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256. Ausgabe, ET 20.10.2018

Der harte Horst: Es ist lächerlich, wenn nun nach den Ergebnissen der Landtagswahl in Bayern die CSU und gar die SPD so tun, als sei der Seehofer Horst dafür verantwortlich. Die gute Nachricht ist, dass der Kurs hart rechts nix brachte. Von Michael Zäh

Der harte Horst: Es ist lächerlich, wenn nun nach den Ergebnissen der Landtagswahl in Bayern die CSU und gar die SPD so tun, als sei der Seehofer Horst dafür verantwortlich. Die gute Nachricht ist, dass der Kurs hart rechts nix brachte. Von Michael Zäh

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Oktober 2018<br />

NATIONALMANNSCHAFT FUSSBALL 11<br />

Der Nachhall und der Riss<br />

Nationalmannschaft. Joachim Löw trat nach der 0:3-Klatsche gegen Holland die Flucht<br />

nach vorne an und brachte in Paris drei junge Tempostürmer. Von Michael Zäh<br />

Was ist es eigentlich genau,<br />

das man dem Weltmeistertrainer<br />

Joachim Löw mit<br />

teils großer Inbrunst vorwirft? Es ist<br />

natürlich immer noch der Nachhall der<br />

größtmöglichen WM-Blamage, die ja<br />

auch historisch einmalig war, gegen<br />

Teams wie Südkorea, Mexiko und<br />

Schweden in einer WM-Vorrunde als<br />

Gruppenletzter auszuscheiden. Denn<br />

dies sitzt tief und zwar vor allem auch,<br />

weil es keiner verstand. Angesichts der<br />

(vermuteten) Qualität des Kaders der<br />

deutschen Nationalmannschaft war es<br />

auch nicht zu verstehen. Und dennoch<br />

muss es ja einen Grund dafür geben, da<br />

es mit Pech oder Zufall nicht wirklich<br />

zu erklären war. Nach dem erneut eher<br />

blamablen 0:3 in Amsterdam gegen<br />

junge, hungrige Holländer in der neu<br />

veranstalteten „Nations-League“ wurde<br />

nun deutlich, worin das Problem besteht.<br />

Kurz und bündig, also eher grob gesagt:<br />

Es gab eine Zeit vor dem WM-Titel 2014 in<br />

Brasilien und es gibt eine Zeit danach. Denn<br />

nach dem Triumph von Rio schien ja das<br />

Paradies angebrochen zu sein. Okay, zwar<br />

schied man zwei Jahre später im Halbfinale<br />

der EM gegen Gastgeber Frankreich aus,<br />

hatte dabei allerdings gut gespielt und in<br />

Bastian Schweinsteiger eine Art tragische<br />

Figur (der erst toll präsent war, dann aber<br />

nicht auf der Höhe schien, als er den vorentscheidenden<br />

Elfmeter für Frankreich<br />

per Handspiel verursachte), also quasi den<br />

Gegenpart zum blutbefleckten Helden im<br />

Finale in Brasilien einnahm. So etwas kann<br />

passieren, und selbst wenn damals schon<br />

Herum irren: Manuel Neuer, Mats Hummels und<br />

Co. sind beim 0:1 in Holland nicht im Bilde<br />

Kritiker dem Bundestrainer vorwarfen, dass<br />

er zu lange an Schweinsteiger festgehalten<br />

habe, war dies doch als eher niederträchtig<br />

eingestuft worden. Wenn ein Held wie Basti<br />

zu Grunde ging, dann doch so. Und wenn<br />

ein Trainer wie Löw bis zuletzt an seinem<br />

Helden festhielt, dann war das okay.<br />

Das eigentliche Problem begann ein<br />

Jahr vor der WM mit dem Gewinn des<br />

„Confed Cup“ in Russland und dem fast<br />

gleichzeitigen Titelgewinn der U21 als<br />

Europameister. Denn ab da ging doch jeder<br />

Fan in die Knie, ob so viel nachrückendem<br />

Talent im deutschen Fußball, während<br />

die Weltmeisterkicker ja zum größeren<br />

Teil auch noch da waren (wie sehr Lahm,<br />

Klose und Mertesacker fürs Teamklima<br />

fehlen sollten, wusste da noch niemand).<br />

Der Trainer Joachim Löw hatte ja seinen<br />

Verdienst daran. Erst hatte er den<br />

WM-Titel 2014 ercoacht, dann mit<br />

dem sogenannten Perspektiveteam<br />

2017 gezeigt, wie man selbst ohne<br />

die gestandenen Stars ein Titelchen<br />

gewinnt. Das Paradies sah so aus: Ein<br />

toller Konkurrenzkampf unter lauter<br />

jungen und alten Superspielern, der<br />

am Ende zu einer eleganten und ganz<br />

speziellen Mischung aus den beiden<br />

Zutaten führen würde.<br />

Nach der WM-Blamage im Sommer<br />

und dem 0:3 gegen Holland im<br />

Herbst 2018 hat sich gezeigt, dass eben<br />

genau das zum Problem wurde, was<br />

zuvor wie ein Überfluss an Qualität<br />

erschien. Löw gelang es eben nicht, die<br />

jungen aufstrebenden Kicker (Sané,<br />

Werner, Goretzka, Draxler, Kimmich<br />

etc) und die etablierten Weltmeister<br />

zu einer Einheit zu formen. Eher scheint<br />

es so zu sein, dass ein Riss durch die<br />

Mannschaft geht. Routinierte, aber auch<br />

etwas träge WM-Helden und eifrige,<br />

aber auch übermotivierte Nachrücker aus<br />

Confed-Cup-Siegern und U21-Europameistern<br />

liefern sich keinen fruchtbaren<br />

Konkurrenzkampf, sondern leben fast<br />

schon in fußballerischen Parallelwelten.<br />

Und klar (wie Joachim Löw selbst gerne<br />

sagt), ist das etwas, das der Bundestrainer<br />

am Ende zu verantworten hat.<br />

Bei der 1:2-Niederelage in Paris gegen<br />

Weltmeister Frankreich hat Joachim Löw<br />

die Flucht nach vorne angetreten. Weil<br />

er den Mut fand, vorne mit Sané, Werner<br />

und Gnabry drei junge Tempostürmer zu<br />

bringen. Ein Zeichen für die Zukunft.<br />

Fotos: Witters

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