Fachbetriebsheft Garantiert naturnah _04.2018
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Faszination Naturgarten<br />
Faszination Naturgarten<br />
Natur-Friedhof im kleinen Ort<br />
Gelnhaar – ein Quantensprung<br />
D - 63683 Ortenberg<br />
Kontraste dürfen sein: konventioneller und <strong>naturnah</strong>er Friedhofsteil nebeneinander (Fotos, soweit nicht anders gekennzeichnet: Dorothee Dernbach)<br />
genen Wegen und verschiedenen Waldbaumarten,<br />
ersetzt Gestecke, Kerzen und<br />
Grabsteine. Diese Strukturen und der<br />
Wiesenbestand werden von der Friedhofsverwaltung<br />
<strong>naturnah</strong> gepflegt.<br />
p An jedem Baum können bis zu 10 Menschen<br />
beigesetzt werden. Das entspricht<br />
bei einer Pflanzung von 26 Bäumen einer<br />
Ruhestätte für 260 Urnen.<br />
p Da wir einen Bogen schlagen wollen zwischen<br />
bestehender Friedhofskultur und<br />
dem Friedwaldkonzept, sollen auch Elemente<br />
der Kontemplation durch Spruchtafeln<br />
eingebracht werden und ein schön<br />
gestalteter Treffpunkt zum Verweilen einladen.<br />
Ideenfindungsphase<br />
zur Umsetzung<br />
Im Rahmen der Ideenfindungsphase, in die<br />
Vertreter der Verwaltung (Ortenberg), des<br />
Ortsbeirates und der Kirchengemeinde einbezogen<br />
wurden, nahm die Gestaltung des<br />
neuen Friedparks Gestalt an: Als „Rückgrat“<br />
soll zukünftig ein zentraler Gehweg das Gelände<br />
erschließen, mit einfacher, wassergebundener<br />
Decke aus örtlichem Basalt. Der<br />
Weg sollte mit Minibagger befahrbar sein.<br />
Sollte sich erweisen, dass der Belag Probleme<br />
beim barrierefreien Befahren macht,<br />
kann auf den Untergrund später immer<br />
noch gepflastert werden.<br />
Um die zwei Friedhofsbereiche sauber zu<br />
trennen, soll zum bestehenden Gräberfeld<br />
ein Wall aufgeschüttet und mit einheimischen<br />
Sträuchern und Blumen bepflanzt<br />
und besät werden.<br />
Planung<br />
Die Planung sieht vor, dass mit den Bestattungen<br />
im Bereich A zwischen Weg und<br />
Hecke begonnen werden soll, der Bereich<br />
B auf der anderen Wegseite hingegen für<br />
eine Weile naturnäher als „Reservefläche“<br />
gestaltet wird. Die Baumpflanzungen sollten<br />
in beiden Bereichen möglichst bald<br />
erfolgen, da Bäume langsam wachsen. Der<br />
Aushub aus dem Weg soll vorwiegend im<br />
Bereich B als sanfte Modellierung und als<br />
Erdkern unter den Sträucherwall zum alten<br />
Friedhofsteil eingebaut werden. So muss<br />
nichts entsorgt werden. Auf diese Flächen<br />
kommt eine unkrautfreie, preiswerte Abdeckung<br />
mit Basalt-Steinerde 0/8, auf die<br />
gepflanzt und gesät werden kann und die<br />
den anschließenden Pflegeaufwand entscheidend<br />
minimiert.<br />
Im Bereich A wird in großen Teilen der vorhandene<br />
Schurrasen weiter bestehen bleiben.<br />
Am Rand sollte jedoch als naturnäheres<br />
Element ein Saum vor der Hecke in ein<br />
weniger oft gemähtes, blühendes Wiesenband<br />
umgewandelt werden. Kleinere Bereiche<br />
mit modelliertem Aushub aus dem<br />
Weg und dem Platzuntergrund werden als<br />
zusätzliche Blühinseln angelegt.<br />
Im Norden wird der Friedparkteil ebenfalls<br />
von einer kleineren, <strong>naturnah</strong>en Fläche aus<br />
Sträuchern und Wiese abgeschlossen.<br />
Kurzporträt<br />
Kontakt & Adresse:<br />
Stadt Ortenberg, Bauamt,<br />
Lauterbachstr. 2,<br />
D - 63683 Ortenberg/Hessen, Friedhof<br />
im Ortsteil Ortenberg-Gelnhaar<br />
Besichtigung: Ja<br />
Baujahr/ Bauzeit:<br />
Umgestaltung im Jahr 2016<br />
Planung & Bauleitung: durch<br />
Dorothee Dernbach, Naturnahe<br />
Grünplanung, Büdingen<br />
Ausführung und Pflege: durch<br />
eine ortsansässige GaLa-Baufirma<br />
Joachim Seipel, Ortenberg-Selters<br />
Größe: ca. 2000 m²<br />
Wildpflanzenarten: 130 (Stauden,<br />
Sträucher, Bäume, Zwiebelpflanzen)<br />
Wildpflanzensaatgut: 10 Einzelarten,<br />
Wiese Nr. 6 von Syringa, Dachbegrünungsmischung<br />
von Rieger-Hofmann<br />
auf dem Sträucherwall<br />
Besondere Merkmale: Der Friedhof<br />
ist zweigeteilt: neben dem neu angelegten<br />
<strong>naturnah</strong>en Teil zur Baumbestattung<br />
besteht ein konventioneller<br />
Friedhofsteil weiter.<br />
Ortenberg in Hessen hat einen Natur-<br />
Friedhof: Der kleine Ortsteil Gelnhaar hat<br />
es gewagt, dieses wirklich sensible Thema<br />
anzugreifen und den „Friedwald“ ins Dorf<br />
zu holen. Zusammen mit Ortsvorsteher<br />
Olaf Kromm und Pfarrer Marschella ist dieses<br />
innovative Projekt ins Laufen gekommen.<br />
Obwohl auf Friedhöfen – und das ist<br />
kein Geheimnis – normalerweise um jeden<br />
Baum, der Blätter aufs Grab fallen lässt, bitter<br />
gestritten wird. Wie das kam, erläutert<br />
Herr Kromm: „Bei unseren Bürgerinnen und<br />
Bürgern können wir ein zunehmendes Interesse<br />
an Waldbestattungen feststellen. Auf<br />
der anderen Seite verfügen wir als Kommune<br />
über große Reserveflächen im Friedhofsbereich,<br />
die diesem Interesse nicht gerecht<br />
werden. So ist die Idee eines Friedparkes<br />
entstanden: Innerhalb der vorhandenen<br />
Friedhofsflächen soll eine große, <strong>naturnah</strong>e<br />
Teilfläche entstehen, an deren zukünftigem<br />
Baumbestand Urnenbestattung möglich<br />
werden soll. Gerade unsere alten Leute wollen<br />
hier im Ort beerdigt werden, dort, wo<br />
sie auch ihr ganzes Leben verbracht haben“.<br />
Auf der neuen Friedhofsfläche sollen<br />
viele Elemente der Friedwaldbestattung<br />
aufgegriffen werden – Das Konzept:<br />
p Das Konzept steht für eine alternative<br />
Form der Bestattung. Die Asche Verstorbener<br />
ruht in einer biologisch abbaubaren<br />
Urne, direkt an den Wurzeln<br />
eines Baumes. Eine Namenstafel am<br />
Boden macht auf die Grabstätte aufmerksam.<br />
Auf diese Namenstafel kann<br />
nach Wunsch auch verzichtet werden. In<br />
diesem Fall haben Angehörige dennoch<br />
die Möglichkeit, die Grabstätte des Verstorbenen<br />
jederzeit zu besuchen, denn<br />
die Bäume sind gekennzeichnet und in<br />
Registern bei der Kommune eingetragen.<br />
p Die <strong>naturnah</strong>e Gestaltung der Fläche,<br />
über eine dichte Baumbepflanzung hinaus,<br />
bietet einen erlebbaren Bezug zur<br />
Natur, in der sich die meisten Menschen<br />
schon zu Lebzeiten wohlfühlen.<br />
p Der Friedpark kommt ohne individuelle<br />
Grabpflege aus. Die natürliche Umgebung,<br />
die geschaffen werden soll mit<br />
Wildblumen, Naturhecken, geschwun-<br />
Allen war wichtig, dass über die Pflanzung<br />
von 26 heimischen Laubbäumen hinaus ein<br />
<strong>naturnah</strong>er Charakter geschaffen werden<br />
soll: Bunt blühende Wiesenareale, die auch<br />
zukünftig fachgerecht gepflegt werden<br />
müssen. Ganz konsequent wurde auch für<br />
den gewünschten neuen Platz – gedacht<br />
als Treffpunkt und zum Verweilen – ein Belag<br />
aus regionalem Basalt-Pflaster, sogar<br />
Recycling-Material, gewählt. Klar war auch<br />
von Anfang an, dass Teile der Anlage in Eigenleistung<br />
umgesetzt werden (Schrifttafeln<br />
durch die Kirchengemeinde, Findling<br />
am Eingang setzen, Pflastern des Platzes,<br />
Pflanzarbeiten durch Ortsbeirat). Alle weiteren<br />
Arbeiten sollen vergeben werden.<br />
Bürgermeisterin Pfeiffer-Pantring erläutert im HR-Interview<br />
überzeugend das <strong>naturnah</strong>e Friedpark-Konzept<br />
28|FB Natur & Garten Oktober 2018<br />
Natur & Garten Oktober 2018 FB|29