29.10.2018 Aufrufe

Wirtschaftszeitung_29102018

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

20 LEBEN &WISSEN<br />

„Nicht überreden,<br />

sondern überzeugen“<br />

In der „Hand-Werk-Statt“ der Handwerkskammer und der Kreishandwerkerschaft<br />

Münster lernten 500 Jugendliche die berufliche Praxis kennen.<br />

Einfach mal ausprobieren: Schieferbearbeitung gehört zum Dachdecker-<br />

Handwerk.<br />

Fotos: Hubertus Kost<br />

Steffen Haimann muss auch schon mal indie Hocke gehen, um eine Reparatur<br />

durchzuführen. Er stellte seinen Beruf praxisnah vor. Sein Chef Dietmar<br />

Plenter (r.) lobt die „Hand-Werk-Statt“ als „tolles Angebot“.<br />

Der Wettbewerb um Berufsnachwuchs<br />

beginnt inder Schule. Das Interesse<br />

der Schülerinnen und Schüler<br />

wird gesteigert, wenn sie Berufe<br />

in der Praxis erleben können. Zum<br />

Beispiel in der „Hand-Werk-Statt“<br />

der Handwerkskammer Münster.<br />

Eine ausbaufähige Aktion.<br />

Finde heraus, welche Talentein<br />

dir stecken.“ Das warvor einigen<br />

Wochen die Aufgabe für<br />

500 Jugendliche der Jahrgänge<br />

8und 9aus 5Schulen in<br />

Münster. Dafür hatten sie für einen Tag<br />

den Unterricht in die Praxis verlegt.<br />

Zwölf Berufsfelder standen zur Auswahl.<br />

Handwerk nicht nur zum Anschauen,<br />

sondern vor allem zum Mitmachen.<br />

„Neugier wecken“, sagt Carsten Haack,<br />

Abteilungsleiter Nachwuchssicherung<br />

bei der Handwerkskammer (HWK). Das<br />

sei die Botschaft der „Hand-Werk-Statt“.<br />

Das Angebot richtet sich an Schulen in<br />

Münster. Fünf Haupt- und Realschulen<br />

haben sich an der Aktion der Handwerkskammer<br />

und der Kreishandwerkerschaft<br />

Münster beteiligt. Als Kooperationspartner<br />

konnten die Initiatoren die Agentur<br />

für Arbeit Münster-Ahlen und das „Zdi-<br />

Zentrum Zukunft durch Innovation<br />

Münster-Münsterland m3“ gewinnen.<br />

Vorurteile gibt es nicht: Auch Jungen setzten sich an die Nähmaschine.<br />

Das Zentrum will Schülerinnen und<br />

Schüler für sogenannteMint-Berufeinteressieren<br />

(Mint steht für Mathematik, Informatik,<br />

Naturwissenschaften und<br />

Technik). Träger sind die Universität und<br />

die Fachhochschule Münster.<br />

Die Praxis handwerklicher Berufe steht<br />

bei der „Hand-Werk-Statt“ im Mittelpunkt.<br />

Die Teilnehmer werden in Gruppen<br />

eingeteilt, jeder muss sieben Stationen<br />

absolvieren. Dabei geht es um ganz<br />

reale Situationen: An kleinen Werkstattplätzen<br />

werden Alltagssituationenerläutert.<br />

Zum Beispiel Wartungs- und Reparaturarbeiten<br />

im Sanitär-, Heizungs- und<br />

Klimahandwerk, bei den Kraftfahrzeugmechatronikern<br />

und bei den Zweiradmechanikern.<br />

Überall können die Schülerinnen<br />

und Schüler mitmachen. Manche<br />

nehmen zum ersten Mal ein Werkzeug in<br />

die Hand. „Echt cool“, ist oft zu hören.<br />

Das lässt doch schon mal Interesse erkennen.<br />

Und genau das will die Aktion erreichen.<br />

Zur Auswahlstehen auch die Bereiche<br />

Tischler und Zimmerer, Elektro, Maler<br />

und Lackierer,Metall, Friseure, Dachdecker,<br />

Textil und Bäcker. Ein breites<br />

Spektrum, aber auch nur ein Ausschnitt,<br />

denn das Handwerk bietet weit über 100<br />

Ausbildungsberufe.<br />

Carsten Haack weiß aus berufl<br />

icher Erfahrung,<br />

dass Schülerinnen und Schüler<br />

wenig Ahnung davon haben, „was es im<br />

Handwerk alles gibt“. Neugierig machen,<br />

Interesse wecken, informieren –darin sehen<br />

die Initiatoren einen guten Ansatz,<br />

um Berufsnachwuchs zu gewinnen. „Dabei<br />

wollen wir nicht überreden, sondern<br />

überzeugen“, sagt Haack.<br />

Junge Leute, die bereits ein Handwerk<br />

lernen, sind dabei wichtigeUnterstützer.<br />

Zum Beispiel Steffen Haimann. Er ist Auszubildender<br />

im Sanitär-, Heizungs- und<br />

Klima-Handwerk (SHK) bei der Firma<br />

Plenter in Münster. Inder „Hand-Werk-<br />

Statt“ stellte erseinen Beruf praxisnah<br />

vorund beantworteteviele Fragen. Information<br />

auf Augenhöhe, denn mit einem<br />

Auszubildenden kommen Schülerinnen<br />

und Schüler schnell in Kontakt. „Der hat<br />

ja echt schon Ahnung“, wardie Meinung.<br />

Steffen Haimann hat mit seiner Ausbildung<br />

„absolut die richtige Entscheidung<br />

getroffen“, und das erläutert er gern.<br />

Ebenso wie Sebastian Kemner,der bei 2-<br />

Rad-Hansen in Münster seine Ausbildung<br />

absolviert. Der jungeMann hat sein<br />

Hobby zum Beruf gemacht. In „Werkstatt-Unterricht“<br />

konnte er überzeugend<br />

vermitteln, dass das Fahrrad und damit<br />

auch der Beruf des Zweirad-Mechanikers<br />

eine aussichtsreiche Zukunft haben.<br />

Bei einem Elternabend vor Beginn der<br />

Aktion nutzten Mütter und Väter die Gelegenheit,<br />

selbst einige Stationen der<br />

Hand-Werk-Statt auszuprobieren. Außerdem<br />

wurden verschiedene BeratungsangeboteimRahmen<br />

der Berufsorientierung<br />

vorgestellt.<br />

Lehrkräfte spielen beim Thema Berufswahl<br />

auch eine wichtigeRolle. Nicht nur<br />

im Unterricht. Die Berufswahl-Koordinatorinnen<br />

Andrea Rudel, Kristin Köhler<br />

und Christine Sewing begleiteten die<br />

Schülerinnen und Schüler gern in die<br />

„Hand-Werk-Statt“ und lobten den<br />

Unterricht beim Handwerk gleichermaßen:<br />

„Ein tolles Angebot.“<br />

So schätzt auch Dietmar Plenter die Aktion<br />

ein. Der Chef der gleichnamigen<br />

SHK-Firma hat seinen Auszubildenden<br />

gern für die Aktion „freigestellt“, denn<br />

„unser Berufsnachwuchs kann den fast<br />

Gleichaltrigen doch am besten erklären,<br />

warum sie eine Ausbildung machen sollen“.<br />

AndereChefs,deren Auszubildende<br />

mit in der „Werkstatt“ waren, sehen das<br />

genauso.<br />

„Wir hoffen, dass in den kommenden<br />

Jahren noch weitere Betriebe mitmachen,<br />

denn schneller können sie kaum<br />

mit Jugendlichen in Kontakt kommen,<br />

um sie für ein Praktikum oder sogar eine<br />

Ausbildung zu interessieren“, sagt der<br />

Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft<br />

Münster, Jan-Hendrik Schade.<br />

Christian König von der Agentur für<br />

Arbeit kann sich vorstellen, dass die Aktion<br />

über Münster hinaus angeboten<br />

wird: „Die ‚Hand-Werk-Statt‘ ist ausbaufähig.“<br />

Hubertus Kost<br />

Erste Versuche im Maler- und Lackierer-<br />

Handwerk

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!