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Leseprobe_Die_Schwarze_Sieben_Perlenkette

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DIE<br />

SCHWARZE<br />

SIEBEN<br />

UND DIE<br />

VERSCHWUNDENE<br />

PERLENKETTE


DIE<br />

SCHWARZE<br />

SIEBEN<br />

UND DIE<br />

VERSCHWUNDENE<br />

PERLENKETTE<br />

Aus dem Englischen von Gundula Müller-Wallraf<br />

Mit Illustrationen von Tony Ross<br />

KNESEBECK<br />

– urheberrechtlich geschütztes Material –


Inhalt<br />

Titel der Originalausgabe: Secret Seven Adventure<br />

Zuerst erschienen in Großbritannien bei Brockhampton, 1950<br />

Copyright Text © 2013 Hodder & Stoughton Ltd<br />

Illustrationen Copyright © 2013 Tony Ross<br />

Deutsche Erstausgabe<br />

Copyright © 2018 von dem Knesebeck GmbH & Co. Verlag KG, München<br />

Ein Unternehmen der La Martinière Groupe<br />

Umschlagadaption: Leonore Höfer, Knesebeck Verlag<br />

Übersetzung: Gundula Müller-Wallraf, München<br />

Projektleitung und Lektorat: Veronika Brandt, Knesebeck Verlag<br />

Satz & Herstellung: Arnold & Domnick, Leipzig<br />

Druck: PNB Print Ltd<br />

Printed in Latvia<br />

ISBN 978-3-95728-102-9<br />

Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise.<br />

www.knesebeck-verlag.de<br />

1 Ein geheimes Treffen der <strong>Schwarze</strong>n <strong>Sieben</strong> 7<br />

2 Indianernachmittag 11<br />

3 Colin in der Klemme 16<br />

4 Fall oder nicht? 20<br />

5 Ein wichtiges Treffen 24<br />

6 Jede Menge seltsame Spuren 29<br />

7 Sam entdeckt einen Hinweis 33<br />

8 Ein Besuch im Zirkus 37<br />

9 Eine gute Idee – und eine Enttäuschung 41<br />

10 Trinculo, der Akrobat 46<br />

11 Pams Entdeckung 50<br />

12 Der Ein-Bein-Bill 55<br />

13 Eine Jacke zur Mütze 59<br />

14 Schon wieder diese komischen Abdrücke 63<br />

15 Peter und Colin in der Klemme 67<br />

16 In der Falle 71<br />

– urheberrechtlich geschütztes Material –


17 Wieder auf dem Zirkusplatz 76<br />

18 Peter erzählt seine Geschichte 80<br />

19 Wo sind die Perlen? 84<br />

20 Das Abenteuer geht zu Ende 88<br />

KAPITEL 1<br />

EIN geheimes Treffen der <strong>Schwarze</strong>n <strong>Sieben</strong><br />

Einmal in der Woche traf sich der Geheimbund <strong>Schwarze</strong><br />

<strong>Sieben</strong> in dem alten Schuppen unten im Garten von Peter<br />

und Janet. An der Tür prangte in Grün und Schwarz »S7«.<br />

Peter und Janet waren schon da und warteten. Janet presste<br />

in einen großen Krug Zitronen aus, um für das Treffen<br />

Limonade zu machen. Auf einem Teller lagen sieben Ingwerplätzchen<br />

und ein großer Hundekuchen. Der war für Sam,<br />

ihren Cockerspaniel. Sam ließ den Teller keine Sekunde aus<br />

den Augen, als befürchte er, der Hundekuchen könne herunterspringen<br />

und verschwinden!<br />

»Da kommen die anderen«, sagte Peter, als er aus dem<br />

Fenster lugte. »Ja – Colin, George, Barbara, Pam und Jack.<br />

Noch du und ich und die <strong>Sieben</strong> ist komplett.«<br />

»Wuff«, beschwerte sich Sam. Er fühlte sich ausgeschlossen.<br />

»Tut mir leid, Sam«, sagte Peter. »Du bist leider kein Vollmitglied.<br />

Mehr so ein Anhängsel. Aber ein sehr nettes!«<br />

Klopf, klopf! Es klopfte an der Tür.<br />

»Losungswort, bitte«, rief Peter. Er öffnete die Tür immer<br />

erst, wenn er das Losungswort gehört hatte.<br />

»Kaninchen!«, raunte Colin und Peter entriegelte die Tür.<br />

– urheberrechtlich geschütztes Material –<br />

7


»Kaninchen!«, sagte Jack und »Kaninchen« flüsterten<br />

nacheinander auch die anderen. Das war ihr neuestes<br />

Losungswort. <strong>Die</strong> <strong>Schwarze</strong> <strong>Sieben</strong> wechselte das Wort jede<br />

Woche, für den Fall, dass irgendjemand sie zufällig belauschte.<br />

Peter musterte streng jedes Mitglied, das hereinkam und<br />

sich setzte. »Wo ist denn dein Abzeichen, Jack?«, fragte er.<br />

Jack machte ein betretenes Gesicht. »Es tut mir schrecklich<br />

leid«, sagte er. »Ich fürchte, Susie hat es sich geschnappt.<br />

Ich verstecke es immer in meiner Schublade, aber als ich<br />

heute Morgen danach suchte, war es weg. Manchmal ist<br />

Susie eine echte Plage.«<br />

Susie war Jacks kleine Schwester. Sie wollte unbedingt<br />

auch Mitglied in dem Geheimbund werden, aber wie Jack<br />

ihr immer wieder geduldig erklärt hatte, konnte die <strong>Schwarze</strong><br />

<strong>Sieben</strong> keine weiteren Mitglieder aufnehmen, solange es<br />

bereits sieben Mitglieder gab.<br />

»Susie braucht dringend mal einen Anpfiff«, sagte Peter.<br />

»Du musst dir dein Abzeichen irgendwie zurückholen, Jack,<br />

und dann solltest du es nicht mehr in der Schublade oder sonst<br />

wo verstecken, sondern es rund um die Uhr tragen, sogar<br />

nachts am Schlafanzug. Dann kommt Susie nicht mehr ran.«<br />

»Stimmt«, sagte Jack. Er blickte in die Runde, um zu<br />

sehen, ob alle anderen ihr Abzeichen trugen. Ja, jedes andere<br />

Mitglied trug einen kleinen runden Anstecker, auf dem fein<br />

säuberlich »S7« geschrieben stand. Er war richtig sauer auf<br />

Susie.<br />

»Hat irgendjemand etwas Spannendes zu berichten?«,<br />

fragte Peter. Dabei reichte er die sieben Ingwerplätzchen<br />

herum und warf Sam den Hundekuchen zu. Der Hund fing<br />

ihn geschickt mit dem Maul auf. Dann knusperten und<br />

mampften erst einmal alle vor sich hin.<br />

Leider hatte niemand etwas zu berichten. Barbara warf<br />

Peter einen ernsten Blick zu.<br />

»Das ist nun schon die vierte Woche, in der niemand<br />

etwas zu berichten hat und überhaupt nichts passiert ist«,<br />

sagte sie. »Das ist echt öde. Ein Geheimbund, der rein gar<br />

nichts zu tun hat – weder einen Fall aufzuklären, noch sonst<br />

irgendein Abenteuer zu bestehen – hat doch überhaupt<br />

keinen Sinn.«<br />

»Na, dann lass dir was einfallen«, sagte Peter sofort. »Du<br />

scheinst zu glauben, Kriminalfälle und Abenteuer wachsen<br />

auf Bäumen, Barbara.«<br />

Janet schenkte allen Limonade ein. »Ich wünschte auch, es<br />

würde endlich mal wieder irgendetwas Aufregendes passieren«,<br />

sagte sie. »Können wir uns nicht einfach ein Abenteuer<br />

ausdenken, um uns die Zeit zu vertreiben?«<br />

»Und was stellst du dir da vor?«, fragte Colin. »Uuuah,<br />

diese Limonade ist ja vielleicht sauer!«<br />

»Ich rühre noch mehr Honig rein«, sagte Janet. »Na ja, wir<br />

könnten uns doch zum Beispiel als Indianer verkleiden und<br />

uns dann an andere Leute anschleichen und sie beobachten,<br />

ohne dass sie es merken? Peter und ich haben so schöne<br />

Indianerkostüme.«<br />

Sie unterhielten sich eine Weile über Janets Vorschlag und<br />

stellten fest, dass sie insgesamt sechs Indianerkostüme besaßen.<br />

»Na, dann habe ich eine Idee«, sagte George. »Wir verkleiden<br />

uns als Indianer und gehen rüber zum Sträuchergrund.<br />

8 9<br />

– urheberrechtlich geschütztes Material –


Da teilen wir uns in zwei Gruppen auf. Jede postiert sich an<br />

einem Ende des Dickichts. Und dann sehen wir, welche<br />

Gruppe Colin zuerst aufspüren und fangen kann – er ist der<br />

Einzige ohne Indianerkostüm. Das wird lustig.«<br />

»Ich habe aber leider überhaupt keine Lust, mich von euch<br />

allen aufspüren und einfangen zu lassen«, sagte Colin. »Ich<br />

hasse es, wenn sich plötzlich jemand auf mich stürzt.«<br />

»Aber das ist doch nur ein Spiel!«, sagte Janet. »Sei nicht<br />

albern!«<br />

»Psst – da kommt jemand!«, sagte Peter. Auf dem Kiesweg<br />

zum Schuppen waren Schritte zu hören. Dann klopfte es so<br />

fürchterlich laut an der Tür, dass alle zusammenzuckten.<br />

»Losungswort?«, fragte Peter, der vor lauter Schreck ganz<br />

vergessen hatte, dass die <strong>Schwarze</strong> <strong>Sieben</strong> ja längst vollzählig<br />

war.<br />

»Kaninchen!«, kam zur Antwort.<br />

»Das ist Susie!«, schnaubte Jack wütend. Er riss die Tür<br />

auf und natürlich stand da wirklich seine unverschämte<br />

kleine Schwester und trug auch noch sein »S-7«-Abzeichen!<br />

»Ich bin auch ein Mitglied«, kreischte sie. »Ich kenne das<br />

Losungswort und ich habe ein Abzeichen!«<br />

Als alle anderen zornig aufsprangen, ergriff Susie kichernd<br />

die Flucht. Jack war vor Wut puterrot.<br />

»<strong>Die</strong> schnapp ich mir«, versprach er. »Und wir brauchen<br />

ganz dringend ein neues Losungswort!«<br />

»Wir nehmen ›Indianer‹!«, rief Peter ihm hinterher. »Um<br />

halb drei treffen wir uns wieder hier!«<br />

KAPITEL ZWEI<br />

Indianernachmittag<br />

Um halb drei trudelte der Geheimbund <strong>Schwarze</strong> <strong>Sieben</strong><br />

einzeln oder paarweise wieder im Schuppen ein. Als Erster<br />

erschien Jack, der sein Abzeichen nun wieder selbst trug. Er<br />

hatte Susie gejagt, erwischt und es ihr wieder abgenommen.<br />

»Ist mir doch egal. Ich komme trotzdem wieder und<br />

hämmere gegen die Tür und schreie das Losungswort herum,<br />

so laut ich kann«, hatte Susie gedroht.<br />

»Das bringt dir gar nichts«, hatte Jack geantwortet. »Wir<br />

haben längst ein neues!«<br />

<strong>Die</strong>smal flüsterte jeder das Losungswort mit Bedacht, nur<br />

für den Fall, dass Susie, die Nervensäge, doch noch in der<br />

Nähe wäre.<br />

»Indianer!«<br />

»Indianer!« Immer wieder wurde das Losungswort geflüstert,<br />

bis die <strong>Sieben</strong> versammelt war. Außer Colin hatten alle<br />

Indianerkleider und -kopfschmuck mitgebracht und verkleideten<br />

sich rasch.<br />

»Und jetzt nichts wie los zum Sträuchergrund«, sagte Peter<br />

und führte mit einem furchteinflößend aussehenden<br />

Tomahawk einen kleinen Kriegstanz auf. Zum Glück war der<br />

nur aus Holz. »Ich wähle Janet und Jack als meine Krieger,<br />

10 11<br />

– urheberrechtlich geschütztes Material –


George kriegt Barbara und Pam. Und wir müssen alle versuchen,<br />

Colin aufzuspüren und gefangen zu nehmen.«<br />

»Aber ihr dürft mich weder an Bäume fesseln, noch mit<br />

Pfeilen auf mich schießen«, sagte Colin streng. »Das macht<br />

euch vielleicht Spaß, mir aber nicht. Okay?«<br />

Alle außer Colin hatten ihre Gesichter mit den wildesten<br />

Mustern bemalt. Jack hatte ein Gummimesser und tat so, als<br />

würde er Sam damit erstechen.<br />

Dann machte sich der blutrünstige Haufen Indianer, in<br />

den sie sich verwandelt hatten, auf den Weg zum Sträuchergrund,<br />

der querfeldein nicht ganz einen Kilometer entfernt<br />

war. Er grenzte an ein großes, von einer hohen Mauer umgebenes<br />

Anwesen namens Milton Manor.<br />

»Zuerst postieren wir uns an den gegenüberliegenden<br />

Seiten des Sträuchergrunds«, kommandierte Peter. »Wir drei<br />

bleiben auf dieser Seite, ihr drei geht auf die andere, George.<br />

Colin geht hinein. Wenn alle Indianer auf ihren Plätzen sind,<br />

machen wir die Augen zu und zählen bis hundert. Dann<br />

beginnt die Jagd und alle versuchen, Colin aufzuspüren.«<br />

»Aber wenn ich einen von euch zuerst entdecke und den<br />

Namen rufe, muss derjenige aufstehen und sich zeigen«,<br />

sagte Colin. »Und dann ist er ausgeschieden.«<br />

»Und wenn einer von uns es schafft, sich unbemerkt an<br />

dich heranzuschleichen und sich auf dich zu stürzen, bist du<br />

gefangen«, sagte Peter. »Der Sträuchergrund ist genau der<br />

richtige Ort für so was!«<br />

Das stimmte. Der Sträuchergrund war eine Fläche mit<br />

großen, struppigen Büscheln von Heidekraut und langem,<br />

drahtigem Gras, dichten Büschen und großen und kleinen<br />

– urheberrechtlich geschütztes Material –<br />

13


Bäumen. Es gab unzählige Verstecke dort und wenn man<br />

sich auf dem Bauch kriechend fortbewegte, konnte man eine<br />

andere Person ungesehen von einem Ende des Dickichts<br />

zum anderen verfolgen.<br />

<strong>Die</strong> beiden Gruppen machten sich auf den Weg zu ihrem<br />

jeweiligen Ausgangspunkt an einem der Ränder des<br />

Gesträuchs. Auf der einen Seite bildete ein Zaun die Grenze<br />

des Jagdreviers, auf der anderen erhob sich breit und hoch<br />

die Mauer des Milton-Anwesens. Wenn Colin unentdeckt<br />

aus dem Dickicht herauskommen wollte, musste er ein echter<br />

Fuchs sein!<br />

Er marschierte in die Mitte des Dickichts und wartete, bis<br />

die anderen die Augen zumachten und anfingen, bis hundert<br />

zu zählen. Als Peter mit einem Taschentuch winkte, um<br />

anzuzeigen, dass das Zählen begann, rannte Colin schnurstracks<br />

zu einem hohen, dicht belaubten Baum hinüber, kletterte<br />

flink hinauf, setzte sich auf einen dicken Ast und grinste.<br />

»Jetzt können sie versuchen, mich aufzuspüren, so lang sie<br />

wollen, von einem Ende des Dickichts bis zum anderen – sie<br />

werden mich nicht finden!«, dachte er. Und wenn sie keine<br />

Lust mehr haben zu suchen und aufgeben, klettere ich runter<br />

und schlendere lässig auf sie zu!«<br />

Inzwischen hatten die sechs Indianer zu Ende gezählt. Sie<br />

schwärmten aus und schlängelten sich lautlos durch Heidekraut,<br />

dichtes Gestrüpp und langes Gras.<br />

An der Bewegung der Pflanzen konnte Colin erkennen,<br />

wo einige von ihnen gerade waren. Er lugte zwischen den<br />

Ästen seines Baumes hindurch und kicherte in sich hinein.<br />

Das machte richtig Spaß!<br />

Doch dann entdeckte er etwas völlig Unerwartetes. Als er<br />

zu der hohen Mauer des Milton-Anwesens hinüberspähte,<br />

sah er jemanden rittlings darauf sitzen! Nur einen Augenblick<br />

später sprang der Mann vor Colins Augen hinunter<br />

und tauchte ins Unterholz ab. Zunächst konnte Colin es<br />

noch knacken hören, dann war alles still und er konnte nicht<br />

mehr ausmachen, wohin der Mann verschwunden war. Er<br />

war völlig verdattert. Was hatte der Kerl dort zu suchen<br />

gehabt? War er über die Mauer geklettert?<br />

Colin hatte keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Rufen<br />

konnte er schlecht! Dann sah er plötzlich, dass Peter oder<br />

einer der anderen sich ganz in der Nähe der Stelle befand, an<br />

der der Mann von der Mauer gesprungen war!<br />

Es war Peter. Er hatte nicht weit entfernt ein Geräusch<br />

gehört und vermutet, es sei Colin, der durchs Gestrüpp<br />

kroch. Also war er darauf zu geschlichen.<br />

Ha! In diesem großen Ginsterbusch in voller Blüte<br />

versteckte sich jemand! Das musste Colin sein.<br />

So geräuschlos wie möglich kroch Peter auf allen Vieren<br />

auf das Gebüsch zu. Mit den Händen schob er die Äste<br />

auseinander – und blickte entgeistert in das Gesicht eines<br />

wildfremden Mannes. Nein, das war auf keinen Fall Colin!<br />

Der Mann war entsetzt. Durch die Zweige starrte ihn<br />

eine furchteinflößend bemalte Fratze an. Außerdem bedrohte<br />

ihn sein Gegenüber mit einem Tomahawk. Er konnte ja<br />

nicht wissen, dass der nur aus Holz war!<br />

Der Mann sprang auf und ergriff die Flucht – und für<br />

einen Augenblick war Peter so erstaunt, dass er gar nicht auf<br />

die Idee kam, ihm zu folgen!<br />

14 15<br />

– urheberrechtlich geschütztes Material –


KAPITEL DREI<br />

Colin in der Klemme<br />

Als Peter schließlich aufstand, um zu sehen, wohin der Mann<br />

in seiner Panik flüchtete, war der bereits spurlos verschwunden.<br />

»Mist!«, schimpfte Peter ärgerlich. »Was bin ich nur für ein<br />

toller Indianer! Ich kann noch nicht mal jemanden verfolgen,<br />

der direkt vor meiner Nase sitzt. Wo ist der Kerl denn bloß<br />

hin?«<br />

Er fing an, nach ihm zu suchen. Als die anderen Peter<br />

aufrecht herumlaufen sahen, kamen sie ziemlich schnell auf<br />

die Idee, dass irgendetwas passiert sein musste. Sie riefen nach<br />

ihm.<br />

»Peter, was ist denn los? Warum versteckst du dich<br />

nicht?«<br />

»Da drüben saß ein Mann im Gebüsch«, sagte Peter. »Ich<br />

wüsste zu gern, warum. Er ist aufgesprungen und abgehauen.<br />

Hat einer von euch gesehen, wo er hingelaufen ist?«<br />

Keiner der anderen hatte den Mann überhaupt gesehen.<br />

Verwirrt und aufgeregt versammelten sie sich um Peter. »Das<br />

muss man sich mal vorstellen: Wir kriechen alle hier herum<br />

und keiner bekommt mit, dass ein Mann vorbeiläuft«, sagte<br />

Pam. »Und Colin haben wir auch nicht entdeckt!«<br />

»Ich würde sagen, wir machen für heute Nachmittag<br />

Schluss mit dem Spiel«, sagte Peter. Er wollte vermeiden, dass<br />

plötzlich doch noch jemand mit dem Mann zusammenstieß<br />

– vielleicht war das gefährlich. »Rufen wir Colin!«<br />

»Colin!«, riefen sie, »du kannst rauskommen! Das Spiel ist<br />

vorbei.«<br />

Sie warteten darauf, dass er plötzlich aufstand und sich<br />

zeigte, aber das tat er nicht. Er antwortete nicht auf ihr Rufen<br />

und tauchte auch nicht auf.<br />

»Colin«, riefen sie im Chor, »komm raus!«<br />

Kein Colin, keine Antwort. Das war schon seltsam.<br />

»Schluss mit dem Quatsch!«, rief George. »Das Spiel ist<br />

vorbei! Wo bist du?«<br />

Colin war immer noch da, wo er die ganze Zeit über gewesen<br />

war – gut versteckt in seinem Baum. Warum er nicht<br />

antwortete? Warum er nicht herunterkletterte, zu den anderen<br />

rannte und sich darüber freute, dass sie ihn nicht gefunden<br />

hatten?<br />

Für all das hatte er einen guten Grund: Er war starr vor<br />

Schreck!<br />

Schon als er gesehen hatte, wie der Mann von der Mauer<br />

gesprungen und im Gebüsch verschwunden war, hatte er sich<br />

furchtbar erschreckt. Noch schlimmer war es geworden, als er<br />

sah, wie der plötzlich aus einem Busch ganz in der Nähe<br />

heraussprang und zu dem Baum herüberrannte, in dem er<br />

sich versteckte.<br />

Dann hörte er plötzlich, wie sich jemand an dem Baum zu<br />

schaffen machte. O nein, der Mann kletterte ausgerechnet auf<br />

den Baum, den Colin sich als Versteck ausgesucht hatte.<br />

16 17<br />

– urheberrechtlich geschütztes Material –


Das Herz schlug Colin bis zum Hals. Das gefiel ihm gar<br />

nicht. Was würde der Mann wohl sagen, wenn er Colin plötzlich<br />

direkt über seinem Kopf entdeckte? Wahrscheinlich<br />

würde er sehr wütend werden.<br />

Der Mann kam immer höher. Aber kurz bevor er den Ast,<br />

auf dem Colin saß, erreichte, machte er Halt. <strong>Die</strong> Äste weiter<br />

oben waren zwar stark genug, um einen Jungen auszuhalten,<br />

reichten aber nicht für einen Mann.<br />

In einer Astgabel direkt unterhalb von Colin rollte sich der<br />

Mann zusammen. Er schnaufte schwer, versuchte aber, seine<br />

Atemgeräusche so gut wie möglich zu unterdrücken, denn<br />

Peter war immer noch nah genug, um ihn zu hören.<br />

Colin saß da wie versteinert. Wer war der Kerl? Warum<br />

war er über die Mauer geklettert? Warum hatte er versucht,<br />

sich auf dem Sträuchergrund zu verstecken? Das hätte er sich<br />

wohl zweimal überlegt, wenn er gewusst hätte, dass es in dem<br />

Gestrüpp nur so von Mitgliedern der <strong>Schwarze</strong>n <strong>Sieben</strong> beim<br />

Indianerspielen wimmelte!<br />

Auch jetzt versteckte er sich noch, und das ausgerechnet in<br />

Colins Baum. Jeden Moment konnte er nach oben schauen<br />

und Colin entdecken. Was für eine unangenehme Situation!<br />

Dann hörte Colin die anderen rufen. »Colin! Du kannst<br />

rauskommen! Das Spiel ist vorbei!«<br />

Aber der arme Colin wagte nicht herauszukommen und<br />

noch weniger wagte er zu antworten. Er wagte kaum zu atmen<br />

und hoffte nur inständig, nicht husten oder niesen zu müssen.<br />

Mucksmäuschenstill saß er da und wartete.<br />

Auch der Mann war mucksmäuschenstill und beobachtete<br />

durch das Laub des Baumes die sechs Kinder unter ihm.<br />

Colin wünschte, sie hätten Sam mitgebracht. Der hätte die<br />

Spur des Mannes sicher bis zum Fuße des Baumes verfolgen<br />

können!<br />

Aber sie hatten Sam zu Hause gelassen. Der regte sich<br />

immer so fürchterlich auf, wenn sie Indianer spielten, und<br />

verriet durch sein lautes Gebell, wo sich alle versteckten!<br />

Nachdem die anderen lange nach Colin gesucht und gerufen<br />

hatten, beschlossen sie schließlich, sich auf den Heimweg<br />

zu machen. »Er ist uns bestimmt entwischt und schon nach<br />

Hause gegangen!«, sagte Peter. »Kommt, wir gehen auch. Den<br />

Mann finden wir sowieso nicht, und ich weiß ehrlich gesagt<br />

auch gar nicht, ob ich das will. Ich fand, er sah ziemlich fies<br />

aus.«<br />

Verzweifelt musste Colin dabei zusehen, wie die anderen<br />

den Sträuchergrund verließen und sich den Feldweg entlang<br />

davonmachten. Auch der Mann sah sie gehen. Er schnaubte<br />

leise und ließ sich dann vom Baum gleiten.<br />

<strong>Die</strong> ganze Zeit über hatte Colin nicht mehr von ihm sehen<br />

können als Hinterkopf und Ohren von oben. Auch als sich<br />

der Mann vorsichtig aus dem Dickicht davonschlich, war<br />

nicht mehr zu erkennen. Trotzdem war er mit Sicherheit ein<br />

wesentlich besserer Indianer als der ganze Rest der <strong>Schwarze</strong>n<br />

<strong>Sieben</strong>!<br />

Ob er jetzt wohl gefahrlos vom Baum herunterklettern<br />

konnte? Schließlich konnte er nicht die ganze Nacht im<br />

Baum sitzenbleiben.<br />

18<br />

– urheberrechtlich geschütztes Material –<br />

19


KAPITEL VIER<br />

Fall oder nicht?<br />

Colin rutschte den Baumstamm hinunter. Unten angekommen<br />

sah er sich ängstlich um. Niemand war zu sehen. Der<br />

Mann war verschwunden.<br />

»Ich renne einfach los, so schnell ich kann, und hoffe das<br />

Beste«, dachte Colin. Gesagt, getan. Niemand hielt ihn auf!<br />

Niemand rief nach ihm. Als er den Feldweg erreichte und<br />

sah, wie ihn die Kühe verständnislos ansahen, war ihm das<br />

ganze Theater ziemlich peinlich.<br />

Er ging zurück zu dem Bauernhof, auf dem Peter und<br />

Janet lebten. Vielleicht war die <strong>Schwarze</strong> <strong>Sieben</strong> noch unten<br />

im Schuppen, um die Indianerkostüme auszuziehen und sich<br />

die Farbe aus den Gesichtern zu wischen.<br />

Er lief den Weg hinunter zum Schuppen. <strong>Die</strong> Tür war<br />

wie üblich verschlossen. Das kunstvoll gemalte S-7-Schild<br />

strahlte ihm entgegen. Von drinnen waren Stimmen zu<br />

hören.<br />

Colin klopfte an die Tür. »Lasst mich rein!«, rief er. »Ich<br />

bin auch wieder da.«<br />

Es wurde still. <strong>Die</strong> Tür blieb verschlossen. Colin hämmerte<br />

noch einmal ungeduldig dagegen. »Ihr wisst doch ganz<br />

genau, dass ich es bin. Macht die Tür auf!«<br />

Immer noch rührte sich nichts. Endlich fiel es Colin<br />

wieder ein. Er musste natürlich das Losungswort nennen.<br />

Aber was war das noch schnell gewesen? Zum Glück erinnerte<br />

er sich daran, als hinter dem Schuppenfenster leuchtend<br />

bunte Indianerfedern vorbeihuschten.<br />

»Indianer!«, rief er.<br />

<strong>Die</strong> Tür ging auf. »Und nun hat auch wirklich jeder in der<br />

ganzen Nachbarschaft unser Losungswort gehört«, sagte<br />

Peter genervt. »Jetzt müssen wir uns schon wieder ein neues<br />

ausdenken. Komm rein. Wo zum Henker warst du denn?<br />

Wir haben uns im Sträuchergrund die Seele aus dem Leib<br />

gerufen.«<br />

»Ich weiß, ich habe euch gehört«, sagte Colin und trat ein.<br />

»Es tut mir leid, dass ich die Losung so herausgebrüllt habe.<br />

Ich habe nicht nachgedacht. Ich muss euch nämlich ganz<br />

dringend etwas erzählen – ganz besondere Neuigkeiten!«<br />

»Was denn?«, fragten alle gleichzeitig und hörten auf, sich<br />

die Farbe aus den Gesichtern zu rubbeln.<br />

»Wisst ihr noch, wie Peter sich aufgerichtet hat, weil er<br />

einen Mann im Gebüsch entdeckt hatte?«, fragte Colin. »Da<br />

war ich ganz in der Nähe – genauer gesagt saß ich oben in<br />

einem Baum!«<br />

»Das gilt nicht!«, sagte George. »Das ist beim Indianerspielen<br />

nicht erlaubt!«<br />

»Wer sagt das?«, wollte Colin wissen. »Ich wette, die<br />

echten Indianer sind genauso oft auf Bäume geklettert, wie<br />

sie auf allen Vieren herumgekrochen sind. Aber egal –<br />

jedenfalls saß ich auf diesem Baum. Und ob ihr es glaubt<br />

oder nicht: Der Mann, den Peter aufgescheucht hat, kam<br />

20 21<br />

– urheberrechtlich geschütztes Material –


schnurstracks auf meinen Baum zu gerannt und ist auch<br />

raufgeklettert!«<br />

»Puh!«, sagte George. »Und was hast du gemacht?«<br />

»Gar nichts«, sagte Colin. »Er ist zum Glück nicht ganz so<br />

hoch geklettert wie ich – also habe ich bewegungslos dagesessen<br />

und keinen Laut von mir gegeben. Ehrlich gesagt hatte<br />

ich ihn schon vor Peter entdeckt. Ich habe gesehen, wie er<br />

von der Mauer des Milton-Anwesens heruntersprang und<br />

dann im Gebüsch verschwand.«<br />

»Und wie ist die Sache ausgegangen?«, fragte Janet aufgeregt.<br />

»Als ihr gegangen wart, ist er vom Baum geklettert und<br />

weggelaufen«, sagte Colin. »Ich habe ihn schnell aus den<br />

Augen verloren. Dann bin ich auch runtergeklettert und so<br />

schnell wie möglich weggerannt. Ich hatte ziemliche Angst.«<br />

»Wieso hat der sich wohl so komisch verhalten?«, überlegte<br />

Jack. »Wie sah er denn aus?«<br />

»Na ja, ich konnte leider nur seinen Hinterkopf und seine<br />

Ohren sehen«, sagte Colin. »Hast du ihn aus der Nähe gesehen,<br />

Peter?«<br />

»Ja, schon«, sagte Peter. »Aber er hatte nichts Außergewöhnliches<br />

an sich – glatt rasiert, dunkelhaarig – nichts,<br />

woran man ihn wiedererkennen könnte.«<br />

»Na, dann werden wir wohl nichts mehr von ihm hören,<br />

schätze ich«, sagte Barbara. »<strong>Die</strong>ser Fall ist uns durch die<br />

Lappen gegangen! Wir werden wohl nie erfahren, was der<br />

Kerl dort getrieben hat und warum.«<br />

»Auf jeden Fall hat er uns den Nachmittag verdorben«,<br />

sagte Pam. »Obwohl wir Colin oben auf einem Baum sowieso<br />

nicht erwischt hätten. Wir müssen unbedingt eine Regel<br />

aufstellen, die verbietet, beim Indianerspielen auf Bäume zu<br />

klettern!«<br />

»Wann wollen wir uns das nächste Mal treffen?«, fragte<br />

Janet. »Und sollen wir ein neues Losungswort festlegen?«<br />

»Wir treffen uns Mittwochabend«, sagte Peter. »Haltet<br />

inzwischen wie üblich Augen und Ohren offen, ob ihr<br />

irgendetwas Geheimnisvolles oder Abenteuerliches oder<br />

Aufregendes mitbekommt. Wirklich schade, dass wir diesen<br />

Kerl nicht erwischt haben oder wenigstens mehr über ihn<br />

herausfinden konnten. Der führte bestimmt irgendwas im<br />

Schilde.«<br />

»Was ist mit dem Losungswort?«, fragte Janet noch<br />

einmal.<br />

»Nehmen wir ›Abenteuer‹«, sagte Peter. »Weil wir gerade<br />

ganz knapp eines verpasst haben!«<br />

Dann gingen alle nach Hause und außer Colin verschwendete<br />

niemand mehr einen Gedanken an den seltsamen Mann<br />

vom Sträuchergrund – bis das Radio ihn der <strong>Schwarze</strong>n<br />

<strong>Sieben</strong> an diesem Abend wieder ins Gedächtnis rief!<br />

»Heute Nachmittag wurde aus dem Schlafzimmer von<br />

Lady Lucy Thomas in Milton Manor eine unersetzliche<br />

<strong>Perlenkette</strong> entwendet«, sagte der Sprecher. »Niemand hat<br />

den <strong>Die</strong>b gesehen oder gehört. Vom Täter fehlt jede Spur.«<br />

Peter und Janet sprangen sofort auf. »Das war der Mann,<br />

den wir gesehen haben!«, kreischte Peter. »Unglaublich! Wir<br />

müssen unbedingt für morgen früh ein Treffen der <strong>Schwarze</strong>n<br />

<strong>Sieben</strong> einberufen, Janet – wir haben einen neuen Fall!«<br />

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