Leseprobe

Ihre sogenannten Jäger nur darauf warten, ihre Schrotflinten wieder laden zu dürfen,
um uns. Aber damit ist Schluss. Nie wieder wird eine Gans in Darmstadt von Menschenhand
sterben.“
Aus den Gesichtern von Platsch und Beißer war jede Farbe gewichen. Platsch
holte tief Luft, und gerade, als er erwidern wollte, dass er vorschlage, sich in der
Stadtgesellschaft darauf zu verständigen, an einer klugen und respektvollen Entscheidungsfindung
festzuhalten, sagte Kackgans:
„Auch wenn die aufrechten Tierrechtler und Tierfreunde dafür gesorgt haben, dass
wir nicht mehr beschossen werden, so müssen wir uns doch weiterhin jeden Tag
schief ansehen und beleidigen lassen. Tag für Tag müssen wir uns von Ihnen und Ihresgleichen
als dumme Gänse verhöhnen lassen. … Wir werden von Politikern als
dumm und unnütz beschimpft, die selbst nicht auf drei zählen können, die nicht ausrechnen
können, was der Bau eines Schwimmbades kostet, die Radwege so bauen,
dass Radfahrer sie nur unter Lebensgefahr benutzen können, die für die Aktion
„Mama ist die Beste“ bei Klarstadt an der Kasse sitzen, die die Schulen ihrer Kinder
und Lehrer – im Gegensatz zu ihrem Rathaus – in einem Zustand belassen, der nicht
in Worte zu fassen ist, die den Menschen aus der Nachbarstadt den Zutritt zur Stadt
verbieten, die Sichtschutzzäune ohne Sichtschutz aufstellen, die Worte wie ,Vergrämung’
und ,Eigenbetrieb’ benutzen. Diese Menschen nennen uns ,dumme Gänse’. Hat
man jemals Dümmeres gehört?“
„Ich nicht“, wollte Beißer sagen, doch er brachte keinen Ton heraus.
„Wir sind heute hierher gekommen“, fuhr Kackgans fort, „um Sie von unserer
Absicht zu unterrichten, mit Ihnen, Ihrem Unvermögen und Ihren Unverschämtheiten
ein für alle Mal Schluss zu machen … Platsch schloss die Augen. Das war’s, dachte
er. Sekunden vergingen. Vollkommene Stille.
„Auch wenn Sie beide die Verantwortung für den Mordbefehl tragen, mit dem die
Jäger zu uns kamen“, rief Kackgans, „auch wenn Sie, Herr Platsch, in einem Interview
sagten, da wo Sie herkämen, würde man kurzen Prozess mit so jemandem wie
uns machen – trotz all dieser Niedertracht konnten wir den militanten Flügel der Nilgans-Bewegung,
dessen Existenz wir nicht bestreiten, davon überzeugen, auf Gewalt
zu verzichten.“
Ein tiefes Seufzen füllte den Traum. Platsch und Beißer atmeten auf. Ihr Leben
würde weitergehen.
„Und weil wir auf Gewalt verzichten“, sagte Kackgans, „bringen wir Ihnen heute
die erbeuteten Waffen zurück. Wir brauchen sie nicht. Machen Sie damit, was Sie
wollen. Sie werden Ihnen nichts nutzen, denn der Kampf zwischen Ihnen und uns
wird nicht mit Waffen entschieden, sondern mit Klugheit, Fleiß, Sachkunde, Phantasie,
und durch eine demokratische Wahl. Wir sind gekommen, um Ihnen zu sagen: Ich,
Dagobert Kackgans, werde bei der Oberbürgermeisterwahl gegen Sie, Herr Platsch,
und gegen Sie, Herr Beißer, sollte Ihre Partei Sie nominieren, antreten …