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seventeen goals #1

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Ziele im Fokus: Ein Beitrag des WWF<br />

Mit grünem Geld<br />

zu gutem Klima<br />

Umweltschutz in Gummistiefeln ist das eine. In Budapester-Schuhen<br />

funktioniert er aber auch. Und es braucht ihn sogar<br />

M<br />

atthias Kopp trägt Anzug. Oder zumindest ein<br />

Hemd, selbst an Tagen ohne Außentermine.<br />

T-Shirt, Sneaker, Drei-Tage-Bart – Fehlanzeige.<br />

Wie der stereotype Umweltschützer sieht Kopp damit nicht aus.<br />

Aber wenn er morgens um acht ins Büro in Berlin-Mitte kommt,<br />

ist genau das seine Aufgabe: Matthias Kopp ist Anzug-Aktivist.<br />

Im besten Sinne. Beim WWF Deutschland arbeitet er daran, das<br />

deutsche und europäische Finanzsystem nachhaltig aufzustellen.<br />

Damit ist er ein Umweltschützer par excellence. Denn das Finanzsystem<br />

grüner zu machen, ist einer der wichtigsten Hebel, um<br />

unsere Lebensgrundlagen langfristig zu schützen.<br />

Das liegt an den zwei großen Eigenschaften von Geld. Da<br />

wäre zum einen die schöne: Geld kann befähigen. Fließt es zum<br />

Beispiel in den Ausbau erneuerbarer Energien, in Wiederaufforstungsprojekte,<br />

in nachhaltig gemanagte Ackerflächen und<br />

Tierzucht, hilft es dabei, zukunftsfähige Strukturen aufzubauen<br />

und aufrechtzuerhalten – und damit die Zerstörung der Natur<br />

einzugrenzen, die Erderhitzung unter 1,5 Grad zu halten und den<br />

Artenverlust zu bremsen.<br />

Dann wäre da die schlechte: Geld kann zerstören. Indem<br />

es wiederum Strukturen am Leben hält, die allen das Leben<br />

schwermachen. So wie es in Kohlekraftwerke und -minen fließt,<br />

obwohl Kohleverstromung der größte Einzelverursacher vom<br />

Treibhausgas CO2 ist, das die Klimakrise anheizt. Oder in kommerzielle<br />

Sojaplantagen in Südamerika, die sich ihren Platz vom<br />

Amazonas-Regenwald rauben.<br />

Matthias Kopps Ziel ist es, dass Geld transformiert. „Geld soll<br />

Mittel zum Zweck sein, um veraltete und womöglich schädliche<br />

Wirtschaftsmodelle fit für die Zukunft zu machen. Denn das Ziel<br />

muss immer sein, möglichst viele Unternehmen mitzunehmen<br />

statt sie zurückzulassen“, sagt er. Würden sich Finanz- und dadurch<br />

auch die Realwirtschaft nachhaltig aufstellen, würde die<br />

Menschheit im Rahmen der planetaren Grenzen leben können.<br />

Und das gut.<br />

Aber davon ist sie derzeit weit entfernt. Stattdessen spielt sich<br />

das größte Massenartensterben seit den Dinosauriern ab und die<br />

durchschnittliche Temperatur hat sich seit der Industrialisierung<br />

bereits um einen Grad erhöht. Was das für Auswirkungen hat,<br />

Die WWF-Mitarbeiterin<br />

Eva Klebelsberg, die in<br />

der russischen Arktis gegen die<br />

Klimakrise kämpft, und<br />

Matthias Kopp, der<br />

sich für die Transformation des<br />

Finanzsystems stark macht<br />

erleben auch die Menschen in Deutschland durch die inzwischen<br />

häufigeren und extremen Wetterlagen. Besonders spürbar werden<br />

die Folgen der Klimakrise aber andernorts, wo die Einheimischen<br />

selbst am wenigsten Verantwortung für die Erderhitzung tragen.<br />

Am Beringmeer in der russischen Arktis liegt das Dorf Ryrkaipiy,<br />

in dem vornehmlich indigene Chukchi von traditioneller<br />

Fischerei leben. Doch in den vergangenen Jahren ist das Leben<br />

schwieriger geworden: Die Klimakrise drängt Eisbären verstärkt<br />

an Land – und damit auch in das Dorf. Einem hungrigen weißen<br />

Riesen wollen aber die wenigsten auf dem Weg zur Schule oder<br />

zur Arbeit begegnen.<br />

Bilder: © Coast Chukotka WWF RU © Irina Onufrenya, Portrait Eva Klebelsberg © privat,<br />

Portrait Matthias-Kopp © Daniel-Seiffert/WWF<br />

Gemeinsam mit dem WWF wird im Rahmen eines großen<br />

Klima- und Naturschutzprojektes in der russischen Arktis daher<br />

nun ein Anpassungsplan an die regionalen Folgen der Erderhitzung<br />

erstellt: Wo genau liegen die Probleme, was sind mögliche<br />

Lösungen? „Das könnten etwa bessere Müllsammelsysteme<br />

sein, damit die Eisbären von den offenen Müllhalden nicht<br />

mehr angelockt werden. Die Gemeinde möchte außerdem eine<br />

Eisbärenpatrouille einrichten“, schildert Eva Klebelsberg, die das<br />

Projekt leitet.<br />

Auch in einer zweiten Projektregion auf der Taimyrhalbinsel<br />

im Nordwesten Russlands spüren die Menschen die Folgen der<br />

Klimakrise. Hier leben viele Einheimische, die größtenteils zur<br />

indigenen Gruppe der Nenzen gehören, von der Rentierzucht.<br />

Doch mit den längeren, feuchteren Sommern nehmen die Parasiten<br />

zu, die den Rentieren zu schaffen machen. Und damit<br />

auch ihren Züchtern.<br />

Gleichzeitig steigt das industrielle Interesse an der Region.<br />

„Die Arktis hat sich zweimal so schnell erwärmt wie der Rest<br />

der Welt. Wo früher Eis lag, ist heute der Weg frei für Öl- und<br />

Gasbohrungen“, erklärt Klebelsberg. Doch der wachsende Rohstoffhunger<br />

ist nicht nur schlecht für Klima und Natur: Er ist auch<br />

schlecht für die Menschen vor Ort, denn eine Teilhabe an neuen<br />

Wirtschaftsaktivitäten ist nicht garantiert. Auch deshalb arbeitet<br />

„Die Transformation<br />

des Finanzsektors<br />

wäre ein großer Schub“<br />

der WWF in seinem Projekt explizit auch mit den Indigenen vor<br />

Ort zusammen, die noch viel stärker in Einklang mit der Natur<br />

leben und deshalb auch viel unmittelbarer auf eine gesunde<br />

Umwelt angewiesen sind.<br />

Und da rücken wieder die Finanzen in den Blick. Damit die<br />

Entwicklung nicht in Richtung weiterer Erschließungen von Öl,<br />

Gas- und Kohlevorkommen geht, muss das Finanzsystem ein Signal<br />

senden: „Mit den Gefahren, die von der Klimakrise und dem<br />

Massenartensterben ausgehen, werden manche Geschäftsfelder<br />

schlicht zu riskant“, sagt Kopp. „Einerseits, weil weitere Geldflüsse<br />

die Probleme an sich verschärfen. Andererseits, weil Wertverluste<br />

drohen, wenn die Weltgemeinschaft zum Erhalt der Lebensgrundlagen<br />

ernst macht und die Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad<br />

begrenzt – wie es in Paris 2015 beschlossen wurde.“<br />

Diese Umwelt- und Klimarisiken sind aber bislang fast noch<br />

überhaupt nicht auf dem Finanzmarkt eingepreist, geschweige<br />

180 Milliarden<br />

Betrag in Euro, der derzeit jährlich<br />

an zusätzlichen Investitionen fehlt,<br />

um das EU-Klimaziel 2030<br />

zu erreichen.<br />

> 300<br />

Zahl der Regulierungen im Bereich<br />

nachhaltige Investments, die<br />

von den 50 größten Volkswirtschaften<br />

bereits umgesetzt sind.<br />

26<br />

<strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />

WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />

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