Frohe Weihnachten Müritz
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Montag/Dienstag, 24./25. Dezember 2018<br />
<strong>Frohe</strong>s Fest<br />
Seite 5<br />
Tannenbaum gefunden, Schlitten ist bereit – für diese Familie kann <strong>Weihnachten</strong> kommen. An Konflikte und Streit denkt keiner.<br />
Foto: Patrick Pleul<br />
Fröhliche <strong>Weihnachten</strong> überall?<br />
<strong>Weihnachten</strong> ist eine Zeit der Liebe – mit all ihren schönen und schmerzlichen Seiten.<br />
Wenn wir uns das vor Augen halten, können wir vielleicht besser verstehen, warum sich<br />
dieses Fest so wunderbar, aber auch so fürchterlich anfühlen kann. Die Rostocker<br />
Psychoanalytikerin Denise Pfitzner erklärt es im Interview mit Antje Wegwerth.<br />
Viele Menschen freuen sich<br />
aufs Weihnachtsfest und auf<br />
eine wunderschöne Zeit mit<br />
der Familie. Die Erwartungen<br />
sind groß, und umso größer<br />
ist dann die Enttäuschung,<br />
wenn etwas schief läuft.<br />
Können wir etwas tun, um<br />
das zu verhindern?<br />
Das Problem ist, dass es eben<br />
nicht nur ein Fest ist, sondern<br />
hochemotional besetzt<br />
wird. Zu <strong>Weihnachten</strong> zeigt<br />
sich, was die Beziehungen<br />
taugen, die man zueinander<br />
hat. <strong>Weihnachten</strong> will jeder<br />
hören, dass man zusammengehört<br />
und eine Familie ist.<br />
Das ist nicht nur ein gemütliches<br />
Zusammensitzen.<br />
Ebenso verhält es sich mit<br />
den Geschenken. Es sind eben<br />
nicht nur Geschenke. Für Erwachsene<br />
sind Geschenke<br />
Symbole dafür, wie viel man<br />
dem anderen bedeutet oder<br />
wie gut man den anderen<br />
kennt. Das heißt, der Mixer,<br />
den der Mann der Ehefrau<br />
schenkt, ist nicht nur ein<br />
praktisches Geschenk, sondern<br />
heißt gleichzeitig: „So<br />
gut kennst Du mich? Das ist<br />
alles? Das hast Du von dem<br />
verstanden, was ich von Dir<br />
brauche, was ich will?“ Man<br />
muss sich bewusst sein, dass<br />
zu <strong>Weihnachten</strong> alles auf den<br />
Prüfstand kommt, was sich<br />
an Konflikten, an Spannungen,<br />
an Enttäuschungen zwischen<br />
den Menschen über das<br />
Jahr angesammelt hat.<br />
Auf welche typischen<br />
Weihnachtskonflikte sollte<br />
man gefasst sein?<br />
<strong>Weihnachten</strong> ist ein Fest der<br />
Liebe. Das heißt, alle Konflikte,<br />
die in der Liebe eine<br />
Rolle spielen, kommen dort<br />
aufs Tablett. Das geht mit<br />
Psychoanalytikerin Denise<br />
Pfitzner <br />
Foto: Privat<br />
der Liebe zwischen Mutter<br />
und Tochter schon los. Die<br />
Tochter guckt <strong>Weihnachten</strong><br />
genau, hat Mama verstanden,<br />
dass ich erwachsen bin?<br />
Dass ich mit meinen Kindern<br />
da bin, dass sie mich nicht<br />
wieder zu ihrem kleinen<br />
Mädchen machen kann, mir<br />
nicht wieder den Teller auffüllt,<br />
dass ich alleine bestimmen<br />
darf.<br />
Die Ehefrau schaut, was<br />
bedeute ich meinem Mann?<br />
Liebt er mich wirklich? Kann<br />
ich das an seinem Geschenk<br />
ablesen? Wenn der Mann das<br />
ganze Jahr über geschwiegen<br />
hat und seiner Frau nicht gezeigt<br />
hat, wie viel sie ihm<br />
bedeutet, wird die Frau natürlich<br />
<strong>Weihnachten</strong> genau<br />
auf das Geschenk gucken und<br />
ganz viel Bedeutung hineinlegen.<br />
„Hach, es ist ein Ring!<br />
Bedeute ich ihm also doch<br />
etwas?“<br />
Auch Geschwisterkonflikte<br />
spielen eine große Rolle<br />
und die erwachsenen Kinder<br />
schauen, ob ihre Eltern gute<br />
Großeltern für ihre Enkelkinder<br />
sein können. Und wenn<br />
sie es sind, stellt sich die Frage,<br />
verletzen sie damit die<br />
eigenen Kinder, weil sie bessere<br />
Großeltern sind, als sie<br />
Eltern waren? Ist ihnen klar,<br />
dass sie damit die eigenen<br />
Kinder verletzen? Es kommen<br />
also leider alle Konflikte, die<br />
durch Liebe entstehen, alle<br />
Schmerzen und Trennungen<br />
auf den Prüfstand.<br />
Wenn man weiß, dass es<br />
familiär das Jahr über schon<br />
Schwierigkeiten gab, die<br />
nicht aus dem Weg geräumt<br />
wurden: Was kann man dann<br />
machen?<br />
Auch da sind einfache Rezepte<br />
schwierig. <strong>Weihnachten</strong> ist<br />
ein Fest der Liebe und damit<br />
auch ein Fest der Liebe zu<br />
sich selbst. Es wäre gut, wenn<br />
man es schafft, zu <strong>Weihnachten</strong><br />
Entscheidungen zu<br />
treffen, in denen man selbst<br />
wieder vorkommt. Zum Beispiel:<br />
Tante Erna ist da, die<br />
ich nicht mag. Dann bleibe<br />
ich eventuell nicht bis zum<br />
Abendbrot, sondern gehe<br />
schon früher und kann meiner<br />
Mutter vielleicht auch sagen,<br />
dass ich Tante Erna nun<br />
mal nicht mag und deshalb<br />
eher gehe.<br />
Wenn man Entscheidungen<br />
trifft, in denen man selbst<br />
vorkommt, ist das Konfliktpotenzial<br />
zu <strong>Weihnachten</strong> geringer.<br />
Je mehr man Entscheidungen<br />
den anderen zuliebe<br />
und aus Pflichtgefühl trifft,<br />
umso wahrscheinlicher ist<br />
es, dass es knallt. Dann reicht<br />
eine Fliege an der Wand oder<br />
eine Kleinigkeit von Tante<br />
Erna schon aus, dass man auf<br />
180 ist oder die Situation nur<br />
noch aushält. <strong>Weihnachten</strong><br />
sollte man nicht nur zeigen,<br />
dass man die anderen liebt,<br />
sondern auch selbst schauen,<br />
was man aushalten und ertragen<br />
kann – und was eben<br />
nicht. In einer Familienkonstellation,<br />
in der <strong>Weihnachten</strong><br />
ein Fest ist, bei dem das<br />
Pflichtgefühl – also alle haben<br />
mitzumachen, ob sie wollen<br />
oder nicht – am höchsten<br />
gehalten wird, herrscht die<br />
größte Gefahr, dass die Situation<br />
eskaliert.<br />
Angenommen, das ist passiert<br />
und <strong>Weihnachten</strong> ist vorbei.<br />
Wie wichtig ist es, sich beim<br />
Bilanz ziehen auch die guten<br />
Gespräche und Momente<br />
bewusst ins Gedächtnis zu<br />
rufen, die es auch gab?<br />
Der Ansatz, aus bedrückenden<br />
Familiensituationen<br />
wenigstens das Positive herauszuziehen,<br />
ist ja wieder so<br />
etwas wie ein Aushalten und<br />
Weggucken. Es wäre ja vielleicht<br />
eine gelungene Beziehung,<br />
wenn man <strong>Weihnachten</strong><br />
darüber sprechen könnte,<br />
dass einem Tante Erna auf die<br />
Nerven geht, anstatt die ganze<br />
Zeit den Mund zu halten<br />
und auszuharren. Aber es<br />
bringt nichts, sich das Gute<br />
krampfhaft herbeizurufen,<br />
wenn das Schlechte in dem<br />
Augenblick am meisten im<br />
Magen liegt. Dann sollte man<br />
vielleicht die Eltern bitten,<br />
Tante Erna beim nächsten<br />
Mal nicht mehr einzuladen,<br />
damit man auch mal in Ruhe<br />
über die schönen Dinge sprechen<br />
kann. Aber das ist alles<br />
sehr komplex, das wird davon<br />
abhängen, inwieweit Eltern<br />
sich trauen, Tante Erna auszuladen.<br />
Wenn da auch schon<br />
Konflikte bestehen und die<br />
Eltern sagen, das Kind solle<br />
den Mund halten und mitmachen,<br />
denn sie wollen sich<br />
nicht mit Tante Erna anlegen,<br />
dann steht das ganze Gefüge<br />
wieder unter Hochspannung.<br />
Dann fällt es schwer zu sagen,<br />
was ist gut gelaufen?<br />
Dann muss man vielleicht<br />
wirklich erwägen, lieber mit<br />
Würde zu Hause unterm<br />
eigenen Baum zu feiern, um<br />
das Weihnachtsfest wirklich<br />
wieder zu genießen, statt sich<br />
krampfhaft Gutes bewusst zu<br />
machen, wo man es gar nicht<br />
fühlt.<br />
Wenn Sie Ihre persönliche<br />
Weihnachtsbilanz<br />
rückblickend betrachten,<br />
wie fällt sie aus?<br />
Als Kind war es immer wunderschön.<br />
Als Erwachsene<br />
habe ich gemerkt, es wird<br />
schwieriger, je selbstbewusster<br />
ich wurde. Während ich<br />
früher ganz artig und angepasst<br />
war, war ich dann zu<br />
forsch und aggressiv und<br />
dachte, jetzt vertrete ich nur<br />
noch das, was ich will. Bis ich<br />
gemerkt habe, beide Wege<br />
sind nicht gut. Man lernt ja<br />
im Laufe seines Lebens Verhandlungsgeschick,<br />
womit<br />
man sowohl seine eigenen<br />
Interessen anbringt, als auch<br />
die Interessen des anderen<br />
anhören kann und Kompromisse<br />
bildet. Was so einfach<br />
klingt, ist ein jahrelanger<br />
Lernprozess gewesen. Inzwischen<br />
– ich bin jetzt 41 Jahre<br />
alt – macht mir <strong>Weihnachten</strong><br />
wieder richtig Spaß. Das war<br />
also ein langer Lernprozess<br />
von: Ich muss es so machen,<br />
wie es anderen gefällt, bis hin<br />
zu: Ich darf selbst gestalten<br />
und mich einbringen.<br />
Das ist doch eine frohe<br />
Weihnachtsbotschaft!<br />
Ja, aber alles braucht seine<br />
Zeit und das geht nicht von<br />
heute auf morgen. Aber langfristig<br />
halte ich es für das<br />
glücklichere Modell.<br />
Kontakt zur Autorin<br />
a.wegwerth@nordkurier.de<br />
MZ