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eine 100-jährige Geschichte der Rechtsmedizin - GWDG

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In <strong>der</strong> längsten Periode ihrer <strong>Geschichte</strong> stand <strong>der</strong> Göttinger <strong>Rechtsmedizin</strong> Prof.<br />

Dr. med. Eduard Heinrich Theodor Lochte, Königl. Kreisarzt und Med. Rat, als<br />

Direktor vor, nämlich von 1906 – 1934. Wie sein Vorgänger zunächst als Extraordinarius<br />

berufen, wurde er jedoch 1920 als Ordinarius bestellt.<br />

Lochte war ein schöpferischer Experimentator, dessen Forschungsergebnisse<br />

bis heute Grundlagen für die Lösung <strong>eine</strong>r Vielzahl von Fragen bei <strong>der</strong> Tatortarbeit<br />

und <strong>der</strong> Fallanalyse sind.<br />

Auf die Untersuchungen von Lochte und Ziemke wird beispielsweise dann zurückgegriffen,<br />

wenn die genaue Morphologie <strong>eine</strong>r Blutspur für den Ablauf <strong>eine</strong>r<br />

Tat <strong>eine</strong> Rolle spielt, also sehr häufig. Dabei geht es um Fragen <strong>der</strong> Fallhöhe o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Richtung <strong>der</strong> Antragung <strong>eine</strong>s Bluttropfens auf dem Boden o<strong>der</strong> an <strong>eine</strong>r<br />

Wand.<br />

Es gab kaum ein Problem in <strong>der</strong> forensischen Praxis, dem sich Lochte nicht<br />

mit <strong>eine</strong>r originellen Lösung aufgrund eigener experimenteller Untersuchungen<br />

angenommen hätte.<br />

Erwähnt seien aus <strong>der</strong> Fülle allein 4 Untersuchungen zur kataleptischen Totenstarre,<br />

weitere zur Wundballistik, zur Identifizierung <strong>der</strong> Farbbän<strong>der</strong>n von<br />

Schreibmaschinen und zur Zusammensetzung von Schreibtinte. Erhalten ist ein<br />

Teil <strong>eine</strong>r Korrespondenz zur Klebstoffanalyse, die zeigt, wie sich ehemalige<br />

Schüler aus <strong>der</strong> Industrie mit aktuellen Problemen nur zu gern an ihren Lehrer<br />

gewandt haben.<br />

Er ist <strong>der</strong> Nestor <strong>eine</strong>s aktuellen Forschungszweigs, nämlich dem <strong>der</strong> Haaranalyse.<br />

Dabei korrespondierte er international, um aus aller Welt Haare <strong>der</strong> verschiedensten<br />

Spezies für s<strong>eine</strong>n Atlas zu erhalten (Atlas des menschlichen und tierischen<br />

Haares, Leipzig, 1938). Bis in die Mitte <strong>der</strong> 50er Jahre und auch mit s<strong>eine</strong>r<br />

letzten Publikation ist er diesem Lieblingsthema treu geblieben ( Tafeln zur Haarkunde,<br />

1954 ).<br />

Die Haarforschung erlebte wie<strong>der</strong> <strong>eine</strong> Aktualisierung in <strong>der</strong> Zeit des Direktorats<br />

von Berg, dem die Haarforschung ebenfalls ein zentrales Anliegen mit stets<br />

neuen Ergebnissen gewesen ist.<br />

In <strong>eine</strong>r Gesamtschau man darf man sagen, dass es von Lochte an bis heute<br />

durch die Arbeiten von Kijewski (1996) <strong>eine</strong> faszinierende Kontinuität auf dem<br />

Gebiet <strong>der</strong> Haarforschung in <strong>der</strong> Göttinger <strong>Rechtsmedizin</strong> gibt.<br />

Lochte war ein Mo<strong>der</strong>nisierer, stets um die neuste Technik und Methodik bemüht.<br />

Dass unter s<strong>eine</strong>r Leitung ein Chemiker in das Institut eintrat, war somit selbstverständlich.<br />

Heute ist die forensische Toxikologie unverzichtbarer Partner <strong>der</strong> <strong>Rechtsmedizin</strong>.<br />

Auch sie ist Gegenstand <strong>der</strong> rechtsmedizinischen Lehre.<br />

Von diesem Wissenschaftler sind, man möchte retrospektiv sagen, erwartungsgemäß,<br />

auch rein methodenkritische Arbeiten verfasst worden, so bereits 1910<br />

<strong>eine</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit geringen o<strong>der</strong> negativen Obduktionsbefunden und<br />

<strong>der</strong>en Deutung. Liest man <strong>eine</strong>s <strong>der</strong> wenigen erhaltenen Gutachten, so verwun<strong>der</strong>t<br />

nicht <strong>der</strong> abschließende Hinweis, vom Gutachter k<strong>eine</strong> gesicherte Aussage, son<strong>der</strong>n<br />

nur <strong>eine</strong> abgesicherte erhalten zu können. Wörtlich heißt es abschließend in<br />

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