-wirklichkeit),<br />

wo die Handlungen vorgerechnet werden. (historische Vorbli<strong>der</strong>: Laplaces Dämon,<br />

Pythagoras und Platons Demiurg.)<br />

Die <strong>Mathematik</strong> beschreibt die (genormten) Rechenvorgänge im ” Back-office“. Pro-<br />

blem dabei: Die Rechner im ” Back-office“ werden für viele Prozesse sicher zu schwach<br />

sein. Robin Gandy hat folgendes über Turing-Maschinen bewiesen: Dass eine uni-<br />

verselle Turing-Maschine in unserer Wirklichen Welt nicht existieren kann. Wegen<br />

relativistischer Beschränkung <strong>der</strong> kommunikationsgeschwindigkeit.<br />

Um alle <strong>Mathematik</strong> zu ” physikalisieren“ muss man allerdings in eine Hyper-welt<br />

übergehen. Erst in dieser Hyperwelt werden wirklich starke Prozesse (Supertasks)<br />

möglich sein (Paul Benaceraff hat Supertasks in Bezug auf Zenon verwendet). Sie<br />

führen unendlich viele Schritte in endlicher Zeit aus. Natürlich gelten an<strong>der</strong>e physi-<br />

kalische Gesetze, aber es ist zumindest logisch möglich so eine Welt zu haben. (die<br />

<strong>Mathematik</strong> spricht ständig von unendlich starken Prozessen).<br />

14. Vorlesung 21.06. Um die kausale Theorie <strong>der</strong> Wahrnehmung für die Intuition<br />

zu bestätigen wird in dieser Vorlesung das Thema ” Mengenlehre vs. Mereologie“<br />

behandelt. Es gibt ” naturalistische“ Platonisten (wie Quine und Maddy), die gerne<br />

belegen möchten, dass Mengen mit natürlichen menschlichen Organen beobachtet<br />

werden können. Bei mereologischen Gegenständen scheint das kein Problem zu sein.<br />

Was ist aber mit abstrakten Mengen. Köhler möchte zeigen, dass in kleinen endlichen<br />

Bereichen Mengen sinnlich beobachtbar sind. Mengenlehre ist wesentlich stärker als<br />

Mereologie, deshalb wird die Mereologie heute nur mehr vereinzelt betrieben. Lehre<br />

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von Teil und Ganzem wurde vor allem durch die Aristoteliker wie Brentano betrie-<br />

ben.<br />

Einer <strong>der</strong> Schüler von Brentano war <strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> ” Lemberger Schule“. Die<br />

Mereologie wurde schließlich von Lesniewski entworfen, später von Nelson Good-<br />

man wreiterentwickelt. Sie will die Prädikation explizieren: Die Beziehung zwischen<br />

Gegenständen und Eigenschaften. Dabei wendete sich gegen die Auffassung von Ei-<br />

genschaften als abstrakt. Die Eigenschaften werden als mit den Gegenständen auf<br />

einer Ebene betrachtet. Allerdings gibt es auch in <strong>der</strong> Mereologie universelle Ge-<br />

genstände: Gegenstände die außerhalb von Raum und Zeit sind.<br />

Wir wollen nun den Definitionsbereich [domain] <strong>der</strong> Intuition charakterisieren.<br />

(Den Zielbereich (= die Bildmenge) [range] haben wir schon behandelt: da Intuition<br />

ein Werturteil ist sind die Werangaben, etc. <strong>der</strong> Bildbereich). Gödel sagte, dass wir<br />

Intuition von allen Dingen haben können, aber natürlich hauptsächlich von Begrif-<br />

fen (und von Mengen), Sätzen (Axiome, Vermutungen) und Regeln. Kann man aber<br />

eine Kausalbeziehung zu Mengen bzw. Sätzen und Regeln herstellen?<br />

Laut David Lewis ( ” Parts of Classes“) geht das. Lewis gefragt was <strong>der</strong> genaue Un-<br />

terschied zwischen mereologischen Gegenständen (=Ganzen) und Mengen ist. Ein<br />

Unterschied besteht in den Relationen ∈ und ⊂: Die Relation ⊂ besteht zwischen<br />

Mengen auf einer Ebende, die Relation ∈ nur zwischen Mengen die typentheoretische<br />

auf unterschiedlichen Ebene stehen. Die Ganzen haben daher keine Stufenunterschie-<br />

de. Ganzen werden aus Teilen durch Fusion (nach Goodman) zusammengesetzt. Die<br />

Teil-Ganze Beziehung ist (nach Goodman) immer transitiv. Teile von Teilen von<br />

Ganzen, sind auch Teile vom Ganzen. Bertrand Russel erkannte diese Struktur-<br />

eigenschaft <strong>der</strong> Teil-Ganze Relation als Hauptmerkmal <strong>der</strong> Mereologie - denn ge-<br />

rade Transitivität gilt bei den meisten ” Mengenketten“ nicht. (Eine Mengenkette<br />

ist eine Aneinan<strong>der</strong>reihung von ∈-Beziehungen, z.B. a ∈ b ∈ c ∈ d......) Bsp.: Im<br />

Hl.römischen Reich: die Kurfürstentümer waren alle ” reichsunmittelbar“, während<br />

es regionale Unterglie<strong>der</strong> nicht mehr waren.<br />

David Lewis rettet die Mereologie von ihrer angeblichen Unfähigkeit, durch Tricks:<br />

Die mereologische Fusion a ◦ b ◦ c �= {a, b, c} für gewöhnlich, da jede Menge eine<br />

Stufe höher ist. Lewis führt aber ”Pseudo-Mengen“ durch Kodifizierung ein: Wenn<br />

man eine Etikette anbringen kann, dann kann man die ” Pseudo-Menge“ von <strong>der</strong><br />

ursprünglichen Fusion unterscheiden - und ohne Probleme ” Pseudo-Mengenlehre“<br />

betreiben. Bald stößt man aber auf Grenzen, d.h. die Etiketten reichen nich aus.<br />

Die Etiketten laufen viel schneller aus, als es eigentlich Mengen gibt. Hao Wang hat<br />

bewiesen dass Mereologie und Mengenlehre, sich eigentlich erst richtig im Unend-<br />

lichen unterscheiden. Trotzdem können wir sehen, wieso auch Mengen etwa so gut<br />

wahrnehmbar sind wie Ganzen aus <strong>der</strong> Mereologie. Die ” naturalistische“ Platonistin<br />

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Penelope Maddy (UC Irvine) hat empirische Psychologie betrachtet und hat eine<br />

neurophysiologische Lehre (Donald Hebb 1949) entdeckt. Hebb hat vermittelt zwi-<br />

schen Atomisten und Gestaltpsychologen. Hebb zeigte auf, wie Nervennetze (wie bei<br />

McGullogh Pitts) imstande sind Gegenstände und Eigenschaften sowohl gmeinsam<br />

als auch getrennt wahrzunehmen. (Ähnlich machen dies Forscher in Mustererken-<br />

nung).<br />

Was machen wir aber mit größeren Mengen, beson<strong>der</strong>s mit tansfiniten Mengen??<br />

Kann man transfinite Mengen auch naturalistisch in den Griff bekommen (d.h.<br />

beobachtbar machen)? Um ins Transfinite zu gelangen, iterieren wir einfach über<br />

das Finite hinaus. Z.B.: Die Literatur über Supertasks erlaubt unendlich lange<br />

bzw. komplexe Prozesse in endlicher Zeit. Supertasks sind auch Hilberts ω-Regel:<br />

{P a1, P a2, P a3, ...} ⊢ ∀x : P x , wobei <strong>der</strong> Beweis für jedes ai getrennt geführt<br />

wird. Also hat Hilbert unbewusst Supertasks befürwortet (die gesamte <strong>Mathematik</strong><br />

ist voll von Supertasks). Eine unendliche Erweiterung mag physikalisch unmöglich<br />

sein, aber nicht logisch. Möglich wäre eine an<strong>der</strong>e Welt (im Sinne von Leibniz Theo-<br />

rie <strong>der</strong> möglichen Welten) mit an<strong>der</strong>en physikalischen Gesetzen, die Supertasks er-<br />

lauben. So kann man sich unendlich große Rechner denken (mit unendlich großen<br />

Speichern, unendlich breiten Registern, ” kollabierbare“ Sequenzen - etwas die ganze<br />

Dezimaldarstellung von π). In dieser physikalisch-verän<strong>der</strong>ten möglichen Welt wäre<br />

es möglich transfinite Mengen in endlicher Zeit zu überblicken und auszurechnen.<br />

Daher ist es logisch nicht unmöglich und somit auch im Sinne des Naturalismus.<br />

Gödel ahnte, dass es eine ” ideale Intuition“ gibt, die so etwas kann.<br />

Einschub: Was hat Gödel was naturalistische Platonisten (wie Quine, Maddy und<br />

Co) nicht haben? Die naturalistischen Platonisten wollen keinen Dualismus - keinen<br />

getrennten platonischen Himmel (sind Monisten). Alle Gegenstände sind für die Na-<br />

turalisten in einem Gegenstandsbereich. Sie lehnen auch ” Humes Gesetz“ (Trennung<br />

von Sein und Sollen) ab. Gerade Humes Gesetz erzwingt nämlich den Dualismus,<br />

denn es folgt daraus, dass es zwei Arten von Wissen gibt (empirisches Wissen und<br />

moralisches Bewertungswissen) und wi<strong>der</strong>spricht ironischerweise damit dem Empi-<br />

rismus.<br />

15. Vorlesung 28.06. Carnaps Konventionalismus und die Auseinan<strong>der</strong>stzung<br />

zwischen Gödel und Carnap.<br />

Carnao hat in seiner ” logischen Syntax <strong>der</strong> Sprache“ <strong>Gödels</strong> Beweis und die Me-<br />

thode <strong>der</strong> Gödelisierung verwendet. Carnap hat zwischen <strong>der</strong> ” materiellen“ und <strong>der</strong><br />

” formalen“ Redeweise unterschieden. Er hat seine Karriere vor allem mit dem Konventionalismus<br />

von Poincare begonnen. Er hat diesen Terminus aber vermieden,<br />

denn in Deutschland war ” Koventionalismus“ von dem Machianer Dingler in Be-<br />

schlag genommen. Dingler hat aber insb. die nichteuklidische Geometrie und die<br />

Relativitätstheorie abgelehnt und das war für Carnap ein ” No go“. Poincare hat<br />

Konventionalismus sehr eng gemeint: Die Axiome <strong>der</strong> Geometrie (und allgemein <strong>der</strong><br />

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<strong>Mathematik</strong>) sind für Poincare Konventionen, wir sind frei die Axiome nach belie-<br />

ben auszuwählen. Allerdings zeige sich die Eukildizität <strong>der</strong> Geometrie da sie in am<br />

brauchbarsten angewandt wird.<br />

Woher hat Carnap seinen Konventionalismus?<br />

• Carnap hat seinen Konventionalismus von Poincare. Für Poincare gibt es drei<br />

Arten von apriorischen Sätzen:<br />

1. logische Gesetze<br />

2. Teile <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> die auf Intuition o<strong>der</strong> Anschauung beruhen<br />

3. Konventionen<br />

• Zweiter wichtiger Einfluss für Carnap war Hilberts ” Instrumentalismus“: Axio-<br />

me sind zunächst inhaltsleer - rein instrumentalistisch.<br />

• Dritter Einfluss: Carnaps Einstellung zur Sprache, (einschliesslich <strong>der</strong>en ” Be-<br />

griffsrahmen“) ≈ Leibnizes ” characeristica universalis“. Sprache wurde als<br />

Werkzeug verstanden, das nach pragmatischen Kriterien beurteilt wird. Diese<br />

pragmatischen Kriterien beinhalten Werturteile, die verwendet werden können<br />

um eine OBjektivität aus dem Syntaxprogramm zu gewinnen (wichtig!!).<br />

Von Konventionalismus kann man allerdings erst reden wenn es wirklich eine ” freie<br />

Wahl“ gibt. (Wenn ich völlig frei zwischen den verschiedenen Axiomatisierungen -<br />

euklidischen wie nicht-euklidischen - wählen kann.) Für Poincare gab es in <strong>der</strong> Logik<br />

noch keine solche freie Wahl. Dies kam erst bei Brouwer und Lukasiewicz auch in<br />

<strong>der</strong> Logik auf.<br />

In <strong>der</strong> Mathamtik gab es auch neue ” freie Wahl“-Möglichkeiten.<br />

Das Wesen von Carnaps Konventionalismus liegt im sog. Toleranzprinzip (1934,<br />

§17). Der Keim dazu wurde schon 1930 ausgesät im Gespräch zwischen Carnap und<br />

Gödel: Gödel hat 6 Stärke-Stufen <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> angenommen: -ultrafinit, -finit<br />

(Hilbert), -konstruktiv, - Brouwer, - klassische Analysis, - Cantor.<br />

Gödel dazu: ” Es ist vollständig Sache freien Entschlusses (wie auch Menger meint),<br />

welche Formeln und Regeln man (in <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong>) als ” sinvoll“ zulässt, weil man<br />

einige Vorstellungen damit verknüpft. Also kann man auch gleich die klassische Ma-<br />

thematik anerkennen.“ Gödel meint, dass wenn man eine stufe akzeptiert, kann man<br />

durch induktives Schließen immer auch noch die nächsten Stufen akzeptieren. Einen<br />

plausiblen Unterschied gibt es nicht; sodass man an verschiedenen Stellen eine klar<br />

definierte Grenze ziehen könnte.<br />

In <strong>der</strong> ” logischen Syntax <strong>der</strong> Sprache“ schreibt Carnap zum Tolranzprinzip <strong>der</strong><br />

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Syntax: ” It is not our buisness to set up prohibitions but to arrive at conventi-<br />

ons (Wir wollen nicht Verbote aufstellen son<strong>der</strong>n Festsetzungen treffen)“ (§17) Das<br />

ist vor allem gegen Brouwer gerichtet. Weiters: ” In <strong>der</strong> Logik gibt es keine Moral.<br />

Je<strong>der</strong> mag seine Logik aufbauen wie er will. Nur muss er wenn er mit uns disku-<br />

tieren will genau angeben wie er es will. Syntaktische Bestimmung statt philosophi-<br />

sche Erörterung.“ Später hat Gödel zum Syntaxprogramm Stellung genommen: Er<br />

schrieb seinen ” Carnap-Aufsatz“(1953) gegen das ” Syntax-Programm“ und behält<br />

auf jeden Fall in einem Punkt Recht, wenn man das Syntaxprogramm versteht als<br />

den Versuch die <strong>Mathematik</strong> völlig ohne Inhalt zu machen zu machen - insbeson<strong>der</strong>e<br />

ohne Vewendung von Intuition. (In einem an<strong>der</strong>en Punkt behält er aber nicht recht,<br />

wenn man Konventionen etwas an<strong>der</strong>s deutet als im Syntaxprogramm. ) <strong>Gödels</strong><br />

” Beweis“ beruhte auf <strong>der</strong> Behauptung (o<strong>der</strong> Feststellung), dass Konventionen einen<br />

Wi<strong>der</strong>spruchsfreiheitsbeweise brauchen, um überhaupt zulässig zu sein. Eine Kon-<br />

vention könnte nämlich mit einer an<strong>der</strong>en kollidieren. Beweise braucht man laut<br />

Gödel gerade weil das Syntaxprogramm Intuition (bzw. Inhalt) konsequent aus-<br />

schließt, aber ohne Intuitionen können wir nie sicher sein.<br />

Quine (1936) bringt ein an<strong>der</strong>es, noch stärkeres Argument gegen das Syntaxpro-<br />

gramm: Allein schon die bloße Darstellung von Sätzen (Axiomen) und Regeln ver-<br />

langt nach inhaltilicher <strong>Mathematik</strong><br />

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