Programmheft | Wachauer Festival-Nächte 2018
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der Erde, der Pflanzen und des Firmaments die<br />
ersten vier Tage, im zweiten Teil kommen Tiere<br />
und Mensch hinzu. Der dritte Teil thematisiert das<br />
Leben der ersten Menschen Adam (Bass) und Eva<br />
(Sopran) und gipfelt in zwei abschließenden großen<br />
Lob- und Dankeschören.<br />
Musikalisch verbindet Haydn die Oratorientradition<br />
Händels mit der plastischen und tonmalerischen<br />
Musiksprache der Klassik, die er selbst besonders in<br />
seinen Sinfonien mitentwickelt hatte. Die Orchesterbesetzung<br />
wechselt von Nummer zu Nummer, wobei<br />
das volle Orchester den drei C-Dur-Abschnitten des<br />
ersten Teils – der Erschaffung des Lichts, dem Solo<br />
mit Chor „Mit Staunen“ und dem Schlusschor –<br />
sowie den Schlusschören der beiden anderen Teile<br />
vorbehalten ist. Einen wesentlichen Anteil an der<br />
Orchesterwirkung hat auch die kontrastreiche und<br />
differenzierte Dynamik. Die Tonarten der einzelnen<br />
Nummern sind so angeordnet, dass sie wirkungsvoll<br />
sowohl für Abwechslung und Kontrast als auch für<br />
Einheit und Zusammenhang sorgen. Dabei markiert<br />
die Tonart C-Dur einige der charakteristischsten<br />
Stellen, in denen das „Licht“, das „Wunderwerk“,<br />
„die Himmel“ und „das Firmament“, „der Mensch“<br />
und „die Welt, so groß, so wunderbar“ besungen<br />
werden. Die Chöre, meist eng mit einer oder<br />
mehreren Solostimmen verbunden, bilden wie in<br />
Händels Messias tragende Säulen. Einige sind fugiert,<br />
andere konzertierend. Letztere bleiben aber auch<br />
durch ihre kräftig bewegten Bässe und sanglich<br />
geführten Mittelstimmen der barocken Tradition<br />
verbunden. Bei dem einzigen reinen Duett, das<br />
sich in der Schöpfung findet, handelt es sich um<br />
ein Liebesduett „Holde Gattin“ zwischen Adam<br />
und Eva mit nachklingender Empfindsamkeit und<br />
einer sich stetig steigernden Leidenschaft: „Mit dir<br />
ist Seligkeit das Leben“. Das Duett lässt sich mit<br />
dem kirchlichen Dogma des Sündenfalls ebenfalls<br />
nicht in Einklang bringen und spaltete die Geister<br />
mit einem Vergleich zu Adonis und Venus auf der<br />
einen Seite und Worten des höchsten Lobes, wie<br />
dem eines anonymen Kritikers vom Januar 1801<br />
auf der anderen Seite:<br />
„Wer, der je die Macht der Liebe gefühlt hat, kann<br />
dem Ausdrucke des letzten Duetts widerstehen? Es<br />
berührt alle Saiten des Herzens […] Alle Gefühle, alle<br />
Scenen gegenwärtiger oder vergangner Seligkeiten<br />
erheben sich mit dem Zauber dieser Harmonien<br />
in der Seele.“<br />
Die Schöpfung wurde im April 1798 erstmals,<br />
jedoch vor geschlossener Gesellschaft im Palais<br />
Schwarzenberg aufgeführt. Das Wiener Publikum<br />
musste danach noch ein knappes Jahr auf die<br />
Uraufführung im Burgtheater warten. Sie mündete<br />
in tosendem Beifall, in den selbst der Kaiser einfiel.<br />
Danach wurden Aufführungen der Schöpfung zu<br />
regelmäßigen musikalischen Veranstaltungen in<br />
der Fastenzeit und zum Advent. Haydn dirigierte<br />
viele dieser Aufführungen selbst. Berühmt wurde<br />
sein letzter öffentlicher Auftritt am 27. März 1808,<br />
als das Werk zu Ehren seines 76. Geburtstages in<br />
der Universität aufgeführt wurde und zu dem er<br />
auf einem Sessel herbei getragen werden musste.<br />
Unmittelbar nach Erscheinen der Partitur Ende<br />
Februar 1800 erklang die Schöpfung überall in<br />
Europa, meist in der jeweiligen Landessprache. Ihr<br />
weltweiter Erfolg rief zahlreiche Chorgründungen<br />
hervor und begünstigte die weitere Pflege des<br />
Oratoriums innerhalb und außerhalb der Kirche.<br />
Nicole Waitz, Juli <strong>2018</strong><br />
Freitag, 17. August und Samstag, 18. August <strong>2018</strong> // 20 Uhr<br />
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