Gemeindebrief "Wir" - Ausgabe 03/18
Gemeindebrief "Wir" der Kirchengemeinde Idensen
Gemeindebrief "Wir" der Kirchengemeinde Idensen
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10 aus der gemeinde<br />
Wie erlebten Besucher den GNGD in<br />
dieser besonderen musikalischen<br />
Form?<br />
Eine Beschreibung: Musik einer ‚Neuen<br />
Kunst‘, Musik der ‚Ars Nova‘, konnten<br />
wir in der Sigwardskirche hören. Sie und<br />
der liturgisch im Stil des Nachtgebetes<br />
der Kirche (Komplet) ausgestaltete Rahmen<br />
machten diese Andacht zu etwas<br />
Besonderem. Ist diese gelungene Form<br />
nur der Beginn zu Weiterem? Wir hoffen<br />
es!<br />
Die „Neue Kunst“, die erklang, war ganz<br />
alte Kunst, geschaffen vor beinahe 700<br />
Jahren und gekonnt präsentiert. Die<br />
kühnen Rhythmen und Harmonien dieser<br />
Musik, einer ganz frühen, mehrstimmigen<br />
Messvertonung, erwecken auch<br />
heute noch den Eindruck von etwas<br />
Neuem, ‚Unerhörtem‘, Fernem, beinahe<br />
Jenseitigem. Erst die Veränderungen in<br />
der Art, Noten aufzuzeichnen, ermöglichte<br />
diese hochentwickelte, harmonisch<br />
komplexe, mehrstimmige Vokalmusik.<br />
Machauts Musik war wie seine Zeit. Sie<br />
berührt uns, weil ein Mensch in ihr, bewusst<br />
oder unbewusst, seine Auseinandersetzung<br />
mit der Welt ausdrückt. Herbe<br />
Dissonanzen und eine gegensätzliche<br />
Vielstimmigkeit prägten das Jahrhundert.<br />
Neben Krieg, Krankheiten und Hungersnöten<br />
trug die Pest dazu bei, dass die<br />
Bevölkerung Europas innerhalb von<br />
Machauts Lebenszeit (77 Jahre) wohl um<br />
ein Drittel oder mehr sank, eine der<br />
schlimmsten Katastrophen europäischer<br />
Geschichte. Im Hintergrund machte sich<br />
schon der Wandel von einem günstigen,<br />
warmen Klima zur ‚Kleinen Eiszeit‘ bemerkbar.<br />
Aber auch in diesen auf uns<br />
‚finster‘ wirkenden Zeiten des Mittelalters<br />
beschien die Sonne die Menschen, schufen<br />
sie farbenreiche Harmonien. Sie lebten<br />
intensiv, brachen zu Neuem auf,<br />
leisteten mit dem Bau der gotischen Kathedralen<br />
Einzigartiges. Mit der Erfindung<br />
der Räderuhr wurde damals ein<br />
neues Maß der Zeit geschaffen. Auch<br />
andere technische Innovationen wiesen<br />
voraus auf die kommenden Jahrhunderte.<br />
Kühler Sachlichkeit und berechnendem<br />
Denken stand eine innige, persönlich<br />
geprägte Religiosität gegenüber, die sich<br />
selbst mit dem Wort ‚modern‘ beschrieb<br />
und noch auf die Reformation einwirken<br />
sollte. Die Menschen entdeckten in dieser<br />
Zeit selbstbewusst ihre Individualität neu.<br />
Über ihre Zeit weit hinaus prägend und<br />
bis heute wirkend wurden Dante Alighieri,<br />
Giovanni Boccaccio oder Meister<br />
Eckhard.<br />
Die Teile aus Machauts Messe waren<br />
nicht ‚nur ein Konzert‘ oder schöne Musik,<br />
ebenso gelungen war der ‚Rahmen‘ in<br />
der Form des Nachtgebetes. Beides zusammen<br />
erst bildete ein gelungenes Ganzes,<br />
ergänzt durch die Atmosphäre des<br />
besonderen Raumes der Sigwardskirche.<br />
– Die Musik fand ihren Ort, die Andacht<br />
ihre Musik. So wurde dieser Abend etwas,<br />
bei dem die Beschreibung von einem<br />
‚spirituellen Erlebnis‘ passt. Wir konnten<br />
erleben, dass wir in und mit unserer Kirche<br />
Formen, Raum und gelebte Traditionen<br />
haben, um den oft gesuchten und<br />
nötigen Abstand vom Alltag zu gewinnen.<br />
Mögen Sie das nächste Mal (wieder) mit<br />
dabei sein!“<br />
Andreas Litzke und Uwe Wolf<br />
red. Heinz Laukamp