seventeen goals #1
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Nr.<br />
02<br />
<strong>seventeen</strong><br />
<strong>goals</strong><br />
Eine Sonderbeilage von Projekt 17<br />
in Kooperation mit dem Zeitverlag<br />
Wie Menschen die Welt bewegen<br />
ANGELINA JOLIE<br />
Einsatz jenseits<br />
von Hollywood<br />
KUNST AUS LEIPZIG<br />
Bilder von einer<br />
anderen Welt<br />
MOBILITÄT<br />
Die Welt ist aufs<br />
Rad gekommen
Editorial<br />
2.616 Kilometer<br />
Engagement<br />
Die Läuferin und Aktivistin Mina Guli lief in 62 Tagen 62 Marathons,<br />
um auf die die globale Wasserkrise aufmerksam zu machen.<br />
Was sie antreibt: Seite 29<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
„Das habe ich noch nie vorher versucht ... also bin ich völlig<br />
sicher, dass ich es schaffe.“ Diese erfrischend zuversichtlichen<br />
Worte stammen vom wohl berühmtesten Mädchen der Welt:<br />
Pippi Langstrumpf. Mutig und voll Vertrauen in die eigene<br />
Stärke hat Pippi immer wieder Neues gewagt. Obwohl Astrid<br />
Lindgren ihr diese Worte schon vor über 60 Jahren in den Mund<br />
legte, ist die Haltung, die dahintersteht, heute wichtiger denn je.<br />
In den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung kommt diese<br />
Haltung zum Tragen. Es war ein historischer Beschluss, als<br />
sich im September 2015 in New York 193 Staaten einigten, die<br />
großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, anzugehen.<br />
Dieser ehrgeizigste Plan der Weltgemeinschaft ist verknüpft<br />
mit dem Gedanken: Gemeinsam können wir es schaffen. Die<br />
Nachhaltigkeitsziele berücksichtigen ökologische, ökonomische<br />
und soziale Aspekte. Um sie zu erreichen, muss viel getan<br />
werden – vieles anders, das meiste zum ersten Mal.<br />
Dazu braucht es nicht nur Staats- und Regierungschefs,<br />
die umdenken, sondern jeden Einzelnen. Es braucht positive<br />
Beispiele, die inspirieren, und gute Nachrichten, die motivieren.<br />
Als Herausgeber dieses Magazins sind wir täglich über<br />
Nachhaltigkeit im Gespräch und spüren: Hinter den 17 Zielen<br />
stehen Themen, die die Menschen begeistern und in denen sie<br />
wahren Sinn sehen. Nachhaltigkeit erzeugt Optimismus.<br />
Und weckt Lust, mitzumachen, zum Wandel beizutragen.<br />
Darum erzählt <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong> Geschichten von Menschen,<br />
die auf sehr unterschiedliche Art die Welt bewegen. Und zeigt<br />
gleichzeitig viele Wege auf, wie jeder im Rahmen der eigenen<br />
Möglichkeiten zum Wandel beitragen kann. Warum nicht<br />
einfach mal Dinge tun, die man noch nie versucht hat? Eine<br />
vegetarische oder vegane Woche einlegen, bei einem Clean-up<br />
mitmachen, für das Klima demonstrieren oder eine Petition<br />
unterschreiben, ein faires Konto bei einer Nachhaltigkeitsbank<br />
eröffnen oder nach Siegeln fairer Produktion beim Kleiderkauf<br />
schauen. Wir brauchen mehr Pippi-Langstrumpf-Denker. Ihre …<br />
Iris Rodriguez,<br />
Chefredakteurin<br />
Partnerschaften zur Erreichung der Ziele<br />
Keine Armut<br />
Bild: © Mina Guli<br />
Bild: © Gregor Hohenberg titelmotiv: © UNHCR/Ivor Prickett<br />
Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen<br />
Leben an Land<br />
Leben unter Wasser<br />
Maßnahmen zum Klimaschutz<br />
Nachhaltige/r Konsum und Produktion<br />
14<br />
13<br />
12<br />
Nachhaltige Städte und Gemeinden<br />
15<br />
11<br />
16<br />
Weniger Ungleichheiten<br />
10<br />
17<br />
9<br />
1<br />
8<br />
2<br />
<strong>seventeen</strong><br />
<strong>goals</strong><br />
Wie Menschen<br />
die Welt bewegen<br />
7<br />
3<br />
Industrie, Innovation und Infrastruktur<br />
Kein Hunger<br />
4<br />
6<br />
Gesundheit und Wohlergehen<br />
5<br />
Hochwertige Bildung<br />
Geschlechtergleichheit<br />
Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen<br />
Bezahlbare und saubere Energie<br />
Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum<br />
02 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
03
Ein Beitrag von RaboDirect<br />
www.17<strong>goals</strong>magazin.de<br />
06<br />
Hartmut Kiewert<br />
zeigt Mensch<br />
und Tier in<br />
vollkommener<br />
Harmonie<br />
20<br />
Angelina Jolie macht<br />
sich seit 20 Jahren stark<br />
für Flüchtlinge<br />
Das von RaboDirect<br />
geförderte Bildungsprojekt<br />
School Lunch ermöglicht<br />
Grundschulen nachhaltige<br />
Koch-Workshops<br />
LEBENSMITTELRETTER:<br />
UMDENKEN MACHT SCHULE<br />
13<br />
Tolle Konzepte<br />
und Ideen für die<br />
Zukunft beim<br />
Festival der Taten<br />
Inhalt<br />
03 Editorial<br />
03 Die 17 Nachhaltigkeitsziele<br />
05 Bei RaboDirect dreht sich alles um Ziel 2 „Kein Hunger“<br />
06 Positiver Appell – die Utopien des Malers Hartmut Kiewert<br />
11 Durch Kinderhilfe Gesellschaften stärken –<br />
SOS Kinderdörfer weltweit<br />
12 Kurz & gut – Wirkungsvolles auf den Punkt gebracht<br />
13 Junge Köpfe für die Ziele beim<br />
Festival der Taten von Engagement Global<br />
17 Prof. Dr. Günther Bachmann – Gestalter der Nachhaltigkeit<br />
30<br />
Wie David Katz<br />
mit dem Plastikwahnsinn<br />
ein wirksames Sozialunternehmen<br />
betreibt<br />
19 Ärzte ohne Grenzen – Wirkungsvolle Nothilfe<br />
in über 70 Ländern<br />
20 Sondergesandte des UNHCR – die unbekannte<br />
Rolle der Angelina Jolie<br />
23 TePe zeigt, was Zahnhygiene mit Klimaschutz zu tun hat<br />
24 Kommt Zeit, kommt Rad – Nachhaltigkeitstrend in Zahlen<br />
26 Wie sich der WWF für ein nachhaltiges Finanzsystem einsetzt<br />
29 Läuferin Mina Guli rennt für Wasser um die Welt<br />
30 Die Plastic Bank gibt den Ärmsten der Armen eine Perspektive<br />
34 Impressum<br />
Bilder: Roosegarde: © Studio Roosegaarde; Von Wong: © Benjamin Von Wong; von Hirschhausen: © Kerstin Jacobsen; Finkbeiner: © Plant-for-the-Planet; Brundtland: © dpa/Revierfoto<br />
Bild 1: ©<br />
In Deutschland werden laut WWF jährlich 18 Millionen Tonnen<br />
Lebensmittel weggeworfen. 10 Millionen könnten gerettet<br />
werden. Ein Weg: weniger Lebensmittelverschwendung<br />
„Kein Hunger“ lautet das zweite der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele.<br />
Doch wertvolle Nahrung, die dringend gebraucht würde, landet<br />
stattdessen auf dem Müll. 92 Prozent der Deutschen haben in den<br />
vergangenen zwölf Monaten Lebensmittel weggeworfen. Knapp<br />
zwei Drittel davon mindestens einmal im Monat, jeder Fünfte<br />
mindestens einmal pro Woche. Zu diesem Ergebnis kommt die<br />
aktuelle Sparstudie, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa für<br />
die Direktbankenmarke RaboDirect durchgeführt hat. Private Haushalte<br />
haben an der Verschwendung einen Anteil von 40 Prozent!<br />
Den Wert der Nahrung erlernen Das Grundschulprojekt School<br />
Lunch, eine Kooperation von RaboDirect und dem gemeinnützigen<br />
Berliner Bildungsverein Restlos Glücklich e. V., zeigt, wie man<br />
Kinder schon früh für den Wert von Lebensmitteln sensibilisieren<br />
kann. Nina Schröder, Bildungskoordinatorin des Vereins, erklärt:<br />
„Im Fokus des Projekts steht, den Schülern auf spielerische Weise<br />
zu vermitteln, wie kostbar unsere Nahrung ist und wie jeder Einzelne<br />
aktiv werden kann, um weniger wegzuwerfen und mehr zu<br />
verwerten. Im vergangenen Jahr konnten wir so gemeinsam mit<br />
RaboDirect mehr als 1.000 Lebensmittelretterinnen und -retter<br />
ausbilden.“<br />
Akuter Nachholbedarf in Deutschland Wie notwendig derartige<br />
Konzepte hierzulande sind, belegen auch die nachfolgenden<br />
Erkenntnisse der von RaboDirect durchgeführten Studie. Danach<br />
wirft knapp ein Drittel der Konsumenten Lebensmittel weg, weil sie<br />
zu viel gekocht (32 Prozent) oder eingekauft (29 Prozent) haben. Bei<br />
jedem Fünften ist das abgelaufene Mindesthaltbarkeitsdatum ein<br />
Grund, um die Produkte in den Müll zu befördern. Und 15 Prozent<br />
der Befragten entsorgen ihre Nahrungsmittel, weil es ihnen nicht<br />
schmeckt. „Um das alltägliche Konsumverhalten in den Haushalten<br />
zu verändern, ist die Sensibilisierung für das Thema ein wichtiger<br />
erster Schritt“, davon ist Marc Schäfer, Strategie-Geschäftsführer<br />
RaboDirect, überzeugt. „Wir setzen auf gezielte Bildungsprojekte<br />
mit Kindern und Jugendlichen, die ihr neu erworbenes Wissen<br />
dann wiederum in ihre Familien tragen.“<br />
Banking for Food Als Teil der auf den Lebensmittel- und Agrarbereich<br />
spezialisierten Rabobank engagiert sich RaboDirect unter<br />
dem Motto Banking for Food für eine zuverlässige<br />
Lebensmittelversorgung der Weltbevölkerung sowie<br />
für faire Bedingungen in den Erzeugerländern.<br />
www.rabodirect.de/banking-for-food<br />
Mitmachen: Wer bei RaboDirect Geld<br />
auf einem Tagesgeldkonto anlegt,<br />
unterstützt weltweit Projekte gegen<br />
Lebensmittelverschwendung.<br />
04 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong> WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
05
Changemaker<br />
Mit seiner Kunst bricht der<br />
Leipziger Maler Hartmut Kiewert<br />
gewohnte Wahrnehmung auf<br />
und zeigt seine Utopie eines<br />
alternativen Gesellschaftsmodells<br />
COFFEE BREAK, 2016<br />
Öl auf Leinwand, 160 x 190 cm<br />
Utopien<br />
in Öl<br />
Text IRIS RODRIGUEZ<br />
Der Leipziger Maler Hartmut Kiewert zeigt in befremdlich-schönen<br />
Gemälden seine ganz eigene Vorstellung von der Zukunft,<br />
in der Menschen und Tiere in vollkommener Harmonie zusammenleben.<br />
06 I7 GOALS<br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
07
Changemaker<br />
K<br />
ühe schlendern durch ein Einkaufszentrum. Ein<br />
kleiner Junge kuschelt sich auf den Bauch eines schlafenden<br />
Schweins. Kälber entspannen gemeinsam mit<br />
Menschen auf der Picknickdecke. Die Ölgemälde von Hartmut<br />
Kiewert sind schon fast paradiesisch anmutende Augenblicke<br />
– und gerade deshalb so irritierend, denn diese Tiere sind<br />
eben lebendiger Teil unseres Alltags. Wir begegnen ihnen nur<br />
portionsweise und hygienisch verpackt im Supermarkt als Eier,<br />
Milch- und Fleischprodukte. Durch das ungesehen harmonische<br />
Miteinander schafft der Künstler eine Nähe zwischen Mensch<br />
und Tier, die es in Wirklichkeit so nicht gibt. „Insbesondere die<br />
Fleischproduktion wird in unserer Gesellschaft stark aus dem<br />
allgemeinen Bewusstsein verdrängt“, erklärt der Leipziger. Man<br />
habe nur noch die Waren, nicht aber die Individuen vor Augen.<br />
Die dahinterstehende Industrie wird nur selten in dem Ausmaß,<br />
wie sie tatsächlich arbeitet, wahrgenommen.<br />
Auf dem Werksgelände der ehemaligen Baumwollspinnerei in<br />
Leipzig, wo nach der Wende Kunst und Kultur die Fabrikgebäude<br />
erobert haben, hat der 39-jährige Maler sein Atelier. Halbfertige<br />
Bilder lehnen an weißen Wänden, die Sonne scheint durch große<br />
Fenster auf den rotbraun lackierten Estrichboden, ein Rollwagen<br />
mit veganer Ölfarbe und Pinseln neben der Staffelei. Seit über<br />
zehn Jahren setzt sich Kiewert in seiner Kunst mit Fragen zum<br />
gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnis auseinander. Sein<br />
Ansatz: Wie werden sogenannte Nutztiere wahrgenommen?<br />
Wie kann ich in der Vorstellungswelt etwas verändern? Wie zu<br />
einer anderen Sichtweise auf die Tiere beitragen? Er versteht<br />
seine Bilder nicht als utopische Blaupausen, sondern als Denkanstöße,<br />
die auf die Leinwand gebracht wurden. Ganz bewusst<br />
zeigt er in seinen Werken nicht das Elend, erhebt er nicht den<br />
Zeigefinger, sondern setzt auf die Kraft positiver Bilder. Die<br />
BROTHERS FROM DIFFERENT<br />
MOTHERS entstand 2016 und<br />
berührt durch die Selbstverständlichkeit,<br />
mit der die Jungen<br />
und die Ferkel interagieren<br />
BROTHERS FROM DIFFERENT<br />
MOTHERS, 2016<br />
Öl auf Leinwand, 145 x 195 cm<br />
„Man hat nur noch<br />
die Waren, nicht<br />
aber die Individuen<br />
vor Augen“<br />
friedvollen Szenen, die in seiner Fantasie entstehen, sind bis zu<br />
15 Quadratmeter groß und ziehen den Betrachter in den Bann.<br />
Häufig spürt er dann, dass etwas in den Köpfen stattfindet und es<br />
über die Kunst gelingt, Menschen durch einen positiven Ansatz<br />
zum Nachdenken anzuregen. „Ich werde es jetzt nicht allein mit<br />
meinen Bildern schaffen, dass die Menschen aufhören, tierische<br />
Produkte zu konsumieren“, räumt er ein, „aber ich werfe mit<br />
meiner Arbeit Steine in eine Waagschale, in die auch viele andere<br />
etwas hineinlegen. Vielleicht kommt irgendwann der Moment,<br />
wo Menschen tatsächlich in ihrem Alltag etwas verändern<br />
möchten“, fügt er optimistisch hinzu. Hartmut Kiewert selbst<br />
hat das vor langer Zeit getan: 2001 traf er die Entscheidung,<br />
sich vegetarisch, später dann auch vegan zu ernähren. „Ich habe<br />
mich mit meinen Maßstäben nach dieser Entscheidung mehr<br />
eins gefühlt“, erklärt er rückblickend. Er versteht dennoch, dass<br />
Menschen mit Vegetarismus und Veganismus hadern und darin<br />
08 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
09
Changemaker<br />
Ein Beitrag der SOS-Kinderdörfer weltweit<br />
Denkanstöße,<br />
die auf die Leinwand<br />
gebracht wurden<br />
TEPPICH III, 2017<br />
Öl auf Leinwand, 160 x 190 cm<br />
eher den Verzicht sehen. „Ich bin ja auch nicht als Vegetarier<br />
geboren und weiß, dass es manchmal schwerfällt“, räumt er ein.<br />
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und es erfordert Energie,<br />
Gewohnheiten zu ändern.“ Doch viel schwieriger empfand er den<br />
Druck aus dem sozialen Umfeld. „Als ich vor 18 Jahren aufgehört<br />
habe, Fleisch zu essen, fühlte ich mich manchmal wie der lebende<br />
Vorwurf – es ist leichter, auf Wurst und Steak zu verzichten als<br />
das auszuhalten“, weiß er aus eigener Erfahrung.<br />
Befreite Tiere, die in einer zukünftigen Landschaft vor<br />
verfallenen Schlacht- und Masthöfen ihr Leben in Freiheit genießen<br />
– auch dies sind Motive seiner Reihe Animal Utopia. In<br />
seiner Vorstellungskraft hat Hartmut Kiewert die<br />
Tierbefreiung bereits vollzogen, die es in der Realität<br />
vielleicht niemals geben wird. Doch so ist das Wesen<br />
von Utopien: Sie zeigen Träume von einer<br />
anderen, alternativen Welt. Und regen über<br />
positive Bilder an, einfach auch mal den<br />
Status quo infrage zu stellen.<br />
CALL TO ACTION: Pflanzliche Alternativen zu Tierprodukten<br />
ausprobieren und darüber reden. Vielleicht gemeinsam mit Freunden<br />
eine vegetarische oder vegane Woche machen und schauen,<br />
wie sich das anfühlt. Und mit dem eigenen Enthusiasmus auch andere<br />
anstecken. Darauf lässt sich aufbauen. www.hartmutkiewert.de<br />
HILFE NACH MASS<br />
Wie die SOS-Kinderdörfer weltweit mit individueller Unterstützung einzelner<br />
Kinder und Familien letztlich ganze Gesellschaften verändern<br />
Es ist erwiesen, dass Schutz<br />
und Förderung vulnerabler<br />
Kinder und Jugendlicher<br />
die gesamtgesellschaftliche,<br />
sozioökonomische Entwicklung<br />
eines Landes fördern<br />
Nutztiere, die keinen Nutzen mehr<br />
zu haben brauchen, leben auf den<br />
Leinwänden des Leipziger Künstlers<br />
Hartmut Kiewert in harmonischer<br />
Koexistenz mit den Menschen<br />
A<br />
ls wir mit unserer Arbeit vor 70 Jahren begannen, dachte<br />
man nicht über nachhaltige Entwicklungsziele nach.<br />
Was das SOS-Gründerteam antrieb, waren Mitgefühl<br />
und eine intuitive, menschliche Bauchentscheidung. Mit dieser<br />
Haltung und unserem ganzheitlichen Kinderschutz- und Familienhilfe-Ansatz<br />
arbeiten wir bis heute und tragen so zur Erreichung<br />
von mindestens elf der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung bei.<br />
Das SOS-Gründerteam wollte stets nur eines: verlassenen Kindern<br />
den Schutz und die Geborgenheit einer Familie bieten und<br />
damit eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben ohne Armut.<br />
Um das zu erreichen, vermittelten sie stabile Bezugspersonen,<br />
ermöglichten den Zugang zu Schulen und eine gute Berufsausbildung<br />
ihrer Schützlinge. Sie sorgten für medizinische Versorgung<br />
und gaben Werte wie Gleichberechtigung und Toleranz mit auf<br />
den Lebensweg.<br />
Unser Ziel hat sich nicht verändert: Kindern, Jugendlichen<br />
und Familien im Kampf gegen Armut und Ungleichheit zur Seite<br />
zu stehen. Doch wenn wir gerufen werden, hat sich die Armut<br />
mit all ihren Begleiterscheinungen wie Kinderarbeit, Missbrauch,<br />
Vernachlässigung, Frühverheiratung oder Kinderhandel in der<br />
Gemeinde oder der Region schon manifestiert. Dann braucht es<br />
eine maßgeschneiderte, die Ursachen bekämpfende, gründliche<br />
Therapie.<br />
Die SOS-Kinderdörfer weltweit haben deshalb die Programme<br />
ausgebaut und um Schulen, Sozialstationen und medizinische<br />
Zentren ergänzt. Weil wir weiterhin Schwerpunkte verlagert und<br />
Erfahrungen umgesetzt haben, steht heute Prävention im Vordergrund.<br />
So unterstützen wir Familien in Not, bevor sie zerbrechen<br />
und schaffen ein gesellschaftliches Bewusstsein für Gesundheit<br />
und Kinderschutz. Unsere Erfolgskriterien sind schlicht, aber<br />
ehrgeizig:<br />
• Wir sind erfolgreich, wenn wir Kinder und Jugendliche ohne<br />
elterliche Fürsorge und Kinder und Jugendliche aus vulnerablen<br />
Familienverhältnissen schützen vor Vernachlässigung,<br />
Missbrauch, Ausbeutung und Gewalt. Wir fördern sie liebevoll<br />
und adäquat in ihrer individuellen Persönlichkeitsentwicklung.<br />
• Wir sind erfolgreich, wenn wir einer Familie helfen konnten,<br />
den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen.<br />
• Wir sind erfolgreich, wenn diese Kinder und<br />
Jugendlichen im Erwachsenenalter am<br />
gesellschaftlichen Leben teilhaben und<br />
einen positiven Beitrag zur Entwicklung<br />
ihrer Gemeinden und Länder leisten.<br />
Mitmachen: Unterstützen Sie die<br />
SOS-Kinderdörfer weltweit. Mehr unter<br />
www.sos-kinderdoerfer.de<br />
BUNTE STUFEN, 2017<br />
Öl auf Leinwand, 120 x 150 cm<br />
Bilder: © Hartmut Kiewert<br />
Bilder: © Peter Käser<br />
10 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong> WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
11
kurz & gut<br />
Ziele im Fokus: Ein Beitrag von Engagement Global<br />
Goood telefonieren<br />
Der umkämpfte Markt der Telefon- und Surftarife wird<br />
nachhaltiger: Das Sozialunternehmen goood bietet vier<br />
günstige Tarife an und spendet 10 Prozent der Grundgebühr.<br />
Die Kunden wählen selbst aus, welches der über 250 sozial<br />
und ökologisch nachhaltigen Projekte sie unterstützen.<br />
„Wir wollen zeigen, dass die Gemeinschaft wirklich etwas<br />
bewegen kann“, erklärt Claudia Winkler, Gründerin von<br />
goood. 2019 wurde das Team dafür zu den „Most Impactful<br />
Global Social Innovators 2019“ weltweit gewählt.<br />
www.goood.de<br />
Lesen tut gut<br />
Erst mal sehen, was die faire Online-Buchhandlung hat:<br />
Alternative Buchanbieter wie Buch7 haben zwar nicht –<br />
wie der Marktführer – jedes der neun Millionen in<br />
Deutschland verfügbaren Bücher im Angebot. Dafür spendet<br />
sie Teile ihrer Erlöse: Bei Buch7 gehen 75 Prozent an<br />
kulturelle, ökologische oder soziale Projekte. Bücher,<br />
E-Books, CDs und Filme werden versandkostenfrei geliefert.<br />
www.buch7.de<br />
Beim ersten FESTIVAL DER<br />
TATEN haben junge Engagierte<br />
aus ganz Deutschland<br />
gezeigt, was gute Ideen und<br />
der Wille für Veränderung<br />
schaffen können<br />
So kommen die 17 Ziele<br />
zu den Menschen<br />
Grünes Geld<br />
Was macht meine Bank eigentlich mit meinem Geld?<br />
Wird es in die Produktion von Waffen oder den Erhalt von<br />
Kohlekraft investiert? Trägt es zu Umweltzerstörung und<br />
Klimawandel bei? Oder nutzt die Bank die Gelder, um den<br />
sozialen und ökologischen Wandel voranzutreiben?<br />
Der Fair Finance Guide hat 14 Banken analysiert und zeigt,<br />
wie sie zu nachhaltiger Geldanlage stehen. Je nach Ergebnis<br />
heißt es dann: Handeln und zu den Guten wechseln.<br />
www.fairfinanceguide.de<br />
Bitte auffüllen!<br />
Die bundesweite Bewegung Refill hat dem Wahnsinn<br />
von Wasser in Plastikflaschen den Kampf angesagt. Die Idee:<br />
In Geschäften, Cafés, Apotheken, Behörden und vielen<br />
anderen Stationen kann man sich Leitungswasser in einer<br />
mitgebrachten Flasche abfüllen. „Mittlerweile gibt es<br />
rund 5.000 teilnehmende Refill-Stationen und täglich<br />
kommen circa 30 hinzu“, so Gründerin Stephanie<br />
Wiermann. Einfach auf den blauen Tropfenaufkleber achten<br />
oder online bzw. in der App Stationen finden.<br />
www.refill-deutschland.de<br />
Bilder: © oben links: Goood oben rechts: Christian Dubovan/Unsplash unten links: Kinga Cichewicz/Unsplash unten rechts: Refill Deutschland<br />
Bilder: © Engagement Global/Frederik Schramm<br />
Das Projekt <strong>#1</strong>7Ziele verbindet die Themen der<br />
Agenda 2030 mit der Alltagswelt der Menschen – sei es<br />
auf der Arbeit oder in ihrer Freizeit, online oder offline.<br />
Durch Kooperationen mit Vereinen, Hochschulen,<br />
Unternehmen und anderen gesellschaftlichen Gruppen<br />
werden Menschen erreicht, die bislang wenige<br />
Berührungspunkte mit den 17 Zielen und ihren Themen<br />
hatten. So wie auch beim Festival der Taten, das<br />
erstmals 2019 in Berlin stattgefunden hat. <strong>#1</strong>7Ziele wird<br />
durchgeführt von Engagement Global im Auftrag<br />
des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung.<br />
12<br />
<strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
13
Ziele im Fokus: Ein Beitrag von Engagement Global<br />
400 Köpfe für<br />
die Zukunft<br />
Mit kreativen Design-<br />
Thinking-Methoden<br />
entwickelten die Teilnehmer<br />
viele spannende Ideen<br />
Mit der geballten kreativen Energie<br />
junger Menschen aus ganz Deutschland<br />
ist das Festival der Taten von<br />
Engagement Global in die erste Runde<br />
gestartet. Im Mittelpunkt standen<br />
die 17 Ziele. Herausgekommen sind<br />
unkonventionelle Lösungen<br />
Text KATHARINA FINKE<br />
V<br />
ier große Darrschlote ragen im Süden Berlins in den<br />
Himmel. Sie gehören zur Malzfabrik in Berlin-Tempelhof.<br />
Früher dienten die drehbaren Hauben<br />
dazu, die in der Mälzerei hergestellten Bierzutaten zu trocknen.<br />
Inzwischen steht die Landmarke der Hauptstadt unter Denkmalschutz<br />
und ist ein Ort für Kreativität. Genau deswegen hat ihn<br />
Engagement Global für sein Festival der Taten ausgesucht: ein<br />
intensiver Ideen-Workshop, bei dem an zwei Tagen innovative<br />
Ideen und konkrete Lösungsansätze für die Umsetzung der 17<br />
Ziele im Alltag gebraut wurden.<br />
Im kühlen Maschinenraum in einem der alten Backsteinbauten<br />
versammeln sich an diesem heißen Tag im Mai die aus<br />
ganz Deutschland angereisten Teilnehmenden. „Schaut euch<br />
um und ihr werdet einen großen Raum voller Potenzial sehen“,<br />
begrüßt Christian Mäntele, Leiter des Projekts <strong>#1</strong>7Ziele, die<br />
Zukunftsgestalter. Damit sich alle besser kennenlernen, werden<br />
sie aufgefordert, mit gesenktem Blick durch den schwarz-weiß<br />
gefliesten Raum zu schlendern und „sich ein engagiertes Paar<br />
Schuhe“ zu suchen. Auf ein Signal bleibt jeder vor einem Gegenüber<br />
stehen, die beiden stellen sich vor und erzählen, warum<br />
sie teilnehmen. „Ich interessiere mich für Nachhaltigkeit“, „Ich<br />
wollte gerne Gleichgesinnte kennenlernen“ und „Ich habe Lust,<br />
etwas zu verändern“ sind einige der Aussagen.<br />
Je nachdem, welches der globalen Nachhaltigkeitsziele die<br />
Visionäre besonders interessiert, können sie sich dann einer<br />
der 30 Gruppen anschließen. Und schon bald sind alle mitten<br />
im Design-Thinking-Prozess, einer Methode, wonach sich neue<br />
Ideen besser entwickeln lassen, wenn gemeinsam Konzepte<br />
ausgearbeitet und mehrfach überprüft werden. In der Auseinandersetzung<br />
mit Themen, die sie bewegen, lernen die Anwesenden<br />
gleichzeitig, scheinbar lose Ideen zu konkretisieren, zu visualisieren<br />
und andere dafür zu gewinnen.<br />
Auf dem gesamten Gelände, vom Keller bis zum Speicher,<br />
draußen auf der Wiese und der Terrasse haben sich die Teams<br />
verteilt. Gedanken werden gesammelt, Ideen skizziert, Wände,<br />
Böden, Tische, Flip-Boards und Säulen mit Entwürfen beklebt. Ein<br />
inspirierter, kreativer und konzentrierter Austausch. Genau dies<br />
sei auch das Ziel des Festivals der Taten, erklärt Dr. Jens Kreuter,<br />
Geschäftsführer von Engagement Global. „Wir möchten jungen<br />
Menschen ganz konkret Werkzeuge an die Hand geben, Impulse<br />
schaffen, den Austausch mit Gleichgesinnten ermöglichen und<br />
aufzeigen, wie sich die 17 Ziele durch Aktionen und Projekte hier<br />
in Deutschland umsetzen lassen“, sagt er. Jeder zwischen 18 und<br />
35 Jahren konnte sich bewerben. Herausgekommen ist eine bunte<br />
Mischung unterschiedlicher Persönlichkeiten, die sich gegenseitig<br />
inspirieren. Am zweiten Tag hätte man Erschöpfung erwarten<br />
können, doch das Gegenteil ist der Fall. Schwer zu sagen, ob die<br />
Engagierten aufgeregter sind, ihre eigenen Ideen zu pitchen oder<br />
die der anderen Gruppen kennenzulernen. Der Tag startet mit der<br />
Vorbereitung der Präsentationen. Annalena Stockhoff (22), die<br />
in Duisburg nachhaltige Sozialpolitik studiert, ist mit ihrem fünf<br />
Bilder: © © Engagement Global/Frederik Schramm<br />
Alte Backsteinbauten und<br />
feinstes Wetter – die<br />
Malzfabrik in Berlin ist ein<br />
echt inspirierender Ort<br />
14<br />
<strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong> WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
15
Ziele im Fokus: Ein Beitrag von Engagement Global<br />
Interview<br />
„Schaut euch um:<br />
Ihr seht einen Raum<br />
voller Potenzial“<br />
19. Jahreskonferenz<br />
des Rates für Nachhaltige<br />
Entwicklung am<br />
04.06.2019 in Berlin<br />
Monate alten Sohn hier: „Mir ist es wichtig, nachhaltigen Konsum<br />
vorzuleben“, sagt sie, „mir gefällt der Austausch beim Festival der<br />
Taten sehr gut und ich bin gespannt auf die Ergebnisse.“<br />
Und schon geht es los: Jedes Team hat wenige Minuten, um<br />
seine Idee zu einem der 17 Ziele vorzustellen.<br />
Nach den Präsentationen wird bewertet; jeder Teilnehmer<br />
kann dabei fünf Punkte vergeben. Die Gruppen mit den meisten<br />
Punkten dürfen dann später draußen auf der Festivalbühne ihre<br />
Idee noch einmal vorstellen. Die Lösungsansätze reichen von einer<br />
No-Poverty-Messe (Ziel 1) über ein neues Schulfach Zukunft (Ziel 4)<br />
bis zu einem kooperativen Bestellsystem im Unverpackt-Laden<br />
in der Mehrweg-Box (Ziel 12). So unterschiedlich die Ideen, so<br />
unterschiedlich sind auch die Darstellungsformen, sei es ein<br />
eigens angefertigtes Video, ein selbst konzipiertes Schauspiel oder<br />
die spontane Nachrichtenschalte oder ein Prototyp aus Karton – so<br />
wie die Gruppe des Kiezmobils, einem Treffpunkt für Jung und<br />
Alt, der dem nachbarschaftlichen Miteinander dient. Hauptanliegen<br />
des Beitrags zu nachhaltiger Stadtentwicklung (Ziel 11): den<br />
Kiez grüner machen und für Kinder einen autofreien Raum zum<br />
Spielen schaffen.<br />
Das Publikum kann während der Präsentatinen Kommentare<br />
abgeben, die live auf einer Leinwand an der Bühne zu sehen sind. „Ich<br />
wusste gar nicht, was auf mich zukommt“, sagt Tobias Müller (28)<br />
aus Bamberg, dem es wichtig ist, Nachhaltigkeit in seinen Alltag<br />
zu integrieren, „aber ich bin positiv überrascht über die tollen<br />
In 30 Teams wurden unter<br />
Anleitung vorher ausgebildeter<br />
Teamerinnen und Teamer<br />
Projektideen zu den Nachhaltigkeitszielen<br />
umgesetzt<br />
Ideen beim Festival.“ Besonders begeistert sind viele von der Idee,<br />
Berater auf Bauernhöfe zu schicken, um den Landwirten vor Ort<br />
zu helfen, ihre Produktionsbedingungen ökologisch zu gestalten.<br />
Aber was passiert eigentlich nach zwei Tagen voller Engagement<br />
mit den Visionen? „Wichtig für uns war, dass jeder und jede<br />
mit einer konkreten Idee aus dem Festival kommt, die er oder sie<br />
morgen umsetzen möchte“, sagt Dr. Kreuter von Engagement<br />
Global, „wir hoffen, dass sie daran weiterarbeiten und sich weiter<br />
vernetzen.“ Dazu dient ihnen eine spezielle Online-Community.<br />
Arani Ganeshalingam (21) von der Hochschule Osnabrück ist<br />
ganz sicher: „Wir haben in kurzer Zeit viel geschafft und dieser<br />
Input ist sehr wertvoll für mich“, sagt sie und hat vor, die Ideen in<br />
die Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit an ihrer Hochschule zu tragen<br />
und dort weiterzuentwickeln.<br />
Und das ist nicht der einzige Lichtblick für die Zukunft: Das<br />
zweite Festival der Taten ist bereits in Planung – mit einem lokalen<br />
Bezug, mit Zukunftsgestaltern aus der Region und wieder<br />
getreu dem Motto: Tu Du’s.<br />
Mitmachen: Mehr Informationen unter www.17ziele.de,<br />
www.engagement-global.de<br />
Twitter: @17Ziele, Instagram: 17ziele.de, YouTube: <strong>#1</strong>7Ziele<br />
Bild: © Engagement Global/Frederik Schramm<br />
Bild: © RNE, Foto by Andreas Domma<br />
„Ich möchte das<br />
Set-up verändern“<br />
2001 wurde der Nachhaltigkeitsrat unter der rot-grünen Regierung<br />
Schröder ins Leben gerufen. Was hat sich in Deutschland<br />
durch die Arbeit des Rates verändert?<br />
Laut einer Umfrage der Bundesregierung können heute 84 Prozent<br />
der Deutschen etwas mit dem Begriff Nachhaltigkeit anfangen,<br />
2001 waren dies gerade einmal 13 Prozent. Das geht natürlich<br />
nicht alles auf uns zurück, aber wir konnten so manche gesellschaftliche<br />
Veränderung anschieben: durch Ermutigung, Zuspruch,<br />
viele eigene Initiativen und indem wir Ziele vorschlagen.<br />
Sie müssen wichtig und spannungsreich sein und die Menschen<br />
müssen sich konkret etwas darunter vorstellen können. Ein<br />
Beispiel ist der Ökolandbau. Das damals von uns aufgestellte<br />
Ziel lautete 20 Prozent ökologisch bebaute Fläche. Da haben alle<br />
gesagt: „Das ist doch verrückt, total illusionär.“ Aber heute gibt<br />
es einen regelrechten Run: Immer mehr Landwirte wollen in den<br />
Ökolandbau, weil man damit noch Geld verdient und zu den Guten<br />
gehört. Die Supermärkte haben ebenfalls reagiert. Das ist eine<br />
Entwicklung, die vor 20 Jahren keiner für möglich gehalten hätte.<br />
Worin sehen Sie für Ihre Arbeit die Herausforderung?<br />
Als ich 2001 die Chance bekam, meine jetzige Position zu<br />
übernehmen, dachte ich mir: Wenn mich keiner aufhält, mache<br />
Seit über 18 Jahren berät<br />
Prof. Dr. Günther Bachmann als<br />
Generalsekretär des Nachhaltigkeitsrates<br />
die Bundesregierung.<br />
Mit Kreativität und manch<br />
unkonventioneller Vorgehensweise<br />
hat er die Entwicklung der<br />
Nachhaltigkeit in Deutschland<br />
maßgeblich mitgestaltet.<br />
Interview IRIS RODRIGUEZ<br />
16 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
17<br />
<strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>
Eine Anzeige von Ärzte ohne Grenzen<br />
Bild: © © Andreas Domma, © Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE)<br />
„Du redest ja<br />
immer noch über<br />
Nachhaltigkeit,<br />
hast du nicht mal<br />
etwas Neues?“<br />
ich einiges anders – solange, bis mich jemand aufhält. Ich habe<br />
mich gefragt: Was kann ich tun, um das Set-up zu verändern?<br />
Darauf habe ich in meiner Arbeit immer die meisten Gedanken<br />
verwendet.<br />
Welchen Schwierigkeiten sind Sie beim Voranbringen nachhaltiger<br />
Entwicklung begegnet?<br />
Ich würde sagen, der Umstand des weit verbreiteten Silodenkens<br />
in unserem Land. Da denken Lehrer über Bildung für nachhaltige<br />
Entwicklung nach, sitzen Landwirte zu Themen wie Naturschutz<br />
und Milchpreise zusammen, stellen Förster fest, dass es einen<br />
Waldumbau braucht. Ein Autohaus wiederum möchte von Benzin-<br />
auf Elektroautos umstellen und ein Bäcker bietet an, nicht<br />
gegessenes Brot zurückzunehmen – und alle machen es unter<br />
dem Stichwort Nachhaltigkeit. Übereinander allerdings wissen sie<br />
nichts. Da haben wir gesagt: Wir verknüpfen die Silos. Und weil<br />
das nur regional geht, haben wir vier regionale Vernetzungszentren<br />
gegründet, die RENN.<br />
Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit besonders viel Spaß?<br />
Nachhaltigkeit inhaltlich so zu fassen und zu präsentieren, sodass<br />
ich in den Gesichtern der Leute sehe: Jetzt verändert sich<br />
gerade etwas und die Menschen sagen: Das geht mich etwas an.<br />
Solche Interventionen immer wieder hinzukriegen, darin liegt<br />
für mich der Charme, das macht mir Spaß. Das gilt übrigens<br />
auch im Rat intern mit unserem Team. Vergangenes Jahr sind<br />
wir in die Schachtanlage Asse gefahren, wo für 100.000 Jahre<br />
der radioaktive Müll gelagert wird. Wir kommen also unten im<br />
Salzstock an und plötzlich plätschert es. 12 Kubikmeter Wasser<br />
dringen da unten täglich ein. Wasser, Salz? Atommüll im Wasser?<br />
Das ist eine körperliche Erfahrung, als Lehrstück besser als jedes<br />
Seminar über unsere Fähigkeit zu dauerhaften Lösungen und<br />
zur Langfristigkeit von Generationsverträgen. Man spürt fast<br />
körperlich: Da stimmt etwas nicht.<br />
In Ihrer Position konnten Sie viel bewegen – worauf sind Sie<br />
besonders stolz?<br />
Dass wir es als Team des Rates und der Geschäftsstelle geschafft<br />
haben, das Thema Nachhaltigkeit auf der Höhe der Politik zu<br />
halten, und zwar während fünf verschiedener Regierungen mit<br />
vier Farben. Da hätte man auch schon mal abstürzen oder in<br />
Vergessenheit geraten können. Ich höre von politischen Profis oft:<br />
„Du redest ja immer noch über Nachhaltigkeit, hast du nicht mal<br />
etwas Neues?“ Ich antworte: „Es ist das Thema des 21. Jahrhunderts<br />
und man muss verstehen, dass alle modernen Themen wie<br />
Digitalisierung im materiellen Kern etwas mit Nachhaltigkeit –<br />
oder auch mit Nicht-Nachhaltigkeit – zu tun haben.“ Das Thema<br />
erledigt sich nicht, nur weil bereits ein paar Jahre darüber geredet<br />
wurde. Das ist eine falsche Perspektive. Gut war auch, dass wir die<br />
UN-Ziele zur Nachhaltigkeit von Anfang an und früher als andere<br />
unterstützt und auf die deutsche Situation hin angewendet haben.<br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
Das hat die Bundesregierung zu einer grundlegenden Neufassung<br />
der Nachhaltigkeitsstrategie bewogen.<br />
Was ist nicht so gut gelaufen?<br />
Zwei Beispiele. Mobilität: Wir sind aus dem Technikpfad Verbrennungsauto<br />
zu lange nicht herausgekommen. Als es bereits<br />
2001/2002 um die Mobilität ging und wir den Dialog mit Industrie<br />
und Regierung als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie angestoßen<br />
hatten, wollten die Konzerne nicht in die Elektromobilität<br />
hinein. Damals hätte man statt Dialog ohne Ende besser ganz<br />
präzise die Alternativen auf den Tisch gelegt: Gesetz und Fördermaßnahmen.<br />
Deutschland hat da 15 Jahre verloren. Ökosteuer:<br />
Wir hatten vor 13 Jahren einen guten internen Entwurf der Umwelt-<br />
und Industrievertreter im Rat für eine engagierte Ökosteuer,<br />
die „gelbwestenfest“ war (damals machten in Deutschland der<br />
ADAC und die Bild-Zeitung die Opposition aus). Aber wir haben<br />
das nicht durch den RNE gekriegt.<br />
Einmal jährlich findet der Deutsche Nachhaltigkeitspreis statt,<br />
den Sie mit ins Leben gerufen haben. Ein Projekt mit Strahlkraft.<br />
Ja, 12 Jahre ohne einen Fall von billigem GreenWashing. Den<br />
Unternehmen ist es ernst. Sie sind verpflichtet, alles offenzulegen.<br />
Vor allem aber fördert der Preis den Wettbewerb hin zu mehr<br />
Nachhaltigkeit. Als wir zum Beispiel 2012 Unilever für seine<br />
Zukunftsstrategie auszeichneten, hat der Konzern im Nachgang<br />
gemeinsam mit Henkel und anderen das Forum Palmöl gegründet.<br />
Oder die Auszeichnung des Herstellers Frosch 2009: Das<br />
Unternehmen hat daraufhin seine Recyclat-Initiative gestartet<br />
und ein wichtiges Signal für die Plastikdebatte gesetzt. Der Preis<br />
vermittelt die Frage: Schaut, die können es, warum können es die<br />
anderen nicht?<br />
2020 verlassen Sie den Nachhaltigkeitsrat. Werden Sie auch in Ihrer<br />
neuen Lebensphase den Nachhaltigkeitsthemen treu bleiben?<br />
Keine Sorge, ich schalte dann nicht auf Hyperkonsum und Wegwerflogik<br />
um. Wo und wie genau ich mich weiter einschalte, das<br />
wird sich zeigen. Aber Abschalten ist mein Plan nur, was Atomund<br />
Kohlekraftwerke angeht, aber nicht Engagement.<br />
Zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele kann jeder beitragen.<br />
Was ist Ihr Aufruf an jeden Einzelnen?<br />
Die meisten Menschen wählen, aber kaum jemand fragt seine<br />
Wahlkreisabgeordneten, was sie zum Thema Nachhaltigkeit tun.<br />
Das ist mein Appell: Einfach mal ins Wahlkreisbüro gehen und<br />
nachfragen. Dort wäre man mitunter sicherlich sehr überrascht.<br />
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), 2001 von der<br />
rot-grünen Regierung berufen, hat die Verankerung der 17<br />
Nachhaltigkeitsziele in der Agenda 2030 aktiv mit begleitet.<br />
Der Rat wirkt als Schwungrad für die deutsche Nachhaltigkeitspolitik.<br />
Seine Mitglieder werden alle drei Jahre neu berufen<br />
oder bestätigt, seit 2001 gehörten ihm rund 50 Personen<br />
aus allen Bereichen der Gesellschaft an. Über die Position<br />
des Generalsekretärs entscheidet das Bundeskanzleramt.<br />
Beispielhafte Initiativen und Projekte des Rates: Taten für<br />
Morgen, Aktionstage Nachhaltigkeit, Hub Sustainable<br />
Finance, Deutscher Nachhaltigkeitskodex, Regionale<br />
Netzwerkstellen Nachhaltigkeitsstrategie (RENN), Deutscher<br />
Nachhaltigkeitspreis www.nachhaltigkeitsrat.de<br />
Bild : © Sarah Pierre/MSF © MSF<br />
EIN GESUNDES<br />
LEBEN FÜR ALLE<br />
„Gesundheit ist ein Menschenrecht“,<br />
sagt Luise Jähne. Damit Menschen in Not<br />
medizinische Versorgung erhalten,<br />
leistet die Hebamme von Ärzte ohne Grenzen<br />
Hilfe – auch im Konfliktgebiet<br />
Nach Jahren der Kämpfe gibt es im Südsudan kaum<br />
intakte Krankenhäuser“, erzählt die Hebamme<br />
nach ihrer Rückkehr aus dem Bürgerkriegsland<br />
im Oktober 2018. Sie half dort Frauen, ihre Kinder gesund zur<br />
Welt zu bringen. Die Senkung der Kinder- und Müttersterblichkeit<br />
ist Ärzte ohne Grenzen ein wichtiges Anliegen. „Unsere<br />
Patientinnen laufen sehr weite Wege zu uns, so wie zum<br />
Beispiel Deborah Nyawich, die drei Stunden bis zu uns ins<br />
Gesundheitszentrum lief. Das ist absolut nicht ideal, wenn du<br />
Schmerzen und Wehen hast“, so Jähne.<br />
Ein Unterziel des Nachhaltigkeitsziels 3 ist es, bis 2030 die<br />
Neugeborenensterblichkeit weltweit signifikant zu senken: auf<br />
weniger als zwölf Todesfälle bei 1.000 Geburten. „Als Deborahs<br />
Baby zur Welt kam, mussten wir es fünfzehn Minuten reanimieren.<br />
Einen Tag später konnten Mutter und Baby gesund<br />
unser Behandlungszelt verlassen. Es sind Momente wie dieser,<br />
weshalb ich diesen Job mache. Es sollte keine Rolle spielen,<br />
18 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
19<br />
ob ich im Südsudan geboren werde oder in Deutschland“, so<br />
Jähne. „Im Team dazu beizutragen, dass Frauen und Säuglinge<br />
bessere Überlebenschancen haben, macht mich stolz und froh.“<br />
In Notsituationen wie Kriegen oder Epidemien legt Ärzte<br />
ohne Grenzen spezielles Augenmerk auf Risikogruppen, die<br />
besonders gefährdet sind, weil ihr Immunsystem schwächer ist<br />
und sie sich folglich schneller anstecken – so wie Schwangere<br />
und Kinder unter fünf Jahren. Wenn aufgrund der Not eine<br />
mangelhafte Ernährung hinzukommt, können ihre Körper das<br />
deutlich schlechter kompensieren. Das Ziel 3 – Gesundheit und<br />
Wohlergehen – darf nicht an Ländergrenzen oder am Zugang<br />
zu Konfliktgebieten scheitern: Das ist das Selbstverständnis von<br />
Ärzte ohne Grenzen.<br />
„In mehr als 440 Projekten in rund 70 Ländern sind unsere<br />
Teams weltweit aktiv“, sagt Barbara Gerold-Wolke, Leiterin der<br />
Spendenabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „In<br />
Konfliktgebieten wie im Südsudan ist es wichtig, dass wir unabhängig<br />
sind. Nur so können wir außerhalb des Konfliktes stehen<br />
und Nothilfe leisten. Deshalb nehmen wir in Deutschland<br />
keine staatlichen Gelder an. Wir finanzieren unsere Hilfe durch<br />
private Spenderinnen und Spender – jede Spende macht uns<br />
stark.“ Ärzte ohne Grenzen fragt seine Patientinnen<br />
und Patienten nicht nach politischer Überzeugung,<br />
ethnischer Herkunft oder Religionszugehörigkeit:<br />
Jeder hat den Anspruch auf ein gesundes Leben.<br />
Mitmachen: Sie können sich für Gesundheit<br />
weltweit einsetzen. Mehr über unsere<br />
Arbeit unter: www.aerzte-ohne-grenzen.de,<br />
Spenderservice-Telefon: 030 700 130 130<br />
links: Gesundheitszentrum von<br />
Ärzte ohne Grenzen in der umkämpften<br />
Region Leer, Südsudan<br />
unten: Die Hebamme Luise Jähne<br />
während ihres Einsatzes im Südsudan
Changemaker<br />
„Wir brauchen<br />
Menschlichkeit<br />
mehr denn je“<br />
Januar 2018, Mafrq/Jordanien;<br />
Treffen mit jungen Syrerinnen im<br />
Za‘atari Camp; rund 5,5 Millionen<br />
Syrer flohen in Nachbarstaaten<br />
Text IRIS RODRIGUEZ<br />
ANGELINA<br />
Juni 2018, Domiz/Irak, UNHCR-<br />
Sondergesandte Angelina Jolie<br />
dankt während ihrer 61. Mission den<br />
Irakern für ihre Großherzigkeit gegenüber<br />
den syrischen Flüchtlingen –<br />
im Hintergrund ein Flüchtlingslager<br />
für Tausende Menschen<br />
Bild : © UNHCR/Ivor Prickett<br />
Bild : © UNHCR/Andrew McConnell:<br />
Jenseits von Hollywood spielt<br />
Angelina Jolie eine weniger bekannte<br />
Rolle: Als Sondergesandte des Hohen<br />
Flüchtlingskommissars der Vereinten<br />
Nationen kämpft sie unermüdlich<br />
für eine Verbesserung der Situation<br />
von Flüchtlingen und Vertriebenen.<br />
Ihre Stimme wird gehört<br />
Staubige Springerstiefel, schwarze Hose und in Sicherheitsweste:<br />
Angelina Jolie steigt über Schutthaufen vorbei<br />
an Ruinen. Staub und flirrende Hitze. Die apokalyptische<br />
Szenerie einer vollkommen zerstörten Stadt ist jedoch kein<br />
Hollywood-Set, sondern die bittere Realität Mossuls. Die einstmals<br />
an kulturellem Leben so reiche Stadt im Irak ist auch im Juni<br />
2018, ein Jahr nach der Befreiung, katastrophal zerstört. „Dies ist<br />
die schlimmste Verwüstung, die ich in all meinen Jahren beim<br />
UNHCR gesehen habe“, erklärt die Sondergesandte bei ihrem<br />
bereits fünften Besuch im Irak. „Diese Menschen haben alles<br />
verloren und das Trauma und der Verlust, den sie erlitten haben,<br />
sind beispiellos.“<br />
Seit fast zwei Jahrzehnten widmet sich Angelina Jolie Flüchtlingen<br />
und Vertriebenen. 2001 übernahm sie die Aufgabe der<br />
Sonderbotschafterin des UNHCR, 2012 wurde sie zur Sondergesandten<br />
ernannt. Seitdem hat sie in über 60 Einsätzen Flüchtlingslager<br />
und Krisengebiete in aller Welt besucht, um sich immer<br />
wieder ein persönliches Bild von der Situation und dem Leben der<br />
Menschen zu machen.<br />
Es waren die Dreharbeiten zum Film Tomb Raider im Jahr 2000<br />
in Kambodscha, die in ihr den Wunsch weckten, sich für humanitäre<br />
Zwecke einzusetzen. Die damals 25-Jährige spürte eine große<br />
Ehrfurcht vor den Menschen des vom Terrorregime der Roten<br />
Khmer traumatisierten Landes und deren Fähigkeit, trotz großer<br />
Armut ihre Würde zu behalten. Nachhaltige Eindrücke, die Jolies<br />
Leben von da an prägten. Kurz darauf adoptierte sie ihr erstes<br />
Kind: den kambodschanischen Jungen Maddox, später dann Pax<br />
aus Vietnam sowie die Äthiopierin Zahara, bevor sie mit Brad Pitt<br />
noch drei leibliche Kinder bekam.<br />
Die globale Bekanntheit der Oscar-Preisträgerin ist ein starker<br />
Hebel und sie nutzt ihn. Als Sondergesandte repräsentiert sie die<br />
UN-Flüchtlingskommission und den Hohen Kommissar auf diplomatischer<br />
Ebene und arbeitet an langfristigen Lösungen für die<br />
großen Krisenherde. Sie macht auf die Rechte und die Schicksale<br />
20 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
21
Changemaker<br />
Ein Beitrag von TePe<br />
von Vertriebenen und Flüchtlingen weltweit aufmerksam. In ihrer<br />
bedeutenden Funktion appelliert sie immer wieder an die Staatsund<br />
Regierungschefs und fordert sie zum Handeln auf. Während<br />
ihrer Reise nach Kolumbien im Juni 2019 zu den aus Venezuela<br />
Geflüchteten trat sie vor die Pressemikrofone: „Führung bedeutet<br />
Verantwortung zu übernehmen, ebenso wie es Generationen vor<br />
uns getan haben, um auf die Bedrohung von Frieden und Sicherheit<br />
zu reagieren und eine auf Regeln basierende Weltordnung zu<br />
schaffen“, mahnte sie – im Hintergrund ein Meer aus Zelten des<br />
derzeit größten Flüchtlingslagers der Welt. „Heute brauchen wir<br />
Menschlichkeit mehr denn je“, fuhr sie fort, „und wir brauchen<br />
das rationale Denken von Menschen, die keine Angst davor haben,<br />
Verantwortung zu übernehmen und Führungsstärke zu zeigen.“<br />
Wenn Angelina Jolie die Flüchtlinge besucht, spricht sie mit<br />
vielen Menschen und hört ihre Schicksale. Die 17-jährige blinde<br />
Ester, die mit ihrer Familie Venezuela verlassen musste, weil es<br />
dort für sie keine medizinische Versorgung gibt. Die 90-jährige<br />
Rohinya im Flüchtlingslager in Bangladesch,<br />
die in ihrem Leben keinen Frieden erlebt hat<br />
und viele Male vertrieben wurde. Die junge<br />
Syrerin aus einer Break-Dance-Gruppe im<br />
jordanischen Lager Za’atari, die davon träumt,<br />
„Ihre Großherzigkeit<br />
ist<br />
eine Inspiration<br />
für uns alle“<br />
dass Mädchen in Syrien in der Zukunft führende<br />
Rollen einnehmen werden. Sie alle wünschen<br />
sich nichts sehnlicher, als die Rückkehr in ihre<br />
Heimat und ein Leben in Sicherheit. Angelina<br />
Jolie hört zu, streichelt und umarmt, spendet<br />
Trost, lacht mit den Kindern, teilt das Entsetzen<br />
und macht immer wieder Mut. Die Menschen<br />
spüren, dass sie in ihrem Leid und Schicksal<br />
gesehen und ernst genommen werden.<br />
Ruud Lubbers, ehemaliger Hoher Kommissar,<br />
hat vier Jahre mit Jolie gearbeitet. Im<br />
Vorwort ihres Buches Notes from my travels<br />
schreibt er: „Angelina hat meine Erwartungen<br />
weit übertroffen. Sie hat dazu beigetragen, die<br />
Schicksale der Geflüchteten greifbar zu machen.<br />
Ihre Großherzigkeit und mitfühlende Art<br />
sind eine Inspiration für uns alle“, so Lubbers.<br />
Sechsfache Mutter, Schauspielerin, Regisseurin,<br />
Drehbuchautorin, Produzentin. Sie<br />
könnte ihr Leben in Hollywood führen, sich<br />
der Familie und dem angenehmen Glamourleben<br />
widmen. Aber sie möchte mehr bewirken<br />
und macht auf höchster Ebene das, was<br />
jeder tut, der sich engagiert: Sie verlässt ihre<br />
Komfortzone. Für andere, für etwas Größeres, für eine bessere<br />
Welt. So, wie es Millionen Freiwillige tun, die sich<br />
täglich einsetzen – sei es für Umwelt, Tiere oder<br />
das Klima, Menschenrechte, Geschlechtergleichheit<br />
oder den örtlichen Sportverein. Mit hohem<br />
persönlichem Einsatz, viel Empathie und<br />
Unbeirrbarkeit gehört Angelina Jolie zu den<br />
Menschen, die die Welt bewegen.<br />
Mitmachen: Auf regionaler Ebene helfen – Anlaufstelle für mehr Infos<br />
sind die Landesflüchtlingsräte der Bundesländer: www.fluechtlingsrat.de<br />
Auf www.bamf.de unter „Willkommen in Deutschland“ und „Bürgerschaftliches<br />
Engagement“ findet man Hunderte Projekte, um sich einzubringen.<br />
International helfen mit Freiwilligenprogrammen, z.B. UN Volunteers<br />
Programme (www.unv.org), Senior Expert Service (www.ses-bonn.de)<br />
oder Arbeitsmöglichkeiten und Praktika innerhalb des UN-Systems<br />
(www.unric.org/de)<br />
Februar 2019, Bangladesh/Cox’s<br />
Bazar; Jolie macht sich ein Bild der<br />
humanitären Lage im Rohingya-<br />
Flüchtlingslager Chakmarkul<br />
Juni 2018, West-Mossul,<br />
Hassan– hier mit seinen<br />
drei Kindern – baut<br />
mithilfe des UNHCR<br />
sein Haus wieder auf<br />
Bilder: © oben: © UNHCR/Andrew McConnell unten: © UNHCR/Santiago Escobar-Jaramillo<br />
Nachhaltigkeit<br />
mit Biss<br />
Am Anfang war das erste dreieckige Zahnholz,<br />
1965 entwickelt von einem Holzschnitzer<br />
und zwei Professoren der Universität Malmö.<br />
Seitdem steht bei TePe, dem schwedischen<br />
Hersteller von Zahnpflegeprodukten, das<br />
Wohl von Mensch und Umwelt im Mittelpunkt<br />
J<br />
ahrhundertelang wurde Zuckerrohr angebaut und zu<br />
Rohrzucker verarbeitet. Doch seit wenigen Jahren kann<br />
diese Pflanze viel mehr sein als nur süß: Sie kann eine<br />
Zahnbürste werden. In einem innovativen Verfahren produziert<br />
TePe aus Biokunststoff, der aus Zuckerrohr hergestellt wurde,<br />
seine Zahnbürste GOOD. Das Gute an GOOD: Sie ist zu<br />
95 Prozent klimaneutral, denn das emittierte CO2, das während<br />
des Produktlebenszyklus der Zahnbürste entsteht, wird weitgehend<br />
ausgeglichen. Die Pflanzenrohstoffe nehmen CO2 auf, das von<br />
der Herstellung bis zum Recycling oder der Entsorgung entsteht,<br />
und tragen so zu einer besseren Bilanz bei. Bedenkt man, dass<br />
sich Milliarden Menschen jeden Tag die Zähne putzen und diese<br />
Zahnbürsten weltweit millionenfach entsorgt werden, ist diese<br />
GOOD-Zahnbürste ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.<br />
Ihrem Unternehmensgrundsatz sind die Schweden immer<br />
schon treu: Die Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt<br />
zu minimieren. TePe forscht und entwickelt zukunftsweisende<br />
Technologien und Produkte, die von fossilen Rohstoffen unabhängig<br />
sind und dazu beitragen, den CO2-Fußabdruck in der<br />
gesamten Wertschöpfungskette weiter zu reduzieren – und zwar<br />
vom Lieferanten bis zum Kunden. 2018 hat TePe sein gesamtes<br />
Nachhaltigkeitsstreben konsequent an den von der Weltgemeinschaft<br />
verabschiedeten 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung<br />
ausgerichtet. Acht dieser Ziele sind in die Unternehmensstrategie<br />
eingeflossen. „Wir haben diese Ziele ausgewählt, die für unser Geschäft<br />
besonders relevant sind und wo wir unseren größten Beitrag<br />
zu nachhaltiger Entwicklung sehen“, erklärt CEO Joel Eklund die<br />
Entscheidung.<br />
Natürlich steht Ziel 3 – Gesundheit und Wohlergehen – an<br />
erster Stelle. Schließlich dreht sich bei TePe alles um Mundgesundheit,<br />
die erwiesenermaßen einen starken Einfluss auf die<br />
allgemeine Gesundheit sowie Lebensqualität hat. Aber auch zu<br />
Ziel 7 – Bezahlbare und saubere Energie – leistet das Unternehmen,<br />
das heute in über 60 Länder exportiert, einen wichtigen Beitrag und<br />
nutzt grundsätzlich nur grüne Energie aus dem Netz. Außerdem<br />
hat TePe Malmös größte Solaranlage mit 955 Solarpanels errichtet,<br />
rund 220.000 Kilowattstunden Energie werden pro Jahr und direkt<br />
vor Ort produziert. Auch so werden die Schweden dem Ziel 13 zur<br />
Forcierung von Maßnahmen zum Klimaschutz gerecht.<br />
Doch weil Nachhaltigkeit neben ökologischen und ökonomischen<br />
auch soziale Aspekte spiegelt, sind beispielsweise auch ein positives<br />
Arbeitsumfeld, regionale soziale Projekte, Mitarbeitergesundheit,<br />
Weiterbildung und ein zahlenmäßig ausgeglichenes Verhältnis<br />
zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitern wichtig – im<br />
TePe-Headquarter in Malmö sind 50 Prozent der Belegschaft auf<br />
Managerebene weiblich, weltweit sind es 45 Prozent. Bereits 2015<br />
hat die Eklund-Familie zum 50-jährigen Unternehmensjubiläum die<br />
Eklund Foundation zur Förderung zahnmedizinischer Forschung<br />
und Lehre gegründet. So wird mit Ausdauer, Know-how<br />
und viel Engagement die Zukunft mitgestaltet.<br />
Mitmachen: Die Zahnbürste GOOD ist in drei<br />
Größen in Apotheken oder in zwei Größen bei DM<br />
erhältlich. Informationen zu GOOD sowie dem<br />
Unternehmen TePe: www.tepe.com/good<br />
Aus Zuckerrohr wird Biokunststoff<br />
und daraus eine Zahnbürste<br />
mit 95 Prozent klimaneutralem<br />
Produktlebenszyklus.<br />
22 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
23
Nachhaltigkeitstrend<br />
2009<br />
Jahr, in dem Montreal<br />
erstes Bike-<br />
Share-System der<br />
Welt einführte<br />
Quelle: Dycling Embassy Copenhagen<br />
4.400.000<br />
Anzahl<br />
E-Bikes in<br />
Deutschland<br />
Ende 2018<br />
Quelle: ZIV<br />
1. Platz<br />
Kopenhagen<br />
fahrradfreundlichste<br />
Stadt der Welt<br />
Quelle: Copenhagenize Index 2019<br />
2025<br />
Jahr, in dem<br />
norwegische<br />
Innenstädte autofrei<br />
sein müssen<br />
Quelle: Dycling Embassy Copenhagen<br />
Ziele im Fokus: Ein Beitrag des WWF<br />
Mit grünem Geld<br />
zu gutem Klima<br />
Umweltschutz in Gummistiefeln ist das eine. In Budapester-Schuhen<br />
funktioniert er aber auch. Und es braucht ihn sogar<br />
M<br />
atthias Kopp trägt Anzug. Oder zumindest ein<br />
Hemd, selbst an Tagen ohne Außentermine.<br />
T-Shirt, Sneaker, Drei-Tage-Bart – Fehlanzeige.<br />
Wie der stereotype Umweltschützer sieht Kopp damit nicht aus.<br />
Aber wenn er morgens um acht ins Büro in Berlin-Mitte kommt,<br />
ist genau das seine Aufgabe: Matthias Kopp ist Anzug-Aktivist.<br />
Im besten Sinne. Beim WWF Deutschland arbeitet er daran, das<br />
deutsche und europäische Finanzsystem nachhaltig aufzustellen.<br />
Damit ist er ein Umweltschützer par excellence. Denn das Finanzsystem<br />
grüner zu machen, ist einer der wichtigsten Hebel, um<br />
unsere Lebensgrundlagen langfristig zu schützen.<br />
Das liegt an den zwei großen Eigenschaften von Geld. Da<br />
wäre zum einen die schöne: Geld kann befähigen. Fließt es zum<br />
Beispiel in den Ausbau erneuerbarer Energien, in Wiederaufforstungsprojekte,<br />
in nachhaltig gemanagte Ackerflächen und<br />
Tierzucht, hilft es dabei, zukunftsfähige Strukturen aufzubauen<br />
und aufrechtzuerhalten – und damit die Zerstörung der Natur<br />
einzugrenzen, die Erderhitzung unter 1,5 Grad zu halten und den<br />
Artenverlust zu bremsen.<br />
Dann wäre da die schlechte: Geld kann zerstören. Indem<br />
es wiederum Strukturen am Leben hält, die allen das Leben<br />
schwermachen. So wie es in Kohlekraftwerke und -minen fließt,<br />
obwohl Kohleverstromung der größte Einzelverursacher vom<br />
Treibhausgas CO2 ist, das die Klimakrise anheizt. Oder in kommerzielle<br />
Sojaplantagen in Südamerika, die sich ihren Platz vom<br />
Amazonas-Regenwald rauben.<br />
Matthias Kopps Ziel ist es, dass Geld transformiert. „Geld soll<br />
Mittel zum Zweck sein, um veraltete und womöglich schädliche<br />
Wirtschaftsmodelle fit für die Zukunft zu machen. Denn das Ziel<br />
muss immer sein, möglichst viele Unternehmen mitzunehmen<br />
statt sie zurückzulassen“, sagt er. Würden sich Finanz- und dadurch<br />
auch die Realwirtschaft nachhaltig aufstellen, würde die<br />
Menschheit im Rahmen der planetaren Grenzen leben können.<br />
Und das gut.<br />
Aber davon ist sie derzeit weit entfernt. Stattdessen spielt sich<br />
das größte Massenartensterben seit den Dinosauriern ab und die<br />
durchschnittliche Temperatur hat sich seit der Industrialisierung<br />
bereits um einen Grad erhöht. Was das für Auswirkungen hat,<br />
Die WWF-Mitarbeiterin<br />
Eva Klebelsberg, die in<br />
der russischen Arktis gegen die<br />
Klimakrise kämpft, und<br />
Matthias Kopp, der<br />
sich für die Transformation des<br />
Finanzsystems stark macht<br />
erleben auch die Menschen in Deutschland durch die inzwischen<br />
häufigeren und extremen Wetterlagen. Besonders spürbar werden<br />
die Folgen der Klimakrise aber andernorts, wo die Einheimischen<br />
selbst am wenigsten Verantwortung für die Erderhitzung tragen.<br />
Am Beringmeer in der russischen Arktis liegt das Dorf Ryrkaipiy,<br />
in dem vornehmlich indigene Chukchi von traditioneller<br />
Fischerei leben. Doch in den vergangenen Jahren ist das Leben<br />
schwieriger geworden: Die Klimakrise drängt Eisbären verstärkt<br />
an Land – und damit auch in das Dorf. Einem hungrigen weißen<br />
Riesen wollen aber die wenigsten auf dem Weg zur Schule oder<br />
zur Arbeit begegnen.<br />
Bilder: © Coast Chukotka WWF RU © Irina Onufrenya, Portrait Eva Klebelsberg © privat,<br />
Portrait Matthias-Kopp © Daniel-Seiffert/WWF<br />
Gemeinsam mit dem WWF wird im Rahmen eines großen<br />
Klima- und Naturschutzprojektes in der russischen Arktis daher<br />
nun ein Anpassungsplan an die regionalen Folgen der Erderhitzung<br />
erstellt: Wo genau liegen die Probleme, was sind mögliche<br />
Lösungen? „Das könnten etwa bessere Müllsammelsysteme<br />
sein, damit die Eisbären von den offenen Müllhalden nicht<br />
mehr angelockt werden. Die Gemeinde möchte außerdem eine<br />
Eisbärenpatrouille einrichten“, schildert Eva Klebelsberg, die das<br />
Projekt leitet.<br />
Auch in einer zweiten Projektregion auf der Taimyrhalbinsel<br />
im Nordwesten Russlands spüren die Menschen die Folgen der<br />
Klimakrise. Hier leben viele Einheimische, die größtenteils zur<br />
indigenen Gruppe der Nenzen gehören, von der Rentierzucht.<br />
Doch mit den längeren, feuchteren Sommern nehmen die Parasiten<br />
zu, die den Rentieren zu schaffen machen. Und damit<br />
auch ihren Züchtern.<br />
Gleichzeitig steigt das industrielle Interesse an der Region.<br />
„Die Arktis hat sich zweimal so schnell erwärmt wie der Rest<br />
der Welt. Wo früher Eis lag, ist heute der Weg frei für Öl- und<br />
Gasbohrungen“, erklärt Klebelsberg. Doch der wachsende Rohstoffhunger<br />
ist nicht nur schlecht für Klima und Natur: Er ist auch<br />
schlecht für die Menschen vor Ort, denn eine Teilhabe an neuen<br />
Wirtschaftsaktivitäten ist nicht garantiert. Auch deshalb arbeitet<br />
„Die Transformation<br />
des Finanzsektors<br />
wäre ein großer Schub“<br />
der WWF in seinem Projekt explizit auch mit den Indigenen vor<br />
Ort zusammen, die noch viel stärker in Einklang mit der Natur<br />
leben und deshalb auch viel unmittelbarer auf eine gesunde<br />
Umwelt angewiesen sind.<br />
Und da rücken wieder die Finanzen in den Blick. Damit die<br />
Entwicklung nicht in Richtung weiterer Erschließungen von Öl,<br />
Gas- und Kohlevorkommen geht, muss das Finanzsystem ein Signal<br />
senden: „Mit den Gefahren, die von der Klimakrise und dem<br />
Massenartensterben ausgehen, werden manche Geschäftsfelder<br />
schlicht zu riskant“, sagt Kopp. „Einerseits, weil weitere Geldflüsse<br />
die Probleme an sich verschärfen. Andererseits, weil Wertverluste<br />
drohen, wenn die Weltgemeinschaft zum Erhalt der Lebensgrundlagen<br />
ernst macht und die Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad<br />
begrenzt – wie es in Paris 2015 beschlossen wurde.“<br />
Diese Umwelt- und Klimarisiken sind aber bislang fast noch<br />
überhaupt nicht auf dem Finanzmarkt eingepreist, geschweige<br />
180 Milliarden<br />
Betrag in Euro, der derzeit jährlich<br />
an zusätzlichen Investitionen fehlt,<br />
um das EU-Klimaziel 2030<br />
zu erreichen.<br />
> 300<br />
Zahl der Regulierungen im Bereich<br />
nachhaltige Investments, die<br />
von den 50 größten Volkswirtschaften<br />
bereits umgesetzt sind.<br />
26<br />
<strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
27
Ziele im Fokus: Ein Beitrag des WWF<br />
Changemaker<br />
Die Rentierzüchter in der<br />
russischen Arktis bekommen<br />
die Folgen der Klimakrise<br />
schon heute zu spüren<br />
Mina<br />
rennt<br />
Usbekistan, Schiffsfriedhof<br />
nahe Muynak – in den 70er-<br />
Jahren gab es hier noch<br />
den Aralsee, der heute zu<br />
90 Prozent ausgetrocknet ist<br />
Die Australierin Mina Guli macht mit<br />
spektakulären Läufen auf die weltweite<br />
Wasserknappheit aufmerksam –<br />
und hat eine globale Bewegung initiiert<br />
Text STEPHANIE EICHLER<br />
„Es braucht jeden<br />
Einzelnen, um Druck<br />
auszuüben“<br />
denn sichtbar. Und wie ein Investment aussieht, das der Wirtschaft<br />
hilft, sich nachhaltig und zukunftsfit aufzustellen, dafür besteht<br />
auch noch kein gemeinsames Verständnis. Im Gegensatz zu vielen<br />
anderen Unternehmen haben zumindest einige Versicherungen die<br />
Zeichen der Zeit mittlerweile erkannt und bewerten die Risiken der<br />
Klimakrise als enorm.<br />
Damit es hier weiter vorangeht, braucht es neben den WWF-<br />
Mitarbeitern wie Eva Klebelsberg, die in voller Outdoor-Montur<br />
in der russischen Arktis unterwegs ist, auch den Anzugträger<br />
Matthias Kopp, der in Berlin, Frankfurt und Brüssel darauf einwirkt,<br />
die Finanzprozesse in die rechte Bahn zu lenken. Damit eben keine<br />
Ölbohrungen vor der Taimyrhalbinsel finanziert werden, sondern<br />
Unternehmen, die selbst klimaneutral werden oder umweltfreundliche<br />
Technologien entwickeln.<br />
Und es braucht jeden Einzelnen. Nicht nur, um selbst nachhaltiger<br />
zu leben, sondern auch, um Druck auf Politik, Wirtschaft und<br />
Finanzwelt auszuüben und damit Veränderungen zu bewirken.<br />
Würden alle Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Bank nach umweltfreundlichen<br />
Produkten fragen, ihre Pensionskasse nach deren<br />
Anlagekriterien, ihre politischen Vertreterinnen und Vertreter nach<br />
deren Klimaschutzstrategien, würde der Handlungsdrang steigen.<br />
Nichts anderes beweisen die Jugendlichen der Fridays-for-<br />
Future-Bewegung, die jeden Freitag ihre Forderungen lautstark<br />
kundtun und Antworten auch von der Bundesregierung verlangen,<br />
die gegen das Aufheizen des Klimas bislang wenig getan hat. An den<br />
Demonstrationen nehmen auch viele der (nicht nur jugendlichen)<br />
Unterstützer des WWF teil. Der WWF fordert ein wirksames Paket<br />
an Klimaschutzgesetzen und -maßnahmen bis Ende des Jahres. Die<br />
Einbindung des Finanzsektors hat dabei Matthias Kopp mit seinem<br />
Team im Blick, während in der russischen Arktis bereits daran gearbeitet<br />
wird, welche Lösungen es für die nicht mehr vermeidbaren<br />
Folgen der Klimakrise gibt.<br />
So kann am Ende nicht nur SDG (Sustainable Development<br />
Goal) 13 – Climate Action erfüllt werden. Die Transformation des<br />
Finanzsektors und der Wirtschaft würde für alle Ziele der UN einen<br />
großen Schub in eine ökologisch und ökonomisch vertretbare<br />
Richtung bedeuten. Viel mehr Umwelt-, Klimaschutz und soziale<br />
Gerechtigkeit geht nicht.<br />
Mehr erfahren und selbst aktiv werden:<br />
www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/arktis<br />
www.wwf.de/aktiv-werden<br />
Bilder: © Nenets reindeer herder © Staffan Widstrand / WWF<br />
Bilder: © Mina Guli<br />
Sie läuft durch Wüsten und Schnee, bei Hitze und Regen,<br />
durch Europa, Indien und China, den Mittleren Osten,<br />
Nordamerika, Südafrika. Und noch viel weiter. Mit ihrer<br />
so verrückten wie aufmerksamkeitsstarken Initiative #RunningDry<br />
inspiriert die Ultradistanzläuferin Mina Guli Menschen auf der<br />
ganzen Welt, mitzulaufen und bewusster mit der knappen Ressource<br />
Wasser umzugehen. Für ihr Wirken wurde sie 2016 vom<br />
Magazin Fortune zu einer der 50 global einflussreichsten Persönlichkeiten<br />
gewählt.<br />
Wasser ist für Mina zum Lebensinhalt geworden. 2012<br />
gründete sie Thirst. Die Initiative klärt junge Konsumenten über<br />
„unsichtbares Wasser“ auf, das in Kleidung, Konsumgütern,<br />
Nahrungsmitteln steckt. In China arbeitet Thirst mit über 1.000<br />
Schulen zusammen und rund 1,4 Millionen junge Chinesen haben<br />
in Thirst-Bildungsprogrammen gelernt, dass ihr eigenes Konsumverhalten<br />
Auswirkungen hat.<br />
Um global noch mehr Interesse zu erzeugen, setzte sich Guli<br />
selbst medienwirksame läuferische Herausforderungen. 2016 lief<br />
sie 1.688 Kilometer durch sieben Wüsten in sieben Wochen. 2017<br />
waren es 40 Marathons in 40 Tagen auf sechs Kontinenten. „Bei<br />
meinen Läufen begegnen mir viele Menschen, die schon heute<br />
unter Wassermangel leiden“, erklärt die Aktivistin. Ihnen zu helfen<br />
ist ihr Antrieb. 2018 rief sie schließlich #runningdry ins Leben,<br />
auch dies mit einem atemberaubenden Ziel: 100 Marathons in<br />
100 Tagen zu laufen. Beim 62. Marathon brach sie sich das Bein,<br />
aber da hatte sich die Bewegung schon so verselbständigt, dass<br />
die Community für sie weitermachte und zurückgelegte Kilometer<br />
auf der Plattform #RunningDry spendete. Und weil alles so gut<br />
lief, hieß es dann: 100 Marathons in einem Tag – gemeinsam und<br />
überall auf der Welt. Dabei übertrafen sich die Wasserläufer selbst,<br />
denn am Ende waren es sogar 201 Marathons. „Wenn<br />
solche Leistungen möglich sind, dann können wir auch<br />
unsere Lebensweise ändern, um die weltweite Wasserkrise<br />
in den Griff zu bekommen“, ist sich Mina sicher.<br />
Mitmachen: Second-Hand-Kleidung kaufen, und weniger Lebensmittel<br />
wegwerfen, denn die Herstellung von Kleidung und Nahrung verschlingt<br />
Unmengen an Wasser. Andere Menschen auf die globale Wasserkrise<br />
aufmerksam machen. www.minaguli.com<br />
28 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
29
Digitale Transformation<br />
Der<br />
Wertstoffhändler<br />
Mit der Blockchain gegen die<br />
Plastikflut: Gründer David Katz hat<br />
einen digitalen Recyclingkreislauf<br />
geschaffen, in dem Sammler<br />
ein Konto eröffnen und Projektpartner<br />
die Lieferkette lückenlos<br />
zurückverfolgen können<br />
David Katz sammelt Plastikmüll,<br />
damit er nicht im Meer landet. Eigentlich<br />
verfolgt der Sozialunternehmer<br />
aber ein anderes Ziel: Er will Armen<br />
eine neue Perspektive geben<br />
Text MARC WINKELMANN<br />
„Ich tue, was ich kann,<br />
und werde weiter<br />
versuchen, andere zu<br />
inspirieren“<br />
Wenn Unternehmer sich öffentlich äußern, haben<br />
sie eine goldene Regel. Sie lautet: Niemals über<br />
andere Firmen herziehen. Schon gar nicht, wenn<br />
man mit ihnen noch ins Geschäft kommen könnte. David Katz<br />
hält davon nichts.<br />
Der Kanadier hat die Plastic Bank gegründet, ein Sozialunternehmen,<br />
das in Entwicklungsländern Plastikmüll von Armen<br />
aufkauft. Katz möchte ihnen ein Einkommen sichern und<br />
verhindern, dass noch mehr Kunststoffe in den Meeren landet.<br />
Damit das gelingt, verkauft er das gesammelte Plastik wieder –<br />
an Konzerne, die daraus neue Verpackungen fertigen. Katz ist<br />
also auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft angewiesen.<br />
Wenn die sich aber weigert, kann sich der 50-Jährige schon<br />
mal ordentlich in Rage reden, wie jetzt am Telefon. Er sitzt in<br />
Vancouver, der Zentrale seiner Firma, die inzwischen 80 Mitarbeiter<br />
hat, und sein WhatsApp-Profilfoto auf dem Display,<br />
auf dem er eine verspiegelte Sonnenbrille trägt und frontal in<br />
die Kamera grinst, passt so gar nicht zu seiner Tirade über den<br />
Konsumgüterhersteller Procter & Gamble. „Ich habe mit den<br />
Managern mehrere Gespräche über unser Programm geführt<br />
und dass sie Tag für Tag die Umwelt zerstören. Aber die reden<br />
nur und handeln nicht. Denen geht es nur um sie selbst“, lästert<br />
er. „Das ist eine Krankheit.“<br />
Der Kapitalismus, vor allem der auf Gewinnmaximierung<br />
und Ressourcenausbeutung fixierte, ist Schuld an dem desolaten<br />
Zustand der Erde. Das steht für Katz außer Frage. Und das omnipräsente<br />
Plastik ist für ihn eines der sichtbarsten Zeichen der<br />
damit einhergehenden Konsum- und Wegwerfkultur.<br />
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren Kunststoffe kaum verbreitet.<br />
Dann stieg die Nutzung rapide an. Inzwischen setzen Hersteller<br />
sie für Kleidung, Smartphones, Stoßstangen, Fallschirme,<br />
DVD-Hüllen, Spielzeug, Duschvorhänge, Gasrohre und vieles<br />
mehr ein. Sie können nicht ohne, weil das einstige Nebenprodukt<br />
der chemischen Industrie flexibel, robust, leicht und billig ist. Die<br />
Kehrseite: Von den 8,3 Milliarden Tonnen, die zwischen 1950 und<br />
2015 weltweit hergestellt wurden, konnten bislang nur weniger<br />
als zehn Prozent recycelt werden. Die Plastic Bank will das jetzt<br />
ändern. „Zu viele Menschen schauen nur auf die Probleme. Wir<br />
brauchen Lösungen, Lösungen, Lösungen.“<br />
Katz, der sich als spirituell bezeichnet und laut eigener<br />
Aussage seit seinem 12. Lebensjahr Unternehmer ist, kann sehr<br />
überzeugend über die Plastic Bank sprechen. Bei Interviews oder<br />
Reden tritt er häufig mit pastoraler, fast beschwörender Miene<br />
auf. Als Kind, sagt er, sei er über den Strand von Vancouver Island<br />
an der Westküste Kanadas zur Schule gegangen, über die Jahre<br />
musste er aber zusehen, wie immer mehr Plastik in den Meeren<br />
und in der Natur und der Umwelt landet. Vor allem in weniger<br />
entwickelten Ländern ist das ein Problem. Es fehlt an Systemen<br />
zur Entsorgung und zum Recycling und die Menschen vor Ort<br />
müssen in dem Müll leben.<br />
Um ihnen einen Anreiz zum Sammeln zu bieten, fing David Katz<br />
an, dem Plastik einen monetären Wert zu geben. 2013 stellte er<br />
in Haiti einen ersten Container auf, malte ihn grün an, besorgte<br />
eine Waage und hing ein Preisschild auf. Seitdem können sich<br />
Sammler ihre Ware in Bargeld auszahlen lassen oder Sachleistungen<br />
erhalten: Strom zum Aufladen ihrer Handys, einen Ofen<br />
zum Kochen, der die offene Feuerstelle im Haus ersetzt, eine<br />
Behandlung beim Arzt, Versicherungen. „Social plastic“ nennt<br />
Katz das, weil nicht nur Straßen, Strände und Wälder gesäubert<br />
werden, sondern die Sammler Geld verdienen.<br />
Thomas Müller-Kirschbaum ist fasziniert von diesem doppelten<br />
Effekt, wie er sagt. Trotz der zahlreichen Initiativen, die<br />
weltweit versuchen, den Plastikabfall in der Welt zu reduzieren,<br />
habe er nirgendwo anders ein vergleichbares Geschäftsmodell<br />
kennengelernt. Müller-Kirschbaum, der die Forschung und<br />
Entwicklung des Bereichs Laundry & Home Care des Konzerns<br />
Henkel leitet, arbeitet seit fast zwei Jahren mit der Plastic Bank<br />
zusammen. In der Praxis funktioniert das so: Die in Haiti gesammelten<br />
PET-Flaschen und Polyethylen-Kappen werden getrennt<br />
voneinander geschreddert und nach Österreich verschifft –<br />
„CO2-effizient“, wie man bei Henkel betont. Ein Aufbereiter<br />
reinigt die Plastikschnitzel, macht aus ihnen Granulat, anschlie-<br />
Bilder: © Plastic Bank<br />
30 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong> WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
31
In über 300 Sammelstellen in<br />
vier Ländern können Menschen<br />
ihr Plastik abgeben gegen<br />
Geld und Sachleistungen<br />
Konto, über das er mit dem Handy Geld überweisen oder Guthaben<br />
ansparen kann. Die finanzielle Abrechnung erfolgt über die Blockchains.<br />
Der Vorteil: „Das System ist dezentral, fälschungssicher<br />
und lässt sich leicht skalieren“, sagt Elke Kunde, IT-Architektin<br />
bei IBM in Kelsterbach. „Außerdem können die Partnerunternehmen<br />
der Plastic Bank von ihrem Standort aus jederzeit lückenlos<br />
verfolgen, wo in der Lieferkette sich ihr Plastik gerade befindet.“<br />
Und der Energiebedarf sei auch nicht besonders hoch, versichert<br />
An Nachschub mangelt es nie –<br />
wie hier auf den Philippinen<br />
sie. Einige ältere Blockchain-Anwendungen verbrauchten bislang<br />
unverhältnismäßig viel Strom, was, wenn die Energie aus fossilen<br />
Quellen gewonnen wird, die Erderwärmung befördert. Darauf<br />
habe man bei der Entwicklung der Technologie für die Plastic Bank<br />
geachtet, so Elke Kunde.<br />
Für David Katz geht es jetzt darum, weitere Partner von seiner<br />
Idee einer neuen Weltwährung zu überzeugen. Das können auch<br />
Unternehmen sein, die kein Plastik herstellen, ihren Konsum aber<br />
nach dem Vorbild der CO2-Kompensation durch Spenden ausgleichen<br />
wollen. Neben Henkel sind derzeit die Drogeriekette DM,<br />
der Discounter Aldi und SC Johnson dabei, ein US-Hersteller von<br />
Reinigungs- und Hygieneprodukten. Noch nicht sehr viele. Einige,<br />
wie Procter & Gamble, weigern sich beharrlich. Katz aber bleibt<br />
dran. Sagt, jetzt wieder mit ruhiger Stimme: „Ich tue, was ich kann,<br />
und ich werde weiter versuchen, andere zu inspirieren.<br />
Meine Hoffnung ist groß, dass wir nicht nur etwas für<br />
unsere Umwelt tun können, sondern auch für uns<br />
gegenseitig. Wir haben gerade erst begonnen.“<br />
Mitmachen: Flaschen zum Wiederbefüllen<br />
nutzen; wann immer möglich: Obst und<br />
Gemüse unverpackt kaufen und Unverpacktläden<br />
unterstützen; Seifenstück statt Flüssigseife aus<br />
Einweg-Plastikspendern; zertifizierte Naturkosmetik<br />
ist frei von Mikroplastik; Pfandsysteme<br />
für Coffe-to-go nutzen. www.plasticbank.com<br />
Der monetäre Wert<br />
von Plastik gibt<br />
Anreiz zum Sammeln<br />
ßend entstehen „Pre-Forms“, Mini-Flaschen, die in der Fabrik zu<br />
ihrer echten Größe aufgeblasen und neu befüllt werden.<br />
200 Tonnen wird Henkel der Plastic Bank nach eigener<br />
Schätzung in diesem Jahr abnehmen und daraus rund fünf<br />
Millionen Flaschen mit einem Recyclinganteil von bis zu<br />
50 Prozent herstellen. Verglichen mit dem Gesamtbedarf entspricht<br />
das nur einem „niedrigen Prozentsatz“, wie Müller-Kirschbaum<br />
einräumt. Der Düsseldorfer Konzern benötigt weltweit<br />
mehrere Hunderttausend Tonnen Kunststoff pro Jahr. Aber der<br />
Manager setzt auf Wachstum. „Ich traue es David Katz und seiner<br />
Organisation zu, dass sie sich in den kommenden fünf bis zehn<br />
Jahren zu einem der zehn größten Recyclern entwickeln.“<br />
Wie viel Henkel dem Sozialunternehmen für das gesammelte<br />
Plastik zahlt, will der Hersteller nicht sagen. Für das andere Ende<br />
der Lieferkette versichert David Katz, dass Sammler „nur wenige<br />
Kilogramm“ abliefern müssen, um die Sachleistungen zu erhalten.<br />
Mehr als 300 Collection Center gibt es mittlerweile, sagt er,<br />
auch in Indonesien und auf den Philippinen. Die ersten Schulen,<br />
Krankenhäuser und Ärzte sind an das System angeschlossen und<br />
akzeptieren Überweisungen durch die Plastic Bank; in Brasilien<br />
ruft eine Kirche ihre Gemeinde zum Sammeln auf.<br />
Die Plastic Bank trägt zu 14 der<br />
17 Nachhaltigkeitsziele bei, z.B. zu<br />
Ziel 1 (Keine Armut) oder<br />
Ziel 4 (Hochwertige Bildung)<br />
Geht es nach dem Gründer, kommen bald weitere Gotteshäuser<br />
dazu. Beim Vatikan ist er schon vor einiger Zeit vorstellig geworden,<br />
im vergangenen August nun hatte Katz ein Treffen mit dem<br />
Papst. Seine Hoffnung: Die Katholische Kirche verbreitet seine<br />
Botschaft und ruft ihre Mitglieder dazu auf, weltweit den Müll zu<br />
einer Plastic Bank vor Ort zu tragen.<br />
Damit sich die Filialen zügig vermehren, setzt Katz auf digitale<br />
Technologien. Betreiber müssten sich bloß einen Plastikverwerter<br />
in ihrer Gegend suchen und eine App mit einem Warenwirtschaftssystem<br />
auf ihrem Smartphone oder Tablet installieren – schon<br />
könne es losgehen. Jeder Sammler erhält ein personalisiertes<br />
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