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Fachbetriebsheft Garantiert naturnah _04.2018

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Faszination Naturgarten<br />

Faszination Naturgarten<br />

Bodan-Projekt<br />

Böschungssanierung und Konzept Obstgarten<br />

D-88662 Überlingen<br />

Erste Maßnahmen zur Sanierung der Böschung: Oberboden entfernen und Einbau<br />

der Bermen zur gezielten Entwässerung des Hangs.<br />

Aus der Sicht eines Laien unspektakulär, aus der Perspektive unserer Fauna großartig,<br />

weil ökologisch hochwertiger Lebensraum.<br />

Part 1: Mehr als ein<br />

halber Hektar Wiesen-Biotop –<br />

ein Heudrusch-Projekt!<br />

(Im Rahmen des Projekts „Naturnahes Firmengelände<br />

für die Firma Bodan“, ein Teilprojekt<br />

von „Unternehmen für biologische<br />

Vielfalt am Bodensee“)<br />

Einführung: Mein Projekt bei der Firma Bodan<br />

besteht eigentlich aus mehreren völlig<br />

unabhängigen Teilbereichen, die allerdings<br />

räumlich teilweise aneinander anschließen.<br />

Der erste Part und für mich wichtigste Teil<br />

ist eine Böschungssanierung.<br />

Als ich an einem düsteren Oktobertag im<br />

Herbst 2012 das erste Mal das Bodan-Firmengelände<br />

betrat, bin ich fast ein wenig<br />

erschrocken. Um das gesamte Gewerbegebiet<br />

„Zum Degenhardt“ optisch geschickt<br />

in der Landschaft verschwinden lassen zu<br />

können, war die riesige, durch einen tiefen<br />

Einschnitt in das natürlich gewachsene<br />

Gelände entstandene und das Firmenareal<br />

des Logistikunternehmens säumende Böschung<br />

nicht nur insgesamt sehr hoch und<br />

massiv wirkend, sondern viel zu steil und<br />

ohne gezielte Hangwasserführung durch<br />

Bermen angelegt worden.<br />

Der Gesamtzustand der „begrünten“ Böschung<br />

war entsprechend marode. Aufgetragener<br />

Oberboden, der keine Chance<br />

hat, je wieder Verbindung mit dem lößlehmhaltigen<br />

Untergrund einzugehen,<br />

rutschte in Massen auf die Fahrspuren der<br />

LKW-Ausfahrt des Logistikunternehmens<br />

zu und nahm alles an Bewuchs mit, was<br />

eigentlich der Hangbefestigung dienen<br />

sollte. Selbst Gehölze waren inzwischen<br />

entwurzelt worden und an der Oberkante<br />

der Böschung hing eine dicke Abrisskante<br />

der angrenzenden Weidefläche<br />

über. Mit Weichholz-Rundhölzern und<br />

Drahtbespannung hatte man die Rutschungen<br />

abbremsen wollen – vergebens!<br />

Angesichts der Dunkelheit des Herbsttages<br />

und der Aneinanderreihung diverser<br />

Baufehler im Steilhang fragte ich mich kurz,<br />

ob ich nicht lieber auf dem Absatz wieder<br />

kehrt machen sollte.<br />

Ich entschied vorerst zu bleiben und die<br />

Runde der Herren unterschiedlicher Unternehmen<br />

(Generalunternehmer, Landschaftsarchitekt,<br />

mehrere Vertreter von Naturschutzorganisationen,<br />

Stadtverwaltung<br />

Überlingen und die Geschäftsführung von<br />

Bodan selbst) zunächst einmal anzuhören.<br />

Glücklicherweise kannte ich die weiteren<br />

Hintergründe, Auseinandersetzungen, Gutachten<br />

und Gegengutachten zu diesem<br />

Zeitpunkt nicht. Am Ende der Gesprächsrunde<br />

stellte ich eine Bedingung: Die Sanierung<br />

der Begrünung des Steilhangs erfolgt<br />

als Rohbodenbegrünung oder wahlweise<br />

ohne mich.<br />

Die Geschäftsführung konnte meinen Ausführungen<br />

folgen und ließ sich glücklicherweise<br />

sofort auf meinen Vorschlag ein. Die<br />

Krux: Der in großen Mengen vorhandene<br />

Oberboden musste abgetragen, korrekt<br />

zwischengelagert und nach und nach einer<br />

sinnvollen Verwendung zugeführt werden.<br />

Gar nicht so einfach und vor allen Dingen<br />

ein sehr langwieriger Prozess.<br />

Das Resultat dieser Entscheidung kann sich<br />

sehen lassen – aber lassen Sie mich vorne<br />

anfangen ...<br />

Rohbodenbegrünung im<br />

Heudruschverfahren<br />

mit gebietsheimischem<br />

Wildpflanzensaatgut<br />

Im Rahmen der notwendigen Böschungssanierung<br />

für die Firma Bodan entschied<br />

ich mich bei der Planung und Gestaltung<br />

an Stelle einer Oberbodenabdeckung für<br />

eine Rohbodenbegrünung der trockenen<br />

Böschung im Heudruschverfahren. Bei dieser<br />

Entscheidung spielten nicht nur ökologische<br />

Kriterien, sondern auch die höchst<br />

anspruchsvollen bautechnischen Gegebenheiten<br />

eine Rolle: Einerseits handelte<br />

es sich um einen stark erosionsgefährdeten<br />

Steilhang, der auch nach längerem Regen<br />

stets extrem schnell abtrocknet, andererseits<br />

gibt es hier durchaus sickernasse Stellen<br />

auf einem für Frostrutschungen anfälligem<br />

lößlehmhaltigen Boden.<br />

Trocken- und Magerstandorte sind in Mitteleuropa<br />

die artenreichsten natürlichen<br />

Biotopflächen. Die verschiedenen Typen<br />

der Magerrasen bzw. mageren Wiesen<br />

sind besonders in Deutschland allesamt<br />

stark bedroht. Die hohe Artenvielfalt verschiedener<br />

Wildblumen auf dergleichen<br />

Biotopflächen bildet die unverzichtbare Lebensgrundlage<br />

für eine Vielzahl von Insekten,<br />

Eidechsen, Fledermäusen und Vögeln.<br />

Die Entwicklung von Trocken- und Magerstandorten<br />

ist durch die extremen Bedingungen<br />

stark verlangsamt, der natürliche<br />

Sukzessionsprozess verläuft wie in Zeitlupe.<br />

Dies erfordert Pflanz-, bzw. Ansaatplanung<br />

auf höchstem ökologischem Niveau, hier<br />

in Form einer Art „Wiesentransplantation“:<br />

Zu diesem Zweck wurden mehrere artenreiche<br />

Wiesen und Halbtrockenrasen in der<br />

nahen Umgebung (Umkreis 20 – 30 km) als<br />

Spenderflächen genutzt. Sie wurden mehrfach<br />

zu unterschiedlichen Zeitpunkten der<br />

Samenreife einzelner Arten gemäht. Die Samen<br />

der Wildblumen wurden damit für die<br />

Übertragung geerntet, getrocknet und vor<br />

Ort wieder ausgebracht.<br />

Der Vorteil des Heudruschs gegenüber<br />

handelsüblichen Wildblumen-Saatgutmischungen<br />

ist, dass mit der Mischung aus<br />

den unterschiedlichsten Wildblumensamen<br />

auch Spreuanteile, Pilzsporen, Moose<br />

und sogar Mikroorganismen (Diasporen)<br />

übertragen werden. Mit einer solchen Mischung<br />

sät man nicht nur eine Wildblumenwiese<br />

an, sondern startet eine neue<br />

Biozönose, also eine komplette Lebensgemeinschaft.<br />

Dies hat enorme ökologische<br />

Vorteile. Joe Engelhardt hat diese aufwändige<br />

Methode entwickelt. Es ist ihm auf diese<br />

Art und Weise schon häufiger gelungen,<br />

selten gewordene Arten auf einen neuen<br />

Standort zu „transplantieren“.<br />

Es geht aber nicht nur um die seltenen<br />

und die besonders attraktiven Arten. Mittlerweile<br />

sind deutschlandweit auch die<br />

früher gewöhnlichen, ursprünglich weit<br />

verbreiteten Arten bedroht. Und gerade<br />

auch mit den gewöhnlichen Arten verschwindet<br />

mit rasanter Geschwindigkeit<br />

die gesamte biologische Vielfalt aus unserer<br />

Umwelt. Eine Begrünung wie bei Bodan<br />

ist somit ein echter Beitrag, die biologische<br />

Vielfalt der Region zu erhalten.<br />

An steilen Böschungen leisten Magerrasenarten<br />

aber auch technisch betrachtet<br />

wertvolle Dienste: Ihre Wurzelmasse ist<br />

um ein vielfaches höher als die oberirdische<br />

Blattmasse. Und das hält den Boden<br />

der Böschungen und schützt vor zu starker<br />

Erosion. Durch die artenreiche Wiese,<br />

die sich hier bei der Firma jetzt ungestört<br />

entwickeln darf, wird der komplette Hang<br />

langfristig gesichert, denn: Je artenreicher<br />

die Vegetation, desto vielfältiger das Wurzelbild<br />

und desto sicherer die Böschung!<br />

Gleichzeitig verbleiben in Magerrasen oft<br />

auch offene Bodenflächen. Diese dienen<br />

der Artengemeinschaft selbst um sich durch<br />

Aussaat immer wieder verjüngen zu können<br />

und bieten außerdem den vielen bodennistenden<br />

Wildbienenarten wertvollen<br />

Lebensraum. Denn von den in Süddeutschland<br />

lebenden 600 Wildbienen arten ist die<br />

große Mehrheit, nämlich etwa zwei Drittel,<br />

bodennistend. Ihnen nutzen unsere gut gemeinten<br />

Wildbienen-Nisthilfen gar nichts.<br />

Sie sind abhängig von einer Landschaft mit<br />

offenen Böden, Trampelpfaden auf Lehmböden,<br />

unbewachsenen Stellen eines Gemischs<br />

aus Lehm und Sand. Auch Schmetterlinge<br />

lieben diesen Lebensraum, sie<br />

finden die für sie wichtigen Mineralien, die<br />

sie mit ihrem Rüssel dem durch Morgentau<br />

oder Regen angefeuchteten Lehm entnehmen.<br />

Eine Vielzahl bunt blühender Wildblumen<br />

kann sich hier in Ruhe etablieren und<br />

dank der offen bleibenden Bodenstellen<br />

immer wieder neu versamen und auf diese<br />

Weise den Bestand verjüngen.<br />

Was früher selbstverständlicher, völlig unbeachteter<br />

Teil unserer Kulturlandschaft<br />

war, ist am Schwinden … und mit dem<br />

Schwinden von Strukturen, von einer gewissen<br />

„Unordnung“ beispielsweise NICHT<br />

angelegter, NICHT ordentlich gepflasterter<br />

Wege und Hofstellen, werden unsere kleinen<br />

unscheinbaren Mitbewohner lautlos<br />

und fast unbemerkt schwinden …<br />

Die ökologische<br />

Böschungssanierung in<br />

ihren Einzelschritten<br />

p Entfernung von Bewuchs und Oberboden<br />

auf der gesamten Fläche<br />

p Abflachung der Böschung<br />

p Einarbeiten von Bermen Schotter zur<br />

gezielten Wasserableitung im Hang<br />

p Ernte von Wildblumensamen auf<br />

Spenderflächen für den Heudrusch<br />

p Rohbodenbegrünung durch Mahdgutübertragung,<br />

bzw. Ansaat der steilen<br />

Böschung mit autochthonem (gebietsheimischem)<br />

Heudrusch im Spätherbst<br />

2013<br />

p Erstellung Heudruschpass mit Artenliste<br />

p Pflegebegleitung und Monitoring<br />

52|FB Natur & Garten Oktober 2018<br />

Natur & Garten Oktober 2018 FB|53

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