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22 SPORTCLUB AKTUELL AUS DEN SEKTIONEN<br />
Sektion Kanu<br />
Sein größter Erfolg<br />
Jakob Weger ist U23-Weltmeister im Kajak-Einer<br />
Jakob Weger durchbricht mit seinem<br />
Boot die Lichtschranke und startet damit<br />
die Messuhr. Jetzt zählt jeder Paddelschlag.<br />
Die Ellbogen des Athleten<br />
zeichnen schnelle Kreise in die Luft, mit<br />
geübten Bewegungen schwingt er das<br />
Paddel auf und ab. Seine Hüfte registriert<br />
den Wasserstand im Kanal, durch die Verlagerung<br />
seines Körpers hält er das Boot<br />
im Gleichgewicht. Zwanzig Tore liegen<br />
im Slalomparcours vor ihm. Lässt er eines<br />
aus, gibt das fünfzig Strafsekunden.<br />
Sportler in Neoprenanzügen und Rettungswesten<br />
tummeln sich an diesem<br />
Junitag in der kleinen Stadt Ivrea im Piemont.<br />
Hier findet die Weltmeisterschaft<br />
im Kanu-Slalom der Junioren und unter<br />
23-Jährigen statt. Jakob Weger ist einer<br />
der Kanuten. Der Meraner tritt für die<br />
italienische Nationalmannschaft in der<br />
Kategorie U23 an. Gewinnt er, wäre das<br />
der bisher größte Erfolg seiner Karriere.<br />
Die Stimme des Italieners aus dem Lautsprecher<br />
klingt aufgeregt – ein heimischer<br />
Athlet braucht Unterstützung. Wegers<br />
Trainer beim <strong>Sportclub</strong> Meran, Helmut<br />
Schröter, steht hingegen gefasst unter den<br />
Zuschauern: „Er weiß, was er will. Mit<br />
der richtigen Unterstützung kommt er<br />
ganz groß raus“, sagt er. Und Schröter hat<br />
Recht: Das Ergebnis am Bildschirm zeigt<br />
77,22 Sekunden an, Wegers britischer<br />
Konkurrent Bradley Forbes-Cryans war<br />
vier Hundertstel langsamer. Damit steht<br />
fest: Jakob Weger ist U23-Weltmeister<br />
im Kajak-Einer.<br />
Einen Tag zuvor im Hotelzimmer des<br />
Kanuten. Hier um die Ecke des Kunstkanals<br />
von Ivrea schläft Weger gemeinsam<br />
mit den anderen Südtirolern der italienischen<br />
Nationalmannschaft, Jakob und<br />
Valentin Luther. Die Cousinen treten<br />
bei den Junioren an. Kleider, Helme und<br />
Neoprenanzüge der drei Athleten liegen<br />
verstreut im Zimmer. Zwischen Fenster<br />
und Boden klemmt ein Paddel. Es ist<br />
heiß an diesem Tag.<br />
Jakob Weger ist mit dem Sport aufgewachsen.<br />
Seine Eltern fahren selbst Kajak<br />
und setzten ihre beiden Söhne früh im<br />
Schwimmbad ins Boot, sein großer Bruder<br />
Matthias fährt mittlerweile für die<br />
österreichische Nationalmannschaft. Mit<br />
14 Jahren begann Jakob Weger, für Rennen<br />
zu trainieren – wenngleich ungern:<br />
„Am Anfang bin ich nicht gerne Rennen<br />
gefahren, weil ich viel zu nervös war“,<br />
sagt er. Mit der Zeit stieg er immer öfter<br />
für Wettkämpfe ins Boot und merkte<br />
bald, dass er vorne mit dabei sein konnte.<br />
Gerade schlagen Jakob Weger und seine<br />
Sportler-Kollegen aber im Hotelzimmer<br />
die Zeit tot. Auch das gehört zum Leistungssport<br />
dazu. Zwischen ihren WM-<br />
Rennen liegen Tage, dazwischen soll<br />
jede Ablenkung vermieden werden. Zeit,<br />
noch einmal die eigene Rennstrategie<br />
durchzugehen. Sie ist entscheidend für<br />
einen erfolgreichen Lauf. „Die Strategie<br />
ist je nach Gegner und Schwierigkeit des<br />
Laufs abzuwägen. Du kannst hinunterfahren<br />
und alles riskieren, weil du dir<br />
sowieso kaum Chancen auf den Sieg ausrechnest.<br />
Oder du hoffst auf Fehler der<br />
anderen und fährst einen ganz ruhigen<br />
Lauf“, erklärt Weger.<br />
Neben der Strategie kommt es im Wasser<br />
auch auf körperliche Fitness, auf Technik,<br />
Wassergefühl, Geschicklichkeit und<br />
Reaktion an – und auf die Konzentration.<br />
„In der kurzen Zeit, in der man beim<br />
Rennen fährt, muss man voll konzentriert<br />
sein“, erklärt Jakob Weger. Der 20-Jährige<br />
musste erst lernen, mit Erfolgsdruck<br />
umzugehen: „Ich versuche, mir selbst zu<br />
sagen, dass es menschlich ist, Fehler zu<br />
machen. Es ist nicht wirklich schlimm,<br />
wenn ich etwas falsch mache. Mache ich<br />
es aber gut, ist der Erfolg ein Geschenk<br />
an mich“, sagt er. Weger sieht den Sport<br />
als Lebensschule. Er lernt ihm Fähigkeiten<br />
wie Fairness und Zielstrebigkeit.<br />
Bei der Preisverleihung werden die Fahnen<br />
der drei Siegernationen hochgezogen,<br />
die italienische Hymne ertönt.<br />
Einige Zuschauer stimmen mit ein. Die<br />
Athleten sehen hoch zum Fahnenmast,<br />
die Medaillen baumeln um ihren Hals.<br />
Fürs Siegerfoto rücken sie näher, Jakob<br />
Weger hebt die Faust in die Luft. Das<br />
nächste Rennen steht schon bevor: Mitte<br />
August finden im slowakischen Bratislava<br />
die Europameisterschaften statt – für den<br />
frisch gebackenen U23-Weltmeister die<br />
nächste Gelegenheit, sich zu beweisen.<br />
Anna Luther<br />
Der Text erschien erstmalig am 14.08.<strong>2018</strong> auf barfuss.it.