seventeen goals Magazin #4
Das seventeen goals Magazin erzählt in positiven und inspirierenden Geschichten, wie Menschen die Welt bewegen.
Das seventeen goals Magazin erzählt in positiven und inspirierenden Geschichten, wie Menschen die Welt bewegen.
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Nr. 04<br />
Herbst 2021<br />
<strong>seventeen</strong><br />
Eine Sonderbeilage von Projekt 17<br />
in Kooperation mit dem Zeitverlag<br />
<strong>goals</strong><br />
Wie Menschen<br />
die Welt<br />
bewegen<br />
REWILDING<br />
EUROPE<br />
Die Wildnis kommt zurück<br />
GEHÄKELTE<br />
KORALLENRIFFE<br />
Die Masche<br />
und das Meer<br />
ZOHRE ESMAELI<br />
Vom Flüchtling<br />
zur Aktivistin
UNSERE Ausblicke<br />
HINTERLASSEN NACHHALTIGE<br />
EINDRÜCKE.<br />
Jetzt die schönsten<br />
Fahrradtouren der<br />
Stadt entdecken!<br />
© mauritius images / Novarc Images<br />
#WEILWIRHAMBURGSIND
Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
bei einem Waldspaziergang diesen Herbst sah ich Pilze im<br />
Überfluss – es hatte häufig geregnet. Die Vielfalt, in der sie aus<br />
ihrem verborgenen Myzel gen Licht streben, fasziniert mich<br />
immer wieder. Ist dies nicht genau das Wesen der Natur: zu<br />
überwältigen, staunen zu lassen, einfach gutzutun? Sie kann<br />
uns tief im Inneren berühren – vielleicht, weil sich die Wege<br />
der Natur und die Wege zu unserer eigenen Natur immer<br />
wieder kreuzen. Nichts in der Natur existiert isoliert, auch nicht<br />
der Mensch. Wie sehr wir in Beziehung zum Leben um uns herum<br />
stehen, offenbart das Zeitalter des Anthropozäns: Unsere<br />
Handlungen wirken sich auf andere Lebensformen aus.<br />
Zwei der 17 Nachhaltigkeitsziele widmen sich unmittelbar dieser<br />
Thematik: Ziel 14 „Leben unter Wasser“ und Ziel 15 „Leben<br />
an Land“. Da wir mit positiven Geschichten vom Wandel inspirieren<br />
möchten, begeistert uns das Kunstprojekt „Baden-Baden<br />
Satellite Reef“, bei dem viele Menschen mit Häkelnadel und<br />
Garn zusammen ein farbenprächtiges Riff entstehen lassen und<br />
so ein Zeichen setzen gegen Klimawandel und Korallenbleiche.<br />
Ein weiteres Gemeinschaftsprojekt renaturiert ganze Landstriche:<br />
Biber, Bär und Bison leben dort wieder und Europa zeigt<br />
seine wilden Seiten. Was diese beiden Geschichten eint, ist die<br />
Sehnsucht der Menschen nach der Natur, wie sie einmal war.<br />
In der Redaktionsarbeit, auch für unser Online-<strong>Magazin</strong><br />
17<strong>goals</strong>magazin.de, sehen wir täglich, mit wie viel Engagement<br />
Menschen den Wandel vorantreiben. Zugleich wissen wir: Alles<br />
ist nichts, wenn das Gleichgewicht zwischen Ökologie und<br />
Ökonomie nicht stimmt. Wirtschaft und Geld sind wichtige<br />
Hebel für Nachhaltigkeit. Ein Gespräch über faire Preise finden<br />
Sie auf den nächsten Seiten ebenso wie interessante Zahlen<br />
und Fakten zu grünem Geld. Lassen Sie sich inspirieren!<br />
Iris Rodriguez,<br />
Chefredakteurin<br />
Partnerschaften zur Erreichung der Ziele<br />
Keine Armut<br />
Foto: © Gregor Hohenberg Titelmotiv: © Staffan Widstrand/Rewilding Europe<br />
Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen<br />
Leben an Land<br />
Leben unter Wasser<br />
Maßnahmen zum Klimaschutz<br />
Nachhaltige/r Konsum und Produktion<br />
14<br />
13<br />
12<br />
Nachhaltige Städte und Gemeinden<br />
15<br />
11<br />
16<br />
Weniger Ungleichheiten<br />
10<br />
17<br />
Das <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong> <strong>Magazin</strong><br />
erzählt Geschichten von Menschen, die zum Erreichen<br />
der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen<br />
(Sustainable Development Goals, kurz SDG) beitragen.<br />
Das <strong>Magazin</strong> erscheint einmal jährlich.<br />
Mehr Geschichten von Menschen, die die Welt bewegen:<br />
www.17<strong>goals</strong>magazin.de<br />
9<br />
1<br />
8<br />
2<br />
<strong>seventeen</strong><br />
<strong>goals</strong><br />
Wie Menschen<br />
die Welt bewegen<br />
7<br />
3<br />
Industrie, Innovation und Infrastruktur<br />
Kein Hunger<br />
4<br />
6<br />
Gesundheit und Wohlergehen<br />
5<br />
Hochwertige Bildung<br />
Geschlechtergleichheit<br />
Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen<br />
Bezahlbare und saubere Energie<br />
Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum<br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
03
www.17<strong>goals</strong>magazin.de<br />
06<br />
Mehr Wildnis<br />
tut Europa gut –<br />
Rewilding Europe<br />
macht sich<br />
dafür stark<br />
20<br />
Das Baden-Baden<br />
Satellite Reef –<br />
Faszination<br />
aus Wolle und Fäden<br />
18<br />
Zohre Esmaeli<br />
und ihr Engagement<br />
für Frauen und<br />
Kinder in<br />
Afghanistan<br />
Inhalt<br />
03 Editorial<br />
03 Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen<br />
05 Katja Riemann im Gespräch mit #17Ziele<br />
über Armut und Ausgrenzung<br />
06 Rewilding Europe – Mehr Wildnis und Biodiversität<br />
für Europa und das Klima<br />
11 Die Finanz-App rubarb – Kleinstbeträge nachhaltig anlegen<br />
12 Kurz & gut – Wirkungsvolles auf den Punkt gebracht<br />
13 Toyota – Wie wegweisende Technologien<br />
die Zukunft mitgestalten<br />
14 Wahre Preise für faire Wirtschaft – Dr. Katharina Reuter<br />
im Interview<br />
14<br />
Dr. Katharina Reuter<br />
vom Bundesverband<br />
Nachhaltige Wirtschaft<br />
über wahre Preise<br />
15 Das Hilfswerk Renovabis – Mit Respekt vor der Schöpfung<br />
16 Nachhaltiges Geld und große Zahlen<br />
17 The Generation Forest – Die Genossenschaft<br />
pflanzt artenreiche Wälder<br />
18 Wechselseitiges Verständnis – Zohre Esmaelis<br />
Ansatz zu mehr Integration<br />
19 Start-ups stärken – Die Postcode Lotteries Green Challenge<br />
20 Das gehäkelte Korallenriff – Ein Kunstprojekt<br />
gegen den Klimawandel<br />
22 Publikationen zum Bestellen<br />
22 Impressum<br />
04 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
Fotos: links oben: © Staffan Widstrand/Rewilding Europe oben rechts: © Museum Frieder Burda unten links: DRK unten rechts: © BNW e.V.
Ein Beitrag von Engagement Global<br />
Von Macherinnen<br />
und Machern 17Ziele –<br />
Der Podcast<br />
Foto: © Sabine Wiedenhofer<br />
Katja Riemann engagiert sich<br />
seit über 20 Jahren für<br />
Menschenrechtsorganisationen.<br />
Die Schauspielerin und Autorin hat für ihr Engagement viele<br />
Länder bereist, Schulen, Gesundheitsstationen und Gefängnisse<br />
besucht und mit unzähligen Regierungsmitarbeitenden,<br />
Bildungsbeauftragten, Gesundheitsexpertinnen und -experten<br />
genauso wie mit Kindern gesprochen. Das Thema Armut ist ihr<br />
dabei vielfach und in unterschiedlichsten Facetten begegnet. Sie<br />
weiß, dass Armut stigmatisiert, überall auf der Welt. Weil ihre<br />
Mutter alte Pullover auftrennte und aus der Wolle neue strickte,<br />
die Familie sich aus dem eigenen Gemüsegarten ernährte und<br />
Reisen undenkbar waren, galt sie in der Schule als „Arme-Leute-<br />
Kind“. Wie sie dem Thema Armut heute begegnet und was<br />
wir alle tun können für eine gerechtere Welt, das verrät sie im<br />
17Ziele-Interview.<br />
Katja, bei „17Ziele – Der Podcast“ sprechen Sie mit<br />
Felix Seibert-Daiker über das Thema Armut. Ein<br />
wichtiger Aspekt ist dabei die Perspektive, die wir<br />
gegenüber sozial benachteiligten Menschen einnehmen.<br />
Wie können wir uns dem Thema Armut<br />
und sozialer Ausgrenzung annähern?<br />
Durch Interesse, Offenheit, Zuneigung, das Lesen<br />
von Büchern oder guter Presse. Indem wir wissen<br />
wollen, statt halb zu wissen. Indem wir nachfragen, statt zu<br />
urteilen. Man nähert sich dem Thema Ausgrenzung, indem man<br />
nicht ausgrenzt.<br />
Sie sprechen unter anderem auch über die Ungleichverteilung von<br />
Macht und Kapital. Wo sehen Sie hier am meisten Veränderungspotenzial?<br />
Bei jenen, die Macht und Kapital für sich beanspruchen und<br />
die die Macht und das Kapital besitzen, diesen Anspruch auch<br />
durchzusetzen. Es kann nicht richtig sein, dass 42 Menschen so<br />
viel Kapital besitzen wie 3,5 Milliarden andere Menschen oder<br />
dass Wirtschaft immer weiter wachsen muss. Es kann nicht<br />
richtig sein, dass Macht zu diktatorischen Regimen führt, die<br />
schließlich keine Veränderung mehr zulassen, die nicht ihrem<br />
machthaberischen Interesse dient, und die die eigene Bevölkerung<br />
gefährden, bedrohen und unterdrücken.<br />
Was können wir alle gegen Ungleichheit und Armut tun?<br />
Ich glaube, dass jeder und jede einen Unterschied machen kann.<br />
Die größten Gegner sind wohl Bequemlichkeit und Ignoranz.<br />
Unsere heutigen Gesellschaften sind so gestrickt, dass sie uns alles<br />
abnehmen, und irgendwann bleibt das selbstständige Denken<br />
dabei auf der Strecke. Die Ausrede „ich kann eh nichts ändern“<br />
gilt nicht mehr – ab heute. Sich seine eigene Werthaltigkeit<br />
und Verantwortung bewusst zu machen und ins Handeln zu<br />
kommen, das wäre doch schön. Das kann man trainieren, wie<br />
einen Muskel.<br />
Mitmachen:<br />
Jetzt die ganze Folge mit Katja Riemann hören unter 17ziele.de<br />
In „17Ziele – Der Podcast“ spricht der Fernsehmoderator<br />
Felix Seibert-Daiker mit prominenten Macherinnen und Machern zu<br />
Themen wie Klimaschutz, faire Arbeitswelten oder Umwelt.<br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
05
Naturschutz & Biodiversität<br />
Europa<br />
wieder wild<br />
machen!<br />
06 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>
Die Initiative Rewilding Europe will wieder mehr<br />
Wildnis wagen: mehr Bären, Bisons, Biber,<br />
Feuchtgebiete. Für ein ökologisches Gleichgewicht,<br />
wie es einst selbstverständlich war.<br />
Weil die Natur es braucht – und auch der Mensch<br />
Text JAN BERNDORFF<br />
Foto: © Sandra Bartocha / Wild Wonders of Europe<br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
07
Naturschutz & Biodiversität<br />
Laut schnaubend und mit gesenkten<br />
Hörnern steht keine 100 Meter entfernt ein riesiges Rind mitten<br />
im Wald. Neben ihm sind noch weitere Artgenossen zu entdecken,<br />
deren zotteliges braunes Fell zwischen den Baumstämmen hervorschaut.<br />
Wer genauer hinsieht, erkennt: Das sind keine normalen<br />
Kühe, sondern Bisons. Kein Zaun, keine Tränke weit und breit,<br />
die mächtigen Pflanzenfresser laufen hier völlig frei herum. So,<br />
wie man es aus dem Yellowstone-Nationalpark kennt.<br />
Wir befinden uns aber nicht in den USA, sondern ein paar<br />
Kilometer östlich der polnischen Stadt Stettin nahe der deutschen<br />
Grenze. Hier grast eine Herde Wisente – die europäische Variante<br />
des Bisons. Sie gedeiht prächtig und breitet sich aus. „Es ist nur<br />
eine Frage der Zeit, bis einige von ihnen über die Oder nach<br />
Deutschland schwimmen, um sich dort niederzulassen“, sagt<br />
Ulrich Stöcker, Naturschutzexperte der Deutschen Umwelthilfe.<br />
Wilde Wisente auf deutschem Gebiet – das hat es zuletzt<br />
irgendwann im 15. Jahrhundert gegeben, als Jäger die Letzten<br />
ihrer Art erschossen. Die kleinen Gruppen, die schon jetzt wieder<br />
durch unsere Wälder streifen, sind halbwilde, im Rahmen von<br />
Wiederansiedlungen gezielt dort ausgesetzte Tiere. An der Oder<br />
könnten sie erstmals von selbst wieder einwandern. Die besonderen<br />
Umstände im Deltagebiet machen es möglich.<br />
Das Oder-Delta ist eine von acht sogenannten Rewilding-Regionen<br />
in Europa. Die Initiative Rewilding Europe wurde vor<br />
zehn Jahren von Vertreterinnen und Vertretern mehrerer Naturschutzorganisationen<br />
in den Niederlanden gegründet, mit dem<br />
Ziel, wieder mehr Wildnis in Europa zu schaffen. „Wenn wir bis<br />
2030 und darüber hinaus schauen“, sagt Geschäftsführer Frans<br />
Schepers, „dann liegt der einzige Weg für eine gesunde und<br />
nachhaltige Zukunft in Europa und auf dem gesamten Planeten<br />
darin, große Gebiete durch Rewilding wieder in einen natürlichen<br />
Zustand zurückzuführen.“ Dort, so der Fachmann, müsse sich<br />
der Mensch zurücknehmen und die Natur wieder sich selbst<br />
überlassen.<br />
Der englische Begriff „Rewilding“ meint dabei nicht nur die<br />
Renaturierung. Es geht auch darum, ein neues Bewusstsein für<br />
Wildnis und neue wirtschaftliche Perspektiven im Einklang mit<br />
ihr zu schaffen. Die moderne Gesellschaft soll sich wieder mit<br />
der Natur versöhnen. Die Forschung gibt der Initiative recht:<br />
Eine Studie von Experten um Néstor Fernández vom Deutschen<br />
Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig hat<br />
vergangenes Jahr gezeigt, dass wir bis 2030 mindestens 20 Prozent<br />
der degradierten Flächen in Deutschland – dazu gehören<br />
aufgegebene Ackerflächen und Industriebrachen – renaturieren<br />
müssen, um unsere Ziele in Sachen Klimaschutz und Erhalt der<br />
Artenvielfalt zu erreichen. „Intakte Ökosysteme wirken effektiv gegen<br />
Artenschwund und Klimakrise“, sagt Fernández. „Sie bieten<br />
Renaturierungsarbeiten<br />
im Oder-Delta<br />
Moore und Feuchtgebiete<br />
wirken als Kohlenstoffsenken<br />
gegen den Klimawandel<br />
Wiedervernässte Landschaften<br />
binden das über<br />
Jahrtausende in den Böden<br />
gelagerte Kohlendioxid<br />
Fotos: Team: © Marcin Budniak/Rewilding Oder Delta Moorlandschaft: © Staffan Widstrand/Rewilding Europe<br />
08 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>
© Solvin Zankl/Rewilding Europe © StaffanWidstrand-Rewilding Europe @ StaffanWidstrand-Rewilding Europe<br />
Wisente bzw. Bisons<br />
waren in Europa nahezu<br />
ausgerottet<br />
Biber sind im Oder-Delta<br />
wieder heimisch<br />
Der Seeadler hat<br />
eine Flügelspannweite von<br />
bis zu 2,50 Meter<br />
© Solvin Zankl/Rewilding Europe<br />
@ StaffanWidstrand-Rewilding Europe<br />
© BrunoD‘Amicis/Rewilding Europe<br />
Die Pelikan-Populationen wachsen<br />
wieder – wie hier im Donau-Delta<br />
In Italiens wildem<br />
Herzen, den Apenninen,<br />
leben Braunbären<br />
Eine von neun<br />
Rewilding-Europe-Regionen:<br />
das Oder-Delta
Naturschutz & Biodiversität<br />
neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen, produzieren saubere<br />
Luft, sauberes Wasser, fruchtbare Böden. Sie binden Kohlenstoff,<br />
schützen vor Hochwasser und anderen Klimaextremen und fördern<br />
die psychische und körperliche Gesundheit.“<br />
Das Oder-Delta zeigt, wie das funktionieren kann: In der Region<br />
konnte sich im Schatten der jahrzehntelang streng bewachten<br />
Grenze zwischen Deutschland und Polen die Natur relativ unbehelligt<br />
entfalten. Nach der Wende haben Naturschützer aus beiden<br />
Ländern erreicht, dass große Teile des grenzübergreifend 450.000<br />
Hektar großen Gebietes mit dem Stettiner Haff im Zentrum auch<br />
weiterhin der Natur vorbehalten blieben. 2012 gründeten die<br />
beteiligten Naturschutzorganisationen die Initiative „Rewilding<br />
Oder Delta”, 2015 wurde die Region von der europaweiten Initiative<br />
als achtes Rewilding-Gebiet offiziell anerkannt.<br />
Es wurden Deiche und Dämme zurückgebaut und die<br />
Rückkehr insbesondere von Schlüsselarten wie Wisent, Elch<br />
und Biber gefördert, die einst die Landschaft wesentlich gestaltet<br />
haben, aber auch von großen Beutegreifern wie dem Wolf, der<br />
für das ursprüngliche natürliche Gleichgewicht eine große Rolle<br />
spielt. Außerdem werden trockengelegte Moore wiedervernässt.<br />
In Gesprächen mit Landwirten, Schäfern und anderen Landnutzern<br />
wird eruiert, ob diese ihr Land der Natur überlassen und<br />
stattdessen durch Tourismus ihr Geld verdienen können. „Wirtschaftliche<br />
Alternativen sind ein wichtiger Pfeiler von Rewilding“,<br />
sagt Ulrich Stöcker. „Es gibt inzwischen Fischer im Delta, die mit<br />
Wildnis-Beobachtungstouren mehr Geld verdienen als mit der Fischerei.<br />
Hotels tun sich zusammen, um ihren Gästen Delta-Safaris<br />
mit Solarbooten anzubieten – zum Beispiel, um die hier lebende<br />
größte Seeadlerpopulation der EU zu beobachten.“<br />
Ähnlich läuft es in den anderen Rewilding-Gebieten, etwa<br />
im Donau-Delta in Rumänien, wo Pelikane, Störche und andere<br />
Wasservögel sich wieder vermehren. Oder in den italienischen<br />
Apenninen, wo der Marsische Braunbär. sein Comeback feiert. Oder<br />
in Schwedisch-Lappland, wo die Flüsse von ihren Staumauern und<br />
Wehren befreit werden, damit der Lachs und andere wandernde<br />
Fischarten wieder freie Bahn haben.<br />
Über rund 23.000 Quadratkilometer – das ist etwa die Fläche<br />
Mecklenburg-Vorpommerns – erstrecken sich die Rewilding-Gebiete<br />
schon heute. Der Plan ist, dass weitere Flächen hinzukommen und<br />
sie zudem durch Wildniskorridore verbunden werden, sodass die<br />
Tierpopulationen sich genetisch austauschen können. Die Initiative<br />
passt perfekt in die für die 2020er-Jahre ausgerufene UN-Dekade<br />
zur Wiederherstellung von Ökosystemen. Und sie kommt einer tief<br />
in den meisten Menschen wohnenden Sehnsucht nach, die der 2020<br />
verstorbene Schweizer Philosoph Markus Huppenbauer<br />
formulierte: „In einer durchtechnisierten, modernen<br />
Welt suchen wir in der Natur Wildheit, Ursprünglichkeit<br />
und Spontanität.“<br />
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DEUTSCHLAND<br />
17G
Nachhaltige Geldanlage<br />
Haben eine App für nachhaltiges<br />
Sparen entwickelt: die Brüder<br />
Fabian (Mitte) und Jakob Scholz<br />
(links) sowie Kelvin Craig<br />
Nachhaltige<br />
Börsengewinne<br />
für alle Text JAN BERNDORFF<br />
Das Start-up rubarb will mit einer kinderleicht zu<br />
bedienenden Finanz-App die Geldanlage „demokratisieren“<br />
und nachhaltiger machen. Die Gründer zeigen: Auch mit<br />
Kleinstbeträgen kann man etwas bewirken<br />
Die meisten Zuschauer, die Börsennachrichten sehen,<br />
denken wahrscheinlich: interessant, betrifft mich<br />
aber nicht. Nur gut 15 Prozent der Deutschen lassen<br />
ihr Geld am Finanzmarkt für sich arbeiten. Vielen ist die Börse zu<br />
undurchsichtig, zu unsicher. Dabei gilt sie in Zeiten von Negativzinsen<br />
und steigender Inflation als eine der letzten Möglichkeiten,<br />
durch Geldanlage noch Vermögen aufzubauen. Die Zurückhaltung<br />
der Deutschen liegt aber nicht nur an ihrer traditionellen<br />
Skepsis. „Die Angebote zur Geldanlage richten sich bislang auch<br />
viel zu stark an eine Zielgruppe“, sagt Finanzunternehmer Fabian<br />
Scholz: „Akademiker und reiche alte weiße Männer.“<br />
Die Brüder Fabian (30) und Jakob Scholz (27) wollen das ändern.<br />
Gemeinsam mit dem IT-Experten Kelvin Craig (45) haben<br />
sie das Start-up „rubarb“ gegründet und eine App entwickelt, die<br />
es allen ermöglichen soll, mehr Geld strukturiert zu sparen und<br />
es nicht nur gewinnbringend, sondern auch nachhaltig anzulegen<br />
– und seien es nur ein paar Euro im Monat.<br />
Die App macht es den Usern denkbar einfach. Ihre Optionen:<br />
Einmalzahlungen sowie Sparpläne wie bei normalen Sparkonten<br />
und/oder Aufrundungen von jedem Kaufbetrag, den sie online<br />
leisten. Einmal die Woche investiert die App die gesammelten<br />
Kleinbeträge automatisch. Auch da gibt es drei Möglichkeiten:<br />
das Geld auf Nummer sicher in festverzinsliche Anleihen stecken,<br />
auf Risiko in Aktien mit Aussicht auf höhere Gewinne oder ein<br />
50-zu-50-Mix aus beidem.<br />
Dabei setzt man nicht auf irgendwelche Werte: Rubarb sieht<br />
nur sogenannte ETF-Fonds vor, die auch Verbraucherschützer<br />
empfehlen, weil sie die geringsten Nebenkosten verursachen. Und<br />
auch da kommen nur solche in Betracht, die klaren Nachhaltigkeitskriterien<br />
genügen: Industrien wie Rüstung, Öl und Kohle<br />
sind ausgeschlossen und bei den restlichen Branchen fließt das<br />
Geld nur in Unternehmen, die bei Nachhaltigkeitsrankings zu<br />
den Besten zählen. Darüber hinaus will rubarb im Dezember<br />
einen eigenen Fonds starten. Er orientiert sich an den 17 Nachhaltigkeitszielen<br />
der Vereinten Nationen: „Unternehmen, in<br />
die unser Fonds investiert, dürfen auf keines dieser Ziele einen<br />
negativen Impact haben und müssen zumindest eines von ihnen<br />
fördern“, sagt Fabian Scholz.<br />
Und wenn rubarb scheitert – ist mein Geld dann verloren? „Keineswegs“,<br />
beruhigen die Gründer. „Das Depot liegt bei unserem<br />
Partner DAB, der deutschen Tochter von BNP Paribas, einer<br />
der größten Banken der Welt. Dort ist es sicher, auch wenn wir<br />
pleitegehen.“ Die Nutzung der App ist einfach und kostenfrei.<br />
Hat man die Anlagestrategie einmal eingerichtet,<br />
funktioniert alles automatisch. Darüber hinaus<br />
können die User Sparziele festlegen und Tipps<br />
erhalten, wie sie zu erreichen sind. An die<br />
20.000 User nutzen rubarb bereits.<br />
Mitmachen:<br />
Jetzt nachhaltig lossparen mit www.rubarb.app und mehr<br />
über die Vorteile nachhaltiger Geldanlage erfahren, zum Beispiel auf<br />
www.fairfinanceguide.de<br />
Foto: @ rubarb<br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
11
kurz & gut<br />
Schräubchen<br />
drehen<br />
Selbst reparieren statt entsorgen – die Online-Community<br />
ifixit hilft dabei. Sie stellt über 60.000 Anleitungen<br />
zu rund 30.000 Produkten zur Verfügung – vom Smartphone<br />
bis zum Lkw. Selbst zu schwierigen Themen<br />
teilen Nutzerinnen und Nutzer ihr Reparaturwissen und<br />
helfen einander. Natürlich dauert Reparieren länger<br />
als neu kaufen, aber dafür macht es glücklich! Und trägt<br />
zur Müllvermeidung bei.<br />
www.ifixit.com<br />
To-go-Konsum ohne<br />
Verpackungsmüll<br />
Lieferessen und Take-away nachhaltig verpacken –<br />
das pfandfreie Mehrwegsystem VYTAL macht’s möglich.<br />
Das Kölner Start-up ist mit seiner App bereits in<br />
neun deutschen Städten vertreten. Der Anreiz: Die<br />
hübschen Mehrwegpackungen sind für die Gastronomie<br />
günstiger als die Einwegvarianten. Wer es nutzt,<br />
gibt seine Mehrwegbehälter einfach bei einem der mehr<br />
als 1.500 VYTAL-Partner bequem zurück – vom<br />
Kaffeebecher über Sushiboxen bis zur Pizzapackung.<br />
www.vytal.org<br />
Wild fürs Klima<br />
Nur zwei Kaffees bestimmen den Weltmarkt: Arabica<br />
und Robusta. Dabei gibt es rund 130 wilde Kaffeesorten, die<br />
deutlich widerstandsfähiger gegen klimatische Stressfaktoren<br />
sind. Mit<br />
Hibrido de Timor, angebaut<br />
im Hochland des südostasiatischen<br />
Inselstaates<br />
Timor-Leste, kommt<br />
jetzt eine natürlich vorkommende<br />
Kreuzung zwischen<br />
Arabica und Robusta<br />
auf den deutschen Markt.<br />
Den aromatischen Wildkaffee<br />
gibt es bei HyCoffee<br />
(als Dark oder Light Roast).<br />
www.hycoffee.de<br />
Endlich Frei-Tag!<br />
Margret Rasfeld, Bildungsreformerin und Mitgründerin<br />
von „Schule im Aufbruch“, ruft mit ihrem neuen<br />
Buch „FREI DAY. Die Welt verändern lernen! Für eine<br />
Schule im Aufbruch“ zu mehr Freiraum, Flexibilität und<br />
sinnstiftendem Lernen in unseren Schulen auf. Denn<br />
ob Klimakrise oder Digitalisierung: Mit einer Schule von<br />
gestern können wir die Herausforderungen von<br />
heute nicht mehr lösen.<br />
Es braucht ein Update<br />
und dafür hat Margret<br />
Rasfeld das Konzept eines<br />
wöchentlichen Zukunftstages<br />
entwickelt, dem<br />
Frei-Day.<br />
Margret Rasfeld, FREI DAY,<br />
Oekom Verlag<br />
12 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong><br />
Fotos: © oben li: © Barn Images/unsplash oben re: @ REWE Group unten li: © Timothy Charlton unten re: © Oekom Verlag GmbH
Ein Beitrag von TOYOTA<br />
Mobilität<br />
weitergedacht<br />
Mit ehrgeizigen Zielen und zukunftsweisenden<br />
Technologien arbeitet Toyota für<br />
eine umweltfreundlichere Gesellschaft<br />
Wer die Zukunft aktiv mitgestalten will, muss früh damit<br />
anfangen. Schon vor über 20 Jahren hat Toyota<br />
damit begonnen, Hybridautos zu fertigen. Jetzt geht<br />
das Unternehmen einem neuen und ehrgeizigen Ziel entgegen:<br />
Mit Beyond Zero denkt der japanische Autobauer die Mobilität der<br />
Zukunft weit über Nullemissionen hinaus.<br />
Immer wieder hat der Konzern, der längst auf dem Weg vom<br />
Automobilhersteller zum Mobilitätsdienstleister ist, bewiesen,<br />
dass innovatives Denken in der Unternehmens-DNA steckt. Schon<br />
früh hat er an seinen Standorten weltweit angefangen, Mobilität<br />
und Fahrzeuge neu zu denken – und zu produzieren. 1997 ging<br />
mit dem Prius das erste Hybridauto in die Großserienfertigung.<br />
Weiter ging die Entwicklung mit Plug-in-Hybriden und es folgten<br />
vollelektrische Fahrzeuge. Heute forscht und entwickelt Toyota<br />
intensiv an der Wasserstofftechnologie und hat mit dem Mirai ein<br />
Brennstoffzellenfahrzeug auf den Markt gebracht.<br />
Aber mit Beyond Zero geht es dem Unternehmen nicht nur<br />
darum, Mobilität wirklich ganz neu zu denken, sondern auch<br />
gesellschaftliche Veränderungen zu schaffen und alles zu tun, um<br />
die Umwelt zu schützen. Zudem möchte Toyota jeder und jedem<br />
Einzelnen den Zugang zu elektrifizierter Mobilität ermöglichen<br />
und Menschen so in die Lage versetzen, selbst einen wichtigen<br />
Beitrag zum Umweltschutz und zu einer sauberen Zukunft zu<br />
leisten.<br />
Einen wichtigen Schritt Richtung Beyond Zero geht das<br />
Toyota mit „Woven City“ – der Planung einer Stadt der Zukunft.<br />
Das Außergewöhnliche an dieser Stadt von morgen ist die Ganzheitlichkeit,<br />
in der sie konsequent nachhaltig gedacht wurde.<br />
Entstehen wird ein vernetztes Ökosystem, das mit Wasserstoff<br />
betriebene Brennstoffzellen nutzt. Auf einem 175 Hektar großen<br />
Areal am Fuße des Mount Fuji entsteht mit „Woven City“ ein Ort<br />
zum Leben und Arbeiten, ein lebendiges Labor, wo Menschen<br />
wohnen und wo an Zukunftsthemen wie Autonomie, Robotik,<br />
persönliche Mobilität oder künstliche Intelligenz geforscht wird.<br />
Wo nachhaltig gebaute Häuser neben der Energie aus Wasserstoff<br />
auch Photovoltaikanlagen auf den Dächern haben und wo üppige<br />
Vegetation die ineinander verwobenen Straßen, Wege und Plätze<br />
säumt. Ein Ort, der dem Glück und der Gesundheit der Menschen<br />
dient – eine Utopie wird Realität.<br />
Den scheinbaren Widerspruch zwischen größtmöglicher<br />
individueller Bewegungsfreiheit für alle in Einklang bringen<br />
mit der Umwelt. Nicht nur Nullemissionen anstreben, sondern<br />
darüber hinaus maximale Freiheit für die Menschen schaffen<br />
durch neue Technologien, neue Konzepte, neues Denken – dahin<br />
geht der Wandel!<br />
Mitmachen:<br />
Mehr zu Toyotas Vision einer besseren Zukunft<br />
finden Sie unter toyota.de/beyond-zero<br />
Foto: @ Toyota<br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
13<br />
WASSERSTOFFVERBRAUCH Mirai Elektromotor 134 kW (174 PS)<br />
Kurzstrecke (niedrig)/Stadtrand (mittel)/Landstraße (hoch)/Autobahn<br />
(Höchstwert/komb. 0,74/0,70/0,76/1,17/0,89kg/100km<br />
STROMVERBRAUCH KOMB. 0 kW/100km, CO2-Emissionen komb. 0g/km<br />
Werte gemäß WLTP-Prüfverfahren
Nachhaltige Wirtschaft<br />
Mitten im politischen<br />
Zentrum Berlins macht sich<br />
Dr. Katharina Reuter für<br />
nachhaltige Wirtschaft stark<br />
„Wir brauchen<br />
wahre Preise“<br />
Dr. Katharina Reuter wollte eigentlich<br />
Bäuerin werden. Heute lebt sie mit<br />
ihrer Familie, vier Hühnern und<br />
Hochbeeten in Brandenburg und ist<br />
Geschäftsführerin des Bundesverbands<br />
Nachhaltige Wirtschaft.<br />
Wir sprachen mit ihr über die große<br />
Bedeutung der Preispolitik<br />
für Klimaschutz und Nachhaltigkeit<br />
Interview KATHARINA FINKE<br />
Sie sind seit 2014 Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige<br />
Wirtschaft e.V. (BNW) und vertreten über 480 nachhaltige<br />
Unternehmen – Tendenz steigend. Vor welchen Herausforderungen<br />
stehen Sie dabei?<br />
Der Politik zu zeigen, dass die Wirtschaft Klimaschutz will und<br />
kann. Dafür höre ich auch Unternehmen zu, bei denen Nachhaltigkeit<br />
– anders als bei unseren Mitgliedsunternehmen, die<br />
sie zum Kerngeschäft gemacht haben – keine große Rolle spielt.<br />
Denn mir ist es wichtig, mit vielen in die Diskussion zu treten,<br />
um authentisch politische Forderungen zu stellen und der nachhaltigen<br />
Wirtschaft eine Stimme zu geben.<br />
Warum braucht die nachhaltige Wirtschaft diese Stimme?<br />
Weil sie kaum vorkommt, weil sie total untergeht und weil es so<br />
ungerecht ist, dass die Vielfalt in der Wirtschaft nicht abgebildet<br />
wird. Ich möchte der Politik zeigen, dass Nachhaltigkeit eine<br />
Chance für sie ist. Wir brauchen Klimaschutz, weil es knallharte<br />
Standortpolitik ist, auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland.<br />
Nicht nur, weil wir sonst den Ast absägen, auf dem unsere<br />
Wirtschaft sitzt – Böden, Wälder, Gewässer. Sondern auch, weil<br />
Foto: © BNW e.V.<br />
14 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>
große Volkswirtschaften wie China oder die USA den Ausbau<br />
von Klimaschutztechnologien längst als wirtschaftliche Chance<br />
begriffen haben. Ich möchte mit Fakten überzeugen: Nachhaltige<br />
Wirtschaft steht für immer mehr Arbeitsplätze, vor allem für die<br />
mit Zukunft.<br />
Warum wirtschaften dann nicht alle nachhaltig?<br />
Das Problem ist, dass der Markt sich nicht selbst regulieren<br />
kann, weil eine falsche Preispolitik herrscht. Klimaschädliches<br />
Verhalten wird subventioniert. So gibt es zum Beispiel eine<br />
Mineralölsteuer, aber Kerosin oder Plastik aus Erdöl werden<br />
gar nicht besteuert. Zudem zahlen wir als Konsumentinnen<br />
und Konsumenten bei konventionellen Produkten nicht den<br />
wahren Preis. Beispiel: Fast-Fashion-Shirt. Hier sind die Kosten<br />
für die Menschenrechte und Nachhaltigkeit nicht eingerechnet.<br />
Unternehmen, die darauf in der Lieferkette achten, müssen ihre<br />
Produkte teurer anbieten und haben dadurch einen Nachteil am<br />
Markt. Das ist unfair und falsch.<br />
Was müsste sich ändern, damit sich diese Situation verbessert?<br />
Wir müssten es komplett umdrehen. Damit zukünftig alles, was<br />
gut fürs Klima ist, auch preiswerter ist. Das gelingt, wenn es höhere<br />
Abgaben gibt für alles, was dem Klima schadet, zum Beispiel bei der<br />
Mehrwertsteuer, und im Gegenzug Klimafreundlichkeit gefördert<br />
wird. Ich wünsche mir, dass die Politik dafür sorgt, dass nicht nachhaltiges<br />
Handeln künftig unrentabel für Unternehmen ist, und dass<br />
sie Rahmenbedingungen schafft, klimafreundlicher zu agieren.<br />
„Ich möchte der Politik<br />
zeigen, dass die<br />
Wirtschaft Klimaschutz<br />
will und kann.“<br />
Ist die Politik bereit für so eine Umstellung?<br />
Naja. Immer mehr juristische Entscheidungen, wie zum Beispiel<br />
der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz,<br />
zwingen die Politik dazu, etwas zu ändern. Aber sie muss auch<br />
endlich verstehen, dass Klimaschutz oberste Priorität hat. Die<br />
Wirtschaft ist an vielen Stellen schon weiter und hat den Mut zu<br />
den Schritten, die auch wehtun werden. Soziale Härtefälle können<br />
abgefedert werden und sollten nicht der Grund sein, tatenlos zu<br />
bleiben. Im Gegenteil: Wir können es gemeinsam<br />
schaffen und nachhaltiges Wirtschaften rechnet<br />
sich, wenn wir wahre Preise einführen!<br />
Mitmachen:<br />
Die Mitglieder des BNW praktizieren schon heute Wirtschaft von morgen:<br />
www.bnw-bundesverband.de<br />
Ein Beitrag von Renovabis<br />
GEMEINSAME<br />
AUFGABE<br />
Die Schöpfung schützen – dafür macht<br />
sich das Hilfswerk Renovabis stark<br />
Es gibt wohl nur wenige Menschen, die unberührt bleiben beim<br />
Anblick der Natur. In ihr finden wir Nahrung und Erholung,<br />
fühlen Frieden, Freude und Hoffnung.<br />
Den Reichtum der Schöpfung zu bewahren, ist sogleich aber<br />
auch die größte ökologische Herausforderung unserer Zeit. Renovabis,<br />
jüngstes der sechs weltkirchlichen katholischen Hilfswerke<br />
in Deutschland und gegründet als Solidaritätsaktion für die Menschen<br />
im Osten Europas, rückt im laufenden Jahr diese Aufgabe<br />
besonders in den Blick. Was kann jede und jeder zum Erhalt der<br />
Schöpfung beitragen? Wie kann die Natur so geschützt werden,<br />
dass auch die nachfolgenden Generationen ihre Schönheit noch<br />
bewundern können und gleichzeitig Menschen in schwierigen<br />
sozialen Verhältnissen, etwa im Osten Europas, ihr Auskommen<br />
haben?<br />
„Alles hängt immer mit allem zusammen“, betont Papst<br />
Franziskus. Darum gilt: Nur gemeinsam werden wir unseren<br />
Planeten schützen und seine Ressourcen schonen können.<br />
Mitmachen:<br />
Ost und West in gemeinsamer Verantwortung für die<br />
Schöpfung: Begegnen Sie der Natur mit Respekt und unterstützen<br />
Sie damit auch die Menschen im Osten Europas.<br />
IBAN: DE24 7509 0300 0002 2117 77, LIGA Bank eG, Stichwort: Schöpfung<br />
www.renovabis.de<br />
Foto: © Renovabis<br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
15
Nachhaltige Geldanlage<br />
Grünes Geld<br />
bewegt die Welt<br />
Ein Konto bei einer Nachhaltigkeitsbank?<br />
Eine Geldanlage, die strenge Ausschlusskriterien<br />
formuliert? Die transparent aufzeigt, wohin<br />
das Geld fließt? Für viele Sparerinnen und Sparer<br />
Nachhaltige<br />
Geldanlage 2020<br />
(Privateinlagen + institutionelle Anleger)<br />
ist das längst selbstverständlich. Ob ethische<br />
Geldanlage, grünes Geld oder Fair Finance –<br />
gemeint ist immer dasselbe: die Kraft des Geldes<br />
zu nutzen, um den Wandel voranzutreiben.<br />
Ein wachsender Trend, wie die Zahlen zeigen<br />
Wertentwicklung.<br />
Nachhaltige ETFs überholen<br />
konventionelle ETFs<br />
(Zeitraum: 7 Jahre)<br />
<br />
<br />
<br />
Ziel 7:<br />
Bezahlbare und saubere<br />
Energie<br />
ca.309<br />
Mio.€<br />
Quelle: Bundesinitiative Impact Investing<br />
236 %<br />
Zuwachs der<br />
Privatinvestitionen<br />
in nachhaltige<br />
Fonds 2018–2020<br />
Quelle: MSSCI Inc. 2021<br />
Quelle: FNG Marktbericht 2021<br />
<br />
In Deutschland gibt es<br />
14<br />
Banken<br />
mit Nachhaltigkeits-<br />
Standards<br />
(Aber nicht alle erfüllen<br />
dieselben Kriterien.)<br />
<br />
<br />
Ziel 3:<br />
Gesundheit und<br />
Wohlergehen<br />
ca.520<br />
Mio.€<br />
Anzahl der Fonds<br />
mit Nachhaltigkeitsbezug<br />
in Deutschland<br />
<br />
Quelle: CopeExplorer Quelle: Bundesinitiative Impact Investing<br />
Quelle: FNG Marktbericht 2021<br />
16 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>
Ein Beitrag von The Generation Forest<br />
Klimaschutz<br />
für Generationen<br />
Gemeinsam Artenvielfalt stärken und dem Klimawandel die Stirn bieten –<br />
die Genossenschaft The Generation Forest schafft Wälder<br />
mit Bäumen jeden Alters – und für viele Generationen von Menschen<br />
Foto: © The Generation Forest e.G./Emir Lebedev<br />
Heute würde das berühmte Kinderbuch von Janosch<br />
vermutlich „Oh wie schön war Panama“ heißen.<br />
Denn in den letzten Jahrzehnten hat das lateinamerikanische<br />
Land 70 Prozent seiner Wälder verloren. Abgeholzt für<br />
die Viehzucht, für Monokulturen, mit degradierten Böden in der<br />
Folge.<br />
Teile der verbleibenden Waldgebiete werden von den indigenen<br />
Gemeinschaften der Guna bewacht, bewahrt, verteidigt. Kein<br />
weiterer Baum soll den Kettensägen zum Opfer fallen. Das gefällt<br />
nicht allen, und so kommt es an den Grenzen zwischen Wald und<br />
Weideland immer wieder zu Konflikten.<br />
Mit der Idee einer „Green Wall“ hat die Genossenschaft The<br />
Generation Forest damit begonnen, einen Teil ihrer Aufforstung<br />
mit Generationenwäldern als schützenden Puffer möglichst nah<br />
am Land der indigenen Gemeinden zu realisieren.<br />
Genossenschaftsgründerin Iliana Armièn aus Panama hat dort<br />
in ihrer Kindheit viele Brandrodungen erlebt, es war ein Trauma.<br />
Was dagegen tun? Sie gründete mit Partner Andreas Eke vor 25<br />
Jahren einen Forstbetrieb in Panama, der sich der nachhaltigen<br />
Forstwirtschaft mit heimischen Tropenhölzern verpflichtet hat.<br />
Aus dem Wunsch, die Idee des Generationenwaldes einer breiten<br />
Zahl von Menschen zugänglich zu machen, entstand 2016<br />
die Genossenschaft The Generation Forest eG.. Heute zählt sie<br />
3.832 Mitglieder aus 26 Ländern und ist stolz, auch auf sozialer<br />
Ebene positiv zu wirken: Die indigenen Gemeinden sind aktiv<br />
am Gedeihen der Wälder beteiligt, es entstehen Arbeits- und Ausbildungsplätze<br />
für Frauen und Männer unter fairen Bedingungen.<br />
Anders als schnell hochgezüchtete Monokulturplantagen, die<br />
möglichst bald gerodet werden und degradierte Böden zurücklassen,<br />
geht es um Artenvielfalt und Nachhaltigkeit. Dass das<br />
nicht von heute auf morgen geht, steckt schon im Namen: Es<br />
sind Generationen von Bäumen für Generationen von Menschen.<br />
Von den Großeltern für die Enkel, von den Eltern für die Kinder,<br />
oder einfach für sich selbst und das Wissen, zu Klimaschutz und<br />
biologischer Vielfalt beizutragen.<br />
Sind Bäume kräftig gewachsen, werden sie behutsam entnommen,<br />
an ihre Stelle werden junge Bäume nachgepflanzt. Bereits<br />
mit einem einzigen Genossenschaftsanteil (1.369 Euro) können<br />
500 Quadratmeter Land gekauft, aufgeforstet und dauerhaft<br />
geschützt werden. Sieben solcher Aufforstungsprojekte gibt es<br />
bereits. Möglich wird dies durch Impact Investing: Gemeinsam<br />
investieren die Menschen in eine natürliche Klimalösung und<br />
zeigen, dass Ökonomie und Ökologie einen starken<br />
Hebel zur Lösung globaler ökologischer und sozialer<br />
Probleme bilden können. Ein innovativer Klimaschutz,<br />
der Wälder nicht nur schafft und bewahrt,<br />
sondern langfristig vor Abholzung schützt.<br />
Mitmachen:<br />
Jeder Genossenschaftsanteil erwirtschaftet<br />
eine langfristige, grüne Rendite:<br />
www.thegenerationforest.com/17<strong>goals</strong><br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
17
Migration und Integration<br />
Mittlerin<br />
zwischen<br />
Welten<br />
und<br />
Werten<br />
Text IRIS RODRIGUEZ<br />
Geflüchtete, Model, Unternehmerin,<br />
Sozialaktivistin – Zohre Esmaeli lässt sich<br />
nicht in eine Schublade stecken.<br />
So wenig wie ihr Projekt Culture Coaches<br />
Wie alle Kinder hatte auch Zohre einen Traum: Sie wollte Astronautin<br />
werden. Wenigstens in ihren Träumen der Welt<br />
entfliehen, in der sie nicht frei und nicht glücklich war.<br />
Ins Weltall ist sie nicht gekommen, stattdessen einen Weg gegangen,<br />
der hart und oft tränenreich war. 1999 floh sie als 13-Jährige mit ihrer<br />
Familie aus Afghanistan, lebte in zahlreichen Flüchtlingsheimen, erlebte<br />
Diskriminierung und Mobbing. Mit 17 Jahren wurde sie als Model<br />
entdeckt, es folgte eine internationale Karriere.<br />
Und so märchenhaft das auch klingen mag, Zohres Realität sah<br />
immer etwas anders aus als die der anderen Models. Sozialisiert in<br />
einer islamischen und „körperlosen Welt“, wie sie es nennt, war das<br />
Arbeiten vor der Kamera und auf Laufstegen für sie anfangs stark<br />
verbunden mit dem Gedanken, dass es Sünde sei, was sie tat. Aber<br />
da war auch eine andere Stimme in ihr, die der Rebellin, die ihren<br />
eigenen Weg gehen wollte.<br />
2.<br />
1.<br />
3.<br />
Zohre gibt immer einhundert Prozent: Ob in ihrer<br />
Arbeit mit den Culture Coaches (1), bei Dreharbeiten<br />
für einen Dokumentarfilm (2), als international<br />
gefragtes Model (3) oder in ihrer Rolle als<br />
Botschafterin für das Deutsche Rote Kreuz (4)<br />
4.<br />
Fotos: (1) © Dinah Rothenberg (2) © Peter Ruppe<br />
(3) © Nina Bergman (4) © Oana Bara / DRK<br />
18 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>
„Ich hatte früh viel Verantwortung für meine Eltern übernommen.<br />
Sie fühlten sich in Deutschland hilflos, weil sie das Gefühl<br />
hatten, ihre Elternrolle nicht weiterführen zu können. Sie wollten<br />
doch ihre Kinder schützen, aber wie, wenn sie die Gesellschaft<br />
Sozialisiert in<br />
einer islamischen und<br />
„körperlosen Welt“<br />
nicht kennen?“, erzählt sie. Dies sind Erfahrungen, die heute in<br />
Esmaelis Projekt Culture Coaches einfließen, welches sie mit der<br />
Zohre Esmaeli Foundation ins Leben gerufen hat. Sie weiß: Bei<br />
Integration geht es um mehr als die Sprache sprechen zu können.<br />
„Man muss wissen, wie die Menschen ticken, nicht nur in der<br />
ersten Schicht, sondern auch drei Schichten tiefer.“ Darum setzt<br />
das Projekt auf gegenseitiges Verständnis. Die speziell ausgebildeten<br />
Culture Coaches vermitteln Wissen sowohl an Geflüchtete als<br />
auch an Mitarbeitende in öffentlichen Behörden, bei der Polizei,<br />
in der Justiz – denn gerade dort, wo über Asylverfahren und damit<br />
über Leben entschieden wird, kann Hintergrundwissen und<br />
Vorurteile abbauen und somit Entscheidungsmuster ändern.<br />
Was Integration bedeutet, weiß die Wahlberlinerin Zohre Esmaeli<br />
aus eigener Erfahrung: Sie hat es geschafft, sich zu integrieren,<br />
aber für ihre Freiheit hat sie immer gekämpft und einen<br />
hohen Preis gezahlt. Der Blick zurück nach Afghanistan war immer<br />
da. Als im August 2021 die Lage dort eskalierte, war sie in Deutschland<br />
als Expertin besonders gefragt, aber gleichzeitig durchlebte<br />
sie Trauer und Wut. „Es gibt immer noch Millionen Frauen, die<br />
nicht so leben können wie wir,“ sagt sie. Die Machtübernahme<br />
durch die Taliban versetze vor allem Frauen in eine sehr schwierige<br />
Lage. Um ihnen und ihren Kindern zu helfen, plant Zohre Esmaeli<br />
ein neues Projekt: Die Sky Digital School. Sie möchte afghanische<br />
Kinder und Frauen in Flüchtlingslagern mit Tablets ausstatten, auf<br />
denen unterschiedliche Lern-Apps installiert sind, um sie so auf<br />
ihre Zukunft in Europa vorzubereiten. Dafür sammelt<br />
sie Spenden und ist auf der Suche nach einem Computerhersteller,<br />
der gerade über den Tellerrand schaut,<br />
wo er sich sozial engagieren kann.<br />
Mitmachen:<br />
Die Zohre Esmaeli Foundation sammelt für<br />
Afghanistan. Jede Spende, so klein sie auch sein mag, hilft dabei,<br />
insbesondere Frauen und Kinder in Not zu unterstützen.<br />
www.zohre.de/spenden | www.culturecoaches.de<br />
Ein Beitrag der Deutschen Postcode Lotterie<br />
GREEN CHALLENGE –<br />
ACCEPTED!<br />
In einer Zeit großer ökologischer<br />
Herausforderungen stärkt ein Wettbewerb für<br />
grüne Start-ups kluge Lösungen<br />
Smarte Ideen können dazu beitragen, dass ganze Kraftwerke für<br />
immer abgeschaltet werden. So wie die Lösung des deutschen<br />
Finalisten der Postcode Lotteries Green Challenge 2021, Oliver<br />
Baum. Seine Entwicklung spart bis zu 40 Prozent Energie und so<br />
auch CO 2 . Die Erfindung: Der „Warmduscher”. Das Prinzip: mit<br />
der Wärme aus dem abfließenden Duschwasser unmittelbar das<br />
Kaltwasser erhitzen. Das Schöne: Die Technik lässt sich in wenigen<br />
Minuten installieren.<br />
Oliver Baum und sein Team gehören zu den fünf Finalisten-Unternehmen<br />
bei der Postcode Lotteries Green Challenge<br />
2021, einem der weltweit größten jährlichen Nachhaltigkeitswettbewerbe<br />
für grüne Unternehmensideen. Zusammen mit Mimbly<br />
aus Schweden, dem niederländischen Start-up Liion Power,<br />
ChargeBnB aus Norwegen und The Tyre Collective aus Großbritannien<br />
hat sich der Warmduscher gegen über 570 nachhaltige<br />
Start-ups durchgesetzt.<br />
Jedes Jahr im Oktober wird der Preis überreicht: Erstplatzierte<br />
erhalten für ihre Businessidee 500.000 Euro, die Zweitplatzierten<br />
200.000 Euro, alle anderen je 100.000 Euro. Alle fünf Finalistinnen<br />
und Finalisten dürfen sich zudem über ein sechsmonatiges<br />
Experten-Coaching freuen. Für Ideen, die jetzt etwas<br />
bewirken, denn die Welt kann nicht warten.<br />
Foto: © Der Warmduscher<br />
Mitmachen:<br />
Jetzt die Green Challenge 2022<br />
vormerken: Bewerbungsstart März 2022.<br />
www.greenchallenge.info<br />
WIE MENSCHEN DIE WELT BEWEGEN<br />
19
Kunst & Kultur<br />
Naturschutz in<br />
Handarbeit<br />
Text IRIS RODRIGUEZ<br />
Durch Häkeln können die<br />
faszinierenden, hyperbolischen<br />
Formen der Korallen bestmöglich<br />
nachempfunden werden<br />
Ganz ohne Schnorchel in bunte Welten abtauchen:<br />
Ein gehäkeltes Korallenriff lässt die Schönheiten der<br />
Weltmeere in all ihrer Pracht aufleben –<br />
und spiegelt die Sehnsucht der Menschen wider,<br />
die Welt ein wenig zu heilen<br />
A<br />
cht bis zwölf Luftmaschen – der Anfang ist getan.<br />
Unzählige Häkelstunden später ist aus Tausenden<br />
Maschen eine bizarre, bunte Koralle entstanden. Eine<br />
von rund zweitausend Handarbeitsstücken, die sich zu einem<br />
spektakulären Kunstwerk zusammenfügen werden: dem Baden-<br />
Baden Satellite Reef im Museum Frieder Burda.<br />
Ab Ende Januar 2022 werden sich die Ausstellungsräume<br />
des Museums in eine große, farbenprächtige Unterwasserwelt<br />
verwandeln, die viele Hundert Menschen in unzähligen Häkelstunden<br />
erschaffen haben. Eine große Community hat Masche an<br />
Masche gefügt, in allen Formen und Farben die Kreativität ausgelebt<br />
und ein Riff entstehen lassen, das so vielfältig ist wie sein<br />
Ebenbild in der Natur. Was die Häkelkünstlerinnen und -künstler<br />
eint, ist die Begeisterung für diese Idee, die so einfach wie schön<br />
ist: die Natur nachzuahmen und damit auf ihre Zerstörung und<br />
Bedrohung aufmerksam zu machen.<br />
Doch was treibt so viele Menschen an, sich an diesem Kunstprojekt<br />
zu beteiligen? Es scheint, als sehnten sie sich danach, die<br />
Welt wieder zu „reparieren“, um sie so erleben zu können, wie sie<br />
sie noch in Erinnerung haben. Dabei kreativ werden zu können<br />
und obendrein auch noch aktiv etwas Gutes für die Weltmeere<br />
zu tun, ist für viele Anreiz genug. Ästhetisch, kraftvoll, nicht<br />
zu übersehen sind ihre Werke. Pink, neon oder grellgrün – die<br />
Leuchtkraft der Farben macht gute Laune.<br />
Der Zustand der Korallen in den Weltmeeren hingegen<br />
ist alles andere als bunt: Rund 60 Prozent der einst so farbenprächtigen<br />
Kreaturen, die weltweit schätzungsweise bis zu<br />
600.000 Quadratkilometer des Meeresbodens bedecken, sind<br />
von Korallenbleiche befallen. Stressfaktoren wie steigende<br />
Meerestemperaturen – bedingt durch die globale Erwärmung<br />
– sowie Umweltverschmutzung bedrohen die wertvollen Riffe.<br />
Hinzu kommen die Schäden durch nicht nachhaltige Fischerei,<br />
...Eine farbenprächtige<br />
Unterwasserwelt ...<br />
Foto l.: © Margaret and Christine Wertheim and the Institute For Figuring. Pod World - Hyperbolic at the 2019 Venice Biennale. Photo courtesy<br />
58th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia, May You Live In Interesting Times, by Francesco Galli.<br />
Foto r.: Margaret and Christine Wertheim and the Institute For Figuring Coral Forest at Lehigh University Arts Galleries (PA) Photo courtesy LUAG by Stephanie Veto<br />
20 <strong>seventeen</strong> <strong>goals</strong>
Im Museum Frieder Burda<br />
gingen rund 10.000<br />
Häkelkorallen ein. Viele<br />
werden ein einzigartiges<br />
Korallenriff bilden – wie hier<br />
in den Lehigh University<br />
Arts Galleries in New York<br />
die mit ihren Boden-Schleppnetzen innerhalb weniger Minuten<br />
zerstört, was über Jahrhunderte gewachsen ist. Dabei gehören<br />
Korallengärten zu den ältesten Ökosystemen der Welt und bilden<br />
die größten von Lebewesen geschaffenen Strukturen der<br />
Erde. In ihnen wimmelt es nur so von Leben, ein Viertel aller<br />
Meerestiere und -pflanzen leben hier. So tragen Korallen auch<br />
zur Ernährung von vielen Millionen Menschen bei. Die Korallenpolypen,<br />
winzige wirbellose Tierchen, leben in Symbiose mit<br />
einzelligen Algen, die ihnen ihre prächtigen Farben verleihen.<br />
„Bei der Korallenbleiche funktioniert der Nährstoffaustausch<br />
zwischen den beiden Lebewesen nicht mehr“, so der Biologe<br />
Dr. Christian Voolstra, Professor für Genetik der Adaptation<br />
in aquatischen Systemen an der Universität Konstanz. „Beide<br />
benötigen bei erhöhten Wassertemperaturen mehr Nährstoffe<br />
für sich selbst und hören auf, diese mit ihrem Symbiose-Partner<br />
zu teilen.“ Das gestörte Miteinander führt zur Korallenbleiche.<br />
Die Erholung geschädigter Riffe dauert Jahrzehnte. Angesichts<br />
des Klimawandels scheint es eher unwahrscheinlich, dass den<br />
kostbaren Ökosystemen diese Zeit gewährt wird.<br />
Zusammen mit dem Baden-Baden Satellite Reef zeigt das Museum<br />
Frieder Burda erstmals in Deutschland auch das Gesamtwerk<br />
der Geschwister Wertheim, die bereits in New York mit dem<br />
Crochet Reef auf die dramatische Situation in den Weltmeeren<br />
aufmerksam gemacht haben. Künstlerischer Leiter und Kurator<br />
der Ausstellung ist Udo Kittelmann. Jede gehäkelte Koralle trägt<br />
zudem zum Schutz der maritimen Welten bei, denn sie wird<br />
mit einer Spende durch die EnBW Energie Baden-Württemberg<br />
AG bedacht. Der Gesamterlös wird der Umweltorganisation Sea<br />
Shepherd Deutschland e.V. zugutekommen.<br />
Mitmachen:<br />
„Wert und Wandel der Korallen“ im Museum Frieder Burda,<br />
Baden-Baden, 29. Januar bis 26. Juni 2022 www.museum-frieder-burda.de<br />
Mehr zum Thema: die faszinierende Doku „Chasing Corals“
Ein Wald – so viel mehr<br />
als ein Holzlieferant!<br />
Europas Zukunft braucht Natur<br />
Gemeinsam mit unseren Verbündeten setzen wir uns für die letzten Naturschätze Europas ein.<br />
Spenden Sie für eine lebenswerte Zukunft!<br />
Mehr Informationen auf www.euronatur.org/wald<br />
Westendstraße 3 • 78315 Radolfzell • Telefon +49 (0)7732/9272-0 • info@euronatur.org<br />
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Text: Jan Berndorff, Katharina Finke<br />
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Lektorat und Schlusskorrektur:<br />
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Fähigkeiten ausschöpfen können, ist eine direkte Investition<br />
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Wissen haben, die Welt zu verändern. Das ist Hilfe, die wirkt.<br />
Foto: Patrick Wittmann<br />
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